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Corsica 2'848 Wörter, 19'357 Zeichen
?Corsica (franz. la Corse), Insel im Mittelmeer, seit 1768 zu Frankreich gehörend und gegenwärtig ein Departement der
Republik bildend, erstreckt sich nördlich von der Insel Sardinien von 41° 21' bis 43° nördl. Br. und von 8° 32' bis 9° 31' östl. L. v. Gr.,
wird von dieser Insel durch die 11 km breite Straße von Bonifacio getrennt, ist von Livorno, dem nächsten italienischen Hafen, 84 km
und von dem nächsten französischen Hafen, Antibes, 172 km entfernt (s. Karte). Sie hat von N. nach S. eine Länge von 183 km und
eine größte Breite von 85 km, eine Küstenentwickelung von 700 km, einen Flächenraum von 8747 qkm (148,8 QM.). Ganz Corsica
besteht aus einer einzigen Bergmasse, der nur an der Ostseite eine schmale, aus jüngern und jüngsten Bildungen bestehende Ebene
angelagert ist. Die Insel ist deutlich als ein abgelöstes Stück von Sardinien zu erkennen, beide Inseln stimmen ihrem innern Bau
? ^[Abb.: Karte der Insel Corsica.]
nach überein, und das jetzt französische Corsica ist auch in dieser Hinsicht, wie seiner geographischen Lage, seinem Klima und
seinen Produkten, der Sprache und Geschichte seiner Bewohner nach, ein italienisches Land: mit Italien verknüpft es ein
unterseeischer, wohl nirgends unter 100 Faden sinkender Rücken, auf welchem sich ihm die toscanischen Inseln entgegenstrecken,
während es von der Provence durch Tiefen von 1000 Faden getrennt ist. Eigentümlich aber ist es, daß gerade die Ostküste flach, von
Lagunen begleitet, fieberschwanger, unnahbar ist und nur im äußersten Süden und Norden sich gute Häfen, der von Malaria
heimgesuchte von Porto Vecchio und Bastia, finden, letzterer der bei weitem wichtigste, das Organ, durch welches Corsica von jeher
den lebhaftesten Verkehr mit Italien (Genua und Livorno) unterhalten hat.
Bei Bastia setzt sich an den Rumpf der Insel die gebirgige, 38 km lange Halbinsel von Kap Corso, so nach der Nordspitze
benannt, an, die an ihrer westlichen Basis den Hafen von San Fiorenzo hat. Sehr viel reicher gegliedert, reicher an Buchten und
malerischen, steilen Vorgebirgen ist die Westseite der Insel; es folgen aufeinander die Buchten von Calvi, Porto, Sagona, Ajaccio und
Valinco, alle wiederum mit kleinern Buchten, denen freilich meist eine anschließende Ebene fehlt.
Nur bei Ajaccio ist eine kleine Küstenebene vorhanden, mit Recht Campo dell' Oro, das Goldfeld, genannt, welche im Verein mit
dem dort mündenden Gravone, der einen Weg ins Innere bot, der Stadt besondere Bedeutung verliehen hat. Auf steilem Felsen,
einen kleinen Hafen zur Seite, erhebt sich das Emporium der Meerenge Bonifacio. Das Innere der Insel ist von rauhen Bergen erfüllt,
welche deutlich eine Hauptkette mit Meridianrichtung, eine Fortsetzung derjenigen von Sardinien, erkennen lassen, aber in der
Weise, daß die schwer zu übersteigende Wasserscheide im nördlichen Teil der Insel sich nahe der Nordwestküste, im südlichen
näher der Ostküste hält.
Dadurch zerfällt die Insel in zwei Teile, die Ostseite, eine sanfte und regelmäßige Abdachung, mit Heiden und Sümpfen bedeckt,
weithin unbewohnt, außer im N. ohne entwickeltere Thäler, die Westseite, eine fortgesetzte Bildung von tief eingeschnittenen
Parallelthälern und bis zum Meere reichenden Bergrücken. Die Scheidung Corsicas in das Land diesseit und jenseit der Berge ist
uralt historisch, auch der Charakter der Bewohner beider Landeshälften ist verschieden: jenseits herrscht mehr Wildheit, diesseits
mehr Kultur, geistige und materielle.
Die ganze Ostseite, bis wo am Golf von Porto Vecchio reichere Gliederung beginnt, besteht aus Kreidegesteinen, meist Kalk, an
der Küste auch aus tertiären und quartären Bildungen, während der bei weitem größte Teil der Insel westlich einer Linie, welche
etwas westlich von Corte in nordwestlicher Richtung gegen Belgodere verläuft, aus altkristallinischem Gestein, vorzugsweise Granit,
besteht. Hier liegen denn auch die mächtigsten Erhebungen, rauhe Granitspitzen, den größten Teil des Jahrs von Schnee bedeckt,
der zentrale Monte Rotondo 2625 m, der noch höhere, nördlichere Monte Cento 2710 m, der südlichere Monte d'Oro 2391 m und der
südlichste, treffend nach seiner Gestalt benannt, Incudine (»Amboß«) 2136 m. Dies sind die Ursprungsstätten der zahlreichen
kleinen, im Sommer meist trocknen Flüsse.
Die größten sind der Golo und der Tavignano, die zur Ostküste, der Taravo, Gravone und Liamone, die zur Westküste gehen.
Das Innere der Insel ist ein Gewirr von Bergen, nur steile Pfade, oft Treppen, führen von Dorf zu Dorf, selbst die Straße an der
Westküste entlang besteht nur aus steilen Auf- und Abstiegen; die Hauptstraße von Ajaccio nach Bastia durch das Innere der Insel
hat im Paß von Vizzavona eine Höhe von 1145 m, ja der Weg aus dem bis nahe an die Westküste heranreichenden Golothal nach
dem Golf von Porto hat im Paß von Vengio sogar 1532 m zu übersteigen. Diese Zahlen zeugen von der Wildheit des Landes und den
Wirkungen, die es notwendig auf die Bewohner haben muß, von der Schwierigkeit des Verkehrs; sie erklären, daß Corsica noch
keine Eisenbahn hat und, obwohl eine solche von Bastia nach San Fiorenzo und nach Porto Vecchio projektiert ist, noch für längere
Zeit keine haben wird. Sie erklären namentlich auch den Gegensatz zwischen Ost- und Westseite.
Das Klima der Insel ist, von der Ostküste abgesehen, ein herrliches, die Mitteltemperatur des Jahrs beträgt an der Küste 17,7°
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C., im Sommer 24,5, im Winter 11,2° C., und wenn auch Temperaturen unter Null vorkommen, so dauern sie doch nicht an, und
Schnee fällt selten. Wohl aber sind die Berge die Hälfte des Jahrs mit Schnee bedeckt. Es regnet reichlich genug, 630 mm im Jahr,
und nur der Sommer ist regenarm. So können hier alle Gewächse der südlichen Mittelmeerländer gedeihen, Agrumen, Opuntien,
Agaven, ja selbst Dattelpalmen; Agrumenkultur ist sogar in einzelnen Gegenden, z. B. bei Ajaccio und in den Thälern von Kap Corso,
von Wichtigkeit.
Der Charakterbaum Corsicas ist aber der Ölbaum, der in einzelnen Gegenden, wie in der Balagna, ganze Wälder bildet und bis
700 m hoch steigt; gegen 12,000 Hektar sind seiner Kultur gewidmet, die bis 300,000 hl Oliven, resp. 400,000 kg Öl liefert. Höher
hinauf steigen die Edelkastanien, welche noch ungeheure Wälder bilden (zusammen 27,000 Hektar) und so reich tragen, daß sich die
Bevölkerung wesentlich davon nährt und dadurch von einer intensivern Bodenkultur zurückgehalten wird.
Sonst sind aber die Urwälder, welche ehemals die Insel so dicht bedeckten, daß sie Ansiedelungsversuche der Römer gänzlich
vereitelten, bedeutend gelichtet worden, namentlich durch die Hirten, welche Feuer anlegen, um im Frühjahr frische Weide zu haben.
Noch gibt es einzelne dichte Wälder von herrlichen Laricio-Kiefern, wohl auch von Lärchen, Eichen und Buchen; aber sie schwinden
jetzt rasch dahin, und von den offiziellen 125,000 Hektar Wald besteht der größte Teil aus Buschwald und Gestrüppe, in der
Küstenzone meist aus immergrünen Sträuchern gebildet, die sogen. Macchien, der sicherste Zufluchtsort der corsischen Banditen.
Über der Zone der Wälder breiten sich die Alpenwiesen aus, auf denen im Sommer die Schafe und Ziegen weiden, wo auch noch der
Muflon vorkommt. In dieser Region fehlt es auch im Sommer nicht an rieselnden Bächen und Quellen.
? Corsica hat eine Bevölkerung von (1881) 272,639 Seelen. Die Insel ist also schwach bevölkert (31 Bewohner pro QKilometer),
doch ist in diesem Jahrhundert die Zunahme eine bedeutende. Die Bewohner Corsicas sind, von einer im 17. Jahrh. eingewanderten
griechischen Kolonie und von einigen Tausend Franzosen in den Städten abgesehen, als Italiener anzusehen; namentlich in den
Küstenstädten tragen sie auch physisch den italienischen Typus, während man im Innern breitere, fleischigere Köpfe, kleine Nasen,
lichtere Gesichtsfarbe und öfter braune als schwarze Haare bei kräftig gedrungenem Körper findet. Ob sie von Ligurern oder Iberern
stammen, ist schwer zu entscheiden; jedenfalls haben sie sich in verschiedenen Perioden mit Griechen,
Römern, Sarazenen, Italienern u. a. gemischt. Doch zeigt ihr Volkscharakter überall große Übereinstimmung. Sie haben
Zeugnisse von ihrer Vaterlandsliebe, ihrer Tapferkeit und Todesverachtung wie von ihrer Treue in Menge aufzuweisen, ebenso aber
auch von ihrer Rachsucht, tollem Ehrgeiz und Eifersucht. Die furchtbare Vendetta (Blutrache), die noch heute unter gemilderten Sitten
und strengen Gesetzen nicht völlig erloschen ist, wütete namentlich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts derartig, daß man die Zahl
ihrer Opfer jährlich auf 1000 schätzte.
Ganze Dorfschaften standen in Fehde gegeneinander, von Generation zu Generation, die Häuser waren Festungen, und nur die
Frauen, durch die Sitte unantastbar, wagten sich ins Freie. Die Verfassung der Corsen, an der sie auch unter Genuas Herrschaft
festhielten, war eine patriarchalisch-republikanische. An materieller ebenso wie an geistiger Bildung stehen die Corsen noch tief;
die Häuser der Landbewohner sind sehr einfach, meist nur vier Wände und ein Dach;
der Frau liegt alle Arbeit ob;
die Bedürfnisse sind gering, die Sitten einfach, aber rein.
Das Corsische ist ein verderbtes Italienisch. Die Sprache des Volkes ist reich an Bildern, Poesie wird eifrig gepflegt,
Improvisationstalent ist nicht selten; tief poetische Volkslieder sind in aller Mund, namentlich die Voceri, die Totenklagen, spielten in
der Vendetta eine große Rolle. Die Volksbildung ist noch sehr mangelhaft. Es gibt ein Lyceum, 4 Kommunalcollèges, eine freie
Sekundärschule und 530 Primärschulen.
Die Bodenkultur steht noch auf sehr tiefer Stufe der Entwickelung, noch nicht die Hälfte des Bodens ist angebaut und auch dies
nur mit Hilfe von italienischen Arbeitern, die aus der Provinz Lucca, bis zu 10,000, zur Aussaat und Ernte herüberkommen. Weizen
wird hinreichend gebaut, daneben Gerste und Mais, auch Roggen, dann Flachs und Hanf. Bedeutend ist auch die Oliven- und die
Weinkultur, wenn auch beide noch sehr nachlässig betrieben werden; letztere liefert einen Ertrag von etwa 300,000 hl. Nach dem
offiziellen Kataster beträgt die dem Ackerland gewidmete Fläche 153,640 Hektar, das Weinland 15,000 Hektar, das Heide- und
Weideland 247,615 Hektar.
Die Viehzucht steht ebenfalls noch sehr tief, am zahlreichsten sind Schafe (250,000) und Ziegen (186,000); die Zahl der kleinen,
aber kräftigen und gewandten corsischen Pferde wie die der Maultiere ist gering, am niedrigsten steht die Rinderzucht. Sehr reich an
Fischen sind die Lagunen der Ostseite, namentlich an trefflichen Aalen; auch Sardellen- und Thunfischerei, dann Korallenfischerei
wird an der Küste getrieben. Die Mineralschätze Corsicas scheinen weniger bedeutend zu sein als die Sardiniens, wenn auch
Edelmetalle vorkommen; es wird jetzt Bergbau auf silberhaltige Blei- und auf Kupfererze sowie auf Eisenerze getrieben, die in Bastia
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und Porto Vecchio etwas Eisenindustrie ins Leben gerufen haben.
Ausgezeichnet ist das Steinmaterial, insbesondere: Granit, Porphyr, Jaspis, Serpentin, Marmor und Alabaster. Von den
zahlreichen Mineralquellen ist nur die außerordentlich kohlensäurehaltige von Orezza von nicht ganz örtlicher Bedeutung. Die
Industrie ist wenig entwickelt und liefert nur Gegenstände des einheimischen Bedarfs. Aus der schwarzen Wolle des Landes werden
grobe Tücher für die Gebirgsbewohner verfertigt. Guagno liefert irdene Pfeifen und Monagia ein leichtes Töpfergeschirr, dessen Thon
Asbest beigemischt wird.
Außerdem bestehen mehrere Seifensiedereien, Öl- und Mahlmühlen, Teigwarenfabriken, Käsereien und Gerbereien. Für
Kommunikationsmittel ist im Innern nur wenig gesorgt. Der Handel findet vorzugsweise mit Frankreich über Marseille statt und ist in
jüngster Zeit außerordentlich gestiegen, 1875-83 von 46 auf 62,6 Mill. Frank; 1883 betrug die Ausfuhr (Wein, Holz, Gerberrinde,
Olivenöl, Kastanien, Südfrüchte, eingelegte Früchte, Honig und Wachs, eingesalzene Fische und Häute) 13,284,071 Fr., davon
9,282,261 nach Frankreich, die Einfuhr (Wein und Weingeist, Kartoffeln, Möbel, Holzwaren, gegerbte Häute, Maschinen, Papier)
49,346,371 Fr., davon 41,534,137 aus Frankreich.
Die Haupthäfen sind Bastia, Ajaccio und Calvi. Die Handelsflotte der Insel bestand 1882 aus 240 Schiffen mit 5428 Ton. Gehalt.
Der Besitz der Insel Corsica ist für Frankreich insofern wichtig, als diese die Häfen der Provence und Italiens beherrscht. Corsica
gehört (nach der neuen Militärorganisation von 1873) zum 15. Armeekorps (Marseille), ferner zur 5. Seepräfektur (Toulon) und zerfällt
in die 5 Arrondissements von Ajaccio, Bastia, Calvi, Corte und Sartène, die wieder in 62 Kantone geteilt sind. Hauptstadt ist Ajaccio
(s. d.), in neuerer Zeit als klimatischer Kurort in Aufnahme gekommen. Der corsische Appellhof ist in Bastia, das Bistum in Ajaccio.
[Geschichte.] Corsica wurde seit der ältesten Zeit von dem ligurischen Volksstamm der Corsen bewohnt. 560 v. Chr. gründeten
die Phokäer daselbst die Stadt Alalia (Aleria), wurden aber 544 von den vereinigten Karthagern und Etruskern vertrieben, welch
letztere nun die Insel besetzten. Als auch deren Seemacht allmählich sank, bemächtigten sich die Karthager der Handelsplätze an
Corsicas Küsten. Nach dem ersten Punischen Krieg (238) entrissen die Römer den Karthagern die Insel und unterwarfen sie völlig
231, doch benutzten sie dieselbe nur zu Zwischenstationen für ihre Seefahrten und als Verbannungsort.
Wiederholte Aufstände gegen die römischen Statthalter wurden durch blutige Kämpfe unterdrückt, worauf Marius die Kolonie
Mariana an der Ostküste gründete, dann Sulla Aleria wiederherstellte. Corsica stand unter dem Prätor von Sardinien, bis es durch die
Diokletianische Reichseinteilung eine eigne Provinz wurde. Unter der Regierung der Kaiser soll Corsica 33 ummauerte, zum Teil
durch Handel reiche Städte gezählt haben. Übrigens standen die Corsen wegen ihres Charakters im übelsten Ruf, und die
Verbannung nach Corsica, die z. B. Seneca traf, galt für eine der härtesten Strafen. 470 n. Chr. ward die Insel eine Beute der
Vandalen, seit 533 abwechselnd der griechischen Kaiser und der eindringenden Goten und Langobarden. 713 erschienen die ersten
Sarazenenschwärme auf der Insel; 754 bemächtigten sich die Franken derselben.
? Ludwig der Fromme gab sie 833 dem toscanischen Markgrafen Bonifacius zu Lehen, der Bonifacio erbaute. Nach dem Tode
des letzten Markgrafen, Lambert (951), herrschten Berengar und Adalbert von Friaul über die Insel, worauf sie Kaiser Otto II. an den
Markgrafen Hugo von Toscana gab. Die Macht über die Insel lag übrigens faktisch in der Hand mehrerer kleiner Dynasten; 1002
erhoben sich die Corsen gegen deren Bedrückung und traten zu einer freien Gemeinde zusammen, die eine Art
Repräsentativerfassung mit einem Caporale an der Spitze und einem Gesetzgebenden Rat von zwölf Männern gründete. Aber bald
erhielten jene wieder die Oberhand, worauf sich das Volk unter den Schutz des toscanischen Markgrafen Malaspina stellte. Seit 1077
erkannten die Corsen den Papst Gregor VII. als ihren Oberherrn an; Urban II. stellte die Insel 1098 als ein
Lehen unter das Bistum von Pisa. Unter der Herrschaft der Pisaner hob sich die Insel in vielfacher Hinsicht. Inzwischen
bemächtigten sich die Genuesen der Stadt Bonifacio (1217), und als sie 1284 bei Melloria die pisanische Seemacht vernichtet hatten,
eroberten sie nach und nach fast die ganze Insel. Endlich traten die Pisaner die Insel förmlich an Genua ab (1300). Bald aber brach
die wildeste Anarchie aus. Papst Bonifacius VIII. hatte inzwischen 1296 Corsica und Sardinien dem König Jakob von Aragonien als
Lehen zugeteilt, und so standen sich nun drei Parteien, die genuesische, die aragonische und die Nationalpartei, gegenüber.
Doch erlangte schließlich Genua die Herrschaft. Nachdem die Insel jahrhundertelang unter den traurigsten Zuständen gelitten,
brach endlich 1729 ein allgemeiner Aufstand gegen Genua aus. Nachdem mit abwechselndem Glück gefochten worden war, kam 11.
Mai 1732 zu Corte ein Friede zu stande, in welchem sich die Corsen unter günstigen Bedingungen Genua wieder unterwarfen.
Indessen hatten kaum die letzten genuesischen Söldner die Insel verlassen, als der Aufstand von neuem ausbrach. Im Lauf des
Jahrs 1734 hatte Luis Giafferi, der General der Corsen, den Genuesen alles Land bis auf die festen Seeplätze entrissen, und eine
Generalversammlung des Volkes in Corte im Januar 1735 sprach die ewige Trennung Corsicas von Genua aus. Am 12. März 1736
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landete der deutsche Baron Theodor von Neuhof (s. d.) mit einer Schar Abenteurer unter britischer Flagge bei Aleria und wußte in
kurzem so großes Ansehen zu gewinnen, daß ihn die Corsen als Theodor I. zum König von Corsica ernannten.
Sein Königtum dauerte aber kein Jahr, und mehrere Versuche, es wiederzugewinnen, mißlangen, da Genua die Franzosen zu
Hilfe rief. Indessen gelang es auch diesen nicht, die Insel zu dauernder Botmäßigkeit zu bringen; nach ihrem Abzug erneuerte sich
die Volkserhebung, und eine Volksversammlung sprach 10. Aug. 1746 aufs neue die Unabhängigkeit Corsicas aus; Giampietro
Gaffori, der Corte im Sturm erobert hatte, ward zum General und Gouverneur der Nation ernannt. Zwar ward dieser 1753 ermordet;
aber der Kampf gegen Genua dauerte fort, und der corsische Senat ernannte Pasquale Paoli (s. d.) zum General.
Bald waren die Genuesen auf allen Plätzen zurückgedrängt, Paoli richtete die Verwaltung der Insel nach republikanischen
Grundsätzen ein, und als eine corsische Expedition im Februar 1765 sogar die kleine Insel Capraja eroberte, trat Genua durch den
Traktat von Compiègne 15. Mai 1768 Corsica für 40 Mill. Fr. an Frankreich ab. Zwar nahmen die Corsen den Kampf auch mit dieser
Macht auf und lieferten mehrere glückliche Gefechte; aber die unglückliche Schlacht von Pontenuovo (9. Mai 1769) entschied das
Schicksal der Insel.
Pasquale Paoli verließ dieselbe mit 3000 Corsen, und Corsica ward 1774 französische Provinz. Während der französischen
Revolution kehrte Paoli 1793 in sein Vaterland zurück, rief das Volk noch einmal zu den Waffen und eroberte mit Hilfe der Briten im
Mai 1794 Bastia und Calvi, worauf sich die Nation in einer allgemeinen Versammlung der Deputierten der Corsen zu Corte 18. Juni
1794 dem britischen Zepter unterwarf. Corsica wurde nun als ein Königreich konstituiert und erhielt eine der englischen nachgebildete
Verfassung, ein besonderes Parlament und einen Vizekönig, Elliot.
Aber die französische Partei gewann unter dem General Gentili seit Oktober 1796 immer mehr Anhang auf der Insel, so daß,
nachdem im Oktober 1796 die Franzosen von Livorno aus gelandet waren, die Engländer sich zum Abzug genötigt sahen. Seitdem
blieb die Insel bei Frankreich.
Vgl. Ehrmann, Pragmatische Geschichte der Revolutionen von Corsica (Hamb. 1799);
Filippini, Istoria de Corsica (Turnone 1594; 2. Aufl., bis 1769 fortgesetzt von Gregory, Pisa 1828-32, 5 Bde.);
Jacobi, Histoire générale de la Corse (Par. 1835, 2 Bde.);
Gregorovius, Corsica (3. Aufl., Stuttg. 1878);
Galetti, Histoire de la Corse (Par. 1863);
Saint-Germain, Itinéraire descriptive et historique de la Corse (das. 1868);
Gsell-Fels, Südfrankreich etc., Reisehandbuch (2. Aufl., Leipz. 1880);
Pietra Santa, La Corse et la station Ajaccio (Par. 1864);
weitere Litteratur über Klima etc. s. Ajaccio.
Ende Corsica
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;4. Band, Seite 292 im Internet seit 2005; Text geprüft am 7.5.2008; publiziert von Peter Hug; Abruf am 16.1.2017
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Ende eLexikon.
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