2. Informationsasymmetrie in Versicherungen

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2. Informationsasymmetrie in Versicherungen
Thema Nr. 2: Asymmetrische
Informationsverteilung auf dem
Versicherungsmarkt
Seminararbeit
eingereicht bei
Prof. Dr. Klaus Peter Kaas
Lehrstuhl für Marketing I,
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Betreuerin:
Heidrun Ruprecht
von
Anke Hartmann
[email protected]
Studienrichtung: BWL (NF)
6. Fachsemester
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis…………………………………………………………………………..III
Abkürzungsverzeichnis………………………………………………………………………IV
1. Einleitung .............................................................................................................................. 1
2. Informationsasymmetrie in Versicherungen..................................................................... 2
2.1 Ursachen ........................................................................................................................... 2
2.2 Das Principal- Agent Modell als Form der Kooperationsbeziehung................................. 3
2.3 Spielarten des Opportunismus und die Auswirkungen der Verhaltensunsicherheit......... 4
2.4 Die Rollenverteilung des Principal und Agent in Versicherungen................................... 6
3. Kooperationsdesigns zur Linderung der Informationsasymmetrie und des
Opportunismus ......................................................................................................................... 8
3.1 Screening und Signa ling zur Informationsversorgung ..................................................... 8
3.1.1 Selbstwahlschema zur Informationsbeschaffung..................................................... 10
3.1.2 Reputation zur Informationsübertragung................................................................. 10
3.1.3 Such- und Erfahrungseigenschaften zur Informationsbeschaffung ........................ 11
3.1.4 Signale der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit zur Informationsübertragung.... 12
3.2 Anreiz- und Kontrollsysteme gegen opportunis tisches Verhalten ................................. 12
3.2.1 Selbstbeteiligung als Anreiz .................................................................................... 13
3.2.2 Prämiendifferenzierung als Anreiz .......................................................................... 14
3.2.2 Transparente Limitierung zur Kontrolle .................................................................. 14
4. Schlussbemerkung .............................................................................................................. 15
Literaturverzeichnis……………………………………………………………………........17
II
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Informationsasymmetrie und ihre Rollenverteilung…………………….................6
Tabelle 2: Informationsversorgung durch Screening und Signaling.………………………….9
III
Abkürzungsverzeichnis
VU:
Versicherungsunternehmer
VN:
Versicherungsnehmer
IV
1. Einleitung
Der Versicherungsmarkt ist ein unvollkommener Markt, in dem alle Marktteilnehmer
unvollkommene Informationen über andere Teilnehmer, Leistungsangebote, Qualität und
Zukunftserwartung
besitzen.
Aus
diesem
Ansatz
heraus
entwickelt
sich
eine
Informationsasymmetrie und gleichzeitig eine Unsicherheit zwischen den Partnern einer
Versicherung, die zu Lasten eines der beiden Partner enden und bis hin zu völligem
Marktversagen führen kann. 1
Das Ziel dieser Arbeit ist es, Informationsasymmetrien zwischen Versicherungsunternehmer
und Versicherungsnehmer darzustellen und einen Überblick über die Ansätze zur Linderung
der daraus entstehenden Gefahr des opportunistischen Verhaltens zu geben.
Meine Absicht ist es, aufzuzeigen, dass die Verteilung der Informationsasymmetrie auf
Versicherungsunternehmer (VU) und Versicherungsnehmer (VN) nicht einseitig ist, so wie es
in der Literatur häufig angenommen wird. Daher werden in Kapitel 2 zunächst die
Zusammenhänge von Informationsasymmetrien zwischen Versicherungsunternehmer und
Versicherungsnehmer und die daraus entstehende Gefahr zum opportunistischen Verhalten
beider Partner erklärt. Um die Kooperationsbeziehung beider Partner zu beschreiben, wird das
Principal- Agent Modell hinzugezogen, welches für die Beziehung kennzeichnend ist und
daher in meiner gesamten Arbeit stets berücksichtigt wird. Anhand dieses Modells wird mit
Hilfe einer Abbildung die Rollenverteilung vom Principal und Agent erläutert, und es soll
deutlich gemacht werden, dass beide Partner sowohl die Rolle des Principal als auch die des
Agent einnehmen können. In Kapitel 3 werden anschließend zwei entscheidende
Kooperationsdesigns vorgestellt und ihnen jeweils einige konkrete Möglichkeiten zugeordnet
und diese dargestellt. Diese werden sich ausschließlich auf Designs beschränken, die die
Akteure selbst anwenden und in ihre Kooperation miteinbeziehen können, damit diese Arbeit
als eine eher praktische angesehen werden kann. Daher werden auch jegliche Formen
staatlicher Eingriffe zur Regulierung der Informationsversorgung2 in Form von Gesetzen oder
Verordnungen außer Acht gelassen. Kapitel 4 dient zur Ergebniszusammenfassung und zu
einigen Schlussbemerkungen.
1
2
Vgl. Spremann (1990).
Vgl. Kaas (1991), S. 366.
1
2. Informationsasymmetrie in Versicherungen
2.1 Ursachen
Auf einem unvollkommenen Markt mit unvollständiger Information herrschen zwei
Unsicherheiten. Die exogene Unsicherheit beschreibt ein nicht kalkulierbares Auftreten von
zukünftigen Umweltzuständen und Ereignissen, worauf Akteure keinen Einfluss nehmen
können. Die endogene Unsicherheit beschreibt Anbieter und Nachfrager, Produkte, Preise
und Qualitäten, die unterschiedlich und veränderlich sind, und worüber niemand der
Teilnehmer vollkommene Informationen besitzt. Die Akteure haben keine gläserne Köpfe und
Taschen. 3
Genau
diese
unvollkommenen,
ungleich
verteilten
Informationen
der
Marktteilnehmer sind der Grund für die Unsicherheit, die im Folgenden näher beschrieben
wird.
Versicherungen sind Finanzdienstleistungen, die sich als Kontraktgüter 4 ausweisen und durch
ihre Hochwertigkeit und Komplexität, bloße Leistungsversprechen und Kooperation der
Akteure auszeichnen. 5
Kooperationen von zwei Versicherungspartnern, nämlich Versicherungsunternehmer VU und
Versicherungsnehmer VN, vollziehen sich nach dem Grundschema der Leistung und
Gegenleistung. Es handelt sich um eine Art Tausch zwischen beiden Partnern, jedoch
geschieht dieser nicht simultan. Der zeitliche Abstand zwischen Leistung und Gegenleistung
kann zu einer geänderten Bewertung führen und weiterhin können zwischenzeitlich
eintretende oder bekannt werdende Ereignisse die Gegenleistung in ihrem Umfang oder in
ihrer Qualität beeinflussen. Die Gegenleistung, welche durch den zeitlichen Abstand in ihrer
Ausführung und Qualität als unsicher gilt, wird von folgenden zwei Unsicherheitsfaktoren
bestimmt: das exogene Risiko und das Verhalten. Da das exogene Risiko von keinem der
Kooperationspartner aktiv beeinflussbar ist und damit nicht Schwerpunkt meiner Arbeit ist,
werde ich auf diesen Unsicherheitsfaktor nicht weiter eingehen. Verhaltensfaktoren wie
beispielsweise Fleiß, Sorgfalt, Ehrlichkeit oder Kulanz beeinflussen stark das Ausmaß der
Leistung und Gegenleistung und sind damit entscheidend für das Ergebnis einer
Kooperation. 6 Da Verhaltensmerkmale meist für den Partner verborgen bleiben, führen diese
3
Vgl. Kaas (1990), S. 358.
Kaas (1992).
5
Vgl. Sydow (1995), S. 141.
6
Vgl. Spremann (1990).
4
2
zur Verhaltensunsicherheit, welches als die Hauptursache für das Entstehen von Situationen
asymmetrischer Information gilt. 7 Dies wird im Folgenden näher erläutert.
2.2 Das Principal-Agent Modell als Form der
Kooperationsbeziehung
Versicherungen als Kontraktgüter unterliegen einem Problem, das sich mit Hilfe der
Principal- Agent Theorie näher analysieren lässt. Eine Principal-Agent-Beziehung beschreibt
eine Beziehung, in der sich der Auftragnehmer (Agent) dem Auftraggeber (Principal)
gegenüber zu einer bestimmten Leistungserbringung verpflichtet, wofür er vom Principal eine
Gegenleistung erhält. 8 Es ist eine Kooperation zwischen zwei Akteuren, die von exogener
Unsicherheit und endogener Informationsasymmetrie geprägt ist. 9 Im konkreten Fall der
Versicherungen
herrscht
eine
asymmetrische
Informa tionsverteilung
zwischen
dem
Versicherungsunternehmer VU und dem Versicherungsnehmer VN, die sich darin
widerspiegelt, dass es eine besser und eine schlechter informierte Seite gibt. In der Theorie
wird der Auftraggeber und Nachfrager in der Regel als der schlechter informierte Partner
angesehen, was ihn somit zum Principal machen und der Auftragnehmer und Anbieter mit
einem Informationsvorsprung bilden den Agent in diesem Modell. 10 Hierbei muss man sich
vor Augen halten, was auch oft in der Literatur vernachlässigt wird: Auf einem
Versicherungsmarkt
ist
die
Beziehung
von
Versicherungsunternehmer
VU
und
Versicherungsnehmer VN als eine wechselseitige Principal-Agent-Beziehung anzusehen ist.11
Auf dem Versicherungsmarkt wird zwar meist der VN als Prinzipal und damit als
benachteiligt angesehen, während der VU als der Agent angesehen wird, der durch bessere
Informationen im Vorteil ist. Jedoch wird im folgenden Abschnitt erläutert, dass sowohl VN
als auch VU die Rolle des Prinzipals bzw. des Agenten einnehmen können und dies wird
anhand einer Abbildung deutlich gemacht.
7
Vgl. Spremann (1990), S. 562.
Vgl. Meinhövel (2004).
9
Vgl. zu dieser Definition Stiglitz (1987).
10
Vgl. Horsch (2004), S. 532.
11
Vgl. Kaas (1991) und Horsch (2004).
8
3
2.3 Spielarten des Opportunismus und die Auswirkungen der
Verhaltensunsicherheit
Zugunsten universeller Aussagen und einem allgemein besseren Verständnis wird im
Folgenden zunächst allgemein von einem Anbieter und Auftraggeber ausgegangen, der besser
informiert ist und daher als Agent angesehen wird. Ein Nachfrager und Auftraggeber, dessen
Wohlfahrt aufgrund des größeren Informationsdefizits von seinem Partner abhängig ist, wird
als
Principal
betrachtet. 12
Jede
weitere
Rollenverteilung,
welche
nun
dem
Versicherungsnehmer oder –unternehmer zuzuschreiben ist, wird zunächst ausgeblendet. Im
Laufe des Kapitels wird dann deutlich, dass sich beide Partner in der Position des Anbieters
und Nachfragers befinden können, und dass dies letztendlich das Entscheidende ist.
Bei dem Kooperationsverhältnis von Anbieter und Nachfrager bei Versicherungen, hat der
Anbieter einen Informationsvorsprung. Sei es weil er über ein größeres Wissen über sein
Produkt oder sein Verhalten verfügt oder einfach weil er sich näher am Ort des Geschehens
befindet. 13 Aufgrund dieses Informationsvorsprunges und den Spielräumen, die sich dadurch
dem Agent bieten, muss der Nachfrager mit einem opportunistischen Verhalten seitens des
Agent rechnen. Williamson beschreibt den Opportunismus mit „self- interest seeking with
guile“14 und meint damit ein eigennütziges Verhalten mit List und Tücke, dessen Gefahr
darauf reinzufallen besonders groß ist, da das Verhalten für den Partner unsicher ist. Ich
möchte hier einen allgemeinen Überblick über die drei Spielarten des Opportunismus
vorstellen
und
die
Auswirkungen
dieser
Verhaltensunsicherheit
aufgrund
der
Informationsasymmetrie.
Ex ante, also vor Vertragsabschluss, hat der Anbieter bessere Informationen über die Qualität
seines
Produktes,
hier
in
Versicherungen:
Kontraktgüter,
und
auch
über
seine
Verhaltensmerkmale. Es ist durchaus möglich, dass der Anbieter ganz bewusst bestimmte
Informationen zurückhält, um diese heimlich auszunutzen und sich somit einen Vorteil zu
verschaffen. Dem Nachfrager bleibt ex ante die Qualität und das Verhalten des Anbieters
verborgen, was als hidden characteristics und hidden knowledge 15 bezeichnet wird.
Dies führt zu einer Qualitätsunsicherheit. Das Problem für den Nachfrager besteht nun darin,
gute von schlechten Gütern zu unterscheiden und diese richtig auszusuchen. Dies führt zu
12
Vgl. Bauer (1995), S. 83 und Horsch (2004), S. 532 und Kaas (1992), S. 888.
Vgl. Kaas (1992), S. 888.
14
Williamson (1985), S. 47.
15
Vgl. Arrow (1985).
13
4
einem Markt, in denen Nachfrager unsicher sind über die angebotenen Qualitäten. Dieser
Mangel an Wissen und Informationen beinhaltet die Gefahr der Adverse Selection, die
dadurch zustande kommt, dass eine Durchschnittsqualität der Leistung angenommen wird,
wodurch
auch
nur
eine
durchschnittliche
Gegenleistung
angeboten
wird.
Die
Marktteilnehmer, deren Qualität aber überdurchschnittlich ist, treten aus diesem Markt aus
und die Durchschnittsqualität sinkt weiter. Dieser Prozess der Negativauslese beschreibt
Akerlof
in
„The
Market
for
Lemons“16
ausführlich
am
Paradigma
des
Gebrauchtwagenmarktes. Im schlimmsten Fall kann Adverse Selection zu Marktversagen und
völligem Auflösen des Marktes führen.
Eine weitere Auswirkung von Verhaltensunsicherheit ist der Holdup, welcher Überfall
bedeutet und eine Situation beschreibt, in der das gewollte Verhalten des Agenten
offensichtlich wird und dem Partner Schaden zufügt. 17 Bei einem Holdup werden
Vertragslücken opportunistisch ausgenutzt, indem der Anbieter und Agent, auf dessen
Gegenleistung der Nachfrager wartet, bewusst den sich ihm bietenden juristischen Freiraum
für die tatsächliche Gegenleistung ex post ausgestaltet. Diese Spielart des Opportunismus
wird auch hidden intention18 genannt, weil in diesem Fall vertragsrelevante Absichten dem
Partner bewusst verheimlicht werden und nach Vertragsabschluss zum eigenen Vorteil
ausgespielt werden.
Die dritte Auswirkung von Verhaltensunsicherheit ist die des Moral Hazard. Es bezeichnet die
Gefahr, dass sich der Vertragspartner mit einem Informationsvorsprung, also der Anbieter
oder Agent, heimlich anders verhalten wird, als er nach außen vorzugeben scheint. Diese
Spielart des Opportunismus wird als hidden action19 bezeichnet und beschreibt damit das
Verhalten des Anbieters ex post. Die Leistungsqualität der Kontraktgüter hängt vom
Verhalten nach Vertragsabschluss ab, welches für den Principal schwer oder kaum
beobachtbar ist und dadurch dem Agent einen diskretionären Handlungsspielraum gibt.
Bedeutend hierbei ist, dass das opportunistische Verhalten in diesem Fall auch ex post noch
für den Vertragspartner verborgen bleibt, wogegen der Opportunismus bei den beiden
vorherig beschriebenen Arten ex post zu Tage kommt. Der Grund hierfür ist, dass das
Ergebnis und die Leistungsqualität nicht nur vom Verhalten, sei es Fleiß, Kompetenz oder
Sorgfalt, abhängen, sondern auch durch exogene Umweltereignisse beeinflusst werden
16
Akerlof (1970).
Vgl. Spremann (1990), S. 568.
18
Vgl. Akerlof (1985).
19
Vgl. Akerlof (1985).
17
5
können. Dadurch wird für den Principal eine klare kausale Erklärung für die Leistungsqualität
unmöglich. 20
Wie aber sieht nun konkret die Rollenverteilung vom Principal und Agent auf den
Versicherungsnehmer und –unternehmer aus? Wie äußert sich die Informationsasymmetrie
auf dem Versicherungsmarkt konkret in Bezug auf beide Kooperationspartner?
2.4 Die Rollenverteilung des Principal und Agent in Versicherungen
Tabelle 1: Informationsasymmetrie und ihre Rollenverteilung
Informationsasymmetrie
Zu
Lasten
des
VU
als Zu
Lasten
des
VN
Principal und Nachfrager
Principal und Nachfrager
Vor Vertragsabschluss
1) VN als Agent
3) VU als Agent
Nach Vertragsabschluss
2) VN als Agent
4) VU als Agent
als
Quelle: In Anlehnung an Horsch (2004)
Diese Tabelle soll veranschauliche n, dass je nach Verteilung der Informationsasymmetrie
sowohl der Versicherungsunternehmer also auch der Versicherungsnehmer die durch
Informationsdefizite benachteiligte Rolle des Principal einnehmen kann. Diese Betrachtung
wird durch eine Unterscheidung zwischen ex ante und ex post des Vertragsabschlusses
verfeinert. Alle vier Fälle werden kurz erläutert.
Im ersten Fall besitzt der Agent VN gegenüber dem Principal VU, der in diesem Fall auch die
Rolle des Nachfragers einnimmt, einen Informationsvorsprung, da VN vor Vertragsabschluss
besser über seine eignen Verhaltenseigenschaften und Risiken Bescheid weiß als VU. Er
selbst kann die Schadenswahrscheinlichkeit besser beurteilen als VU. Aufgrund von
Pauschalierung der Tarife von Versicherungsverträgen, besteht die Gefahr, dass VN mit
besseren Risiken eine zu hohe Prämie angeboten wird, die ihnen nicht gerecht wird und VN
daher vom Versicherungs markt austritt. Dieses Beispiel beschreibt die Adverse Selection
aufgrund von hidden characteristics und hidden knowledge zu Lasten des VU.
20
Vgl. Spremann (1990), S. 581.
6
Im zweiten Fall ist die Informationssymmetrie nach Vertragsabschluss relevant, und zwar zu
Lasten des VU. Denn durch den Abschluss eines Vertrages eröffnen sich dem VN neue
Informationsvorteile und damit Handlungsspielräume, die VU verborgen bleiben. Dies äußert
sich darin, dass sich VN aufgrund einer deckenden Versicherung fahrlässig verhält oder sogar
einen Schadensfall vorsätzlich herbeiführt, was einem Versicherungsbetrug gleich kommt.
Dieser Spielraum von hidden intention und hidden action ermöglicht die oben beschriebene
Gefahr des Moral Hazard. 21
Im dritten Fall geht die Informationsasymmetrie zu Lasten des VN, der gegenüber VU einem
Informationsdefizit unterliegt und dadurch die Rolle des Principal einnimmt. VN, der auf der
Suche nach einem fairen Angebot einer Versicherung ist, ist vor Vertragsabschluss kaum in
der Lage, die Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit (Zahlungsliquidität) des VU zu
bewerten. 22 Aufgrund der hier herrschenden Qualitätsunsicherheit besteht auf Seiten des VN
eine Zahlungsbereitschaft einer nur durchschnittlichen Versicherungsprämie an den VU.
Hierdurch besteht die Gefahr der Adverse Selection, bei der der überdurchschnittlich gute VU
den Markt verlässt.
Der vierte Fall beschreibt die Situation, in der sich die Informationsasymmetrie über die
Vertragslaufzeit der Versicherung hinweg zugunsten des VU verhärten. Je seltener
Versicherungsfälle auftauchen, desto schlechter kann der ohnehin bereits minder informierte
VN weiterhin die Leistungswilligkeit und die Liquidität des VU beurteilen und auf diese
vertrauen. Für VU bietet sich die Möglichkeit, die Mittel zu verschleudern, unberechtigt zu
beanspruchen oder sogar in riskante Anlagen zu investieren. 23 Hidden intention und hidden
action auf Seiten des VU vergrößern die Gefahr des Moral Hazard zu Lasten des VN.
Zusammenfassend ist nochmals hervor zu heben, dass beide Partner sowohl die Rolle des
Principal als auch des Agent einnehmen können.
Definiert werden die Rollen über den Grad der Information; die Seite mit einem
Informationsdefizit beschreibt den Principal als benachteiligter Nachfrager. Die Seite mit dem
Informationsvorsprung ist der Agent als im Vorteil stehender Anbieter. Sowohl der
Versicherungsunternehmer als auch der Versicherungsnehmer kann beide Rollen einnehmen,
je nach Informationsverteilung.
21
22
23
Vgl. Horsch (2004), S. 534
Vgl. Horsch (2004), S. 535.
Vgl. Horsch (2004), S. 535
7
In der Literatur wird diese Ansicht häufig vernachlässigt und die Principal- Agent-Beziehung
auf dem Versicherungsmarkt nur sehr einseitig behandelt. Meines Erachtens ist diese
Erkenntnis jedoch von großer Bedeutung. Im folgenden Kapitel werden Möglichkeiten von
Kooperationsdesigns
zur
Minderung
der
Informationsasymmetrie
dargestellt.
Ein
vollständiger Überblick und ein umfassendes Verständnis über die asymmetrische Verteilung
von Informationen, wie sie in diesem Kapitel erarbeitet wurden, sind Voraussetzung, um
konkrete Möglichkeiten für beide Seiten einer Kooperation aufzeigen zu können.
3. Kooperationsdesigns zur Linderung der
Informationsasymmetrie und des Opportunismus
Die
Geschäftsbeziehung
zwischen
einem
Versicherungsunternehmer
und
Versicherungsnehmer lässt sich im Allgemeinen sehr gut durch das Pricipal- Agent Modell
ermitteln, wie sie im vorherigen Kapitel dargestellt wurde. Für diese Principal-AgentBeziehung ist die Informationsasymmetrie beid er Partner kennzeichnend. Zur Linderung der
Informationsasymmetrie und der daraus folgenden Einschränkung von opportunistischem
Verhalten werden im Folgenden zwei Kooperationsdesigns vorgestellt, die in jeder Hinsicht
einer solchen Beziehung, ob nun Eigentümer und Manager, Kapitalgeber und Investor oder
Vorgesetzter und Untergebener, anwendbar und sie damit in meinen Augen entscheidend
sind. Außerdem wird ein umfassender Überblick über die vielen Möglichkeiten zur Linderung
der Informationsasymmetrie gegeben, indem sie fo lgenden zwei Hauptkategorien zugeordnet
werden:
Screening
und
Signaling
zur
Informationsversorgung
und
Anreiz-
und
Kontrollsysteme.
3.1 Screening24 und Signaling25 zur Informationsversorgung
Naheliegend
scheint,
gegen
Informationsasymmetrie
eine
Informationsversorgung
einzusetzen, um die Informationslücken aufzufüllen. Hierzu gibt es zwei Arten des
Informationstransfers: Die Informationsbeschaffung und die Informationsübertragung. 26 Das
24
Vgl. Stiglitz (1975).
Vgl. Spence (1973).
26
Vgl. Kaas (1990) und Kaas (1991).
25
8
Screening dient der Informationsbeschaffung. Die Initiative geht hier von der schlechter
informierten Partei aus, die aktiv wird und sich fehlende Informationen über die andere Partei
beschaffen kann. Signaling dient der Informationsübertragung und kann nur von der besser
informierten Partei ausgehen, die entscheidungsrelevante Informationen in Form von Signalen
an die andere Partei übermittelt. 27 Man kann diese beiden Arten der Informationsversorgung
auch mit Leistungsfindung und Leistungsbegründung charakterisieren, bei der es zum einen
um das aktive Finden vom besseren Leistungsangebot geht und zum anderen darum, dass man
dem Nachfrager das bessere Leistungsangebot wahrnehmen und glauben lässt. 28
Informationen können vom VU zum VN fließen, aber auch in umgekehrter Richtung. Wichtig
ist, dass sie gleichzeitig in beide Richtungen fließen können, nicht nur einseitig. Natürlich
können diese Informationen auch zwischen den gleichen Parteien, also innerhalb von VU oder
innerhalb von VN, fließen, aber dieser Aspekt handelt von Wettbewerbsbeziehungen unter
den Marktteilnehmern und ist hier für die Principal- Agent-Beziehung zwischen VU und VN
irrelevant. Der Informationstransfer wird weiterhin danach differenziert, von welcher Seite
der Informationstransfer initiiert wird (aktiv). 29 Hierzu betrachte man folgende Tabelle, die
anschließend grundlegend und anhand von konkreten Kooperationsdesigns erläutert wird.
Tabelle 2: Informationsversorgung durch Screening und Signaling
Passiv
Aktiv
VN
screening 1)
VU
Marktforschung,
Selbstwahlschema
VU
signaling
2) Werbung, Reputation
screening
3)
Vergleiche,
Such-
und
Erfahrungseigenschaften, Marktsignale
VN
signaling
4)
Signale
der
Zuverlässigkeit
Glaubwürdigkeit, Selbstbeteiligung
Quelle: In Anlehnung an Kaas (1991)
27
Vgl. Horsch (2004) .
Vgl. Kaas (1990), S. 541 und Kaas (1995), S. 21.
29
Vgl. Kaas (1991), S. 359 und
Vgl. hierzu auch Zugreihenfolge aus spieltheoretischer Perspektive bei Roth (2001).
28
9
und
3.1.1 Selbstwahlschema zur Informationsbeschaffung
In Fall 1) tritt VU als der schlechter informierte Partner und damit als Principal auf. Es liegt
an ihm, aktiv zu werden und sich Informationen über seinen Partner zu beschaffen. Auf einem
Markt, auf dem sich zahlreiche potentielle Kunden als VN anbieten, muss sich VU die
geeigneten Partner raussuchen und dafür Marktforschung betreiben30 oder sich über
Gutachten und Tests über diese informieren. 31 Eine weitere und konkretere Möglichkeit bietet
das
Selbstwahlschema.
Entscheidungssituation,
Bei
indem
einem
er
VN
Selbstwahlschema
mit
einer
gestaltet
Auswahl
an
VU
eine
verschiedenen
Versicherungsverträgen konfrontiert. Aus der von VN getroffenen Wahl kann VU auf die
sonst verborgenen Verhaltenseigenschaften (risikoscheu, risikofreudig, zuverlässig) von VN
schließen, indem er „confront people with schedules that cause them to make appropiate
choices and in so doing to reveal themselves and the info that they privately hold ex ante“.32
Ist VN beispielsweise risikoscheu, so wählt er die Versicherung mit einer niedrigen Prämie
und einer hohen Selbstbeteiligung. Ist VN risikofreudig, so wählt er eine Versicherung mit
hoher Prämie und geringer Selbstbeteiligung mit einer möglichst hohen Deckung im Falle
eines
Schadens, 33
da
er
aufgrund
seiner
Fahrlässigkeit
mit
einer
höheren
Schadenswahrscheinlichkeit rechnet. Das Selbstwahlschema kann auch dem Fall 4)
zugeordnet werden, nämlich als Signaling seitens des VN, das wie eine Offenbarung
funktioniert. 34 Jedoch zähle ich es auch zu Fall 1), da dieses Kooperationsdesign bereits durch
das Anbieten verschiedener Verträge von dem schlechter informierten VU initiiert wird.
3.1.2 Reputation zur Informationsübertragung
In Fall 2) ist VU die Partei mit einem Informationsvorsprung gegenüber VN und daher ist es
seine Aufgabe, über Signale Informationen an VN übertragen. Dies kann VU mithilfe der
Werbung35 machen, indem er für seine Leistungsqualität und Leistungsfähigkeit (Liquidität)
alle notwendigen und relevanten Eigenschaften an VN übermittelt. Jedoch ist die Werbung
mit Vorsicht zu betrachten, da letztlich für VN verborgen bleiben wird, inwieweit die
30
Vgl. Kaas (1991), S. 360.
Vgl. Spremann (1990), S. 568.
32
Spence (2002), S. 435.
33
Vgl. Chiappori (2000) und
Vgl. hierzu auch cherry-picking story bei Jullien (1999).
34
Vgl. Spremann (1990), S. 578.
35
Vgl. Kaas (1990), S. 544.
31
10
Werbung der Wahrheit entspricht. Daher gibt es einen weiteren und viel wertvolleren Weg
zur Informationsübertragung, nämlich der des Vertrauenaufbaus. Das heißt, dass VU bei
seinem Partner Ansehen und Vertrauenswürdigkeit erreicht. Dies ist natürlich nicht ohne den
Einsatz von viel Zeit und Mühe zu schaffen und ist daher auch ein sehr wertvolles Kapital.
Schenkt VU einem VN erstmal sein Vertrauen, so ist dieser von der Qualität und Kompetenz
von VU überzeugt. 36 Die Reputation hat ihre Funktion darin, dass sie als eine Art von Pfand 37
oder Geisel38 gehandhabt und in die Beziehung vom Principal und Agent mit einbezogen
wird. Der gute Ruf und das Ansehen des VU sind nur solange wertvoll, solange die
Reputation unangegriffen besteht. Lässt VU etwas Negatives auf sich kommen, so wird durch
üble Nachrede die Reputation zerstört. Der Verlust der mühsam aufgebauten Reputation ist
demnach die Strafe für sein Fehlverhalten. Der VN als benachteiligter Principal hat durch das
Pfand in seiner Hand die Möglichkeit, gegebenenfalls die Reputation zu vernichten. 39
3.1.3 Such- und Erfahrungseigenschaften zur Informationsbeschaffung
Der Fall 3) beschreibt VN als Nachfrager und Principal mit einem Informationsdefizit. Um
sich Informationen von Agent VU beschaffen muss sich VN über die verschiedenen
Versicherungsverträge auf dem Markt, ihre Qualitäten, Preise, Konditionen usw. erkundigen
und diese untereinander vergleichen. Dies kann VN über die Such-
und die
Erfahrungseigenschaften40 machen. Das bedeutet, er kann entweder die Eigenschaften durch
bloßes Feststellen über einfache und kostengünstige Inspektionen wie Interne trecherche,
Kataloge, Anrufe erlangen. Oder aber VN ermittelt die Eigenschaften einer bestimmten
Versicherung über Erfahrung, die natürlich kostspieliger sein kann, wenn VU letztlich seinen
Informationsvorsprung opportunistisch ausnutzt.
Eine effektive Art der Informationsbeschaffung ist die über die Signale des Marktes.41
Beispielsweise können die Preise Qualitätsindikatoren darstellen. Es gibt auch bedeutende
Informationen, die der Markt bereitstellt, ohne dass sie vom VU direkt zur Verfügung gestellt
werden. VN kann sich aber aktiv diese Informationen einholen. Hier wird auf ein implizites
Qualitätsurteil von anderen VN verwiesen, die durch eigene Erfahrung über bessere
36
Vgl. Kaas (1990), S. 545.
Vgl. Spremann (1988), S. 619.
38
Vgl. Kaas (1992), S. 896.
39
Vgl. Spremann (1988), S. 619
40
Vgl. Kaas (1995).
41
Vgl. Kaas (1991), S. 365.
37
11
Informationen verfügen. Eine hohe Nachfrage nach einem bestimmten VU, beobachtbarer
Markterfolg
und
ein
hoher
Marktanteil
sind
eine
wichtige
und
zuverlässige
Informationsquelle.
3.1.4 Signale der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit zur
Informationsübertragung
Der Fall 4) stellt die Informationsübertragung auf Seiten des VN dar, der sich in einem
gewissen Informationsvorteil und als potentiellen Kunden sieht und damit den Anreiz hat,
dem VU seine positiven Verhaltenseigenschaften zu signalisieren. Beispielsweise weiß nur er,
dass er aufgrund seiner Risikoaversion, die dem VU verborgen bleibt, ein VN mit guten
Risiken ist. 42 Der VN kann durch Selbstbindung43 oder Offenbarung44 seine Zuverlässigkeit
und Glaubwürdigkeit signalisieren. Er kann freiwillige Einschränkungen seines diskretionären
Handlungsspielraumes eingehen, indem er beispielsweise bei einer KfZ-Versicherung angibt,
nur erfahrene Personen über 25 Jahren das versicherte Auto fahren zu lassen, um damit die
Unfallwahrscheinlichkeit zu reduzieren. Durch das Selbstwahlschema, wie in 3.1.1 bereits
beschrieben, offenbart sich VN insofern, als dass er durch die Auswahl einer bestimmten
Versicherung mit ihren Konditionen gewisse Verhaltenseigenschaften von sich preisgibt.45
Anhand der Wahl einer Versicherung kann er vom VU einer bestimmten Risikoklasse
zugeordnet werden. Konkreter wird die Offenbarung, wenn sich VN aufgrund der gewählten
Höhe einer Selbstbeteiligung offenbart. Die Selbstbeteiligung ist jedoch auch ein wichtiger
Aspekt von Anreizsystemen und wird daher im Kapitel 3.2 näher erläutert.
3.2 Anreiz- und Kontrollsysteme gegen opportunistisches Verhalten
Bei einer Principal-Agent-Beziehung, wie wir sie im Falle einer Versicherungskooperation
zwischen VU und VN vorliegen haben, gibt es zwei wesentliche Mechanismen, den
diskretionären Handlungsspielraum des Agent aufgrund seines Informationsvorsprunges
einzudämmen und einem opportunistischen Verhalten gegen zu steuern: Über Anreize in
42
Vgl. Kaas (1991), S. 362.
Vgl. Kaas (1992), S. 893 und Kaas (1990), S. 545.
44
Vgl. Spremann (1990).
45
Vgl. hierzu auch Shapira (1999).
43
12
Form einer ergebnisabhängigen Entlohnung des Agent und über Kontrolle. 46 Leider werden
diesbezüglich nur Kooperationsdesigns dargestellt, die eine Rollenverteilung beinhaltet, in der
VU die Rolle des Principal und VN die Rolle des Agent einnimmt. Konkrete Anreiz- und
Kontrollsysteme auf einem Versicherungsmarkt für eine umgekehrte Rollenverteilung sind
bislang kaum untersucht worden.
VU muss Rahmenbedingungen stellen, um VN zu beeinflussen und ihn zu motivieren. Eine
Ergebnisbeteiligung als Entlohnungsschema stellt eine wichtige Rahmenbedingung47 dar, die
anhand folgender zwei Punkte näher beschrieben werden. 3.2.3 dagegen beschreibt eine von
VU gestellte Bedingung zur Kontrolle von VN.
3.2.1 Selbstbeteiligung als Anreiz
Die Idee der Selbstbeteiligung ist, dass VN im Falle eines Schadens und eines Verlustes einen
festen Betrag zu zahlen hat. Das heißt, er trägt den Schaden zu einem gewissen Anteil mit, der
VU hat keine volle Deckung des Verlustes zu tragen. Eine Selbstbeteiligung zwingt „the
insured to retain some part of his losses“48 und macht dadurch den Schadenfall für VN
finanziell spürbar und insoweit vermeidenswert. 49 Dieses Instrument wirkt wie ein Anreiz
gegen opportunistisches Verhalten in Form von Moral Hazard. Denn je höher die
Selbstbeteiligung ist, die VN im Schadensfall zu tragen hat, desto eher hat er einen Anreiz, im
Rahmen seiner Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass der Schadensfall nicht eintritt.50
Allgemein wird angenommen, dass ein VN mit einem risikofreudigen Verhalten eine
möglichst geringe Selbstbeteiligung wählt, da er mit einer höher frequentierten
Schadenswahrscheinlichkeit mit höherem Ausmaß rechnet. Ein risikoscheuer VN dagegen
zieht eine hohe Selbstbeteiligung vor, während gleichzeitig die einzuzahlende Prämie sehr
niedrig ist, da er mit keinem Schadensfall rechnet. 51 Durch die Wahl einer Selbstbeteiligung
signalisiert VN dem VU sein Risikoverhalten (zu 3.1.4) und geht damit eine outputbezogene
46
Vgl. Kaas (1995), S. 32 ff.
Vgl. Spremann (1990) S. 581.
48
Pauly (1974), S. 45.
49
Vgl. Horsch (2004), S. 534.
50
Vgl. Hellwig (1988), S. 1072.
51
Vgl. Chiappori (2000) und
Vgl. hierzu auch cherry-picking story bei Jullien (1999) zur Gegenthese.
47
13
Selbstbindung52 ein, indem er sich verpflichtet, im Falle eines Verlustes seinen gewissen
Beitrag zu leisten.
3.2.2 Prämiendifferenzierung53 als Anreiz
Die Einbindung von einer Prämiendifferenzierung ist eine weitere Möglichkeit des
ergebnisabhängigen Entlohnungsschemas. Sie ist sehr verbreitet bei der Kfz-Versicherung
und funktioniert so, dass der Agent VN ex post für geringe Schadensfälle honoriert wird,
indem die von ihm einzuzahlende Prämie nach einer bestimmten Periode niedriger gesetzt
wird. Dagegen wird er für häufige und hohe Schadensfälle bestraft, indem die Prämie erhöht
wird. Auch dieser Anreiz wirkt Moral Hazard auf Seiten des VN entgegen, da VN bemüht
sein wird, Schadensfälle zu vermeiden und mit einem Honorar belohnt zu werden.
3.2.2 Transparente Limitierung54 zur Kontrolle
Hierbei handelt es sich um eine inputbezogene Selbstbeteiligung, 55 bei der sich VN dazu
verpflichtet, Maßnahmen vorzunehmen, die einer transparenten Limitierung verborgener
Handlungsspielräume dienen. VN folgt die vo n VU gestellten Bedingungen, beispielsweise
eine Sprenkelanlage, ein Frühwarnsystem, Rauchmelder oder Feuerlöscher als Bedingung
einer Brandschutzversicherung zu installieren. Das Ausführen dieser Bedingungen reduziert
die Schadenswahrscheinlichkeit von VN. Der VN wird hierbei zu Handlungen verpflichtet,
die für VU beobachtbar und damit auch kontrollierbar sind. Kommt VN einer solchen
Bedingung nicht nach, so kann VU nicht für das Aufkommen und Decken des Verlustes im
Falle eines Schadens garantieren.
52
53
54
55
Vgl. Kaas (1995), S. 33.
Vgl. Horsch (2004), S. 534 und Vgl. „bonus/malus“ als experience rating system bei Chiappori (2000), S. 63.
Vgl. Horsch (2004), S. 534.
Vgl. Kaas (1995), S. 33.
14
4. Schlussbemerkung
Es wurde ein Überblick über die Informationsasymmetrie auf dem Versicherungsmarkt und
ihre Folgen für die beteiligten Kooperationspartner gegeben. Der Versicherungsmarkt wird
stark von der Kooperation des Versicherungsunternehmer und des Versicherungsnehmer
bestimmt. Die Rollenverteilung beider Partner bezüglich der Principal-Agent Beziehung sollte
damit klar sein. „Prinzipal ist derjenige, der das für ihn relevante Tun des anderen nicht
beobachten kann; Agent ist derjenige, der über diskretionären Handlungsspielraum verfügt
und mit seinem Tun nicht nur den eigenen Nutzen, sondern auch die Wohlfahrt des anderen
beeinflusst.“56 Der Principal verfügt über einen Informationsvorsprung, währenddessen der
Agent einem Informationsdefizit unterliegt. Entscheidend hierbei ist, dass sowohl der
Versicherungsunternehmer als auch der Versicherungsnehmer je nach Ausgangsposition und
Umstände die Position des Principal als auch des Agent einnehmen kann. Hierauf wurde in
der Literatur nach meinem Erachten bislang nur unzulänglich eingegangen.
Dementsprechend können auch beide Seiten zur Informationsversorgung beitragen, um
opportunistisches Verhalten und ihre Auswirkungen zu mindern. Entscheidend hierbei ist,
welche Seite den Informationstransfer initiiert und über die besseren bzw. schlechteren
Informationen verfügt. Außerdem wurde das Anreiz- und Kontrollsystem aufgegriffen, in
dem der Versicherungsunternehmer als Principal Bedingungen an den Versicherungsnehmer
stellt, um sein Spielraum zum Opportunismus einzuschränken. Leider wurde dieses Anreizund
Kontrollsystem
für
das
umgekehrte
Principal-Agent
Verhältnis
von
Versicherungsunternehmer und Versicherungsnehmer in Versicherungen bisher kaum
untersucht und daher auch in meiner Arbeit nicht berücksichtigt.
Allgemein sind zum Schluss noch einige Bemerkungen anzufügen. Die vorangegangene
Darstellung der Problematik der Informationsasymmetrie und der Zusammenhänge auf dem
Versicherungsmarkt sind zur Vereinfachung und zum besseren Verständnis simpel gestaltet
worden. Im Versicherungsalltag jedoch ist die Problematik der Informationsasymmetrie eher
komplex, als einfach. In einer kooperativen Beziehung von Versicherungsunternehmer und
Versicherungsnehmer beschränken sich die Informationsasymmetrie und der Spielraum für
opportunistisches Verhalten nicht nur auf einen Aspekt innerhalb dieser Beziehung.
Beispielsweise kann sich der Versicherungsunternehmer aufgrund von Verhaltensunsicherheit
mit der Gefahr der Adverse Selection und der des Moral Hazard auf Seiten des
56
Spremann (1988), S. 62.
15
Versicherungsnehmers gleichzeitig konfrontiert sehen. Außerdem kann innerhalb eines Typen
von opportunistischem Verhalten mehr als nur ein Aspekt von opportunistischem
Handlungsspielraum auftreten. Beispielsweise besteht auf Seiten des Versicherungsnehmer
die Gefahr zum Moral Hazard, nicht nur weil er durch den Abschluss einer Versicherung
Anreiz zu einem fahrlässigen Verhalten zu Lasten des Versicherungsunternehmers sieht,
sondern auch, weil er eine Versicherung bei einem Dritten abschließen kann, um das aus der
Selbstbeteiligung folgende Restrisiko bei einer anderen Versicherung abzudecken. 57
Außerdem läuft eine Kooperation zwischen dem Versicherungsunternehmer und dem
Versicherungsnehmer nicht in einem Zwei- Zeitpunkt-Schema von ex ante und ex post ab, wie
es vorhegend zur Vereinfachung dargestellt wurde. Sondern sie gestaltet sich in der Realität in
zahlreichen, sequentiellen Einzelschritten. 58
Desweiteren gibt es auf dem Versicherungsmarkt zahlreiche Kooperationen, an denen mehr
als nur zwei Partner beteiligt sind. Beispielsweise das Miteinbeziehen eines Intermediär, der
zwischen
beiden
Partner
agiert
und
vermittelt.
Solch
ein
Akteur
kann
zur
Informationsasymmetrie beitragen oder diese sogar ausgleichen. In meiner Arbeit aber bin ich
bewusst nicht auf diesen Aspekt eingegangen, da dies den Rahmen gesprengt hätte und
meines Erachtens nach für die zugrunde liegende Principal-Agent Beziehung in
Versicherungen in erster Linie keine Bedeutung hat.
Ich möchte hiermit deutlich machen, dass in dem Versicherungsalltag die Kooperationsform
eine sehr komplexe ist. Sie ist wie ein Portefeuille, dessen Komponenten und Effekte aus
verschiedenen Verhaltensweisen und Kooperationsdesigns in eine komplexe, sich gegenseitig
ergänzende und wechselseitige Interaktion miteinander treten. 59
57
Vgl. Hellwig (1988), S. 1070.
Vgl. Spremann (1990), S. 585.
59
Vgl. Spremann (1990), S. 584.
58
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