Das Olympiastadion Berlin – Ort der Geschichte

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Das Olympiastadion Berlin – Ort der Geschichte
PRESSEMITTEILUNG
Das Olympiastadion Berlin – Ort der Geschichte
1868
Schon vor der Jahrhundertwende war der Pferderennsport bei der High-Society in der damaligen
deutschen Reichshauptstadt sehr beliebt. Die Pferderennbahn in Hoppegarten, im Osten vor den
Toren Berlins gelegen, war damals ein Anziehungspunkt für die Schönen und Reichen der
aufstrebenden Kapitale. Bereits 1868 fanden hier die ersten Pferderennen statt. Treibende Kraft
hinter den Rennen war der „Union-Klub“. Das Interesse schwand jedoch, als Reichskanzler
Bismarck den Bau eines eleganten Vororts im neuen Berliner Westen, am Ende seines neuen
Prachtboulevards Kurfürstendamm, forcierte. 1899 wurde die Siedlung Grunewald als selbständige
Landgemeinde anerkannt.
1884
Aufgrund des schwindenden Zuspruchs der Vermögenden, die die zweistündige Reise quer durch
die Stadt scheuten, suchte der Union-Klub nach einem geeigneten Gelände für eine Rennbahn im
nun schicken Berliner Westen und betrieb auf einem Pachtgelände in Ruhleben von 1884 bis
1893 eine Rennbahn. Hier wurden vor allem Jagdrennen veranstaltet.
1906
Erst 1906 gelang es Victor von Podbielski dank seiner vielfältigen Funktionen und persönlichen
Beziehungen (Königlich-preußischer Staatsminister und Minister für Landwirtschaft, Domänen und
Forst sowie Vizepräsident sowohl im Union-Klub als auch im Verein für Hindernis-Rennen), dass
der Union-Klub wieder im Grunewald ansässig wurde. Der Union-Klub pachtete hiefür im Februar
1907 nördlich der Döberitzer Heerstraße (heute: Heerstraße) ein passendes Gelände zunächst für
die Dauer von 30 Jahren.
Doch dort wo die Haute Vaulée ihre Rennen genießen wollte, tummelte sich schon das Berliner
Volk – und zwar von höchsten Gnaden. Denn Kaiser Wilhelm II. hatte das in Frage kommende
Gelände zusammen mit den bereits bestehenden Spielplätzen im nördlichen Grunewald 1904
seinen Untertanten als „Volkspark“ versprochen. So musste der Union-Klub hinnehmen, dass sein
gepachtetes Gelände auch „allgemeinen sportlichen Zwecken“ dienen sollte. Dies war die
Geburtsstunde des Stadions im Grunewald.
1909
Am 23. Mai 1909 wurde die vom Architekten Otto March entworfene Berliner GrunewaldRennbahn eröffnet. Sie bot 40.000 Zuschauern Platz und hatte in der Mitte bereits eine 85.000m²
große ausgeschachtete Grube, in die später ein Stadion hinein gebaut werden sollte. Ebenfalls
vorhanden waren der noch heute existierende „Marchhof“ und die südliche Untertunnelung des
Rennbahngeläufs.
1912
Das Deutsche Reich hatte schon einige Jahre lang versucht, die Olympischen Sommerspiele nach
Berlin zu holen – doch dafür gab es zu diesem Zeitpunkt kein geeignetes Stadion. Das IOC vergab
die Spiele von 1912 an Stockholm. Die nächste Chance bot sich also bei der Vergabe für die
Spiele 1916, kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Stockholm. Dort erhielt Berlin den
Zuschlag für die Spiele von 1916. Podbielski hatte für die Finanzierung des Stadions (die
Bausumme wurde mit 2,25 Millionen Reichsmark veranschlagt) gesorgt.
Im August 1912 begann man mit den Ausschachtungsarbeiten für das Deutsche Stadion. Die
optimale Flächennutzung innerhalb der Rennbahn und etliche Vorgaben machten das Bauprojekt
für den Architekten Otto March zu einer echten Herausforderung: Schließlich durfte das Stadion
mit Ausnahme der Kaiserloge und der Kunstwerke nicht die Sicht auf das Geläuf versperren. Der
Kompromiss führte zu einer 600m langen Laufbahn für die Leichtathleten, die fast bis an den
inneren Rand der Radrennbahn heran ragte. Eine weitere Schwierigkeit ergab sich durch die
notwendige Integration des Schwimmstadions in die Anlage. March schuf einen Annex und rückte
die 100m lange Schwimmbahn an die Nordseite des Stadions.
1913
Das Deutsche Stadion bot 11.500 Sitz- und 18.500 Stehplätze, das Schwimmstadion konnte
weitere 3.000 Zuschauer aufnehmen. Das Deutsche Stadion mit all seinen Anlagen wurde stolz
am 15. Mai 1913 nach nur 200 Tagen Bauzeit fertig gestellt. Otto March erlebte die
Eröffnungsfeier, die Stadion-Weihe am 8. Juni 1913, nicht mehr. Er war am 1. April 1913
gestorben. Dieses Deutsche Stadion war von nun an der Mittelpunkt des deutschen Sports: Das
Stadion entwickelte sich rasch zum Zentrum des Leistungssports, wo man die besten Athleten auf
die Spiele 1916 vorbereitete, Talente sichten konnte, Trainer und Sportlehrer ausbildete.
1914
Im Februar 1914 wurde die mächtige Eiche, die das Stadion im Osten begrenzte, zu Ehren des
Staatsministers „Podbielski-Eiche“ getauft. Otto March hatte die Eiche am äußersten Rand des
Stadions bewusst stehen lassen, sie sollte nach dem Vorbild des heiligen Ölbaums am Eingang des
Zeustempels in Olympia, die Spiele segnen. Die Bronzetafel mit dem Porträt von Podbielski,
damals am steinernen Sockel der Eiche befestigt, befindet sich heute noch am Marathontor. Eine
weitere, rund 200 Jahre alte Eiche am Haupteingang des Olympiastadions, hinter dem
Preußenturm, dient heute als „Podbielski-Eiche“.
1916
Doch der Olympiatraum nahm ein jähes Ende. Als am 28. Juni 1914 der serbische Nationalist
Gavrilo Princip gegen 11:30 Uhr in Sarajevo den Thronfolger von Österreich-Ungarn, Franz
Ferdinand, und seine Ehefrau erschossen hatte, stürzte sich Europa in den Ersten Weltkrieg. Schon
am 26. Juli 1914 wurde das Stadion geschlossen, ab 1915 diente es als Lazarett. Für sportliche
Zwecke wurde das Stadion ab 1916 wieder genutzt.
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1920
Am 15. Mai 1920 wurde in der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (heute HumboldtUniversität) die Deutsche Hochschule für Leibesübungen (DHfL) gegründet. Zunächst wurde ab
Sommer 1921 ein lang gestrecktes zweigeschossiges Hauptgebäude nördlich des StadionSchwimmbeckens für die Hochschule gebaut. Am 26. Mai 1922 wurde der Neubau mit Turnhalle,
Fechtboden, Speise- und Lesesaal in Betrieb genommen.
1924
Das Deutsche Stadion, der Vorgänger des heutigen Olympiastadions, war 1912/13 als reine
Wettkampfstätte konzipiert worden. Zusätzliche Trainingsplätze und Übungsbahnen für alle
Sportarten und Disziplinen der Olympischen Spiele hatte man dagegen nicht errichtet. Carl Diem
legte Ende 1924 dem Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA) daher einen
Erweiterungsplan unter der Bezeichnung „Reichssportpark“ vor, über den am 15. Januar 1925 in
„Die Leibesübungen“ euphorisch berichtet wurde. Allerdings lehnte der DRA die Benennung
„Reichssportpark“ als zu nichtssagend und allgemein ab.
1925
Theodor Lewald schlug 1925 für den zu errichtenden Gebäudebezirk die Bezeichnung
„Sportforum“ vor – auch diese Idee fand wenig Unterstützung, so dass der DRA „führende
Männer“
aufforderte,
einen
anderen
Namen
zu
finden.
Dabei wurden u.a. folgende Vorschläge gemacht: „Deutsche Volksschmiede, Kampfstätte für
Leibesübungen, Körperkulturstelle, Deutsche Kraft- und Willenschule, Sportburg, Sporthain,
Volkskraftburg, Deutscher Born für Leibesübungen“. Da sich der Begriff Sportforum trotz der
Einwände sehr schnell verbreitete, taufte am 16. September 1925 der Vorstand des Deutschen
Reichsausschusses für Leibesübungen das gesamte Erweiterungsgelände auf den Namen
„Deutsches Sportforum“, der bis heute Bestand hat.
Am 18. Oktober 1925, dem historischen Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, erfolgte die
feierliche Grundsteinlegung durch Reichspräsident von Hindenburg, obwohl es noch keinerlei
bestätigte Entwürfe für das Sportforum gab. Den Ende 1925 ausgerufenen Ideenwettbewerb
gewannen überraschend die Brüder Werner und Walter March, die Söhne des Architekten des
Deutschen Stadions. Aus Finanzierungsgründen wurden bis 1929 nur die westliche Hälfte des
Turnhallengebäudes, das Sommerschwimmbecken (Hirthsieferbecken), das Annaheim (nach der
Frau des Berliner Oberbürgermeisters, Anna Böß benannt) und der Tennispavillon realisiert. Die
restlichen Arbeiten wurden zwischen 1934 und 1936 in einer zweiten Bauphase vollendet.
1929
Gegen Ende der 20er Jahre reiften erneut die Pläne für Olympische Spiele in Berlin. Werner
March erstellte Pläne, nach denen das Deutsche Stadion umgebaut und die Kapazität auf 65.000
Zuschauerplätze erhöht werden sollte. Diesmal zerstörte der 29. Oktober 1929, auch bekannt als
„schwarzer Freitag“, mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise den neuerlichen Traum.
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1930
Doch schon 1930, beim 9. Olympischen Kongress des IOC in Berlin, sprach Theodor Lewald die
Einladung für die Spiele von 1936 aus. Das IOC zeigte sich überzeugt von dem von Sportparks
geprägten Stadtbild und der Begeisterung für den Sport. Am 13. Mai 1931 wurden am IOC-Sitz in
Lausanne die Stimmen der Briefwahl ausgezählt. Berlin setzte sich gegen Barcelona mit 43 zu 16
Stimmen bei acht Enthaltungen durch. Die Briefwahl war notwendig geworden, weil bei der 30.
Session des IOC in Barcelona wegen Unruhen in der Stadt nur 20 der 69 IOC-Mitglieder
anwesend waren
1933
An dem Modell für den Stadionumbau von Werner March wurde weiter festgehalten.
Zwischenzeitlich gab es noch einen Gegenvorschlag, wonach ein provisorisches Olympiastadion
im Schatten des Berliner Funkturms am Messegelände errichtet werden sollte. Aufgrund der
hohen Kosten für den notwendigen Straßenbau wurde dieser Vorschlag jedoch fallen gelassen. Mit
der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 bekam die Diskussion um den
Stadionbau eine neue Wende.
Schon früh erkannte das Hitler-Regime die ungeheure Propagandawirkung der Spiele. Für den
Umbau des Deutschen Stadions und des Sportforums wurden Mittel in Höhe von sechs Millionen
Mark bereitgestellt. Etwas Großartiges, Schönes sollte entstehen, in seiner Art unübertreffbar.
Zugleich wurde dem Projekt die neue Bezeichnung Reichssportfeld gegeben. In ersten Planungen
war vorgesehen, dass sowohl Rennbahn als auch Radrennbahn entfernt und das Stadion durch
Tieferlegung auf eine Kapazität von über 100.000 Zuschauern vergrößert werden sollten.
Schließlich genehmigte Hitler am 14. Dezember 1933 den als „Lösungsvariante B“ bezeichneten
dritten Entwurf der Brüder March.
Der Plan beinhaltete den Abriss des Deutschen Stadions. Das neue Stadion sollte um zehn Meter
vertieft und 13 Meter überirdisch als beherrschender, sichtbarer Baukörper hochgeführt werden.
Die Verteilung der Zuschauer sollte ebenerdig in den mittleren Umgang nach oben und unten
erfolgen. Alle später verwirklichten baulichen Elemente sind in dem Plan bereits enthalten:
Olympischer Vorplatz, Olympiastadion, Aufmarschgelände mit Führertribüne und Glockenturm auf
der Ost-West-Achse, Coubertinplatz und das nördlich gelegene Schwimmstadion auf der NordSüd-Achse.
1934
Im März 1934 begannen die Abrissarbeiten der Tribünenbauten der Pferderennbahn und des
Deutschen Stadions. Die Erdmassen, die bei der Aushebung der Grube anfielen, fanden beim Bau
des
„Westwalls“,
der
westlichen
Haupttribüne
am
Maifeld,
Verwendung.
Zum Bauherrn hatte Hitler das Reichsinnenministerium bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt wurden
die Brüder Werner und Walter March noch als gemeinsame Architekten genannt. Später wurde
Werner March die Gesamtleitung für das Projekt übertragen.
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1935
Die Bauausführung hinkte dem Terminplan von Anfang an hinterher. Der Staatssekretär Pfundtner
sorgte bei den beteiligten Bauunternehmen für Druck, indem er drohte, Firmen, die dem
Mehrschichtbetrieb nicht gewachsen sind oder aus sonstigen Gründen Widerstand
entgegensetzen, sofort durch andere zu ersetzen. Weiterhin waren die Bauunternehmen
verpflichtet, nur „wirtschaftsfriedliche Arbeiter deutscher Staatsangehörigkeit und arischer
Abstammung“ zu beschäftigen. Während im April 1935 die Zahl der Beschäftigten noch 1.500
betrug, wurden im Juli 1935 bereits 2.064 Arbeiter registriert, um den zeitlichen Rückstand des
Bauvorhabens aufzuholen. Zeitweise waren auf dem Reichssportfeld 500 Firmen mit bis zu 2.600
Personen beschäftigt, generell wurde in zwei Schichten gearbeitet.
Über die Gesamtkosten der Baumaßnahmen für die Olympiagelände gibt es keine genauen
Angaben. Es gibt jedoch Hinweise, wonach mindestens 27 Millionen Mark aufgewendet wurden.
Die Lücke zur geplanten staatlichen Finanzierung wurde durch Spenden und den Zugriff auf Mittel
aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm geschlossen. Für den Ausbau und die Verbesserung der
Verkehrsinfrastruktur hatte die Stadt zwölf Millionen Mark ausgegeben. Eine ursprünglich geplante
zweitägige Eröffnungsfeier wurde abgesagt.
1936
Am 1. August 1936 wurden die XI. Olympischen Sommerspiele im Berliner Olympiastadion
eröffnet und mit einer großen Abschlussveranstaltung am 16. August 1936 beendet. 3.956
Sportler, davon 328 Frauen, aus 49 Nationen nahmen an den Wettkämpfen teil. Erfolgreichster
Athlet wurde James Cleveland „Jesse“ Owens, der vier Goldmedaillen gewann. Über 100m, 200m,
Im Weitsprung und in der 4x100m-Staffel war er erfolgreich. Die inoffizielle Nationenwertung
führte Deutschland mit 33 Gold-, 26 Silber- und 30 Bronzemedaillen vor den Vereinigten Staaten
von Amerika (24/29/12) und Ungarn (10/1/5) an.
Während der olympischen Spiele zeigte sich die Reichshauptstadt in ihrem Festkleid. Bereits 1932
hatte Adolf Hitler dem deutschen IOC-Mitglied Karl Ritter von Halt mitteilen lassen, dass die
NSDAP den Olympischen Spielen von 1936 „keine Schwierigkeiten bereiten und sich auch der
Beteiligung Farbiger bei diesen Wettkämpfen nicht widersetzen werde“. Die SA hatte
Anweisungen, zwischen dem 30. Juni und dem 1. September 1936 jegliche antisemitischen
Übergriffe zu unterlassen. Somit konnten die Spiele vor einer scheinbar unbelasteten Kulisse
stattfinden. Neben den positiven Eindrücken der sportlichen Wettkämpfe wurden im Ausland
aber auch kritische Stimmen laut, die das terroristische Regime hinter der schönen Fassade
erkannten.
Nach den Olympischen Spielen war das Reichssportfeld jährlich der Schauplatz von 20 bis 25
Großveranstaltungen. Die Hochschule für Leibesübungen hatte ihren Betrieb einstellen müssen,
stattdessen wurde auf Befehl Hitlers am 15. April 1936 die Reichsakademie für Leibesübungen ins
Leben gerufen. Studienassessoren sollten eine „reichseinheitliche Führerausbildung auf dem
Gebiete der körperlichen Erziehung“ erhalten, praktisch ging es jedoch um den paramilitärischen
SA-Sport.
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1937
Das erste Finale um die Deutsche Fußball-Meisterschaft wurde am 20.Juni 1937 ausgespielt,
Schalke 04 besiegte den 1.FC Nürnberg mit 2:0. Im Sommer 1937 wurde die touristische
Aussichtsplattform auf dem Glockenturm eröffnet. Am 28. September 1937 marschierten
tausende Anhänger des Hitler-Regimes mit Fackeln über das Maifeld, um den italienischen
Staatschef Mussolini zu empfangen.
1939-42
Während der ersten drei Kriegsjahre war der Betrieb im Reichssportfeld kurzfristig eingeschränkt,
der internationale Sportverkehr wurde jedoch bald wieder aufgenommen. Ständig fanden
„Kriegsmeisterschaften“, HJ- und Wehrmachtssportfeste statt und das Olympiastadion spielte eine
wichtige Rolle bei der Betreuung der Truppen, denen hier eine Pause gegönnt wurde, bevor sie
wieder in die Schlacht geworfen wurden. Das Reichssportfeld war schon früh auf den Krieg
vorbereitet worden. Im Bereich des Marathontunnels hatte man eine Betondecke sowie
Trennwände eingezogen, um die Katakomben als Bunker herzurichten. Bei Kriegsbeginn
produzierte hier die Firma Blaupunkt Zünder für Flugabwehrwaffen.
1943-44
Den alliierten Bombern diente das Stadionoval beim Anflug als Orientierungspunkt. Aus
Sicherheitsgründen wurden deshalb 1943 die Olympischen Ringe zwischen Bayern- und
Preußenturm abgehängt. Als sich Ende 1944 die Bombennächte häuften, wurden die
unterirdischen Gänge des Stadions als Ausweichquartier für den Großdeutschen Rundfunk
vorbereitet. Im Nordhaus am Olympischen Platz wurde Munition gelagert, in anderen Gebäuden
Nahrungsmittel und große Vorräte Wein. Der Olympische Platz war einer von zehn Orten in
Berlin, an denen am 12. November 1944 Hitlers letztes Aufgebot vereidigt wurde.
1945
Nur wenige Tage nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 begannen die
Aufräumarbeiten auf dem Reichssportfeld. Das Gelände war von Bombentrichtern übersät,
Mauerteile waren herabgestürzt, überall lagen leere Munitionskisten, ausgebranntes Gerät,
Barrikaden und Leichen. Die Gebäude des Sportforums zeigten Spuren großer Zerstörung, die
„Stadion-Terassen“ lagen in Trümmern. Tagelang schwelte die Maifeldtribüne, in der sich das
Reichsfilmarchiv, das dort eingelagert worden war, entzündet hatte. Das Feuer griff auf den
Glockenturm über, der völlig ausbrannte. Auch das Nordhaus am Olympischen Platz wurde erst
nachträglich zerstört, als die dort eingelagerte Munition explodierte.
Carl Diem, u.a. Generalsekretär des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele von 1936,
ernannte sich zum Direktor der Reichssportfeldverwaltung und begann mit den ehemaligen
Angestellten mit den ersten Aufräumarbeiten. Nachdem zwischenzeitlich die Rote Armee das
Haus des Deutschen Sports besetzt und dort eine Kaserne eingerichtet hatte, ließ Diem am 20.
Juni 1945 das weitgehend unzerstörte Schwimmstadion für die Bevölkerung öffnen, die davon
sofort regen Gebrauch machte. Nach dem Abzug der Roten Armee besetzte eine britische
Einheit am 1. Juli 1945 das Reichssportfeld. Ab sofort gab es keinen öffentlichen Betrieb mehr im
Olympiastadion, da die Briten die Anlagen mit Ausnahme der zerstörten Stadionterrassen für sich
beanspruchten.
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1946-47
Das erste Mal öffneten die Briten das Stadion für das „Acht-Nationen-Sportfest“, die
Leichtathletikmeisterschaften der alliierten Soldaten, am 7. und 8. September 1946. Am 15.
Februar 1947 verlor das Olympiagelände vorübergehend sein Wahrzeichen. Auf Anordnung der
britischen Militärregierung wurde der ausgebrannte Glockenturm wegen Baufälligkeit gesprengt.
Der Mantel der Glocke bekam beim Sturz auf den Vorhof einen langen Riss. Um die Glocke vor
dem Zugriff von Metalldieben zu schützen, wurde sie im Mai 1947 von britischen Pionieren auf
dem Vorplatz vergraben.
1948-49
In der Freilichtbühne, die fortan „Waldbühne“ genannt wurde, bestritt ExSchwergewichtsweltmeister Max Schmeling am 31. Oktober 1948 vor 24.000 Zuschauern seinen
letzten Boxkampf. Nach und nach gingen Teile des Reichssportfeldes an die Deutschen Behörden
zurück. Das Olympiastadion wurde am 12. Juni 1949 übergeben. Genau ein Jahr später beschloss
der Berliner Senat die Umbenennung des Reichssportfeldes in „Olympiastadion“. Wenige Tage
nach der Übergabe wurde der damalige Magistrat von der Mitteilung überrascht, der BlaupunktBunker solle gesprengt werden. Der damalige Oberbürgermeister Ernst Reuter protestierte
erfolglos – die Sprengungen zerstörten ca. 2.000 Zuschauerplätze, ehe man dazu überging, die
Betondecke mit Presslufthämmern zu entfernen.
1956
Die Hebung der Glocke erfolgte am 18. Dezember 1956 auf Bestreben Werner Marchs, der
erfolglos gegen den Bau des sogenannten „Corbusier-Hauses“ in unmittelbarer Nähe des Stadions
kämpfte. Immerhin erreichte March den Wiederaufbau des Glockenturms, der nach zweijähriger
Bauzeit 1962 fertig gestellt wurde. Die Höhe des neuen Turms beträgt 77,17m, nahezu einen
Meter mehr als sein Vorgänger. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde nahezu unreflektiert auch
die Langemarckhalle im Mittelgeschoss wieder aufgebaut. Sie war von den Nationalsozialisten im
Gedenken an die Toten der Schlacht von Langemarck errichtet und bei der Sprengung 1947
ebenfalls zerstört worden.
1957-69
In der Arena hatte auch eine dezente Entnazifizierung stattgefunden: Die „Führerloge“ der
Ehrentribüne wurde um ca. einen Meter gekürzt, um ihr die historische Brisanz zu nehmen. 1966
wurde das ehemalige Reichssportfeld als Baudenkmal in die Denkmalliste West Berlins
aufgenommen. Im November 1966 wurde eine neu installierte Flutlichtanlage eingeweiht. Die vier
88 Meter hohen Masten waren mit einer Helligkeit von 400 Lux für Fußballspiele und 300 Lux für
Leichtathletikveranstaltungen jedoch weit vom damaligen Standard für Sportstadien (1.500 Lux)
entfernt. 1969 erfolgte der Austausch der Aschenbahn gegen eine zeitgemäße Kunststofflaufbahn
(Rekortan). Der neuartige Belag sollte für die Olympischen Spiele 1972 in München getestet
werden.
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1974-93
Anlässlich der Fußball-WM 1974 erhielt das Stadion nach dem Entwurf der Architekten Dübbers
und Krahe eine Teilüberdachung der Nord- und Südtribüne. 26.000 Plätze erhielten somit einen
Wetterschutz. Die Pressetribüne wurde erneuert, die Umkleiden sowie die Toiletten der
Zuschauer wurden modernisiert. Die Zuschauerblöcke und der Reportergraben erhielten eine
Abtrennung aus Plexiglas. Die ursprünglich für das Jahr 2004 vorgesehene Kandidatur Berlins zur
Austragung der Olympischen Sommerspiele erfolgte im November 1989 jedoch schon für die
Spiele des Jahres 2000. Das gesamte Gelände sollte umfassenden Sanierungs- oder
Modernisierungsmaßnahmen unterzogen werden. Doch die Bewerbung Berlins scheiterte am 23.
September 1993 kläglich bereits im ersten Wahlgang.
1994
Am 8. September 1994 endete nach fast 50 Jahren die Militärpräsenz Großbritanniens auf dem
ehemaligen Reichssportfeld in Berlin. Im Rahmen der Feierlichkeiten enthüllten den Britische
Premierminister John Major und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, eine
Gedenktafel auf dem Adlerplatz vor dem Haus des deutschen Sports.
1998-99
Nach einer Reihe von Konzepten und Gutachten, die teilweise den Verfall des Stadions und den
Neubau eines reinen Fußballstadions vorsahen, beschloss der Berliner Senat am 26. Mai 1998 die
Sanierung des maroden Olympiastadions und den Ausbau zu einer multifunktionalen Arena. Bis
zum 31. Juli 1998 hatten die an der Ausschreibung Interessierten Zeit, ihre Anträge auf Teilnahme
einzureichen. Am 1. Dezember 1998 entscheid sich der Senat für den Entwurf der Architekten
von Gerkan, Marg und Partner (gmp). Am 9. Mai 2000 fiel die Entscheidung hinsichtlich des
Investors für Instandsetzung, Modernisierung und Betrieb auf die Augsburger Walter Bau-AG.
Der Konzessionsvertrag sah vor, dass die Walter Bau-AG das Stadion zu einem Festpreis von 242
Millionen Euro saniert und modernisiert. Im Gegenzug wurde der Baukonzern wie auch Hertha
BSC mit 37,45 Prozent der Anteile an der neuen Betreibergesellschaft ausgestattet, das Land
Berlin ist im Besitz der restlichen 25,1 Prozent. Die rund 46 Millionen Euro, die nicht von Land und
Bund aufgebracht wurden, sollten von der Betreibergesellschaft über einen Kredit an die Walter
Bau-AG laufen. Der Vertrag sollte zunächst über 13 Jahre laufen.
2000
Am 3. Juli 2000 wurde der feierliche Akt des ersten Spatenstichs im Stadion vollzogen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesinnenminister Otto Schily, der Regierende Bürgermeister
Eberhard Diepgen waren genauso anwesend wie Franz Beckenbauer als DFB-Beauftragter und der
Chef des Augsburger Baukonzerns, Ignaz Walter.
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2000-04
Nach und nach erfolgte die Sanierung des maroden Bauwerks. In 19 Sektoren eingeteilt begann
der Umbau im Nordosten. Der Oberring blieb weitestgehend erhalten, der Unterring musste
gänzlich erneuert werden. Mit dem Neubau des Unterrings ging die Absenkung der Spielfläche um
2,65m einher, somit konnten zwei zusätzliche Sitzreihen eingebaut und der Abstand zum Spielfeld
verkürzt werden. In den inneren Umgang zwischen Unter- und Oberring wurde ein Großteil der
nunmehr 76 Logen integriert. Zusätzlich wurden die Ehrentribüne unter Beibehaltung der
historischen Ehrenhalle und des Coubertinsaals neu gestaltet sowie 13 Skyboxen in den
ehemaligen Pressekabinen im Oberring eingerichtet.
Der Umbau erfolgte während des laufenden Betriebs. Nicht nur die Bundesligaspiele von Hertha
BSC und die jährlichen DFB-Pokalendspiele, sondern ab 2003 auch die Heimspiele des NFLEurope Teams Berlin Thunder wurden in der Baustelle ausgetragen. Hierfür hatte die Walter BauAG jeweils 55.000 Sitzplätze garantiert, zu den Pokalendspielen waren es sogar über 70.000
Sitzplätze. Lediglich das ISTAF musste während der Bauphase in den Ludwig-Jahn-Sportpark
ausweichen.
Die neue Tribünenüberdachung wurde nicht zum Ring geschlossen, um die historische Öffnung
am Marathontor nicht zu verbauen. Somit blieb die vom Denkmalschutz erwünschte
Sichtbeziehung zum Maifeld und dem Glockenturm erhalten. Durch diese Konstruktion bedingt
befinden sich im Oberring 20 schlanke Stahlstützen, auf denen das scheinbar schwebende Dach
ruht. Im Dach wurden modernste Beleuchtungstechnik, darunter eine blendfreie Flutlichtanlage,
sowie eine Beschallungsanlage mit einer Leistung von über 150.000 Watt integriert.
2004
Im Sommer 2004 wurde das Stadion an die neue Betreibergesellschaft übergeben und am 31. Juli
mit einer großen Eröffnungsfeier eingeweiht. Seit dem 2. August ist das Stadion wie früher an
veranstaltungsfreien Tagen wieder für alle Berliner, Berlinerinnen und Touristen geöffnet. Am 08.
September 2004 gab die Fußball-Nationalmannschaft ihr erstes Gastspiel im neuen
Olympiastadion: Gegen Brasilien konnte das Team unter Leitung von Bundestrainer Jürgen
Klinsmann ein 1:1 erreichen. Die endgültige Fertigstellung des Stadions und der angrenzenden
Bereiche wird sich bis ins Jahr 2006 hinziehen. Dann wird alles vorbereitet sein auf die FIFA
Fußball-Weltmeisterschaft mit dem Sportereignis des Jahres 2006: Das Finale am 9. Juli im
Olympiastadion Berlin! Ende 2004 gab es aus sportlicher Sicht einen weiteren Grund zur Freude:
Die IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 findet im Olympiastadion Berlin statt.
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2005
Das neue Olympiastadion Berlin ist seit der Wiedereröffnung als Fünf-Sterne-Arena gefeiert
worden– im April 2005 wurde durch die Stadionkommission der Europäischen Fußball Union
(UEFA) das Olympiastadion Berlin offiziell als Fünf-Sterne-Arena, der höchstmöglichen Wertung
für Stadien in Europa, bewertet. Die Dachkonstruktion des Olympiastadion Berlin von gmp
(Gerkan, Marg & Partner) und dem Ingenieurbüro Krebs und Kiefer wurde mit den Stahlbaupreis
2004 von Bauen mit Stahl e.V., einem der ältesten Architekturpreisen Deutschlands, ausgezeichnet.
Nach nicht einmal einem Jahr nach der Wiedereröffnung wurde der 150 000. Besucher außerhalb
der Großveranstaltungen im Olympiastadion Berlin begrüßt. Zum einjährigen Jubiläum nutzen
12.407 Gäste den freien Eintritt für eine Stadion-besichtigung. Weitere Höhepunkte im „ersten“
Jahr waren das Konzert von U2, das Internationale Deutsche Turnfest sowie das ISTAF.
2006
Der Fußball als Volkssport “Nummer Eins” spielte 2006 die größte Rolle aus sportlicher Sicht.
Höhepunkt der Fußballgeschichte im Olympiastadion Berlin war die FIFA WM 2006. Sechs Spiele
wurden im Olympiastadion ausgetragen. Unvergesslich werden das Viertelfinalspiel Deutschland –
Argentinien, das der spätere WM-Dritte Deutschland im Elfmeterschießen für sich entschied, und
das Endspiel am 9.Juli zwischen Italien und Frankreich bleiben. Die Squadra Azzura setzte sich im
Finale erst im Elfmeterschießen durch und wurde so im Olympiastadion Berlin der 18. FußballWeltmeister.
Noch rechtzeitig vor der Fußball Weltmeisterschaft wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst
die Kapelle im inneren des Olympiastadion Berlin eröffnet. Die Stadionkapelle steht den Sportlern
im Olympiastadion als ein christlicher Andachtsraum ebenso zur Verfügung wie den Menschen, die
in ihr Ihre Eheschließung oder die Taufe des Kindes feiern wollen. Seit September sorgt eine neue,
einzelangefertigte Orgel für den musikalischen Rahmen im Gottesdienst.
Direkt nach der Weltmeisterschaft standen zwei weitere absolute Highlights auf dem Programm.
Die Konzerte von Robbie Williams und den Rolling Stones begeisterten zehntausende Zuschauer
im Olympiastadion.
Auch sportlich ging es 2006 weiter zur Sache. Die gesamte Weltelite der Leichathletik um die
Superstars Asafa Powell und Jeremy Wariner kämpften beim ISTAF wieder um den Sieg bei
einem IAAF Golden League Meeting.
Eine Premiere erlebten im vergangenen Jahr rund 50.000 beigeisternde Zuschauer bei der ersten
Auflage der Pyronale auf dem Maifeld am Olympiastadion Berlin. Sechs der international
führenden Feuerwerks-Teams traten an zwei Tagen gegeneinander an und boten dem Publikum
Effekte, wie man sie vorher noch nie gesehen hatte. Eine Jury, die sich aus Fachleuten und
Prominenten des öffentlichen Lebens zusammensetzte, beurteilte die Leistung der Teams und
kürte die „Luso Pirotecnia Group“ aus Portugal zum Sieger.
2007
Der Besucherstrom ins Olympiastadion Berlin außerhalb der Großveranstaltungen ist auch im Jahr
2007 nicht abgerissen. Im Februar konnte der 500.000. Besucher begrüßt werden, insgesamt
kamen rund 276.000 Touristen, um sich das Stadion außerhalb der Veranstaltungstage
anzuschauen.
Sportliche Highlights im Veranstaltungskalender sind in diesem Jahr neben den Heimspielen von
Hertha BSC und Berlin Thunder sowie dem DFB-Pokalfinale das U16 Länderspiel Deutschland
gegen Frankreich und das Internationale Stadionfest Berlin ISTAF, das seinen 70jähriges bestehen
10
feiert. Weitere hochklassige Events sind die Konzerte von Herbert Grönemeyer und Genesis, die
auf Ihrer großen Comeback-Tour auch im Olympiastadion Berlin live zu erleben sind, sowie die
Pyronale, die im September zum zweiten Mal hinter dem Olympiastadion Berlin auf dem Maifeld
stattfand.
2008
Das Jahr 2008 ist ein Jahr der Rekorde im Olympiastadion Berlin. Der erste Eintrag ins
Guinnessbuch der Rekorde kam am 3. Juni durch das längste Kinderbild der Welt. Insgesamt 37
Kilometer lang war die Bilderschlange, die fast alle 74.024 Sitzplätze bedeckte. Auch der Auftritt
des Comedian Mario Barth am 12. Juli wurde ins Guinnessbuch der Rekorde als größte ComedyShow der Welt aufgenommen.
Seit dem 1. Juli brummt es auch im Olympiastadion Berlin, denn an diesem Tag ist der
Olympiastadion Berlin Buddy Bär in sein neues Gehege gekommen. Der Bär verweist mit
vielfachen Symbolen auf die einzigartige Schönheit, Bedeutung und Funktion des Fünf-SterneStadions.
Im August begeisterte Pop-Queen Madonna 50.000 Fans auf der ersten Deutschlandstation ihrer
„Sticky & Sweet“ Welttournee.
Ebenfalls ein großer Erfolg war die 3. Auflage des Feuerwerk-World-Championats Pyronale.
Sportlich ging und geht es auch 2008 wieder groß her. Ausverkauftes DFB-Pokalfinale, knapp
60.000 Besucher beim ISTAF und nach rund zwei Jahren Pause neben der Bundesliga wieder
UEFA-Cup Heimspiele im Olympiastadion Berlin. Highlight im Sportkalender 2008 ist jedoch der
Länderspielklassiker Deutschland – England im November.
Auch die Vorbereitungen für den sportlichen Höhepunkt 2009, die 12. IAAF Leichtathletik
Weltmeisterschaften berlin 2009™ laufen auf Hochtouren. Die Sportanlagen wurden an die
aktuellen Anforderungen des Weltverbandes IAAF angepasst und auch die Laufbahn bekommt
durch ein aufwändiges Retopping ihren blauen Glanz zurück.
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Christoph Meyer
Leiter Presse & Veranstaltungen
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