des Gesamtbeitrages
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TECHNOLOGIE & TRENDS FOTO: EISENWERK BRÜHL Erstes GJV-Zylinderkurbelgehäuse für hoch aufgeladene direkt einspritzende Ottomotoren Kurbelgehäuse aus Gusseisen mit Vermiculargraphit VON Martin HeSSlinger, Joachim Böhme, Franz-Xaver Epping, Achim Lembach, Kay Friedmann, Ingolstadt, Jürgen Achenbach, Brühl, und Miguel De la Garza, PUEBLA, Mexiko N ach 30 Jahren Pause hat Audi im Frühjahr 2009 im Audi TT RS einen neuen 5-Zylinder-Reihenmotor vorgestellt (Bild 1). Mit der 5-Zylinder-Bauform hat Audi Motor- und Motorsportge- schichte geschrieben. Vom Ur-quattro bis zum legendären Audi Sport quattro S1 und den Imsa- bzw. GTO-Fahrzeugen – alle diese siegreichen Rennfahrzeuge waren mit einem 5-Zylinder-Turbomotor bestückt. Basis der heutigen Entwicklung ist der in Europa wenig bekannte, aber im nordamerikanischen Markt seit 2004 sehr erfolgreiche 2,5-l-R5-Saugmotor im VW Jetta. Produktionsstandort ist das Motorenwerk Puebla in Mexiko. KURZFASSUNG: Die Audi AG hat im Frühjahr 2009 im TT RS den ersten hoch aufgeladenen direkt einspritzenden Ottomotor mit einem Zylinderkurbelgehäuse (ZKG) aus Gusseisen mit Vermiculargraphit (GJV-450) auf den Markt gebracht. Im Nutzfahrzeug- und Pkw-Bereich ist der Einsatz von GJV als Werkstoff für Zylinderkurbelgehäuse für stark beanspruchte Dieselmotoren bereits seit einigen Jahren Stand der Technik. Da die Brennraumspitzendrücke der hoch aufgeladenen Ottomotoren bereits in der Nähe von Dieselmotoren angelangt sind, bietet sich GJV als Konstruktionswerkstoff für kompakte und hoch belastete Ottomotoren an. Audi hat mit der Entwicklung eines GJV-ZKG beim neuen 5-Zylinder-Motor mit Direkteinspritzung und Turboaufladung neue Wege beschritten. Um die anspruchsvollen Zielstellungen für ein Audi RS-Fahrzeug mit >einer Motorleistung von 250 kW bei 5400 bis 6700 U/min und >einem Motordrehmoment von 450 Nm bei 1600 bis 5300 U/min (Bild 2) triebwerkseitig umsetzen zu können und die vorhandene ZKG-Fertigungslinie zu nutzen, hat sich Audi frühzeitig entschieden, Vermiculargraphitguss (GJV) als Zylinderkurbelgehäusewerkstoff einzusetzen. GJV ist mittlerweile für direkteinspritzende Dieselmotoren im Pkw- und Lkw-Bereich ein etablierter Werkstoff. Für die Serienanwendung im Ottomotor ist der Werkstoff neu und bietet sich auf Grund der Werkstoffkennwerte für kompakte, hoch aufgeladene, direkt einspritzende Ottomotoren mit Mitteldrücken von 22 bar und mehr förmlich an. Entwicklungsziele, Hauptabmessungen und Kenndaten des Motors Beim 2,5-l-TFSI-Motor wurden drei vorrangige Entwicklungsziele verfolgt: >250 kW in der kleinsten, sportlichsten Fahrzeugbaureihe bei Audi im TT als RS-Konzept darzustellen, >kompakter Motor-Getriebe-Verbund, wegen Quereinbau im TT und >Nutzung möglichst vieler Synergien vom 125-kW-MPI-Saugmotor. Bild 1: Der neue Audi2,5-l-TFSI-5-ZylinderReihen-Ottomotor für den TT RS Das von Audi entwickelte homogene Brennverfahren bietet in Kombination mit der Abgasturboaufladung die besten Voraussetzungen zur Erfüllung der erstgenannten Zielstellung [1, 3-5] (s. Bild 2). Um die zweite Forderung zu erfüllen, muss der Motor kurz gebaut werden, d. h.: >bei vorgegebenem Zylinderabstand ist das Zylinderkurbelgehäuse (ZKG) kurz auszuführen und >die zweite Steuertriebs- und Riementriebsspur ist versetzt anzuordnen, wodurch der Motor nicht länger wird. Durch diese Bauweise konnte eine Motorlänge von nur 494 mm erreicht werden. Bild 3 zeigt die Seitenansicht des Motors in der Schnittdarstellung. Das gesamte Motorprojekt ist betriebswirtschaftlich nur sinnvoll umzusetzen, wenn die dritte Zielstellung, die Nutzung von Synergien mit dem 125-kW-MPI-Saugmotor, erreicht wird. Die Hauptteile des Turbomotors – Zylinderkopf, Kurbelwelle, Pleuelstange und Zylinderkurbelgehäuse – müssen auf den vorhandenen Fertigungseinrichtungen produziert werden können. In Tabelle 1 sind die ZKG-spezifischen Hauptabmessungen und Kenndaten des Motors aufgeführt. Tabelle 1: Hauptabmessungen und Gewichte des R5-TFSI-Zylinderkurbelgehäuses Hubraum 2480 cm³ Bohrung 82,5 mm Hub 92,8 mm Zylinderabstand Gesamtlänge 88 mm 445 mm Gesamthöhe 278 mm Höhe ab KW-Mitte 220 mm Lagerstuhlbreite 2-5 KW-Lager, Durchmesser Zylinderkopfschrauben KW-Lagerschrauben Gewicht (fertig bearbeitet inkl. Lagerdeckel) Konzept und Konstruktion des Zylinderkurbelgehäuses Eine kurze Blocklänge wird durch die Auslegung und Dimensionierung des Triebwerkes und des ZKG bestimmt. Durch Re- Drehmoment in Nm Motorleistung in kW 450 Nm 250 kW 250 duzierung der Pleuelbreite und die Verringerung der Hauptlagerbreiten können die beiden äußeren Hauptlager in Richtung Motorinnenseite geschoben werden. Somit können die Steuerkette an der Getriebeseite und der Dichtflansch sowie die Schwingungsdämpfer an der Motorvorderseite platzsparend unterhalb des Wassermantels angeordnet werden. Der Verringerung der Lagerbreiten sind beim hoch 450 200 375 150 300 100 225 50 150 466,5 mm Länge über KW-Lager 1-6 Lagerstuhlbreite 1 u. 6 Bild 4 zeigt die Längen vergleichbarer Motoren. Der R5-TFSI ist der leistungsstärkste und kompakteste der auf dem Markt befindlichen R5-Motoren. 17 mm 17,5 mm 58 mm M10-10.9 0 1000 3000 5000 75 1000 7000 R5 2,5 l TFSI im TT RS 3000 5000 R4 2,0 l TFSI im TT S R5 2,13 l 20V im Audi Sport quattro M9-12.9 46,6 kg 7000 Motordrehzahl in 1/min Motordrehzahl in 1/min Bild 2: Vergleich unterschiedlicher Motoren hinsichtlich der Leistung und des Drehmoments TECHNOLOGIE & TRENDS Bild 3: Die Seiten ansicht des 2,5-l-TfsiMotors in der Schnittdarstellung aufgeladenen Turbomotor aus Festigkeitsgründen physikalische Grenzen gesetzt, es sei denn, es wird ein höher festen Werkstoff eingesetzt. Aus diesem Grund hat sich Audi für Gusseisen mit Vermiculargraphit (GJV) mit 450 N/mm2 Zugfestigkeit entschieden, das bereits seit 1999 bei Audi im V6- und V8-TDI-ZKG in Serie [2] eingesetzt wird. Bei den hoch drehenden (bis 6800 U/min) und hoch aufgeladenen, direkt einspritzenden Ottomotoren wurde dabei Neuland betreten. Nicht unerwähnt soll jedoch bleiben, dass Opel Mitte der 1990iger Jahre in der DTM einen 2,5-l-V6Saugmotor mit GJV-ZKG eingesetzt hat [7] – geschätzter Mitteldruck ca. 14 bar. Das vorliegende TFSI-ZKG-Konzept basiert auf dem 2,5-l-MPI-Saugmotor-ZKG- Konzept. Es handelt sich um eine Closeddeck-Bauweise mit zusammengegossenen Zylinderrohren und 58 mm unter die Kurbelwellenachse heruntergezogener Schürze. Der Hauptlagerdurchmesser beträgt 58 mm mit Einzelkurbelwellenlagerdeckel aus Sinterstahl (Bild 5). Gegenüber dem Saugmotor-ZKG weist das Turbo-ZKG folgende Änderungen (Bild 6) auf: >Befestigungsschrauben für Kurbelwellenlagerdeckel in der Festigkeit 12.9 gegenüber 10.9 beim Saugmotor; >Vergrößerung der Spirale und Vergrößerung des Wasserpumpenflügelrades von 48 auf 53 mm zur Erhöhung des Kühlmitteldurchflusses um 30 %; >Einführung der bei allen Audi-R4-TFSIMotoren bekannten Stegkühlungsbohrungen in V-förmiger Anordnung [6]; >eingefräste Entlastungsnuten in Form einer Hohlkehle an den Einpassstegen der Lagerdeckel; >kurze im ZKG integrierte Öl- und Wasserkanalführung für die Abgasturbolader-Medienversorgung. Damit die Dichtheit des Block-Kopf-Verbundes bei den erheblich angestiegenen Zylinderdrücken sicher gewährleistet werden konnte, musste die Zylinderkopfdichtung (ZKD) neu entwickelt werden. GJV als ZKG-Werkstoff für Ottomotoren Im Motorenbau ist der Werkstoff GJV durch die Anwendung bei Lkw- und Pkw-Dieselmotoren bekannt geworden, er ist anwendungsgerecht entwickelt und serienproduktionsfähig gemacht worden. Die Eisenwerk Brühl GmbH, Brühl, hat dies bereits gesamteinheitlich publiziert [8] und in Serienanwendungen unter Beweis gestellt. Bild 7 zeigt anhand der Materialkennwerte zusammengefasst die Vor- und Nachteile von GJV gegenüber GJL-250 und den Aluminiumlegierungen. Vor allem die deutliche Steigerung der Zugfestigkeit um ca. 80 % gegenüber GJL-250 und um ca. 90 % gegenüber der Aluminiumlegierung, die deutliche Anhebung des E-Moduls und der Anstieg der Zug-, Druck- und Biegewechselfestigkeit zählen zu den offensichtlichen Vorteilen von vermicularem Graphitguss. Nachteilig sind die geringe Wärmeleitfähigkeit und die geringere Wärmekapazität von GJV im Vergleich zu Aluminiumlegierungen. Auch können dünnwandige GJVKonstruktionen in bestimmten Bereichen höhere Eigenspannungen aufweisen. Diese wirken sich nachteilig auf die lokalen Festigkeitseigenschaften und die thermischen Eigenschaften aus. Diese Nachteile müssen in konstruktiven Lösungen berücksichtigt werden. CAE-Entwicklung des Zylinderkurbelgehäuses Bei der Entwicklung des R5-Aggregats wurde der gesamte Entwicklungsprozess mit Hilfe moderner CAE-Methoden begleitet. Durch die konsequente Nutzung von FEMBerechnungsmethoden konnten die geforderte kurze Entwicklungszeit und die Kosten eingehalten bzw. reduziert werden. Bild 8 zeigt die lokalen Festigkeitsanforderungen an ein hoch belastetes ZKG. Für den Festigkeitsnachweis der Lagergasse des Zylinderkurbelgehäuses wurde berücksichtigt, dass der Motorblock Mitteldrücke von bis zu 25 bar dauerfest ertragen muss, um dem Festigkeitsanspruch für Turbomotoren gerecht zu werden. Für die Analyse der Lagergasse wurde ein Berechnungsmodell des Kurbelgehäuses mit Lagerdeckel und Lagerschalen aufgebaut, mit dem jeder einzelne Lagerstuhlbereich bewertet und gegebenenfalls optimiert werden konnte. Um die Belastung der Lagerstühle im Strukturmodell so realitätsnah wie möglich abzubilden, wurde die Lagerbelastung als Druckverteilung aus einer Elasto-hydrodynamischen-Analyse der Kurbelwelle auf die Hauptlagerstühle im FE-Modell aufgebracht (Bild 9, Lagerstuhlanalyse). Dies ist für die Analyse der folgenden Dauerfestigkeitberechnung notwendig (Bild 9, Sicherheit gegen Dauerbruch), um eine möglichst realitätsnahe Bewertung des Bauteils durchführen zu können. Bild 4: R5-Motorlängenvergleich Im weiteren Entwicklungsablauf und zur Ermittlung der Wechselwirkung des Zylinderkurbelgehäuses mit benachbarten Bauteilen, wie Zylinderkopf, Ölwannenoberteil, der fahrzeugspezifischen Lagerung und weiteren relevanten Anbauteilen, wurde ein Block-Kopf-Verbundmodell aufgebaut (Bild 9, Block-Kopf-Verbund). Ziel der BlockKopf-Verbund-Analyse ist es, neben dem Zylinderkopf auch das Kurbelgehäuse hinsichtlich des thermomechanischen Verhal- tens zu untersuchen. Dabei geht es im Speziellen um die Berechnung der Temperaturverteilung im Zylinderkurbelgehäuse (Bild 9, Thermomechanik-Analyse) sowie um die Ermittlung und Bewertung der Bauteilverzüge, insbesondere im Bereich der Zylinderbohrungen (Bild 9, Zylinderrohrverzug) und der Kubelwellenlagergasse. Als thermische Randbedingungen werden gemessene bzw. errechnete Temperaturen und Konvektionsrandbedingungen Bild 5: Zylinderkurbel gehäuse des R5-TFSI-Motors TECHNOLOGIE & TRENDS aus CFD-Analysen (Computerberechnung von Spannungsverteilung, Strukturdeformation und Analyse von Strömungssimulationen) aufgebracht. Die mechanischen Randbedingungen resultieren aus dem Gasdruckverlauf, der Kolbenseitenkraft sowie den Verschraubungs- und Lagerkräften. Hinsichtlich der durch die Verschraubung des Zylinderkopfes induzierten Spannungen und der aufgrund der Wärmedehnung hervorgerufenen Verformungen der Zylinderrohre wurde durch gezielte Verrippung und lokale Änderung der Schraubenanbindung eine Optimierung vorgenommen. Ebenso wurde im Zusammenspiel mit der Gestaltung des Zylinderkopfes die Flächenpressung der Zylinderkopfdichtung auf dem Zylinderrohr optimiert, um eine gleichmäßige Pressungsverteilung im Motorbetrieb gewährleisten zu können. Zur Untersuchung des Schwingungsund Akustikverhaltens des Aggregates wird während der CAE-Aggregateentwicklung ein Motor-Getriebe-Modell erstellt (Bild 9, Motor-Getriebe-Verbund). Mit dessen Hilfe wird unter anderem der Einfluss der Steifigkeit des Kurbelgehäuses im Gesamtverbund ermittelt und bewertet. Durch gezielte Versteifungsmaßnahmen, lokale Wanddickenänderung und Überprü- Bild 6: Konstruktionsmerkmale des Turbo-Zylinderkurbelgehäuses fung möglicher Verschraubungsvarianten wurden das Kurbelgehäuse und damit das Aggregateverhalten weiter verbessert. Das Ergebnis der rechnerischen Untersuchungen und Bewertung war die Bestä- E-Modul in kN/mm2 Zugfestigkeit in N/mm2 200 400 tigung der Eignung des GJV-450-Werkstoffes für das R5-ZKG. Diese wurde im Weiteren durch Mechanikdauerläufe sowie detaillierte Bauteil- und Werkstoffprüfungen verifiziert und abgesichert. GJV-450 150 GJV-450 300 100 GJL-250 200 AL-Legierung AL-Legierung 50 GJL-250 100 0 0 0 100 200 300 400 0 100 200 Wechselfestigkeit in N/mm2 10 250 200 8 200 150 6 150 100 4 100 50 2 50 250 0 0 0 GJL-250 GJV-450 AL-Legierung Bild 7: Vergleich der Materialkennwerte für ZKG 400 Wärmeleitfähigkeit in W/mK Dichte in g/cm3 Zug/Druck Biegung 300 Temperatur in °C Temperatur in °C GJL/GJV AL-Legierung GJL-250 GJV-450 AL-Legierung Bild 8: Festigkeitsanforderungen an hoch belasteten ZKG Sicherheit gegen Dauerbruch Block-Kopf-Verbund Zylinderrohrverzug Thermomechanik-Analyse CAE-Bauteilentwicklung • Spannungsverteilung • Deformationen • Zylinderrohrverzüge • Temperaturverteilung • Eigenfrequenzen • Bauteilakustik Lagerstuhlanalyse mit EHD-Druckverteilung Motor-Getriebe-Verbund Bild 9: CAE-Entwicklung des ZKG TECHNOLOGIE & TRENDS Ölkanäle in den massiven Flansch gebohrt werden. Hier wurden zwei weitere Ölkanäle fertig gegossen ausgeführt, die durch zwei Kerne erzeugt wurden. Die bereits beim Saugmotor gegossenen Ölrücklaufkanäle und Entlüftungskanäle wurden in ihrer Form und Ausführung beibehalten (Bild 11). Ebenso wurde erwartet, dass Lunkerprobleme an den Befestigungsbutzen für die Zylinderkopfschrauben auftreten werden, was sich auch bestätigte. Diesem Problem konnte durch die gewählte stehende Gießlage relativ gut entgegengewirkt werden. Über jeden der zwölf Butzen, die hier an höchster Stelle im Gussteil liegen, wurde ein exothermer Speiser gesetzt, der das Gusseisen bis zuletzt flüssig hält und das Schwindungsvolumen im Butzen bei der Erstarrung durch Nachspeisen ersetzt. Unterschiedliche Ausführungen der Speiser in Volumen, Lage und exothermer Energie wurden untersucht, bis eine bestmögliche, lunkerfreie Qualität erreicht wurde. Durch Einhaltung von Fertigungsparametern, wie Gattierungszusammensetzung, Wahl der Einsatzstoffe, Temperatur- und Zeitschritte vom Schmelzen bis zum Gießen, Magnesiumgehalt, Gießzeit, Gießtemperatur, Auspackzeit etc. und deren Verifizierung mit Gießsimulationsergebnissen (Bild 12), wurde eine Gussqualität erreicht, welche die Anforderungen an diesen Hochleistungsmotor sicher erfüllt. Im Laufe des Jahres 2009 wurde, um dem steigenden Bedarf an GJV-ZKG Rechnung zu tragen, eine neue Gießanlage mit automatischer Vergießeinrichtung und optimierter Formtechnik installiert. Bild 10: Formschema – Kernpaket Bild 11: Gegossene Kanäle im Zylinderkurbelgehäuse Gießtechnik Das Zylinderkurbelgehäuse wird bei der Eisenwerk Brühl GmbH gegossen. Durch die vorhandene Erfahrung bei den Dieselmotoren in V-Anordnung wurde für das R5ZKG eine stehende Gießlage gewählt. Dadurch müssen alle Konturen, auch die ZKGSeitengeometrien, über Kerne abgebildet werden. Im unteren Formkasten sind nur noch der Gießlauf, der Gießfilter und der Einguss eingeformt, der sich verzweigt, um gleichzeitig zwei ZKG zu gießen, die als separate Kernpakete auf den Unterkasten aufgebaut werden. Bild 10 zeigt ein einzelnes Kernpaket. Die stehende Lage beim Gießen ergibt ein gleichmäßigeres Füllen der Form zwischen linker und rechter Seite und auch eine nahezu symmetrische Abkühlung und Erstarrung, die in etwa der ZKG-Symmetrie entspricht. Weitere Vorteile dieser stehenden Gießlage sind die geringen Wassermantel- und Ölkerndeformationen. Die Auftriebskräfte der Schmelze wirken in dieser Gießposition auf die kleinste Kernoberfläche, wobei der Kern optimal gegen Verformung positioniert ist. Probleme beim Gießen von GJV-ZKG entstehen durch Schwindungslunker an Stellen, wo Massenanhäufungen auftreten. Dies betrifft im vorliegenden Fall besonders den Bereich des Ölmodulflansches, in den beim Saugmotor die entsprechenden Bearbeitung Wie bereits erwähnt, wurden die GJV-Zylinderkurbelgehäuse für den R5-TFSI auf den bestehenden R5-Bearbeitungsanlagen für GJL-ZKG in Puebla (Mexiko) bearbeitet. Diese Bearbeitungslinie wurde im Jahr 2004 als Hybridanlage mit einer Transferlinie und parallelen Bearbeitungszentren mit Minimalmengenschmierung für ca. 1000 GJL-250 ZKGs pro Tag ausgelegt. Die Nachbearbeitung der ZKG stellt sich wie folgt dar. In der Gießerei werden die Angüsse entfernt und die Indexierung wird vorgenommen. Im Fertigungswerk folgt dann die Vorbearbeitung mit dem Schruppen der Hauptflächen, die Zwischenbearbeitung mit dem Bohren und dem Gewindeschneiden sowie die Feinbearbeitung mit dem Zylinderfeinbohren und nachfolgendem Honen. Bild 13 zeigt einen Teil der ZKG-Fertigungslinie. Die spezielle Materialbeschaffenheit des GJV stellt besonders hohe Anforderungen an die Zerspannungswerkzeuge und Bearbeitungsanlagen. Durch die langjährigen Serienerfahrungen von Audi in Bild 12: Gießsimulation – Erstarrung der Bearbeitung von V6- und V8-TDI-ZKG mit GJV in Györ (Ungarn) sind gegenüber der Bearbeitung von GJL-250 folgende Schwierigkeiten bekannt: Aufgrund der höheren Materialzähigkeit muss bei der Auslegung der Bearbeitungsanlagen eine um 20 % höhere Zerspanungsleistung vorgehalten werden. Der zweite bedeutende Nachteil ist die erheblich reduzierte Werkzeugstandzeit. Wie bekannt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Werkzeugstandzeit und Schwefelgehalt im Gusseisen. Der Schwefelgehalt hat einen direkten Einfluss auf die Bildung einer Mangansulfidschicht auf der Schneidenkante. Bei der Bearbeitung von GJL schützt diese Schicht die Schneidenkante vor abrasivem Verschleiß. Bei GJV bildet sich keine Schutzschicht aus, da beim Gießprozess das zugeführte Magnesium mit dem Schwefel für die würmchenförmige Graphitschicht nötig ist. Somit ist beim GJV kein Schwefel für die Bildung einer schüt- zenden MnxSy-Schicht vorhanden. Eine weitere Ursache für den erhöhten Werkzeugverschleiß ist die Spanform. Wegen der für GJV typischen semikontinuierlichen Spanform bleibt der Span länger mit dem Werkzeug in Kontakt. Der daraus resultierende Anstieg der Prozesstemperatur und die hohen Schnittkräfte verursachen einen erhöhten abrasiven Schneidenverschleiß und somit eine reduzierte Werkzeugstandzeit. Hochleistungsschneidenwerkstoffe wie CBN oder Keramik eignen sich bislang nicht für eine wirtschaftliche GJV-Bearbeitung. Deshalb werden für die GJV-Bearbeitung die Werkzeuge auf Hartmetall umgerüstet und die Taktzeiten jeweils um 20 % erhöht. Somit wurde ein guter Kompromiss zwischen den Kosten für Werkzeugstandzeiten und den Kosten für höhere Bearbeitungszeiten gefunden. Eine Besonderheit stellt das Zylinderfeinbohren als Vorbearbeitung für das Ho- nen dar. Wegen der erforderlichen Genauigkeit der Bohrung mit einer Durchmessertoleranz von ±0,01 mm und einer Zylinderformtoleranz von 0,008 mm kann hier nur ein einschneidiges Werkzeug verwendet werden. Aufgrund des großen Bearbeitungsdurchmessers von 82,45 mm ergeben sich somit bei der Bearbeitung relativ große Schnittgeschwindigkeiten von 800 m/min. Bei einer hinsichtlich der Werkzeugkosten und vertretbarer Werkzeugwechselintervalle optimierten GJV-Bearbeitung muss die Schnittgeschwindigkeit auf 100 m/min reduziert werden. Deswegen wurde das Feinbohren außerhalb der Bearbeitungslinie in einem separaten Bearbeitungszentrum durchgeführt. Die Ausführung der Honstruktur für die Zylinderlaufbahn eines hoch aufgeladenen Ottomotors mit GJV-ZKG war weitgehend unbekannt. Deshalb wurde zu Beginn der Entwicklung entschieden, zwei verschiedene Honungen parallel zu erproben. Die eine Variante ist die serienmäßige Fluidstrahlhonung, die am GJL-ZKG des Saugmotors angewendet wird. Bei der Fluidstrahlhonung erfolgt ein konventionelles Vorhonen und Zwischenhonen mit Diamanthonleisten. In der 3. Stufe wird die Zylinderlauffläche mit 120 bar gestrahlt, um Flitter zu entfernen und weitere Öltaschen durch ausbrechende Titancarbide zu erzeugen. Für diese spezielle Behandlung ist der Titangehalt beim GJL-ZKG auf ca. 0,035 % angehoben. Als 4. Stufe folgt eine Glätthonungsstufe, bei der ein definiertes Plateau erzeugt wird. Beim GJVWerkstoff jedoch wirkt sich ein Ti-Gehalt in dieser Größenordnung nachteilig auf Festigkeitseigenschaften und Bearbeitbarkeit aus. Deshalb war das Entwicklungsziel, mit dem von den Dieselmotoren übernommenen Werkstoff GJV-450 mit maximalem Ti-Gehalt von 0,015 % eine Honstruktur zu erzeugen, die alle Anforderungen hinsichtlich des Ölverbrauchs, a b Bild 13: Ausschnitt aus der ZKG-Fertigungslinie TECHNOLOGIE & TRENDS Audi als Pionier für Leichtbau-Zylinderkurbelgehäuse aus Gusseisen mit Lamellengraphit wird diese Entwicklung weiterhin konsequent fortsetzen. Dipl.-Ing. Martin Heßlinger, Dr.-Ing. Joachim Böhme, Dipl.-Ing. Franz-Xaver Epping, Dipl.Ing. Achim Lembach, Dipl.-Ing. Kay Friedmann, Audi AG Ingolstadt, Dipl.-Ing. Jürgen Achenbach, Eisenwerk Brühl GmbH, Brühl, Dipl.-Ing. Miguel De la Garza, VW AG, Puebla, Mexiko Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, der anlässlich der VDI-Tagung „Gießtechnik im Motorenbau“ (10./11. Februar 2009) in Magdeburg gehalten wurde. Bild 14: Fluidstrahlhonung der GJV-Zylinderlaufbahn des Verschleißes und der Bearbeitbarkeit erfüllt (Bild 14). Als Absicherung wurde auch eine Spiral-Gleit-Honung erprobt, die bei den 4-Zylinder-Turbomotoren bereits einen hohen Reifegrad erreicht hat. Mit beiden Varianten konnten Ölverbräuche <0,08 l/1000 km erreicht werden – bei gleichzeitig sehr niedrigen Verschleißwerten. Für den Einsatz der Serien-Honbearbeitung sprach die vorhandene, investierte Fertigungsanlage. Zusammenfassung Die unterschiedliche Wichtung der Anforderungen an die Zylinderkurbelgehäuse führt zur Wahl von unterschiedlichen Materialen. Im Bereich der Ottomotoren wurden bisher vornehmlich Aluminiumwerkstoffe bei Saugmotoren und Gusseisen mit Lamellengraphit bei Turbomotoren verwendet. Bei den Dieselmotoren ging der Trend in den letzen Jahren aufgrund immer höher werdender Belastungen hin zu hoch festen Materialien wie GJV. Die Forderung nach Motor-Downsizingund Hochaufladungskonzepten in einem immer kompakter werdenden Motorbauraum erfordert auch im Bereich der Ottomotoren den Einsatz von hoch festen Werkstoffen. Insbesondere als Konstruktionswerkstoff für ZKG wird GJV zukünftig nicht nur bei den Diesel-, sondern auch bei den hoch aufgeladenen Ottomotoren eine immer größer werdende Rolle spielen. Aufgrund der beschriebenen Materialeigenschaften lassen sich in Zukunft bereits bei der Motorenneukonzeption die Vorteile von GJV konsequent umsetzen. Besonders die deutlich höheren Materialfestigkeiten und Dämpfungseigenschaften bieten die Möglichkeit, Wanddicken zu reduzieren oder Versteifungsmaßnahmen zu vermeiden und folglich Bauteile leichter auszulegen. Durch ständige Optimierungen in der Gießerei können Bauteile aus GJV heutzutage prozesssicher und reproduzierbar gegossen werden. Wegen der deutlich komplexeren und engeren Fertigungsfenster in der Gießerei müssen in Zukunft verstärkte Anstrengungen in Richtung Verbesserung der Wirtschaftlichkeit unternommen werden. Literatur: [1] Hatz, W.: Tendenzen der Motorenentwicklung, wo liegt die Zukunft des Verbrennungsmotors? 2. VDI-Tagung „Gießtechnik im Motorenbau“, Magdeburg, Januar 2003. [2] Böhme, J.; Fröhlich, G.; Doerr, J.: Motorblöcke aus Aluminium oder Gusseisen? 2. VDI-Tagung „Gießtechnik im Motorenbau“ Magdeburg, Januar 2003. [3] Wurms, R.; Kuhn, M.; Zeilbeck, A., u. a.: Die Audi Turbo FSI Technologie. 13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 2004. [4] Eiser, A.: Audi TFSI – Innovative technology for future powertrain. ATA Congress, Oktober 2006. [5] Dornhöfer, R.; Hatz, W.; Eiser, A., u. a.: Der neue R4-2.0-Liter-4V-TFSI-Motor im Audi S3. 11. Aufladetechnische Konferenz, Dresden, 2006. [6] Grunow, F.; Görtz, W.; Weber, R., u. a.: Das Zylinderkurbelgehäuse der neuen R4TFSI-Motorengeneration von Audi. MTZ 68 (2007) Nr. 5. [7] Thol, M.: Praktische Erfahrungen mit GGV als Werkstoff im Motorenbau. Haus der Technik – Auswahl von Gusswerkstoffen im Motorenbau, Essen, Januar 1966. [8] Grunow, F.: Gusseisen mit Vermiculargraphit (GJV) – Der Sandwichwerkstoff zwischen Gusseisen mit Lamellengraphit und Aluminium für Pkw-Zylinderkurbelgehäuse. 5. VDI-Tagung „Gießtechnik im Motorenbau“, Magdeburg, Februar 2009.