Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel

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Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel
Masterthesis, schriftlicher Teil
Hochschule Luzern Design & Kunst
Major Product and Design Management 2012 / 2013
Erika Fankhauser Schürch
Betreuung schriftlicher Teil:
Dagmar Steffen, Dr. Axel Vogelsang
Luzern, Januar 2013
Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel
Von der Patina über Zerfall und Zerstörung zur Schönheit des Unregelmässigen
Abstract
Die vorliegende Arbeit thematisiert, wie Gestalter aus den Bereichen Design und Kunst auf
die Thematik der Vergänglichkeit reagieren und wo die Vergänglichkeit bewusst als
Gestaltungsmittel eingesetzt wird. Dazu wird die Vergänglichkeit mit Blick auf den Bereich
Gestaltung kurz historisch beleuchtet. Anschliessend werden anhand von Beobachtungen
Objekte und Projekte vor allem aus dem Design und einige Kunstprojekte beschrieben und
miteinander in Beziehung gesetzt. In einem zweiten Schritt wird versucht, daraus einen
Katalog der Ausdrucksformen herzuleiten. Dieser soll in der Folge der Entwicklung der
eigenen praktisch gestalterischen Arbeit dienen.
2
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Ausgangslage
Motivation
Fragestellung, Hypothese, Ziel
3
4
5
6
1 Verschiedene Positionen zu Vergänglichkeit in der Gesellschaft
Verschiedene Formen alltäglicher, vergänglicher Objekte
7
Der Lauf der Dinge oder - moribund (lat.) - dem Tode geweiht
8
Gegenwartsform der Vergänglichkeit - Ruinen
9
Die Magie der Dinge – Vergänglichkeit im Stillleben
12
Die Obertöne des Unvollkommenen: Japan, Wabi-Sabi und Vergänglichkeit 14
Raum und Zeit im Zusammenhang mit Vergänglichkeit
16
Zwei Tendenzen in unserer Gesellschaft
17
2 Fünf Positionen von Designtheoretikern und Designern zum Thema
Von den veredelnden Spuren des Nutzens oder Patina des Gebrauchs
Spuren des Gebrauchs, 1995
Altes oder Neues, 1997
On Wearing. A Critical Framework for Valuing Design’s Already Made
Rediscovering Value: The Second Lives of Secoandhand Goods, 2012
Zusammenfassung zu Kapitel 2
19
20
22
23
25
26
3 Vergänglichkeit in Design und Kunst: ein Katalog der Ausdrucksformen
Über das Verhältnis von Kunst und Design
27
Ausdrucksformen der materiellen Vergänglichkeit
29
Vergänglichkeit und Zerfall als ..... Versuch einer Ordnung der Erkenntnisse 45
4 Transfer
Beurteilung der Hypothese
Schlüsse für meine weitere Arbeit
Mögliche Übertragung relevanter Erkenntnisse auf die praktische Thesis
Zusammenfassung
Reflexion
Schlusswort
46
47
49
52
53
55
Anhang
Bibliografie
Bildnachweis
Eidesstattliche Erklärung
56
60
64
3
Einführung
Ausgangslage
In unserer Gesellschaft werden Vergänglichkeit, Zerfall und letztlich der Tod immer mehr
ausgeblendet. Prozesse der Veränderung, der Auflösung und des Alterns werden verdrängt
und geschehen doch ständig. In der Natur ist der Wechsel von Werden und Vergehen
unabdingbar. Die Welt ist in stetiger Veränderung begriffen. In unserer Wahrnehmung
verändert sich alles immer schneller. Der Jugend- und Schönheitswahn ist längst Alltag.
Schönheitsoperationen sind rund um den Globus selbstverständlich. Hochglanzmagazine
und Werbung suggerieren Bilder des perfekten Körpers, der perfekten Familie, der perfekten
Wohnung. Entsprechend diesen Bildern ist der Wunsch nach makellosen Alltags- und
Luxusgegenständen gross. Die Objekte des alltäglichen Gebrauchs werden meist
weggeworfen statt repariert; digitale Hilfsmittel, wenn nicht mehr up to date, durch das
neuste Modell ersetzt.
Als Gegenbewegung dazu ist zu beobachten, wie viele Menschen bewusst alte, von
Gebrauchsspuren beseelte Dinge, zusammensuchen und sich ihr Lebensumfeld damit
einrichten. Dies geschieht oft mit nostalgischen Gefühlen. Auf Flohmärkten kosten
unterdessen die Stücke mehr als bei IKEA, und neue, auf alt gemachte Möbel sind im Trend.
Wohnräume werden im Shabby Chic eingerichtet, Kataloge voller alt gemachter
Wohnaccessoires tauchen auf. Eine sehr oberflächliche Nostalgie greift um sich. Zudem gibt
es eine Fülle an Recyclingprodukten.
4
Motivation
Als Keramikerin arbeite ich mit einem Material, das normalerweise nicht zerfällt, sich nicht
kompostieren lässt, nicht verrottet. Keramik gilt als archäologisches Leitfossil im Gegensatz
zu Holz, Papier, Textilien, Metallen, welche sich alle mehr oder weniger rasch zersetzen.
Der Gegensatz zwischen der Thematik der Vergänglichkeit und dem an sich nicht
zerstörbaren Material ruft Reibung hervor. Je dünner ich das Material verarbeite, desto
bewusster wird man seiner Fragilität. Und doch lässt es sich nicht mehr auflösen. Wenn
eine Tasse nur noch aus Scherben besteht, lassen sich diese weder in ihre ursprüngliche
Materialität noch in eine neue Materialität transformieren. Damit sich die Bestandteile von
gebranntem Porzellan, Feldspat, Quarz und Kaolin wieder trennen, bräuchte es eine
Kernschmelze wie bei einem Reaktorunfall in einem Atomkraftwerk, oder die Hitze des
Erdinnern, die Magma.
1
In meiner Masterthesis beschäftige ich mich mit der Vergänglichkeit im Bereich von
Produkt- und Objektdesign und im Bereich der Plastik und Skulptur. Mich interessiert,
welchen Einfluss die Vergänglichkeit auf die Gestaltung von Objekten hat. Ich will
herausfinden, welche Ausdrucksformen die Vergänglichkeit im Produkt- und Objektdesign
aufweist. Ich denke da beispielsweise an Patina, an teilweisen oder ganzen Zerfall, an
Nutzen erst durch teilweise oder ganze Zerstörung, an Lebenszyklen eines Produkts. Dabei
interessieren mich besonders Objekte, bei denen die Vergänglichkeit Teil des Konzepts, der
Aussage des Produkts ist, wo Gestalter damit spielen. Schlechte, billige Produkte, die rasch
defekt sind, nur damit der Konsument erneut etwas kaufen muss, die sogenannte geplante
Obsoleszenz, interessieren mich in dem Zusammenhang marginal.
Vergänglichkeit hat verschiedenste Ausdrucksformen: Sie kann in Form von Patina oder
Kratzern bei unterschiedlichsten Materialien nach längerem Gebrauch unwillkürlich
auftreten, sie kann als langsames Zersetzen kaum merklich über Jahrzehnte geschehen, sie
kann von einer Sekunde auf die andere ein Objekt zerstören. Durch Patina entsteht
möglicherweise ein ästhetischer Mehrwert am alternden Objekt, quasi von selbst oder aber
auch von den Designern/Künstlern im Voraus geplant. Mich interessiert die zweite
Möglichkeit besonders, ich will herausfinden, wo Vergänglichkeit bewusst provoziert wird,
um als gewollter Prozess die Funktion des Objekts zu bilden oder zu verstärken.
1 Anlässlich der Einstein-Ausstellung im Historischen Museum in Bern 2005/06 war ein Stapel
Suppenteller aus Steinzeug ausgestellt, welcher nach dem Atombombenabwurf in Hiroshima zum Teil
erst aufgebläht und dann zusammengeschmolzen ist. Dazu mussten Temperaturen von mehr als
1500°C erreicht werden.
5
Fragestellung
Welche Aussagen zum Thema Vergänglichkeit finden sich bei Designtheoretikern? Welche
Bedeutung hat die Vergänglichkeit mit Bezug auf die Gestaltung in der Gesellschaft?
Welche Ausdrucksformen der Vergänglichkeit finden sich in Design und Kunst? Kann das
Bewusstsein der Vergänglichkeit die emotionale Bindung zu einem Objekt stärken und
entsteht durch dieses Bewusstsein eine Wertsteigerung des Objekts? Hat die emotionale
Bindung und die dadurch gesteigerte Emotionalität Einfluss auf das Konsumverhalten
insofern, dass dadurch weniger und nachhaltiger konsumiert wird?
Hypothese
Ein Objekt ohne Makel und Fehler scheint noch leblos. Wenn es hingegen Patina ansetzt,
den Lebenslauf des Zerfalls beschreitet, im Alltag von grossem Nutzen ist, seine Ecken und
Kanten es interessant machen, ... erfährt das Objekt durch den Umstand der Vergänglichkeit
eine vorübergehende Wertsteigerung. Entsprechend intensiviert sich auch die emotionale
Bindung an dieses Objekt.
Ziel
Mit meiner Untersuchung und später mit der praktisch-gestalterischen Arbeit will ich
Menschen zum Nachdenken anregen über die Vergänglichkeit. Ich will sie nicht in
Nostalgie alter Gegenstände und Erinnerungen schwelgen lassen, sondern sie mit ihrem
Umgang mit Dingen und letztlich mit ihrer eigenen Endlichkeit konfrontieren. Dabei will
ich nicht aufdringlich sein, sondern mit einem Augenzwinkern Dinge, Gedanken und
Gewohnheiten auf den Kopf stellen. Vielleicht gelingt es dabei zu bewussterem und
nachhaltigerem Konsum anzuregen.
6
1. Verschiedene Positionen zu Vergänglichkeit in der Gesellschaft
Verschiedene Formen alltäglicher, vergänglicher Objekte
Im Alltag gibt es unzählige vergängliche Dinge. Verbrauchsgüter, die wir erst verwenden
können, wenn ein Teil von ihnen, zum Beispiel die Verpackung, unwiederbringlich zerstört
ist wie ein hart gekochtes Ei, eine Konservendose, eine Bierflasche. Oder Dinge, welche wir
benutzen und dabei zerstören, zum Beispiel Nahrungsmittel, Körperhygieneprodukte.
Weiter gibt es Dinge, die wir einmal brauchen und dann froh sind, sie wegwerfen zu
können: WC-Papier, Wegwerfwindeln, Post-it-Zettel. Weiter gibt es Gebrauchsgüter, die wir
besitzen, aber gar nie brauchen wollen, wie den Airbag im Auto, die Löschdecke, den
Feuerlöscher.
Der Philosoph Roger-Pol Droit beschreibt, wie sich die Teekanne laufend verändert, wie sie
ständig im Werden ist, dank den Spuren der Zeit:
„Sie (die Teekanne) ist (auch) ein Ding mit Gebrauchsspuren, winzigen Ablagerungen,
Patina. Darin verwandt mit der Pfeife, den Tonschüsseln, den unglasierten Fliesen,
den Dingen, denen sich die Zeit als feine, bräunliche Schicht einschreibt. Tatsächlich
gibt es diese Dinge nicht ein für alle Mal, sie sind ständig im Werden. Sie nutzen
nicht ab. Im Gegenteil, sie legen zu, werden reichhaltiger. Im Laufe der Zeit runden
sie sich und verändern ihre Färbung. Nie sind sie vollendet, sondern werden
unaufhörlich zugleich glatter und dichter.“ (Droit 2005: 101)
Bei Gebrauchsobjekten kann sich die Vergänglichkeit in verschiedenen Formen zeigen.
Man spricht von additiven Gebrauchsspuren, wenn das Objekt durch Verschmutzung eine
Patina erhält. Subtraktive Gebrauchsspuren sind der mechanische Abrieb, der Verschleiss,
wenn das Objekt durch Abnutzung eine Patina erhält. Wenn ein Produkt veraltet, weil ein
neues, besseres Produkt auf den Markt kommt oder weil die Zeiten und die Mode sich
verändert, so ist dies soziokultureller Verschleiss. Dies sind Definitionen nach dem Text von
Toshihito / Stotz (1995: 212ff)
Weiter wird die Obsoleszenz genannt, womit die geplante Kurzlebigkeit eines Objekts
gemeint ist. Die geplante Obsoleszenz (technologische, psychische oder ästhetische) trug
und trägt wesentlich zum Wirtschaftswachstum bei und galt lange als Basis für eine positive
Wirtschaftsentwicklung. Aus heutiger Sicht, in der Diskussion um Nachhaltigkeit und
Ressourcenknappheit, ist dies zumindest fragwürdig, wenn nicht gar unhaltbar. Solange die
Gesellschaft den Konsum zur Weltanschauung macht, Kauf und Gebrauch von Gütern zum
Ritual erhebt und die Befriedigung des Ichs im Verbrauch sucht, wird sich daran auch nicht
grundlegend etwas ändern.
7
Der Lauf der Dinge oder - moribund (lat.) - dem Tode geweiht
Im Zusammenhang mit dem Begriff Vergänglichkeit kommen einem Stichworte wie Zeit,
Abnutzung, Zerfall, Krankheit, Sterben, Tod, Verwesen, Lebensende, in den Sinn. Wir
Menschen werden nicht gerne an unsere eigene Vergänglichkeit erinnert. Trotzdem ist es
Tatsache, dass wir alle endlich sind und den eigenen Tod immer in uns tragen. Laut
Burkhard Spinnen ist gar der letzte Schambereich nicht mehr körperliche Nacktheit,
sondern die Vorstellung von Sterblichkeit. Er schreibt:
„Der zeitgenössische westliche Mensch schämt sich der eigenen Sterblichkeit. Ich
sagte es bereits: Wer sich heute öffentlich nackt zeigt, tut es, weil er zeigen will, dass
er mittut, dass er am Leben ist. Also folgt daraus, dass seine Scham jetzt dem Tod
gelten muss, besser der eigenen Sterblichkeit. (...) die Gesellschaft tilgt seit Jahren mit
Inbrunst alle Zeichen der Todespräsenz aus dem öffentlichen wie aus dem privaten
Leben. Sie tut es, weil sie sich aller Zeichen der Sterblichkeit (so) schämt. (...) Wir
meiden und schliessen die Kirchen. Religion, einmal die Lehre von der Sterblichkeit
des Menschen, lassen wir nur noch zu, insoweit sie Eventkultur ist, also nicht
Sterbenszeichen, sondern Lebensbeweise vermittelt. Die Diskussion um eine
<Gesundheitsreform> zeigt schon im Begriff den Grad der Verdrängung. Denn
tatsächlich geht es dabei ganz wesentlich um Krankheit und insbesondere um den
Umgang mit der Krankheit zum Tode, an der jeder, so er nicht früh im Schlafe stirbt,
einmal leiden wird. (...) Schämt sich der westliche Mensch seiner Sterblichkeit oder
seines Unvermögens, sich zu ihr zu bekennen? Beides stimmt. Und zugleich keines.
Vor allem schämt er sich nämlich seiner Hilflosigkeit vor dem Tod. (...) Dafür schämt
sie (die Menschheit) sich zutiefst des Umstands, dass sie in einer Welt der
universellen Machbarkeit ausgerechnet ihrer Sterblichkeit nicht entraten können.
Kein Faltenmittel, kein Lifting, kein Work-out und kein Health-Food wird sie davor
bewahren, alt und krank und moribund zu werden.“ (Spinnen 2012)
Ebenfalls endlich und in dauerndem Zerfall ist die Erde, wenn auch in etwas grösseren
Zeitbegriffen. Gewaltige Verschiebe- und Eruptionsvorgänge haben die Erdmassen und
Gebirge aus dem Erdmantel wachsen lassen. Seit ihrer Erstarrung zu Fels zerfallen sie zu
Steinbrocken, zu Kies und schliesslich zu Sand. Wind und Wetter arbeiten jede Minute an
dieser Zersetzung.
8
Gegenwartsform der Vergangenheit – Ruinen
Schaal spricht im Vorwort zu Ruine-Ruins von Zusammenbruch, Erdbeben, Krieg,
Zerstörung, Scheitern, Bankrott und Krise. Im Wort Ruinen ist ruinös, Ruin, ruinieren,
Ruinengrundstück enthalten. Wesentliche Zeugen der Kulturgeschichte sind ganz oder
teilweise zerfallen: die Pyramiden von Gizeh, die Ruinen auf dem Machu Pichu, in Ankor
Wath, in Pompeji, in Athen die Akropolis, in Rom das Kolosseum und viele andere (vgl.
Schaal 2011: 6). In der Schweiz stehen einzig einige Burg-und Schlossruinen, und spärliche
Industrieruinen. Von den grossen Kriegen des letzten Jahrhunderts verschont, will heissen
nicht zerbombt, kennen wir das Thema der Ruinen als Mahnmal, wie die wiederaufgebaute
Frauenkirche in Dresden oder die Gedächtniskirche in Berlin nur als Touristen und nicht als
verinnerlichte Lebensrealität. Der Begriff der Ruinen wird beinahe ausschliesslich in der
Architektur verwendet und meint die Überreste eines zerfallenen oder zerstörten Gebäudes.
In diesem Zustand ist es für Menschen nicht mehr in der ursprünglichen Funktion nutzbar,
es bietet weder Schutz noch Geborgenheit. Sind hingegen an einem Gebäude schwache
oder stärkere Spuren der Vergänglichkeit in Form von abblätterndem Verputz, undichten
Fenstern, knarrenden Böden sichtbar, so lässt sich bis zu einem gewissen Grad darin noch
leben. Wenn der Zahn der Zeit an einem Objekt nagt, so ist dies der Prozess, welcher die
Vergänglichkeit zeigt und irgendwann zu einer Ruine führt.
Ab
der
Renaissance
und
der
damit
verbundenen Neuentdeckung des Antiken
Rom gehört die Ruine zum normalen
Requisit vieler Landschaftsgemälde und
Gartengestaltungen. (vgl. Schaal 2011: 20).
Etwa ab dem Jahr 1700, und besonders in
der Romantik ab 1800, wurden in ganz
Europa Ruinen als Dekorationsobjekte
Abb. 1, Künstl. Ruine Désert de Retz, Frankreich, 1781
nachgebaut. (Abb. 1)
Wer zur feinen, gehobenen Gesellschaft gehören wollte, musste zu Hause eine künstliche
Ruine im Garten oder Park besitzen. (...) Entweder man errichtete sie aus nachgeahmten
Säulen und Architraven, oder man entschied sich für die mittelalterlich-gotisierende
Variante und baute eine fiktive, weitgehend zerstörte Ritterburg. (vgl. Schaal 2011: 52)
9
Laut Schaal (2011: 8) hat jede Zeit und jede Gesellschaft ihr eigenes, sehr spezifisches
Verhältnis zum Phänomen <Ruine>. Romantische Zeiten interessieren sich mehr dafür als
nüchtern – funktionale. Warum gerade in der Epoche der Romantik diese Liebe zu Ruinen
und die Suche nach Vergangenheit so wichtig war, erklärt Safranski damit, dass die
Romantik eine Gegenbewegung zur Industrialisierung darstellte (vgl. Sfranski, 2007, 370ff).
Das hilft vielleicht zu erklären, warum heute wieder Altes und Antikes einen hohen
Stellenwert hat, sind wir doch mitten im Umbruch von der Industrialisierung zur
Digitalisierung.
Die Faszination, welche Ruinen als Geschichtsträger und nunmehr stumme Zeitzeugen auf
spätere Generationen ausüben, scheint auch heute gross. Die hinterlassenen Spuren lassen
sich immer nur aus dem Blick der noch Lebenden, der existierenden Kulturen lesen und
interpretieren. Dabei entstehen so viele Interpretationen wie es nachfolgende Kulturen gibt.
Georg Simmel beurteilt in seinem Text Die Ruine 1907 „...das ästhetische Gefallen an der
Ruine und damit am Prozeß des Zusammenstürzens der Form als Symptom der
Dekadenz“ wie die Herausgeber schreiben (Rübel/Wagner/Wolff 2005: 246). Simmel
beschreibt den Zerfallsprozess romantisch-verklärend, entsprechend dem Zeitgeist der
Jahrhundertwende:
„Diese einzigartige Balance zwischen der mechanischen, lastenden, dem Druck
passiv widerstehenden Materie und der formenden, aufwärts drängenden
Geistigkeit zerbricht aber in dem Augenblick, in dem das Gebäude verfällt. Denn
dies bedeutet nichts anderes, als daß die bloß natürlichen Kräfte über das
Menschenwerk Herr zu werden beginnen: die Gleichung zwischen Natur und Geist,
die das Bauwerk darstellte, verschiebt sich zugunsten der Natur. Diese
Verschiebung schlägt in eine kosmische Tragik aus, die für unser Empfinden jede
Ruine in den Schatten der Wehmut rückt, denn jetzt erscheint der Verfall als die
Rache der Natur für die Vergewaltigung, die der Geist ihr durch die Formung nach
seinem Bilde angetan hat. (Simmel 1907: 248f)
10
Fast hundert Jahre später: Die Anschläge
vom 11.9.2001 auf das World Trade Center
in New York zeigen Vergänglichkeit und
Verletzlichkeit von Gesellschaft und Kultur
deutlich.
Diese
Ruinen
wurden
rasch
abgetragen und im Herbst 2011 wird das
9/11 Memorial
Museum World Trade Center New
Abb. 2, GroundZero, New York, US
York City eröffnet.
Mindestens gleich beängstigende Ruinen sind die Ruinen von Tschernobyl und von
Fukushima,
der
beiden
grossen
Reaktorunfällen in Atomkraftwerken. Diese
werden im Vergleich zu dem Ground Zero
nicht so schnell weggeräumt und ebenfalls
nicht
gleich
zielstrebig
wird
nach
Schuldigen gesucht.
Abb. 3, Fukushima, Japan
Renovationen und Umbauten bedeutender Museen, wie unter anderem der Alten
Pinakothek in München, dem Neuen Museum in Berlin, der Neuen Staatsgalerie Stuttgart,
haben in Deutschland eine rege Diskussion um den Umgang mit historischen Bauten und
Ruinen ausgelöst. Es wird von einer neuen Ruinenromantik gesprochen.
Zu Beginn der Neunzigerjahre erlebte die Ruine in Deutschland eine Renaissance. Vor
allem im wilden Berlin stürzten sich junge Menschen auf die durch die Deindustrialisierung
nutzlos gewordene Gebäude. (vgl. Schwarz 2009: Absatz 3)
Abb. 4, Öffnung mit scheinbar aus der Garagenwand herausgefallenen Steinquadern
Neue Staatsgalerie Stuttgart, 1984
11
Die Magie der Dinge - Vergänglichkeit in Stillleben
Die Magie der Dinge so lautete der Titel
der Ausstellung zur Stilllebenmalerei im
Kunstmuseum
Basel im
Herbst 2008.
Stillleben oder nature morte (fr.) meint die
Darstellung von dekorativ ange-ordneten
Dingen, wie sie sich schon in altrömischen
Wandmalereien findet. Nebst formalen
Gestaltungsmöglich-keiten
und
rein
malerischen
(wie
der
Problemen
Darstellung der Stofflichkeit von Glas,
Metall,
Fell)
sind
die
sinnbildlichen
Aussagen von zentraler Bedeutung.
Abb. 5, Adriaen Coorte, Gooseberries on a Table,
Ölmalerei auf Holz, 1701
Die Themen der frühesten Stillleben in Öl aus dem Mittelalter bis zu den ganz aktuellen,
digital bearbeiteten Fotografien oder Malereien sind immer wieder ähnlich. Es geht um
Flora und Fauna, Jahreszeiten und Elemente, Esskultur, Alltag und Exotik, Reichtum, Luxus
und Konsum, um Erotik und andere Sinnesfreuden, um Weltordnung - und Vergänglichkeit.
Diese wird oft mit Symbolen wie Totenschädel, Skeletten, zerbrochenen Gläsern, Sanduhr,
verlöschende Kerze, Insekten, teils verwelkten Blumen dargestellt.
Abb. 6, Georg Flegel,
Stillleben mit Kirschen,
1635,
Öl auf Holz, 18,3x24,8
cm, Stuttgart,
Staatsgalerie
12
Die
eigentlichen
Vanitas-Stillleben,
die
Mahnungen an die Vergänglichkeit vor
allem
Irdischen,
an
die
Eitelkeit
und
Nichtigkeit der Dinge, werden in der
mittelalterlichen
Darstellungen
Kunst
wie
in
Frau
figürlichen
mit
Spiegel,
Lebensalter, Tod und Mädchen, Tod und
Liebespaar oder Totentanz personifiziert.
(vgl. Kwiatkowski 1983: 336, 457, 497)
Abb. 7, Abigail O´Brien, Still-life V, Fotografie 1998
Auch das Thema Sillleben erfährt seit
einigen
Jahren
KünstlerInnen
eine
Renaissance.
aus
verschiedensten
Bereichen und Kulturkreisen beschäftigen
sich damit. In der Malerei, in Film und
Fotografie (Chantal Michel, Nadin Maria
Rüfenacht) und in der Installation (Antje
Scharfe siehe Abb. 45, S.40, Katharina
Fritsch), um nur einige Vertreter zu nennen.
Zudem
ist
oft
das
Foto-Styling
Hochglanz-Magazinen
in
oder
Möbelprospekten dem Thema Stillleben
nachempfunden.
Giorgio
Morandi
Die
Malereien
wurden
als
von
Vorlage
unzählige Male verwendet.
Mitte: Abb. 8, Nadin Maria Rüfenacht, Nature Morte
aus der Serie „Heros“, Fotografie 2005
Unten: Abb. 9, David LaChapelle, Early Fall,
Flower, Fotografie 2008
13
Die Obertöne des Unvollkommenen: Japan, Wabi-Sabi und Vergänglichkeit
Im Buddhismus ist die Unbeständigkeit von allem Seienden eine der wesentlichen Lehren.
Gemäß dieser Lehre befindet sich ausnahmslos alles im Fluss der Vergänglichkeit.
„Man kann nicht sagen, daß wir (die Chinesen oder Japaner oder Asiaten?) ganz
allgemein glänzende Dinge ablehnen; doch einem seichten, hellen Glanz ziehen wir
ein vertieftes, umwölktes Schimmern vor. Sei es ein natürlicher Stein oder ein
künstliches geschaffenes Gerät, es geht uns um einen von Trübung gedämpften Glanz,
der unfehlbar mit der Vorstellung einer Alterspatina zusammenhängt. Man hört den
Ausdruck <Alterspatina> oder dergleichen oft, doch um die Wahrheit zu sagen,
handelt es sich um den Glanz, der auf den Schweiss und Schmutz der Hände
zurückzuführen ist. In China gibt es das Wort <Handglanz>, in Japan das Wort
<nare> (Abgegriffensein; Anm. d. Übers.); beide meinen den Glanz, der entsteht,
wenn eine Stelle von Menschenhänden während langer Zeit angefaßt, glattgescheuert
wird und die Ausdünstungen allmählich ins Material eindringen. Es handelt sich also,
anders gesagt, zweifelsohne um den Schweiß und Schmutz der Hände.“ (Tanizaki
Jun’ichiro 1933: 22f)
In Japan galt, und gilt bei wenigen Menschen vielleicht immer noch, die Schönheit des
Unregelmässigen mehr als das Vollkommene. Wahrscheinlich ausgelöst durch die
Buddhistische Kultur und das Klima der Insel, wurde diese Auffassung von Schönheit durch
Theoretiker wie Tanizaki Jun’ichiro, Sõetsu Yanagi und später Jiro Yoshihara noch gefördert.
Yanagi lebte von 1889 bis 1961, hat die japanische Handwerksbewegung begründet, ist
vergleichbar mit John Ruskin und William Morris der Arts-and-Crafts-Bewegung in England.
Er schreibt:
„Warum aber sollte man das Vollkommene zugunsten des Unvollkommenen
verwerfen? Die Antwort lautet: Das Exakte und Perfekte transportiert keine Obertöne,
es lässt keinen Raum für Freiheit; das Perfekte ist unbeweglich und geregelt, kalt und
hart. Wir mit unseren eigenen menschlichen Unvollkommenheiten werden vom
Vollkommenen zurückgestossen, weil alles von Anfang an offen daliegt und nichts
auf das Unendliche verweist. Schönheit braucht Raum um sich, sie muss mit Freiheit
verknüpft sein. Ja man kann sagen; Freiheit ist Schönheit. Die Vorliebe für das
Unregelmässige
ist
ein
Zeichen
für
ein
grundlegendes
Bedürfnis
nach
Freiheit.“ (Yanagi 1972: 59)
Jiro Yoshihara war Mitglied der Gutai-Gruppe, einer japanischen Künstlervereinigung.
Ihnen war das Eigenleben des Materials sehr wichtig. Sie wollten nicht mehr nachahmen,
sondern experimentell tätig sein und das Material befreien von falscher Bedeutsamkeit. Sie
waren Vorläufer der späteren Performance- und Installationskunst im Westen und sie waren
14
fasziniert von der Ästhetik des Ruinösen:
„...jene Schönheit, die es an den Kunstwerken und Architekturen der Vergangenheit
zu entdecken gilt, wenn diese ein verändertes Aussehen im Lauf der Jahrhunderte
durch Schäden der Zeit oder durch Zerstörung bei Katastrophen erhalten haben. Dies
bezeichnet man als die Schönheit des Verfalls. Aber ist es nicht vielleicht jene
Schönheit, welche das Material annimmt, wenn es von der künstlichen Schminke
befreit ist und seine ursprüngliche Eigenschaft zu erkennen gibt?“ (Yoshihara 1956:
262)
Künstler des Abstrakten Expressionismus, Musiker und viele sinnsuchende Amerikaner und
Westeuropäer brachten die Faszination der japanischen Kultur und damit das nicht klar zu
übersetzende Wabi-Sabi in den Westen. Leonard Koren bezieht sich in seinem Buch WabiSabi auf <Das Buch vom Tee> Kakuzo Okakura von 1906. Gleich zu Beginn schreibt er:
„Wabi-Sabi
bezeichnet
unvollständiger
Dinge,
die
die
Schönheit
Schönheit
unvollkommener,
schlichter
vergänglicher
Dinge,
die
und
Schönheit
unkonventioneller Dinge.“ (Koren 1995: 7)
und weiter, Wabi-Sabi sei tiefgründig, mehrdimensional, schwer fassbar – scheinbar das
perfekte Mittel gegen den überall vorherrschenden glatten, zuckersüssen, kollektiven
Schönheitsstil. Er ist der Ansicht, dass Wabi-Sabi mit vielen betont anti-ästhetischen
Strömungen in Verbindung steht. (vgl. Koren 1995: 9). Wabi-Sabi kann als umfassendes
ästhetisches System bezeichnet werden. Es basiert auf metaphysicher Basis (Dinge gehen
entweder ins Nichts über oder entwickeln sich aus dem Nichts), auf geistigen Werten
(beispielsweise der Vorstellung, dass <Grösse> sich in unscheinbaren Details finden lässt)
und moralischen Vorschriften (beispielsweise: befreie dich von allem Unnötigen). Die
Dinge der Wabi-Sabi-Welt werden als einfach, unregelmässig, bescheiden, erdverbunden,
dunstig-trübe, vertraut und mit Hinweis-auf-den-natürlichen Prozess beschrieben. (vgl.
Koren 1995: 40f). Gerade der letzte Punkt, der natürliche Prozess ist im Hinblick auf die
Vergänglichkeit von Bedeutung. So schreibt Koren:
„ Wabi-Sabi-Dinge sind Ausdruck erstarrter Zeit. Sie sind aus Materialien hergestellt,
denen die Einwirkung der Witterung und menschlichen Behandlung deutlich
anzumerken ist. Sie registrieren Sonne, Wind, Regen, Hitze und Kälte, indem sie sich
verfärben, rosten, anlaufen, Flecken bekommen, sich verziehen, einlaufen,
schrumpfen und rissig werden. Ihre Kerben, Kratzer, Druckstellen, Schrammen,
Dellen, Abblätterungen und anderen Formen der Abnutzung sind Zeugnis der
Geschichte
ihrer
Behandlung
und
Misshandlung.
Auch
wenn
Wabi-Sabi-
Gegenstände kurz vor ihrer Entmaterialisierung (oder Materialisierung) stehen mögen
und im Lauf der Zeit äusserst schwach, brüchig oder trocken geworden sind, besitzen
sie immer noch unvermindertes Gewicht und Charakterstärke.“ (Koren 1995: 61)
Das ist eine wunderschöne Beschreibung des Vergänglichkeitsprozesses, aus dem ein tiefer
Respekt gegenüber den Dingen und der Materialität spricht.
15
Raum und Zeit im Zusammenhang mit Vergänglichkeit
Zeit hinterlässt Spuren und Erfahrungen auf und in Objekten, auf und in menschlichen
Körpern. Marietta Schwarz zitiert in ihrem Artikel Spur der Steine den Architekten David
Chipperfield. Er glaube nicht daran, dass eine Reproduktion des Alten uns Geschichte
zurückgibt. Nur ein Gebäude mit seinem Original-Material trägt Geschichte in sich. Steine
transportierten Zeit. Diese physische Qualität zu schätzen wurde zum zentralen Ansatz bei
Chipperfield’s Renovationsarbeiten beim Neuen Museums Berlin. (vgl. Schwarz 2009:
Absatz 1)
Ein Gefühl von Zeitlosigkeit entsteht bei der Betrachtung von Dingen, die Gebrauchspuren
als dazugehörend, in die Oberfläche integriert tragen. Ob die Teekanne nun zehn oder
zwanzig Tage oder Jahre in Gebrauch ist, ist ihr nicht anzusehen, vielleicht scheint das
Metall etwas matter, das Sieb weist leichte Dellen auf. Dass das Glas in Brüche geht, ist
nicht weiter schlimm, lässt es sich doch problemlos ersetzen. Ähnlich langlebig und zeitlos
scheinen die Blumentöpfe zu sein, schon Jahre in Gebrauch, mit Ablagerungen von Erde
und Moos. An den Zeitpunkt, als ich die dicke, bereits zweimal geflickte und unendlich
geliebte irische Strickjacke geschenkt erhielt, erinnere ich mich nur, weil damit ein
einschneidendes Erlebnis verbunden ist. Der Jacke selbst sieht man die Jahre nicht an, da
Material und Verarbeitung nicht modisch, sondern traditionell irisch sind.
Hingegen sind makellose Dinge sehr an die Zeit gebunden. Wahrscheinlich sind sie nur in
dem Augenblick perfekt, wo sie die Produktion verlassen. Die kleinste Kratzspur im Lack
des Autos erzählt, dass seine Zeit des Verfalls angebrochen ist, das Fahrzeug dadurch eine
Wertverminderung erfahren hat und baldmöglichst durch etwas Neues, Makelloses ersetzt
werden muss.
Nicht nur im Bezug auf Objekte, sondern auch auf den menschlichen Körper gibt es eine
regelrechte Industrie, die dazu dient, die Spuren der Zeit zu verwischen. Es wird Zeit
investiert, um Zeit anzuhalten.
Schönheit, Vergänglichkeit und Zeit verknüpft Urosevic in folgendem Zitat:
„Wenn Schönheit vergänglich ist, muß man sich unweigerlich fragen: ab wann? Es
wird uns aber kaum möglich sein, einen Moment auszumachen, in dem die
Schönheit aufhört und die Vergänglichkeit beginnt. Der Übergang scheint fliessend
zu sein und lässt weitgehend offen, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt Schönheit
noch verlängert oder Vergänglichkeit bereits verschönert wird. Doch was geschieht,
wenn am Beginn nichts Ansprechendes oder gar etwas völlig Unansehnliches steht?
Mit anderen Worten, muss man schön gewesen sein, um schön vergehen zu
können?“(Urosevic 2011: 256)
16
Zwei Tendenzen in unserer Gesellschaft:
In unserer westlichen Gesellschaft beobachten wir zwei Tendenzen im Umgang mit
Vergänglichkeit von Dingen.
Einerseits hat in den letzten Jahren eine Ästhetisierung aller Lebensbereiche um sich
gegriffen. Zu allen möglichen Themen gibt es Lifestyle-Guides und Beratungen, worin
Schönheitskult, Jugendwahn, modisches Styling und damit verbunden uneingeschränkter
Konsum angepriesen werden. Hochglanzmagazine zeigen perfekte Wohnwelten und
makellose Oberflächen. Die neuesten Tools und Gadgets aus den Bereichen Technik und
Verkehr werden besprochen und als absolute Must Haves angepriesen. Perfektion und der
Wunsch, das Neueste sofort zu besitzen, sind Selbstverständlichkeiten in dieser Luxuswelt.
Was veraltet, leicht abgenutzt, defekt oder démodé ist, wird sofort ersetzt. Um Fragen der
Nachhaltigkeit und der sozialen Auswirkungen dieses Verhaltens schert sich kaum jemand.
Die Wegwerfmentalität scheint weit verbreitet und akzeptiert zu sein.
Für viele Menschen im Westen scheint es selbstverständlich, Materialien des täglichen
Gebrauchs, wie auch Kleider, Schuhe, Sportgeräte, Geschirr, Wohnaccessoires, Möbel,
rasch zu kaufen und ebenso schnell wieder zu entsorgen, wegzuwerfen. Materialien haben
einen geringen Wert und werden ersetzt, wenn sie defekt oder aus der Mode sind. Bei
Produkten aus dem IT-Bereich ist das auch gar nicht anders möglich, da immer noch keine
Handys und Computer bestehen, bei denen nur eine kleine Komponente ersetzt werden
könnte, damit das Ding wieder auf dem neuesten Stand ist.
Sobald der erste Kratzer auf dem fabrikneuen Auto oder dem Lackledersofa sichtbar ist,
sinkt der Wert des Objekts massiv. Makellosigkeit beschränkt sich auf sehr kurze Zeit.
Andererseits gibt es eine stetig wachsende Gruppe von Menschen, welche alte Dinge mit
Lebens- und Gebrauchsspuren schätzen und dem Charme des Nicht-Perfekten erliegen. Es
kann eine Erleichterung sein, wenn der erste Kratzer auf dem Tisch ist. Ab da lebt der Tisch,
ist authentisch und gehört in den lebendigen Haushalt. Vielleicht ist der erste Kratzer am
neuen Ding so etwas wie der Initationsritus zur Aufnahme in ein bestimmtes Umfeld. Nach
Marietta Schwarz wird das Alte, die Spur, der Riss, und damit verbunden auch die
Vielschichtigkeit der Geschichte als architektonisches und ästhetisches Erlebnis zelebriert.
Dies im Zusammenhang mit der neuen Ökobewegungen oder einfach, weil alte Unikate als
hip gelten.
„ Rapper drehen Musikvideos in verlassenen Fabriken. Models posieren für grosse
Mode-Labels vor ruinösen Gebäuden. Restaurantbesitzer schlagen den Putz von
17
den Wänden, gegessen wird unter rostigen Stahlträgern und Kappendecken. Und
auch in den Wohnräumen ist die Patina längst angekommen. Wer es sich leisten
kann, lebt im italienischen Palazzo mit abgeblätterten Putzschichten oder im
Fabrik-Loft.“ (Schwarz 2009: Absatz 4)
In Kombination mit dem Kult um Hochglanz gibt es auch den Kult um Vintage und um
Antiquitäten. Im Bewusstsein der Ressourcenknappheit oder einfach nur wegen der hippen
Ästhetik, wird repariert, recyclet, neu genutzt und umgenutzt. Die Objekte erhalten mehrere
Lebenszyklen, ihre Patina und ihre Geschichte wird geschätzt. Die Abkehr von der
Perfektion, gepaart mit Neugierde und Offenheit alle mögliche Style und Zeiten miteinander
zu kombinieren und gekoppelt mit einer grossen Sorgfalt im Umgang mit Materialien führen
zu sehr individuellen Wohn- und Lebenswelten. Marietta Schwarz zitiert Thomas Will
(Architekt, Denkmalpfleger Dresden): Das Nebeneinander von Alt und Neu sei auch ein
Zeichen fortgeschrittener Moderne. Das Ruinöse habe es zu Beginn des 21. Jahrhunderts
über die Entdeckung durch die Künstler und die Absorption durch die Popkultur zur
Lifestyle-Ästhetik geschafft. Die Patina sei zum gesellschaftlichen Code, zum Status-Symbol
geworden. Ab heute könne man sich auf dem Bunker ein Penthouse bauen und habe
sozusagen die geschichtlichen Reste als Insignien einer kultivierten Lebensform, so wie man
sich früher ein historische Gebäude mit Giebelchen und Säulen gebaut habe. (vgl. Schwarz
2009: Absatz 4)
18
2. Fünf Positionen von Designtheoretikern / Designern zum Thema
In diesem Kapitel zeige ich fünf Positionen von Designtheoretikern aus den letzten 40
Jahren, welche sich mit Formen der Vergänglichkeit im weiteren Sinn und ihren
Auswirkungen beschäftigt haben.
Von den veredelnden Spuren des Nutzens oder Patina des Gebrauchs, 1973:
Dietels These lautet, dass das gut Gestaltete die Spuren des Nutzens und Brauchens durch
den Menschen und die Spuren der Zeit zu tragen vermag. Das Aussehen des Objekts, das
Gestaltbild, werde dadurch gesteigert und nicht gemindert. (vgl. Dietel 1973:52f). Zudem
fordert er, dass die Gesellschaft ihre Haltung verändert und die Spuren des Nutzens und
Brauchens als legitimen ästhetischen und damit gestalterischen Reiz anerkennt.
In der Diskussion um Zerstörung von Natur und Umwelt als Folge der Massenproduktion
und des Massenkonsums, und damit verbunden dem Einfluss des Designs auf zunehmendes
Wegwerfverhalten in der Gesellschaft, sieht der Designer Clauss Dietel folgende
Entwicklung:
„Die früheren Handwerker hatten mit der Gebrauchspatina als ausdrucksteigerndes
Element gerechnet. Bauen und Gestalten war nicht nur die Absicht, Neues zu
schaffen, sondern das Streben nach dauerhaften Leistungen, die nach einem Altern
in Würde auch für nächste Generationen erlebbar sein sollten. Erst als Bedürfnisse
nicht mehr befriedigt, sondern um des Geldes willen Bedürfnisse geschaffen
wurden, wandelte sich dies. Vom Brauchen kam es zum Verbrauchen, im
doppelten Sinn des Wortes: die früher veredelnden Spuren des Nutzens wurden in
ihr Gegenteil verkehrt. Benutzt und gebraucht wurden Synonyme für Dinge die
möglichst bald abzusetzen, durch Neues auszutauschen seien. Die Moral der um
des Profits willen Produzierenden war geschaffen. Früher sei es selbstverständlich
gewesen, die Patina des Nutzens und Brauchens nicht als Tadel, sondern als Adel
zu sehen.“ (Dietel 1973: 52).
In den vergangenen Jahrhunderten schätzten und sammelten adelige und bürgerliche Kunstund Kulturbewusste kaum normale, alltägliche Geräte und Gebrauchsgüter, sondern
höfische oder großbürgerliche, repräsentative Stücke. Diese waren oftmals Statussymbole
und in ihrer repräsentativen Bedeutung meist nicht funktionell gedacht. Verständlich, daß
19
Spuren des Brauchens an diesen Dingen nicht beabsichtigt, geschweige denn geduldet
wurden.
So
begründet
Dietel
die
veränderte
Wertschätzung
von
Dingen
mit
Gebrauchsspuren. (vgl. Dietel 1973: 52f). Objekte mit Gebrauchsspuren waren und sind oft
immer noch deutlich weniger wert. Wahrscheinlich hängt das auch damit zusammen, dass
die Tätigkeit des Brauchens an sich, das sich-die-Hände-schmutzig-machen, das Handwerk,
geringer geschätzt wird als rein intellektuelle Kopfarbeit. Bei Richard Sennett findet sich ein
interessanter Gedanke im Zusammenhang mit der Vergänglichkeit und der Bedeutung von
Handwerk, welcher vielleicht zum Teil die nach wie vor gültige geringe Einschätzung von
handwerklicher Arbeit erklärt. Der Wunsch nach etwas Dauerhafterem als den in ständigem
Zerfall begriffenen materiellen Dingen, führe in der westlichen Zivilisation zur Vorstellung
der angeblichen Überlegenheit des Kopfes über die Hand. Daraus resultiert die Vorstellung,
wonach der Theoretiker besser sei als der Handwerker, weil Ideen dauerhafteren Bestand
hätten. (vgl. Sennett 2008: 169). Diese Idee der Teilung innerhalb des Wissens geht laut
Sennet zurück auf Platon (ebenda 169)
Die Spuren des Gebrauchs, 1995:
Toshihito / Stotz beschreiben in Verbindung mit dem Begriff der Produktarchäologie der
Gegenwart, wie Spuren des Gebrauchs als Hilfsmittel zur Entwicklung neuer, dem
Menschen ergonomisch angemessener Dinge dienen können. Die Spuren des Gebrauchs
oder Verbrauchs geben möglicherweise, je nach Standpunkt des Betrachters, Aufschlüsse
über das Alter des Produkts, die mögliche Häufigkeit und die Art und Weise der
Anwendung oder Verwendung. Die Erforschung und Auswertung von Gebrauchsspuren
könne zu qualitativ optimierten Produkten führen. (vgl.Toshihito / Stotz 1995: 212ff)
Wie bereits weiter oben ausgeführt gibt es materiellen und soziokulturellen Verschleiss.
Materiell additiver Verschleiss zeigt sich durch Ansetzen von Schmutzpartikeln.
Materialabrieb ist eine subtraktive Form des Verschleißes. Soziokultureller Verschleiss
entsteht durch wechselnde Mode- und Zeitgeistströmungen.
Toshihito / Stotz bemerken, dass sich durch Verschleissmerkmale eine Identifikation mit
dem Gegenstand ergeben kann. Wenn die Spuren von der Benutzung durch eine Person
herrühren,
ermöglichen
sie
die
Wiedererkennbarkeit
und
stellen
somit
eine
Individualisierung des Produkts dar. Wenn die Gebrauchsspuren einen direkten
biografischen Bezug zum Gegenstand eröffnen, wird nicht mehr ausschliesslich der
Gebrauchswert des Produkts gesehen, sondern auch die symbolisch mit ihm verbrachte Zeit.
Damit bekommt der Gegenstand für den Benutzer eine Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit,
20
die bis zum Fetischismus reichen kann. Da erinnern sich wohl viele Menschen an
bestimmte Objekte, zum Beispiel an das Lieblingsplüschtier aus der Kindheit.
Unbewusst entstandene Verschleissspuren lassen sich an vielen Produkten und besonders
auch im öffentlichen Raum finden. So ist die abgegriffene Stelle an der Ampel, wo sich die
Velofahrer bei rot festhalten genauso unbewusst entstanden wie die abgeschabte Stelle auf
dem Stadtplan oder der Abkürzungstrampelpfad quer über die Wiese. Das sind Beispiele
von Toshihito / Stotz. Ein Beispiel, das nicht durch Menschenhand entstand, sondern durch
die Witterung und ungeeignete Materialwahl, entdeckte ich in Villa di Chiavenna, im
Bergell.
Abb. 10, alter Ortsplan, Zerfall durch die Witterung, Villa di Chiavenna, Italien. Die Rissstrukturen in der Folie
ergeben die optische Täuschung einer neuen, geologischen Karte, mit Tälern, Flüssen, Wasserscheiden und Seen.
Toshihito / Stotz kommen zu folgenden Schlüssen: Die geplante Obsoleszenz ist ein Fehler
im kapitalistischen System. Für Gestalter gilt es, den realen und symbolischen
Gebrauchswert und den Warenwert in einen Ausgleich zu bringen, indem versucht wird ein
Produkt einem bestimmten Verwendungszweck optimal anzupassen, beispielsweise
psychische Lebensdauer und Verwendungsdauer.
21
Zudem brauche es kritische Verbraucher, welche zwar nur schwer Transparenz in den
Produktedschungel bekommen. Toshihito / Stotz zitieren Bodenstein / Leuer von 1977:
„Zweifellos hat sich ein Wandel in den Einstellung der Konsumenten vollzogen;
weg von dem durch Sparsamkeit und lange Nutzungsdauer geprägten Umgang mit
Konsumgütern,
hin
zur
Wertschätzung
des
Neuen,
modisch
Aktuellen.
Selbstverständlich wird dieser Umwertungsprozeß, insbesondere durch die
Werbung, handfest stimuliert, indem der Abbau asketischer Wertvorstellungen
propagiert, die Schwelle der moralischen Hemmungen gegenüber dem Wegwerfen
herabgesetzt und die Geringschätzung gegenüber alten und gebrauchten Dingen
zur Schau getragen wird. Es fragt sich eben, wie ein dergestalt beschleunigter
Güterverzehr gesamtwirtschaftlich und einzelbetrieblich zu sehen ist.“ (Toshihito /
Stotz 1995: 223, Anmerkung 34).
Nach der Ölkrise, Mitte der 70er-Jahre, erschien das Buch von Bodenstein / Leuer. Aus
heutiger Sicht war da der Wandel hin zur Konsumwut in der Gesellschaft erst am Anfang.
Umso mehr braucht es jetzt eine neue Grundsatzdiskussion zu Ökologie, Ökonomie und
Konsumverhalten, um nicht durch unzählige, rasch verbrauchte Objekte den Müllberg noch
weiter wachsen zu lassen. Die Geringschätzung des Alten, Gebrauchten können wir uns
nicht mehr leisten.
Altes oder Neues, 1997
Gerd Selle schreibt in seinem Text über die Gesellschaft und ihren Umgang mit den
alternden Dingen. Er versucht Fragen zu beantworten wie: Was wird mit uns, wenn die
Dinge in unserer Hand sich ändern? Ist das, was kommt besser, als das was gewesen ist?.
Seine Antwort dazu: Um das Leben zu bestehen, müsse man sich irgendwie in der
Gegenwart einrichten. Ununterbrochen entstehe Neues und entwerte Altes. Doch das
Erscheinen des scheinbar oder tatsächlich Neuen heiße nicht, daß es brauchbarer sein
müße als das Alte. Auch die Geschichte der Dingwelt bestehe aus Lösungen und
Ablösungen, wobei die Probleme praktischen Funktionierens durch das Neue sowenig
gelöst zu sein brauchen wie die Tradition des Alten gewährleistet sein müsse. Zunächst hat
das Neue den Vorteil, daß es neu ist – ein Wert an sich, auch wenn er sich rasch
verbraucht; denn manchmal sieht das Neue ganz schnell alt aus. Früher sei es
selbstverständlich gewesen, den Dingen die Substanz langer Brauchbarkeit zu bescheinigen.
Ein Anzug, ein Paar Schuhe sei jahrelang getragen worden, Stuhl, Tisch und Bett mußten
ein Leben lang halten und wurden von Generation zu Generation vererbt. Neues hatte
Seltenheitswert. Heute gilt das Gegenteil. Aber es habe sich eine untergründige
22
Unsicherheit eingeschlichen. Weiter beschreibt Selle, dass aus aus Altem Neues entstehen
kann, wie bei einer Renaissance. Es sei dann ein verändertes, aktualisiertes Altes, das als
Neues erscheine. Was neu ist, bestimme sich in der Regel aus dem Prinzip der
gesellschaftlich definierten Innovation, aber es könne eben auch eine Innovation der
Wiederkehr aus dem Alten sein – durch Umdefinition der alten Formen zu neuen Werten.
(vgl. Selle, 1997: 237f)
Nach meiner Beobachtung ist im Moment ein Prozess der Umdefinition der alten Formen
zu neuen Werten im Gang und zwar bei jungen Erwachsenen, welche Vintage-Dinge sehr
schätzen, zum Beispiel ein altes Damen-Dreigangvelo und dafür ihr schnelles Bike gerne
aufgeben. Es gibt, wie Selle schreibt, einen Werte-Katalog zwischen dem Alten und dem
Neuen.
Über die Vergänglichkeit schreibt Selle:
„Der Alltag beweist es: Das Neue beginnt im Augenblick seines Erscheinens zu altern
und taucht, eh man sich versieht, im Meer des Gewöhnlichen unter. Das ist eine
Erfahrung, auf die man bauen kann. Radikale Neuerungen wie die Einführung des PC
sind eher selten, und auch die nutzen sich in der Gewöhnung ab.“ (Selle, 1997: 242)
On Wearing. A Critical Framework for Valuing Design’s Already Made, 2011
Gill / Lopes beschreiben, wie die Zukunft einer nachhaltigen Materialverwendung im
Design aussehen könnte. Ihre These:
„A sustainable material culture is perhaps more about making new relationships than
making new things.“ (Gill / Lopes 2011: 307)
Im Zusammenhang damit zeigen sie verschiedene Formen der Abnutzung, vor allem bei
Textilien. Dabei wird Abnutzung als wechselwirkende Bindung zwischen Menschen und
von Menschen hergestellten Dingen verstanden. Zeit ist sichtbar anhand von der
Veränderung von Dingen. Gill / Lopes suchen bei Objekten Querverbindungen zwischen
Zeit, den verwendeten Materialien, der verwendeten Technik und der ästhetischen
Erscheinung. Dabei setzen sie den normalen Alterungsprozess der Tyrannei des Makellosen
gegenüber.
Sie
beobachten,
dass
Werkstoffe
im
Designprozess
teils
zu
wenig
materialgerecht eingesetzt und deren Verfügbarkeit zu wenig berücksichtigt werden. Sie
fordern, dass nicht mehr benutzte Dinge als Material und nicht primär als Abfall gesehen
werden. Diese sollten durch Recyclieren, Reparieren, Abändern, Anpassen oder Umnutzen
einer neuen Verwendung zugeführt werden. Das verlangt, zu Beginn des Designs solide
Materialien einzusetzen, welche mehrere Produktlebenszyklen erlauben. Als Beispiel: An
23
der alten, massiven Tischplatte aus Eiche neue Beine zu befestigen lohnt sich. Für eine
beschichtete Spanplatte lohnt sich dasselbe Vorgehen nicht. Dabei sollen die alten
Techniken,
das
Wissen
und
Können,
welches
für
unsere
Grosseltern
in
ihrer
Handlungspraxis selbstverständlich war, wieder geschätzt, neu belebt und vermittelt werden.
Als Beispiel wird genannt, aus alten Kleidern von Erwachsenen Kinderkleider zu machen.
Designer sollen alte, teils aussterbende Handwerkspraktiken wieder aufgreifen und
weiterentwickeln, dies als konkreter Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Zudem soll die Werbung die Langlebigkeit und allenfalls die vielfältige Nutzung der
Produkte kommunizieren. Dadurch könnte ein wesentlicher Beitrag geleistet werden zur
Entwicklung neuer, intensiverer Beziehungen zu den Dingen und damit verbunden
hoffentlich bewussterem Konsum und längerfristig einem geringeren Materialverbrauch.
Bestehende Dinge neu sehen und wertschätzen, gegebenenfalls reparieren und allenfalls
ideenreich erweitern, das ist die zukünftige, sorgfältige Kultur der Nachhaltigkeit.
Als ein Beispiel von Umnutzung, sorgfältigem Umgang mit Kleidung und Nachhaltigkeit
wird als Beispiel: 1 Jahr 1 Kleid angeführt. Designerin Andrea Zittel hat in den 90er Jahren
das Thema der Kleider für eine Saison aufgegriffen. Malerin Alex Martin trug ihren little
brown dress ein Jahr lang (2005) und Grafikerin Sheena Matheiken ein schwarzes Kleid
2010 während einem Jahr, um damit Geld zu sammeln für eine Schule in Indien und um
auf den Irrsinn des raschen Wechsels von Mode aufmerksam zu machen.
Abb 11, Sheena Matheiken, 2010
Abb. 12, Andrea Zittel,
Uniform Spring-Summer 1993
24
Rediscovering Value: The Second Lives of Secoandhand Goods, 2012
Brockenstuben, Garagenverkäufe, Flohmärkte, Kleider- und Velobörsen, Bücher- und
Kleidertausch sind aus unserer Kultur längst nicht mehr wegzudenken. Da wird gekauft oder
getauscht, Sammler, Schnäppchenjäger und Konsumenten mit kleinem oder grossem Budget
sind die Kunden. Prasad Boradkar beschreibt in seinem Text, wie er durch einen KuratorAuftrag zum Sammler und Jäger von allerlei Musikgeräten wurde. Dabei hat er die
verschiedenen Lebenszyklen von Produkten genauer beobachtet und beschrieben.
Brockenstuben und ähnliche helfen, den Wert von Dingen wieder zu entdecken und zu
regenerieren. Die These von Boradkar lautet, dass Secondhand-Güter, je nach Kontext und
Wertschätzung, einen Gebrauchs- und Tauschwert erhalten, der grösser ist, als der Wert
derselben Güter, als diese fabrikneu im ersten Lebenszyklus waren. Designen heisst, Werte
zu generieren, doch oft sind sich die Designer laut Boradkar gar nicht bewusst, dass das
geplante Objekt mehrere Lebenszyklen vor sich hat. Boradkar nennt dies ungeplante
Dauerhaftigkeit:
„Unplanned durability (...) defies all these forms of obsolescence, and redirects
products towards garage sales and thrift stores, into additional cycles of consumption
and back into people’s lives.“ (Boradkar 2012: 224)
Die Vergänglichkeit der Dinge kann also mit zusätzlichen Lebenszyklen herausgezögert
werden. Daraus resultiert die Forderung von Boradkar:
„If designing longer life spans into things is a principle of sustainable design, perhaps
this form of unplanned durability needs to be closely examined, as it might yield
insights into new form of managing waste.“ (Boradkar 2012: 225)
25
Zusammenfassung zu Kapitel 2
Die zitierten Autoren nehmen immer wieder kritisch Bezug auf die Obsoleszenz von
Produkten. Damit kritisieren sie zu Recht Designer, Produzenten und Konsumenten. Design
galt und gilt immer noch als Motor, der die Wohlstandsgesellschaft und damit eben auch
die Wegwerfgesellschaft am Laufen hält, so schreibt Kries (vgl. Kries, 2010: 38). Die
Konsumwut durchdringt den westlichen Menschen, wir leben in einer, zumindest
materiellen, Überflussgesellschaft. Design greift in alle Lebensbereiche ein und wird als
Instrument zur Überästhetisierung des Alltags subtil genutzt. Der Mensch ist zum homo
aestheticus geworden. (vgl. Kries, 2010: 101)
Nun ist es an der Zeit, dass Design Stellung bezieht in der Diskussion um neue Werte, um
Ethik im Umgang mit Materialien und Dingen. Design muss sich den ökologischen und
soziologischen Herausforderungen stellen. Design muss nachhaltige und lebenswerte
Alternativen zum Überkonsum bieten. Design darf sich nicht mehr darin genügen,
Statussymbole, stylische Benimmregeln und Kaufanreize zu verbreiten.
Das Objekt ist nebst dem, was es physisch verkörpert immer auch das, was der Betrachter
darin sieht. An den Gestaltern und an den Benutzern liegt es, den realen und den
symbolischen Wert von Objekten ins Gleichgewicht zu bringen und angesichts der
ökologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen Verantwortung zu übernehmen.
Die Wertschätzung von Dingen, die Gebrauchsspuren aufweisen, die ihre Vergänglichkeit
sichtbar tragen, unterstützt die Diskussion der Umcodierung von Werten.
Die moralische Hemmung gegenüber dem Wegwerfen muss wieder grösser werden. Denn
das Neue ist ja vielleicht gar nicht brauchbarer als das Alte. Dies bedingt, dass die
verwendeten Materialien qualitativ hochwertig und adäquat sind, damit sich die Produkte
lange verwenden oder umnutzen lassen. So kann das Ende der Dinge hinausgezögert
werden.
Vor allem die letzten beiden Positionen, Gill / Lopes und Boradkar sehen in zusätzlichen
Lebenszyklen von Produkten eine vielversprechende Möglichkeit zu nachhaltiger
Entwicklung, indem die Spuren der Vergänglichkeit als Selbstverständlichkeit akzeptiert und
einbezogen werden.
26
3. Vergänglichkeit
in
Design
und
Kunst:
ein
Katalog
der
Ausdrucksformen
Über das Verhältnis von Kunst und Design
Laut Foraita spricht Kunst Menschen vorwiegend auf der geistig-ideellen Ebene an, während
Design die Nutzer auf dieser ebenso wie auf der physisch-realen Ebene anspricht. An dieser
Schnittstelle geschehe die Annäherung: Wenn das Design nicht mehr nur auf der rationalen,
funktionalen Ebene arbeite, sondern ebenfalls Anspruch auf die Bedienung der geistigideellen Ebene erhebe und die Kunst ebenso die physisch-reale Ebene anspreche, dann
entstehe im Denken, Herstellen und Rezipieren Überschneidung von Kunst und Design.
(vgl. Foraita 2011:54).
„
Soweit
heute
nachweisbar,
existiert
eine
Verbindung
zwischen
Gebrauchsgegenstand und sinnbildlicher Form seit dem Mittelpaläolithikum (etwa
vor 300.000 bis 200.000 Jahren). Der künstlich hergestellte Gegenstand, das Artefakt,
bildet die Grundlage sowohl für die Kunst als auch das Design. Beide Professionen
haben sich aus dem handwerklichen Gestalten entwickelt, sowohl ideell als auch
materiell. Die veränderten Herstellungsprozesse seit der Industrialisierung führten
nach und nach zu einer Trennung beider Bereiche.
Seit der 1980er Jahre
entwickelten sich Kunst und Design zunehmend wieder aufeinander zu, und heute
können wir ein merklich entspannteres Verhältnis beider Disziplinen feststellen, das
deutlich über eine friedliche Koexistenz hinausgeht. Man gewinnt den Eindruck, als
hätten zwei Bereiche, die ohnehin originär zusammengehören, endlich Frieden
miteinander geschlossen.“ (Foraita 2011:47)
Das Verhältnis von Kunst und Design ist fliessend, sagt Foraita. Beide Bereiche arbeiten an
der Bedeutungsebene und an der Wirkung der Erscheinungsformen. Die Bedeutung eines
Designgegenstandes erschliesst sich in der Regel in Zusammenhang mit einer Handlung,
die Bedeutung eines Kunstwerks meistens in seinen ideellen Werten. Doch auch da sind die
Grenzen verwischt, vielen Designobjekten sind ideelle Inhalte eigen, die weit über die
funktionale Bedeutung hinausgehen.
Ein weiterer Einfluss, der die Annäherung von Kunst und Design beschleunigt, ist laut Kries
der boomende Kunstmarkt, welcher nach neuen Trends und Stilen sucht und diese im
Design findet. (vgl. Kries 2010: 89f). Zweckfreiheit und die Aura des Unikats machen
Kunstwerke aus, doch auch im Design gibt es Unikate und zunehmend zweckfreie, kritische
Positionen.
Designobjekte sind meist Gegenstände, die zwischen den Polen der reinen technischfunktional determinierten Gebrauchsgegenstände (zum Bsp. Kugeln eines Kugellagers) auf
27
der einen Seite, und Kunstwerken auf der anderen Seite anzusiedeln sind. Gutes Design
besteht nicht nur in gelungener Funktionalität, sondern ist darüber hinaus Ausdruck einer
künstlerischen Auffassung als funktional-ästhetisch-zeichenhafter Gebrauchsgegenstand.
Grosses Design bestehe daher in grosser Funktionalität gepaart mit grossem künstlerischem
Ausdruck. (vgl. Steinbrenner 2010: 18+20).
„Der Unterschied zwischen Kunstwerken und Designobjekten besteht (...) darin, dass
wir bei Designobjekten ihre praktische Funktion – und nicht alleine ihr Äusseres –
unter ästhetischen Gesichtspunkten bemessen, während wir bei Kunstwerken nur
ihren künstlerischen Ausdruck werten.“ (Steinbrenner 2010: 19).
Kunst kann aber sehr wohl auch Funktionen haben, beispielsweise moralische, politische,
weltanschauliche, kultische, kommunikative oder unterhaltende. (vgl. Döring 2010: 53).
Laut Döring haben Design und Kunst miteinander gemeinsam, dass beide Gegenstand
ästhetischer Erfahrung sein können. Ja gar, dass ästhetische Erfahrung keinen Unterschied
macht zwischen Design und Kunst. (vgl. Döring 2010: 54).
„Denn ästhetische Erfahrung ist emotionale Erfahrung, und Emotionen bewerten
genau nicht funktionalistisch, sondern schreiben Gegenständen intrinsische Werte zu,
die diese Gegenstände nicht als Mittel zu einem von ihnen selbst verschriebenen
Zweck, sondern in sich selbst haben:“ (Döring 2010: 55).
Mit >Emotion< meint Döring dabei Gefühle wie Furcht, Ärger, Empörung, Ekel, Entsetzen,
Neid, Trauer, Bewunderung, Scham, Stolz und Mitgefühl. (vgl. Döring 2010: 61). Ich füge
hier auch Freude, Zufriedenheit, Begeisterung als positiv belegte Worte hinzu. „Anders als
ein nicht-emotionales Gefühl erschöpft sich eine Emotion nicht in einer bestimmten
Erlebnisqualität und Erlebnisintensität – dem >Wie-es-ist<, sie zu empfinden,- sondern
repräsentiert ihren jeweiligen Gegenstand als in bestimmter Weise seiend: beispielsweise
die Schlange als gefährlich. (Döring 2010: 62). Emotionen sind also auf etwas in der Welt
gerichtet, stellen die Welt in bestimmter Weise seiend dar und bewerten sie.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wesentlicher Unterschied zwischen Design und Kunst
ist die Art der Funktionalität. Wesentliche Gemeinsamkeit von Design und Kunst ist die
ästhetische Erfahrung. Nach der These von Döring ist ästhetische Erfahrung emotionale
Erfahrung. Somit löst die Wahrnehmung der Vergänglichkeit eines Objekts bestimmte
Gefühle aus, welche auf das Objekt und die Situation der ästhetischen Erfahrung bezogen
sind. Die Art der Gefühle wird durch verschiedenste Faktoren beeinflusst, durch die
momentane Situation, durch Erfahrungen und Wissen und durch unbewusste Prägungen.
28
Ausdrucksformen der materiellen Vergänglichkeit
Materialveränderungen
• auflösen, zerbröseln, langsam oder schnell vollständig zerfallen
• ausdehnen, aufquellen, aufreissen
• ablösen, abschälen, häuten
• verschmelzen, verformen
Formveränderungen
• Verschleiss, Abschaben, Abnutzung, Abrieb der Oberfläche
• auseinanderfallen, aus dem Leim gehen, Bruch, Deformation
• organische Schäden durch Pilze oder Tiere (Wurmfrass im Holz, Schneckenfrass)
• Herauslösen von Teilen
• Ergänzen, reparieren defekter Teile
Oberflächenveränderungen
• Patina durch Verschmutzung (additiv) oder Abnutzung (subtraktiv)
• Gebrauchsspuren, Kratzer und Abrieb
• Oxidieren, Korrosion (Rost)
• organische Prozesse (Schimmel, Moosbewuchs, Pilzwachstum)
• ablösen, abschälen, abblättern, häuten
• absprengen
Farbveränderungen
• verblassen, vergilben, abdunkeln, vergrauen (bei unbehandeltem Holz)
• verfaulen, verschimmeln, vermodern
Funktionsveränderungen
• Löcher, durch Abrieb
• weglassen, abfallen einer Hülle, einer Aussenschicht
• altes Material neu verwenden
• zerfallen und daraus etwas neues entstehen lassen (zBsp. Samenbomben)
• nicht die zu erwartende Funktion erfüllen
Funktionsverlust
• auflösen der Form durch Bruch, Deformation, Feuchtigkeit
• auflösen durch vollständiges Verblassen oder durch Wissensverlust (bspw. Daten,
Schriften, Zeichen die nicht mehr lesbar sind)
• auflösen in Luft durch verdampfen, verbrennen, schmelzen (Rauch, Feuer, Feuerwerk,
Eis)
• auflösen in Flüssigkeit
29
Zu den sechs verschiedenen Ausdrucksformen der materiellen Vergänglichkeit folgen je
einige Bildbeispiele, eingeteilt nach der ästhetischen Erscheinung. In welcher Absicht die
jeweiligen Gestalter ihre Objekte entwickelt haben, ist nicht bekannt. Viele Bilder liessen
sich mehreren Vergänglichkeitsformen zuordnen. Die Bildlegenden enthalten je einen
kurzen Satz zur Art und zum Ausdruck der Vergänglichkeit.
Diese Arbeit befasst sich nicht mit der soziokulturellen oder ideellen Vergänglichkeit.
Folgende Arbeit passt in keine der Kategorien. Sie ist mir aber sehr wichtig und steht darum
gleich zu Beginn der Sammlung:
Abb. 13, Wolfgang Laib ab 1977, Blütenstaubbilder, Farbfelder aus Löwenzahn- oder Haselnusspollen
Die Pollen werden in der Natur ganz schnell vom Wind verweht. Durch Laib werden sie in
unendlicher Fülle gesammelt und erinnern in der Masse an die Vergänglichkeit. Es
entstehen aus dem immer gleichen Material wechselnde Kunstwerke: die Blütenpollen
werden auf Flächen ausgesiebt, zu Kegeln aufgeschichtet oder in Gläsern aufbewahrt.
Dadurch ist die Arbeit in stetiger Transformation.
30
Materialveränderungen:
auflösen, zerbröseln, langsam oder schnell vollständig zerfallen, ausdehnen, aufquellen,
aufreissen, ablösen, abschälen, häuten, verschmelzen, verformen
Abb. 14, loris-et-livia, tipsy , Glas
Bestehende Trinkgläser wurden nochmal
hoch erhitzt. Daraus resultiert eine
gewollte Verformung.
Abb. 15, Judith Seng, Hocker Holz und
Hochglanzlack
Das massive Holz zerreisst je nach
Luftfeuchtigkeit langsam oder schnell und
verletzt die makellose Lackoberfläche. Das
Holz zeigt seine Kraft und sein Eigenleben.
Abb. 16, Tamsin van Essen,
Gefässskulpturen, Keramik
Verschiedene keramische Materialien
erweichen beim Brand und dehnen sich
unterschiedlich aus, reissen auf.
Abb. 17, Gareth Mason, Gefäss-Skulptur,
Keramik
Tone, Glasuren und Engoben werden in
mehreren Schichten auf ein Gefäss
aufgetragen, mehrmals gebrannt. Die
Veränderungen des formbaren Materials
sind im Ofen rissig, schrundig erstarrt.
31
Formveränderungen:
Verschleiss, Abnutzung, Abschaben, Abrieb der Oberfläche bis zur Formveränderung
auseinanderfallen, aus dem Leim gehen, Bruch, Deformation, organische Schäden durch
Pilze oder Tiere (Wurmfrass im Holz, Schneckenfrass, Mottenfrass) Herauslösen von Teilen,
ergänzen, reparieren defekter Teile
Abb. 18, Tjep, Vasen, Keramik, Silikon
Bestehende Vase mit Silikon ausgegossen.
der die Form zusammenhält und ermöglich,
dass sie einerseits nicht ganz
auseinanderfällt und immer wieder in ihre
ursprünglich Form zurückkehrt.
Abb. 19, &made Ceramic Putty, bestehende
Keramik, Keramikkitt
Ein defektes Objekt wird mit Keramikkitt
repariert. Die Spuren bleiben sichtbar,
erzählen einen Teil der Geschichte und
sind zugleich Dekoration.
Abb. 20, Pieke Bergman, massivinvection, Glas,
Holztisch
Das heisse, noch weiche Glas wird auf
den Tisch gestellt und durch dessen
Widerstand und das Eigengewicht des
Glases geformt. Dabei hinterlässt das Glas
dekorative, an die Vergänglichkeit
erinnernde Brandspuren auf dem Holz.
32
Abb. 21, Lukas Wegwerth, Keramik, künstliche
Kristalle
Die bestehende, defekte Vase wird mit
Hilfe künstlicher Kristalle repariert. Die
Linie der Zerbrechlichkeit wird zu einer
Linie des Schmucks.
Abb. 22, Andrea Zittel, Tisch
Der alte Tisch zeigt deutliche Spuren der
Abnutzung. Das Holz weist Kratzer auf und
ist teilweise verbogen. Die Farbe teilweise
abgeschabt, die darunterliegende alte Farbe
wird sichtbar.
Dank der Reparatur mit neuen Beinen und
Verstrebung ist er wieder funktionsfähig,
die ursprüngliche Form der Tischbeine
wurde für die neuen Elemente nicht
übernommen. Der Tisch wirkt formal wie
ein Puzzle aus verschiedenen Epochen.
Abb. 23, Pieke Bergman, light blubs, Glas,
Metall
Die Lampe ist eine überdimensionierte
Glühbirne aus milchigem Glas. Es scheint,
als sei die Glühbirne aus der Halterung auf
den Tisch hinausgeflossen.
33
Abb. 24, Gabrièle Gisi, Porzellan
Das Loch in der Form irritiert, selbst
wenn es von Anfang an Absicht der
Gestalterin war.
Abb. 25, 5.5 Designers, Keramik, Kunststoff
Mit Hilfe von Kunststoffen werden die
defekten Tee- und Kaffeekannen und Vasen
repariert. Fehlende Teile werden ergänzt.
Abb. 26, Hybrid selection, Keramik
Alte Geschirrteile sind neu kombiniert und
zusammengeklebt. Ob die verwendeten
Schalen zuvor bereits defekt waren oder ob
die Gestalterin bestehendes einfach neu
kombinierte, erschliesst sich aus den
Bildern nicht.
Abb. 27, Mianne de Vries
Porzellan
Falls der Nutzer der alten
Vasenform überdrüssig wird,
findet er nach, gezieltem
Schlag, in der alten die neue
Form.
34
Abb. 28, Dieter Roth 1972, Rabbit-shit-rabbit,
21x10x19cm, Auflage von 250 Stück, Stroh und
Kaninchenmist
Durch die organischen Prozesse wird die
Form sicher verändert, je nach
Luftfeuchtigkeit wohl ziemlich schnell
aufgelöst. Leider existiert davon kein Bild.
Abb. 29, Atelier oï, Vogelhaus, Vogelfutter
Je nach dem wie die Vögel ihr Haus
aufpicken, bleibt ihnen länger ein Dach
oder eine Sitzgelegenheit.
Abb. 30, Anish Kapoor, Wachs, Metall, Motor
Langsam verändert sich die monumentale
Form, in Zeitlupentempo abgeschabt
durch das Metallprofil. Zeit, Veränderung
und damit Vergänglichkeit werden im
Museum erlebbar.
35
Oberflächenveränderungen:
Patina durch Verschmutzung (additiv) oder Abnutzung (subtraktiv), Gebrauchsspuren,
Kratzer und Abrieb, Oxidieren, Korrosion (Rost), organische Prozesse (Schimmel,
Moosbewuchs, Pilzwachstum), ablösen, abschälen, abblättern, häuten, absprengen
Abb. 31, Arnold Annen, Gefäss-Skulptur,
Porzellan
Das rohe Gefäss wird mit der Gasflamme
erhitzt. Dadurch sprengt partiell Material
weg, Löcher werden bewusst gesetzt. Im
Brand wird das fragile Porzellan
durchscheinend.
Abb. 32, Tamsin van Essen,
Gefässskulpturen, Keramik
Haut-Krankheiten wie
Schuppenflechten sind die Inspiration
für diese Objekte. Keramische
Mischungen, vor dem Brand
aufgetragen, blättern im Brand ab
Abb. 33, Maxim Velkovsky, Keramik
Die an Ausgrabungen oder
Ablagerungen erinnernde Oberfläche
verbirgt die darunterliegende Form,
diese ist trotzdem klar ersichtlich.
Abb. 34, Siri Betts-Sonstegaard, Keramik
Wurde ein altes Objekt überarbeitet
oder etwas Neues durch die Art der
Oberfläche auf alt gemacht?
36
Abb. 35, Maarten Baas, Kommode
Mit dem Flammenwerfer wird die
Oberfläche des antiken Möbelstückes
bearbeitet, bis nur noch die Form an die
alte Herkunft erinnert. Die alte Oberfläche
hat sich aufgelöst zugunsten einer neuen.
Abb. 36, Maxim Velkovsky, Porzellan und Kerze
Heruntertropfender Wachs lässt das
Babyface rasch schrundig und runzelig
aussehen. Die Kerze ist klassischer
Bestandteil von Vanitas-Darstellungen.
Abb. 37, Karen Ryan, Keramik
Die Oberflächen von Keramikobjekten aus
der Brockenstube werden durch gezieltes
Sandstrahlen und wiederholtes Glasieren
neu gestaltet. Die Veränderung und die
Vergänglichkeit werden in der Oberfläche
lesbar.
37
Farbveränderungen:
verblassen, vergilben, abdunkeln, vergrauen (bei unbehandeltem, verwittertem Holz),
verfaulen, verschimmeln, vermodern
Abb. 38, Daniel Spoerri, , eat art-Bilder ab 1967,
Installationen
Erinnerungen an gesellige Runden,
fröhliche Abende, an gelebte Zeit,
festgehalten in Form der Reste der Tafel.
Wie sich die Zeit und eventuelle Mikroben
auf die Farben auswirken, ist aus der
Fotografie nicht ersichtlich.
Abb. 39, Sarah Cihat, bestehende Keramikteller
mit Blumendekor
Überdrucken mit zeitgenössischen Motiven
in frischen Farben führt zu neuer Aussage.
Abb. 40, Tilman Latz, Banksystem flow2
Die Bänke in unbehandeltem Holz werden
nach einigen Jahren in Wind und Wetter
silbergrau.
38
Funktionsveränderungen:
Löcher, durch Abrieb, weglassen, abfallen einer Hülle, einer Aussenschicht, altes Material
neu verwenden, zerfallen und daraus etwas neues entstehen lassen (zBsp. Samenbomben),
nicht die zu erwartende Funktion erfüllen
Abb. 41, John Chamberlain, Curvatureromance,
2009 172,1 x 134 x 98cm, Skulptur aus
Autokarosserien,
Pinakothek der Moderne München
Welches Formteil erinnert noch an die
Stossstange, an das Heck ?
Abb. 42, Massimiliano Adami, Softcrack
Keramischen Scherben mit frischer
Keramikmasse, mit Beton oder mit
Kunststoffen zu einer Schüssel verbundn
Abb. 43, Paul Cocksedge, Styrene,
Lampe aus Styropor-Kaffeebechern
Die thermoverformten Styroporbecher
ergeben in der neuen Kombination eine
Lampe.
39
Abb. 44, Tomas
Gabzdil, Wachsvasen
Das Material wird
nicht in dieser Form
erwartet. Produziert
durch Bienen.
Abb. 45, Antje Scharfe, Still-leben, 2010,
Porzellan, Papier, Folie, Lichtkasten, 64 × 90 ×
8 cm
Die Gefässformen erfüllen eine ideelle
Funktion. Licht und Schatten im Wechsel
und die Fragilität der einzelnen Elemente
unterstützen die Wahrnehmung dieser
Installation.
Abb. 46, Eva Hesse, Latex
Die Objekte erinnern zwar an ihre
ursprüngliche Funktion als Behälter für
Flüssigkeiten, doch sind sie hier
Bedeutungsträger für das Fassen von
ideellen Inhalten.
Abb. 47, Hilda Hellström, Vorratsgefässe aus
verseuchter Erde von Fukushima
Die Funktion dieses Gefässes ist das
Erinnern an die Katastrophe in Fukushima.
40
Funktionsverlust:
auflösen der Form durch Bruch, Deformation, Feuchtigkeit, auflösen durch vollständiges
Verblassen oder durch Wissensverlust (bspw. Daten, Schriften, Zeichen die nicht mehr
lesbar sind), auflösen in Luft durch verdampfen, verbrennen, schmelzen (Rauch, Feuer,
Feuerwerk, Eis), auflösen in Flüssigkeit
Abb. 48, Shinichi Maruyama, water sculptures,
2009
Die Bewegung von geworfenem Wasser,
festgehalten mittels Fotografie. Ein
Sekundenbruchteil Zeit zeigt die Schönheit
der Vergänglichkeit.
Abb. 49, Stefan Gritsch, Milchkrughaut,
Acrylfarbe, Gaze, 2009, 90 x 20 x 15cm
Die aufgeschnittene, schlaffe Hülle eines
Milchkrugs ist nicht nur ein Schicht von
Farbe auf Gaze, aufgeschnitten und
aufgehängt, sondern auch ein Verweis auf
das Gemälde Milchmädchen von Vermeer.
Die Funktion der schützenden Hülle für
den Krug ist aufgegeben.
41
Abb. 50, 5.5 Designers, Sugar handle,
Der Zucker in Griff-Form löst sich auf,
sobald er in den Kaffee getaucht wird
Abb. 51, Urs Fischer, The human layer,
Gips, Ton, Acrylfarbe, Plastik, Früchte
Die Plastikhaut beginnt zu schrumpeln,
wenn innen sich die Früchte entsprechend
den organischen Prozessen verändern.
Abb. 52, Andy Goldsworthy, Eis
Die Land-Art-Objekte lösen sich schnell
oder langsam ganz auf, je nach dem, aus
welchen Materialien sie bestehen. Es
existieren danach Fotos, welche die
Erinnerung an das Objekt wach halten.
Die Materialien an sich integrieren sich
wieder in den Kreislauf der Natur.
Abb. 53, Urs Fischer, Wachsskulpturen
Solange die Kerze brennt, verändert sich
die Skulptur laufend, bildet durch sich
selbst eine neue Skulptur. Das Feuer wird
mit der Zeit die ganze Skulptur aufzehren.
42
Abb. 54, Urs Fischer, 946-baked-masters-basket
Ist das jetzt absichtlich so gebaut oder
zufällig zusammen gestürzt? Es ist Absicht.
Abb. 55, Bernhard Luginbühl,
Verbrennung Installation „Signal“, 2002, Mont
Vully, Schweiz
Abb. 56, Zachary Bloom
Durch die bewusst gewählte Form der
Dekoration verliert der Tisch teilweise seine
Funktion.
Abb. 57, Jürg Schneider, Gefäss-Skulptur, Mitte der 80er Jahre
43
Bei folgenden Arbeiten, welche zweifellos in der bildenden Kunst wichtige Positionen zum
Thema Vergänglichkeit vertreten, versagt die Kategorisierung. Offenbar sind die Themen des
Menschlichen, der Verletzlichkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Körpers viel zu
sensibel.
Abb. 58, Berlinde De Bruyckere: Into OneAnother to P.P.P., III,
Abb. 59, Marc Quinn, Alison Lapper and Parys,
2000
44
Vergänglichkeit und Zerfall als Humus ... Versuch einer Ordnung der Erkenntnisse
Der Anblick der beinahe durchscheinenden Gefässe von Arnold Annen (Abb. 31, S.36) ist
einfach ergreifend schön. Die Verletzlichkeit der schlaffen Milchkrughaut von Stefan
Gritsch (Abb. 49, S. 41) erinnert an den Tod, an das Hinterlassen der eigenen Hülle. Bei
einer Verbrennung einer Skulptur von Bernhard Luginbühl (Abb. 55, S.43) dabei zu sein,
hinterlässt einen staunend und schier atemlos. Die Fragilität der funktionslosen Gefässe von
Antje Scharfe (Abb. 45, S. 40) oder von Eva Hesse (Abb. 46, S. 40) berühren, lassen
staunen. Die weichen Verformungen der Gläser von Pieke Bergman (Abb. 20, S. 32) lösen
den Wunsch aus, diese zu berühren, ihre Sinnlichkeit zu ertasten. Die Körper von Berlinde
de Buyckere (Abb. 58, S. 44) stossen ab, unangenehm berührt wendet der Betrachter den
Blick ab. Beim Betrachten der Eat-Art Bilder von Daniel Spoerri (Abb. 38, S. 38) kommt
sofort die Frage nach der Menge und der Art der Pilze, die darauf bereits gewachsen sind
und ihrem begleitenden Geruch. Fasziniert beobachten wir die zerbrochene Vase von tjep
(Abb. 18, S. 32), welche trotz unzähliger Scherben immer noch zusammenhält. Beängstigt
hinterlässt der Anblick der Vorratsgefässe von Hilde Hillstöm (Abb. 47, S. 40)
den
Betrachter zurück.
Die ästhetische Erfahrung von sichtbar gemachter Vergänglichkeit berührt, wühlt auf, löst
unterschiedlichste Emotionen aus.
Kunst und Design wollen Erkenntnisgewinn erzielen. Dazu bedienen sie sich vielfältigster
Erfahrungen und stellen Zusammenhänge und Berührungspunkte her. Vergänglichkeit wird
in Bezug gesetzt zu anderen Themen. Die Themen werden transformiert, Neues entsteht. Ja
vielleicht bilden Vergänglichkeit und Zerfall den Humus, auf dem Kunst und Design
entstehen. Oft wird in Zweifel gezogen, dass Kunst und Vergänglichkeit zusammengehören.
Laut Hoffer scheint das Kunstwerk ja gerade dafür gemacht, der Vergänglichkeit „ein
Schnippchen zu schlagen“. Es soll für die Ewigkeit geschaffen sein, je nach dem, was man
sich darunter vorstellt, oder zumindest die Lebensdauer des Künstlers überdauern und
seiner Reputation dienen. (vgl. Hoffer 2011: 15) Ähnliches gilt für den Bereich Design. Hier
liegt das Interesse meist darin, funktionierende Objekte zu entwickeln und zu realisieren.
Destruktion und Auflösung sind bedingt dadurch nicht zentrale Anliegen. Im Gegenteil, oft
wird versucht, diese möglichst lange hinauszuzögern. Wenn es gelingt, die Vergänglichkeit
im Gestaltungsprozess mit einzubeziehen, wenn sie als Selbstverständlichkeit integriert wird,
entstehen Objekte mit starker emotionaler Kraft.
45
4.
Transfer
Beurteilung der Hypothese
Die Hypothese, dass Objekte durch die Ausdrucksformen der Vergänglichkeit ihren Wert
steigern können, hat sich durch zahlreiche Beispiele in dieser Arbeit bestätigt. Der
„Wert“ bezieht sich hier nicht auf rein finanzielle Mittel, sondern ist umfassend zu lesen.
Vielschichtig sind die Publikationen und Stellungnahmen von Sachverständigen und die
Beispiele aus Kunst und Design. Die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema
Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel im Rahmen der praktischen Thesis verspricht eine
spannende Sache zu werden.
Schwieriger erweist sich die Frage nach der entsprechenden Intensivierung der emotionalen
Bindung an das Objekt. Über die Vergänglichkeit der Objekte Emotionen auszulösen, ist
durchaus möglich, wie sich im Kapitel 3 feststellen lässt. Welcher Art und welcher Intensität
diese Emotionen sind, lässt sich aber nicht zielgerichtet provozieren, zu viele Faktoren
spielen mit.
Meine Hypothese, dass das Bewusstsein der Vergänglichkeit eines Objekts die Bedeutung
dessen und vor allem die emotionale Bindung zwischen Objektnutzer und dem Objekt
selbst fördert und allenfalls verstärkt, finde ich so weder klar bestätigt noch dementiert. Das
hat nicht mit den Objekten an und für sich zu tun, sondern mit den Nutzern. Emotionale
Beziehungen und Bindungen sind etwas sehr Individuelles und Persönliches. Auf das
gleiche Objekt reagieren 10 verschiedene Personen 10 mal anders. Um Genaueres zu
erfahren, müssten Umfragen vor allem bei Nutzern durchgeführt werden. Dies würde aber
den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Emotionale Bindung kann aus unglaublich vielfältigen Gründen entstehen, sie lässt sich
aber kaum oder nur sehr schwer voraussagen. Das ist Thema für Psychologen und
Soziologen im Bereich der Konsumforschung. Der Fokus meiner Untersuchung lag aber
nicht ausschliesslich auf der emotionalen Bindung, sondern dass diese provoziert werden
kann durch die Vergänglichkeit.
Gerd Selle bezieht sich in einem Text über das Verschwinden, im Der Stand der Dinge auf
Virilio: „Die Dinge existieren durch ihre Eigenschaft des Verschwindens.“ Das heißt, wenn
sie nicht mehr da sind oder sich zu Pixeln auf dem Bildschirm atomisiert haben oder ihr
Bild in Dateien verschwunden ist, dann sind sie erst da, werden sie als Abwesende vermisst:
“In der Ästhetik des Verschwindens sind die Dinge desto präsenter, je mehr sie uns
entgleiten. (...) Die Lebenserfahrung lehrt, dass Landschaften (Heimat) oder
nahestehende Personen, die längst tot sind, erst durch die Nicht-Anwesenheit jene
46
Bedeutung
erlangen,
die
ihnen
durch
die
Konstruktionsfähigkeit
unseres
Gedächtnisses verliehen wird. Das Verschwundene erscheint als Bild in verdichteter
Gestalt – als eine Imagination oder als Tagtraum. Vielleicht sehen wir die Dinge erst,
seitdem sie zu verschwinden drohen (...).“ (Selle 1997: 279)
Selle spricht da von jener Bedeutung, ohne genauere Definition. Ich nehme an, dass er sich
auf Erinnerungen und Emotionen bezieht und lese dies als kleinen Hinweis für die
Bestätigung meiner These.
Dinge, die über ihren praktischen Nutzen hinaus zugleich schlicht, auffällig und anrührend
sind, haben gute Voraussetzungen für emotionale Haltbarkeit. Das ist Nachhaltigkeit, die sie
nicht der Abfallverwertung (Recycling), sondern der Bindung an das Objekt verdanken,
schreibt Schönhammer in einem Aufsatz zum Thema Design=Kitsch?, wobei er sich auf das
Buch
Emotionaly Durable Design
(2005)
von
Jonathan
Chapman
bezieht
(vgl.
Schönhammer 2010: 114). Ob nun eine emotionale Haltbarkeit auch entsteht, wenn das
Objekt eben an die Vergänglichkeit erinnert oder selbst mehr oder weniger vergänglich ist,
lässt sich nicht abschliessend sagen.
Schlüsse für meine weitere Arbeit
Die Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Vergänglichkeit bekommt für mich eine
grosse Bedeutung. Das ist mir erst bei der Arbeit mit den Texten in Kapitel 2 bewusst
geworden. Das Unperfekte, das Unvollkommene, wie im Kapitel 1 unter Die Obertöne des
Unvollkommenen ausgeführt, ist mir wichtig und soll in meine zukünftige Arbeit einfliessen.
Aus der Erkenntnis von Kapitel 3, dass sichtbar gemachte Vergänglichkeit berührt und
unterschiedlichste Emotionen auslöst, ergeben sich nun folgende Kernpunkte zur
Entwicklung von gestalterischen Projekten:
• Die Vergänglichkeit muss von Anfang an in den Gestaltungsprozess einbezogen
werden.
• Spannend sind Produkte, bei welchen nicht eine vollständige Zerstörung geschieht,
sondern wo Vergänglichkeit als schneller oder langsamer Prozess, ja vielleicht gar
als Transformation erfahrbar wird.
• Ebenso ansprechend sind Produkte, die durch das Altern schöner werden.
Die Beschäftigung mit der Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel, mit der japanischen Idee
des Wabi-Sabi und besonders mit den fünf Texten aus Kapitel 2, mit Reparatur, Recycling
und Umnutzung, mit der Wertigkeit von Dingen und Materialien hat mich angespornt,
meine Arbeit als Keramikerin zu überdenken.
47
Daraus resultiert mein Manifest für zukünftige Projekte:
• Als Gestalterin mache ich die Einheit von Material, Prozess und Funktion durch von
Hand hergestellte Produkte sichtbar und lasse dadurch vielleicht ein emotional
nachhaltiges Ding entstehen.
• Als Gestalterin nehme ich mir den Freiraum, die Schönheit des Unregelmässigen zu
entwickeln.
• Als Gestalterin denke ich bei der Suche nach dem Neuen an dessen Altwerden.
• Als Gestalterin beziehe ich die Vergänglichkeit in den Gestaltungsprozess mit ein.
Dabei suche ich eben gerade nicht die Perfektion, welche nach dem ersten Kratzer
zerstört und langweilig ist, sondern die Obertöne des Unvollkommenen.
• Als Gestalterin will ich Objekte mit Materialien und Techniken entwickeln, welche
die natürlichen Prozesse der Vergänglichkeit – die Gebrauchsspuren, die Patina –
als Schmuck tragen, als integralen Bestandteil hinnehmen, und nicht mit dem
ersten Kratzer wertlos, unansehnlich und unbrauchbar werden.
• Als Gestalterin versuche ich eine hohe Lebensdauer durch adäquate Qualität der
Materialien und der sorgfältigen Verarbeitung zu erreichen.
• Als Gestalterin will ich Freiraum lassen für die Interpretation des Objekts durch den
Benutzer.
• Als Gestalterin stelle ich langlebige Produkte her. Mit der Botschaft der Langlebigkeit
mache ich Werbung. Beispielsweise Teeschale xy seit fünf Jahren täglich bei
Benjamin in Gebrauch, und immer noch geliebt, schön und voll funktionsfähig.
• Als Gestalterin kommuniziere ich nicht nur über die Hände, sondern zumindest
gleich wichtig, über Worte. Keramik ist an und für sich schon ziemlich nachhaltig,
wird aber viel zu wenig klar als das kommuniziert.
• Als Gestalterin ist es selbstverständlich zu reparieren, zu ergänzen und fehlende Teile
zu ersetzen – das zumindest bei den eigenen Produkten und vielleicht auch bei
fremden Objekten. Ich versuche, altes Material neu zu nutzen statt wegzuwerfen,
indem ich neue Verwendungen erarbeite oder das Material abändere.
• Als
Gestalterin
beginnt
Verantwortungsbewusstsein
nicht
erst
im
Atelier
(Materialrecycling Herstellungsabläufe, Materialwahl) und hört da auch nicht auf
(Verpackung, Transporte, Lieferanten).
• Als Gestalterin berücksichtige ich die ökologischen, ökonomischen und sozialen
Auswirkungen meines Handelns und meiner Produkte.
• Als Gestalterin mit keramischen Materialien bin ich mir des Paradoxon bewusst, dass
die meisten meiner keramischen Objekte mich überdauern werden.
48
Mögliche Übertragung relevanter Erkenntnisse auf den gestalterisch-praktischen Teil
meiner Thesis
Ein Ausblick zum Thema Vergänglichkeit, Recycling, Upcycling und Nachhaltigkeit.
Recycling:
Angeregt
durch
diese
schriftliche
Arbeit,
durch
Gespräche und durch das Bedürfnis, nachhaltig mit
Materialien umzugehen, suche ich nach Möglichkeiten,
keramische Objekte zu recyclen. In der Recherche habe
ich verschiedene Möglichkeiten gefunden: Einerseits
zerschlagene Keramikobjekte, die als Scherben und als
Scherbenmehl mit neuer Masse gemischt, geformt,
gebrannt und teils geschliffen werden. So zum Beispiel
bei der Skulptur von Felicity Aylieff (Abb. 60) welche mit
diesem Vorgehen arbeitet.
Abb. 60, Felicity Aylieff GB, Oval Rotation
Ähnlich arbeitet Annelies De Leede
(Abb. 61). Keramische Scherben in Stücken
recyclet
der
italienische
Designer
Massimiliano Adami bei seinen Lampen
und Vasen „Softcrack“ (Abb.42, Seite 39).
Abb. 61, Annelies De Leede, Bowl mit
Recycling-Keramik,
Up-cycling:
Andererseits werden bestehende Tassen,
Teller, Schalen, Schüsseln etc. aus allen
möglichen keramischen Materialien, mit
vielfältigen Formen, aus verschiedensten
Stilrichtungen,
mit
Hilfe
identischer
Oberflächen einander angeglichen und
dadurch neu gesehen und genutzt. Dies
sind Strategien des up-cyclings, welches
auch im Bereich der Keramik an Bedeutung
gewinnt. So überdruckt Esther Derkx
Abb. 62 Esther Derkx,
(Abb. 62) bestehende Tassen und Teller mit zusätzlichen, neuen Motiven und schafft damit
eine zeitgenössische Aussage.
49
Die Keramikerin Jeanine Eek Keizer, die Partnerin vom holländischen Möbeldesigner Piet
Hein Eek, sammelt Porzellan in Brockenstuben. Durch frisches Glasieren und erneutem
Brennen verändert sie das Aussehen der Objekte. Die zarten Glasuren lassen teilweise die
ursprünglichen Dekore durchscheinen. Durch die farbliche Einheit in rosa oder türkis
werden die unterschiedlichen Gefässformen zu einer neuen Einheit verbunden. (Abb. 63)
Eine ähnliche Idee zeigt das Plakat vom Recycling-Designpreis (Abb.64).
Abb.64, Plakat vom
Recycling-Designpreis
Abb. 63, Jeanine Eek Keizer
50
Reparieren:
Eine aktuelle keramische Reparaturwerkstatt, in die vor allem Sammler ihre Kostbarkeiten
bringen, besteht in Winterthur (www.porzellan-klinik.ch). Da wird Keramik, Glas und
anderes mit Materialien und Techniken der Zahntechnik repariert.
Im Emmental, im Entlebuch und im Berner Oberland wurde lange die Technik des Heftens
von Schüsseln, Röstiplatten, Chacheli und Krügen praktiziert. Diese waren bei den Bauern
aus Töpferton oder Steingut, also weich genug
zum
Bohren.
Der
„Chacheliflicker
(Emmental)“ oder „Beckibüetzer (Entlebuch)“ hat
zum Flicken beide Hälften der Schüssel angebohrt,
mit
Draht
verbleibenden
zusammengeheftet
Riss
mit
Glaserkitt
und
den
ausgefüllt.
Danach war das Gefäss wieder wie gewohnt
nutzbar und hat dem Abwasch von Hand sicher
standgehalten.
Abb. 65, Beckibüetzer beim Heften
Aus Japan ist die Technik des Reparierens von Keramik mit Gold bekannt. Die traditionelle
japanische Kintsugi-Technik dient zur gebrauchsfähigen Wiederherstellung beschädigter
Keramik-
und
Porzellangegenstände mit Urushi
(Japanlack)
und
feinstem
Pudergold von 22½ Karat.
Abb. 66, Aschi Rüfenacht Teeschale 2007,
repariert in Kintsugi-Technik durch Ursula
Kohli
51
Zusammenfassung
Mit der Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel habe ich mich beschäftigt, ausgelöst durch die
Annahme, dass durch das Bewusstsein der Vergänglichkeit die emotionale Bindung
gesteigert wird. Das lässt sich weder mit einem klaren „nein“ noch „ja“ beantworten. Zu
viele Faktoren spielen mit. Gekoppelt mit der emotionalen Bindung hatte ich gehofft, dass
weniger Produkte konsumiert und verbraucht werden, also ein Beitrag zur Nachhaltigkeit
geleistet wird, da das einzelne Stück eine grössere Bedeutung erhält.
Nach wie vor will ich mit meiner praktisch-gestalterischen Arbeit Menschen zum
Nachdenken anregen über die Vergänglichkeit. Ich will sie mit ihrem Umgang mit Dingen
und letztlich mit ihrer eigenen Endlichkeit konfrontieren. Gleichzeitig will ich auch zu
nachhaltigem Konsum anregen.
Der Widerspruch, dass der Mensch endlich und die Keramik unendlich ist, oder wenigstens
im vergleich zu anderen Materialien sehr dauerhaft, ist für mich ein Anreiz, mich weiter mit
diesem Material auseinander zu setzen.
Durch die Beschäftigung mit der Vergänglichkeit habe ich drei Tendenzen für meine
praktisch-gestalterischen Arbeit festgestellt:
Im Rahmen der praktischen Master-Thesis will ich eine Serie Objekte realisieren, welche
bereits beim Entstehungsprozess, also vor dem ersten Lebenszyklus, die Veränderung des
Materials, der Oberfläche, der Form und damit im weitesten Sinne die Vergänglichkeit in
sich haben.
Zweitens den Wunsch und das Bedürfnis, mit meiner gestalterischen Arbeit funktionale
Unikate mit hohem ästhetischem Anspruch, aber ohne den Zwang zur Perfektion, zu
realisieren, die sich mit dem Alter entwickeln können, die durch Patina, Kratzer und
Gebrauchsspuren zumindest nicht an Wert verlieren. Darin sehe ich mittlerweile
nachhaltigere Auswirkungen als bei der ursprünglichen Annahme. Indem ich bereits im
Atelier andere Prioritäten setzen werde, kommt es schon mal gar nicht zu so viel Ausschuss
wie früher.
Und drittens möchte ich die Themen des Recycling, Upcycling und der Keramikreparatur
aufnehmen.
52
Reflexion
Bezug zwischen schriftlicher und praktischer Thesis:
Im Exposé vom Mai 2012 habe ich dargelegt, wie gross die Spannung ist zwischen dem
keramischen Material und dem Thema der Vergänglichkeit. Dabei beschrieb ich die
schriftliche Thesis als Recherchehilfsmittel für den praktischen Teil der Arbeit.
Die
Sammlung
von
beispielhaften
Arbeiten
zum
Thema
der
Vergänglichkeit
als
Gestaltungsmittel vorab im Bereich Design war anregend und führte zur Liste der
Ausdrucksformen materieller Vergänglichkeit. Die Auseinandersetzung mit Texten zur
Vergänglichkeit in der Gestaltung von Produkten hat mir neue Blickwinkel geöffnet im
Hinblick auf meine gestalterische Arbeit und für zukünftige Projekte. Insgesamt gab die
schriftliche Arbeit eine gute Basis für die Weiterentwicklung und Eingrenzung meines Themas.
Zu Beginn des Studiums stand das Thema der emotionalen Bindung zwischen Objekt und
Nutzer im Vordergrund meines Interesses. In der Annahme, dass der teilweise oder
vollständige Zerfall eines Objekts, die emotionale Bindung stärkt, habe ich mich in der
schriftlichen Thesis mit der Vergänglichkeit als Gestaltungsmittel beschäftigt. Dabei stellte ich
fest, dass ich als Gestalterin auf die emotionale Bindung zwischen Objekt und Nutzer wenig
oder gar keinen Einfluss habe. In dem Zeitraum entstanden die Wachsprojekte, welche mir
Spass machen und die ich nach dem Studium weiterentwickeln will. Im Zusammenhang mit
der praktischen Thesis merke ich, dass mich die Vergänglichkeit und der Ausdruck von
keramischen Gebrauchsobjekten sehr interessiert und letztlich deren Entwicklung und
Geschichte. Es geht um Kulturgeschichte, um das Werden und Vergehen keramischer Dinge im
Lauf der Zeit. Und es geht um Gefässe und deren Vergänglichkeit, seien die nun aus Wachs,
Porzellan, Schokolade oder Seife.
Bei der schriftlichen Master-Thesis habe ich die soziokulturelle Vergänglichkeit bewusst
ausgeklammert. Doch bei der praktischen Thesis holt mich ebendiese wieder ein. Dass
Gebrauchsobjekte plötzlich nicht mehr verwendet werden, weil sie nicht mehr dem Zeitgeist
entsprechen oder durch gesellschaftliche Veränderungen überflüssig wurden, lässt sich anhand
eines Besuch in der Geschirrabteilung eines Brockenhauses unschwer feststellen. Da stehen
unzählige Teller und Tassen, Schüsseln und Krüge, nicht weil sie ihre primäre Funktion nicht
mehr erfüllen würden, sondern weil die Menschen nicht mehr Gefallen finden an der
dickwandigen Tasse oder dem geblümten Teeservice. Weiter sind keramische Objekte oft nicht
mehr in ihrer ursprünglichen gedachten Funktion in Gebrauch. Der Milchkrug wird zur
Wasserkaraffe, die alte Waschschüssel wird zur Obstschale.
Der Porzellan-Kaffeefilter ist Paradebeispiel für ein Ding, das überflüssig wurde. Seine
ursprüngliche Funktion wird nicht mehr gebraucht. Filterkaffee und das Utensil dazu sind aus
53
den meisten Haushalten verschwunden, verdrängt durch Espressokocher, Vollautomaten und
Kapselmaschinen. Der Kaffeefilter ist nun Ausgangspunkt meiner praktischen Thesis. Er erzählt
stellvertretend über das Woher und Wohin von Keramik.
Die Installation zeigt eine Ansammlung von Objekten. Sie erinnern an ihre achtlos und
unzählige Male verwendeten Vorfahren. Sie erinnern an ihre ehemalige Funktion und an
frühere selbstverständliche Verhaltensweisen. Die nachgebildeten Kaffeefilter sind nicht mehr
in Funktion, bedingt durch die von mir gewählte Materialität nicht mehr funktionsfähig und
auch formal Zeugen vergangener Zeiten. Sie symbolisieren ein Stück Kulturgeschichte. Sie
sollen Bewusstsein schaffen für Prozesse der Vergänglichkeit.
Reflexion des Arbeitsprozesses:
Oft knapp, zu spät, wenig Zeit, das war und ist wahrscheinlich ein Teil meiner Realität,
während dem Master-Studium, aber auch sonst. Erschwerend wahrscheinlich auch das
berufsbegleitende Studium, verlängert auf 5, statt 3 Semester. In meinem Kopf waren immer
mehrere Geschichten gleichzeitig, für das Studium, für die Arbeit an der zhdk, für kleine
Projekte von erifakeramik. Letztere hätte ich, rückblickend, alle streichen müssen um mehr
Freiraum für das Studium zu haben.
Genossen habe ich die Arbeit an der schriftlichen Thesis, da konnte ich mich einen Monat
intensiv mit dem Thema beschäftigen. Gefehlt hat mir die Bündelung der Kräfte und damit
verbunden die Intensität vor allem jetzt bei der Arbeit für die praktische Thesis.
Zudem, mir auch seit langem bekannt und immer noch ungelöst: Ich mache grosse
Recherchen, ausufernde Versuche, habe tausend Dinge im Kopf. Doch anschliessend gelingt es
mir nur mit Mühe, die Materialfülle zusammenzufassen und auf einen zu Punkt bringen, um
daraus etwas Neues zu entwickeln.
Trotzdem, vom Studium habe ich profitiert, von der Auseinandersetzung mit verschiedensten
Themen in den Vorlesungen und vor allem von den Gesprächen innerhalb der Tracks, von den
Präsentationen und Rückmeldungen.
Die Motivation für das Studium war, meine Arbeit zu überdenken und erifakeramik weiter zu
bringen. Dazu habe ich Anregungen und Hilfen erhalten. Mein Manifest, im Kapitel 4 Transfer
S. 48, wird mich bei der Weiterentwicklung von erifakeramik unterstützen. Ich wollte im
Studium den roten Faden meiner Arbeit finden. Mit dem Klären vom Thema der
Vergänglichkeit ist mir das meines Erachtens gelungen. Bereits frühere Arbeiten von mir, die
Lichtbecher, die grossen Lichter „entre les deux“, die Reiskörner, die Goldbarren „made for
ever“, die Teller “Kostbare Welten“ stehen im Themenkreis der Vergänglichkeit.
54
Schlusswort
„Das eigentlich Charakteristische dieser Welt ist ihre Vergänglichkeit.“
Franz Kafka
Die Vergänglichkeit ist wesentlicher Teil von Gestaltungs- und Lebensprozessen. Wenn sie
als Selbstverständlichkeit integriert wird, wenn die Objekte sich mit der Zeit bewegen und
verändern können, so fällt der Zahn der Zeit nicht so sehr auf. Wenn hingegen Perfektion
angestrebt wird, so rennt man dieser immer hinterher, und scheitert darin, den Zustand der
Makellosigkeit zu erhalten.
55
Anhang
Bibliografie
Baudrillard, Jean, 2007, Das System der Dinge, über unser Verhältnis zu den alltäglichen
Gegenständen, Campus Verlag Frankfurt/Main, 2007
Boradkar, Prasad, 2012: Rediscovering Value: The Second Lives of Secondhand Goods,
Zeitschrift Design and Culture, Volume 4, Issue 2, July 2012, Article ???, Seiten 221 - 226, ©
Berg 2012
Dietel, Clauss, 1973: Von den veredelnden Spuren des Nutzens oder Patina des Gebrauchs,
S. 51-55 in: Edelmann, Klaus Thomas / Terstiege, Gerrit (Hrsg.) 2010, Gestaltung denken,
Grundlagentexte zu Design und Architektur, Birkhäuser, Basel 2010
Döring, Sabine A. 2010: Ästhetischer Wert und emotionale Erfahrung, S. 53-73 in: NidaRümelin, Julian / Steinbrenner, Jakob (Hrsg.) 2010: Kunst und Philiosophie, Ästhetische
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Bildnachweis
Abb. 1: Désert de Retz: http://www.voyagesvoyages.net/article-le-desert-de-retz106690524.html, 24.8.12
Abb. 2: Ground Zero: http://10cities10years.files.wordpress.com/2010/06/ground-zero-drill.jpg
Abb. 3: Fukushima:
http://www.news.ch/Kuehlaktionen+in+Fukushima+Wirkung+gezeigt/483600/detail.htm,
24.8.12
Abb. 4: Neue Staatsgalerie Stuttgart: James Stirling,
http://flickrhivemind.net/Tags/neuestaatsgalerie/Interesting, 20. 8. 2012
http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/4504632, Viktor Nager, 24.8.12
Abb. 5: Adriaen Coorte, Gooseberries on a Table, 1701, Adriaen Coorte lebte 1683 bis 1707:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:'Gooseberries_on_a_Table'_by_Adriaen_Coorte,_1701
,_Cleveland_Museum_of_Art.JPG, 23.8.12
Abb. 6: Georg Flegel, Stillleben mit Kirschen: http://hjg-sim.de/kdm0810/, 21. 8.2012
Abb. 7: Abigail O´Brien, Still-life V, 1998, Aus der Serie / from the series: The Seven
Sacraments, Kitchen Pieces – Confession & Communion, Cibachrome auf Aluminium kaschiert,
51 x 66 cm, Courtesy Galerie Bugdahn und Kaimer, Düsseldorf, Ausstellung Museum Marta
Herford: Atelier + Küche = Labor de Sinne, Ausstellung 12.5. – 16.9.2012: http://www.artin.de/incmu2.php?id=3020, 26.8.12
Abb. 8: Nadin Maria Rüfenacht: http://www.kwstiftung.ch/it/category/artisti/nadin-mariaruefenacht-artisti/, 26.8.12
Abb. 9: David LaChapelle:
Early Fall, 2011: http://www.artschoolvets.com/news/wp-
content/uploads/2011/02/EarlyFall_Flower_front.jpg, 23.8.12
Abb. 10: Karte in Villa die Chiavenna, Italien, Foto Erika Fankhauser Schürch, Juli 2012
Abb. 11: Sheena Matheiken: www.theuniformproject.com, 26.8.12
Abb. 12: Andrea Zittel: http://www.zittel.org/work.php, 26.8.12
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http://www.blog.designsquish.com/index.php?/site/art_made_from_natural_materials_wolfgang
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Abb. 28: Dieter Roth, Rabbit-shit-rabbit, 1972, 21x10x19cm, Auflage von 250 Stück, straw
and rabbit dung: http://www.artnet.de/ag/fineartdetail.asp?wid=426218361&gid=425386264,
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Abb. 29: Atelier oï, Vogelhaus: http://www.proudmag.com/2012/08/atelier-oi-erhalt-bernerdesign-preis-2012/, 2.10.12
http://inhabitat.com/edible-birdhouse/, 2.10.12
Abb. 30: Anish Kapoor: http://megaportail.com/megapartage/4833-anish-kapoor-plasticiencontemporain.html, und http://www.anishkapoor.com/, 20.8.12
Abb. 31: Arnold Annen: http://www.swissceramics.ch/de/mitglieder/galerie/annen-arnold.html,
20.8.12
Abb. 32: Tamsin van Essen: siehe Abb.16
Abb. 33: Maxim Velkovsky: http://www.dezeen.com/2007/08/31/catastrophe-by-maximvelcovsky/, 26.8.12
Abb. 34: Siri Betts-Sonstegaard:
http://www.facebook.com/photo.php?fbid=110723638960372&set=a.150916234941112.303
54.110723315627071&type=1&theater und im Buch Quinn, Anthony 2008
Abb. 35: Maarten Baas: http://www.maricazottino.com/blog/?p=329 und
ttp://www.maartenbaas.com/, 20.8.12
Abb. 36: Maxim Velkovsky: siehe Abb. 33
61
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http://www.time.com/time/specials/2007/style_design/article/0,28804,1609195_1609098_160
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Abb. 38: Daniel Spoerri, eat art 1992: http://herrmanns.wordpress.com/tag/prof-daniel-spoerri/,
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http://www.danielspoerri.org/web_daniel/deutsch_ds/home.htm, 28.9.12
Abb. 39: Sarah Cihat
http://1800recycling.com/2010/05/restore-oomph-dinner-sustainable-dishware-options/,
26.8.12
Abb. 40: Tilman Latz, Banksystem Flow: http://www.baulinks.de/webplugin/2008/0214.php4,
30.9.12
Abb. 41: John Chamberlain: http://www.artnet.de/magazine/john-chamberlain-in-derpinakothek-der-moderne-munchen/images/3/, 22.8.12
Abb. 42: Massimiliano Adami, Softcrack:
http://www.compassodilatta.org/en/gallery_vote.php?page=51#giu, 27.8.12 und
http://www.couturelab.com/products/Soft_Crack_by_Massimiliano_Adami-7989-0.html
Abb. 43: Paul Cocksedge, Styrene: im Buch Thompson, Henrietta, 2011 und:
http://mocoloco.com/archives/001047.php, 27.8.12
Abb. 44: Tomas Gabzdil: http://www.tomaslibertiny.com/, 20.8.12
Abb. 45: Antje Scharfe: http://www.forum-fuer-zeitgenoessischekeramik.de/cms/front_content.php?idart=109&img=10, 28.8.12
Abb. 46: Eva Hesse:
http://www.google.ch/imgres?q=eva+Hesse&hl=de&client=safari&sa=X&rls=en&biw=1259&bi
h=634&tbm=isch&prmd=imvnsob&tbnid=Q8a5BFKJ9AZdTM:&imgrefurl=http://web.colby.edu
/kksulliv/ar-138/favorite-works-and-artists/eva-hesse2/&docid=2FbJSl4gn6vRlM&imgurl=http://web.colby.edu/kksulliv/wpcontent/blogs.dir/984/files/eva/cone52410.jpg&w=431&h=374&ei=1fNrUKaZBIG2hAe2y4GQ
CA&zoom=1&iact=hc&vpx=959&vpy=139&dur=232&hovh=209&hovw=241&tx=118&ty=89
&sig=115605845303172088027&page=1&tbnh=128&tbnw=150&start=0&ndsp=18&ved=1t:4
29,r:5,s:0,i:86, 28.9.12
Abb. 47: Hilda Hellström: Vorratsgefässe mit verseuchter Erde aus Fukushima
http://www.dezeen.com/2012/06/20/the-materiality-of-a-natural-disaster-by-hildahellstrom/#more-219983, 26.8.12
Abb. 48: Shinichi Maruyama, water sculptures, 2009 und gardens, 2010:
http://www.shinichimaruyama.com, 28.9.12
Abb. 49: Stefan Gritsch: Abbildung im Buch Gritsch, Stefan, 2010: Stillnow, ein Schnitt in
die Farbhaut oder das aufgeschobene Bild, AkkuH und Phoebus Rotterdam 2010
62
Abb. 50: 5.5 Designers: siehe Abb. 25
Abb. 51: Urs Fischer: siehe Abb. 53 und 54
Abb. 52: Andy Goldsworthy: http://www.ebaumsworld.com/pictures/view/80974318/, 27.8.12
Abb. 53 und 54: Urs Fischer: http://www.ursfischer.com/images, 20.8.12
Abb. 55: Bernhard Luginbühl: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Luginbuehl_signal.jpg, 28.9.12
Abb. 56: Zachary Bloom: http://www.trendhunter.com/trends/digital-decay-by-zacharyeastwood-bloom, 20.8.12
Abb. 57: Jürg Schneider, Aufbruch: http://www.atelierkeramik.ch/index2.html, 21.8.2012
Abb. 58: Berlinde De Bruyckere: http://www.likeyou.com/en/node/28822, 27.8.12
Abb. 59: Marc Quinn: http://disabilityaesthetics.blogspot.ch/2009/02/complete-marbles-bymark-quinn.html, 27.8.12
http://www.marcquinn.com/work/view/tag/alison%20lapper/#/2769, 27.8.12
http://publicheart.wordpress.com/2008/11/01/alison-lapper-pregnant/, 27.8.12
Abb. 60: Felicity Aylieff, Oval Rotation: http://collections.vam.ac.uk/item/O49907/ovalrotation-form-aylieff-felicity/, 27.8.12
Abb. 61: Annelies De Leede: Bowl mit RecyclingKeramik,
http://hellomaterialsblog.ddc.dk/2012/05/31/rematerialise-the-sustainable-materials-library/,
29.9.12
Abb. 62: Esther Derkx: http://www.estherx.nl/, 20.8.12
Abb. 63: Jeanine Eek Keizer: http://eatinsidelife.blogspot.ch/2011/08/jeanine-eek.html, 27. 9.
2012 und http://www.pietheineek.nl/nl/winkel/jeanine-eek-keizer/lipstick001
Abb. 64: RecyclingDesignPreis- Plakat des Wettbewerbs: http://www.stilwerk.de/stilwerknews/D_RDP.php, 27.8.12
Abb. 65: Beckibüetzer, Abbildung aus dem Buch Hugger, Paul / Marti, Hans, 1972: Ein
„Beckibüetzer“ (Geschirrflicker) aus dem Napfgebiet, Schweizerische Gesellschaft für
Volkskunde, Abteilung film, Reihe: altes Handwerk, Heft 31, Krebs AG, Basel 1972
Abb. 66: Aschi Rüfenacht Teeschale 2007, repariert in Kintsugi-Technik durch Ursula Kohli
Fotografiert durch Erika Fankhauser Schürch, Januar 2011
Link zur Kintsugi-Technik, Restaurator Stefan Drescher, Deutschland:
http://www.kintsugistudio.com, http://www.kintsugi.de/kintsugigalerie.htm, 27.9.12
63
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich den Inhalt der vorliegenden schriftlichen MA-Thesis selbst
erarbeitet habe und alle Quellen, sowohl für Bild und Text rechtmässig aufgeführt sind.
Luzern, Januar 2013
Erika Fankhauser Schürch
64