Vermögensbetreuungvertrag, graue Vermögensverwaltung und

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Vermögensbetreuungvertrag, graue Vermögensverwaltung und
Professor Dr. Thomas M. J. Möllers
Vermögensbetreuungvertrag, graue Vermögensverwaltung
und Zweitberatung
- Vertragstypen zwischen klassischer Anlageberatung und Vermögensverwaltung
I.
Vertragliche Pflichten bei Wertpapiergeschäften der Banken mit ihren Kunden
1.
a)
Empirische Daten und klassische Einteilung
Häufige Mängel bei der Wertpapierberatung
Die Beratungsleistungen der Banken stoßen oft auf Kritik. Der Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nennt etwa 3.500 Beschwerden über Kredit- und Finanzinstitute allein für das Jahr 2006.1 Von 1992 bis 1997 gab es 33.000 Beschwerden bei der Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes deutscher Banken.2 Die
Gerichte arbeiten immer noch die Entwicklungen im Rahmen der Wiedervereinigung3 und
des Börsenbooms um die Jahrtausendwende auf: Während Klagen wegen Beratungsfehlern
oft scheitern, weil die Bank nach einer Empfehlung grundsätzlich keine weiteren Überwachungspflichten mehr schuldet, 4 sind die Pflichten und damit die Möglichkeiten von
1
BaFin, Jahresbericht 2006, 2007, 4.1, S. 203.
S. Ombudsmannverfahren der privaten Banken, Stand 31.3.2007, abrufbar unter
http://www.bankenverband.de. Dieses Bild geht einher mit Untersuchungen Dritter, etwa der Stiftung Warentest oder der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton, die jeweils eine schlechte Beratung vieler Kreditinstitute nachwiesen, für die Jahre 2000, 2001. Allein fünf Häuser bekamen die Note „mangelhaft“, s. Finanztest 5/2000, S. 12, 15; Finanztest 3/2001, 70 ff. Für 2006 s. die Studie der Unternehmensberatung Booz
Allen Hamilton, Handelsblatt v. 14.6.2007, S. 23.
3
Die Rechtsprechung zu den Schrottimmobilien ist inzwischen uferlos s. etwa BGH NJW 2002, 1881 Heininger; BGH NJW 2003, 199; EuGH C-350/03, Slg. 2005, I-9215 - Schulte/Badenia; EuGH C-229/04,
Slg. 2005, I-9273 - Crailshaimer Volksbank, BGH NJW 2006, 2099, 2104; BGH NJW-RR 2007, 257 m.
Anm. Möllers/Wenninger, LMK 2007, 213336.
4
BGH NJW 2005, 1113, 1114 = WM 2005, 270 m.Anm. Schäfer, WuB I G 3 1.05; OLG Düsseldorf
WM 2003, 1263, 1264 – Turbodyne m. Anm. Allmendinger, EWiR 2003, 457; OLG München WM 1994,
236 m. Anm. Vortmann, WuB I G 4-4.94 und Anm. Wittkowski, EWiR 1994, 119; OLG Köln WM 1995,
381; OLG Frankfurt/M. WM 1994, 234, 235 m. Anm. Potthoff, WuB I G 5-3.94; OLG Düsseldorf WM 1994,
1468, m. Anm. Köndgen, WuB I G 4-7.94 und Anm. Hegmanns, EWiR § 675 BGB, 1994, 1083 – DMAuslandsanleihen; OLG München WM 1997, 1802, 1804, m. Anm. Peterhoff/Schneider, WuB I G 1-12.97;
2
2
Pflichtverletzungen bei dem klassischen Vermögensverwaltungsvertrag umfangreicher,
weil dieser auch eine Pflicht zur umfangreichen Überwachung des Depots umfasst.
Daneben gibt es zahlreiche Mischformen, wie etwa die „graue“ Vermögensverwaltung, die
Empfehlung mit nachvertraglichen Pflichten oder der hier vorzustellende Vermögensbetreuungsvertrag, bei denen die Bank auch die Überwachung des Depots und damit eine
Art Gesamtverantwortung für die Anlagestrategie schulden kann. In der Vergangenheit
haben die Banken solche Leistungen für die Kunden oft unentgeltlich neben dem Wertpapierkommissionsgeschäft angeboten. Etwa seit dem Jahr 2000 sind Banken dann dazu übergegangen, weitergehende Beratungsdienste im Rahmen der Betreuung von Wertpapierdepots zum Gegenstand entgeltlicher Leistungen im Privatkundengeschäft zu machen.5 Oft
sind solche Umstellungen aber nicht ausdrücklich, sondern nur rein faktisch durch die Zuweisung neuer Kundenberater erfolgt. Damit ist ein Haftungspotential entstanden, das den
Banken oft nicht bewusst ist. Es verwundert, dass die verschiedenen Mischformen zwischen Beratungsvertrag und Vermögensverwaltung bisher nur wenig detailliert ausgearbeitet wurden. Im Einzelnen sollen Zweitberatung, Vermögensbetreuung und graue Vermögensbetreuung von anderen Vertragsformen abgegrenzt werden (I.2. - 4.), um dann zu erörtern, inwieweit dieser noch nach der Rechtsharmonisierung durch die MiFiD 2004/39/EG
Anwendung finden kann (II.). Danach werden Pflichtverletzungen aufgezeigt (III.) und
Schaden, Kausalität und Verschulden (IV.) sowie Verjährung erörtert (V.).6
b)
Vermögensverwaltung
Die Vermögensverwaltung gehört zu den klassischen Dienstleistungen der Banken.7 Der
Vermögensverwaltungsvertrag ist von der Anlageberatung abzugrenzen. Anlageberatern
und Vermögensverwaltern vereint die Sorge um das Vermögen des Anlegers. Zwei Kriterien werden üblicherweise zur Abgrenzung der Anlageberatung von der Vermögensverwaltung genannt: Erstens obliegt dem Vermögensverwalter im Gegensatz zum Anlageberater die Pflicht, über das ihm zur Verfügung gestellte Vermögen nach eigenem Ermessen
und ohne Rücksprache mit dem Kunden zu disponieren. Er ist damit berechtigt, dingliche
Horn, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1278; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 23 Rn. 6.
5
Horn, Anlageberatung, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1273.
6
Rechtsvergleichend werden die Rechtsentwicklungen in Österreich und der Schweiz mit einbezogen.
7
Von Blatter wird die Vermögensverwaltung als „Juwelen“ der schweizerischen Volkswirtschaft bezeichnet, s. Blattner, in: FG Chapuis, 1998, S. 9, 12 f.; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 3.
3
Verfügungen über das Vermögen zu treffen.8 Umgekehrt lässt sich bei der Anlageberatung
der Kunde beraten, entscheidet dann aber selber. 9 Zweitens ist der Vermögensverwaltungsvertrag im Gegensatz zur Anlageberatung ein Dauerschuldverhältnis; es besteht die
fortdauernde Verpflichtung für das Vermögen des Anlegers Sorge zu tragen.10 Dies schlägt
sich z.B. darin nieder, dass der Vermögensverwalter das von ihm verwaltete Vermögen
ständig hinsichtlich seiner Zusammensetzung zu überwachen hat. Er muss tätig werden,
wenn die Zusammensetzung nicht mehr zur Zielerreichung geeignet ist.11 Dieses Rechtsverhältnis endet regelmäßig erst mit dem Ablauf der vereinbarten Zeit bzw. durch Kündigung des Vertragsverhältnisses.12
c)
Der Beratungsvertrag vor Erwerb des Wertpapiers
Zwar kann eine Beratungsleistung auch als selbständige Dienstleistung geschuldet sein; in
der Regel wird aber zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut kein ausdrücklicher
Beratungsvertrag geschlossen. 13 Die Verpflichtung zur Anlageberatung ergibt sich vielmehr regelmäßig für das Kreditinstitut als Nebenpflicht aus einem anderen Vertrag; etwa
aus einem Vermögensverwaltungs-, Anlagevermittlungs- oder allgemein aus einem Bankvertrag.14 Für das Zustandekommen eines Beratungsvertrages ist die Zahlung einer besonderen Vergütung dagegen keine Voraussetzung.15 Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt
zumindest konkludent ein Beratungsvertrag vor, wenn Auskünfte oder Ratschläge erteilt
werden, die – für das erteilende Kreditinstitut ersichtlich – für den Empfänger von erhebli-
8
OLG Karlsruhe WM 2001, 806 – Graue Vermögensverwaltung; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2.
Aufl. 2004; § 18 Rn. 3, § 19 Rn. 29; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 10.8; Sethe,
a.a.O. (Fn. 7), S. 26; Balzer, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr, 2005,
Rn. 9.1; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2003, § 21 Rn. 2; Schade,
in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 7 Rn. 22.
9
Schäfer, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 1.03, Rn. 11/16. Dieselbe Abgrenzung findet sich
für das schweizerische Recht, s. etwa Bertschinger, Sorgfaltspflichten der Bank bei Anlageberatung und
Verwaltungsaufträgen, 1991, S. 4 m. w. Nachw.
10
Schwintowski/Schäfer a.a.O. (Fn. 8), § 19 Rn. 30; Schäfer, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 23
Rn. 6; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 21 Rn. 2.
11
Schäfer, in: Cramer/Rudolph, Handbuch für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S
668, 669.
12
Schäfer, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 23 Rn. 6; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 21 Rn. 2.
13
Kienle, in: Bankrechtshandbuch, 3 Aufl. 2007, § 110 Rn. 24.
14
OLG Frankfurt WM 1993, 684, 686 – Aufklärungspflichten bei Optionsscheinen; OLG Celle WM
1993, 191, 192 - Bond; s. im Einzelnen Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 110 Rn. 4ff.
15
Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 110 Rn. 25. Ebenso für das schweizerische Recht s.
etwa Bertschinger, a.a.O. (Fn. 9), S. 13; Emch/Renz/Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl.
2004, Rn. 1577.
4
cher Bedeutung sind und von diesem zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht
werden.16
Der Beratungsvertrag ist regelmäßig auf die einzelne Anlagesituation bezogen. Die
Pflichten des Anlageberaters sind damit grundsätzlich erfüllt, wenn dieser seine Beratung
getätigt hat; nach der Beratung ist das entsprechende Rechtsverhältnis beendet.17 Im Unterschied zur Vermögensverwaltung hat der Anlageberater keine Dispositionsbefugnis über
das Vermögen des Anlegers.18 Beim Beratungsvertrag ist die Überwachung des Vermögens somit nicht geschuldet:19 Auch beim Depotvertrag ohne Vermögensverwaltung muss
die Depotbank grundsätzlich nicht Devisenkurse weiter verfolgen.20
2.
Vertragliche Pflichten und Vertragstypen jenseits von Beratungsvertrag und
Vermögensverwaltung
a)
Nachvertragliche Pflichten bei einem Beratungsvertrag und Zweitberatungsvertrag
Auch nach Abschluss eines Beratungsvertrages können ausnahmsweise nachvertragliche
Pflichten der Bank bestehen. In diesen Fällen wird auch von Nachberatung gesprochen.21
Die Rechtsprechung hat wiederholt die Pflicht zur nachträglichen Berichtigung von Informationen und Auskünften statuiert, wo besonderes Vertrauen in Anspruch genommen
wurde. 22 Die Bank muss ausnahmsweise auch nach Abschluss der Anlageberatung tätig
werden, wenn Kunde und Bank im laufenden Gedankenaustausch über Effektendispositionen und Kursentwicklungen stehen.23 Nachvertragliche Verpflichtungen können bestehen,
wenn die Bank am Vertrieb oder an der Vermittlung von Vermögensanlagen beteiligt ist,
für die kein Sekundärmarkt besteht.24
16
BGH ZIP 1999, 275 – stillschweigender Auskunftsvertrag; BGHZ 123, 126 = WM 1993, 1455 – Bond;
OLG Nürnberg WM 1998, 378; Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 5.
17
Schäfer, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 23 Rn. 63; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 21 Rn. 2.
18
S. oben Fn. 8 ff.
19
Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 29.
20
OLG Celle WM 1997, 1801, m. Anm. Jaskualla, WuB I G 2-2.97; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 22 Rn. 9.
Auch dies entspricht der Rechtslage in der Schweiz, Bundesgericht, BGE II 333, 335; Bertschinger, a.a.O.
(Fn. 9), S. 225.
21
Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 111 Rn. 1.
22
Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 216; BGHZ 74, 281, 290 f. – Dienstzeugnis.
23
Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 192. Ebenso für das schweizerische Recht s. Bertschinger, a.a.O. (Fn.
9), S. 224 f.
24
Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 216.
5
Zudem kann nach einer einmaligen Empfehlung ein weiterer Beratungsvertrag zustande kommen, wenn sich der Kunde nach der Wertentwicklung bestimmter Wertpapiere
erkundigt. In der Literatur wird zwar vertreten, dass ohne weitere Absprachen und ohne
Entgelt die Bank nur eine freiwillige Mehrleistung erbringen wolle.25 Dem steht aber entgegen, dass Willenerklärung auch konkludent abgegeben werden können und nach dem
objektiven Empfängerhorizont auszulegen sind. Die oben genannte Aussage, dass die Bank
keine weiteren Überwachungspflichten schuldet 26, muss insoweit eingeschränkt werden,
als bei entsprechender Nachfrage jederzeit ein erneuter Beratungsvertrag entstehen kann In einer jüngeren BGH-Entscheidung hatte sich der Anleger nach Kursverlusten bei der
Bank erkundigt, ob ein Verkauf ratsam sei.27 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Beratungsvertrag stillschweigend dadurch geschlossen werden, dass der Kunde nachfragt und
die Bank tatsächlich informiert.28
b)
Die graue Vermögensverwaltung
In der Praxis wird die theoretische Trennschärfe von Beratung und Vermögensverwaltung
oft verwischt, so dass Abgrenzungsprobleme entstehen können.29 Ein Vermögensverwaltungsvertrag wird zwar üblicherweise schriftlich geschlossen; er kann allerdings auch
mündlich und sogar konkludent geschlossen werden30, wenn ein entsprechender Rechtsbindungswillen beider Parteien vorliegt.31 In der Literatur spricht man von sog. „grauer“
Vermögensverwaltung, wenn allmählich die Anlageberatung in die Vermögensverwaltung
übergeht. 32 So kommt es vor, dass ein Anlageberater Kenntnis der Anlagestrategie des
Vermögensinhabers hat und im Falle der Unerreichbarkeit des Kunden Dispositionen für
diesen trifft, obwohl er hierzu nicht ermächtigt ist.33 In einem Fall, in welchem der Berater
ohne Rücksprache mit dem Kunden Verfügungen tätigte und der Kunde ihn gewähren ließ,
25
In diese Richtung etwa Roth, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 11 Rn. 16.
S. oben Fn. 4.
27
BGH NJW 2006, 2041, 2042 = WM 2006, 851 – Anlageberatung m. Anm. Allmendinger, EWiR 2006,
391; BGH WM 1987, 531, 532.
28
BGHZ 123, 126, 128 – Bond, BGH WM 2000, 1441, 1442, BGH WM 2002, 1683, 1686.
29
Schäfer, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 23 Rn. 7; Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 19
Rn. 31; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 27.
30
Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 19 Rn. 31.
31
Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 111 Rn. 15; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 22 Rn. 8; Lang,
WM Sonderbeilage 9/88, S. 16.
32
Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 19 Rn. 31; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 27.
33
Schäfer, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 23 Rn. 7.
26
6
hatte die Rechtsprechung die Umwandlung eines Betreuungsvertrages in einen Vermögensverwaltungsvertrag durch schlüssiges Verhalten bejaht.34
Um einen stillschweigend abgeschlossenen sog. „grauen“ Vermögensverwaltungsvertrag zu prüfen, ist eine Reihe von Argumenten gegeneinander abzuwägen. Insbesondere
muss die bloße Anlageberatung von der Vermögensverwaltung abgegrenzt werden. Ist ein
schriftlicher Vermögensverwaltungsvertrag nicht vorhanden, ließe sich zudem gegen die
Bejahung eines konkludent abgeschlossenen Vertrages vortragen, dass der Anlagebetreuer
nicht regelmäßig, mindest einmal jährlich, eine Rechnungslegung über sein Tun durchführt
und hierfür ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde. Ein wichtiges Indiz für das zumindest stillschweigende Zustandekommen eines Vermögensverwaltungsvertrages sind etwa
Anlagerichtlinien, die zwischen den Parteien vereinbart wurden. Für die Dispositionsfreiheit des Bankmitarbeiters spricht auch der Umstand, dass er den Kunden nicht vor jeder
Anlageentscheidung umfangreich berät, sondern dieser den Vorschlägen des Anlagebetreuers vertraut. Wie bei der eigentlichen Vermögensverwaltung ist auch bei der grauen
Vermögensverwaltung erforderlich, dass der Anlagebetreuer eine dauerhafte Vermögensfürsorge für das Depot übernimmt. Das ist etwa der Fall, wenn er die Entwicklung von
Titeln, die er empfohlen hat, beobachtet und nötigenfalls eine Anpassung der Strategie
vornimmt. Entscheidend ist schließlich, ob der Bankangestellte von sich aus selbständig
Wertpapiere für den Anleger erwirbt oder veräußert. Dann kann aber auch nicht entscheidend sein, ob die Bank hierfür eine Vergütung erhalten hat.
c)
Der Vermögensbetreuungvertrag als dauerhafte Betreuung des Kunden
Der Vermögensbetreuungsvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass die Bank Anlageberatungen mit der Verpflichtung fortlaufender Marktbeobachtung und Mitteilung von bedeutsamen Umständen schuldet.35 Die Begrifflichkeiten für diesen Vertrag, der zwischen der
Anlageberatung und der Vermögensverwaltung als eigener Vertragstypus einzuordnen ist,
variieren: Es wird von „Anlageberatung und Vermögensberatung“ 36 , von „Vermögens-
34
OLG Karlsruhe WM 2001, 805, 808 m. Anm. Schwennicke, WuB I G 9-2.01 – Graue Vermögensverwaltung.
35
Köndgen, NJW 2004, 1288, 1299.
36
Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 9.2.; Roll, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute,
1983, S. 33; Köndgen, NJW 2004, 1288, 1299.
7
betreuung“37 oder von „strategischem Vermögensmanagement“38 gesprochen. Diese Vertragsgestaltung wurde zwar auch schon von der Rechtsprechung angesprochen39, ohne dass
dieser Vertragstyp aber detailliert entwickelt wurde. Die Vermögensberatung bzw. betreuung ist dann je nach Gestaltung unselbständiger Teil oder Zusatzabrede zum Depotvertrag.“40 Wie bei der Anlageberatung, verbleibt auch bei diesem Vertrag die Dispositionsbefugnis beim Anleger. Damit lässt sich der Vermögensbetreuungsvertrag in einem
ersten Schritt von der Vermögensverwaltung abgrenzen. Im Unterschied zur eigentlichen
Anlageberatung umfasst aber die Vermögensbetreuung eine als Dauerschuldverhältnis
ausgestaltete laufende Überwachung des Kundenvermögens sowie eine aktive, individuelle
und umfassende Beratung bei Transaktionen.41 In einem zweiten Schritt ist damit auch die
Abgrenzung zum Zweitberatungsvertrag möglich, der sich punktuell auf „eine“ Frage bezieht und gerade nicht zu einer dauerhaften Beratung verpflichtet.
Für einen Vermögensbetreuungsvertrag sind folgende Parameter von Belang, welche
die vertragliche Situation zwischen Bank und Kunden deutlich von dem sonst üblichen
Beratungsvertrag im Sinne einer einmaligen Empfehlung unterscheiden: Gegen einen solchen Vermögensbetreuungsvertrag spricht, dass er nicht ausdrücklich gegen ein Entgelt
vereinbart wurde und die obige Einteilung aufweicht, weil dauerhafte Beratung geschuldet
ist, obwohl die einschlägige Wertpapiertransaktion schon vorgenommen wurde. Deshalb
wird man Indizien verlangen müssen, die über den konkludent abgeschlossenen Zweitberatungsvertrag hinausgehen. Grundsätzlich muss, wie bei der Anerkennung nachvertraglicher
Pflichten, eine intensive Verbindung zwischen Kunden und Bank bestehen, etwa durch die
Vereinbarung von Anlagerichtlinien. Von besonderer Relevanz ist der Umstand, ob sich
der Anlagebetreuer um das Depot kümmert. Das ist zu bejahen, wenn er sich für das Depot
besonders verantwortlich fühlt und überprüft, ob sich die Anlagen richtig entwickeln. 42
Eine aktive Vermögensbetreuung ist gegeben, wenn der Anlagebetreuer regelmäßig auf
den Kunden zugeht und ihm Anlagevorschläge unterbreitet. Bei einer Anlageempfehlung
37
Horn, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1274; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 29; Köndgen, NJW 2004, 1288, 1299; Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 111 Rn. 1.
38
Schlagwortartig wird die Vermögensbetreuung als gesteigerte Form der Beratung bezeichnet, Sethe,
a.a.O. (Fn. 7), S. 28 f.
39
Jeweils nur in einem obiter dictum s. OLG Bamberg BKR 2002, 185, 186 f. – Fokker-Anleihen; s. auch
Berrar, BKR 2002, 188, 189;OLG Nürnberg, WM 1998, 378, 380 – Fokker-Anleihen.
40
Horn, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1273. Sprockhoff, WM 2005, 1739.
41
Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 9.2.; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 29; Köndgen, NJW 2004,
1288, 1299; Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1999, S. 17 f.; Horn, in: Horn/Schimansky,
Bankrecht 1998, 1998, S. 265, 266; Roll, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1983, S. 33.
42
S. hierzu der Sachverhalt in Fürstlicher OGH v. 7.12.2006, Az. 06 CG.2005.198.
8
ist es dagegen üblich, dass der Kunde auf den Anlageberater zugeht. Für einen solchen
Vertrag ist zwar der Kunde beweispflichtig. Für den Beweis konkludent abgeschlossener
Verträge bietet sich die Zeugenvernehmung an.
II.
MiFID 2004/39/EG und die vertragliche Pflichten der Rechtsprechung
1.
Aufklärung,
Beratung
und
Vermögensverwaltung
nach
der
MiFID
2004/39/EG
Die MiFID 2004/39/EG43 trennt klar zwischen Kleinanlegern und professionellen Kunden.
Deutlicher als bisher sind künftig auch drei Geschäftstypen zu unterscheiden: Anlageberatung und Portfolioverwaltung verlangen umfangreiche Erkundigungen über den Kunden.
Die erbrachte Dienstleistung muss den besonderen persönlichen Bedürfnissen des Kunden
entsprechen, § 31 Abs. 4 WpHG. Bei anderen wertpapierbezogenen Finanzdienstleistungen beschränken sich die Erkundigungspflichten auf die Kenntnisse und Erfahrungen des
Kunden hinsichtlich der Finanzmarktinstrumente, die den Gegenstand des Geschäfts bilden. Anlageziele und finanzielle Verhältnisse des Kunden muss das Unternehmen, das die
Dienstleistung erbringt, nicht mehr berücksichtigen. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss die Angemessenheit der Anlageform im Hinblick auf die Erfahrungen und
Kenntnisse des Kunden überprüfen (sog. Angemessenheitstest) und ihn vor der ins Auge
gefassten Anlageform warnen, wenn sie für ihn nicht geeignet ist, § 31 Abs. 5 WpHG. Bei
Geschäften, die dem Bereich des Discount-Broking zuzurechnen sind, entfällt die Pflicht
zur einzelfallbezogenen Erkundigung des Kunden ebenso wie der Angemessenheitstest
und die Warnpflicht, § 31 Abs. 7 WpHG.44
43
Art. 19 Abs. 4 – 6 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/39/EG v. 21.4.2004 über
Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der
Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie
93/22/EWG des Rates 2004/109/EG (Markets in Financial Instruments Directive - MiFiD), ABl. Nr. L 145,
1.
44
Für eine Übersicht s. etwa Möllers, in: KK-WpHG, 2007, § 31 Rn. 270 ff., 291 ff.; Möllers/Weichert/Wenninger, Öffentliche Stellungnahme als Sachverständiger vor dem Bundestag FRUG, BTDrs. 16/4028 und 16/4037, Finanzausschuss, Protokoll Nr. 16/51, S. 165 ff.; Teuber, BKR 2006, 429 ff.;
Spindler/Kasten, WM 2007, 1245 ff.; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 ff.; Kasten, BKR 2007, 261 ff.
9
2.
Vollharmonisierung und Pflichten außerhalb des Anwendungsbereichs der
MiFID 2004/39/EG
a)
Lamfalussy-Verfahren und Vollharmonisierung
Der Begriff der Vollharmonisierung wird in den Rahmenrichtlinien an keiner Stelle erwähnt. Allerdings beinhalten die jetzigen Rahmenrichtlinien im Gegensatz zu den früheren
Richtlinien keine Mindestklauseln mehr.45 Zudem sprechen einige Formulierungen eindeutig für eine Vollharmonisierung, wie etwa in der MiFID mit den Worten: „Die Mitgliedstaaten erlegen diesen Wertpapierfirmen oder Kreditinstituten in den von der vorliegenden
Richtlinie erfassten Bereichen keine zusätzlichen Anforderungen auf.“ 46 Deshalb spricht
man bei der MiFID47 und der Prospekt-RiL48 von einer Vollharmonisierung. Zudem verweisen alle vier Rahmenrichtlinien in ihren Erwägungsgründen ausdrücklich auf das Lamfalussy-Verfahren.49 Mit diesem Verfahren ist das Ziel verbunden, eine einheitliche Gesetzgebung und Rechtsanwendung sicherzustellen.50
b)
Die verbleibende Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers für Bereiche, die nicht von den Rahmenrichtlinien umfasst sind
Die Regelungskompetenz steht dem Mitgliedstaat etwa dann zu, wenn die europäische
Richtlinie ausdrücklich auf das nationale Recht verweist.51 Unstrittig bestehen für den Mitgliedstaat auch eine Regelungs- und damit auch die Konkretisierungskompetenz für Bereiche, die von der Richtlinie nicht erfasst wurden. Im Einzelnen ist jeweils zu klären, ob die
45
Nur die Transparenz-RiL unterscheidet zwischen Voll- und Mindestharmonisierung, s. Art. 3 Abs. 1, 2
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/109/EG v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der
Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf
einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenz-RiL),
ABl. Nr. L 390, 38.
46
Art. 31 Abs. 1 Ua. 2; s. auch Art. 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 MiFiD (Fn. 43). Kursivdruck durch Autor.
47
Möllers, in: FS Horn 2006, S. 473, 485; Buchmann, Umsetzung vollharmonisierter Richtlinien, Diss.
Augsburg. 2007, S. 95; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627, 628; weiterführend jetzt Möllers, Europäische
Methoden- und Gesetzgebungslehre am Beispiel des Lamfalussy-Verfahrens, ZEuP 2008 (im Erscheinen).
48
Ferran, Building an EU Securities Market, 2004, S. 138 ff.
49
Erwägungsgründe 4 – 7 –MAD (Fn. Fehler! Textmarke nicht definiert.); RiL des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/71/EG v. 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von
Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie
2001/34/EG (Prospekt-RiL), ABl. Nr. L 345, 64; 64 – 67 MiFiD (Fn. 43); 30 - 33 Transparenz-RiL (Fn. 45).
50
Lamfalussy-Bericht (Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen
Wertpapiermärkte v. 15.2.2001, abrufbar unter: www.thomas-moellers.de/materialien), S. 46: „In Stufe 3
geht es vor allem darum, die Kohärenz der alltäglichen Umsetzung und Durchführung der Rechtsvorschriften
von Stufe 1 und Stufe 2 wesentlich zu verbessern”; CESR Action Plan 2005 of 10/2004, CESR/04-527b,
Ziff. 1.2. S. 4.
51 EuGH Rs. C-188/03, Slg. 2005, I-885 Rn. 29 – Junk; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2006, § 11 Rn. 9 ff.
10
Richtlinie abschließend ein Rechtsgebiet regelt oder nicht. Oft wird man den abschließenden Charakter nur für die explizit geregelten Bereiche bejahen können. Außerhalb des persönlichen oder sachlichen Anwendungsbereichs verbleibt dem nationalen Gesetzgeber
dann seine Regelungskompetenz. Die MAD verbietet etwa die Kursmanipulation für geregelte Märkte.52 Dazu gehört nicht der Freiverkehr. Deshalb durfte der deutsche Gesetzgeber das Verbot von Insidergeschäften (§ 12 S. 1 Nr. 2 WpHG) 53 und der Kursmanipulation
(§ 20a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG)54 auch auf den Freiverkehr anwenden, ohne an die Vorgaben der MAD gebunden zu sein. Art. 19 MiFID strukturiert zwar einzelne Bereiche von
Aufklärung, Beratung und Vermögensberatung. Die oben genannten vertraglichen Pflichten und Vertragstypen werden jedoch nicht von der Richtlinie umfasst.55 Damit kann auch
sichergestellt werden, dass Pflichtverstöße über das Zivilrecht wirkungsvoll geahndet werden.
III.
Pflichtverletzungen der Bank
1.
Beratungs-, Vermögensverwaltungs- und Vermögensbetreuungsvertrag
Für eine ordnungsgemäße Beratung muss die Bank die finanziellen Verhältnisse des Kunden kennen sowie das zu empfehlende Produkt.56 Dem Kundenberater treffen zudem Nachforschungspflichten im Hinblick auf das Anlageobjekt. 57 Im Einzelnen verpflichtet die
Anlageberatung zu einer anlegerorientierten Aufklärung und Beratung58; die dabei im Einzelnen zu beachtenden Kriterien lassen sich in ein bewegliches System zueinander setzen.59 Auch bei der Vermögensverwaltung muss die Bank sich über die Fähigkeiten des
Kunden zur Risikotragung und Risikobereitschaft informieren. Im Vergleich zu den Er-
52
Art. 1 Ziff. 4 MAD (Fn. 49).
S. Schwark, in: Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2003, § 12 Rn. 3.
54
Mock/Stoll/Eufinger, in: KK-WpHG, 2007, § 20a Rn. 41 ff., 122.
55
S. auch Erwägungsgrund 37 der MiFiD (Fn. 43): „Von dieser Richtlinie unberührt bleiben sollte das
Recht von vertraglich gebundenen Vermittlern unter andere Richtlinien fallende Tätigkeiten und verbundene
Tätigkeiten in Bezug auf Finanzdienstleistungen oder -produkte, die nicht unter diese Richtlinie fallen, auszuüben, selbst wenn dies im Namen von Teilen derselben Finanzgruppe geschieht.“
56
Zum Prinzip des „know your customer” s. Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 15 ff.
57
S. zum Prinzip des „know your product“ grundsätzlich BGHZ 123, 126 – Bond; Arendts, Die Haftung
für fehlerhafte Anlageberatung, 1998, S. 30 ff.
58
Roth, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 11 Rn. 1 ff.; Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998; S. 17 ff.; Lenenbach, Kapital- und Börsenrecht, 2002, S. 398 ff.
59
Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 23; Leisch, Informationspflichten nach § 31 WpHG,
2002, S. 111; Möllers, in: KK-WpHG, 2007, § 31 Rn. 170; Roth, in: Assmann/Schütze, a.a.O. (Fn. 4), § 11
Rn. 62. Allgemein für Informationspflichten Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten
beim Vertragsschluss,1989.
53
11
kundigungs- und Aufklärungspflichten der Bank bei der Beratung existieren bei der Vermögensverwaltung allerdings verhältnismäßig geringere Aufklärungs- und Beratungspflichten, weil die vertragstypische Leistung gerade darin besteht, dass die Bank anstelle
des Kunden die Anlagedispositionen trifft.60 Diese Pflichten werden durch die Umsetzung
der MiFID in den neu formulierten § 31 Abs. 4 WpHG aufgenommen.61
Wie bei allen Emissionsgeschäften existiert auch bei einem Vermögensbetreuungsvertrag eine Pflicht zur Erkundigung über die Anlageziele sowie die finanziellen Verhältnisse
des Kunden. Zudem verpflichtet der Vermögensbetreuungsvertrag zur Anlage- und Vermögensberatung bzw. zur korrekten Beratung über das konkret zu empfehlende Wertpapier
(2.). Schließlich besteht eine Pflicht zu einer fortlaufenden Beratung. Die Bank muss dann
die entsprechende Vermögensanlage, insbesondere ein Wertpapierportfolio, laufend überwachen und dem Kunden sachdienliche Informationen und Empfehlungen geben (3.).62
2.
Pflichten des Vermögensbetreuungsvertrag zur Ermöglichung der Anlageentscheidung
Weil bei der Vermögensbetreuung der Kunde die Anlageentscheidung trifft, gelten die
Grundsätze, die der BGH zum Beratungsvertrag entwickelt hat, folglich die anleger- und
anlagegerechte Beratung.
a)
Anlegergerechte Beratung
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Aufklärungs– und Beratungspflichten vom
Kenntnisstand des Anlegers abhängig sind.63 So ist derjenige, der seit Jahren Erfahrungen
über risikoreiche Investmentfonds verfügt, nicht mehr aufzuklären.64 Das ist aber nicht der
Fall, wenn der Kunde bei Wertpapieren wenig erfahren ist und deshalb gerade die Beratung der Bank in Anspruch nimmt. So ist die Empfehlung einer risikoreichen BondAnleihe nicht anlegergerecht, wenn das bisherige Anlegerverhalten risikofreie Anlageformen umfasste.65 Wenn ein langfristiger Vermögenszuwachs als Anlageziel vereinbart wurde, ist bei einer Empfehlung risikobehafteter Aktien und Optionen eine positive Vertrags-
60
Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 10.23; Horn, ZBB 1997, 139, 147.
Möllers, in: KK-WpHG, 2007, § 31 Rn. 159 ,173.
62
Horn, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1278; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 29; Balzer,
in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 9.2.
63
BGHZ 123, 126, 128 – Bond.
64
LG München BKR 2003, 769; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.46.
65
BGHZ 123, 126 – Bond.
61
12
verletzung zu bejahen.66 Bei einem konservativen und sicherheitsorientierten Anleger stellt
die Empfehlung einer Wandelanleihe eine Fehlberatung dar.67 Die Empfehlung eines spekulativen Fonds an einen bislang nur mit „Blue Chips“ vertrauten Anleger ist nicht anlegergerecht und begründet eine Verletzung der Pflichten aus einem Beratungsvertrag.68 In
der Bond-Entscheidung betonte der BGH, dass der Anlageinteressent davon ausgehen darf,
dass seine beratende Bank, der er sich aufgrund der von dieser in Anspruch genommenen
Sachkunde anvertraut, die von ihr in das Anlageprogramm aufgenommenen Papiere selbst
als „gut“ befunden hat.69
b)
Objektgerechte Beratung
Neben der Pflicht zur anlegergerechten Beratung folgt aus dem Beratungsvertrag die
Pflicht zur objekt- oder anlagegerechten Beratung des Kunden.70 Sinn und Zweck der objektgerechten Beratung ist es, den Anleger in die Lage zu versetzen, eine seinen Wünschen
und Bedürfnissen entsprechende Anlageentscheidung zu treffen.71 Inhaltlich verlangt die
Pflicht zur objektgerechten Beratung, dass über das Anlageobjekt zutreffend, vollständig
und verständlich aufgeklärt wird und der Berater eine Einschätzung und Bewertung des
nachgefragten oder angebotenen Anlageobjekts ausspricht.72 So ist etwa auf die besonderen Gefahren von Penny Stocks und der Möglichkeit von Kursmanipulationen bei besonderer Marktenge aufzuklären.73 Ein konservativer Anleger ist auf das Fehlen externer Ratings
einer Industrieanleihe hinzuweisen.74 Bei Investmentanteilsscheinen (Fonds) ist ein aufklärungsbedürftiger Anleger zunächst über die Zusammensetzung des Fondsvermögens, die
Anlagestrategie und das Fondsmanagement zu unterrichten.75 Im Unterschied zur Vermö-
66
OLG Karlsruhe WM 2001, 806, 808 – Graue Vermögensverwaltung.
BGH WM 2000, 1441 – Fokker-Anleihe; OLG Bamberg BKR 2002, 185 – Fokker-Anleihen; OLG
Nürnberg WM 1998, 378 – Fokker-Anleihen; OLG Braunschweig WM 1998, 375 – Fokker-Anleihe.
68
LG München BKR 2003, 558 = VuR 2002, 437; Balzer, Effektengeschäft, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn.
8), Rn. 7.25.
69
BGHZ 123, 126, 129 – Bond; zustimmend Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 20.
70
BGHZ 123, 126 – Bond.
71
OLG Düsseldorf WM 2003, 1263, 1264 – Turbodyne m. Anm. Allmendinger, EWiR 2003, 457.
72
Nobbe, in: Horn/Schimansky, Bankrecht 1998, 1998, S. 235, 245; Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8),
§ 18 Rn. 20; Horn, ZBB 1997, 139, 141; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.28.
73
BGH NJW 1991, 1108 f., 1947 f. – Penny Stocks.
74
OLG Nürnberg WM 1998, 378.
75
S. Nr. B 2.2.3 der Richtlinie gem. § 35 Abs. 6 WpHG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen
(BaFin) zur Konkretisierung der §§ 31, 32 WpHG v. 23.8.2001, BAnz. Nr. 165, S. 19217, Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 3. Aufl. 2003, § 31 Rn. 106a; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistung, 1998, Rn. 172; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 10 Rn. 73; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn.
7.46: s. auch LG München I BKR 2004, 242 - Optionsscheinsfonds.
67
13
gensverwaltung trifft der Kunde bei der Vermögensbetreuung die Anlageentscheidung
selbst. Auf die objektgerechte Aufklärung und Beratung kann damit grundsätzlich nicht
verzichtet werden. Auch wird man grundsätzlich nicht davon ausgehen können, dass der
Anleger entsprechend sachkundig ist, möchte er mit der Vermögensbetreuung doch gerade
eine zusätzliche dauerhafte Überwachung des Depots durch die Bank. Schließlich muss
eine Bank, die für ihre Anlageempfehlung das Vertrauen ihres Kunden in Anspruch nimmt
und in Bezug auf eine konkrete Anlageentscheidung sich als kompetent geriert, sich selbst
aktuelle Informationen über das Anlageobjekt verschaffen.76
c)
Churning und Kick-Back-Vereinbarungen
Von der Vermögensverwaltung bekannt ist auch das Churning, die sog. Spesenreiterei, die
durch ein häufiges Umschichten des Depots entsteht. Spontan könnte man daran denken,
dass diese Problematik bei der Vermögensberatung nicht besteht, weil der Bankkunde die
Anlageentscheidung trifft. Weil aber der Kunde dem Betreuer vertraut, wenn dieser den
Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren vornimmt, kann das Churning hier ebenfalls auftreten. Im Ergebnis wird deshalb auch durch Aufklärung der Tatbestand nicht beseitigt; vielmehr hat der Betreuer ein solches Verhalten gänzlich zu unterlassen, weil es
gegen die Interessenwahrungspflicht verstößt.77 Auch Kick-Back-Vereinbarungen, wonach
der Berater von der depotführenden Bank anteilig an den vom Kunden zu zahlenden Provisionen beteiligt wird, sind denkbar. Hier bestehen Aufklärungspflichten.78 § 31d WpHG
geht nun grundsätzlich von einem Verbot solcher Geschäfte aus.79
3.
Überwachungs- und Benachrichtigungspflichten bei der Vermögensbetreuung
a)
Pflichten des Vermögensverwalters und des Vermögensbetreuers
Der Vermögensverwaltungsvertrag wird als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter qualifiziert, so dass gem. § 675 BGB die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis
76
BGHZ 123, 126, 131 – Bond.
BGH WM 1995, 100, 101 f.; BGH WM 2004, 1768; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl.
2006, § 31 Rn. 70; Möllers, in: KK-WpHG, 2007, § 31 Rn. 142; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 895; a.A. für eine
bloße Aufklärung OLG Düsseldorf ZIP 1994, 1765.
78
BGH WM 2007, 487 m. Anm. Möllers/Wenninger, LMK 2007, 220857; BGH ZIP 2001, 230, 231;
Möllers, in: KK-WpHG, 2007, § 31 Rn. 144 ff., 241; Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 897.
79
Hierzu Brocker, BKR 2007, 365, 366 ff.
77
14
674 und regelmäßig § 671 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden sind.80 Nach der getroffenen Vermögensentscheidung sind die Pflichten des Vermögensverwalters umfangreicher
als bei der Anlageberatung, weil die Vermögensverwaltung im Unterschied zur Beratung
auch die Betreuung nach der Anlageentscheidung umfasst. Der Vermögensverwalter ist
verpflichtet, durch eine fortlaufende Überwachung der Märkte und der Finanzinstrumente
im Kundendepot sicherzustellen, dass die Anlageziele des Kunden nach Möglichkeit verwirklicht und dabei die Anlagerichtlinien eingehalten sind.81 Daneben existieren regelmäßige Benachrichtigungs-, Rechnungslegungs- und Unterrichtungspflichten.82 Beispielsweise muss bei Vermögensverlusten der Vermögensverwalter den Kunden unmittelbar benachrichtigen, § 666 BGB.83
Vergleichbare Pflichten können auch für den Vermögensberater existieren: Auch er ist
verpflichtet, fortlaufend Märkte und Finanzinstrumente zu überwachen und dadurch zu
gewährleisten, dass die Anlageziele des Kunden nach Möglichkeit im Kundendepot verwirklicht und dabei die Anlagerichtlinien eingehalten sind. Als Teil des Vermögensbetreuungsvertrages bestehen regelmäßige Benachrichtigungs-, Rechnungslegungs- und Unterrichtungspflichten, so dass bei Vermögensverlusten auch der Vermögensbetreuer den Kunden unmittelbar benachrichtigen muss. Da die Vermögensbetreuung ein Dauerschuldverhältnis ist, können sich während des gesamten Zeitraums des Bestehens des Rechtsverhältnisses verschiedene Pflichtverletzungen ergeben. So besteht eine Benachrichtigungspflicht,
wenn kein aktueller Kurs des Wertpapiers mehr festgestellt wird, verschiedene Fonds fusionieren oder sich deutliche Wertverluste einstellen. Bei der Vermögensverwaltung existiert
nach herrschender Ansicht eine Benachrichtigungspflicht gem. § 666 BGB nur bei Verlusten des gesamten Portfolios, aber nicht schon bei Verlusten einzelner Wertpapiere. Das ist
sachgerecht, weil oft für das gesamte Depot Absicherungsgeschäfte vorgenommen werden,
die der Wertentwicklung des gesamten Depots dienen.84 Im Unterschied zur Vermögensverwaltung trifft der Kunde bei der Vermögensbetreuung aber eine eigene Entscheidung.
80
Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 21 Rn. 8; s. auch Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 10.18.
Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 911 f.
82
Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 913 f.; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 22 Rn. 45; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8),
Rn. 9.47.
83
BGH WM 1994, 834, 836 m. Anm. Schäfer, WuB I G 5-5.94 – Unzulässigkeit des Abbedingens der
Benachrichtigungspflicht; Schäfer/Müller, a.a.O. (Fn. 75), Rn. 172, 315 ff.; Schäfer, WM 1995, 1009, 1011;
Kienle, in: Bankrechtshandbuch, a.a.O. (Fn. 13), § 111 Rn. 25; Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 10.42 ff.; Sethe,
a.a.O. (Fn. 7), S. 914.
84
Schäfer, WM 1995, 1009, 1011; Schäfer/Müller, a.a.O. (Fn. 75), Rn. 320; Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1999, S. 125.
81
15
Wenn der Vermögensverlust bei einem einzelnen Wertpapier auftritt, muss der Vermögensbetreuer den Kunden benachrichtigen, damit dieser entsprechend reagieren kann.
b)
Weitergehende Beratungs- und Warnpflichten
Auskunftspflichten ergeben sich auch dann, wenn sich der Kunde nach der Wertentwicklung eines Wertpapiers erkundigt, etwa danach fragt, ob er das Wertpapier verkaufen sollte. Es gilt der zivilrechtliche Grundsatz, dass Fragen des anderen Teils vollständig und
richtig beantwortet werden müssen.85 Eine erteilte Auskunft muss nicht nur inhaltlich richtig, sondern auch vollständig sein, vor allem darf sie nicht wesentliche Umstände verschweigen. Das ist die Kardinalpflicht der Bank aus dem Auskunftsvertrag. 86 Folglich
kann auch die Bank haften, wenn sie eine konkrete Frage oder Anfrage nicht korrekt beantwortet oder den Kunden von sich aus falsch unterrichtet.87 Im Zweifel muss die Bank
auf ihre fehlende oder mangelhafte Sachkunde hinweisen.88 Der BGH hat jüngst eine Haftung abgelehnt, weil nach fallenden Kursen die Bank zum Halten der Wertpapiere geraten
hatte. Sicherlich kann die Anlageempfehlung immer nur aus der ex ante Perspektive erfolgen – und der Anleger trägt das Risiko, dass sich der Wertpapierkauf als Spekulationsgeschäft im Nachhinein als falsch erweist.89 Allerdings hat auch diese Beratung, sei es als
zweiter Beratungsvertrag oder auch Teil eines Vermögensberatungsvertrages anlager– und
anlegergerecht zu erfolgen. Die pauschale Aussage, dass es sich bei einem hochspekulativen Fond um „gute Papiere“ handelt, stellt etwa eine unzureichende Auskunft dar.90 Auch
die Aussage, die Börse würde sich wieder nach oben entwickeln91, ist als solches untauglich, weil er weder anlage- noch anlegergerecht erfolgt. 92 Damit sollte die Bank nicht
leichtfertig Desinteresse für das Depot zeigen, wenn sie eine entsprechende Betreuung übernommen hat.
85
BGHZ 74, 383, 392 - Gebrauchtwagen; BGH NJW 1977, 1914 - Gebrauchtwagen; Palandt/Heinrichs,
BGB, 66. Aufl. 2007, § 123 Rn. 5a.
86
Schimansky, in: Bankrecht 2002, 2003, S. 49, 57; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.28; s.
auch BGH NJW 1998, 2675 = WM 1^998, 1391.
87
Schimansky, in: Bankrecht 2002, 2003, S. 49, 56 f. Zur Haftung der nicht zur Aufklärung verpflichteten
Bank aus Auskunftsvertrag bei der Beantwortung von Fragen des Kunden vgl. BGH, NJW 1989, 1667, 1668
m. Anm. Reifner, EWiR 1989, 449.
88
BGH NJW 1998, 2675, 2676 = WM 1998, 1391.
89
BGH NJW 2006, 2041, 2042 = WM 2006, 851 – Anlageberatung m. Anm. Allmendinger, EWiR 2006,
391; BGH WM 1987, 531, 532.
90
So der Sachverhalt in Fürstlicher OGH v. 7.12.2006, Az. 06 CG.2005.198.
91
So der Sachverhalt in BGH NJW 2006, 2041, 2042.
92
Kritisch zu recht Puszkajler/Weber, ZIP 2007, 401, 403; zweifelnd auch Allmendinger, EWiR 2006,
391, 392.
16
In der Literatur ist zudem anerkannt, dass die Bank unabhängig von einem Vermögensbetreuungsvertrag auch nach einer einmaligen Empfehlung nachvertragliche Warnpflichten treffen, wenn sie erkennt, dass eine ursprüngliche Empfehlung fehlerhaft gewesen ist; eine Korrektur dient insbesondere der Schadensminderung.93 Warnpflichten werden vor allem dann bejaht, wenn das Kreditinstitut erkennt, dass dem Kunden ein Vermögensschaden droht.94 Die Bank muss bei einem drohenden Schaden eingreifen, wenn erkennbar wird, dass ihre Beratung fehlerhaft ist.
4.
Organisationsverschulden
a)
Wissenszurechnung
Wer die Auskunft erteilt, ist unerheblich. Das Wissen des Bankangestellten ist der Bank
gem. § 166 BGB zuzurechnen.95 Der Anfragende kann darauf vertrauen, dass der antwortende Angestellte eine für diese Tätigkeit ausreichende Vollmacht hat.96 Ein Organisationsverschulden kann auch darin bestehen, dass das einmal erlangte Wissen der Bank nicht
in dem gebotenen Maße genutzt werden konnte. Die Rechtsprechung betont, dass Bankkunden grundsätzlich auch erwarten dürfen, durch einen Mitarbeiterwechsel keine Nachteile zu erleiden. 97 Informationen, deren Relevanz für spätere Geschäftsvorgänge für den
Mitarbeiter der Bank erkennbar ist, müssen dokumentiert werden. Überdies muss sichergestellt werden, dass die Informationsmöglichkeit auch genutzt wird. Die Bank muss deshalb
dafür sorgen, dass das für spätere Geschäftsvorgänge relevante Wissen eines abwesenden
oder versetzten Bankangestellten an den Vertreter oder Nachfolger weitergegeben wird
oder für diesen in einer Kartei oder auf einem elektronischen Speichermedium zur Verfügung steht.98 Es ist deshalb nicht ausreichend, wenn der einzige Anlagebetreuer, der den
93
Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 192; Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 215 Fn. 63.
OLG Zweibrücken WM 1995, 1272, 1276; OLG Celle WM 1993, 191, 192 - Bond; Schäfer/Müller,
a.a.O. (Fn. 75), S. 8; Horn, in: FS Schimansky, 1999, S. 653, 664 f.; ders., ZBB 1997, 139, 141.
95
Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 2.275.
96
BGH, NJW 1990, 513 m. Anm. Alisch EWiR 1990, 41; Schimansky, in: Bankrecht 2002, 2003, S. 49,
56 f.
97
BGHZ 135, 202, 206 = WM 1997, 1092 - Hereinnahme disparischer Schecks unter Hinweis auf Nobbe,
in: Bankrechtshandbuch, 1997, § 60 Rn. 154; Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 2.277.
98
Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 2.277. Auch in der Schweiz ist es üblich, dass über den Kunden ein Kundendossier erstellt wird, welches die Kundengespräche und Weisungen des Kunden dokumentiert,
Emch/Renz/Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, Rn. 1470 ff.
94
17
entsprechenden Sachverstand über bestimmte Wertpapiere besitzt, die Bank verlässt und
der Nachfolger sich nicht entsprechend einarbeitet.99
b)
Kündigung des Vermögensbetreuungsvertrages
Für die Bank besteht die Möglichkeit, den bis dato kostenfreien Vermögensbetreuungsvertrag zu beenden und einen schriftlichen und entgeltlichen Vermögensbetreuungsvertrag
abzuschließen. Seit 2000 sind Banken dazu übergegangen, ihre Beratungsleistungen zum
Gegenstand entgeltlicher Leistungen im Rahmen der Betreuung von Wertpapierdepots im
Privatkundengeschäft zu machen.100 Alternativ kann die Bank den konkludent eingegangen
Vermögensbetreuungsvertrag auch kündigen. Die Kündigung ist als Gestaltungsrecht eine
einseitige Willenserklärung, die das Rechtsverhältnis umgestaltet; sie ist empfangsbedürftig101, § 130 BGB. Der Vermögensbetreuungsvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis. Das
Vertrauensverhältnis, das auf der treuhänderischen Betreuung des fremden Vermögens
beruht, muss durch eine eindeutige Willenserklärung beendet werden. Da das Gestaltungsrecht auf die Rechtsstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun einwirkt, muss
sich die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig aus der Erklärung ergeben.102
In der Vergangenheit sind solche Umstellungen oft nicht ausdrücklich, sondern nur faktisch durch die Zuweisung neuer Kundenberater erfolgt. Die Bank wollte damit den Kunden statt einer Vermögensbetreuung nur noch einen Depotvertrag ohne entsprechende Beratungs- und Vermögensbetreuungsvertrag anbieten. Von einem solchen Vorgehen ohne
ausdrückliche Kündigungserklärung ist wegen des Haftungsrisikos ausdrücklich abzuraten.
IV.
Schaden, haftungsbegründende Kausalität und Verschulden
1.
Schaden
Wann ein Schaden zu bejahen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nach einer Ansicht
ist dies der Fall, wenn sich bei objektiver Betrachtungsweise die Vermögenslage des Anlegers verschlechtert, wenn sich also das in der Fehlinformation enthaltene Risiko etwa
99
100
101
102
S. hierzu die Sachverhaltskonstellation in Fürstlicher OGH v. 7.12.2006, Az. 06 CG.2005.198.
S. oben Fn. 5.
Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 9. Aufl. 2004, § 15 Rn. 70, 75.
Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, vor § 104 Rn. 17.
18
durch Kursverluste realisiert hat.103 Die Gegenmeinung104 und die Rechtsprechung105 bejahen einen Schaden schon dann, wenn der Anleger aufgrund der fehlerhaften Empfehlung
eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, die für die Zwecke des Vertragspartners nicht mehr voll brauchbar ist. Der Geschädigte hat damit einen Anspruch auf das negative Interesse, d.h. er ist grundsätzlich so zu stellen, als wenn er die entsprechende Anlageentscheidung nicht getroffen hätte.106 Bei der Schadensberechnung kann bei einem Vermögensbetreuungsvertrag oft an unterschiedliche Pflichtverletzungen angeknüpft werden.
Eine Pflichtverletzung liegt etwa vor, wenn die Anlageempfehlung den Anlagezielen widerspricht.107 Stimmt etwa die Empfehlung von spekulativen Wertpapieren nicht mit einem
konservativ ausgerichteten Depot überein, ist der Schaden bereits in dem Erwerb dieser
Wertpapiere zu sehen. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie ohne diese Pflichtverletzung
gestanden hätte.108 Eine weitere Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Anleger über
die Wertentwicklung nicht benachrichtigt worden ist. Der Schaden entspricht dann der
Differenz zwischen dem Erlös, den der Anleger bei einer rechtzeitigen Veräußerung der
gegenständlichen Titel erzielt hätte, und dem Erlös, der bei einer späteren Veräußerung des
Wertpapiers erzielt wurde.
2.
Haftungsbegründende Kausalität und der Grundsatz aufklärungsrichtigen
Verhaltens
Nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts müsste der Geschädigte beweisen,
dass sein Schaden bei ordnungsgemäßer Beratung oder Aufklärung nicht eingetreten wäre.
Anerkannt ist allerdings, dass dem Geschädigten Beweiserleichterungen zugute kommen
müssen, denn, so der BGH, „dem Ersatzberechtigten wäre wenig damit gedient, wenn er
seinen Vertragspartner zwar an sich aus schuldhafter Verletzung einer solchen Hinweispflicht in Anspruch nehmen könnte, aber regelmäßig daran scheitern würde, dass er den
103
LG Hof, BKR 2004, 489, 490; Schwark, in: Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2004, § 37a WpHG Rn. 4; Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002, S. 359.
104
Wagner, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl. 2006, § 826 Rn. 6; Wiedemann, JZ 1998, 1176; Fleischer,
AcP 200 (2000), 91, 111 f.; Lorenz, ZIP 1998, 1053, 1055; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 311
Rn. 55.
105
BGH NJW 2005, 1579 unter II.1.b) = WM 2005, 929 – Verjährung nach § 37a WpHG unter Berufung
auf BGH NJW 1998, 302 = WM 1997, 2309 m. Anm. Grunsky, EWiR 1998, 727; s. ferner BGHZ 160, 149
unter II.2.a) - Infomatec II; BGH NJW-RR 2005, 1223, 1224.
106
Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002, S. 65 ff.; Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 48;
Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.82; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 14.
107
So für die Vermögensverwaltung Sethe, a.a.O. (Fn. 7), S. 899.
108
OLG Frankfurt WM 1993, 684, 686 – Aufklärungspflichten bei Optionsscheinen.
19
meist schwer zu führenden Beweis nicht erbringen könnte, wie er auf den Hinweis reagiert
hätte, wenn er gegeben worden wäre.“109 Grundsätzlich besteht deshalb eine Vermutung,
dass sich der Geschädigte „aufklärungsrichtig“ verhalten hätte.110 Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift etwa ein, wenn die unterlassene Information einen negativen Inhalt gehabt hätte oder die Bank von dem Anlageobjekt hätte abraten müssen und dies
von so wesentlicher Bedeutung gewesen wäre, dass der Kunde dann vernünftigerweise von
dem Anlagegeschäft Abstand genommen hätte.111 Diese Vermutung gilt nach gefestigter
Rechtsprechung allerdings dann nicht, wenn mehrere Verhaltensvarianten in Betracht
kommen, so dass bei dem Investor ein Entscheidungskonflikt vorliegt.112 Weil neben besonderen Risiken aber auch besondere Gewinnchancen bei einer Investition am Neuen
Markt lockten, sei etwa offen, wie sich der Anleger nach entsprechender Aufklärung verhalten hätte.113
3.
Verschulden
Die Bank haftet nur, soweit ihr ein Verschulden vorzuwerfen ist. Ein Verschulden liegt
vor, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die ihm obliegende Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns verletzt.114 Zudem ist der Bank das Verhalten ihrer Mitarbeiter
zuzurechnen, § 278 BGB. Das Verschulden wird vermutet.115 Bei der Ermittlung des ersatzfähigen Schadens kann nach § 254 Abs. 2 BGB ein Mitverschulden des Anlegers zu
berücksichtigen sein.116 An das Vorliegen eines Mitverschuldens sind allerdings strenge
Maßstäbe anzulegen, da der Anleger im Regelfall den Berater gerade heranzieht, weil er
dessen Kompetenz und Sachkunde für seine Anlageentscheidung benötigt. 117 Bedenkt
109
BGHZ 61, 118, 122.
BGHZ 72, 82, 106; BGHZ 124, 151, 160; BGH NJW 2002, 2703 - Grundsätze des aufklärungsrichtigen
Verhaltens bei zwei Handlungsalternativen; BGH NJW-RR 1998, 1271, 1272 m. Anm. Wach WUB I G
4.3.94; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 280 Rn. 39 m. w. Nachw.
111
van Look, in: Vortmann, a.a.O. (Fn. 8), § 1 Rn. 133.
112
BGH NJW 2005, 1113, 1114; BGH NJW 2004, 2967, 2969 – Indezzertifikate – Direkt-Broker; BGHZ
151, 5, 12; BGHZ 123, 311 – Aufklärungsrichtiges Verhalten bei rechtlichen Beratern.
113
BGH NJW 2004, 2967, 2969 = WM 2004, 1774 – Indezzertifikate – Direkt-Broker.
114
Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 46.
115
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Für das schweizerische Recht Bertschinger, a.a.O. (Fn. 9), S. 4 m. w.
Nachw.
116
Hierzu Schwintowski/Schäfer, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 46 ff.; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8),
Rn. 7.46, Vermögensverwaltung, Rn. 979 ff.
117
Lang, WM Sonderbeilage 9/88, S. 18; Lang, a.a.O. (Fn. 8), § 18 Rn. 19; Schäfer/Müller, a.a.O. (Fn.
75), Rn. 54; Horn, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn. 7/1338; Balzer, in: Welter/Lang,
a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.85, Sprockhoff, WM 2005, 1739, 1747.
110
20
man, dass die Bank eine Vermögensbetreuung übernimmt, treten eigene Pflichten des Anlegers zurück, da dieser gerade auf die Richtigkeit der getroffenen Empfehlungen vertraut.
V.
Verjährung
1.
Grundsätze der Rechtsprechung zur Verjährung im Bank- und Kapitalmarktrecht
Nach früherem Recht verjährten Ansprüche aus culpa in contrahendo und positiver Forderungsverletzung wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung in 30 Jahren, § 195 BGB
a.F. Für solche Ansprüche gilt nach dem 1.4.1998 die kurze Verjährungsfrist des § 37a
WpHG,118 der den allgemeinen Verjährungsregeln vorgeht.119 Danach verjährt ein Schadensersatzanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden
ist. Im Rahmen der Verjährungproblematik überträgt der BGH die Frage des Schadensbeginns auf das Verjährungsrecht und folgt damit Teilen der Literatur120. Der 11. Senat bejaht einen Schaden schon dann, wenn der Anleger aufgrund der fehlerhaften Empfehlung
eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, die für die Zwecke des Vertragspartners nicht mehr voll brauchbar ist.121 Dagegen mag zwar sprechen, dass der Kunde, sich
häufig noch gar nicht bewusst ist, dass eine schadensersatzbegründende Handlung vorliegt,
weil ein objektiver Schaden noch fehlt.122 Aus Gründen der Rechtssicherheit hat der BGH
sich aber für den Zeitpunkt des Erwerbs entschieden. In der einschlägigen Entscheidung
stellte der BGH zudem fest, dass die Verjährungsfrist des § 37a WpHG auch für fahrlässige, deliktsrechtliche Ansprüche123, nicht dagegen für Vorsatztaten gelte.124
118
Eingeführt durch das 3. Finanzmarktförderungsgesetz v. 24.3.1998, BGBl. I 1998, S. 529; s. hierzu
Schwark, in: Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2003, § 37a; Lenenbach, Kapital- und Börsenrecht, 2002, S. 415;
kritisch Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998, S. 72 f.
119
Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 195 Rn. 18.
120
S. oben Fn. 106 und Schäfer, in: FS Schimansky, 1999, S. 699, 710; Koller, in: Assmann/Schneider,
WpHG, 4. Aufl. 2006, § 37a Rn. 7; Kümpel, a.a.O. (Fn. 8), Rn. 16.568 f.; Balzer, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn.
8), 2005, Rn. 7.89; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 199 Rn. 20a.
121
BGH NJW 2005, 1579, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG unter Berufung auf BGH NJW 1998,
302; KG, NJW 2004, 2755; LG Düsseldorf BKR 2004, 413, 414; LG Zweibrücken BB 2004, 2373, 2374. S.
auch die Nachweise in Fn. 105.
122
So die Kritik von LG Hof BKR 2004, 489, 490; Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002, S. 359;
Schwark, in: Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2004, § 37a WpHG Rn. 4.
123
BGH NJW 2005, 1579, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG; vorher schon Schäfer, in: FS Schimansky, 1999, S. 699, 715; Ekkenga, in: MünchKomm zum HGB, 2001, Effektengeschäft, Rn. 248; Kritter,
BKR 2004, 261, 263; Balzer, Effektengeschäfte, in: Welter/Lang, a.a.O. (Fn. 8), 2005, Rn. 7.88, a.A. Koller,
in: Assmann/Schneider, WpHG, 3. Aufl. 2003, § 37a Rn. 6.
124
In diesen Fällen bleibe es damit bei der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Für
die teleologische Reduktion s. BGH NJW 2005, 1579, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG unter Hinweis
21
2.
Der Verjährungsbeginn beim Vermögensbetreuungsvertrag - die objektive
Verjährungsfrist de lege lata
a)
Differenzierung zwischen einmaliger Beratung und Vermögensbetreuungsvertrag und Verlängerung der Verjährung durch die Grundsätze des sekundären
Schadensersatzanspruchs
Der BGH hatte in der obigen Entscheidung zu § 37a WpHG festgestellt, dass bei einer
einmaligen Beratung die Verjährung mit dem fehlerhaften Beratungsgespräch zu laufen
beginnt, da dann bereits ein Schaden eingetreten sei.125 Was für einen Vermögensbetreuungsvertrag mit Pflichten nach der Anlageempfehlung gilt, wurde damit aber noch nicht
entschieden.126 Ein Vermögensbetreuungsvertrag beinhaltet Pflichten, die über die einmalige Empfehlung hinausgehen: Als Dauerschuldverhältnis schuldet die Bank auch die
Betreuung des Depots, nachdem ein Wertpapier erworben wurde. Der Anleger darf sich
darauf verlassen, dass die Bank das Depot überwacht und regelmäßig Rechenschaft über
die Wertentwicklung der Wertpapiere ablegt. Die Verjährung beginnt mit Abschluss des
Vertrages.127
Der Bundesgerichtshof prüfte in der Entscheidung zu § 37a WpHG, ob die Grundsätze
eines sekundären Schadensersatzanspruchs Anwendung finden. Für Rechtsanwälte besteht
nach der Rechtsprechung eine Pflicht zur Belehrung des Mandanten über einen bei der
anwaltlichen Rechtsberatung oder Prozessvertretung begangenen Fehler und über die Verjährung des daraus entstehenden Schadensersatzanspruchs. Unterlässt der Rechtsanwalt
diesen Hinweis und beruft er sich nachfolgend auf die Verjährung, resultiert hieraus ein
sog. sekundärer Schadensersatzanspruch, der an die unterlassene Aufklärung und die eingetretene Verjährung des Primäranspruchs anknüpft.128 Die ständige Rechtsprechung bejaht bei Rechtanwälten und Steuerberatern eine Pflicht, den Kunden darüber aufzuklären,
auf BT-Drs. 13/8933, S. 97; Horn, Anlageberatung, in: Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Stand: 9.01 Rn.
7/1345; Ekkenga, in: MünchKomm zum HGB, 2001, Effektengeschäft, Rn. 248; Balzer, in: Welter/Lang,
a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.91; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl. 2006, § 37a Rn. 6; Leisch, in: KKWpHG, 2007, § 37a Rn. 19.
125
S. oben Fn. 121.
126
Wörtlich führte er in dem Urteil aus: „Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Zedentin nach dem
8.2.2000 ungefragt auf die nachteilige Wertentwicklung der erworbenen Fondsanteile hinzuweisen“, BGH
NJW 2005, 157, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG; ebenso Schäfer, BKR 2005, 238, 240.
127
Bei fehlerhaft erteilten Weisungen im Rahmen der Vermögensverwaltung auch später s. Leisch, in:
KK-WpHG, 2007, § 37a Rn. 70; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 4. Aufl. 2006, § 37a Rn. 13; Kritter, BKR 2004, 261, 262.
128
BGH NJW 1985, 2250; BGH NJW 1996, 661.
22
dass dieser wegen eines Beratungsfehlers bzw. einer unrichtigen Information möglicherweise einen Schadensersatzanspruch besitzt. Der BGH verneinte einen solchen sekundären
Schadensersatzanspruch bei einer einmaligen Beratung einer Bank, da es im Gegensatz
zum Verhältnis des Mandanten zu seinem Rechtsanwalt oder Steuerberater an einem dauerhaften Vertrauensverhältnis fehle.129 Bei einem Vermögensbetreuungsvertrag ist ein solches Dauerschuldverhältnis allerdings gegeben, so dass sich die Grundsätze zur Sekundärverjährung übertragen lassen. Damit würde sich aber die Verjährungsfrist bis auf sechs
Jahre verlängern.130
b)
Verlängerung der Verjährung bei nachträglichem Auskunftsersuchen und §
826 BGB
Besonderheiten könnten sich auch dann ergeben, wenn sich der Anleger zeitlich versetzt
nach der erfolgten Anlageentscheidung nach der Güte der Wertpapiere erkundigt und die
Bank die Bonität der Papiere als „gut“ bezeichnet.131 Mit einer solchen Antwort wird der
Anleger von einer gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abgehalten. In solchen Fällen muss die Verjährung unterbrochen werden, denn es wäre geradezu
treuwidrig, wenn es die Bank in der Hand hätte, durch unzutreffende und rechtswidrige
Auskünfte den Kläger von einer Klage abzuhalten. 132 Nach deutschem Recht könnte in
solchen Fällen überdies § 826 BGB Abhilfe bieten. Wie oben gezeigt, werden vorsätzliche
deliktsrechtliche Ansprüche nicht über § 37a WpHG gesperrt.133 Nach der Rechtsprechung
zu § 826 BGB sind nicht nur vorsätzliche, sondern auch grob fahrlässige, unrichtige Auskünfte sittenwidrig 134 . Dies ist zu bejahen, wenn für den Auskunftsgeber die mögliche
Schädigung des Empfängers erkennbar ist135 oder der Auskunftsgeber Kompetenz für sich
in Anspruch genommen hat136. Zu diesen Berufsgruppen gehören etwa Wirtschaftsprüfer,
Steuerberater, Rechtsanwälte, Testprüfer und Wertgutachter. Im Kern knüpft das Sitten129
BGH NJW 2005, 1579, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG; LG Zweibrücken BB 2004, 2373, 2374;
Kritter, BKR 2004, 261, 263 f.; Schäfer, in: FS Schimansky, 1999, S. 699, 712; Balzer, in: Welter/Lang,
a.a.O. (Fn. 8), Rn. 7.91; a.A. Roller/Hackenberg, ZZB 2004, 227, 229 ff.; Ellenberger, WM 2001, Sonderbeilage Nr. 1, 1, 15 f.
130
Ebenso Leisch, in: KK-WpHG, 2007, § 37a Rn. 70 ff.
131
So auch Fürstlicher OGH v. 7.12.2006, Az. 06 CG.2005.198.
132
Ist der Schuldner dafür verantwortlich, dass der Gläubiger einen Rechtsstreit verloren hat, entsteht der
Schaden erst mit dem Erlass des Urteils, OLG Zweibrücken, NJW-RR 2004, 27.
133
S. oben Fn. 124.
134
Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 826 Rn. 28; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1653 f.; Möllers/Leisch, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 15 Rn. 10 ff.
135
BGH NJW 1987, 1758 – Steuerlicher Berater.
136
BGH NJW 1991, 3282 - Bodengutachten.
23
widrigkeitsurteil an die Verletzung von Berufspflichten an.137 Für die Haftung einer Bank
genügen beispielsweise leichtfertige Falschauskünfte über die finanzielle Situation eines
Kreditkunden, wenn diese Auskünfte für den Auskunftsempfänger138 eine herausragende
Bedeutung haben. Rechtfertigen lässt sich diese Haftung mit dem Vertrauen in die Seriosität, die Banken im allgemeinen Geschäftsverkehr genießen.139 In diesem Fall bliebe es aber
bei der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB.140
3.
Abstellen auf eine subjektive Verjährungsfrist de lege ferenda
a)
Streichung des § 37a WpHG de lege ferenda
Der BGH hatte in der Entscheidung zu § 37a WpHG auch angedeutet, dass die dreijährige
Verjährungsfrist des § 37a WpHG zu kurz sein kann; für eine Änderung des Gesetzes sei
allerdings der Gesetzgeber gefordert.141 Der Bundesrat hatte gezweifelt, dass anlegerschützende Ansprüche von dem allgemeinen Verjährungssystem der §§ 195 – 199 BGB abweichen müssen, da das Gesetz zur Schuldrechtsmodernisierung gerade das Ziel verfolgt hatte,
grundsätzlich für alle Ansprüche eine angemessene Ausgestaltung der Verjährung zu ermöglichen.142 In dem Diskussionsentwurf zu einem Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG) hatte das Bundesministerium der Finanzen vorgeschlagen, den § 37a
WpHG wegen der Vergleichbarkeit mit den allgemeinen Vorschriften zu streichen.143
§ 852 BGB a.F. sah eine kenntnisabhängige Verjährung vor. Dies Verjährungsfrist
begann mit dem Zeitpunkt, als der Verletzte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen, eine
Schadensersatzklage, wenn auch nur als Feststellungsklage, mit hinreichender Aussicht auf
137
BGH NJW 1986, 180 – Steuerbevollmächtigter; BGH NJW 1987, 1758 – Steuerlicher Berater; BGH
NJW 1991, 3282, 3283 – Bodengutachten; BGH NJW 2001, 360 – Wirtschaftsprüfer; Palandt/Thomas, BGB,
66. Aufl. 2007, § 826 Rn. 27.
138
BGH NJW 1979, 1599, 1600 – falsche Bankauskunft; BGH WM 1971, 206, 207 – Bank gegenüber
Bank; BGH WM 1962, 1110, 1111 – unvollständige Auskunft; Hönn, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2005, §
826 Rn. 176.
139
BGH NJW 1979, 1599, 1600 = WM 1979, 428 – falsche Bankauskunft.
140
Dies entspricht der schweizerischen Rechtslage. Verstößt jemand gegen einen Auftrag in Rahmen eines
Beratungsvertrages gem. Art. 398 OR, bleibt es bei der allgemeinen zehnjährigen Verjährungsregel des Art.
127 OR. Nicht gesehen von Fürstlicher OGH v. 7.12.2006, Az. 06 CG.2005.198.
141
BGH NJW 2005, 1579, 1580 – Verjährung nach § 37a WpHG.; ebenso Schäfer, BKR 2005, 240.
142
GesetzesE zur Anpassung der Verjährungsvorschriften an das SchuldrechtsmodernisierungsG, Stellungsnahme des Bundesrates, BT-Drs. 15/3653, S. 30, 32; vorher schon unter SchuldrechtsmodernisierungsG, BR-Drs. 436/04.
143
Diskussionsentwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG) v. 7.10.2004, NZG
2004, 1042, 1044; s. hierzu auch Möllers, JZ 2005, 75, 79 ff.
24
Erfolg erheben konnte.144 Es kam also darauf an, ob dem Geschädigten die Erhebung der
Klage zuzumuten war.145 Die jetzt gültige, allgemeine dreijährige Verjährungsfrist des §
199 BGB n.F. übernimmt den Gedanken der subjektiven kenntnisabhängigen Verjährungsfrist. Die Verjährung beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des
Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen musste. Der Gesetzgeber knüpft mit dem Kriterium der groben Fahrlässigkeit146 an die Rechtsprechung zu §
852 BGB a.F. an147: Für die erforderliche Kenntniserlangung versuchen Rechtsprechung
und Gesetzgeber mit § 199 BGB einen gangbaren Mittelweg zwischen den Interessen des
Geschädigten und denen des Schädigers zu gehen. Hintergrund ist der Gedanke, dass bei
einer rein objektiven Verjährungsfrist der Anspruch in der relativ kurzen Zeit von drei Jahren verjähren könnte, bevor der Gläubiger Kenntnis von dem Anspruch oder der Person
des Schuldners erlangt. Die subjektive Verjährungsfrist des § 199 BGB wird folglich als
sachgerechtes Herzstück der Verjährung bezeichnet.148
b)
Übertragung der Wertungen auf den Vermögensverwaltungs- und Vermögensbetreuungsvertrag
Bei einem Vermögensverwaltungs- und einem Vermögensbetreuungsvertrag ist die Unangemessenheit einer objektiven Verjährungsfrist nach jetzigem Recht offensichtlich: Einer
Vermögensberatung ist es immanent, dass sich die Bank und nicht der Anleger aktiv um
die Wertentwicklung des Depots kümmert; damit tritt anders als bei der einmaligen Empfehlung im Rahmen eines Beratungsvertrages die Obliegenheit des Anlegers, die Wertentwicklung zu verfolgen, automatisch zurück. Regelmäßig wird der Anleger darauf vertrauen, dass sein Depot durch den Kundenbetreuer gut gepflegt wird und etwaige Anlagefehler
zeitnah korrigiert werden. Auf entsprechende Aussagen, etwa dass es sich um „gute Papiere“ handelt, wird der Kunde vertrauen dürfen. Im Unterschied zur einmaligen Empfehlung
144
BGHZ 48, 181, 183; BGHZ 102, 246.
BGH NJW 1993, 2303; BGH NJW 1994, 3092.
146
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Geschädigte die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und Kosten beschaffen kann, sich vor einer sich aufdrängenden Kenntnis missbräuchlich
verschließt oder auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnützt, Palandt/Heinrichs, BGB, 66.
Aufl. 2007, § 199 Rn. 27 unter Hinweis auf BGH NJW 1990, 2808, 2810, BGH NJW 2001, 1721.
147
Grothe, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2006, § 199 Rn. 1; KompaktKom-BGB/Willingmann, 2003, § 199 Rn.
8.
148
Zudem würden verfassungsrechtliche Probleme vermieden, s. AnwKom-BGB/Mansel, 2001, § 199 Rn.
8 ff. m.w. Nachw.; Grothe, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2006, § 199 Rn. 1.
145
25
ist hier die objektive Verjährungsfrist unangemessen kurz. Ungekehrt wird man auch verlangen können, dass den Anleger eine eigene Obliegenheit trifft, Kenntnis von dem Schaden zu erlangen. So wird der Anleger die jährlichen Depotauszüge und damit die Wertentwicklung zu überprüfen haben und ggf. Rücksprache mit dem Kundenberater halten müssen. Auch ist der Kreis der Geschädigten bei einem Vermögensbetreuungs- oder Vermögensverwaltungsvertrag zwischen Bank und Kunden grundsätzlich überschaubar, so dass
das die Verjährung verlängernde Element der Kenntniserlangung auch für die Bank zumutbar bleibt.149 Die subjektive Kenntnis des Gläubigers mit dem entsprechenden Sorgfaltsmaßstab des § 199 Abs. 1 BGB stellt einen angemessenen Interessensausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner dar, so dass § 37a WpHG de lege ferenda zu streichen
ist.150
VI.
Zusammenfassung
Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Pflichten entwickelt, um
sicherzustellen, dass Banken ihre Kunden bei dem Erwerb von Wertpapieren richtig
betreuen. Neben dem klassischen Beratungs- und Vermögensverwaltungsvertrag existieren
andere Vertragsformen abseits dieser Vertragstypen, für die Rechtsprechung und Literatur
in Ansätzen zahlreiche Pflichten entwickelt haben. Zu nennen sind etwa ein weiterer Beratungsvertrag nach einer ursprünglich erfolgten Beratung, ein Vermögensberatungsvertrag
und die „graue“ Vermögensverwaltung. Die Wertpapierdienstleistungs-RiL 93/22/EWG
und die MiFID 2004/39/EG haben daran nichts geändert. Trotz der Vollharmonisierung,
die durch die MiFID erreicht werden soll, gelten die Pflichten weiterhin. In diesem Fällen
können sich Pflichten aus Beratung und Vermögensverwaltung kumulieren. Das Haftungsrisiko ist nicht unbeträchtlich. Stärker als bisher sollten die Banken etwa durch entsprechende Schulungen darauf achten, dass nicht stillschweigend Mischformen zwischen Vermögensverwaltung und einfachem Beratungsvertrag entstehen oder aber sicherstellen, dass
die entsprechenden Pflichten, die daraus entstehen, auch eingehalten werden. Das gilt umso mehr, als dann über § 37a WpHG hinaus längere Verjährungsfristen eingreifen können.
149
Aus rechtsvergleichender Sicht entspräche dies der Rechtslage in Österreich und dem Fürstentum
Liechtenstein. Art. 1489 ABGB lautet: „Jede Entschädigungsklage ist in drei Jahren von der Zeit an verjährt,
zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers oder Ersatzpflichtigen dem Beschädigten bekannt
wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein. Ist dem Beschädigten der Schade oder die Person des Beschädigers oder Ersatzpflichtigen nicht bekannt geworden oder ist der Schade aus einem Verbrechen entstanden, so erlischt das Klagerecht
nur nach 30 Jahren.“ Diese Vorschrift entspricht dem § 852 BGB a.F.
150
S. Fn. 143 und Leisch, in: KK-WpHG, 2007, § 37a Rn. 33 ff.