Der exulcerierende Tumor
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Der exulcerierende Tumor
Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Der exulcerierende Tumor „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ (Cicely Saunders) Christine Lücker Hausarbeit Zumbroockstr. 15 Onkologiekurs 2009/ 2011 48153 Münster Abgabetermin: 21.06.2010 1 Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 Kurzfassung .............................................................................................................. 3 Einleitung ................................................................................................................. 4 Aufgaben der Haut ................................................................................................... 5 Definition: Exulcerierende Tumore.......................................................................... 6 4.1 Einteilung ......................................................................................................... 6 4.2 Vorkommen ...................................................................................................... 6 4.3 Symptome......................................................................................................... 6 5 Bedeutung einer exulcerierenden Tumorwunde....................................................... 7 5.1 Bedeutung für den Patienten............................................................................. 7 5.2 Bedeutung für die Angehörigen ....................................................................... 7 5.3 Bedeutung für die Pflegenden .......................................................................... 8 6 Ziele .......................................................................................................................... 9 6.1 Ziele in Bezug auf den Patienten...................................................................... 9 6.2 Ziele in Bezug auf die Angehörigen................................................................. 9 6.3 Ziele in Bezug auf die Pflegenden.................................................................. 10 7 Maßnahmen zur Wundversorgung ......................................................................... 11 7.1 Wundanamnese............................................................................................... 11 7.2 Wunddokumentation ...................................................................................... 11 7.3 Wundtherapie.................................................................................................. 12 7.3.1 Wundschmerz ......................................................................................... 12 7.3.2 Exsudation .............................................................................................. 13 7.3.3 Blutungen ............................................................................................... 14 7.3.4 Geruch .................................................................................................... 16 8 Schlussfolgerung .................................................................................................... 18 9 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 19 10 Anhang ................................................................................................................... 20 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Innerliche und äußerliche Zerstörung......................................................... 4 Abbildung 2: Die Schichten der Haut .............................................................................. 5 Abbildung 3: Ausdruck des Zwiespalts............................................................................ 8 Abbildung 4: Schaffung eines inneren Gleichgewichts. ................................................ 10 Abbildung 5: Ein Weg zur Geruchsbekämpfung… ....................................................... 17 Abbildung 6: Wegbegleiter sein..................................................................................... 18 Abbildung 7: Exulcerierender Tumor bei T-Zelllymphom. .......................................... 20 2 1 Kurzfassung Diese Hausarbeit soll eine Hilfestellung für alle sein, die Menschen mit exulcerierenden Tumorwunden begleiten. Sie richtet sich an Betroffene, an Angehörige und an Pflegende. Zunächst wird kurz auf die Funktionen der Haut eingegangen. Darauf folgt die Erklärung, um was es sich bei exulcerierenden Tumoren handelt. Im weiteren Verlauf wird. näher gebracht, welche Bedeutung diese Art von Wunde für alle, oben genannten, Seiten hat. Anschließend erfolgt die Zielformulierung. Diese erläutert explizit, auf welche Bedürfnisse bei den einzelnen Gruppen eingegangen werden muss. Anhand der Maßnahmen werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man mit den extremen Symptomen umgehen kann und, wie man diese Menschen Würdevoll und Respektvoll mit ihrem Schicksal begleitet. Hierbei steht der Gedanke im Vordergrund, durch Symptomkontrolle ein Höchstmaß an Lebensqualität zu erhalten. 3 2 Einleitung In Deutschland wurden im Jahr 2004 laut der deutschen Krebsgesellschaft 436.500 Krebsneuerkrankungen gemeldet. Darunter sind 57.000 an Brustkrebs erkrankte Frauen, was insgesamt 12 % der gesamten Neuerkrankungen ausmacht. (1) Der Brustkrebs, auch Mamma Carcinom genannt, gehört zu den Krebsarten, die besonders häufig nach außen geschwürig zerfallen. Durchbricht der Tumor die äußere Abgrenzung, so ist er für alle sichtbar und greift bei den Betroffenen massiv ins eigene Schönheitsempfinden ein. Die Bedeutung der Haut in punkto Schönheit wird durch ein riesiges Angebot an Cremes und Lotionen mit wunderbaren Düften, sowie ein immer größer werdendes Angebot an Beauty- und Wellnessfarmen widergespiegelt. Äußere Schönheit und gesundes Aussehen scheinen häufig der Schlüssel zum Erfolg und zu vielfältigen sozialen Kontakten zu sein. Sie sind für viele Menschen Grundlage für ein gestärktes, positives Selbstwertgefühl. Wird diese Schönheit „durchbrochen“, führt es unweigerlich zur (Zer-)störung des äußeren und oft auch des inneren Körperbildes. Abbildung 1: Innerliche und äußerliche Zerstörung 4 3 Aufgaben der Haut Die Haut ist das größte Körperorgan. Sie hat eine Fläche von 1,5-2 m2 und das Gewicht beträgt 3,5-10 kg. Sie hat für den menschlichen Organismus lebenswichtige Funktionen. Die intakte Haut bietet dem Körper Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen, wie Wärme, Kälte, Strahlungen, sowie chemischen und physikalischen Einflüssen. Sie reguliert den Wasserhaushalt und die Temperatur. Ihr Säureschutzmantel dient als äußere Barriere zum Schutz vor Krankheitserregern. Die Haut ist auch ein sensitives Organ und nimmt Sinneseindrücke aus der Umwelt auf. Schließlich wird die Haut als „Spiegel der Seele“ betrachtet und ist in diesem Sinne auch Kommunikationsorgan. (2) Abbildung 2: Die Schichten der Haut 5 4 Definition: Exulcerierende Tumore Die British Columbia Cancer Agency definiert exulcerierende Tumore als: „Maligne Läsion der Haut, verursacht durch einen primären Hauttumor, durch eine Hautmetastase eines anderen primären Tumors oder durch den Durchbruch eines Tumors aus unten liegenden Gewebeschichten.“ (3) 4.1 Einteilung Exulcerierende Tumore werden in drei Gruppen unterteilt: 1. Primäre Hauttumoren: z.B. Plattenepithelcarcinom, Melanom 2. Direkte Tumorinfiltrationen (durch einen direkt unter der Haut liegenden Tumor): z.B. Mamma Carcinom, T-Zell-Lymphom 3. Hautmetastasen (durch Streuung eines primären Tumors) 4.2 Vorkommen Sowohl Metastasen als auch primäre Tumore führen durch ihre Proliferation zur flächenhaften Ulceration der Haut. Es entstehen knotige Neoplasien und hypertrophes Gewebe ohne komplette Epithelialisierung. Meist treten diese nässenden Gebilde im Endstadium einer Tumorerkrankung auf, bei vorliegenden Metastasen. Ungefähr 60 % der Exulcerationen treten im Brustbereich auf und 25 % im Kopf-Hals-Bereich. Exulcerationen sind auch durch Nieren-, Lungen-, Ovarial-, Colon- oder Penistumore möglich. Die Inzidenz liegt bei 10 %.(4) 4.3 Symptome Durch die Infiltration von Carcinomzellen in das Epithelialgewebe und durch Wundinfektionen zeigen sich häufig folgende Symptome: 1. Schmerzen 2. Exsudation 3. Blutungen: Blutung aus dem Tumor / Gefäßruptur (unstillbare Blutung) 4. Wundgeruch: Wundinfektion und Tumornekrosen/-zerfall 6 5 Bedeutung einer exulcerierenden Tumorwunde Exulcerierende Wunden sind für alle Beteiligten eine extreme Belastung. Der Tumor durchbricht die äußere Grenze des Körpers und ist nun für alle sichtbar und allgegenwärtig. Der Betrachter wird mit diesem nun ständig konfrontiert. Zusätzlich kann eine enorme Geruchsbelästigung auftreten, die alle Beteiligten leiden lassen kann. 5.1 Bedeutung für den Patienten Die auftretende Hautveränderung macht das Fortschreiten der Erkrankung für den Patienten sichtbar. Die Erkrankung ist nicht mehr nur innerlich spürbar, er kann sie betrachten. Veränderungen sind fast täglich zu sehen. Es kommt zu einer allmählichen (Zer)störung des Körperbildes und seiner Körperwahrnehmung. Hierbei treten häufig Schamgefühle, Wut oder Abneigung gegen seinen eigenen Körper auf. Durch die äußere Sichtbarkeit des Tumors ist dieser stets präsent. Dies macht es dem Erkrankten so gut wie unmöglich seine lebensbedrohliche Erkrankung zu verdrängen. Häufig treten in diesem Zusammenhang Existenzängste auf. Der Betroffene wird ständig an seine Erkrankung und die daraus entstehenden tödlichen Folgen erinnert. Er ist gezwungen sich mit seiner zeitlich begrenzten Zukunft auseinanderzusetzen. Dieses hat eine hohe emotionale Spannung zur Folge. Das zerfallene Gewebe wirkt unästhetisch. Der Erkrankte trauert um sein verlorenes Körperbild, er ist sehr verletzlich und beobachtet die Reaktionen aus seiner Umgebung genau. Kommt der extrem üble Geruch hinzu, den der Tumor verbreiten kann, so ist der Betroffene durch die ablehnenden, schockierten Reaktionen aus der Umwelt häufig am Boden zerstört. Hinzu kommt die Angst, bei lebendigem Leib zu verfaulen. 5.2 Bedeutung für die Angehörigen Für viele Angehörige stellt diese Situation eine Überforderung dar. Die meisten stecken in einem Zwiespalt. Sie erleben den Leidensdruck des von ihnen geliebten 7 Menschen, dem sie häufig ratlos gegenüberstehen. Sie wissen nicht wie sie helfen können. Auf der anderen Seite bestechen die eigenen Gefühle wie Ekel und Abneigung beim Anblick des aufbrechenden Geschwulst. Hinzu kommt noch, dass das betreuende Team, wie Hausarzt und Pflegedienst, oftmals keine adäquate Hilfe anbieten kann. Die Belästigung durch den Geruch und der Anblick der Wunde stellen eine extreme Belastung dar. Viele Angehörige ertragen die Nähe zum Partner, aufgrund der Symptome, nicht mehr und gehen auf Distanz durch räumliche Trennung. Diese Schutzreaktion wird von der Umwelt oftmals als Abwendung zum Partner interpretiert. Diese Vorstellung kann zu Schuldgefühlen führen. 5.3 Bedeutung für die Pflegenden Pflegende, die eine exulcerierende Tumorwunde versorgen, benötigen ein hohes Maß an Kompensationsfähigkeit. Auch für sie stellt der Anblick einer solchen Wunde eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen Wundgeruch und Schmerzen. Tritt der Pflegende nun mit dem Anspruch der ganzheitlichen Pflege an den Patienten heran, so kann er schnell an seine Grenzen kommen. Berührungsängste, Abscheu und Ekel sind Gefühle, die auch bei Pflegenden auftreten können. Viele Pflegende haben deswegen ein schlechtes Gewissen dem Patienten gegenüber. Gleichzeitig besteht ein hohes Maß an Mitleid. (5), (6) Abbildung 3: Ausdruck des Zwiespalts 8 6 Ziele Exulcerierende Tumore können nicht geheilt werden. Bei der Versorgung einer ulcerierenden Wunde steht daher der palliative Gedanke im Vordergrund. Laut WHO- Definition von 2002 ist „Palliativmedizin (…) ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.“ Da eine exulcerierende Wunde für alle Beteiligten eine große Belastung darstellt, muss die Zielsetzung nicht nur für die Pflegenden formuliert werden, sondern auch für die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen. 6.1 Ziele in Bezug auf den Patienten 1. Der Patient erhält die bestmögliche pflegerische und medizinische Hilfe zur Symptomlinderung. 2. Er hat die Chance seine Gefühle (z.B. Wut / Angst / Ekel) zu äußern, fühlt sich ernst genommen und gut aufgefangen. 3. Der Betroffene erhält die Möglichkeit sich mit seinem verändertem Körperbild auseinanderzusetzen. 6.2 Ziele in Bezug auf die Angehörigen 1. Die Angehörigen fühlen sich mit ihren Ängsten, Befürchtungen und Gefühlen angenommen und haben die Möglichkeit diese zu äußern. 2. Sie lernen zu verstehen, was die Patienten für eine große Last tragen durch die Symptome. 3. Es werden Umgangsstrategien vermittelt, wie der Geruch / der Anblick der Wunde besser ertragen werden kann. 4. Die Angehörigen lernen Möglichkeiten und Grenzen der palliativen Versorgung kennen. 9 6.3 Ziele in Bezug auf die Pflegenden 1. Den Pflegenden ist bewusst, dass es Unterschiede bezüglich der Versorgung geben kann zwischen einem exulcerierendem Tumor und anderen (Tumor-) wunden. 2. Sie haben die Kompetenz Pflegemaßnahmen auszuwählen, die bei einer ulcerierenden Wunde angemessen sind (Symptombekämpfung). 3. Durch die ausgewählten Maßnahmen erfährt der Betroffene ein Höchstmaß an Lebensqualität, Wohlbefinden und Selbständigkeit. 4. Die Pflegenden wissen um die Möglichkeit professioneller Hilfe (Wundmanager / Stomatherapeuten) und nutzen diese bei Bedarf. 5. Der Patient wird, angesichts seines entstellten Körperbildes, als Individuum wahrgenommen. 6. Es ist angezeigt die Bedeutung der Exulceration für den Patienten im alltäglichen Leben zu reflektieren und ihm Zuwendung zu schenken. 7. Die Pflegenden sollen die Belastung durch die Behandlung der Wunde erkennen, reflektieren und die entstehenden Gefühle akzeptieren (Kommunikation im Team). (6) Abbildung 4: Schaffung eines inneren Gleichgewichts. 10 7 Maßnahmen zur Wundversorgung Der wichtigste Schritt um eine adäquate und effiziente Wundversorgung durchführen zu können, ist die Wundanalyse mit Dokumentation. Sie wird benötigt um Wundtherapeutika indikationsgerecht einzusetzen und ein Therapiekonzept zu erarbeiten. Hierzu muss die Wunde begutachtet werden. Es erfolgt die Anamnese. 7.1 Wundanamnese Bei dieser wird der Wundstatus erfasst. Die Beurteilung sollte nach folgenden Kriterien erfolgen: ¾ Wundursache / Diagnose (Tumordurchbruch, Metastase) ¾ Lokalisation der Wunde (Mamma li /re, Hals li /re) ¾ Wundgröße (Länge/ Breite/ Tiefe in cm, Taschen/ Fistelbildung?) ¾ Wundaussehen (Beläge, Nekrosen, Gewebequalität) ¾ Wundexsudation vorhanden? (trocken, feucht, starke Sekretion) ¾ Wenn ja, Qualität des Exsudats (serös, blutig, putride) ¾ Wundgeruch (stark, moderat, fehlend) ¾ Wundrandaussehen (vital / hautfarben, avital / weißlich, infiziert / gerötet) ¾ Schmerzabfrage (bei Bewegung / Lagerung / beim Verbandswechsel) ¾ Phaseneinteilung: Exsudatinsphase Granulationsphase (Aussehen und Konsistenz (blass rosa, pink, kräftig rot / schwammig, weich, fest)) Epithelisierungsphase (beginnende Epitheliasierung, abgeschlossen) 7.2 Wunddokumentation Die Wundanamnese bildet die Grundlage für die Wunddokumentation. Diese wiederum ist der Grundstein für eine qualitativ hochwertige Wundversorgung. Durch die Verschriftlichung der ermittelten Daten kann der Verlauf der 11 Wundheilung begutachtet werden. Außerdem ist der Effekt der gewählten Therapie gut zu beurteilen und ist die Basis für eine einheitliche Wundbehandlung. Sie stellt eine Vorlage für die Wundversorgenden dar und gilt als Nachweis über geleistete Tätigkeiten. Somit ist eine gute Transparenz gegeben und Versorgungsbrüchen kann entgegengewirkt werden. Hilfreich ist es auch, ergänzend eine Fotodokumentation vorzunehmen, um die Wundverhältnisse bildlich zu veranschaulichen und zu archivieren. 7.3 Wundtherapie Allgemein gilt für alle Wunden (septisch/kontaminiert/aseptisch): Für die Wundbehandlung ist die sterile/aseptische Arbeitsweise von größter Bedeutung. Es werden ausschließlich sterile Materialien verwand. Dadurch soll der Patient vor Infektionen geschützt werden. Unabdingbar ist es auch den Patienten über die Vorgehensweise des Verbandswechsels zu informieren, sowie über die einzelnen Arbeitsschritte. Dieses Vorgehen soll helfen eventuelle Ängste des Betroffenen abzubauen. (7) Da die Wundreinigung einer palliativen Wunde symptomorientiert erfolgt, wird die Wundreinigung nicht als extra Punkt aufgenommen, sondern in die folgenden Symptombehandlungsstrategien eingebettet. 7.3.1 Wundschmerz Ein Verbandswechsel geht häufig mit Schmerzen einher und bedeutet für den Patienten eine Stresssituation. Dieser Stress ist nicht nur physischer Natur sondern auch psychischer. Wird die Belastung durch den Stress zu groß, kann es sein, dass der Betroffene die Behandlung ablehnt. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig den Stress zu reduzieren. Dieses kann man durch nachfolgende Techniken und Strategien schaffen: Besonders wichtig ist es den Betroffenen in die Behandlung einzubeziehen und die Vorgehensweise abzusprechen. Die Lagerung soll bequem sein, sofern dies möglich ist. Eine stressfreie Umgebung (z.B. durch Ausschalten von elektronischen Geräten) hilft beim Entspannen. 12 Wichtig ist es, die Schmerzen des Patienten ernst zu nehmen und ihm bei Bedarf Pausen und Ablenkung zu gewähren. Hierbei ist die Anwendung einer Schmerzskala sehr hilfreich. Mittels dieser können Absprachen getroffen werden. Die Wundauflage soll schonend abgelöst und bei Bedarf vorher angefeuchtet werden. Die Wundspüllösung ist vor Gebrauch zu erwärmen (Wasserbad) und mit wenig Druck zu applizieren. Allgemein gilt, dass ein feuchter Verband dem Patienten weniger Schmerzen beim Ablösen bereiten wird als ein trockener, da dieser nicht mit der Wunde verklebt. Die mechanische Wundreinigung erfolgt atraumatisch. Die Wundfläche wird mit Kompressen durch Abtupfen schonend gesäubert. Beläge werden durch behutsames Andrücken der Kompresse entfernt. Unnötige Reize sollten unbedingt vermieden werden. Zudem sollte eine Wundspülung erfolgen, diese hilft die abgetragenen Hautpartikel aus der Wunde zu entfernen. Die Wunde sollte nur so lange offen bleiben wie nötig, um ein Austrocknen/Auskühlen zu vermeiden. Die Wundheilung beginnt erst ab einer Temperatur von 28°C. Bei Bedarf sollte ein Hautschutz appliziert werden um die Umgebungshaut vor weiteren Wunden und somit auch Schmerzen zu schützen. Auf Wundauflagen mit Klebeflächen sollte verzichtet werden, um eine Nervenreizung zu vermeiden. Wichtig ist es beim Anlegen des neuen Verbandes darauf zu achten, dass der Verband spannungsfrei angebracht wird und Einschnürungen durch zu festes Anwickeln vermieden werden. Diese Faktoren können später Beschwerden hervorrufen. Nach dem Verbandswechsel erfolgt die Evaluation gemeinsam mit dem Patienten. Hierbei wird geklärt, wie der nächste Verbandswechsel zu erfolgen hat (in Bezug auf die Schmerzen). An diesem Punkt können Absprachen bzgl. Analgetika getroffen werden. Diese müssen, je nach Art des Analgetikums, eine bestimmte Dauer vor dem Verbandswechsel appliziert werden. Es bedarf einer ärztlichen Anordnung und muss dokumentiert werden. 7.3.2 Exsudation Durch das vermehrte Auftreten von Wundexsudat erhält die Wunde eine eigene Charakteristik. Durch das ständig nachlaufende Sekret fühlen sich viele Erkrankte beeinträchtigt und unwohl. Sie haben Angst „auszulaufen“. Das Exsudatmanagement steht im Vordergrund. 13 Das hohe Ausmaß an Sekretion macht den Einsatz von Wundauflagen mit großem Saugvermögen notwendig. Das sind z.B. Vlieskompressen mit Superabsorbern (Sorbion Sachet®). Diese sind Kunststoffe, die in der Lage sind ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Flüssigkeit aufzunehmen. Man kann sie gut mit Baumwollkompressen oder Schaumverbänden (Biatain®) kombinieren. Hierbei muss beachtet werden, dass diese Verbände an Volumen zunehmen. Dementsprechend muss genug Luft gelassen werden und der Verband darf nicht zu eng befestigt werden. Schaumverbände sind ebenfalls sehr saugfähig und gewährleisten ein physiologisches Wundmilieu. Sehr gut geeignet sind auch Hydrofaserwundverbände (Aquacell®). Sie gelieren nur an den Kontaktstellen und nehmen das bis zu 25-fache ihres Trockengewichtes an Flüssigkeit auf. Die Verbandintervalle müssen angepasst werden. Hierbei gilt: So häufig wie nötig, so selten wie möglich. Bei stark exsudierenden Wunden wirkt ständig Feuchtigkeit auf die Wundumgebung ein. Hierbei besteht erhöhte Mazerationsgefahr. Um diese Hautirritation zu vermeiden sollte ein adäquater Hautschutzfilm (Cavilon®/Phantenolcreme/durchsichtige Hydrokolloidverbände) zum Einsatz kommen. 7.3.3 Blutungen Das Verkleben des Wundverbandes mit der Wunde kann beim Ablösen zu Blutungen führen. Deshalb muss ein Verkleben verhindert werden. Hierzu benutzt man Fettgaze (z.B. Adaptic®). Der Verband muss vor dem Ablösen angefeuchtet werden. Dies kann mit NACL 0,9% erfolgen, mit Ringerlösung oder mit Salbeitee. Eine blutende Wunde wirkt bedrohlich und löst Ängste aus. Die Menge des Blutverlustes ist schlecht abzuschätzen und wird häufig überschätzt. Wichtig ist es immer eine Panikreaktion zu vermeiden und Ruhe zu bewahren. Für alle Wundblutungen gilt: Die Erstmaßnahme ist die Komprimierung. Außerdem sollte stets ein rotes Handtuch bereitgehalten werden, und dunkle Bettwäsche, um eine Panikreaktion zu vermeiden. Leider ist dies im Krankenhaus häufig schlecht umzusetzen. Man unterscheidet drei Arten von Blutungen: 14 ¾ Die kleine Sickerblutung: Hierbei reicht das Kühlen mit einem Kühlelement oder Eiswürfeln (Vasokonstriktion) und ein Druckverband (Kompression). Zusätzlich kann eine Tamponade eingelegt werden oder ein hämostatischer Verband (z.B. Kaltostat®/ Calciumalginat). ¾ Die größere Blutung: Bei dieser Blutung genügen Kühlen und Druck allein nicht aus. Es ist vorteilhaft mit Suprarenin® im Verhältnis 1:1000 (1 Amp. Suprarenin® auf 9ml Nacl 0,9%) zu spülen. Es können auch adstringierende Nasentropfen (0,1%) oder Tamponaden mit vasokonstriktionellen Eigenschaften (Clauden®) angewendet werden (ärztliche Anordnungen für Medikamentenapplikation erforderlich!). Außerdem kann man in Salbeitee getränkte Kompressen auflegen. Im Tee sind Gerbstoffe enthalten, die zur Blutstillung führen. Zudem wirkt Salbei desinfizierend und adstringierend. Lässt sich die Blutung nicht stillen muss über eine chirurgische Blutstillung nachgedacht werden. ¾ Die arterielle Blutung: Bei Vorhersehbarkeit einer größeren arteriellen Blutung sind im Vorfeld Absprachen zu treffen zwischen Patient und Behandelnden. Diese sind zu dokumentieren. Für eventuell benötigte Medikamente sind im Vorfeld Bedarfsanordnungen einzuholen. Diese Art von Blutungen sind selten, kommen aber immer wieder vor. Ist ein Tumor in ein arterielles Gefäß eingewachsen, so kann dieses schnell instabil werden und ruptieren. Es kommt zu einem immensen Blutverlust innerhalb von kürzester Zeit, wobei es kaum möglich ist solch eine Blutung zu stoppen. Durch den extremen Blutverlust verliert der Patient meist rasch sein Bewusstsein. Deshalb ist eine Sedierung selten nötig. Für einen Betroffenen mit drohender Gefäßruptur sollte im Patientenzimmer immer eine Notfallmedikamentenbox deponiert werden. Hat der Patient Angst oder ist Unruhig, so können ihm Benzodiazepine (Bsp. Midazolam/Lorazepam) helfen. Hierbei sollte eine der Situation angepasste Applikationsart erfolgen, wenn möglich intravenös, ansonsten sublingual/rektal. Oberstes Gebot ist es, den Patienten nicht allein zu lassen! 15 Klagt der Betroffene über Atemnot, so bringen Morphine schnelle Linderung. Ansonsten ist die Gabe von Opioiden nicht induziert, da eine Tumorblutung selten Schmerzen hervorruft. Für die Angehörigen und Pflegenden ist diese Art des Sterbens häufig höchst traumatisch. Einerseits sind sie froh, dass der Leidende erlöst ist, auf der anderen Seite steht die Vorstellung des Verblutens und das Nichtwissen, ob der Betroffene gelitten hat. Für den Leidenden, der gewillt ist zu sterben, stellt diese Form des Ablebens eine rasche Erlösung seiner Qualen dar. 7.3.4 Geruch Der Wundgeruch führt zur maximalen Einschränkung der Lebensqualität von Patienten und Angehörigen. Sie verlieren durch die faulige, jauchige, kaum zu beschreibende Ausdünstung des Tumors oft alle sozialen Kontakte. Hierdurch wird deutlich, welchen wichtigen Punkt die Wundgeruchsbekämpfung darstellt. Häufige Gründe für die Geruchsbildung sind die Infektion der Wunde oder der Tumorzerfall. Die Infektion kann durch Spülen mit Antiseptika (Octenidin /Polihexanid) bekämpft werden. Silberhaltige Verbände (Silvercell®) wirken bakterizid und sind hier optimal einzusetzen. Umstritten ist die routinemäßige Spülung mit Antibiotika (Metronidazol/ Clindamycin). Sie sollte in Zeiten der Muliresistenten Keime nur angewandt werden, wenn das Ergebnis des Wundabstrichs vorliegt und die Keime sensibel sind (Ärztliche Anordnung). Gut wirksam sind auch Chlorophyllhaltige Lösungen, die, auf Kompressen aufgebracht, auf die Wunde gegeben werden. Sie sind desodorierend und desinfizierend. Diese sind auch in Drageeform erhältlich und wirksam. Hat man keine keimreduzierende Spüllösung vorrätig, können vorübergehend alle gängigen Wundspüllösungen angewandt werden. Um den Geruch zu binden hat sich Aktivkohle als besonders optimal erwiesen. Nebenbei hat sie eine hohe Saugfähigkeit. Diese Aktivkohle gibt es als Fertigverbände, auch bereits kombiniert mit Silber (ACTISORB Silver 220®). Es besteht auch die Möglichkeit zermörserte Kohle-Compretten® in eine Kompresse zu geben. Dabei muss der direkte Hautkontakt vermieden werden, damit sich die Kohlepartikel nicht festsetzen. Die Wundreinigung ist dann extrem erschwert und eventuell auch schmerzhaft. Zudem ist die Wunde schlecht zu beurteilen. Diese Art der Applikation findet man eher in Hospizen oder auf Palliativstationen. 16 Wenn die Anatomie der Wunde es zulässt, kann man versuchen eine Stomaversorgung um die Wunde anzubringen. Sie bildet ein geschlossenes System, schützt somit vor Geruch und fängt nebenbei das Sekret auf. Auch ein Abdecken der Wunde mit haushaltsüblicher Klarsichtfolie stellt eine vorübergehende Hilfe dar. Hierbei werden die Wundränder mit Zinkpaste eingerieben und die Folie dann über die Paste und das Verbandsmaterial gespannt. Regelmäßiges Lüften und der Wechsel beschmutzter Bettwäsche/Kleidung sollte selbstverständlich sein. Um für eine angenehme Umgebungsluft zu sorgen kann man Kräuterduftkissen im Zimmer verteilen oder, wenn der Betroffene es wünscht, auf dem Wundverband befestigen. Die Luft kann mit Chlorophyll neutralisiert werden. Es gibt auch extra Geruchsbinder (Nilodor®). Diese sollten sparsam angewandt werden (ein bis zwei Tropfen), da sie einen extremen Duft verbreiten. Zusätzlich kann Kaffeepulver offen stehen gelassen werden, oder es kann mit Aromalampen gearbeitet werden. Hierbei sollte man ganz und gar auf die Wünsche des Erkrankten eingehen, da jeder Mensch andere Vorlieben hat. Zudem ist es möglich, dass ein angewandter Duft zu einer dauerhaften negativen Assoziation mit der Wunde führt. (8),(9) Abbildung 5: Ein Weg zur Geruchsbekämpfung… 17 8 Schlussfolgerung Der Patient mit einer exulcerierenden Tumorwunde stellt eine enorme Herausforderung an die Pflegenden dar. Es wird nicht nur ein immenses Fachwissen vorausgesetzt, sondern auch ein hohes Maß an Flexibilität, Kreativität und Sensibilität. Der Betroffene wird jeden Tag an sein Leiden und an seine hoffnungslose Situation erinnert, durch den Anblick der Wunde und die dadurch entstehenden Symptome. Die Angehörigen müssen das Leid und die Trauer über den baldigen Verlust eines geliebten Menschen ertragen. Zudem haben sie durch Ekelgefühle mit ihrem Gewissen zu kämpfen. Die Aufgabe der Behandelnden greift an diesem schweren Punkt. Wir können durch die Symptomkontrolle dem Erkrankten ein Höchstmaß an Lebensqualität ermöglichen und ein Stück „Alltag“ schenken. Durch einen offenen und sensiblen Umgang geben wir dem Betroffenen Mut und Selbstvertauen. Wir versuchen sie und ihre Angehörigen auf ihrem schweren Weg optimal zu begleiten. Abbildung 6: Wegbegleiter sein. 18 9 Literaturverzeichnis (1) Deutsche Krebsgesellschaft: Patienten- Krebs, was ist das- Krebshäufigkeit. http://krebsgesellschaft.de (30.01.2010) (2) Schäffler A, Schmidt S (Hrsg.). Biologie, Anatomie, Physiologie. Stuttgart: Urban & Fischer, 1998: 135 (3) Heiligenschmidt R, Dr. Marques M: Therapie- und Handlungsempfehlung: Palliative Wundbehandlung. http://netzwerk-palliativmedizin-essen.de (30.01.2010) (4) Balon C: Exulcerierende Tumore- Strahlenschäden. http://pflegeprofi.com (31.01.2010) (5) Kern M : Sektion Pflege - Palliative Care Lehren/ Lernen/ Leben – exulcerierende Tumore. http://dgpalliativmedizin.de (14.02.2010) (6) Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin- Sektion Pflege Stand 10/2004: Pflegeleitlinien exulcerierende Wunden. http://dgpalliativmedizin.de (14.02.2010) (7) Voggenreiter G, Dold C. Wundtherapie- Wunden professionell beurteilen und erfolgreich behandeln. Stuttgart: Thieme, 2004: 49-56 (8) Jaroljmek F: Palliative Pflege bei exulcerierenden Tumoren. http://qzpm.r-arnold.de (15.02.2010) (9) Sellmer W: Aspekte der Wundversorgung in der Palliativbetreuung. http://werner-sellmer.de (18.12.2009) 19 10 Anhang 1. Dokumentation sekundär heilender Wunden 2. Beurteilung des Wundzustands 3. Übersicht der hydroaktiven Wundverbände und Spezialverbände 4. Erklärung über die ordnungsgemäße Anfertigung schriftlicher Leistungsnachweise Abbildung 7: Exulcerierender Tumor bei T-Zelllymphom. 20 21 22 23 24 25