Die Golf
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Die Golf
Die Golf-Fabrik Abu Dhabi. Kapital gegen Know-how: Kein anderes Emirat plant schon jetzt so entschlossen für eine Zukunft ohne Öl. Die mächtigen Staatsfonds investieren gezielt in westliche Konzerne und sichern sich deren Wissen. Ihr Ziel ist eine industrielle Revolution in der Wüste Emir Chalifa Bin Sajid Al Nahjan Vorsitzender Supreme Petroleum Council kontrolliert die staatliche Ölgesellschaft ADNOC, verteilt die Öleinnahmen an die Staatsfonds Etihad Staatliche Fluglinie ADIC Abu Dhabi Investment Council Fondskapital�: ��–�� Mrd. $ Fondskapital�: ��–�� Mrd. $ Fondskapital�: ���–��� Mrd. $ Fondskapital�: ��–�� Mrd. $ � Chrysler Building | �� Prozent National Bank of Abu Dhabi Kronprinz Mohammed Al Nahjan Sparten Luft- und Raumfahrt Kapital ADAT (Wartung von Verkehrsflugzeugen) Strata (Flugzeug- und Komponentenbau) Sanad (Finanzierer für Luftfahrtindustrie) Horizon (Pilotenakademie) AMMROC (Wartung von Militärflugzeugen und -hubschraubern) Energie General Electric Saab Spyker | ��,� Prozent Ferrari | � Prozent � AMD | ��,� Prozent � Carlyle Group Private Equity | �,� Prozent Leaseplan | �� Prozent (Fuhrparkmanagement) Joint Ventures mit SR Technics, Airbus, FACC, Piaggio Aero, Air Berlin, Sikorsky, Boeing, Rolls-Royce, General Electric TDIC Tourism Development & Investment Company Dolphin Energy | �� Prozent (Gasprojekt) Al Yah Satellite �� Communications Masdar (Ökostadt, soll erste CO�-neutrale Stadt der Welt werden) � Atic (Prozessoren, Mobiltelefone) London Array | �� Prozent (Offshorewindpark) � Torresol Energy | �� Prozent (Solarthermie, Spanien) � Guinea Alumina Corporation | �,� Prozent � MAN Ferrostaal | �� Prozent Manchester City | ��� Prozent Flughafen Gatwick | �� Prozent � OMV | ��,� Prozent Barclays | �,� Prozent Hyatt Hotels | �� Prozent Cepsa | �,�� Prozent Colonia Real Estate Hyundai Oilbank | �� Prozent EFG-Hermes | � Prozent Nova Chemicals | Kanada | ��� Prozent Louvre Abu Dhabi Borealis | �� Prozent (Petrochemie Österreich) Guggenheim Abu Dhabi � Tochterfirma Aabar Investments Unicredit | �,�� Prozent Falcon Private Banking (Schweiz) | ��� Prozent Die Staatsfonds des Emirats mit ihren Chefs und den wichtigsten Beteiligungen Joint Ventures mit Eon, Dong, Siemens, Credit Suisse, General Electric, MIT, BP Cosmo Oil | ��,�� Prozent (Raffinerien, Japan) Daimler | �,� Prozent �� Abu Dhabi Inc. Winwind | �� Prozent (Windturbinen, Finnland) Virgin Galactic (Flüge ins Weltall) | �� Prozent �� Tesla Motors | �,�� Prozent Mercedes Grand Prix (Formel �) | �� Prozent Banco Santander Brasil Piaggio Aero | ��,� Prozent � � Saadiyat Island Chairman IPIC (Halbbruder des Emirs) Citigroup | � Prozent Joint Ventures mit Guggenheim und Louvre Emal Aluminium | �� Prozent Mansur Al Nahjan Chairman ADIA (Halbbruder des Emirs) Chairman TDIC (Cousin des Emirs) Informations- und Kommunikationstechnologie Industrie Hamid Al Nahjan Sultan Bin Tahnun Al Nahjan Chairman Mubadala (Bruder des Emirs) �) Schätzung; Quelle: Unternehmen, Christopher Davidson, eigene Recherchen � � � � � � � �� �� �� Abu Dhabis Hoffnungsträger haben sich weiße Arbeitskittel über die pechschwarzen Gewänder gezogen. Nun stehen die jungen arabischen Frauen im Halbkreis um den spanischen Airbus-Techniker und lassen sich beibringen, wie man Karbonfaserbauteile für Passagierflugzeuge herstellt. „Ihr müsst genau darauf achten, dass die Tapes beim Verkleben keine Falten werfen“, doziert Miguel Barciela, während er fingerdicke Kunststoffplatten aufeinanderschichtet. Sind sie einmal im Spezialofen verschmolzen, wird jedes noch so kleine Luftbläschen zur Sollbruchstelle. Und die sollte eine Landeklappe nicht haben. „Das hier ist eine neue Welt für mich“, sagt Fatima al-Nuaimi und kontrolliert, ob ihr Kopftuch ordentlich sitzt. Bis zum Frühjahr wusste die 28-Jährige nicht mal, warum ein Flugzeug fliegt. Da war sie noch Hausfrau, ihr Leben kreiste um den kleinen Sohn. Jetzt will sie mitbauen am ersten Passagierjet made in Abu Dhabi. Dafür geht die zierliche, dunkelhäutige Frau in die Lehre bei Barciela und den anderen Ausbildern, die Airbus für die Al Ain International Aviation Academy abgestellt hat. Noch ein paar Monate, dann will Fatima al-Nuaimi selbst Landeklappenverkleidungen zusammenkleben in der nagelneuen Fabrik nebenan. 500 Mio. Dollar hat Abu Dhabis Staatsfonds Mu badala für das Karbonfaser-KunststoffWerk ausgegeben. Und das ist erst der Anfang: Eine komplette Luftfahrtindus trie will Abu Dhabi am Rand der Oasenstadt al-Ain aufbauen. In acht Jahren soll der erste arabische Privatjet abheben. Der Flieger ist das Vorzeigeobjekt des wohl ehrgeizigsten Industrialisierungsprogramms der Gegenwart. Die Scheichs vom Golf krempeln ihr Geschäftsmodell komplett um. Nicht mehr allein Öleinnahmen sollen den Wohlstand sichern, sondern Hightechprodukte aus heimischer Fertigung. Ein beispielloses Experiment, das an den gesellschaftlichen Grundfesten rüttelt. Abu Dhabi ist der Vorreiter bei diesem Wüstenrennen. Das mächtigste der Vereinigten Arabischen Emirate ist heiß, staubig – und superreich. 1,6 Millionen Einwohner, davon nicht einmal 300 000 Einheimische, sitzen auf 92 Milliarden Fass erstklassigem Erdöl. Jahrzehntelang hatte die Herrscherfamilie Al Nahjan ihre Petromilliarden einfach gen Westen gePolitik: Abu Dhabi 62 c 12/2010 Iran Katar Persischer Golf Dubai zu Oman Abu Dhabi Golf von Oman VAE 200 km SaudiArabien Oman Himmelsstürmer: Abu Dhabi ist das mächtigste der Vereinigten Arabischen Emirate. Die gleichnamige Hauptstadt wächst rasant, gewaltige Bauprojekte wie die Etihad Towers verändern die Skyline schafft, wie fast alle Ölmonarchen aus der Region. Die Staatsfonds verteilten das Geld bevorzugt auf Staatsanleihen und Aktienindizes. In die Geschäftspolitik mischten sie sich nicht ein; sie kassierten ihre Dividenden – und fielen im Westen meist nur beim Verjuxen des Geldes in Spielkasinos und Nobelhotels auf. So hätte es noch lange weitergehen können. Doch Arabiens Staatsfonds haben ihre Strategie radikal geändert. Seit zwei Jahren steigen sie gezielt bei westlichen Hightechkonzernen ein. Diesmal wollen sie mitreden und Wissen abschöpfen. Kapital gegen Know-how: Die neuen Deals sollen Jahrzehnte technologischen Rückstands wettmachen. Ob bei den Autobauern Daimler und VW, beim USMischkonzern General Electric oder beim Chiphersteller AMD – überall haben sich Investmentvehikel vom Golf eingekauft. Abu Dhabi hat als erstes Emirat diesen Schwenk vollzogen und startet nun eine industrielle Revolution im Zeitraffer. Abschied vom Ölzeitalter Einen Vorgeschmack auf die schöne neue Welt liefert das Karbonfaser-KunststoffWerk Strata, in dem Fatima al-Nuaimi demnächst arbeiten wird. Ein deutsches Bauunternehmen hat es zwischen die orangeroten Sanddünen gesetzt. Drinnen riecht es nach frischer Farbe. Noch sind nicht alle Hallen mit Maschinen ausgerüstet, aber die Produktion läuft schon. Bis die ersten Einheimischen einsteigen, ∂ sind hier ausschließlich philippini- S. 60–61: imagetrust/Manoocher Deghati; GettyImages (3); AP; Imago (2); Airbus; Piaggio Aero; AFP; Reuters; Abu Dhabi Future Energy Company/Masdar; Torresol Energy; laif (2); Bloomberg; Mauritius Images; Yahsat; Bloomberg, S. 62: action press Text: Claus Hecking zahlen muss niemand. Und für Familien mit weniger als 2000 Euro Monatseinkommen gibt es ordentlich Bares. Warum also arbeiten? Auch Fatima al-Nuaimi musste ihrem Mann erklären, warum sie eine Ausbildung beginnen möchte. Die Begründung hört man in dem Emirat noch selten: „Ich will endlich selbst etwas schaffen.“ Mit Anzeigenkampagnen macht der Staat seine Bürger auf die neuen Jobs und Trainingsmöglichkeiten aufmerksam. Wer sich wie Fatima ausbilden lässt, erhält ein großzügiges Lehrgeld. sche Arbeiter tätig. Gelernt haben sie ihr Handwerk beim österreichischen Airbus-Zulieferer FACC, der im Auftrag des Staatsfonds Mubadala das Werk einrichtet. Abu Dhabi hatte Airbus in der Wirtschaftskrise mit einem Großauftrag rausgeboxt. Jetzt muss das Werk zügig den Normalbetrieb aufnehmen, schließlich ist Strata weltweit die einzige Fabrik, die Landeklappenverkleidungen für die Airbus-Typen A330, A340 und A380 bauen darf. Das Tageseinkommen von Abu Dhabis Herrscherclan errechnet sich nach einer Faustformel: Rohölpreis mal 2,3 Millionen. So viele Fässer verkauft das Emirat Tag für Tag. Zieht man davon großzügig 25 Mio. Dollar Förderkosten ab, verdienen die Al Nahjans in 24 Stunden etwa 160 Mio. Dollar. Genug, um gleich vier Staatsfonds üppig auszustatten. Geleitet werden sie von den Brüdern Chalifa, Mohammed, Hamid und Mansur Al Nahjan. All das klingt märchenhaft, erinnert an den Aufstieg Dubais – und an dessen Fall. Während Dubai jedoch über so gut wie gar kein Erdöl verfügt, sitzt Abu Dhabi auf Reserven im Wert von 18 Mio. Dollar – pro Bürger. So konnten es sich die Al Nahjans leisten, das klamme Nachbar emirat mit Milliardenbürgschaften vor dem Bankrott zu bewahren. Allah hat Abu Dhabi das Beste vom Besten geschenkt. Die schwarzbraune Masse, die hier lagert, hat einen süßlichen Geschmack: Light Sweet Crude, schwefelarmes, gut raffinierbares und deshalb besonders teures Rohöl. Früher sprudelte es von selbst aus den Bohrlöchern, so groß war der natürliche Druck. Mittlerweile müssen es die Techniker mit Politik: Abu Dhabi 64 c 12/2010 Wasser aus den Feldern herauspressen. Eine Warnung: Selbst wenn es noch Jahrzehnte dauert – auch Abu Dhabis Quellen werden einmal versiegen. Der Schatz im Boden ist Abu Dhabis Segen und zugleich Abu Dhabis Fluch. Denn nichts macht so träge wie Reichtum ohne Arbeit. Wie alle Golfmonarchen haben auch die Al Nahjans Tausende Jobs in der Staatsbürokratie geschaffen, bloß um ihre Untertanen zu beschäftigen. Die Hände schmutzig machen müssen sich nur die Gastarbeiter aus Südostasien. Die Regierung zahlt ihren Bürgern alle Arztbehandlungen, subventioniert Strom und Wasser. Sie schenkt Studienanfängern Laptops, Neubauern Höfe mitsamt Gerätschaften, Hochzeitspaaren schon mal ein Grundstück. Steuern be- Hightech aus dem Abendland Abu Dhabis Herrscher wollen ihr Volk aus dem Schlaraffenland locken. Sie haben erkannt, dass der ölbasierte Wohlstand in Gefahr ist. Die Vorräte sind zwar üppig, die Rohstoffmärkte aber immer schwieriger zu kalkulieren. In den vergangenen beiden Jahren pendelte der Preis von 147 Dollar pro Fass runter auf 34 Dollar, zurück auf 80 Dollar. Ein Korrektiv haben die Emiratis nicht. Das wichtigste Ausfuhrgut neben Öl ist: die Dattel. Thronfolger Mohammed hat den Missstand erkannt. Öl und Gas sollen in zwei Jahrzehnten nur noch ein Drittel des Bruttosozialprodukts ausmachen, lautet die Vorgabe des 50-jährigen Reformers. Der Rest verteilt sich auf mehrere Zukunftsbranchen, die der Kronprinz mit der Hilfe von Industriepartnern aus dem Abendland aufbauen will: Mikroelektro∂ nik für Smartphones mit dem Chip Frau an Bord: An der Aviation Academy werden auch weibliche Luftfahrttechniker ausgebildet Mubadala; Agentur Focus/Arabian Eye/Matilde Gattoni Fliegen ohne Teppich: Kronprinz Mohammed (M.) besucht das neue Airbus-Zulieferwerk in al-Ain » Alle Unternehmen ziehen an einem Strang, wenn es nötig ist. Wir sind die Abu Dhabi Inc. « Humaid al-Schemmari, Mubadala eine illustre Sammlung von Beteiligungen zusammengekauft: vom Sportwagenbauer Ferrari bis zur Private-EquityFirma Carlyle. „Alles hier ist einem Ziel untergeordnet: Abu Dhabi vom Öl unabhängig zu machen“, sagt Humaid al-Schemmari. Er streicht sich über den akkurat gestutzten Bart, lässt den Satz zwei, drei Sekunden lang verhallen. Als Leiter von Mubadalas Aerospace-Sparte ist der 43-jährige Emirati in dem blütenweißen, fast bodenlangen Dischdascha-Gewand der verlängerte Arm des Kronprinzen. Der Absolvent der US-Luftfahrt-Kaderschmiede Embry Geschäfte auf Gegenseitigkeit Riddle hat den Masterplan für Abu DhaBlau ist die Lieblingsfarbe des Kronprin- bis Einstieg ins Luftfahrtgeschäft entworzen, Mubadala sein Lieblingsspielzeug. fen: Dazu gehören neben der Akademie Höchstpersönlich hat Mohammed 2002 und der Strata-Fabrik das Wartungsundas Investmentvehikel gegründet – und ternehmen Adat und das Konzept für das Flugzeug, das Mubadala gemeinsam mit Piaggio Aero entwickelt. Al-Schemmari achtet genau darauf, dass er all jene Firmen einbindet, an denen Mubadala beteiligt ist und bei denen Abu Dhabi groß einkauft. Geschäfte auf Gegenseitigkeit – diese Strategie wendet China bereits seit einigen Jahren bei westlichen Technologiefirmen erfolgreich an. Abu Dhabi kopiert sie hemmungslos. Als die staatliche Airline Etihad auf dem Tiefpunkt der Wirtschaftskrise rund 100 Flugzeuge im Wert von 20 Milliarden Euro bei den angeschlagenen Konzernen Airbus und Boeing bestellte, verlangten die Scheichs Zulieferaufträge – und bekamen sie. Jetzt beliefert Strata Airbus exklusiv mit Karbonfaserteilen für die Langstreckenflieger A330 und A340 im Wert von 1 Mrd. Euro. Außerdem schicken die Europäer Ausbilder nach Abu Dhabi. Adat hat die Lizenz zur Wartung des Airbus A380 erhalten, als einer von 16 Anbietern weltweit. „Wir sind die Abu Dhabi Inc.“, sagt al-Schemmari stolz. „Alle Unternehmen ziehen an einem Strang, wenn es nötig ist.“ Air Berlin hat mit den Scheichs eben∂ falls einen Deal abgeschlossen. Als Scheichwerbung: Abu Dhabis Staatsfonds Mubadala hält fünf Prozent an Ferrari. Dafür setzte der Sportwagenbauer einen Themenpark in die Wüste Politik: Abu Dhabi 66 c 12/2010 Reuters/Ahmed Jadallah hersteller AMD. Umwelttechnologie mit General Electric, Siemens und Eon. Luftund Raumfahrt mit Airbus und dem Schwesterunternehmen Astrium. Sogar eigene Satelliten wollen die Scheichs ins All schießen. Die Branchenauswahl folgt einem klaren Schema. Interessant ist alles, was viel Kapital und billige Energie benötigt. Für den Nachschub an Strom sorgt ein südkoreanisches Konsortium um Sam sung und Hyundai, das vier Atomkraftwerke für 21 Mrd. Dollar in den Wüstensand setzen wird. Der einzige auffällige Farbtupfer in der Mubadala-Zentrale ist der feuerrote Formel-1-Ferrari gleich hinter dem Eingang. Ansonsten ist in dem elfstöckigen Prunkbau fast alles blau: die Scheiben an der Fassade, das Licht in den Konferenzräumen, die Notizblöcke auf den Tischen, die Taschentuchbox, ja selbst der Müllbeutel im – blauen – Papierkorb. bendreher hervor. Sekunden später strecken sich Dutzende Parabolspiegel der Sonne entgegen, fangen die Wärme ein, die am Ende eine Kältemaschine antreibt. Seit zwei Jahren arbeitet der 34-jährige Hannoveraner in Masdar als Projektmanager für sämtliche Pilotanlagen, und er ist noch immer begeistert: „Andere Staaten bauen Armeen auf, hier tun die Herrscher was für ihr Land.“ Auch bei dem Vorzeigeprojekt sind westliche Partner dabei: Eon, General Electric, diverse Fraunhofer-Institute, Siemens, das Massachusetts Institute of Technology und Stararchitekt Norman Foster. Die ersten Bewohner sind im Sommer eingezogen: knapp 100 Studenten, die am Masdar Institute of Science and Technology alles über regenerative Energie lernen sollen. Herrlich kühl ist es auf dem kleinen Campus der Universität. Die Solarpanels auf den Dächern werfen Schatten auf die engen Gassen, Plastikblasen an den Gebäudefassaden absorbieren Wärme, aus dem Windturm weht eine Brise. So angenehm wie hier soll es eines heißen Tages überall sein in Masdar City. Bis auf den einen Pionierbau ist indes noch nicht viel zu sehen. Der Rest des Areals ist Baustelle. Claus Hecking die deutsche Fluglinie zum Jahresanfang 100 Mio. Euro für den Kauf von zwölf Ersatztriebwerken brauchte, lieh ihr eine Finanzierungsgesellschaft aus dem Mubadala-Imperium das Geld zu günstigen Konditionen. Im Gegenzug verpflichtete sich Air Berlin, sämtliche Triebwerke der Flotte in den nächsten zehn Jahren von der Adat-Tochter SR Technics in Zürich warten zu lassen. Mubadala kann sich erlauben, solche langfristigen, mäßig rentablen Geschäfte einzugehen. „Wir schauen nie auf ein Halbjahresresultat, denn wir sind kein Private-Equity-Haus“, sagt al-Schemmari. „Wir müssen unser Eigenkapital nicht in zwei oder vier Jahren zurückkriegen.“ Seit die Banken in der Finanzkrise ihre Kreditrahmen reduziert haben, sind solche Geldgeber begehrter denn je. Als Aabar, eine Tochter von Abu Dhabis Staatsfonds IPIC, im Frühjahr vergangenen Jahres beim Autokonzern Daimler einstieg, jubelte sogar die Bundesregierung über den neuen Großaktionär. Vom Misstrauen, das etwa dem Nachbaremirat Dubai entgegenschlug, als es vor vier Jahren den Hamburger Hafen kaufen wollte, ist kaum noch etwas zu spüren. Für Abu Dhabi bedeutet dies die einmalige Chance, seine Industrialisierungsstrategie voranzutreiben. Mit Daimler sind die Scheichs bereits zwei gemeinsame Hightechbeteiligungen eingegangen: Beim Elektroautohersteller Tesla und beim Formel-1-Team von Mercedes. Schon bald werden sich die Stuttgarter auch vor Ort engagieren müssen. Abu Dhabi plant einen Automobil-Cluster, hat bereits mit der Erschließung eines elf Quadratkilometer großen Industrieparks begonnen. 2012 sollen dort die ersten Betriebe eröffnen. Der Masterplan wird abgespeckt „Motivierte und flexible Beschäftigte bekommt man nicht mit starren Arbeitszeiten.“ Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin Bau-Fritz GmbH & Co. KG Grenzen des Reichtums Abu Dhabis ehrgeizigstes Projekt ist fraglos Masdar City. 15 Mrd. Dollar hat Prinz Mohammeds Mubadala-Fonds bereits für den Bau der ersten CO2-neutralen Stadt der Welt bereitgestellt. Nirgendwo sind die Ambitionen des Emirats größer – und nirgendwo sind die Grenzen des Konzepts deutlicher zu erkennen. Als Simon Bräuniger an diesem Nachmittag Masdars Solarkühlungsanlage hochfahren will, ist er allein. Irgendjemand hat den Schaltkasten zugeschraubt. Der junge deutsche Ingenieur flucht, dann läuft er los, hinein in den Baucontainer nebenan und kramt einen SchrauPolitik: Abu Dhabi 68 c 12/2010 Sonnenkönig: Ohne den Deutschen Simon Bräuniger gäbe es in Masdar City keinen Solarstrom Eigentlich sollte die Oase nach Mohammeds Vorgabe schon in sechs Jahren fertig sein und 40 000 Menschen eine neue Heimat geben. Daraus wird nichts mehr. Der Herrscher musste lernen, dass Geld allein keinen Erfolg garantiert. Die extremen Bedingungen in der Wüste ließen die Pläne schnell Makulatur werden. Tagsüber brennt die Sonne herab, nachts kommt die Feuchtigkeit vom Meer, immer wieder ziehen Sandstürme durch. Eine heikle Kombination. Staub verklebt die Module auf dem Solarfeld. Das bedeutet mindestens 20 Prozent weniger Ausbeute. Ständig laufen asiatische Gastarbeiter durch die Anlage, um die Panels zu putzen. Wenn sie nach zwei Wochen hinten fertig sind, müssen sie vorn wieder anfangen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Familienbewusste Arbeitszeiten ermöglichen es Eltern, Leistung in ihrem Beruf mit Zeit für Verantwortung in der Familie zu vereinbaren. Motivation und Arbeitseffizienz steigen – eine Win-win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte. Das zeigt: Es ist gut, wenn beide Seiten flexibel sind. Wenn Sie mehr über die Initiative des Bundesfamilienministeriums erfahren möchten, informieren Sie sich auf WWW.ERFOLGSFAKTOR-FAMILIE.DE Noch gravierender als die Witterung ist der Mangel an Fachkräften. Wenn Bräuniger nicht selbst abgenutzte Zahnräder austauscht, kümmert sich niemand darum. Einheimische Ingenieure gibt es in Abu Dhabi kaum, Manager oder Beamte genießen am Golf ein viel höheres Ansehen als Techniker. Die Regierung hat eine Reihe naturwissenschaftlicher Studiengänge an den Universitäten gegründet. Bis fertige Ingenieure herauskommen, werden Jahre vergehen. Bis sich die Mentalität der Emiratis verändert hat, wohl Jahrzehnte. So groß, so zahlreich sind die Schwierigkeiten, dass Prinz Mohammed seinen Entwicklern im Frühjahr eine Denkpause verordnet hat. Der Masterplan wurde abgespeckt, nun soll die Stadt erst 2025 fertig werden. Die Eigenversorgung mit Trinkwasser und Strom, das unterirdische Transportsystem mit futuristischen Kabinen – all das wird auf einen Kernbereich reduziert. Vorbei sind die Zeiten, in denen Simon Bräuniger Projekte einfach anstoßen konnte und das Budget dafür bloß Nebensache war. Jetzt muss er für jedes Vorhaben einen detaillierten Businessplan vorlegen. Der Ingenieur hat sich mit den Hemmnissen arrangiert – und nimmt sie mit Humor. Als er die Anlage wieder herunterfährt, fällt sein Blick auf den Schraubendreher, den er neben dem Schaltkasten abgelegt hat. „Die Emiratis“, sagt Bräuniger, „hätten wohl einen pakistanischen Boten losgeschickt, um einen neu√ en zu kaufen.“ Politik: Abu Dhabi c 12/2010 69