Vertreterversammlung Volksbank
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Vertreterversammlung Volksbank
Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann Vertreterversammlung Volksbank 12. Juni, 19 Uhr, Maximilianhalle Sehr geehrte Damen und Herren, So ändern sich die Zeiten! Noch vor Jahren besetzten junge Aussteiger Häuser und Wohnungen: Heute besetzen Bürger aus der Mitte der Gesellschaft die großen Finanzplätze in Europa. Wieder geht es um Spekulation. Aber es geht nicht um preiswerten Wohnraum wie in den siebziger und achtziger Jahren. Dieses Mal geht es um ein Ende der Spekulation mit Wertpapieren, mit Derivaten, mit Rohstoffen. Und es geht darum, dass das Geld vom Steuerzahler nicht schon wieder in die Rettung von angeschlagenen Banken fließt. Es gibt verschiedene Ansichten, warum es so weit gekommen ist. Die eine Lesart ist relativ schlicht, deshalb auch populär. Man zeigt auf die anderen: Demnach sind die Finanzmärkte ein einziges Spielkasino und die Banken reine Zockerbuden. Ehrlich gesagt: So ganz falsch ist dieser Eindruck wohl nicht. In den vergangenen 20 Jahren war der Spieltrieb vor allem in den großen Finanzzentren London und New York stark ausgeprägt. Dieser Spieltrieb hat die volkswirtschaftliche Funktion von Kreditinstituten immer mehr überdeckt. Die beteiligten Banken haben nur noch das eigene Interesse gesehen. Darüber hinaus gilt allerdings noch eine zweite Wahrheit: auch die Staaten selbst sind in diese Angelegenheit tief verstrickt. Immerhin sind die Probleme von heute auch das Ergebnis einer über Jahrzehnte prächtig funktionierenden Abmachung zwischen den Regierungen der westlichen Welt und ihren Banken. Die ungeschriebene Abmachung lautete: Die Staaten verschulden sich im In- und Ausland, um ihre Infrastruktur zu finanzieren - und den eigenen Konsum. Die Banken wiederum haben im vermeintlich risikolosen Geschäft mit Staatsanleihen annehmbare und zuverlässige Erträge erwirtschaftet. Seit fünf Jahren kämpfen wir mit den Folgen von Finanz- und Staatsschuldenkrisen, die sich bekannten Bewertungsmustern entziehen. Gleichzeitig gibt es aber kein Lehrbuch, in dem man den richtigen Umgang mit solchen Krisen nachblättern könnte – so hat es Jean-Claude Juncker formuliert. Meine Damen und Herren, noch sehen viele kein Ende der Krise um Europa und den Euro. Bei der Lösung der Probleme sollten folgende Aspekte beherzigt werden: Es muss – von den jetzt notwendigen Unterstützungsmaßnahmen abgesehen – einen neuen Gesellschaftsvertrag geben, der da lautet: keine neuen Schulden mehr. Wenigstens für Europa scheint es hierfür – anders als in den USA – ein Einverständnis zu geben. Mit dem Fiskalpakt, den es jetzt umzusetzen gilt, sind wir hier auf dem richtigen Weg. Die Kreditinstitute müssen sich ihrer dienenden Funktion wieder bewusst werden. Sie sind wichtige Transformatoren einer modernen Volkswirtschaft. Sie sammeln die vielen kleinen Ersparnisse der privaten Haushalte und stellen sie für volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen bereit. Transaktionen ohne Bezug zu Waren und Dienstleistungen haben hier keinen Platz. Kreditinstitute müssen zuverlässig und langfristig berechenbar agieren. Kurzfristigkeit tut der Wirtschaft nicht gut. Wirtschaft ist nicht Sprint, sondern Marathon. Durch neue Regulierungen gilt es, künftige Finanzkrisen zu vermeiden. Es ist zweifelsohne richtig, Geschäfte und Akteure einzuschränken, die die Stabilität gefährden. Institutionen, die die wirtschaftliche Stabilität in unserem Land sichern, sind Genossenschaftsbanken – auch Sparkassen will ich mit einbeziehen. Das ließe sich durch viele Zahlen zu Steuerzahlungen, Arbeitsplätzen, Unternehmenskrediten oder Kundenzahlen belegen. Entscheidend aber ist: Genossenschaftliche Institute haben genau wie Sparkassen eine besondere Nähe zum realen Wirtschaftsgeschehen der Region. Regionale Kreditinstitute kennen ihre Kunden und sorgen dafür, dass die Ersparnisse der Kunden in der Region bleiben. Damit sind regionale Kreditinstitute eine Antwort auf die derzeit drängenden Fragen. Regionale Kreditinstitute helfen anderen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein – nicht mehr und nicht weniger. Die Finanzwirtschaft ist kein Selbstzweck und schon gar nicht eine von der übrigen Wirtschaft entkoppelte Wachstumslokomotive. Es ist deshalb sicher problematisch, die stabilen Geschäfte von dezentralen, kundennahen Instituten den gleichen Regeln zu unterwerfen wie spekulative Geschäfte von Investmentbanken. Das Finden von gemeinsamen Regeln auf internationaler Ebene ist jedoch ein mühsames Geschäft: Zum Teil auch deshalb, weil andere Länder dezentrale Strukturen in Politik, Wirtschaft und Kreditwirtschaft, die uns in Deutschland stark gemacht haben, nicht kennen. Ein Beispiel für einen intensiven Findungsprozess sind die geplanten Basel-IIIRegulierungen. Die Regeln wurden ursprünglich für international tätige Großbanken erarbeitet. Deren Geschäftsmodell hat jedoch mit dem regional tätiger kleinerer Institute wenig zu tun. Basel III hätte in seiner ursprünglichen Form die Mittelstandsfinanzierung verteuert. Unternehmenskredite haben die Finanzkrise jedoch nicht ausgelöst. Mittelständische Unternehmen haben die Krise nicht verursacht, sondern sogar wesentlich geholfen, sie zu bewältigen. Das Ergebnis, das die Finanzminister der EU-Staaten und der federführende Ausschuss des Europa-Parlaments nach langem Ringen im Mai gefunden haben, ist deshalb zu begrüßen. Eine Benachteiligung von Mittelstandskrediten soll ausgeschlossen werden. Gleichzeitig sind auch Regelungen getroffen worden, die eine angemessene Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Kreditinstituten gewährleisten sollen. Dass generell mit der Umsetzung von Basel III von Banken mehr Eigenkapital und eine bessere Liquiditätsausstattung verlangt wird, wird ebenfalls zur Stabilisierung beitragen – dabei aber regionale Kreditinstitute sicherlich auch vor Herausforderungen stellen, denen es durch konzentriertes und engagiertes Arbeiten zu begegnen gilt. Zusammengefasst: Banken sind nicht irgendwelche Einrichtungen. Banken haben mit Vertrauen zu tun. Ohne dieses Vertrauen kann unsere Wirtschaft nicht funktionieren. Das haben die vergangenen Jahre mit der schweren Banken-Krise gezeigt. Ich wünsche der Volksbank alles Gute und die nötige Weisheit für die anstehenden Entscheidungen.