Die Gebärmutter bringt immer Höchstleistung

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Die Gebärmutter bringt immer Höchstleistung
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TORO 03/10
Die Gebärmutter bringt
immer Höchstleistung
Nur wenn eine Gebärmutter intakt, gesund und voll funktionsfähig ist, kann sich ein Embryo
einnisten und über 9 Monate ausgetragen werden. Lesen Sie, wie dieses zentrale «Frucht­
barkeitsorgan» aufgebaut ist, was es leistet und wie leicht Störungen passieren.
jbg. Funktionsstörungen und Erkrankungen der Gebärmutter sind
häufig sehr versteckt, und extrem
schlecht oder gar nicht diagnostizierbar. Sie verhindern aber, dass
die betroffenen Kühe wieder
trächtig werden. Es gilt also, Dysfunktionen und Erkrankungen der
Gebärmutter so gut wie möglich
zu verhindern. Damit dies gelingt,
sind Kenntnisse über Aufbau und
Aufgaben dieses Organs vorteilhaft.
Anatomie der Gebärmutter
Die Gebärmutter der Kuh gliedert
sich in zwei Hörner, den Gebärmutterkörper und den Gebärmutterhals, der das Organ nach aussen
verschliesst. Sie ist nichtträchtig
ungefähr unterarmlang und die
Hörner haben je nach Alter der
Kuh 2 bis 5 cm im Durchmesser.
Arttypisch sind sie in Form eines
Widderhorns aufgerollt. Weil ent-
zündliche Veränderungen der
Schwerkraft folgend oft von aussen schlecht erreichbar in den aufgerollten Hornspitzen sitzen, sind
Gebärmutterbehandlungen mitunter knifflig. Die Gebärmutter ist
«freischwebend» und mit Bändern
oben an den Schaufeln des Beckenknochens fixiert. Sie hängt so
beweglich je nach Grösse im Beckenraum oder darüber hinaus in
der Bauchhöhle. Im Laufe einer
Trächtigkeit wird der Aufhängeapparat stark gedehnt, muss er
doch kurz vor der Geburt des
Kalbs rund 100kg tragen. Ein gut
gefüllter Pansen dient der riesigen
Gebärmutter jetzt als «Seitenstabilisator». Fehlt diese Stabilisierung, z.B. durch eine schlechte
Futteraufnahme in der Hochträchtigkeit, steigt die Gefahr eines
Überwurfs. Insbesondere Kühe
mit Schwächen in den Gebärmutterbändern sind gefährdet. Dieselbe Bänderschwäche kann dazu
führen, dass die Gebärmutter auch
nach der Geburt nach vorne und
nach unten hängt und dadurch eine
Senkscheide entsteht.
Innerer Aufbau
der Gebärmutter
Die Gebärmutter ist ein «Hohlorgan» – im Querschnitt ein Rohr.
Die Auskleidung des «Rohrinnern» ist eine sehr drüsige, aufgefaltete Schleimhaut. Die Falten,
die aus ihr gebildet werden, schützen den mikroskopisch kleinen
Embryo und stellen einen engen
Kontakt zwischen ihm und der
mütterlichen Gebärmutter her, damit er sich einnisten kann. Sie helfen aber auch eingedrungenen
Keimen und erschweren deren medikamentöse Bekämpfung. Die
Wand des Gebärmutterrohrs besteht aus einer mehrschichtigen
extrem starken Muskulatur. Deren
intakte Funktionsfähigkeit ist z.B.
für einen zügigen Geburtsverlauf
und einen unkomplizierten Nachgeburtsabgang zwingend.
Funktionen
der Schleimhaut
Je nachdem, welche Eierstockhormone auf die Gebärmutterschleimhaut wirken, ändert sich das Sekret,
das von den Schleimhautdrüsen
gebildet wird. In der Brunst produzieren sie den glasklaren Brunstschleim. Trägt der Eierstock in den
Wochen nach der Brunst einen progesteronbildenden
Gelbkörper,
werden die Schleimhautzellen der
Gebärmutter «umprogrammiert».
Sie bilden nun die sogenannte
«Uterinmilch» – ein fett- und eiweissreicher Nährschleim, der für
das Überleben des frühen Embryos
entscheidend ist. Schon 17 Tage
alte Embryonen von Kühen, die
immer wieder umrindern, sind verglichen mit denjenigen von Kühen
mit guter Fruchtbarkeit in ihrem
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Wachstum zurückgeblieben. Ein Indiz dafür, dass bei «Umrinderern» die Versorgung
des winzigen Embryonen über die Uterinmilch nicht stimmt. Unterschiedliche Versuche zeigen,
dass nur optimal gefütterte Kühe
ihre Embryonen richtig ernähren.
Es gibt z.B. direkte Zusammenhänge zwischen dem Harnstoffwert
im Blut der Kuh und dem Milieu in
ihrer Gebärmutter. Bei hohem
Harnstoff (> 35 mg/dl in der Milch)
kann der Embryo nur schwer überleben. Auch Azeton, Kali- oder
Phosphorüberschuss oder eine Nitratbelastung wirken sich negativ
auf die Überlebenschance des frühen Embryos aus; ebenso wie
Viehsalz-, B-Carotin- oder Phosphormangel.
Zirka 2,5 Wochen nach der Befruchtung nehmen der Embryo und
die Gebärmutterschleimhaut engeren Kontakt zueinander auf und
erst nach rund 28 Tagen beginnt die
Ausbildung der Plazenta (Mutterkuchen), durch die der Fötus an den
mütterlichen Blutkreislauf angebunden wird. Da dieser Prozess
über eine komplizierte Abstimmung mit unterschiedlichen Gewebshormonen zwischen Embryo
und Gebärmutter läuft, sind trächtigkeitsverhindernde
Störungen
häufig. Von aussen sind diese Probleme nicht erkennbar. Einziger
Gebärmutterkörper
Gebärmutterhals
Eierstock
rechts
Hinweis darauf, dass die Befruchtung der Eizelle zwar geklappt hat,
aber die weitere Entwicklung des
Embryos, seine Versorgung oder
die Kontaktaufnahme gestört wurde, gibt ein verlängerter Zyklus der
Kuh. Ein Grossteil der Kühe, die
erst nach 25 Tagen oder noch später
nachrindern, waren (für kurze Zeit)
trächtig.
Innere Brunstsymptome
Während der Brunst bewirkt das
Brunsthormon (Östrogen) nicht
nur die Bildung des Brunstschleims, sondern ist auch noch für
andere Veränderungen an der Gebärmutter verantwortlich. Diese
«inneren Brunstsymptome» sind
sehr wichtig für den Spermientransport in Richtung Eileiter. Immunologische Abwehrvorgänge in
der Gebärmutter selektieren be-
Bereits Leonardo da Vinci versuchte das Funktionieren
der Gebärmutter zu verstehen.
schädigte Samenzellen aus, die
dadurch gar nicht in «Gefahr laufen», die Eizelle zu befruchten.
Die chemische Zusammensetzung
des Brunstschleims hat ausserdem
eine wichtige desinfizierende Wirkung. Denn Keimfreiheit ist für
die Befruchtungsfähigkeit des Samens entscheidend. Der reinigende
Effekt einer Brunst auf das Innere
der Gebärmutter spielt auch bei ihrer Versäuberung nach der Geburt
eine grosse Rolle. Deshalb sollte
der Zyklus der Kuh möglichst bald
nach dem Abkalben wieder anlaufen. Der Brunstschleim ist in der
Gebärmutter das Transportmedium für die Spermien in Richtung
Eileiter. Eine fadenziehende Konsistenz bei der Besamung ist für
den Spermientransport optimal.
Die starke Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur in der Brunst
drückt die Spermien zusätzlich
nach vorne. Die Spannung der
Muskulatur ist bei der Untersuchung Besamungstauglichkeit ein
wichtiges Indiz für die Stärke der
Brunst. Der Spermientransport ist
so effektiv, dass die ersten Samenzellen innerhalb weniger Minuten
im Eileiter ankommen. Da das
Stresshormon Adrenalin die Muskelkontraktionen hemmt, sollte
Stress für das zu besamende Tier
unbedingt vermieden werden. Für
all diese Vorgänge braucht es während der Brunst eine gute Blutversorgung. Alle Geschlechtsorgane
werden daher stärker durchblutet,
so ist z.B. auch die Scheidenschleimhaut deutlich gerötet. Der
starke Blutfluss führt dazu, dass
dünne Haarnadelgefässe in der
Gebärmutterschleimhaut reissen
können. Das daraus in den Brunstschleim übertretende Blut kann in
Gebärmutterhorn
rechts
der Regel ca. 2 Tage nach der Brunst
als «Abbluten» gesehen werden. In
einer ganz ausgeprägten Brunst
kann die Durchblutung schon sehr
früh sehr stark sein, sodass die Kuh
noch in der Hauptbrunst «abblutet».
Da Blut Spermien abtötet, ist eine
Besamung dann weniger erfolgsversprechend.
Die Gebärmuttermuskulatur
braucht viel Kalzium
Eine extreme Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur ist notwendig, damit das Kalb unter der Geburt ausgepresst wird. Für den
Kraftakt starker Wehen braucht es
enorm viel Energie und grosse
Mengen Kalzium und Magnesium. Deshalb haben Kühe sehr
schnell eine Wehenschwäche,
wenn sie bereits vor dem Abkalben an einer Ketose oder schleichendem Milchfieber erkranken,
meist noch bevor sie irgendwelche
andere Symptome zeigen. Wehenschwäche führt immer zu einem
verzögerten Geburtsablauf. Wird
sie übersehen, überlebt das Kalb
nur in den wenigsten Fällen. Auch
für die Ablösung und das Auspressen der Nachgeburt verbraucht die
Gebärmutter nach dem Abkalben
noch einmal viel Energie, Mineralstoffe und Vitamine. Nachgeburtsverhaltungen, insbesondere
solche, bei denen die Rosen sich
zwar gelöst haben, die Eihäute
aber im Geburtskanal hängen bleiben, sind ein Alarmzeichen für ein
beginnendes Milchfieber. (Aus­
führlicheres zum Thema Nach­
geburtsverhaltung und nachfol­
gender Gebärmutterentzündung
lesen Sie im nächsten TORO.)