Post + Schule Sekundarstufen 1 + 2 Leserbriefe
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Post + Schule Sekundarstufen 1 + 2 Leserbriefe
Post + Schule Sekundarstufen 1 + 2 Leserbriefe Eine gemeinsame Initiative von Impulse für Unterricht und Ausbildung „Post macht Schule“ – unter diesem Motto steht das Engagement der Deutschen Post im Bereich Bildung und berücksichtigt dabei den Grundsatz „Früh anfangen und nicht nachlassen“. Gemeinsam mit der Stiftung Lesen unterstützt sie mit Aktivitäten und Angeboten Pädagoginnen und Pädagogen vom Kindergarten über die Schule bis hin zur Berufsschule, in der festen Überzeugung, dass eine ausgeprägte Lese-, Schreib- und Medienkompetenz für eine gelingende Bildungskarriere unverzichtbar ist. Ein zentraler und seit vielen Jahren bewährter Baustein dieses Lebenslaufs ist das Programm „Post + Schule“ (www.postundschule.de). Damit bietet die Deutsche Post Lehrkräften gezielt und themenfokussiert Hilfestellung für ihre tägliche Unterrichtsarbeit, indem sie vielfältige und handlungsorientierte Materialangebote zu den Bereichen Lesen und Schreiben, Medienerziehung, Lebens- und Berufsplanung bereitstellt. Alle Materialien können Sie unter www.postundschule.de kostenlos bestellen bzw. downloaden. Die Unterrichtsmaterialien bedürfen ggf. einer Differenzierung in Bezug auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus und Bedürfnisse Ihrer Klasse. Schreib-, Lese- und Medienkompetenz im Lebenslauf der Bildung Alter 3 4 5 6 7 8 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Kindergarten Vorschule Grundschule Klassen 5–8 Klassen 9–12 Vorlese- und Bildergeschichten Grundschulpaket: • Lehrerinformation mit kreativen Unterrichtsimpulsen zu Post und Brief • Lese- und Arbeitsbögen • Schreib- und Malwettbewerb „Mein 1. Brief“ • Schülermappen im Klassensatz Themenheft Briefe schreiben Themenheft Lebensplanung und Berufsorientierung Themenheft Medienkompetenz Themenheft Bewerbung Themenheft Kreative Briefe und Karten Themenheft Medienkompetenz Themenheft Geschäftsbriefe Projektheft Briefpapier Unterrichtsimpulse Liebesbriefe Themenheft Postbearbeitung Unterrichtsimpulse Leserbriefe Themenheft Werbebriefe Lese- und Arbeitsbögen Kreativ-Tipps und Infos Themenheft Medienkompetenz Download 2 9 Print & Download Unterrichtsimpulse Briefkunst Berufsschule 21 … Leserbriefe | Post + Schule Inhalt Sachinformation 4 Ideen und Anregungen zur Unterrichtsgestaltung 5 Der Brief – Keimzelle der Zeitung 6 Geschichte des Leserbriefes 7 Funktion des Leserbriefes 8 Leserbriefkampagne „Der Fall Biermann“ 9 Leserbriefbilanz des Berliner „Tagesspiegel“ Arbeitsblätter 10 Arbeitsauftrag zum Thema Leserbief allgemein 11 Arbeitsauftrag zum Thema Leserbriefanalyse 12 Buchtipps 13 Adressen und Links 3 Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Ideen und Anregungen zur Unterrichtsgestaltung Die Leserbriefseite einer Zeitung oder sonstigen Falls die Lokalredaktion der örtlichen Tageszei- Publikation ist ein Spiegel der Zeit und ihrer tung eine eigene Leserbriefrubrik führt, kann Gesellschaft. Deshalb lassen sich aus Sprache, der Unterricht eventuell gemeinsam mit dem Thematik und eventuell erkennbarer Zensur Leserbrief- oder Lokalredakteur vorbereitet von abgedruckten Leserbriefen Rückflüsse auf werden. Dann kann man auch den Abdruck die politischen und gesellschaftlichen Gegeben- zumindest der besten Leserbriefe sicherstellen. heiten ziehen unter denen sie geschrieben und publiziert wurden. Ziel ist, den Schülern den Schüler-/Wandzeitung – kritischen Umgang mit Medien nahe zu bringen Schüler veröffentlichen Leserbriefe und sie für die Gefahr der Manipulation empfindlich zu machen. Besuch bei einer Tageszeitung Grundlage für das kreative Schreiben könnte auch ein Artikel der Schülerzeitung sein (die Leserbriefe der Schüler können dann in der nächsten Ausgabe abgedruckt werden). Weitere Die Behandlung des Themas Leserbriefe im schulinterne Möglichkeiten die Arbeitsergeb- Unterricht bietet sich an, Schüler an die regio- nisse einer größeren Öffentlichkeit zugänglich nale Tageszeitung heran zu führen und sie dazu zu machen: Wandzeitung im Klassenzimmer anzuregen, sich überhaupt intensiver mit Zei- oder in der Schule. Leserbriefe im Unterricht tungen und anderen Printmedien auseinander- zeigen den aktuellen Diskussionsstand der zusetzen. Als Anreiz kommt ein Redaktions- Wissenschaft, Technik, Kunst etc. Sie können besuch bei der regionalen Tageszeitung in daher entweder als Impulse genutzt werden Frage. Neben einer Führung durch den Verlag (Beispiel Diskussion über Gentechnik, z. B. im sollte ein Gespräch mit dem für Leserbriefe Fach Biologie) oder die eigene Meinungsbil- zuständigen Redakteur eingeplant werden. dung fördern, indem die Schüler eigene Leserbriefe zu passenden Artikeln schreiben (z. B. Mögliche Fragen: – Nach welchen Kriterien werden Leserbriefe für den Abdruck ausgewählt? – Kann man verschiedene Typen von Schreibern unterscheiden? – Werden auch anonyme Briefe abgedruckt? Wenn möglich, sollte die Diskussion im Unterricht vor- und nachbereitet werden (beispielsweise lässt man die Schüler die Angaben des Redakteurs bei der Zeitungslektüre überprüfen). 4 zu einem Theaterbesuch, der bei den Schülern einen anderen Eindruck hinterlassen hat als bei dem Rezensenten). Als ein übergeordnetes Lernziel sollen die Schüler begreifen, dass Kritik nicht per se negativ ist, sondern dass stets zwischen positiver und negativer sowie konstruktiver und destruktiver Kritik unterschieden werden muss. Dazu eignet sich der Vergleich mehrerer Leserbriefe, die in ihrer Aussage völlig unterschiedlich sind, obgleich sie auf der Grundlage eines einzigen Artikels ent- Leserbriefe sind aufgrund ihrer überschaubaren standen sind. Die Schüler lernen, dass es zu Länge hervorragend geeignet für das Üben der jedem Thema mehrere Sichtweisen und entspre- Textanalyse. Die Schüler lernen die argumenta- chend viele Meinungen gibt, die durchaus tive Struktur von Texten zu erkennen und auf parallel bestehen können. Das gleiche Ergebnis die Verwendung verschiedener rhetorischer kann man erreichen, indem die Schüler einzeln Mittel hin zu untersuchen. Als Arbeitsauftrag oder in einer Gruppe zu einem Artikel Leser- bietet sich das kreative Schreiben eines eigenen briefe schreiben. Für interessante Ergebnisse Leserbriefes an, um die neu erworbenen theore- sollte ein Thema ausgewählt werden, das bei tischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. den Schülern auch untereinander umstritten ist. Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Der Brief – Keimzelle der Zeitung Als das Geburtsjahr der Zeitung gilt das Jahr Carolus ging noch einen Schritt weiter: Er ver- 1605. Damals beantragte der Buchhändler band als erster die Zeitungskopiererei mit der und Buchdrucker Johann Carolus beim Rat Typographie, als er sich eine Druckerpresse der Stadt Straßburg das Privileg Zeitungen zulegte. Eigentlich waren es rein betriebswirt- drucken zu dürfen. Bis dahin hatte Carolus schaftliche Überlegungen, die ihn dazu bewo- sein Geld nebenbei als Schreiber verdient: gen haben: Der Kauf der Druckmaschine war Er kaufte die sogenannten „Avisen“ (Nachrich- eine Rationalisierungsmaßnahme, denn mit tenbriefe), die jede Woche mit der Post ein- der Hand schaffte er kaum mehr als 15, höch- trafen, schrieb sie per Hand ab und verkaufte stens 20 Zeitungen pro Woche zu kopieren. sie an einen kleinen Abonnentenstamm. Auf der Druckerpresse dagegen konnte er mehrere hundert Exemplare wöchentlich Das Gewerbe der Avisenschreiber entwickelte herstellen. sich im 16. Jahrhundert parallel zur Ausbreitung des Postverkehrs. Die kaiserliche Post Aus heutiger Sicht bedeutet die Kombination beförderte damals schon nicht mehr nur die von Nachrichtenverkauf und typographischer Schriftwechsel der Diplomaten, sondern auch Vervielfältigung eine kleine Revolution: Mit Privat- und Nachrichtenbriefe. Letztere ent- der Menge schwand die Exklusivität. Die Zei- hielten hauptsächlich politische Meldungen. tungen wurden billiger und für immer mehr Journalisten gab es zu jener Zeit noch nicht – Menschen erschwinglich. Endlich war es kein die Nachrichten wurden also von denen ver- Luxus mehr, auf dem neuesten Stand zu sein. fasst, die direkt an der Quelle saßen: Diploma- Heute ist die Zeitung für jedermann zugäng- ten, Offiziere, Sekretäre, Beamte. Auch einige lich und erschwinglich: ein selbstverständliches Postmeister verdienten sich als Avisenschreiber Medium im Informationsalltag der Menschen. ein wenig dazu: Sie notierten die wichtigsten Ereignisse aus ihrem Postbezirk und fügten sie als versiegelte Begleitschreiben der Post bei. Umgekehrt empfingen die Postmeister selbst als erste die Nachrichtenbriefe ihrer Kollegen (oder anderer Verfasser) aus anderen Poststellen. Da lag es nahe sich eine weitere Erwerbsquelle zu erschließen: Sie mussten nur die Meldungen zusammenstellen und an Zeitungsschreiber verkaufen, die jene kopierten und ihren Abonnenten weitergaben. Einige Postmeister versuchten sich selbst als Zeitungsschreiber und legten einen eigenen Abonnentenstamm an. Quelle: Weber, Johannes: „Die Novellen sind eine Eröffnung des Buchs der ganzen Welt“: Entstehung und Entwicklung der Zeitung im 17. Jahrhundert, in: Als die Post noch Zeitung machte, Gießen 1994 (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Postmuseum Frankfurt a. Main). 5 Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Geschichte des Leserbriefes Die Geschichte der Leserbriefe ist mit der Im Nationalsozialismus wurde die Presse Geschichte der Zeitung untrennbar verbunden. gleichgeschaltet und zu einem Instrument der Die ersten Leserbriefseiten entstanden folglich Staatsführung herabgestuft um die öffentliche im Zuge der sich entwickelnden „Gesinnungs- Meinung zu kontrollieren und zu manipulie- presse“ und ihrer Vorläufer, der sogenannten ren. Den Leserzuschriften kam eine ähnliche moralischen Wochenschriften zu Beginn des Funktion zu: auch sie wurden von den Redak- 18. Jahrhunderts. Die Briefe lieferten erstmals teuren zensiert und umgeschrieben, um dar- nicht nur reine Informationen, sondern erör- aus die angebliche „Stimme des Volkes“ zu terten Themen wie die Erziehung des Men- formen. schen. Die Herausgeber forderten ihre Leser direkt zum Schreiben auf. Die veröffentlichten Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Briefe sollten der Zeitschrift eine persönliche knüpfte die Presse wieder an die demokra- Note und damit höhere Glaubwürdigkeit ver- tische Tradition der Leserbriefe an. Der schaffen. „Spiegel“ druckte bereits 1947 die ersten Leserbriefe ab, die „Welt“ folgte zwei Jahre Die übrige deutsche Presse druckte erst gegen später. Nach Jahren der Unterdrückung und Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Leser- Zensur konnte endlich das Bedürfnis nach briefe. Der „Westphälische Anzeiger“ bei- freier Aussprache und Meinungsäußerung spielsweise bedankte sich um 1800 fast täglich gestillt werden – was die Überschriften der bei seinen Lesern für die zahlreich eingegan- damals eingeführten Leserbriefspalten zum genen Briefe, die – weil es so viele waren – Teil bis heute widerspiegeln: „Die Ausspra- bald nur noch gekürzt abgedruckt werden che“, „Forum“, „Freie Tribüne“, „Briefe an konnten. Hauptthema der Schreiber damals: den Herausgeber“ oder „Demokratisches die Missstände des öffentlichen Lebens. Forum“. Ein erster Höhepunkt der Entwicklung des Leserbriefes zum Massenmedium fiel in die Zeit der Weimarer Republik. Nach dem Vorbild englischer Zeitungen, insbesondere der „Times“, dienten die Leserbriefe als Ventil und Barometer der öffentlichen Meinung. Was für den privaten Brief gilt, ist auch beim Leserbrief zu beobachten: Wenn die Zeiten schlechter werden oder die politischen Verhältnisse wirrer, schreiben die Menschen mehr. Quelle: Wesp, Rosemarie: Sprechsaal, Briefkasten, Leserbrief (privat). 6 Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Funktion des Leserbriefes Der Leserbrief ist dem privaten Brief auf den Adressat von Leserbriefen ist längst nicht ersten Blick sehr ähnlich. Schon die äußere mehr nur die Zeitung. Auch die audiovisuellen Form – meist klassisch mit Anrede und Schluss- Medien werden zunehmend mit Hörer- und formel – suggeriert, dass hier von Mensch zu Zuschauerzuschriften konfrontiert. Sie unter- Mensch geschrieben wird. Desgleichen Inhalt scheiden sich von den Briefen der Zeitungsleser und Stil: In den meisten Leserbriefen werden häufig dadurch, daß sie nicht Lob oder Tadel in ähnlich subjektiver, freier Art wie in Privat- (einer Sendung) enthalten, sondern ein Kom- briefen Gedanken, Gefühle und Anliegen aus- munikationsbedürfnis widerspiegeln, das durch gedrückt. eine Sendung geweckt wurde. Häufig werden Serienhelden unter ihren Rollennamen ange- Und doch ist der Leserbrief alles andere als schrieben und um Rat bei persönlichen Proble- privat. Wer als Leser einen Brief an eine Zei- men gefragt. Offenbar akzeptieren Zuschauer tung oder Zeitschrift schreibt, wendet sich an Figuren, die via Mattscheibe in ihr Leben treten, die Öffentlichkeit. Somit ähnelt der Leserbrief als reale Gesprächspartner. Viele Kommunika- eigentlich mehr einem anderen Vertreter der tionswissenschaftler sehen in den Leserbriefen Gattung, dem Offenen Brief. Eine Mischform daher Belege für umfangreiche Rückkoppe- sind Sorgenbriefe, in denen Leser um Rat lungsprozesse zwischen Sender und Empfänger. und Klärung in persönlichen Angelegenheiten bitten (z. B. in der „Bravo“-Rubrik „Rat & Andere interpretieren den Leserbriefboom der Hilfe vom Dr.-Sommer-Team“). Auch sie vergangenen Jahrzehnte als Resultat der werden – samt Antwortbrief des Redakteurs – Demokratisierung der Gesellschaft. Die Tat- abgedruckt. sache, dass Meinungs- und Pressefreiheit im Grundgesetz gesichert und im Alltag respek- Tatsache ist, dass Leserbriefe, vor über 200 tiert sind, hat demzufolge das Selbstbewusst- Jahren entstanden, in diesem Jahrhundert zur sein der Bürger gestärkt, ihre Meinung öffent- Massenerscheinung geworden sind: Kaum eine lich zu vertreten und kritisch zu diskutieren. Zeitung oder Zeitschrift verzichtet auf eine entsprechende Rubrik. Das Gleiche gilt für die Der Leserbrief hat allerdings auch seine Leser: Alle Lesertypen schreiben Leserbriefe, Schwachpunkte: So gab und gibt es auch in egal, welcher sozialen Schicht sie angehören. Diktaturen und vergleichbar undemokra- Dies mag ein Grund dafür sein, dass Leser- tischen Gesellschaftssystemen Leserbriefe. briefe längst als wichtiger Bestandteil zur Beispiel DDR: Dort wurden die abgedruckten öffentlichen Meinungsbildung gehören. Auf Briefe häufig durch einen Redakteur oder einer Leserbriefseite treffen die verschieden- einen Mitarbeiter der Staatssicherheit zensiert. sten Meinungen aufeinander, regen zum Mehr noch: Ganze Leserbriefkampagnen wur- Nach- und Umdenken an und können so neue den zu bestimmten Themen inszeniert, um die Sichtweisen formen. Mehrfach geäußerte Leser im Sinne der Partei auf Kurs zu bringen. Ansichten werden von Zeitungen teilweise Ein Beispiel ist die Kampagne anlässlich der aufgenommen und als deren eigene ausge- Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Bier- geben, um ihre Leser besser anzusprechen. mann 1976 (siehe Leserbriefkampagne, Seite 8). Quelle: Wesp, Rosemarie: Sprechsaal, Briefkasten, Leserbrief (privat). 7 Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Leserbriefkampagne „Der Fall Biermann“ Der Liedermacher Wolf Biermann, der sich in In ähnlicher Weise wurden auch „gemeinsame vielen Songs kritisch mit dem DDR-Regime aus- Resolutionen“ oder „Stellungnahmen des einandergesetzt hat (sich aber dennoch als Kollektivs“ erzwungen. Diese vermeintlichen Kommunist verstand), wurde im November Stimmen des Volkes sollten die beteiligten 1976 während einer Konzertreise in der Arbeiter auf Linie zwingen und dienten Bundesrepublik aus der DDR ausgebürgert. zugleich der Propaganda: Die zahlreichen Bereits seit 1965, als seine Platte „Drahtharfe“ Leserbriefe sollten die Zustimmung der ge- im Westen erschien, hatte er in der DDR prak- samten DDR-Bevölkerung zur Ausbürgerung tisch unter Berufsverbot gestanden. Begründet Biermanns belegen und sie nachträglich wurde seine Ausbürgerung vom Politbüro der rechtfertigen. DDR unter der Leitung Erich Honeckers damit, dass Biermann sich „mit seinem feindseligen Auftreten den Boden für die Gewährung der Staatsbürgerschaft der DDR entzogen“ habe. Die DDR-Nachrichtenagentur ADN verbreitete am 16. November 1976 ab 16 Uhr den Beschluss: „Die zuständigen Behörden der DDR haben Wolf Biermann, der 1953 aus Hamburg in die DDR übersiedelte, das Recht auf weiteren Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik entzogen.“ Übrigens: Mit dem gleichen Argument kamen die „ND“-„Leserbriefe“ zur Ausbürgerung Wolf Biermanns Jahre nach dem Ende der DDR erneut zum Einsatz. Im sogenannten Havemann-Prozess 1996/97 wurden sie von den Angeklagten als Beweismittel angeführt. Sie wollten damit belegen, dass es im strafrechtlichen Sinne ein übergeordnetes Interesse daran gab, den Biermann-Unterstützer Robert Havemann am 26.11.1976 als Staatsfeind zu verurteilen und unter Hausarrest zu stellen. Der Ausbürgerung folgte die Initiative von zunächst 13 Schriftstellern und Künstlern, die öffentlich Protest einlegten. Das war damals Anmerkung: Die Leserbriefkampagne des etwas ganz Neues für die DDR, zumal die „Neuen Deutschland“ eignet sich hervor- populärsten Persönlichkeiten aus dem kultu- ragend zur Veranschaulichung der Manipu- rellen Leben darunter waren (Manfred Krug, lationsmöglichkeiten der Presse und macht Stephan Hermlin, Christa Wolf, Angelica Dom- damit deutlich, wie wichtig eine unabhängige röse, Stefan Heym, Nina Hagen, Klaus Lenz Presse ist. u. a.). Im Gegenzug wurden Prominente – vermutlich auf persönlichen Wunsch Honeckers – aufgefordert in der Parteizeitung „Neues Deutschland“ (ND) sowie in anderen SED-Blättern „Leserbriefe“ zu schreiben, in denen sie die Ausbürgerung rechtfertigten oder begrüßten. Die Staatssicherheit hat nach heutigen Erkenntnissen entsprechende Wünsche an die Akademien und Verbände weitergereicht, die wiederum ihre Mitglieder – unter Berufung auf die Loyalität zur Partei der Arbeiterklasse – zum Briefschreiben überredet haben. Bei einigen fiel dies offenbar nicht schwer; andere, wie der Bildhauer Fritz Cremer, hatten sich zuvor schon mit Biermann solidarisiert. 8 Leider dürfen wir die entsprechende Seite des „ND“ aus urheberrechtlichen Gründen nicht veröffentlichen. Sie lässt sich aber beim „Neuen Deutschland“ (Neues Deutschland, Druckerei- und Verlags-GmbH, Alt-Stralau 1–2, 10245 Berlin) und in grösseren Bibliotheken besorgen (Seite 3 der Ausgabe vom 22. November 1976). Leserbriefe · Sachinformation | Post + Schule Leserbriefbilanz des Berliner „Tagesspiegels“ Hintergrund – Worüber? Die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ Die Themenverteilung staffelt sich wie folgt: wurde 1945, direkt nach Ende des Zweiten – 40 % Lokales Weltkrieges, gegründet. Von Anfang an – 20 % „Meinung“ (Kommentare) wurden die Leser zum kritischen Dialog auf- – 20 % Politik gefordert. Unter dem Titel „Demokratisches – 10 % Kultur Forum“ wird, nach Themen geordnet, den – 5 % Wirtschaft Leserbriefen montags eine halbe und in jeder – 5 % Sport Sonntagsausgabe eine ganze Seite gewidmet. Sie stehen sonntags bezeichnenderweise auf der letzte Seite des ersten Buches, die an den übrigen Erscheinungstagen als „Meinungsseite“ Kommentare und Meinungsberichte Neben der aktuellen Berichterstattung waren diese Themen im Jahre 2001 Auslöser für kontroverse Diskussionen: – Die Ausstellung „Körperwelten“, die enthält. Alle Leserbriefe werden beantwortet. plastinierte Leichname zeigte (Würde der Der Tagesspiegel hat eine Auflage von rund Toten vs. wissenschaftliches Interesse) 136.000 Stück (Stand 12/2001). – Die BSE-Krise – Die Auseinandersetzung um die deutsche Leserbriefbilanz für das Jahr 2001 Leitkultur – Außergewöhnlich in der Geschichte des – Wie viele? Rund 140 Leserzuschriften erreichen den Tagesspiegel im Schnitt pro Woche – das sind um die 7000 Briefe im Jahr, Tendenz steigend! Jeder fünfte Leserbrief wird Berliner Tagesspiegel war die Resonanz auf den 11. Septemper 2001 (Terroranschlag in New York). In den darauffolgenden drei Wochen erreichten die Redaktion allein 300 Briefe zu diesem Thema. veröffentlicht. – Wer schreibt? Die Aufteilung der Leserbriefschreiber nach Stadtteilen (woraus sich manchmal die Zugehörigkeit zu sozialen Schichten ableiten lässt) entspricht der Zusammensetzung der Stammleserschaft. Das heißt: alle Leser schreiben Leserbriefe. Quelle: Verlag „Der Tagesspiegel“ 9 Leserbriefe · Arbeitsblatt | Post + Schule Arbeitsauftrag zum Thema Leserbrief (allgemein) Material Einige Ausgaben der lokalen Tageszeitung Fragen 1. Was bringt Leser dazu, ihrer Zeitung oder Zeitschrift einen Brief zu schreiben? Hast du selbst schon einmal einen Leserbrief geschrieben? Erzähle! 2. Warum machen sich Zeitungen die Mühe, Leserbriefe abzudrucken und zu beantworten? Welches Interesse haben sie daran, wo doch ein Großteil der Leserpost negative Kritik, manchmal sogar Beschimpfungen, enthält? 3. Werden hauptsächlich positive oder negative Zuschriften abgedruckt oder werden zu jedem Thema mindestens ein Pro- und ein Kontrabrief gegenübergestellt? 4. Glaubst du, dass es Zeitungen gibt, die Leserbriefe „anpassen“? Zum Beispiel so kürzen, dass die Aussage überspitzt wird oder sogar einen anderen Sinn bekommt? Bei welchen Zeitungen, die du kennst, wäre das möglich? 10 Leserbriefe · Arbeitsblatt | Post + Schule Arbeitsauftrag zum Thema Leserbriefanalyse Vorbereitung und Material Anmerkung Benötigt wird eine Leserbriefseite der regio- Der Artikel bzw. das Thema muss nicht vor- nalen Tageszeitung, auf der kontrovers disku- gegeben werden, aber es empfiehlt sich, den tiert wird, sowie die Artikel dieser Zeitung, Schülern mindestens drei geeignete Artikel auf die sich die Leserbriefschreiber beziehen. zu nennen. Ebenso kann es sinnvoll sein, die Lehrer oder Schüler können sich dazu auch an Klasse in Gruppen aufzuteilen, innerhalb derer den zuständigen Redakteur der regionalen jeder zum selben Artikel einen Leserbrief Zeitung wenden. schreiben soll (vgl. Anregungen zur Unter- Alternativ könnte auch eine Leserbriefseite richtsgestaltung). aus einer überregionalen Zeitung oder aus einem Wochenmagazin verwendet werden. Fragen 1. Vergleiche die Leserbriefe miteinander. Welcher Leserbriefschreiber weicht mit seiner Meinung wohl am meisten von der in der Zeitung vertretenen Auffassung ab? Wer stimmt am ehesten überein? 2. Vergleiche die Briefe erneut. Welcher Leserbrief ist sprachlich am schärfsten formuliert? Wie verhält sich die sprachliche Schärfe zur inhaltlichen? 3. Suche dir den Brief aus, dem du am stärksten widersprechen würdest. Liegt deine Kritik am Brief mehr auf der sprachlichen oder mehr auf der inhaltlichen Ebene? 4. Wie sollte ein Leserbrief beschaffen sein, damit er beim Redakteur und beim Zeitungsleser eine möglichst große Wirkung erzielt? 5. Schreibe einen Leserbrief als Reaktion auf einen Zeitungsartikel zum Thema xy (Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit). Achte dabei darauf, wie du Inhalt und Sprache verwendest. Vergleiche hinterher mit den Arbeitsergebnissen deiner Mitschüler! 11 Leserbriefe | Post + Schule Buchtipps Das Thema Leserbrief ist wissenschaftlich bislang nicht umfassend erforscht worden. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach weiterführender Literatur. Böttcher, Johannes: Der Leserbrief in der Presse Deutschlands, Diss. Erlangen, Nürnberg 1961. Bosshart, Louis: Die Leserbriefe – ein ungelöstes FeedbackProblem, in: Publizistik 19/20, 1974–75, Oberkampf, Walter: Die zeitungskundliche Bedeutung der moralischen Wochenschriften, Ihr Wesen und ihre Bedeutung, Diss. Dresden 1934. Osborn, Max: Die Vossische Zeitung seit 1904, in: 50 Jahre Ullstein 1877–1927,Berlin 1977. Tern, Jürgen: Der kritische Zeitungsleser, München 1973. S. 45–52. Wagner, Erich: Nickisch, Reinhard M.G.: Brief, Stuttgart 1991. 12 Die Leserbriefseite, aktiviert und ausgewogen, sozusagen eine demokratische Einrichtung, in: ZV + ZV 43 (1976), S. 1613. Leserbriefe | Post + Schule Adressen und Links verschiedener Tageszeitungen Bild Tagesspiegel Axel-Springer-Straße 65 Askanischer Platz 3 10888 Berlin 10963 Berlin E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.bild.de www.tagesspiegel.de Die Welt taz Axel-Springer-Straße 65 Rudi-Dutschke-Straße 23 10969 Berlin 10923 Berlin E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.welt.de www.taz.de Süddeutsche Zeitung Frankfurter Rundschau Hultschiner Straße 8 Frankenallee 71–81 81677 München 60327 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.sueddeutsche.de www.fr-online.de FAZ Hellerhofstraße 2–4 60327 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] www.faz.de 13 Sekundarstufe 1 + 2 Folgende Materialien ergänzen das Online-Themenheft Lesersbriefe: – Online-Themenheft Liebesbriefe – Online-Themenheft Briefkunst – Themenheft Bewerbung (Stand: Mai 2013) Deutsche Post AG Zentrale Marktkommunikation Marketing BRIEF 53250 Bonn www.postundschule.de Stiftung Lesen Römerwall 40 55131 Mainz www.stiftunglesen.de Stand: November 2013