Testbericht Tuning
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Testbericht Tuning
FOTOS: H.D. SEUFERT Von Alpina, Hartge und MST Wiesmann kommen die stärksten und schnellsten BMW Fünfer-Limousinen. VERGLEICH Die schnellsten BMW Fünfer Die Leistungsspanne ihrer Achtzylindermotoren reicht von 315 bis 340 PS. Dreimal Fünfer mit V8: Der Motor des Hartge-BMW (links) weist 4,7 Liter Hubraum auf, der Alpina B10 besitzt eine 4,6 Liter-Maschine. Beim MST-Fünfer bleibt der Hubraum mit 4,4 Liter serienmäßig olange es noch keinen M5 S gibt, heißt das Spitzenmodell der BMW Fünfer-Reihe 540i. Eine Toplimousine zweifellos, die mit ihrem 4,4 Liter großen Achtzylindermotor Spitzenleistungen bietet und die, so scheint es jedenfalls, nicht mehr viel Spielraum für Verbesserungen läßt. Den 540i, dessen Höchstgeschwindigkeit werksseitig auf 250 km/h begrenzt wird, noch 16 7/1997 schneller zu machen ist keine Kunst. Es genügt ein kleiner Eingriff in die Motorelektronik, dann kommt ein solcher Fünfer auf knapp 260 km/h, was beweist, daß schon der serienmäßige Achtzylinder sehr gut im Futter steht. Wer sich vom Angebot des Werks abheben will, darf nicht nur Leistung im Sinn haben. Denn realistisch betrachtet ist man mit ein paar Dutzend zusätzlichen Pferdestärken auf öffentlichen Straßen nicht wesentlich schneller unterwegs – der Unterschied beschränkt sich hauptsächlich darauf, daß die Antriebsschlupfregelung mehr Arbeit hat. Jede Modifikation des Serienprodukts ändert auch dessen Charakter. Wenn sich also zufriedene Kundschaft finden soll, gilt es, aus dem 540i nicht nur ein schnelleres, sondern auch ein in seiner Gesamtheit besseres Auto zu machen. Und das stellt angesichts der Qualitäten des Ausgangsprodukts eine schwierige Aufgabe dar. BMW-Händler Wiesmann, der für die technische Weiterentwicklung auf die Dienste der Firma MST zurückgreift, begnügt sich mit vergleichsweise bescheidenen Eingriffen. MSTChef Karl-Otto Noelle, vormals technischer Kopf bei Alpina, sieht einen geänderten Endschalldämpfer sowie Modifikationen am elektronischen Motormanagement vor. Dadurch steigt die Leistung des ansonsten naturbelassenen 4,4 LiterV8 von 286 auf 315 PS. Unterstützt wird die zehnprozentige Leistungssteigerung durch eine erheblich kürzere Übersetzung des Achsantriebs (3,15 statt 2,81), die das Drehzahlniveau erhöht und damit den Mo- tor bissiger aufs Gas reagieren läßt. Die sechste Fahrstufe des Schaltgetriebes ist somit kein Schongang mehr, sondern erlaubt es dem Achtzylinder, seine Nenndrehzahl zu erreichen. Die Firma Hartge geht beim 540i schon tiefer ans Eingemachte. Hier wird der Hubraum der V8-Maschine durch eine Erweiterung des Hubs und eine Vergrößerung der Bohrung auf 4,7 Liter gebracht, die Leistung dieser mit geänderten Steuerzeiten und größeren Ventilen versehenen Maschine beträgt 340 PS. Auch Hartge verwendet, um den Beschleunigungsschub weiter zu optimieren, die kurze 3,15er Hinterachse. Der Beitrag von Alpina zum Thema der schnellen Fünfer heißt B10 und leistet ebenfalls 340 PS. Die seit vielen Jahren etablierte Zusammenarbeit mit dem Werk ermöglicht es, daß Alpina nicht Serienautos nachträglich verändern muß. Das Stammhaus dient hier als Zulieferer, von Karosserien beispielsweise, die bereits nach Alpina-Vorgaben modifiziert sind. In Buchloe, dem Sitz der wohl renommiertesten Firma auf dem Gebiet exclusiver BMW, findet dann die Produktion statt, wobei Handarbeit eine dominierende Rolle spielt. Der Alpina B10 besitzt einen 7/1997 17 Der BMW von Hartge erzielt die beste Beschleunigung Fahrzeugtyp Motorbauart/Zylinderzahl Hubraum cm3 Leistung kW (PS) bei 1/min max. Drehm. Nm bei 1/min Leistungsgewicht kg/kW (PS) Leergewicht kg Kraftübertragung Reifendimension vorn hinten Beschleunigung s 0 – 80 km/h 0 – 100 km/h 0 – 120 km/h 0 – 160 km/h 0 – 180 km/h 0 – 200 km/h 1 km mit steh. Start Elastizität s 60 – 100 km/h (IV./V. Gang) 80 – 120 km/h (V./VI. Gang) Höchstgeschw. km/h Bremsweg (Verzög.) m (m/s2) aus 100 km/h kalt aus 100 km/h warm Innengeräusch dB(A) bei 100 km/h bei 160 km/h Testverbrauch L/100 km minimal maximal Grundpreis DM BMW Alpina Hartge MST Wiesmann 540i B10 V8 540i 4.7 540i V/8 V/8 V/8 V/8 4398 4619 4722 4398 210 (286) 250 (340) 250 (340) 232 (315) 5700 5700 5700 5700 420 bei 3900 470 bei 3800 490 bei 3700 460 bei 4000 8,3 (6,1) 6,9 (5,1) 6,7 (4,9) 7,3 (5,4) 1736 1734 1677 1690 Sechsganggetriebe Fünfstufen-Autom. Sechsganggetriebe Sechsganggetriebe 225/55 R 16 W 235/40 ZR 18 245/35 ZR 19 235/40 ZR 18 225/55 R 16 W 265/35 ZR 18 265/30 ZR 19 265/35 ZR 18 4,7 6,3 8,5 14,2 18,0 23,3 25,8 4,1 5,7 7,6 13,0 17,1 22,3 25,3 3,8 5,3 7,1 11,8 14,8 18,9 24,3 4,4 6,1 8,2 13,6 17,2 22,7 25,6 7,1/8,9 9,1/12,2 250 –* –* 274 5,3/6,7 6,5/8,7 280 5,6/7,0 6,9/9,3 265 37,8 (10,2) 38,6 (10,0) 37,1 (10,4) 38,6 (10,0) 37,8 (10,2) 39,0 (9,9) 39,0 (9,9) 39,4 (9,8) 64 72 SB 13,8 9,6 16,8 90 300,– 65 72 SP 14,0 10,9 17,6 119 980,– 65 73 SP 14,8 11,2 18,3 116 000,– 63 72 SP 13,9 10,3 17,0 108 130,– * mit Automatikgetriebe nicht zu ermitteln; SB = Super bleifrei; SP = Super Plus MST: sicheres Fahrverhalten, Komfort fast wie beim Serienmodell Ganz nach Wunsch: MSTZutaten gibt es auch einzeln. Die 18 Zoll-Räder kosten 6150 Mark, für den Frontspoiler werden 1290 Mark berechnet 18 7/1997 Das Unternehmen MST Wiesmann in 48249 Dülmen (Telefon 02594/6093) wurde 1994 gegründet. Es setzt sich aus zwei eigenständigen Firmen zusammen, die in Kürze eine eigene GmbH bilden wollen. Bernd Wiesmann ist Inhaber von zwei BMW-Autohäusern, Karl-Otto Noelle der Kopf von MST (Motor Sport Technik). MST zeichnet verantwortlich für die Entwicklung, Wiesmann übernimmt Vertrieb und Marketing. auf 4,6 Liter Hubraum vergrößerten Achtzylinder. Eine Besonderheit stellt der B10 auch insofern dar, als er ausschließlich mit automatischem Fünfganggetriebe geliefert wird. Dieses kann der Fahrer sich selbst überlassen, mit der BMW-üblichen Steptronic die Gangwahl am Wählhebel vornehmen oder – eine AlpinaSpezialität – die Fahrstufen mit an der Rückseite des Lenkrads plazierten Tasten anwählen. Die Entscheidung für die Automatik statt des sonst üblichen Sechsganggetriebes hat etwas für sich, keine Frage. Denn ein V8 dieser Größenordnung entwickelt naturgemäß eine solche Drehmomentfülle, daß das manuelle Sortieren von sechs Gängen fragwürdig wird. Der Hartge und der MST zeigen das in aller Deutlichkeit. In nahezu jedem Geschwindigkeits- und Drehzahlbereich hat der Fahrer hier mindestens drei passende Gänge zur Verfügung. Wegen der kurzen Antriebsübersetzung ergeben sich sehr kleine Gangsprünge und entsprechend viel Schaltarbeit. Weil sich das mechanische Getriebe sehr leicht und exakt schalten läßt, kann der Fahrer das als Beitrag zum Fahrvergnügen einstufen – oder sich auf die enorme Durchzugskraft der Motoren verlassen, den fünften oder sechsten Gang einlegen und in der Folge nur noch dann zum Schalthebel greifen, wenn es unbedingt nötig ist. Die beiden V8 verfügen über eine derartige Elastizität, daß beispielsweise in einer 30 km/h-Zone problemlos im vierten Gang gefahren und anschließend kraftvoll beschleunigt werden kann, ohne herunterzuschalten. Fünf Fahrstufen jedenfalls genügen angesichts solchen Drehmoments, das zeigt der Alpina. Daß sie von einer Automatik bereitgestellt werden, die ein paar Prozent der Leistung schluckt – was soll’s? Kraft ist auch hier im Überfluß vorhanden, und das automatische Getriebe arbeitet so schnell und so ruckfrei, daß der Wunsch nach einer Handschaltung gar nicht Die BMW Fünfer von MST Wiesmann, Hartge und Alpina zeichnen sich alle durch erstklassige Fahrleistungen aus erst aufkommt. Alpina hat die Getriebeelektronik ihrer angestammten adaptiven Lernfähigkeit beraubt, mit dem Erfolg, daß sie in Verbindung mit dem starken Motor eine nahezu perfekte Einheit bildet. Befehle mit dem Gaspedal genügen, um blitzschnell den richtigen Gang zur Verfügung zu haben. Und wer eine der manuellen Schaltmöglichkeiten aktiviert, ist ähnlich effizient unterwegs wie mit einer mechanischen Kraftübertragung, spart sich dabei aber das Kuppeln. Wer einen starken Fünfer zum Objekt seiner Begierde erkoren hat, wird sich zwar kaum so alt fühlen, daß er dem linken Fuß den Vorruhestand gönnt. Aber der Alpina widerlegt überzeugend alle Vorurteile gegenüber sportlich geprägten Autos mit Automatik – zumal die beiden anderen einige Sorgfalt beim Umgang mit der Kupplung erfordern. 20 7/1997 Auf Wunsch ist der Alpina B10 auch ohne Heckflügel erhältlich Die Alpina-Modellbezeichnung gibt keinen Hinweis auf den Hubraum Alpina in 86807 Buchloe (Telefon 08241/50050) begann bereits 1965, sich mit schnellen BMW-Limousinen einen Namen zu machen. Heute entstehen pro Jahr rund 500 Autos auf der Basis von Dreier-, Fünfer- und SiebenerReihe. Daneben betreibt Inhaber Burkard Bovensiepen, als Gourmet bekannt, seit 1977 einen erfolgreichen Import exclusiver Weine. Die Automatik kann mit Lenkradtasten geschaltet werden Die Firma Hartge BMW Tuning in 66701 Beckingen (Telefon 06835/ 5060) besteht seit 1971. Inhaber Herbert Hartge beschäftigt 30 Mitarbeiter, Nur auf der Rennstrecke ratsam: Hartge mit deaktiviertem ASC+ T das Angebot seines Tuningbetriebs umfaßt Leistungssteigerung und optische Modifikationen für alle Modellreihen von BMW. Hartge nimmt sämtliche EntwickHartge treibt die lungsarbeiten in Modifikationen am eigener Regie vor. Fünfer mit 4,7 Liter Die Firma exporHubraum und 19 Zoll- tiert ihre Produkte Rädern am weitesten in 24 Länder. Schon die kurzen Übersetzungen sorgen dafür, daß beim Anfahren sorgfältig dosiert werden muß, wenn die Köpfe der Mitfahrer nicht nach hinten schnellen sollen. Und außerdem verstärken sie eine latent verhandene Ruckelneigung des V8, von der das Alpina-Produkt naturgemäß völlig frei ist. Der Hartge-Fünfer erzielt die besten Fahrleistungen, aber auch die beiden anderen beschleunigen in einer Art und Weise, die keine Wünsche offenläßt. Trotzdem sind alle drei Limousinen mit hohem Reisekomfort geblieben. Das gilt für den MST, dessen Fahrwerk mit kürzeren Federn ohnehin die geringsten Modifikationen aufweist, aber auch für den Hartge mit seinen riesigen 19 ZollRädern. Straff ist er schon, aber der verbliebene Federungskomfort kann sich sehen lassen, was in erster Linie für die grundsätzlichen Qualitäten des Fünfer-Fahrwerks spricht. Klarer Komfortsieger aber bleibt der Alpina, dessen Federung Bodenwellen mit ähnlicher Geschmeidigkeit zu absorbieren vermag wie ein 540i von der Stange. Im Handling übertrifft er den nahezu serienmäßigen MST, aber auch den Hartge, bei dem Längsrillen die Fahrstabilität mehr beeinträchtigen. Von den unterschiedlichen Interpretationen des FünferThemas hat die von Alpina am meisten Überzeugungskraft, wobei diese Beurteilung allerdings den beträchtlichen Preisvorteil des MST außer acht läßt. Und noch eines spricht für die Alpina-Version: Mit ihrer komfortbetonten Auslegung wird sie wenig an Attraktivität einbüßen, wenn die M GmbH von BMW im nächsten Jahr mit einem neuen M5 einen weiteren schnellen Fünfer liefert. Denn das wird ein Extremsportler. Seine technischen Highlights: fünf Liter Hubraum, Nockenwellenverstellung auf der Ein- und Auslaßseite, acht Einzeldrosselklappen. Ein hochprozentiger Technikcocktail mit deutlich über 400 PS. Götz Leyrer 7/1997 21