Glosse: Wenn der Postmann dreimal klingelt

Transcription

Glosse: Wenn der Postmann dreimal klingelt
Seite 13
Anzeigen:
Glosse
Mutti – allein
zu Haus
Oder: Wenn der Postmann
dreimal klingelt
Sie – allein zu Haus
Es ist kurz vor Mittag. An der Türe klingelt es –
dreimal. Energisch. Es klingelt wie Kinder es tun,
wenn sie von der Schule kommen und die Schultoilette abgeschlossen war. Ein dringender Fall.
Schnell. Schon ist sie aufgesprungen, um zu
öffnen. Da hört sie den Nachhall. Im ganzen Haus
klingelt es an den Wohnungstüren – gleichzeitig.
Ach, jetzt hat sie den Drücker schon betätigt. Die
Tür öffnet sich. Zu spät. Sie weiß schon, da kommt
die Post. Mal wieder. Und sie weiß, wenn der
Postmann dreimal klingelt, dann ist es nicht für sie.
Zumindest das Paket nicht, das übergeben werden
soll. Da haben die Nachbarn wohl etwas bestellt.
Gerade erst war einer mit dem schwarzen
Transporter da. Nur was reinstellen, waren seine
Worte. Ups. Und davor der mit dem gelben. Ist wohl
ihr neuer Job: Mutti als Pförtner im nachbarschaftlichen Warenumschlagsplatz. Ja, tatsächlich, da ist
schon wieder ein Postmann. Mit einem riesigen
Paket…
Der Postmann – klingelt
Hoffentlich macht sie jetzt endlich auf. Er weiß,
dass sie da ist. Es ist Mittag. Da ist sie immer da. Er
hat wie immer mal im ganzen Haus geklingelt.
Dreimal, das funktioniert meistens. Irgendeiner
macht dann immer auf. Bei den Kleinen geht es am
besten. Die sind folgsam. Er sagt einfach: Du musst
aufmachen. So ein bisschen pampig. Und schon
öffnen die die Tür. Hauptsache drin, das Paket
abgestellt und weiter. Schnell, mach auf Mutti, dein
Nachbar bekommt ein Paket! Schnell. Er wird
ungeduldig. Ist sein eigener Chef. Stellt kleine
Rechnungen an die Firma. Zum Glück werden es
immer mehr Pakete zum Ausliefern. Dann bleibt
wenigstens etwas Geld zum Leben. Wenn jemand
da wäre. Die bestellen nachts und sind tags nicht
da. Das Abgeben wird immer schwieriger. Er hat so
seine Strategie: Klingelt gleich bei allen Nachbarn
mit. Irgendeiner macht immer auf. Notfalls geht er
auch ins nächste Haus. Oder legt es einfach vor die
Haustür. Hat auch mal ein fremdes Paket
dazugelegt. Die werden es schon weitergeben.
Schnell! Es sind noch so viele Pakete im Laderaum.
Gestern war er auch schon hier. Sah aus als wäre
Spielzeug drin. Klar, jetzt vor Weihnachten. Was die
Leute alles so bestellen. Er weiß Bescheid:
Erotisches, Lebendiges, Kulinarisches – na ja,
waren wohl eher Konservenbüchsen. Das Paket
hier ist auch ziemlich groß. Möbel? Endlich. Warum
schaut sie so erstaunt? Was, kein Platz. Das
Treppenhaus voll. Da stehen tatsächlich schon
lauter Pakete. Was, sie will nicht mehr annehmen?
Ist doch egal. Ich stelle es einfach ab. Nein,
Unterschrift muss sowieso nicht sein. Wie, jetzt wird
sie pampig. Sie wollte gar nicht öffnen. Ein
Versehen. Sie schmeißt ihn raus. Na warte Mutti. Er
stellt das Paket einfach vor die Haustür. Haha, die
anderen kommen bestimmt auch gleich. Habe den
Typen im gelben Transporter schon gesehen… Bis
morgen!
Die Berufstätige – kommt heim
Wie soll sie da jetzt dran vorbei ins Haus kommen?
Mitten im Weg steht es. Hat Mutti mal wieder das
Paket nicht angenommen. Sie ist selbst voll beladen: Das Kind im Arm und die Arbeitstasche
auch. Dazu noch Einkäufe. Nerv, der Arbeitstag war
anstrengend genug. Und sie ist ja da. Hausfrau!
Soll sich nicht so anstellen. Letzt war sie schon so
sauer, spielt sich auf, wolle die Pakete nicht mehr
annehmen. Käme zu nichts. Was soll das. Ist doch
nett gemeint. Hätte sie doch wenigstens was zu tun
gehabt. Na ja, das Paket geht eh wieder zurück.
Habe was Schöneres gesehen. Zwei Wochen
Widerspruch. Das ist schon Klasse. Mal angucken,
ausprobieren. Und wieder abgeben. Das kommt
häufiger vor. Kein Problem. Gleich heute Abend
wird sie neu bestellen. Dann kommt das Paket
spätestens in zwei Tagen. Irgendwann am Tag.
Die Autorin – gerettet
Es ist kurz vor Mittag. So stehen jetzt die Worte auf
dem Papier. Der Artikel ist gerettet. Nächtlichen
Internetbestellern und klingelnden Paketdiensten
sei Dank. Na ja, eigentlich wollte ich über einen
tollen 24-Stunden-Service schreiben. Über Packstationen, in denen man seine Internet-Bestellungen abliefern lassen kann. Ideal für Leute, die
vor 16 Uhr nicht zuhause sind. Vielleicht das
nächste Mal. Ups, es klingelt schon wieder –
dreimal!
Beate Gebhardt