Sonographische Diagnostik von metaphysären Wulstbrüchen

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Sonographische Diagnostik von metaphysären Wulstbrüchen
Originalien
Unfallchirurg 2009
DOI 10.1007/s00113-009-1586-1
© Springer Medizin Verlag 2009
Redaktion
W. Mutschler, München
O. Ackermann1 · P. Liedgens2 · K. Eckert2 · E. Chelangattucherry1 · B. Husain3 ·
S. Ruchholtz4
1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Duisburg
2 Abteilung für Kinderchirurgie, Elisabeth-Krankenhaus Essen
3 Klinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Essen
4 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie,
Universitätsklinikum Gießen und Marburg gGmbH, Standort Marburg
Sonographische Diagnostik
von metaphysären
Wulstbrüchen
Eine prospektive Multicenterstudie
Die metaphysäre Unterarmfraktur gehört
zu den häufigsten Brüchen im Wachstumsalter. Die radiologische Diagnostik ist standardisiert. In der Literatur finden sich Hinweise, dass eine rein sonographische Bildgebung eine sichere Diagnose der Fraktur
[6, 22, 24, 29] und eine gute Beurteilung der
Achsabweichung [13] erlaubt.
Die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch ionisierende Strahlung
ist im Vergleich zum Erwachsenen um den
Faktor 10 erhöht [9]. Aufgrund der kumulativen Kanzerogenität der Röntgenstrahlung
und der erhöhten Sensibilität des kindlichen
Gewebes unterliegt die radiologische Diagnostik bei dieser Altersgruppe einer strengen Indikationsstellung [2, 7]; gleichzeitig
steigt die Bildqualität in der Ultraschalltechnik stetig an. Angesichts der Häufigkeit kindlicher Vorderarmverletzungen bietet die Ultraschalldiagnostik hier ein nennenswertes Potenzial zur Kostensenkung,
Optimierung der Abläufe und zur Verbesserung des Strahlenschutzes [12].
Ziel dieser prospektiven Multicenterstudie war es einerseits, die Sicherheit der
Ultraschalldiagnostik im Vergleich zur radiologischen Bildgebung zu untersuchen,
und andererseits herauszufinden, ob eine
Einsetzbarkeit auch von Ärzten ohne spezielle Kenntnisse der Osteosonographie
möglich ist.
Methodik
kopf, Schnittebenen, Achsbestimmung)
und Zielsetzung der Studie, ein spezielles
Ultraschalltraining erfolgte nicht.
Einschlusskriterien waren die Angabe eines adäquaten Traumas (z. B. Sturz,
Stoß, Anprall) sowie Schmerzen des Vorderarmes. Ausschlusskriterien waren offene Verletzungen und Nerven-/Gefäßläsionen sowie makroskopisch sichtbare
Achsabweichungen, die größer als 30° eingeschätzt wurden.
Die kleinen Patienten wurden zunächst
klinisch untersucht. Ziel war es hierbei,
Im Rahmen einer prospektiven Multicenterstudie wurden Patienten von 0–12 Jahren untersucht.
Die Studie wurde an 3 Krankenhäusern (1 Grund- und Regelversorgung,
1 Maximalversorgung, 1 Universitätsklinik) durchgeführt, die jeweils mehr als
800 kindertraumatologische Fälle/Jahr
behandeln; die beteiligten Ärzte erhielten eine theoretische Einführung in Methodik (Ablauf, Dokumentation, Schall-
3
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2
Abb. 1 7 Ultraschalluntersuchung mit
einem 7,5-MHz-LinearSchallkopf in 6 standardisierten Schnitten
1
6
Der Unfallchirurg 2009 | Originalien
Abb. 2 9 Metaphysäre
Wulstfraktur des
Radius
radiologischen Befunde und die vorgeschlagene Therapie verglichen.
Die Therapie und die Nachuntersuchungen erfolgten nach den gängigen
Standards. Bei nachgewiesenen Frakturen mit einer maximalen Achsabweichung <30° erfolgte die Gipsruhigstellung bis zur klinisch indolenten Kallusbildung, bei suspekten Frakturen (deutliche Schmerzen ohne sicheren Frakturnachweis) wurde eine Gipsruhigstellung mit klinischer Kontrolle nach 4 Tagen durchgeführt. Zeigte sich bei der Erstuntersuchung sonographisch und radiologisch keine Fraktur und erschien eine Gipsruhigstellung zur Schmerztherapie nicht notwendig, erfolgte die funktionelle Therapie. Die ambulante Weiterbehandlung nach gesicherter Diagnose
wurde in aller Regel bei einem niedergelassenen Chirurgen fortgeführt.
Die Berechnung der Sensitivität und
Spezifität erfolgte mit der Bayes-Formel.
Ergebnisse
Abb. 3 9 Metaphysäre
Wulstfraktur des
Radius
die vermutete Läsion genau zu lokalisieren; die exakte Technik (Inspektion, Palpation, DMS) wurde dem Untersucher
überlassen.
Danach wurde die Ultraschalluntersuchung mit einem 7,5-MHz-Linear-Schallkopf in 6 standardisierten Schnitten (Radius längs von palmar, radial und dorsal,
Ulna längs von dorsal, ulnar und palmar)
untersucht (. Abb. 1).
Ein Beispiel für eine metaphysäre Wulstfraktur des Radius zeigen . Abb. 2 und 3.
2 | Der Unfallchirurg 2009
Ein Beispiel für eine Aitken-1-Fraktur
des Radius zeigen . Abb. 4 und .
Der Befund, die größte gemessene
Achsabweichung und die Therapie aufgrund dieser Befunde wurden dokumentiert. Danach erfolgte die radiologische Standarddiagnostik (Handgelenk in 2 Ebenen; in Pronation und seitlicher Auflage ohne Schaumstoffstützen
(. Abb. 2, 3, 4, ) und Befundung durch
einen unabhängigen Radiologen. Im Anschluss wurden die sonographischen und
Von 1/07–05/08 wurden 93 Patienten
(44 m/49 w; MW 8,1 Jahre) von 8 verschiedenen Untersuchern (5 Ärzte in
Weiterbildung, 3 Fachärzte) gesehen. Dabei fanden sich 77 Frakturen bei 64 Patienten, davon 48 isolierte Radiuswulstbrüche, 2 Aitken-1-Frakturen des Radius, 13
kombinierte Brüche von Radius und Ulna und 1 isolierte Ulnafraktur. Sonographisch wurden 72 der 77 Frakturen (94%)
erkannt, 1-mal wurde sonographisch eine Aitken-1-Fraktur des Radius vermutet, aber radiologisch nicht bestätigt, einmal wurde sonographisch keine Fraktur
erkannt, in der Beurteilung der Röntgenbilder konnte eine mögliche Fraktur jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die
fragliche Frakturlinie war äußerst diskret.
Die Therapie nach sonographischem und
radiologischem Befund war bei 90 der
93 Patienten (97%) identisch.
Basierend auf der Stichprobe der radiologisch dargestellten Befunde, beträgt
die Sensitivität der Ultraschalluntersuchung bezüglich der Frakturdiagnostik
94%, die Spezifität 99%.
Die folgenden Tabellen geben die Ergebnisse der Achsbestimmung wieder. In
. Tab. 1 wurden die Werte aller Patienten
mit pathologischem Röntgenergebnis zu-
Zusammenfassung · Abstract
grunde gelegt, in . Tab. 2 wurden nur die
Patienten berücksichtigt, die eine röntgenologische Achsabweichung >0° aufwiesen, um den Effekt der Nivellierung durch
die hohe Anzahl von 0°-Abweichungen zu
eliminieren.
Diskussion
Nach Fritz-Niggli [9] ist die Gefährdung
von Kindern und Jugendlichen durch ionisierende Strahlung im Vergleich zum
Erwachsenen um den Faktor 10 erhöht,
daher unterliegt die radiologische Diagnostik bei dieser Altersgruppe einer strengen Indikationsstellung [2, 7].
Gleichzeitig steigt die technische Qualität der sonographischen Bildgebung stetig an. Damit erscheint die Ultraschalldiagnostik des Skeletts als Möglichkeit, Kosten zu senken, die Effizienz der Abläufe
zu optimieren und den Strahlenschutz zu
verbessern[12].
Die Möglichkeit der ultraschallbasierten Skelettdiagnostik wurde in verschiedenen Studien mit wechselnden Ergebnissen untersucht [5, 8, 10, 17, 19, 27, 28, 29].
Dabei findet sich zum überwiegenden Teil
ein heterogenes Untersuchungsgut mit unterschiedlichen Frakturformen und Lokalisationen. Eine Zusammenschau der Publikationen deutet darauf hin, dass beim
Erwachsenen der Einsatz der Sonographie
auf wenige Spezialfälle beschränkt ist [4,
14] und von spezialisierten Untersuchern
angewandt werden sollte [20].
Aufgrund der Besonderheiten des
wachsenden Skeletts ergeben sich bei
Kindern jedoch effektive Möglichkeiten
der Anwendung, so zeigten Riebel und
Nasir [23], Blankstein et al. [3] und Katz
et al. [15] die Einsatzmöglichkeit bei Geburtstraumata des Neugeborenen. Bezüglich der kindlichen Vorderarmfrakturen berichten Rathfelder und Paar [22],
Williamson et al. [29] sowie Sapozhnikov
[24], Mack [18] und Ackermann [1] über
gute Ergebnisse, jedoch ohne statistisch
haltbaren Vergleich mit der Röntgendiagnostik. Durston und Seartzentruber
[6] führten Reposition am Vorderarm
ultraschallgesteuert durch. Trotz des relativ kurzen sichtbaren Skelettabschnitts
scheint eine suffiziente Achsbestimmung
auch an langen Knochen möglich zu sein
[13].
Unfallchirurg 2009 DOI 10.1007/s00113-009-1586-1
© Springer Medizin Verlag 2009
O. Ackermann · P. Liedgens · K. Eckert · E. Chelangattucherry · B. Husain · S. Ruchholtz
Sonographische Diagnostik von metaphysären Wulstbrüchen.
Eine prospektive Multicenterstudie
Zusammenfassung
Fragestellung. Ziel dieser prospektiven,
randomisierten Studie war es, die Sicherheit
der Ultraschalldiagnostik bei metaphysären
Wulstbrüchen kindlicher Vorderarme im Vergleich zur radiologischen Bildgebung zu
untersuchen.
Material und Methoden. Von 1/2007–5/2008
wurden 93 Patienten von 0–12 Jahren mit
Verdacht auf eine Vorderarmfraktur zunächst
sonographisch untersucht. Nach Festlegung
der Diagnose und Therapie erfolgte die
Standardröntgendiagnostik. Im Anschluss
wurden Diagnose, gemessene Achsabweichung und Therapie verglichen.
Ergebnisse. Es fanden sich 77 Frakturen bei
64 Patienten (50 isoliert Radius, 1 isoliert Ulna,
13 kombiniert). Die Sensitivität der Ultraschalldiagnostik dieser Frakturform betrug
bei Ärzten ohne spezielles Training 94%,
die Spezifität 99%. Die gemessene Achsabweichung differierte um durchschnittlich 1,8°
(Radius) bzw. 0,7° (Ulna).
Schlussfolgerungen. Die Ultraschalldiagnostik scheint zur Diagnose des metaphysären Wulstbruches bei Kindern zwischen
0 und 12 Jahren geeignet zu sein, bei
Unsicherheit sollte eine radiologische
Zusatzdiagnostik erfolgen.
Schlüsselwörter
Sonographie · Wulstbruch · Unterarm ·
Kindliche Frakturen
Ultrasound diagnosis of forearm fractures in children.
A prospective multicenter study
Abstract
Background. Metaphyseal forearm fractures
are a common pathology in any emergency
department. The standard diagnostic procedure involves X-rays of the forearm and wrist.
As former studies have shown that these fractures can be visualized using ultrasound, we
compared the accuracy of sonographic and
X-ray diagnostics.
Methods. From January 2007 to May 2008,
a total of 93 patients aged between 0 and 12
years with forearm trauma were initially
examined using a 7.5-Mhz linear transducer.
After diagnosis, axis deviation and treatment
were fixed and standard X-rays were taken.
The results of the two diagnostic procedures
were compared. The examiners were doctors
in training or consultants and underwent no
specific training.
Results. We found 77 fractures in 64 patients
(50 radius, 1 ulna, 13 radius and ulna). The
sensitivity of ultrasound diagnostics was 94%
and the specificity 99% compared with X-ray
diagnosis. Mean axis deviation differences
were 1.8° (radius) and 0.7° (ulna).
Conclusion. Ultrasound seems to be a valuable and safe alternative to X-ray diagnosis.
Patients with inconclusive findings should
undergo X-ray diagnosis.
Keywords
Sonography · Ultrasound · Torus fracture ·
Juvenile fracture
Der Unfallchirurg 2009 | Originalien
führt werden, oft wird das aufgetragene kühle Gel sogar als schmerzlindernd empfunden.
d) Die Achsbestimmung ist durch die
harmonische, nur leicht geschwungene Form der Knochen relativ einfach; im Gegensatz zur Röntgenbeurteilung kann die Epiphysenfuge nur
bedingt zur Achsbestimmung verwendet werden.
e) Die Häufigkeit dieser Pathologie gewährleistet einen dauernden Trainingseffekt für den Untersucher.
Abb. 4 9 Aitken-1Fraktur des Radius
Abb. 5 9 Aitken-1Fraktur des Radius
Ein Ziel dieser Studie war es, die Sicherheit der Ultraschalldiagnostik im
Vergleich zur Röntgendiagnostik zu untersuchen.
Die Gruppe der juvenilen distalen Unterarmbrüche erscheint aus mehreren
Gründen besonders geeignet für die sonographische Diagnostik:
a) Durch den hohen Impedanzunterschied zwischen Knochen und
Weichteilen wird die Knochenoberfläche gut dargestellt, der Frakturverlauf innerhalb der Kortikalices jedoch
nicht. Insbesondere die Wulstbrüche
zeigen auch in der Röntgendiagnostik
oft als einziges Zeichen eine kortikale Aufwulstung, sodass auch radiolo-
4 | Der Unfallchirurg 2009
gisch die Beurteilung der Knochenoberfläche für die Diagnose maßgebend ist (im Gegensatz dazu ist bei
adulten Patienten der Frakturverlauf
auch zwischen der Oberfläche der
Kortikales radiologisch sichtbar und
für die Beurteilung entscheidend).
b) Die Mobilität des Unterarms, die
oberflächennahe Lage der distalen
Unterarmknochen und der dünne
kindliche Weichteilmantel lassen eine nahezu 360°-Darstellung der Knochenoberflächen mit einem Linearschallkopf zu.
c) Die Untersuchung kann bei relativ hoher Primärstabilität der meisten Frakturen schmerzarm durchge-
Die Untersucher unserer Studie waren
Ärzte, die kein spezifisches Training in
der Osteosonographie absolviert hatten.
Die hohe Trefferquote von 94% aller radiologisch sichtbaren Frakturen durch
untrainierte Ärzte zeigt, dass die sonographische Diagnostik dieser Frakturform eine einfache Technik ist, die sich
durch die hohe Verbreitung von Ultraschallgeräten flächendeckend einsetzen
lässt. Die Befunde sind, sofern sie in der
beschriebenen Standardtechnik dokumentiert sind, leicht reproduzierbar. Bei
Bedarf sind die 6 Standardschnitte noch
durch 4 schräge Schnitte von ulnodorsal und ulnovolar (für die ulnare Radiuskante) und von radiodorsal und radiovolar (für die radiale Ulnakante) zu ergänzen, wodurch nahezu der gesamte Umfang der Kortikalis dargestellt werden
kann. Im Rahmen dieser Untersuchung
war dies jedoch in keinem Fall notwendig. Quere Schnittebenen bringen unserer Erfahrung nach keinen Informationsgewinn.
Kahnbein- oder Handwurzelfrakturen
sind bei Kindern eine Rarität; sie können sonographisch nicht dargestellt werden, daher ist die subtile klinische Untersuchung zum Ausschluss dieser Verletzung wichtig. Wenn das Schmerzmaximum über den distalen Unterarmknochen liegt, ist eine Handwurzelverletzung
unwahrscheinlich. Aufgrund der großen
knorpeligen Anteile am Handwurzelskelett entziehen sich diese Verletzungen
meist auch der radiologischen Diagnostik, sodass bei Verdacht ein MRT erfolgen
sollte. Die Kombination einer Unterarmwulstfraktur mit einer Handwurzelverletzung ist in der Literatur bisher nicht beschrieben.
Bei 3 der 4 übersehenen Frakturen handelte es sich um Begleitfrakturen der Ulna bei bereits nachgewiesener Radiusläsion, bei der vierten um eine isolierte Radiusfraktur. Die Therapieempfehlung nach
sonographischer und radiologischer Diagnostik war in 97% der Fälle identisch.
Damit kann die Ultraschalldiagnostik dieser Frakturform als sichere Technik angesehen werden.
Frakturen mit kortikaler Aufwulstung
stellen bezüglich der Diagnostik sowohl
sonographisch als auch radiologisch kein
Problem dar. Lediglich die Frakturen, bei
denen der Wulst fehlt und nur eine diskrete Knickbildung vorliegt, können
schwierig zu diagnostizieren sein. Hier
orientiert sich die konventionelle radiologische Diagnostik an der kortikalen Kontur; diese wird aber auch durch die Ultraschalldiagnostik hervorragend dargestellt.
Das Problem bei der Diagnostik ist hier
unserer Meinung nach nicht in der Bildgebung, sondern in der Interpretation der
Befunde zu suchen, sodass radiologisch
die Fraktur ebenso übersehen werden
kann wie durch die Ultraschalldiagnostik.
Es ist der Erfahrung des Untersuchers zuzurechnen, eine Knickbildung als pathologisch oder noch normal einzustufen.
Übereinstimmend mit der Literatur
[6, 13] zeigen unsere Ergebnisse auch,
dass eine sichere Achsbestimmung möglich ist (. Tab. 1, 2). Die Maxima der Abweichungen von den radiologisch gemessenen Werten lagen bei insgesamt 2 Patienten über 7°, bei allen anderen darunter. Beide Patienten wurden am Anfang
der Studie von einem in der Ultraschalldiagnostik unerfahrenen Untersucher diagnostiziert und sind unserer Meinung
nach als Teil der Lernkurve zu sehen. In
Fällen, wo die Genauigkeit der Achsbestimmung kritisch ist, sehen wir durch
die Darstellung längerer Skelettabschnitte
und der Epiphysenfugen Vorteile bei der
Röntgendiagnostik, im Regelfall ist jedoch
die sonographische Achsbestimmung ausreichend genau.
Die Anforderungen an die Dokumentation der Befunde sind bei der sonographischen Untersuchung insofern höher,
als aus den Printbildern die Schnittebene und die dargestellten Strukturen nicht
eindeutig abzuleiten sind. Während bei
der Röntgendiagnostik eine korrekte Un-
Tab. 1 Differenz der Achsbestimmung zwischen sonographischer und radiologischer
Bildgebung in Grad
Radius Saggitalebene
Radius Frontalebene
Ulna Saggitalebene
Ulna Frontalebene
Durchschnitt
0,6
0,6
0,1
0,1
Minimum
0,0
0,0
0,0
0,0
Maximum
10,0
20,0
5,0
5,0
Standardabweichung
1,9
3,0
0,6
0,6
Alle pathologischen Befunde (n=77)
Tab. 2 Differenz der Achsbestimmung zwischen sonographischer und radiologischer
Bildgebung in Grad
Radius Saggitalebene
Radius Frontalebene
Ulna Saggitalebene
Ulna Frontalebene
Durchschnitt
1,6
1,6
0,2
0,2
Minimum
2,0
2,0
2,0
2,0
Maximum
10,0
20,0
5,0
5,0
Standardabweichung
2,8
4,8
1,0
1,0
Pathologische Befunde mit Abweichung >0° (n=27)
tersuchungstechnik an dem vorhandenen
Bild bestätigt werden kann, ist dies bei Sonographiebildern nicht auf einfache Art
möglich. Als Lösung ist hier eine Videoarchivierung der Ultraschalluntersuchung
denkbar, die den gesamten dynamischen
Untersuchungsgang abbildet. Diese Option bieten fast alle der neueren Sonographiegeräte. Obwohl hierzu gezielte Studien fehlen, wird es unserer Meinung nach
damit möglich sein, sowohl die korrekte
Lokalisation als auch die korrekte Darstellung der Knochen zu überprüfen. Hierzu
müssen Qualitätskriterien, wie z. B. die
Darstellung bestimmter Landmarken definiert werden, ähnlich wie es bei der sonographischen Untersuchung der Säuglingshüfte nach Graf flächendeckend
praktiziert wird.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass bei Unsicherheiten bezüglich des
sonographischen Befundes immer noch
die Möglichkeit radiologischer Zusatzdiagnostik bleibt. In diesem Fall bleibt der
Mehraufwand durch die gescheiterte Erstdiagnostik minimal und kostenneutral,
und die Belastung der kleinen Patienten
ist nicht höher als bei der heute praktizierten Standarddiagnostik.
Auch wenn bei der Traumaradiologie
des Handgelenks keine deterministischen,
sondern nur stochastische Strahlenschäden zu erwarten sind [25], so erhöhen diese Untersuchungen doch die Lebenszeitdosis und fallen in einen für ioniserende
Strahlen vulnerablen Lebensabschnitt [9,
25]. Da nach [16] die distale Unterarmfraktur die häufigste Fraktur des Wachstumsalters ist, lässt sich hier mit der Ultraschalluntersuchung eine erhebliche Einsparung an Strahlenbelastung erzielen.
Eine Ausweitung der sonographischen
Diagnostik auf andere Skelettabschnitte
scheint möglich zu sein [3, 4, 5, 7, 12, 13,
14, 17, 20, 27], jedoch fehlen hierzu kontrollierte Studien. Zur Verdeutlichung der
Problematik seien hier 2 Beispiele genannt: Die Clavicula als subkutan liegender, gut zugänglicher Knochen erscheint
für die Ultraschalldiagnostik geeignet.
Schwierigkeiten bereitet hier aber zum
einen die Untersuchungstechnik, da die
kleinen Patienten sich während der Untersuchung nur wenig bewegen dürfen,
was angesichts der unangenehmen Nähe
zu Hals und Gesicht häufig schwierig ist.
Zum anderen macht es die stark gebogene
Form des Knochens schwer, einen Versatz
oder eine Mehrfragmentsituation zu beurteilen. Als 2. Beispiel ist die proximale
Tibiafraktur zu nennen, die zwar gut zugänglich und an einer gut zu untersuchenden Stelle liegt. Hier kann jedoch die Darstellung eines wenig dislozierten Frakturspaltes schwierig sein, da meist kein kortikaler Wulst vorliegt. Auch ist die Achsbeurteilung (die bei der Behandlung dieser Frakturform essenziell ist) über die
lange Strecke der Tibia äußerst schwierig.
Weitere Studien zur Ultraschalldiagnostik weiterer Skelettabschnitte erscheinen
notwendig.
Der Unfallchirurg 2009 | Originalien
Unter ökonomischen Gesichtspunkten
sieht Grechenig [12] bei der Ultraschalldiagnostik Vorteile. Auch in systematischen
Kostenanalysen [11, 21] trägt die Sonographie nicht zu erhöhten Kosten bei. Dieser Auffassung schließen wir uns an, soweit ein geeignetes Gerät bereits zur Verfügung steht.
Aufgrund der im Vergleich einfachen
Untersuchungstechnik ist nach einer
gründlichen Einarbeitung auch eine Anwendung durch Röntgenassistenten denkbar. Da die Sonographie selbst eine dynamische und untersucherabhängige Methode ist, sind dann jedoch strengste Anforderungen an die Standardisierung des
Untersuchungsganges und an die Dokumentation der Befunde zu stellen, um eine
sichere Diagnostik zu ermöglichen.
Wenn sich die guten Ergebnisse in weiteren Untersuchungen bestätigen, halten
wir als Vorschlag zur Diagnostik den folgenden Ablauf für sinnvoll:
1.Anamnese und klinische Untersuchung, bei adäquatem Trauma und
Schmerzen weiteres Vorgehen wie
folgt:
2.bei grober Dislokation >30°, offenen
Frakturen, Gefäß-/Nervenbeteiligung
oder Verdacht auf eine Handwurzelläsion: Röntgendiagnostik,
3.sonst bei Verdacht auf eine Fraktur
des Radius und/oder der Ulna sonographischer Untersuchungsgang in
6 Schnitten,
4.bei sonographischem Frakturnachweis: Achsbestimmung und Entscheidung Gips/Reposition; keine Röntgendiagnostik,
5.sonographisch keine Fraktur nachgewiesen: bei starken Schmerzen Gipsruhigstellung und klinische Kontrolle;
bei anhaltenden Schmerzen Röntgenkontrolle,
6.bei mäßigen oder leichten Schmerzen
ohne Frakturnachweis funktionelle
Behandlung und klinische Kontrolle.
Korrespondenzadresse
Dr. O. Ackermann
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie,
Klinikum Duisburg
Zu den Rehwiesen 9, 47055 Duisburg
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
| Der Unfallchirurg 2009
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