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495 Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Niedersachsen Stefan KRAMPE1, Stefan TRUPAT2 und Joachim WAHLE3 1 TraffiCon GmbH, Salzburg · [email protected] SSP Consult, Beratende Ingenieure GmbH, Stuttgart 3 TraffGo Road GmbH, Krefeld 2 Dieser Beitrag wurde durch das Programmkomitee als „reviewed paper“ angenommen. Zusammenfassung Neue Technologien auf Basis anonymisierter Floating Car Daten (FCD) ermöglichen es, die Erkenntnisse zur Verkehrslage zu verdichten sowie diese stabiler zu beschreiben. Ob sich Verkehrslage und Verkehrsinformationen in Niedersachsen durch Bündelung von Verkehrsdaten verschiedener Quellen verbessern lassen, ist zentraler Untersuchungsgegenstand eines Pilotprojektes des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und dem ADAC e. V. Der vorliegende Beitrag fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen, die von einer Arbeitsgemeinschaft der SSP Consult Beratende Ingenieure GmbH und TraffiCon GmbH mit dem Unterauftragnehmer TraffGo Road GmbH durchgeführt wurde. Grundlage sind archivierte FCD des ADAC im Vergleich mit Daten aus ortsfesten Messquerschnitten der Verkehrsbeeinflussungsanlage A 2 sowie Daten aus von den Gutachtern durchgeführten Messfahrten. Im ersten Teil des vorliegenden Beitrags werden Literaturund Internetquellen in Kombination mit Expertenbefragungen vorgestellt, um den aktuellen Wissensstand zur Datenerfassung mithilfe der FC-Technik projektbezogen auszuwerten (z. B. Anforderungen an Datengüte und Qualität, Kriterien für die Bewertung der FCD). Der zweite Teil der Untersuchung beinhaltet Vorbereitung, Durchführung und Evaluierung eines Pilotprojektes mit Schwerpunkt auf der A 2 in Niedersachsen. 1 Einführung Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat in einem Pilotversuch in Kooperation mit dem ADAC e. V. eine Untersuchung durchgeführt, bei der geprüft wurde, ob sich Aussagen über die Verkehrslage und Verkehrsinformationen in Niedersachsen durch Bündelung von Daten aus unterschiedlichen Quellen verbessern lassen. Grundlage sind historische (monatlich archivierte) Floating-Car-Daten des ADAC im Vergleich mit Daten aus ortsfesten Messquerschnitten der Verkehrsbeeinflussungsanlage auf der A 2 sowie Daten aus speziellen, von den Gutachtern durchgeführten Messfahrten. Im ersten Teil der Untersuchung werden Literatur- und Internetquellen in Kombination mit Expertenbefragungen ausgewertet, um den aktuellen Forschungs- und Wissensstand zur Strobl, J., Blaschke, T., Griesebner, G. & Zagel, B. (Hrsg.) (2014): Angewandte Geoinformatik 2014. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-543-0. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/). 496 S. Krampe, S. Trupat und J. Wahle Datenerfassung mithilfe der FC-Technik zu beschreiben sowie projektbezogen auszuwerten. Der zweite Teil der Untersuchung befasst sich mit der Vorbereitung, Durchführung und Evaluierung des Pilotprojektes. Analysiert werden insbesondere Qualität, Verfügbarkeit sowie Nutzbarkeit der FCD. Der vorliegende Beitrag fasst die Kernergebnisse zusammen und identifiziert künftige Anwendungsmöglichkeiten für den Einsatz von FCD in Niedersachsen. 2 Ergebnisse einer Expertenbefragung zum Einsatz von FCD Zur Erweiterung der Erkenntnisse aus den Literatur- und Quellenanalysen wurden mit 14 Fachexperten der Straßenbauverwaltungen der Länder, Kommunen, Forschungseinrichtungen und kommerziellen FC-Daten-Anbietern in Deutschland und Österreich Interviews geführt1. 2.1 Ergebnisse aus Sicht der Öffentlichen Hand Aus Sicht der Öffentlichen Hand sind FC-Daten auf Autobahnen für Reisezeitberechnungen wegen der weitest gehenden Unabhängigkeit von lokalen Einflüssen (z. B. Baustellen) eine sinnvolle Ergänzung gegenüber der Detektion mit lokalen Messeinrichtungen und statischen bzw. dynamischen Verkehrsmodellen. Bei FC-Daten privater Anbieter ist die Datenqualität derzeit nicht ausreichend transparent. Bluetooth-Detektion stufen die meisten Befragten als eine kostengünstige Ergänzung der Reisezeitmessungen ein. Dies gilt insbesondere für die Befragten mit Erfahrungen in der aktiven Anwendung dieser Technologie. Haupterkenntnis aus der Befragung ist der Wunsch nach einem unabhängigen „Prüfsiegel“, mit welchem die Qualität der FC-Daten verschiedener Quellen bewertet werden kann. Bei Ausschreibungen durch die Öffentliche Hand zu FC-Daten ist die zu liefernde Qualität festzuschreiben und durch den Anbieter in geeigneter Form nachzuweisen. Die Verwendung von ADAC-FCD bietet nach Ansicht aller Befragten eine Alternative und Ergänzung zu kommerziellen Anbietern wie TomTom und INRIX, da hier auf anonymisierte Rohdaten (gehashte IDs für definierte Streckenabschnitte mit Entfernung von Start- und Zielort) zurückgegriffen werden kann, die eine transparente Qualitätsbewertung der Daten ermöglichen. Beim Erkennen von Störfällen und der Ermittlung der Verkehrslage sind die Anforderungen an Transparenz und Güte der Daten abweichend. Da das Fahrverhalten von Pkw und Lkw unterschiedlich ist und auf Autobahnen einzelne Fahrstreifen unterschiedlich belastet sind (z. B. Lkw-Stau auf rechtem Fahrstreifen), ist nach Ansicht der Befragten nur eine flottenspezifische Differenzierung von FC-Daten (Pkw/Lkw) zielführend. 1 Gesprächspartner: Hessen-Mobil, ivm – integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region Frankfurt RheinMain, Stadt Frankfurt, Zentralstelle für Verkehrsmanagement Bayern, ASFINAG, Austriatech, Bundesland Salzburg/ITS Austria, Technische Universität München, Ministerium des Innern für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz, Ruhr-Pilot Nordrhein-Westfalen, INRIX, TomTom, ADAC Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Niedersachsen 2.2 497 Ergebnisse aus Sicht privater FCD-Anbieter Private Anbieter von FC-Daten haben aus der Befragung heraus generell ein hohes Vertrauen in die eigene Produktqualität. Mittel- bis langfristige Zielstellungen sind die Stärkung der Marktpräsenz sowie eine stärkere Orientierung an den Anforderungen der Kunden. Darüber hinaus wollen die Anbieter Qualität und Umfang der Daten beziehungsweise Informationen zum FC-Datenbestand durch Einbeziehung weiterer Quellen sukzessive steigern. Generell gilt: Die Verfahren zur Datenaufbereitung und Datenfusion entwickeln eine zunehmende Komplexität. Gleichzeitig steigt die Anzahl der verwendeten (teils heterogenen) Datenquellen. Hier zeigt sich immer mehr die Diskrepanz zwischen Schutz des Firmengeheimnisses und Anforderung der Öffentlichen Hand an die Transparenz. Private Kunden fordern im Regelfall Qualitätsnachweise etwa durch Referenzsysteme. Ein möglicher Ausweg liegt in der Definition verbindlicher Qualitätsstandards oder Referenzsysteme auf Endnutzerebene. 2.3 Anwenderunabhängige Erkenntnisse Unabhängig davon bleibt festzuhalten: Vor allem bedingt durch die unterschiedliche Interessenlage von Öffentlicher Hand und privaten Anbietern variieren die Einschätzungen hinsichtlich der Zuständigkeiten für die Ermittlung von Verkehrsinformationen und Verkehrssteuerung sehr stark. Nur durch eine bessere Zusammenarbeit kann eine Optimierung des Gesamtsystems „Verkehrslage/Verkehrsmanagement“ erfolgen. Verbesserungspotenziale bestehen in einer Vereinheitlichung der Ortsreferenzierung bzw. Kartengrundlagen (Geo-Standards), einer weiteren Erhöhung der Durchdringungsraten sowie der Optimierung von Referenzierungsverfahren. Bei Letzteren reicht es künftig nicht mehr aus, Daten lediglich auf den TMC-Abschnitten zu beziehen. Gerade im nachgeordneten Netz sind hier keine ausreichenden Netzabdeckungen gegeben. Außerdem steigen die Anforderungen an eine sehr genaue Lokalisierung der generierten Daten/Informationen. Hinsichtlich der Prüfung der Plausibilität der FC-Daten sind die Ansätze bei privaten Anbietern und Öffentlicher Hand ähnlich. Damit ist auch eine Grundlage für Qualitätsanalysen und ggf. spätere Zertifizierungsprozesse gegeben, um beurteilen zu können, inwieweit sich die Daten für die Verkehrslageermittlung oder Steuerung/Verkehrsmanagement nutzen lassen. Als künftiger Meldungsstandard wird TPEG wegen der größeren Flexibilität und der besseren Möglichkeiten, zusätzliche Informationen, etwa zu den Ursachen einer Störung bzw. konkreten Umleitungsstrecken, weiterzugeben, angesehen. 2.4 Fazit für den Pilotversuch in Niedersachen Die Ergebnisse aus den Literatur- und Quellenanalysen sowie Expertenbefragungen zeigen insbesondere die Notwendigkeit einer abgesicherten Validierung der FC-Daten mittels qualitativer Kennwerte. Die nachweisliche Sicherstellung einer ausreichenden Datengüte würde die Anwendbarkeit für die Öffentliche Hand sichern. Dabei ist die Bestimmung von fahrzeugklassenbezogenen (Pkw und Lkw), tageszeitabhängigen (Spitzenzeiten und verkehrsärmere Zeiten) und segmentspezifischen (unterschiedliche Situation in benachbarten Abschnitten bzw. auch auf stärker oder weniger stark belasteten Streckenabschnitten) 498 S. Krampe, S. Trupat und J. Wahle Detektionshäufigkeiten sind besonders wichtig. Nur so lässt sich im Anschluss unter Betrachtung aller erhobenen FC-Kennwerte eine Defizitanalyse der Verkehrsdatenquantität und -qualität durchführen. Hierfür besonders geeignet sind. 3 Vergleiche mit anderen (lokalen oder streckenbezogenen) Datenquellen; die Ermittlung sogenannter „Level-of-Services (LOS)“ auf verschiedene Weise (insbesondere HCM (HBS oder MARZ im Vergleich zu einem FCD-LOS); der Abgleich mit RDS-TMC-Meldungen zum Vergleich der Qualität der Lokalisierungsinformationen; die Einbringung eines FCD-Bewertungskennwertes unter Berücksichtigung der Varianz und Häufigkeit der Daten sowie die Berücksichtigung von Latenzzeiten. FCD-Pilotversuch Niedersachsen Der zweite Teil der Untersuchung befasst sich mit der konkreten Vorbereitung, Durchführung und Evaluierung des Pilotprojektes zur Einbindung von ADAC-FCD. Analysiert werden insbesondere Qualität, Verfügbarkeit sowie Nutzbarkeit der Flottendaten des ADAC. Der ADAC hat dazu alle FC-Daten für das Jahr 2012 und ausgewählte Landkreise in Niedersachsen zur Verfügung gestellt. Im Wesentlichen wurden dabei die Autobahnen A2, A7, A39, A352, A391 mit einer Gesamtnetzlänge von 423 km untersucht. 3.1 Datenanalyse/Methodik Wesentliches Ziel der Untersuchung ist es, die verfügbaren FC-Daten hinsichtlich einer Beurteilung der Datengüte und der Verwendbarkeit zur möglichst flächendeckenden Verkehrslage und Verkehrssteuerung zu validieren. Ausgangsbasis sind folgende zur Verfügung stehenden Daten: FC-Daten des ADAC mit gehashten IDs, Verkehrslage des ADAC (segmentbezogene Geschwindigkeiten und LOS), Verkehrsdaten der auf der A 2 vorhandenen ortsfesten Datenerfassung, RDS-TMC-Meldungen sowie zusätzliche im Rahmen des Pilotversuches durchgeführte GPS-basierte Streckenbefahrungen (mit Erstellung von Geschwindigkeitsprofilen) als unabhängige räumlichzeitlich sehr genaue Vergleichsgröße). Dabei wurde nach Fahrzeugklassen (Pkw und Lkw) sowie deren zeitlicher und räumlicher Verteilung im Straßennetz differenziert. Bestimmen lassen sich dabei sowohl eine punkt(lokale) als auch eine streckenbezogene (momentane) Verkehrslage. Ein entwickeltes MapMatching-Verfahren ermöglichte die streckenbezogene Analyse und die Berechnung verkehrlicher Kennwerte. Die Daten wurden in einer für die Belange des Projektes speziell aufgebauten Datenbank gespeichert. Darauf aufbauend wurde eine Web-Gis-Anwendung entwickelt, die einen Vergleich unterschiedlicher Datenquellen auf einzelnen Streckensegmenten ermöglicht. Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Niedersachsen 499 Im Ergebnis kann ermittelt werden, ob die Daten der Messfahrten mit den Erkenntnissen aus anderen Datenquellen (ADAC-FCD, Detektordaten, Verkehrsmeldungen) übereinstimmen, bzw. welche der Vergleichsdatenquellen (lokale und streckenbezogene Daten) bessere Übereinstimmungen zeigen. Neben allgemeinen statistischen Untersuchungen werden für einzelne Wochentage je 15-Min.-Zeitintervall verkehrliche Kennwerte berechnet. Abb. 1: Übergreifender Auswertprozess Neben einer detaillierten Datenanalyse ist das für die A2 entwickelte webbasierte Auswertetool zur Visualisierung verkehrlicher Kennwerte in Raum und Zeit eine wichtige Grundlage für die Auswertungen. Abb. 2 zeigt dessen Aufbau und Inhalte exemplarisch. Abb. 2: Webbasiertes Auswertetool mit Kartenansicht (1), Navigationsbereich zur Auswahl der Daten (2) und Diagrammen (3) 500 3.2 S. Krampe, S. Trupat und J. Wahle Kennwerte der Evaluierung Im Folgenden ist dargestellt, mit welchen Kenngrößen die Analysen durchgeführt wurden. Kenngrößen zur Bewertung der Qualität der Datenquelle sind Zeitliche und räumliche Abdeckung/Meldungsdichte, Flottenzusammensetzung (Verteilung Pkw/Lkw), Anzahl der Datenpunkte bezogen auf die betrachteten Intervalle und die allgemeine Verkehrsbelastung (Durchdringungsrate)/Anzahl bzw. Häufigkeit nicht belegter Intervalle sowie Abdeckung der Datenpunkte. Kenngrößen zur Bewertung der Identifikation von Störungen sind Vergleich der Reisezeitgeschwindigkeiten und des Staueintrittszeitpunktes aus den FCDaten mit den Referenzdaten aus Messquerschnitten und Befahrungen sowie mit den TMC-Meldungen, getrennte Analyse nach Pkw- und Lkw-Staus anhand fahrstreifenbezogener Datenabgleiche mit den MQ-Daten sowie besondere Betrachtung des teilgebundenen Verkehrs zur Analyse der Auswirkungen des Anteils der Lkw an den FC-Daten (z. B. über die Einbeziehung der VBASchaltungen „80“ und „60“ auf Basis der Verkehrsdetektion der VBA A 2). Kenngrößen zur allgemeinen Bewertung der FC-Daten im Rahmen der Störungserkennung sind 4 Qualität/Zuverlässigkeit der Identifikation von Störungen in Form von Geschwindigkeitseinbrüchen (insgesamt), Vergleich der Erkennung von regelmäßigen und unregelmäßigen Störungen (insbesondere auch von Störungen im teilgebundenen Verkehr), Möglichkeit (auf Basis des Kollektivs) einer zuverlässigen Unterscheidung von „Pkwund Lkw-Staus“, Stauausdehnung und Latenzzeit der Detektion (Zeitversatz der systemseitigen Erkennung von Stauauf- oder Stauabbau gegenüber der realen Zeitpunkte), Bewertung der Qualität der LOS-Ermittlung, Optionen zur Nutzung für die Reisezeitermittlung bzw. die Erkennung von baustellenbedingten Störungen sowie Technische Qualität der Anbindung der FCD. Ergebnisse der Evaluierung (Auszug) Aufgrund der großen Datenmengen und Auswertungen können an dieser Stelle nur ausgewählte Evaluierungsergebnisse wiedergegeben werden. Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Niedersachsen 4.1 501 Flottenspezifische Differenzierung Ein weiteres Kriterium für die Bewertung der Einsatzmöglichkeiten der ADAC-FCD ist die flottenspezifische Zusammensetzung. Abbildung 3 zeigt die detektierten Fahrzeugklassen auf den analysierten Autobahnen. Abb. 3: FCD-Meldungen nach Fahrzeugkategorien gemittelt (links) und an Sonntagen am Beispiel des Monats Februar 2012 (rechts) Es zeigt sich, dass ca. 2/3 aller FC-Daten von Lkw generiert werden. Bei einer stichprobenartigen Analyse einzelner Wochentage der einzelnen Monatsdaten hat sich gezeigt, dass sich an Sonntagen das Verhältnis zwischen der Pkw/Lkw-Detektionsverteilung umkehrt. An Sonntagen sinkt die Anzahl der Meldungen um ca. 50 % gegenüber einem Werktag. An Sonntagen im Februar 2012 sind dabei bei insgesamt geringerem Gesamtdatenaufkommen im Mittel 68 % Pkw-Detektionen erkennbar. „Nur“ 14 % der Fahrzeuge sind Lkw. 4.2 Räumliche Genauigkeit und Erkennung von Störungen Die ADAC-FCD ermöglichen eine räumlich präzise Erkennung von Störfällen. Abb. 4 zeigt dies am Beispiel einer Stauentwicklung im Bereich Hannover-West am 18.08.2012. Aufgetragen sind die FCD-Meldungen mit den zugehörigen Geschwindigkeiten im Zeitraum von 14:00 bis 15:00 Uhr. 502 S. Krampe, S. Trupat und J. Wahle Abb. 4: Räumliche Verortung eines Stauereignisses im Bereich Hannover-West, A 2, FR Westen über alle Einzelfahrten zwischen 14:00 und 15:00 Uhr am 18.08.2012 Geschwindigkeitseinbrüche lassen sich auf Basis der ADAC-FCD im Gegensatz zu rein lokalen Datenquellen bis auf die Größenordnung von ca. 100 Metern lokalisieren, wenn ein Fahrzeug diesen Streckenabschnitt befährt und entsprechende Daten generiert. Für eine Gesamtverkehrslage Niedersachsen können in diesem Zusammenhang die folgenden drei Qualitätsstufen zur räumlichen Genauigkeit der Erkennung von Geschwindigkeitseinbrüchen und deren Referenzierung aus FC-Daten abgeleitet werden: 1. 2. 3. Verortung von Geschwindigkeitseinbrüchen auf Basis von TMC-Locations: mittlere bis geringe Genauigkeit (0,5 km bis 10 km, abhängig von der TMC-LC-Dichte, auf Autobahnen abhängig von Ein- und Ausfahrten). Verortung von Geschwindigkeitseinbrüchen auf Basis von Straßensegmenten (z. B. Navteq-Netzelementen): mittlere Genauigkeit (je nach Ausdehnung des NavteqElements 10 m bis 2 km). Verortung von Geschwindigkeitseinbrüchen auf Basis von Geokoordinaten: sehr hohe Genauigkeit (< 100 m) – momentan aufgrund der hohen Datenmengen mit großem Rechenaufwand verbunden und bei größeren Streckenabschnitten schwierig darzustellen. Aus der Analyse aller verfügbaren Vergleichsdaten lässt sich folgendes Zwischenfazit hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Erkennung von Störungen ziehen: Staus, welche den gesamten Richtungsquerschnitt der BAB betreffen, lassen sich mit den FC-Daten sehr gut sowohl hinsichtlich Ausprägung als auch Dauer (vom Eintritt bis zur Auflösung) abbilden. Durch die Möglichkeiten der kleinräumigen Differenzierung bis auf Navteq-Ebene sind auch räumlich-zeitliche Stauentwicklungen besser darstellbar. Für die Gesamtverkehrssituation nicht repräsentativ ist – insbesondere in den Zeiträumen mit sehr geringen Pkw-Anteilen an den FC-Daten – die Detektion von sogenann- Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Niedersachsen 503 ten „Lkw-Staus“ auf dem rechten Fahrstreifen, wenn in der Mitte und links noch zumindest teilgebundener Verkehr möglich ist. Dies führt zu einer deutlichen Unterschätzung der Geschwindigkeiten bezogen auf den Gesamtverkehr. Hinsichtlich der Ermittlung des LOS gilt: 4.3 Stausituationen mit einer Einstufung in Stufe Z 4 (nach MARZ) bzw. F (nach HCM) werden weitestgehend übereinstimmend aus den Detektorwerten und FCD durch den LOS wiedergeben. Unter freiem Verkehrsfluss wird der FCD-LOS i. d. R. schlechter eingestuft, da durch die geringere Lkw-Geschwindigkeit von 80 km/h eine teilgebundene Verkehrssituation suggeriert wird. Auch bei der LOS-Definition ist deshalb nach Pkw/Lkw zu differenzieren. Verbesserung von Verkehrsmeldungen Auf Basis der durchgeführten Analysen ist die Qualität der TMC-Meldungen sehr unterschiedlich. In kürzeren TMC-Abschnitten sowie bei stärker ausgeprägten Störungen ist eine gute Übereinstimmung zwischen detektierter Störung und TMC-Meldung (sowohl aus FCals auch aus Detektor-Daten) zu erkennen. Es gibt aber Fälle, in denen zeitliche und/oder räumliche Abweichungen zwischen Detektion und Meldung auftreten (vgl. Abb. 5) Abb. 5: Vergleich TMC-Meldung zu detektierter Störung – zeitliche Verschiebung Ein wesentlicher Grund für die erkannten Unschärfen liegt vermutlich darin, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Meldung und Störung besteht. Oft sind die betreffenden TMC-Segmente zu lang oder die Störungen nicht ausreichend ausgeprägt, um durchgängig eindeutige Zuordnungen und somit eine durchgängig hohe Meldungsqualität zu generieren. 504 5 S. Krampe, S. Trupat und J. Wahle Fazit Allgemeine querschnittsbezogene Stausituationen sind durch die FCD sehr gut erkennbar. Dies konnte auch durch die zusätzlich durchgeführten Befahrungen bestätigt werden. Dagegen kommt es bei „Lkw-Staus“, die auf dem rechten Fahrstreifen beschränkt sind, häufig zu einer Überschätzung ihrer Gesamtauswirkungen auf den Verkehrsfluss bzw. zu einer Unter-schätzung der Reisegeschwindigkeiten auf dem mittleren und linken Fahrstreifen (hoher Pkw-Anteil). Auch teilgebundene Verkehrssituationen lassen sich mit den bisherigen FCD aufgrund des geringen Pkw-Anteils nur bedingt identifizieren. TMC-Meldungen lassen sich durch die Einbindung von FCD ebenfalls verbessern. Vor allem Beginn und Ende von Verkehrsbehinderungen können mit FCD gut festgestellt werden. Darüber hinaus existieren zahlreiche Möglichkeiten zur Onlinenutzung von FCD, die hierfür in die jeweilige Systemlandschaft zu implementieren wären. Auf Grundlage der positiven Untersuchungsergebnisse ist zu empfehlen, die Einbindung von FCD zur Ermittlung der Verkehrslage und Ableitung von TMC-Meldungen weiterzuverfolgen. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen eine entsprechende Dichte von lokalen Messquerschnitten nicht gegeben (bzw. in Kürze nicht zu erwarten) ist bzw. wo absehbar ist. Zur Generierung von Reisezeiten auf Relationen der sogenannten Long Distance Corridors (LDC) bzw. sonstiger überregionaler Wechselwegweisungsmaßnahmen bieten sich aus Sicht der Autoren Online-Implementierungen der FCD an. Durch FCD wird eine Verdichtung der stationären Verkehrsdatenerfassung bewirkt, sodass stabilere Grundlagen zur Ableitung von Schaltempfehlungen erwartet werden können. Bei positivem Verlauf dieser Ansätze empfiehlt sich dann der Einsatz im Rahmen des übergreifenden Verkehrsmanagements sowie als Ersatz von Messstellen, wenn diese im Zuge von Baustellen längerer Dauer über größere Zeiträume ausfallen. Literatur FGSV – FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR STRAßEN- UND VERKEHRSWESEN (2001), Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS). Köln. HCM – HIGHWAY CAPACITY MANUAL (2000), Transportation Research Board National Research Council, Washington D.C. KIM, K., CHIEN, S. & SPASOVIC, L. (2011), Evaluation of Technologies for Free-way Travel Time Estimation: A Case Study of I 287 in New Jersey, Transportation Research Board Annual Meeting, Washington. KRAMPE, S. (2006), Nutzung von Floating Traveller Data (FTD) für mobile Lotsendienste im Verkehr. Dissertation TU Darmstadt, Fachbereich Bauingenieurwesen und Geodäsie, Darmstadt. MARZ – FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR STRAßEN- UND VERKEHRSWESEN, Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit (1991), Merkblatt für Detektoren für den Straßenverkehr, Köln. QUANTIS, http://www.quantis-project.eu/.