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MUSIK
Nachgefragt
WOLFGANG SORGO
„Vielleicht bin ich
ein Walfisch ...“
Der Titel der neuen CD
„Rettet die Wale“ hat
umwelt & bildung neugierig
gemacht.
In den letzten Wochen ist sie
durchs Feuilleton gerauscht, ihre
neue CD hat hervorragende Kritiken bekommen: eine Frau namens
Gustav, die eigentlich Eva Jantschitsch (26) heißt, in Wien lebt und
aus der Steiermark kommt. Das Cover der CD „Rettet die Wale“ besteht
aus einer eigentümlichen Collage:
Ein Walfisch taucht da aus einer enzianumrankten Bergseeidylle auf und
niedliche Schulkinder schauen dem
„strange“ Treiben zu. „Dazu kommen einnehmend gesungene Texte,
die nicht zu knapp mit Botschaften
aufgeladen sind, ohne sich damit
aber je besserwisserisch wichtig zu
machen.“ (Falter). Von alldem geht
eine eigentümlich hintergründige
Faszination aus, die manchmal eine
fast bedrohlich-monströse Dimension annimmt und streckenweise von
hoher Intensität ist.
„Rettet die Wale
und stürzt das System
und trennt euren Müll
denn viel Müll ist nicht schön.“
Gar nicht monströs ist die
auch als „bessere Björk“ hochge-
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umwelt & bildung 4/2004
die Ware Landschaft, denn die wird
in Österreich signifikant vermarktet. Durch eine ähnliche Montage
hat man übrigens auch ein Österreich-Bild neu zusammengesetzt,
das eigentlich gar nicht real ist.
umwelt & bildung: Wie ist das mit
Ihrer Musik?
Jantschitsch: Um eine Dechiffrierung geht es mir letztendlich auch
in meinen Texten und in meiner
Musik.
umwelt & bildung: Ihre Texte haben zumeist etwas Naives und
vordergründig keine klare Botschaft.
Jantschitsch: Ich will nicht in diese
Betroffenheitslyrik schlittern. Das
wäre für mich ein hilfloser Zustand
als Schreiberin. Es ist leichter die
Strukturen zu besingen und den
Raster, der über den besungenen
Zuständen liegt, damit aufzulösen.
lobte Eva Jantschitsch, fast zerbrechlich wirkt sie auf den ersten
Blick. Im Gespräch entpuppt sie
sich dann als außergewöhnliche
Person: ein seltenes Exemplar
Mensch, in dem sich künstlerische
Kompetenz, hohe Kreativität und
eine für ihr Alter erstaunlich realistische (Selbst)Wahrnehmung mit
persönlicher Uneitelkeit mischt.
Und Gustav? Ihr Vater nannte sie
eine Zeit lang so. Er hatte sich eigentlich einen Sohn gewünscht.
umwelt & bildung: Auf dem CDCover ist schrecklich viel Natur zu
sehen. Haben Sie ein spezielles
Naheverhältnis zu Natur?
Jantschitsch: Nein, ich gehe nie
von der richtigen Natur aus, weil
die Natur als solche kenne ich
nicht. Ich bin in diesem Sinne kein
naturverbundener Mensch, alles,
womit ich mich beschäftige, ist der
mediale Transport eines Bildes von
Natur.
Da interessiert mich beispielsweise mehr das Verhältnis Landschaft-Konsum oder besser gesagt
umwelt & bildung: Ist „rettet die
Wale“ von Ihnen zynisch gemeint?
Jantschitsch: Nein, zynisch bin ich
sicherlich nicht. Die Forderung
klingt heutzutage schon ein wenig
abgestanden. Für mich ist die Verwendung dieser Botschaft eher
Ausdruck für eine naive Hoffnung
auf eine bessere Zukunft. Wenn
ich „Rettet die Wale“ singe, dann
impliziert das die Sehnsucht nach
einem mächtigen unerklärlichen,
einfachen Ding, das nicht besprochen werden muss oder sogleich
als Ware verwertet werden kann.
umwelt & bildung: Wir danken für
das Gespräch.
Zum Weiterhören/
-lesen/-surfen:
Gustav: Rettet die Wale
CD, Mosz/Trost Ö 2004
Falter Nr. 47/04, S. 69
www.gustav.Orf.at
//fm4.orf.at/connected/186349