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LINK: http://www.gq-magazin.de/unterhaltung/gq-frauen/bar-refaeli-das-letzte-model
Bar Refaeli
Das letzte Model
Vom Strandmädchen zur Diva: Bar Refaeli will nicht Everybody’s Darling sein – gerade
deswegen gefällt sie uns sehr
© Stefan Imielski
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Die schönste Bar Israels. Wunder-Bar. Den Bar-Code knacken. Nein, Schluss damit. Alle
Wortspiele sind gemacht. Sparen wir uns diesen Quatsch.
Bar Refaeli ist vor Kurzem 30 geworden, und zum Glück konnten ihr weder die
Namenswitze über die Jahre irgendwas anhaben noch der sonstige Unfug, der durch
Millionen von News-Kanälen ständig in die Welt rausgefeuert wird. Auch wenn nichts
passiert, muss ja wie irre kommuniziert werden – viral, crossmedial, zielgruppengerecht.
Sonst ist man nicht 21. Jahrhundert! An Refaeli, die ihre Schönheit trägt wie eine Rüstung,
prallt alles ab. Kritik genauso wie schwärmerische Huldigungen. Wobei es
nachvollziehbar ist, warum manche bei ihrem Anblick in staunendes Stammeln verfallen
oder in humoristische Verwirrung.
Vergleicht man die Bilder auf diesen Seiten mit dem Cover-Shooting für die mythische
„Swimsuit Issue“ des Magazins „Sports Illustrated“ aus dem Jahr 2009, so fällt auf: Refaeli
ist nicht nur gut gealtert, sie sieht heute schlicht besser aus. Das Nassforsch-Pausbäckige
ist weg. Aus dem Strandmädchen ist eine Frau geworden. Fast eine Diva. Wenn sie jetzt
am Pool posiert, denkt man nicht mehr an Spring Break und Wet-T-Shirt-Contest, sondern
eher an Faye Dunaway – wie sie am Morgen nach dem gewonnenen Oscar 1977 beim
Frühstück im „Beverly Hills Hotel“ in einem Seidenkleid formvollendet im Stuhl hängt.
Refaeli hat, was Schauspielerinnen und Supermodels früher mal hatten: eine Aura. Sie
lächelt nur auf einem Bild ganz leicht, sonst ist in ihren Zügen eine gewisse Härte.
Womöglich gibt es da einen Zusammenhang mit den Anfeindungen, die im Lauf der Zeit
so über sie hereinprasselten: Als sie sich durch eine hastige – und umgehend annullierte –
Eheschließung vor dem Wehrdienst drückte, wurde sie in ihrer Heimat Israel als Verräterin
beschimpft, ein General rief zum Boykott aller von ihr beworbenen Produkte auf; als ein
Riesenplakat mit ihr über der Tel Aviver Stadtautobahn hing, liefen ultraorthodoxe Juden
wegen „Umweltvergiftung“ Sturm; als es kurzzeitig so aussah, als würde sie ihren
langjährigen On-Off-Boyfriend Leonardo DiCaprio heiraten, forderte ein konservativer
Politiker in einem Brandbrief, sie möge sich bitte einen „netten jüdischen Jungen“
suchen. Doch Refaelis Haltung zu alldem war stets: I couldn’t care less.
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Und wo wir gerade von Leo sprechen: Oft wurde sie abgetan als eines seiner typischen
Beuteschema-Blondchen, als noch so eine Gisele Bündchen (1,80 Meter), nur etwas
kleiner (1,74 Meter). Seltener war davon die Rede, dass sie, erst, nachdem er ihr
wochenlang jeden Morgen Blumengebinde hat schicken lassen, überhaupt einem
ersten Date zustimmte. Hat Bar Refaeli sich darüber mal beklagt? Nein, es war ihr völlig
wurscht. Leo hat sie längst vergessen, in diesem Monat heiratet sie einen reichen
Früchtehändler, was junge Männer weltweit scharenweise in die Obstbranche treiben
dürfte – aber auch das ist ihr vermutlich piepegal.
Das GQ-Shooting findet an einem heißen Sommertag in einem Luxushotel auf Zypern
statt. Refaeli legt es nicht darauf an, von allen jederzeit gemocht zu werden. Mit ihren
Launen und kleinen kapriziösen Anwandlungen hält sie das GQ- Team und das
Hotelpersonal auf Trab. Vom Haare-/Make-up- Department will sie erst nicht angerührt
werden, um sich dann zu beschweren, dass niemand sie frisiert oder schminkt. Die nimmt
sich ganz schön was raus, könnte man denken – dabei weiß sie nur, was ihr zusteht: alles.
Und noch ein bisschen mehr. Einmal will Refaeli das Zimmer wechseln, weil in ihrer Suite
angeblich Ameisen sind, und als Bedienstete ihr behilflich sein wollen, herrscht sie diese
an, bloß nicht ihre Koffer anzurühren. Rüpelhaftes Verhalten? Eher ein lustig flamboyanter
Auftritt. Die Kunst des stilvollen Sich-daneben-Benehmens ist ja leider ein bisschen in
Vergessenheit geraten. Die legendären Wutausbrüche der Naomi Campbell, das
kettenrauchende Rebellentum von Kate Moss – undenkbar in einer Zeit, in der sich Stars
vor allem als Dienstleister verstehen. Und Angst vor jedem Fehltritt haben, weil Millionen
von News-Kanälen bei jedem Räusperer wie gigantische Verstärker wirken.
© Stefan Imielski
Refaelis Aufstieg verlief noch traditionell analog, sie wurde zur Celebrity, bevor die
sozialen Netzwerke ihre volle Macht entfalteten. Die Models der nachwachsenden
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Generation sind teils durch Facebook und Instagram überhaupt erst bekannt geworden,
sie sind 24/7 für ihre Follower da: Immer hübsch lächeln, bitte ein Like!
Es ist nicht so, dass Bar Refaeli nicht auf Facebook ist, aber sie benutzt es anders. Eher
pragmatisch. „Wenn ich ein Foto aus dem Inneren meines Hauses poste, ist das Foto, das
Paparazzi von mir vor meinem Haus geschossen haben, nicht so interessant. Ich
kontrolliere, was rausgeht.“
Vor Kurzem feierte sie mit ihren besten Freundinnen Junggesellinnenabschied – auf den
Malediven. Türkisblaues Meer, weißer Sand, Poolparty, Schnorcheln – das volle
Programm. Woher wir das wissen? Von ihrem Instagram-Account. Aber die Fotos sahen
gar nicht nach „Like“ aus. Eher nach: „Ätsch!“