Modellierung der Lachgasemission aus deutschen Waldböden
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Modellierung der Lachgasemission aus deutschen Waldböden
Institut für Bodenökologie Eckart Priesack, Jean Charles Munch istickstoffmonoxid (N2O) oder Lachgas ist ein leicht süßlich riechendes Gas, das für den Menschen ungefährlich ist, in der Atmosphäre jedoch als Treibhausgas wirkt. In der Stratosphäre beeinflusst es außerdem den Abbau der Ozonschicht. Lachgas ist über einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet als Treibhausgas 13mal so wirksam wie Methan und 320mal so wirksam wie Kohlendioxid. Deshalb konzentrieren sich die wissenschaftlichen Arbeiten auch verstärkt auf eine genaue Erfassung der Freisetzung und damit einer möglichen Reduktion dieses klimarelevanten Spurengases. Es wird von Mikroorganismen erzeugt, die Nitrat und Ammonium umsetzen, wenn der Sauerstoff im insbesondere überdüngten und stark verdichteten Boden knapp wird. Ferner ist es ein Nebenprodukt bei Verbrennungsprozessen. Bisher weiß man, dass Waldböden ebenfalls zur N2O-Emission beitragen. Um eine Aussage über das exakte Ausmaß treffen zu können, unterstützt nun das Modellierungssystem Expert-N die Analysen. In Zusammenarbeit mit Hubert Schulte-Bisping und Rainer Brumme aus dem Institut für Bodenkunde und Waldernährung an der Universität Göttingen optimierte die Arbeitsgruppe von Eckart Priesack vom GSF-Institut für Bodenökologie das neue System für Analysen zur Waldökologie. Bislang wurde es vorwiegend in der Landwirtschaft zur verbesserten Düngermittel- D AKTUELLE THEMEN Modellierung der Lachgasemission aus deutschen Waldböden Modelling of Nitrous Oxide Emission from German Forest Soils itrous oxide, or laughing gas, is a sweet-smelling gas, which is harmless for humans but in the atmosphere acts as a greenhouse gas and in the stratosphere contributes to the breakdown of the ozone layer. Considered over a period of 100 years, nitrous oxide is 13 times as effective as a greenhouse gas as methane and 320 times as effective as carbon dioxide. For this reason, research is focusing on precise assessment of the release, and the possibility of reducing, this climate relevant trace gas. The gas is produced by microorganisms that convert nitrate and ammonium when oxygen is in short supply, particularly in heavily compacted soils with excess fertiliser. It is also a by-product in incineration processes. It is already known that forest soils contribute to N2O emissions. The model system Expert-N is now being used in analyses to discover the precise extent of these emissions. Eckart Priesack’s research group in the GSF-Institute of Soil Ecology is working together with Hubert SchulteBisping and Rainer Brumme of the Institute of Soil Science and Forest Nutrition (Institut für Bodenkunde und Waldernährung) of the University of Göttingen to optimise the N 71 GSF dosierung durch Berechnungen und Prognosen des Stickstoffhaushaltes eingesetzt. new system for analyses in forest ecology. Until now the system has mainly been used in agriculture to optimise fertiliser application through calculation and prognostication of the nitrogen balance. Lachgas in der Umwelt Seit der vorindustriellen Zeit hat sich die atmosphärische N2O-Konzentration von 275 ppbv auf 312 ppbv erhöht. Die jährliche Wachstumsrate liegt zur Zeit bei 0,8 ppbv und entspricht dem Ungleichgewicht von 3,9 TG N2 pro Jahr, das zwischen den globalen Quellen und Senken des Gases beobachtet wird. Die wichtigsten anthropogenen Quellen sind die Landwirtschaft (Verwendung von Mineraldünger und Viehhaltung), die Verbrennung von Biomasse, der Automobilverkehr und die Abfall- und Abwasserbeseitigung. Von den natürlichen Quellen stellen die Böden, besonders die Waldböden der feuchten Tropen mit 3,0 Tg N2O pro Jahr die größte terrestrische Quelle dar. Die Bilanzen für mitteleuropäische Wälder fanden bisher wenig Beachtung, da deren Beitrag zur globalen Bilanz als gering eingestuft wurde. Neuere Analysen haben jedoch gezeigt, dass der Beitrag mitteleuropäischer Wälder nicht zu vernachlässigen ist. Permanent hohe Einträge durch saure Depositionen und hohe Stickstoff- Einträge haben ein Bodenmilieu geschaffen, das ideale Bedingungen für Lachgasemissionen aufweist: Bodenversauerung, N-Sättigung und Bodenverdichtung. Computergesteuerte Spurensuche Die genauere Bilanzierung der Spurengasflüsse zwischen deutschen Wäldern und der Atmosphäre sollte erreicht werden durch Simulation des Spurengasaustausches unter Verwendung vorhandener Datensätze und der Berücksichtigung klimatischer und saisonaler Unterschiede. Um Landnutzungskarten und Bodenkarten in hydroklimatische Klassen einteilen zu können, wurde die hygroklimatische Gliederung Deutschlands auf der Basis der 30-jährigen monatlichen Niederschlagsund Verdunstungsmengen neu berechnet. 160 seasonal emission pattern 140 -2 gNm h -1 120 100 event emission pattern 80 60 40 basic emission tt 20 0 31 Jan 22 Mrz 11 Mai 30 Jun Abb. 1: N2O-Emissiontypen in Wäldern. 72 GSF 19 Aug 08 Okt 27 Nov 16 Jan 07 Mrz 26 Apr lauf der Jahrestemperatur. Mit dem Temperaturanstieg im Frühjahr steigt die biologische Aktiviät der Mikroorganismen, und der zunehmende O2-Verbrauch führt zu anaeroben Verhältnissen im Boden und lässt die Denitrifikation ansteigen. Der EreignisTyp gilt als Sonderfall des Basis-Typen und spiegelt die Situation bei Frost- und Auftauprozessen wider. Hier können kurzfristig sehr hohe N2O-Emissionsraten entstehen (Abb. 1). 60 100 50 80 AKTUELLE THEMEN Parameter waren ferner Bodeneigenschaften, Nutzungseigenschaften, Temperatur und Feuchte. Unterschiede in der Wald- und Waldbodenbeschaffenheit flossen ebenfalls in die Berechnungen mit ein. Die Messkampagnen ergaben drei unterschiedliche Emissionstypen: der Basis-Typ mit geringen Emissionen und Jahresraten unter 1 kg/ha. Der saisonale Typ weist eine durchschnittliche N2O-Bilanz von bis zu 3 kg/ha auf und entspricht in etwa dem Ver- 60 30 40 percent g/ha*d 40 20 20 10 0 0 01 Jan 93 01 Jan 94 01 Jan 95 01 Jan 96 Datum WFPS Messwert Predict Abb. 2: Vergleich zwischen gemessenen und simulierten N2O-Emissionen für den Buchenstandort Solling. 60 50 Enzklösterle g ha-1d-1 40 Garmisch 30 20 Neuruppin 10 0 01.01.94 02.07.94 31.12.94 Datum 01.07.95 30.12.95 Abb. 3: Einfluss unterschiedlicher Klimaparameter (Neuruppin, Enzklösterle, Garmisch) auf die simulierten N2O-Emissionen einer Buchenfläche. 73 GSF 60 50 -1 g ha d -1 LBA_40 40 LBA_49 30 20 LBA_35 10 LBA_34 0 01.01.91 02.03.91 01.05.91 30.06.91 Datum 29.08.91 28.10.91 27.12.91 Abb. 4: Vergleich der annuellen N2O-Emissionen der unterschiedlichen Leitböden. Für die genaue Abschätzung der jährlichen Spurengasflüsse auf unterschiedlichen Standorten wurde zusätzlich das Modell Expert-N eingesetzt (Abb. 2). Da es ursprünglich für die Simulation der Stickstoffdynamik im Boden und Pflanze auf landwirtschaftlichen Standorten entwickelt wurde, mussten die Forscher es der Situation bei den Waldböden anpassen. Modellierung mit Expert-N Die Sensitivität des Modells wurde auf der Basis von drei Klimaklassen und drei Bodenprofilen getestet. Die drei Klimaklassen stellen das norddeutsche Flachland (Neuruppin), die Mittelgebirge bei Solling und die tiefergelegenen Alpenregionen in Süddeutschland bei Garmisch dar (Abb. 3). Ein Temperaturanstieg im Frühling bewirkte auch ein Ansteigen der N2O-Emissionen an den drei Stellen. Den größten Unterschied zwischen den Untersuchungsgebieten machte die Dauer der jeweiligen saisonalen Gesamtemissionen aus. Mit dem Anstieg der Bodentemperaturen im Sommer führen die unterschiedlichen Klimazonen zu deutlicheren Differenzen. Die Emissionsraten von den reinen Sandprofilen mit geringen Wassergehalten stiegen dabei stark an zu den Bodenprofilen mit höheren Schluff- und Tongehalten (Abb. 4). Die durch diese Bodeneigenschaften bedingten 74 GSF höheren Wasserkonzentrationen in den Leitböden verstärken also die Bedingungen für Denitrifikation und führen zu höheren N2O-Emissionen. Das Spektrum der jährlichen N2O-Emissionen reicht je nach Leitboden von wenigen Gramm bis Kilogramm. Außerdem wurde mit dem Modell eine unterschiedliche N2O-Freisetzung je nach Waldart berechnet. Berücksichtigt wurden die jeweiligen Baumarten wie Laub-, Nadeloder Mischwald. So weisen z.B. Fichtenwälder eine geringere Freisetzung auf als Buchen- und Mischwälder. Insgesamt liegt der Mittelwert der verschiedenen Waldarten jährlich bei 0,5 kg pro Hektar. Im Vergleich zu bisherigen Schätzungen liegen die Emissionen damit sehr viel höher. Ausblick Als wesentliches Ergebnis liegt neben der Höhe der Spurengasbilanz nun erstmals eine räumliche Verteilung der N2OEmissionen für die Waldböden in der Bundesrepublik Deutschland vor (Abb. 5). Die Abschätzung der Lachgasfreisetzung reicht von jährlich 3,1 Gg bis 7,02 Gg, wobei der Median bei 4,55 Gg N2O pro Jahr liegt. Verglichen mit den Gesamtemisssionen aller Verursacherbereiche von 170 Gg N2O in der BRD spielen die Waldböden mit einem Beitrag von unter 5% eine doch eher untergeordnete Rolle. AKTUELLE THEMEN Laub-, Nadel- und Mischwald Legende: kg/ha keine Daten 0,0 – 0,2 0,2 – 0,5 0,5 – 1,0 1,0 – 2,0 2,0 – 3,0 3,0 – 5,0 > 5,0 IBW-2000 Abb. 5: Annuelle Lachgasemission aus den Waldböden der BRD. 75 GSF Ausgewählte Veröffentlichungen Engel, Th., Priesack, E.: Expert-N, a building block system of nitrogen models as resource for advice, research, water management and policy. In: Integrated Soil and Sediment Research: A Basis for Proper Protection (Eds.: Eijsackers, H.J.P. and Hamers, T.). Dordrecht, Niederlande, Kluwer Academic Publishers 503–507 (1993). Frolking, S.E., Mosier, A.R., Ojima, D.S., Li, C., Parton, W.J., Potter, C.S., Priesack, E., Stenger, R., Haberbosch, C., Dörsch, P., Flessa, H. and Smith, K.A.: Comparison of N2O emissions from soils at three temperate agricultural sites: simulations of year-round measurements by four models. Nutr. Cycl. Agroecosys., 52, 77–105 (1998). Kaharabata, S.K., Priesack, E., Desjardins, R.L.: Preliminary tests of Expert-N and comparisons with DNDC and limited field measurements. In: Proceedings of the International Workshop on Reducing Nitrous Oxide Emissions from Agroecosystems. (Eds.: R.L. Desjardins, J.C. Keng and K.L. Haugen-Kozyra) Edmonton, Canada: Agriculture and Agri-Food Canada, Research Branch; Alberta Agriculture, Food and Rural Development, Conservation and Development Branch, 122–127 (1999). Schulte-Bisping, H., Brumme, R., Priesack, E.: Freisetzung und Konsumption von N2O und CH4 aus den Wäldern Deutschlands. Abschlussbericht zum BMBFProjekt 01 LA 9807, Institut für Bodenkunde und Waldernährung, Universität Göttingen (2001). Schulte-Bisping, H., Brumme, R., Priesack, E.: Nitrous oxide emission inventory of German forest soils. J. Geophys. Res. 108, D4, 4132 (2003). 76 GSF