roctrip china reinhold messner interview robert
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roctrip china reinhold messner interview robert
A FR ESH VI EW O N C LI M B IN G Eur opean Clim bing Magazine März / April / Mai 2012 / / / CLIMAX MAGAZINE Ausgabe 14 AUT € 5,90 / GER € 6,90 / SUI CHF 12,50 PHILOSOPHICUM: BERND ZANGERL & BEAT KAMMERLANDER INES PAPERT IN HARBIN ROCTRIP CHINA OIDA LECK: DAVID LAMA AM CERRO TORRE ROBERT BÖSCH PORTFOLIO HIGH5: NALLE HUKKATAIVAL REINHOLD MESSNER DANIEL WOODS IN EUROPA INTERVIEW 8 Ruth Taylor klettert an der New Mills Torrs Bridge. Pic Lukasz Warzecha 1&'$[FSUJG[JFSU Dieses Produkt entspricht dem Österreichischen Umweltzeichen für schadstoffarme Druckprodukte (UZ 24), www.fairprint.at Grasl Druck & Neue Medien, Bad Vöslau, UW-Nr. 715 %BT1BQJFSEJFTFT1SPEVLUFTTUBNNU BVTOBDIIBMUJHCFXJSUTDIBGUFUFO 8jMEFSOVOELPOUSPMMJFSUFO2VFMMFO XXXQFGDBU 9 ONSEIT CLIMA X IS T GRÜN ! ndlich. Die Apokalypse klopft an die Tür. Behaupten zumindest diejenigen, die vom Ende des berüchtigten MayaKalenders den Weltuntergang herleiten. Lasst uns einfach damit kokettieren, dass dem wirklich so ist. Bleibt also nicht mehr allzuviel Zeit. Wie immer, wenn ein Ablaufdatum vor der Tür steht, wird die Prioritätenliste ordentlich durcheinander gerüttelt. In was investieren wir die knappe, uns noch zu Verfügung stehende Zeit? E Wir werden auf jeden Fall klettern gehen, so oft wie nur irgendwie möglich. Denn wenn die große Abrechnung kommt, welches Netto möchtest du dann vorweisen? Zahlreiche Überstunden im Büro, weil der Konsumzwang die Vernunft zum Konsum zwang? Zahlreiche Stunden vor dem Fernseher, weil sich die Motivation gerade nicht ausreichend motiviert gefühlt hat? Zahlreiche Stunden an belangloser Zerstreuung, weil der Fokus sich nicht fokussieren konnte? Nein. Das wollen wir nicht. Da glauben wir lieber an den Weltuntergang, der uns mit einem kräftigen Tritt in den Arsch bewegt. Dazu bewegt, die Qualität von Zeit zu erkennen. Dazu bewegt, uns zu bewegen und wieder richtig wach zu werden. Unser Netto soll in etwa so aussehen: Viele Stunden am Fels. Viel Zeit mit Freunden in der Natur. Viele gemeinsame Erlebnisse. Viel geteilte Freude. Viel geteiles Leid. Kaltes Bier im warmen Sonnenuntergang. Warmer Sonnenuntergang mit heißer Grillage. Schlaflose Nächte aufgrund zu knackender Probleme. Schlaflose Nächte aufgrund geknackter Probleme. Viele schöne Linien. Lange Touren mit Genussfaktor. Boulder an der Schmerzgrenze. Lagerfeuer am Fuß der Wand. Sternenklare Nächte im Schlafsack. Offene Finger und Chalk im Haar. Schweißtropfen am Rücken. Schweißtropfen auf der Stirn. Lange Runouts. Tonnenweise Muskelkater und Rasttage mit Nonsensfaktor. Offene Straßen und neue Gebiete. Neue Bekanntschaften. Neue Menschen. Neue Länder. Neue Erfahrungen. Das neue Climax will dich mit seinen vielfältigen Themen inspirieren, motivieren und bewegen, genau diese Dinge zu tun. Klimaneutrale Produktion Erneuerbare Energie Nachhaltiges Papier Pflanzenölfarben „Lebe dein Leben so, als wäre es dein letzter Tag auf Erden“, ist ein Spruch, der sich an dieser Stelle gut zitieren lässt, aber unvollständig, ja sogar banal ist ohne seinen Zusatz: „Aber plane deine Zukunft so, als würdest du ewig leben.” Aus diesem Grund haben wir 2012 einen für uns wichtigen Schritt gemacht. Und die Druckerei gewechselt. Climax ist ab sofort grün. Grüner als unsere Mitbewerber, grüner als die meisten Zeitschriften am Markt. Auf FSC (Forest Stewardship Council) Papier, das aus nachhaltiger und sozial gerechter Waldbewirtschaftung kommt, haben wir schon lange gedruckt. Nun lassen wir Climax von einer der nachhaltigsten Druckereien Europas (siehe Greenpoint, Seite 76) produzieren. Das bringt natürlich Veränderungen im Erscheinungsbild mit sich. Veränderungen, die wir bewusst eingegangen sind, weil wir als „European Outdoor Conservation Association“- und „1% for the planet“-Partner unsere Position ernst nehmen. Aber Climax droht jetzt nicht mit erhobenem Zeigefinger. Wir planen die Zukunft einfach so, als würde es Klettern ewig geben. Und wollen unseren Beitrag leisten, dies in möglichst intakter Natur tun zu können. Der ganze Hype um 2012 ist daher ein guter Katalysator. Wir sollten uns mehr den Dingen widmen, die uns wirklich wichtig sind. Wir sollten über unseren Tellerrand hinausdenken beziehungsweise nachdenken. Daher haben wir in dieses Heft auch ein paar kritische Themen verpackt, wie zum Beispiel einen spannenden Artikel von Dr. Volker Schöffl zum Thema Magersucht und Klettern (Seite 82) oder das Interview mit Reinhold Messner über den Showalpinismus (Seite 68). Fazit: Klettern macht uns zufrieden. Klettern macht uns glücklich. Und wenn wir zufrieden und glücklich sind UND durch unser Tun überlegte Schritte setzen, dann wird es sich die Welt wahrscheinlich nochmals überlegen, ob sie wirklich untergehen will... In diesem Sinne: Auf 2012! Mike ES DEIN LE T Z TER E R Ä W LS A , O S N LS „LEBE DEIN LEBE E ZUKUNF T SO, A IN E D E N A L P R E AB TAG AUF ERDEN, IG LEBEN.” WÜRDEST DU E W 10 INSEIT 08 ONSEIT 12 FLASHBACK News from the past 22 OIDA LECK! David Lama befreit die Kompressor Route 28 ROCTRIP Petzl RocTrip China 42 PHILOSOPHICUM Bed & Breakfast. Beavis & Butthead. Beat Kammerlander & Bernd Zangerl. 54 ROBERT BÖSCH PORTFOLIO Der Großmeister und seine Bilder 68 REINHOLD MESSNER INTERVIEW Der Großmeister und seine Worte 74 SPEAKERS CORNER Steve McClure über die Grauzone des Begehungsstils 76 GREENPOINT Climax ist grün 78 FRESH INDUSTRY Climbers Paradise Tirol 80 TECHDOG Was so an (altem) Zeugs in den Bergen rumhängt 82 EMERGENCY ROOM Light & Fast? Ist nicht immer gut, vor allem wenn’s um’s Essen geht 84 RETROSPEKT These boots aren’t made for walking: Die Geschichte des Kletterschuhs 90 MATERIAL WÖRLD Produkte der guten Sorte 98 MEDIA WÖRLD Für die Downdayz 100 HIGH FIVE So ein Wahnsinn, hier kommt der Naaalle, NALLE, NALLE, NALLE! 106 DIE WOODS IN EUROPA Die exklusive Climax Foto-Love-Story 118 MANDSCHURIAN BEAT Kalt, Kälter, Papert 127 IMPRESSUM 128 BOULDACOP Krieg der Sterne COVER STORY Pic Big Bernie Fiedler 80 Meter ist die von Jorg Verhoeven im Zillertaler Klettergebiet „Bergstation“ eröffnete Route Ichi Ban. Bewertet hat sie der Jorg im Jahr 2008 mit 8c. Damals ist er das Unding in einem Stück mit einem 200 Meter Seil geklettert. Ausdauerstrom ohne Ende sagen wir dazu nur. 2011 nützte Jorg die Route dagegen für ein kleines „Sturztraining“. Oder um seinen Namen „Flying Dutchman“ gerecht zu werden? Wie auch immer, Johannes Mair war mit vor Ort und hat einen geilen Shot mitgebracht. Pic Johannes Mair valerien-werbung.com Markus Bock rocks! HABANERO VCR www.redchili.de by Stefan Glowacz 12 Pic Michele Francia 13 Euphorie, jedoch nicht für Realitätsverlust. Seine Abwertung auf 8B+ nimmt sich bescheiden aus, schmälert das herausragende dieses seltenen Bouldermoments jedoch keineswegs - hardest flash in history. REGELWIDRIGKEITEN - BEWARE THE LIST! ICH WEISS, WAS DU LETZTEN HERBST GETAN HAST. Mann/Frau Starkstrom hat zehn Klettertage. Mit ein bisschen Wetterglück, Gebietskenntnis und guter Fingerhaut oder genügend Loctite zum Cuts Kleben im Kulturbeutel kann an jedem dieser zehn Tage angewerkt werden. Stimmt die Form, wurde brav youtube geschaut, die Sequenz gebüffelt, mit den ErstbegeherInnen persönlich telefoniert oder diese gar heimgesucht, um das entscheidende Quäntchen Beta bei einem Tête-à-tête herauszuquetschen, dann kann es schon sein, dass in diesen zehn Tagen eine Reihe harter Bouldernüsse geknackt werden. Zehn Prozent davon befinden sich am oberen Rand der Schwierigkeitsskala, sind „Boa, ey!“, „I wear narrisch“ und „supersick“. 30 Prozent sind immer noch „Servas G‘schäft“, „Brutal gsi“ und „Phät“. Und der Rest hat auch noch jede Menge Swäg, der newsworthy ist. Allherbstlich, wenn die fallende Lufttemperatur den Grip nach oben schraubt, schwärmt die internationale Superboulderer-Entourage (Dave Graham, Adam Ondra, Daniel Woods, Alex Puccio, Carlo Traversi, Alex Johnson, Jimmy Webb, Anna Stöhr, uva.) in sämtliche Top-Destinationen vom Rocky Mountain National Park bis nach Fountainebleau. Das hat unter Berücksichtigung obiger Überlegungen vor allem eines zufolge: Eine laaaaaange Liste mit einer Meeeeenge beeindruckender, schwerwiegender, abartiger Begehungen, die wir uuuunmöglich alle veröffentlichen können. Unser Überlick über die herausragenden Begehungen des Herbstes und des Winters soll genau deswegen kein reizüberflutender 8B-Hagel sein, sondern vielmehr ein sinnliches Betrachten von Sternschnuppen, jenen hellen Seltenheiten, die aus dem Boulderorbit herausleuchten. (HARD)CORE MADE IN ITALIEN Heutzutage muss man nicht ins Rampenlicht drängen, um sich dort wiederzufinden. Der italienische Boulderer Christian Core gehört nicht unbedingt zu jenen Kletterern, die viel Aufhebens um die eigene Person machen. Nur von Zeit zu Zeit taucht er mit der einen oder anderen herausragenden Begehung im Streiflicht des Ruhmes auf, um kurz darauf wieder aus dem Blickfeld zu verschwinden und die Bühne anderen zu überlassen. Wer sich ein wenig ausführlicher mit dem Kletterer Christian Core, übrigens Weltcup-Gewinner 1999 und 2002 im Bouldern sowie Weltmeister derselben Disziplin anno 2003, beschäftigt, wird beeindruckt sein, was der Mann schon alles unter den starken Fingern hatte. Gioia, seinen schwersten Boulder, beging Christian anno 2008 in Varazze (Italien) und bewertete ihn vorsichtig mit dem seltenen Grad 8C. Wird ein solcher Übergrad ausgeworfen, dauert es meistens nicht lange, bis sich potentielle Wiederholer einfinden. Im Falle dieses Meisterstücks vergingen drei Jahre, bis sich Adam Ondra, der sich noch immer auf beeindruckender Mission um die Welt befindet, um die schwierigsten Felsprobleme zu lösen, die Leistung des Christian Core ins rechte Licht rücken konnte. Insgesamt elf Tage benötigte der Ausnahmekletterer, um die acht Züge von Gioia zu knacken, mehr als ein Versuch pro Tag war einfach nicht drin. Der Umstand, dass sich Adam in ausgezeichneter Verfassung befand erst kurz vor seiner Fahrt nach Varazze konnte er mit Terranova (8C+) in Holstejn einen seiner schwersten Boulder knacken - lässt die Schwierigkeit der Züge noch beeindruckender erscheinen. Wie so oft ließ es sich der tschechische Ausnahmekletterer nicht nehmen, die Bewertung nach erfolgreicher Begehung zu korrigieren. Ausnahmsweise schlägt Adam ein Upgrade vor und zollt Christian Cores Leistung damit rückwirkend Respekt: „Wenn das 8C ist, dann würden die Boulder-Grade nicht mehr stimmen. Man müsste all die 8B+ Boulder abwerten und viele der 8Cs auch“, so Adam. Adams Bewertungsvorschlag mag auch nur einen subjektiven Eindruck widerspiegeln, wenn auch einen gewichtigen. Nicht zuletzt zeigt seine Leistung, dass sich ein Blick auf vergangene Leistungen abseits des Mainstreams lohnt und viel Freude, Gioia, versprechen kann. WOODS IN THE WOODS Wenn die Bezeichnung Ausnahmekletterer fällt, dann kommt einem ein weiterer Kletterer in den Sinn, dessen Begehungen anmuten, als seien sie von einem anderen Stern. Einzigartig unter all diesen war der Flash des Boulders Entlinge (8C) im schweizerischen Murgtal, der vom Boulderpapst Fred Nicole schon 2005 erstbegangen und von Bernd Zangerl und Fritz Widmer 2009 mit der zweiten respektive dritten Wiederholung beglückt wurde. Ein Flash im unmöglichen Bereich 8B ist zwar selten, doch er ist schon passiert. Paul Robinson, James Pearson, Adam Ondra, Tyler Landman und Fred Nicole sind einige der wenigen, denen ein solch perfekter Antritt schon gelungen ist. Mit Gecko Assis (8B+) erweiterte Adam die Dimension des Möglichen um ein kleines Plus. 8C nimmt sich im Vergleich dazu fast utopisch aus. Im Windschatten dieser Ausnahmebegehung machte sich sogleich Euphorie breit, die Türe in eine neue Dimension des Bouldern wurde als endgültig aufgestoßen angekündigt - alles sei ab jetzt möglich. Und Daniel? Der war natürlich hocherfreut, schließlich handelte es sich um seinen schwersten Flash. Grund genug für zeitweilige Den altklugen Sager, dass Ausnahmen die Regeln bestätigen, kennt ein jeder. Nicht selten wird dieser Euphemismus herangezogen, um einen Regelverstoß zu rechtfertigen. Bei Logikern beißt man mit dieser Formel auf Granit. Mathematisch gesehen ist diese Aussage völliger Schmarrn, sagen die. Ob sie Recht haben, können wohl nur ebensolche Logikhirne beurteilen, Climax hingegen nicht. Wir brechen einfach die eingangs auferlegte Regel, in diesem Artikel keine endlos lange Liste zu erwähnen. Warum? Wegen Guntram. Wegen Jörg. Mittlerweile gibt es so viele talentierte BoulderInnen, dass man mit dem Zählen kaum nachkommt. Wie aus dem Nichts tauchen sie auf und bügeln schwerste Boulder nieder. Manchmal verschwinden sie so schnell, wie sie aufgetaucht sind. Der aus Nüziders in Vorarlberg stammende Boulderer Guntram Jörg fällt in punkto Plötzlichkeit und überraschendes Auftreten durchaus in diese Kategorie. Gegen das Abgestempelt-Werden als Eintagsfliege und one-hit-wonderProtagonist stehen eine Unzahl schwerer Begehungen. Bis vor einem Jahr dürfte er nur jenen bekannt gewesen sein, die sich im Vorbeigehen gewundert haben, wer der Typ ist, der scheinbar alles festhalten kann. Unterschiedlichsten Quellen zufolge dürfte Herr Jörg anno 2011 mehr ab 8A aufwärts geklettert sein als irgendwer sonst. Keine Frage, der Mann ist viel am Werken, vor allem seit er sich mit Daniel Woods auch noch auf eine monatelange Boulderodyssee quer durch Europa begeben hat. Nicht nur schiere Quantität, sondern auch Qualität ist Ergebnis und Maxime dieses Weges, der vor allem sich selbst zum Ziel hat. Eines der Highlights der vergangenen Saison gelang Gu mit der (fünften) Begehung des von Bernd Zangerl erstbegangenen Boulders Anam Cara (8C) in der Silvretta. Mit Wiederholungen des Graham Testpieces Big Paw (8C) in Chironico sowie Fred Nicole‘s Sur De Fil (8B+) zeigt er, dass dies keine Eintagsfliege war. Beinahe allwöchentlich sickern zudem Meldungen von Erstbegehungen und Wiederholungen etlicher 8B-Boulder durch, die Gu irgendwo in Europa hergezockt hat. Alle zu erwähnen ist weder sinnvoll noch möglich. Der Junge ist heiß, glaubt es einfach! Pic Francisco Taranto JR. 14 OB EXTENSION ODER ORIGINAL: FLANIERT WIRD! La Rambla im El Pati Sektor in Siurana gehört zu den Veteranen im nach wie vor sehr erlauchten Zirkel der 9a+ Routen. Ursprünglich eingebohrt wurde die Route bereits 1994 von Alexander Huber. Weil Arbeit allein nicht glücklich macht, verpasste er ihr neben funkelnagelneuen Bolts auch gleich den roten Punkt. Die 8c+ Bewertung ließ aufhorchen und machte die Route damals zu einer der schwersten weltweit. Das blieb sie dann eine Weile, um genau zu sein neun Jahre, bis sich 2003 der Spanier Ramón Julián Puigblanque die zweite Begehung sicherte und im Zuge dessen die Route, die in etwa auf drei Viertel der Wandhöhe endete, gleich um ein Stückchen verlängerte, indem er in die Nachbarroute La Reina Mora traversierte. Ramón bewertete das Ganze mit 9a+ und steuerte auch ein Namensupdate bei: La Rambla Extension (im Gegensatz zu La Rambla Original). Gut, das leuchtet ein: Da ist jetzt was länger geworden, also muss es auch schwerer sein, umgekehrt geht‘s ja nicht. Zudem wär‘s sinnlos gewesen weiter zu klettern, wenn sich die Schwierigkeit dadurch nicht geändert hätte. Irgendwie logisch. Wie das? Ein Erklärungsversuch: Bekanntlich hat Alex bei seiner damaligen Begehung von La Rambla (ergänze: Original) die Bewertung in Bezug zur damaligen Benchmark-9a, Wolfgang Güllich‘s Action Directe, gesetzt. Diese konnte Alex nicht klettern, weswegen es für ihn klar war, dass La Rambla (ergänze: Original), die er klettern konnte, leichter sein muss. Die Unterschiedlichkeit des Routencharakters - die eine ein 45m Ausdauergerät, die andere ein 12m Powerfest - hat in diese Überlegung nicht Einzug gehalten. Weiters ist bekannt, dass viele von Alex‘ Erstbegehungen am Schleier Wasserfall (z.B. Weiße Rose, Open Air... ) aufgewertet wurden. Adam Ondra, der Weiße Rose (damals 8c+, jetzt 9a), Action directe (damals 9a, immer noch 9a) und La Rambla (damals wahrscheinlich nicht 8c+, jetzt ziemlich wahrscheinlich 9a+) klettern konnte und somit den ultimativen Vergleich hat, meinte, dass ihm Weiße Rose am schwersten gefallen ist. Man streue eine Prise subjektive Bewertungsunschärfe drüber und dann macht das Ganze schon wieder mehr Sinn. Oder auch nicht. Soviel jedenfalls zur Geschichte. In den letzten Jahren wurde auf der La Rambla Extension mehrfach erfolgreich flaniert: Edu Marín Garcia (11/2006), Chris Sharma (12/2006), Andreas Bindhammer (05/2007) Patxi Usobiaga (11/2007), Adam Ondra (02/2008) waren bis Dezember letzten Jahres die Namen derer, die nach 45 sturzfreien Klettermetern den Umlenker klippten. Dann meldete sich Alexander Huber in einem Interview zu Wort und behauptete, dass die Traverse, die Puigblanque und alle nach ihm vollführt hatten, für die Schwierigkeit der Route „irrelevant“ (A. Huber) sei. Also doch „nur“ 8c+? Jeder kennt das Gefühl, eine Route geklettert zu sein, um im Nachhinein mitgeteilt zu bekommen, dass das Ganze „eigentlich ja viiiiiel leichter ist“. Ein 5er statt einem 7er, das tut weh. 8c+ statt 9a+ täte es ebenso. Schmerzen soll wegen einer Kletterroute niemand leiden und Bewertungen sind ja nicht zuletzt subjektiv, dennoch verwundert die Ungleichheit der Ansichten. Enzo Oddo, der sich die Wiederholung der Route zu Weihnachten schenkte, dürfte bei seiner Begehung von Auf- oder Abrundungen unberührt und ungerührt geblieben sein. Gut so, denn hätte er sich auch noch damit auseinandersetzen müssen, hätte er vielleicht mehr als 25 Versuche gebraucht, um die Route zu klettern. Enzo, der mit 15 anno 2010 das französische Felsheiligtum Biographie bzw. Realization (9a+) punkten konnte, ist kein Neuling im Übergrad 9a+. 2011 konnte er schon Aubade (9a+) einheimsen. Etliche 9a‘s stehen sowieso auf der Habenseite. Kurz nach der erfolgreichen Begehung seiner dritten 9a+ legte das 16-jährige Musketier mit den übernatürlichen Kräften noch eins drauf. Der El Pati Sektor bot weiteres Potential zum vertikalen Flanieren und so kletterte Enzo auch noch Estado Critico (9a). Einfach so, weil‘s schön war. La Rambla 9a+, Siurana, Spanien Erstbegehung: Ramón Julián Puigblanque 2003 Wiederholungen: Edu Marín Garcia (11/2006), Chris Sharma (12/2006), Andreas Bindhammer (05/2007) Patxi Usobiaga (11/2007), Adam Ondra (02/2008), Enzo Oddo (12/2011) Pic Håvard Gossé Bergseth 16 EIN FETTER ROADTRIP, ZWEI KUGELRUNDE GESTALTEN EDELRID PRESENTS JORG VERHOEVEN UND KATHA SAURWEIN AUF US-TOUR. Zwei Dinge fallen mir zum Reisen ein: Man braucht Zeit, um es zu tun und Geld, um sich diese Zeit leisten zu können. Dieses Schicksal eint die meisten Berufstätigen, auch wenn es nur die wenigsten glücklich macht. Wenn die zwei, von denen wir im Folgenden berichten, eine Reise tun, für die der opulente Zeitrahmen von einem halben Jahr veranschlagt wurde, dann will man schon wissen, wie das geht: Lottogewinn, Erbschaft, geschicktes Ausnutzen des Wohlfahrtsstaates? Ein halbes Jahr? Dagegen nimmt sich der Durchschnittsurlaub wie eine verlängerte Mittagspause aus. Keine Sorge, hier geht es mit rechten Dingen zu. Denn für Jorg Verhoeven (übrigens Lead Weltcupgesamtsieger 2008) und seine Freundin Katha Saurwein (übrigens Rockmasterin im Bouldern 2008) ist ein Kletterurlaub nicht nur unter dem Aspekt des reinen Vergnügens zu sehen - dieser hat ja unbestreitbar auch etwas mit ihrer Profession zu tun. So betrachtet befinden sich die beiden eigentlich auf einer halbjährigen Arbeitsreise, die Armen. Zum Auftakt ging es nach China. Beim JiangyinMasters konnten die beiden mit einem ersten (Jorg) bzw. vierten Platz (Katha) das Reisebudget ein wenig auffetten und so ging es frohen Mutes nach Kentucky in die Red River Gorge. Das hört sich in zweierlei Hinsicht besser an, als es war. Denn das Wetter hieß die Reisenden mit Nebel, Regen und fünf Grad kühl willkommen. Außerdem residierten die beiden im Zelt. So gut bezahlt China die KletterInnen auch nicht. Gegen das Wetter kann man schwerlich was ausrichten und manchmal haben schlechte Bedingungen etwas Gutes: Sie schulen den Umgang mit dem inneren Schweinehund und lassen dabei ungeahnte Kräfte zum Vorschein kommen. Trotz Regen bügelten die beiden nieder, was ihnen unter die Finger kam. Jorg holte sich unter anderen Pure Imagination (9a), Southern Smoke (8c+) und 50 Words for Pump (8c+). Die eher Boulder affine Katha knackte Ultra Perm (8b). Drei Wochen waren vergangen, eilig weiter war die Devise, es blieben nur noch 23 Wochen Resturlaub. Next stop: Yosemite. Der Empfang war diesmal nicht nur kühl, sondern frostig. Es gibt wahrlich Schöneres, als bei minus 15 Grad zu zelten und bei minus zehn Grad in Rissen herumzujammen. Immerhin spürt man es dann nicht, wenn es einem die Haut von den Fingern schabt. Teamspirit ist in solchen Momenten alles und der passte bei K+J einfach. So gelang ihnen der Ultraklassiker Astroman. Ein Versuch am noch ultimativeren Klassiker, der Nose, wurde kältebedingt auf später verlegt. Wer will sich schon an der Nase den Arsch abfrieren? Goodbye, Yosemite, hello Bishop! Beim Bouldern sind niedrige Temperaturen mehr von Vorteil als beim Multi-Pitchen und so fanden Jorg und Katha erstmals ideale Bedingungen vor. „Some of the boulders are high, some hard and some a bit too high“, fasst Jorg die Situation vor Ort zusammen und zog mit einer Begehung von Ambrosia (8A), dem gefürchteten Highball neben dem Knöchelbrecher-Klassiker Evilution, positive Konsequenzen. Katha holte sich dafür die zweite Damenbegehung von This Side of Paradise (7C+) nach Lisa Rands (2007). Nach knapp vier Wochen vor Ort hatte auch das schöne Bishop das Höchstmaß an Zumutbarkeit erreicht. Abreise. Zion, Moab, Redrocks: Viele Ziele standen noch auf der Liste, doch die Spuren unserer eifrigen Dienstreisenden begannen sich langsam im Staub Nevadas zu verlieren. Ihr letzter Aufenthalt dürfte in Las Vegas gewesen sein, wo sie sich in ein Kurhotel begeben hatten. Der Umstand, dass ihnen kaum mehr 20 Wochen, das sind nicht mal 140(!) Tage, bitte, Urlaub blieben, dürfte ihnen aufs Gemüt geschlagen haben. Nach wenigen Tagen verließen sie die pittoreske Stadt. Climax hofft, dass sie der Krise Herr geworden sind und weiterhin eine schöne Zeit haben, wo auch immer sie sein mögen. NNN<;<CI@;;< 18 Pic Jimmy Chin / The North Face FLOSSENDIRETISSIMA CONRAD ANKER, RENAN OZTURK UND JIMMY CHIN KLETTERN VIA DER SHARK FIN AUF DEN MERU CENTRAL. Haifischflossen und Menschen - das geht selten gut zusammen. Taucht eine unversehens auf, ist man gut beraten, schleunigst das Weite zu suchen und sich ins Trockene zu vertschüssen. Die Haifischflosse (a.k.a. „The Shark Fin“), der 1.300 Meter hohe Zentralpfeiler der Nordwestwand des im Garhwal-Himalaya Indiens gelegenen Meru Central (6.310m), ist da keine Ausnahme. Auch wenn man nicht befürchten muss in der Mitte durchgebissen zu werden, kann es Mensch gefährlich werden, wenn er sich zu lange spielt. Potentielle Gefahr wirkt nicht unbedingt abschreckend, wenn man der Anziehungskraft des Objektes der Begierde einmal erlegen ist und das Begehren die Angst in den Hintergrund drängt. Etlichen Alpinisten war die Flosse aufgefallen, etliche wollten an ihr hinauf, den Pfeiler in direkter Linie klettern, gelungen ist es lange Zeit keinem von ihnen. Versuche gab es oft und wenn sie nicht am schlechten Wetter oder zu wenig Material scheiterten, dann resultierten sie in einer neuen Route auf den Meru Central. Wie im Fall von Valeri Babanov, der nach einem gescheiterten Versuch an der Flosse im Herbst 2001 an den Berg zurückkehrte und Shangri La (ED 5.9/5.10 A1/A2 M5 75 Grad) eröffnete. Im Solo. Die nächsten Aspiranten waren die amerikanischen Extremalpinisten Conrad Anker, Doug Chabot und Bruce Miller im Jahr 2003. Zuviel Schnee im oberen Wandteil kombiniert mit zu wenig Material für die technische Headwall holte das Team auf den Boden der Tatsachen zurück. 2004 beschäftigte sich ein japanisches Team um Hiroyoshi Manome, Yasushi Okada, Makoto Kuroda and Yasuhiro Hanatani mit einer Route an der Finne. Sie erreichten mit 6.100 Metern zwar einen neuen Highpoint, mussten aber umkehren, da sich Hanatani bei einem Sturz beide Beine brach. 2006 kamen sie zurück und heimsten die zweite Besteigung des Meru Central via einer Variation der Babanov-Route ein. Nur wenige Tage später gelang dies den Tschechen Marek Holecek und Jan Kreisinger als dritter Seilschaft, nachdem sie ihren Plan „Flosse direkt“ verworfen hatten. Für ihre „Alternativroute“ Filkuv nebesky smich (7a, M5, 2.000m) benötigten sie 13 Tage. 2008 kehrte auch Conrad Anker, diesmal flankiert von Jimmy Chin und Renan Ozturk, an den Meru Zentral zurück, um die alte Rechnung zu begleichen. Das Team war motiviert: Bald erreichten die Kletterer den Highpoint Ankers aus dem Jahre 2003, doch es half alles nichts: Trotz strengster Rationierung ihrer für zehn Tage veranschlagten Verpflegung mussten sie nach 19 Tagen nur 150 Meterm unterhalb des Gipfels aufgeben. Das knappe Scheitern der Amerikaner rief ein weiteres hochkarätiges Team auf den Plan, das heiß auf den First Ascent war. Statt einer Materialschlacht im Bigwall-Stil setzten Silvo Karo, Marko Lukic und Andrej Grmovsek auf light-andfast im Alpinstil: In sechs Tagen wollte das Team alles hinter sich gebracht haben. Viele Wände konnten mit dieser Taktik niedergerannt werden, doch sie setzt ideale Bedingungen voraus, um erfolgreich sein zu können, denn der Spielraum ist gering. Die Konditionen waren den Slowenen jedoch nicht hold. Eine Kombination aus schlechtem Wetter und dem leichten Stil geschuldeten Materialmangel vereitelte eine erfolgreiche Durchsteigung der Flosse. Obwohl sich die Amerikaner 2008 nach ihrem knappen Scheitern geschworen hatten, nie wieder an diesen Berg zurück zu kehren, bewirkte die Tatsache, dass diese ikonische Linie noch immer nicht geklettert werden konnte, ein Umdenken. Beschleunigt wurde dies durch den Umstand, dass Ozturk, Anker und Chin die Route bereits gut kannten und daher wussten, womit zu rechnen war: „We got so close in 2008; and having that knowledge of the route, knowing all the little things we would‘ve done differently, it‘s hard not to go back and throw ourselves at it again.“ Viele Teams hatten die Haifischflosse im Alpinstil probiert und genau darin schien auch der Hund begraben: „Tons of teams have tried the route alpine style. But you just can‘t. You have to go aid climbing. It‘s modern A4 up there,“ so Chin. Das Team kehrte zurück und machte dank dem guten Wetter schnell Höhe. Die Temperaturen lagen zwar stets um die minus 20 Grad, dennoch schafften sie dank der stabilen Wetterlage und dem aus vorherigen Expeditionen angehäuften Detailwissen an einem Tag eine Strecke, für die sie anno 2008 sechs Tage benötigt hatten. Für den unteren Wandteil brauchten sie insgesamt sechs Tage - dem mitgebrachten Materialarsenal musste Tribut gezollt werden. Vor allem in der Headwall, der Schlüsselstelle der Wand, wurde die Geduld der Sicherer durch technische Schwierigkeiten bis A4 auf die Probe gestellt: Für manche Längen brauchte der Vorsteiger bis zu sechs Stunden. Insgesamt verbrachte das Team elf Tage in der Wand, bis die Kletterer den Gipfel erreichten und mit ihrer astreinen Begehung eines der letzten großen Probleme im Gharwal-Himalaya lösen konnten. Diese Begehung ist übrigens für den Piolet d‘Or 2012 nominiert. www.skylotec.com KEIN KRAMPF MIT DEN ADERN HIGH PROTECTION Pic Bjørn-Eivind Årtun gurO Klettergurt R.I.P. Bjørn-Eivind Årtun und Stein-Ivar Gravdal sind am 7. Februar beim Versuch eine neue Eisroute am Kjerag in Norwegen zu klettern tödlich verunglückt. Norwegen hat damit zwei absolute Topalpinisten verloren. Colin Haley, mit dem Bjørn-Eivind Årtun 2011 für den Piolet d‘Or nominiert war und die Climax Olga gewonnen hatte, fast zusammen: „I might die climbing. You might, too. We can make efforts to minimize the risks, but ultimately we either accept the possibility of dying on a mountain, fool ourselves that the possibility doesn‘t exist - or we quit.“ Die Präsenz norwegischer Kletterer in Patagonien ist in der Vergangenheit eine eher spärliche gewesen. Aslak Aastrop and Øivind Vadla waren zwar schon in den 80ern vor Ort, blieben aber lange die Einzigen. In Norwegen gibt es schließlich auch Berge, eisig kalt und verflucht stürmisch ist es obendrein. Wenn das Schöne so nah ist, dann erübrigt es sich in die Ferne zu schweifen und um die Welt zu fliegen. Zehn Jahre später, Anfang der 90er, ließ sich wieder ein Landsmann blicken. Trim Atle Saeland gelang zusammen mit Ole Lied dabei einige beeindruckende Erstbegehungen wie etwa der Cork-Screw (6b A1 MI6, 1.200m) am Cerro Torre. Dies führte nicht zuletzt dazu, dass, angeregt von seinen Erzählungen über das immense alpine Potential, immer mehr norwegische Kletterer nach Patagonien pendelten und die Routenbücher mit neuen Begehungen zu füllen begannen. Einer der talentiertesten von ihnen war und ist Bjørn-Eivind Årtun aus Oslo. Bjørn-Eivind hat zwar schon zweieinhalb Kletterjahrzehnte auf dem Buckel und war in seinem Heimatland Norwegen an so ziemlich allen harten Trad-Routen erfolgreich, ins alpine Mixed-Gelände wechselte der Fels-Afficionado aber erst 2007. Aufgrund einer Ellenbogenverletzung musste er seine Felsprojekte auf Eis legen. Wer Fels auf oder unter Eis sucht, für den gibt’s nur eins und so dauerte es nicht lange, bis sich Bjørn-Eivind als „Alternative“, wie er es bezeichnete, dem Alpinklettern zuwandte. Und das mit ziemlichem Erfolg. Während seiner bislang fünf Patagonien-Stippvisiten verbuchte er eine Reihe anspruchsvoller Begehungen wie Los Tiempos Perdidos (Marsigny-Parkin 1994, M5 AI5+ MI6, 1.500m) am Cerro Torre, Supercanaleta (Comesaña-Fonrouge 1965, 6a+ 85°, 1.600m) am Fitz Roy oder Pilar Rojo (Albert-Arnold 1999, 450m 7b+). Im Jahr 2011 wurde Bjørn-Eivind durch die 71-Stunden Non-stop-Begehung der Route Dracula (AI4+ M6R A0, ca. 3.100m) am Mt. Foraker (zusammen mit Colin Haley) für den Piolet d‘Or nominiert und der Climax Olga ausgezeichnet. 2011 ging es zusammen mit Ole Lied wieder nach Patagonien. Die Linie, die sie versuchen wollten, befand sich in der Südwand des Torre Egger und war ihnen schon 2008 aufgefallen: Ein Geflecht aus Eislinien, so dünn, dass man die Augen zusammenkneifen musste, um es sehen zu können. Nicht viel Gefrorenes klebte da in der Wand, doch gerade genug, um hoffentlich eine durchgehende Kletterei entlang einer völlig neuen Linie zu ermöglichen. Dennoch blieben Zweifel, ob sie den Beobachtungen rückhaltlos trauen konnten und ob nicht vielleicht doch der Wunsch die Sinne verunklärte. Letztlich wurden alle Unsicherheiten durch eine gesunde Dosis Euphorie wettgemacht und die beiden stiegen ein. Immer wieder schien es, als würden die Eisvenen versiegen, doch ebenso oft tat sich ein Schlupfloch in Form einer neuen, versteckten Eispassage auf. Nach zwei Tagen erreichten Bjørn-Eivind und Ole den Gipfel des Torre Egger. Hinter bzw. unter ihnen lag Venas Azules (6b+ A1 AI6, 950m). grid61 Helm Innovative Technologie gepaart mit modernem Design Der Klettergurt gurO ist mit seinem geringen Gewicht ein wahrer Allrounder. Comfort Shield Technologie mit reißfestem SkyDura Gewebe und 3D Mesh für optimale Lastenverteilung. Perfekter Wärmeaustausch durch den Verzicht auf Klebestellen. Erhältlich als Herren- und Damenmodell in je vier Größen. Höchste Sicherheit und perfekte Passform bei gerade einmal 285g. Der Inmoldhelm grid61 verfügt über vollverstellbare Gurtbänder und ein Verstellrad für individuelle Kopfanpassung. Erhältlich in drei Farben. Ihren nächsten SKYLOTEC-Fachhändler sowie unseren Webshop finden Sie unter www.skylotec-sports.com 20 SALEWA ROCKSHOW 2012 Rock & Roll: Ehrlicher Schweiß, ehrlicher Sound, ehrliche Helden, ehrliches Lebensgefühl. Rock & Roll: Die ehrliche Antipode zur androgynen Musik aus der Konserve. Salewa Rockshow: Die ehrliche Antipode zur androgynen Kletterei auf Plastik. Weil sich das von Salewa ins Leben gerufene und mittlerweile in der vierten Runde befi ndliche Format primär dort abspielt, wo sich Klettern eben abspielen soll: An interessanten Plätzen, direkt am Fels. Das Herz ist die Rockshow, eine intensive Kletterreise mit den Profis aus dem Salewa alpineXtrem Team wie Roger Schaeli oder Johanna Ernst zu den geilsten Kletterspots in Europa. Letztes Jahr ging’s durch Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Russland, Tschechien und die Schweiz. Und heuer wird noch mal eines draufgelegt. Du möchtest dabei sein? Du denkst, das ist dein großer Auftritt? Kein Problem, hier ist die dazu notwendige To-Do-Liste... 1) Werde Fan von www.facebook. com/salewa.rockshow Weil da gibt’s die notwendigen Infos, die notwendigen Termine. Und die brauchst du. 2) Die brauchst du, damit du dich bei den Rockcallings qualifizieren kannst. Rockcallings finden ab März in Deutschland, der Schweiz und Österreich (und auch in anderen Ländern) statt. Dort erscheinst du dann, kletterst so hart wie möglich, bist so smart wie möglich und wenn du das gut machst, dann bist du dabei. 3) Rein in den Salewa Tourbus, ran an den Fels. In den jeweiligen Destinationen wird dann geklettert. Wieder gilt: Klettere so hart wie möglich, sei so smart wie möglich. Weil dann hast du gute Chancen „Climber of the Day“ zu werden. Als solcher geht’s in die nächste Runde. 4) Die „Climbers of the Day“ treffen sich beim großen Finale auf der Fachmesse Outdoor in Friedrichshafen. Wieder gilt... Nein diesmal gilt es nicht mehr, diesmal heißt es anprügeln was geht und sich den Titel „Climber of the Tour“ einzuheimsen. Als solcher geht’s in die nächste Runde. Pics Claudia Ziegler / Salewa 5) You made it! Willkommen beim Rockmaster in Arco. Und natürlich Gratulation! Weitere Infos unter: www.salewa.com/rockshow SALEWA UND CLIMAX WANT YOU: Rockshow Reporter gesucht! Dir liegt nicht nur das Klettern, sondern auch das Schreiben im Blut? Gut so, denn Salewa und Climax suchen den RockshowReporter. Wer auf der Rockshow dabei sein und live berichten will, bewirbt sich ab sofort auf www.climax-magazine.com MARMOT FRANKENJURA KLETTERFESTIVAL Deutscher Bouldercup Auerbach, Kletterer-Camp Betzenstein und Outdoortag Pegnitztal bilden zusammen das Marmot-Frankenjura-Kletterfestival. Dieses fi ndet vom 25. bis 28. Mai 2012 im Gebiet der FrankenPfalz statt und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Eine Bewegung, die keine Festivals aufzuweisen hat, kann als solche nicht ernst genommen werden. Bei Klettern gibt es viele Zusammenkünfte unterschiedlichster Couleur, zum Woodstock der Vertikalen hat sich aber noch keines emporgeschwungen. Das sollte und könnte sich nun ändern. Denn in der Heimat des roten Punktes feiert das Frankenjura Kletterfestival Premiere. Die Idee basiert auf der heiligen Dreifaltigkeit von Klettern, Party und Wettbewerb. KLETTERN: Geklettert wird, keine Frage. Immerhin: An den nahe gelegenen Felsen wurde Klettergeschichte geschrieben! Zentrale Anlaufstelle ist das Kletterer-Camp in Betzenstein. Dort gibt es bis in den Vormittag hinein frischen Kaffee und Brötchen für die Camper. Kletter- und Outdoorfirmen sind mit ihren Ständen, Klamotten, Hardware und Schnäppchenangeboten präsent. Im Freibad wartet am Sprungturm eine DWS-Kletterwand. Außerdem werden Magazine, Verlage, Touristiker und Organisationen vertreten sein. WETTBEWERB: Auerbach löst hier Frankfurt als Veranstaltungsort ab. Dazu wird in der modernen Helmut-OttHalle die Kletterwand des Deutschen Alpenvereins aufgebaut. Am Samstag findet die Deutsche Jugend Meisterschaft im Bouldern statt, am Sonntag der Deutsche Bouldercup. PARTY: Am Samstag Abend dann das volle Programm im Freibad: Die Band „Night Nurses“ spielt live, für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt, an der DWS-Wand werden extra für diesen Abend knackige Routen geschraubt. Am Sonntag folgt nach der Siegerehrung ein Multivisions-Vortrag von Abenteurer und Kletterer Stefan Glowacz, danach wird wieder gefeiert. Termin 25. - 28. Mai 2012 Orte Betzenstein, Auerbach Eintritt Minimaler Obolus für Zelten, Duschen, Toiletten, Live-Musik, DWS... Zeitplan Freitag, 25. Mai: Anreise, kleine Welcome-Party Samstag, 26. Mai: Ab 10:00: Deutsche Jugend Meisterschaft im Bouldern, am Abend: Party Sonntag, 27. Mai: Ab 09:00: Deutscher Bouldercup, am Abend: Party Montag, 28. Mai: Entspannter Festival-Betrieb www.kletterfestival.com WOMEN’S HYPER JACKET EIN ÄUSSERST GEWICHTSREDUZIERTES STRETCH-GEWEBE KOMBINIERT MIT DER LEISTUNGSSTARKEN MEMBRAIN® STRATA™ TECHNOLOGIE ERZEUGT EINE VÖLLIG NEUE GENERATION VON SHELLS FÜR EIN BREITES OUTDOOR-EINSATZSPEKTRUM. Bei der Hyper Jacket hat Marmot die wasserdampfdurchlässigste Version seines MEMBRAIN® strata™ mit einem Leistungsprofil von 32.000 g/m 2/24h und einer 20.000 mm Wassersäule verwendet. STRATA™ SCHÜTZT DIE WASSERDICHTE MEMBRAIN® LAGE Marmot MEMBRAIN® strataTM Marmots eigenes 2,5 Lagen Polyurethan-(PU)-Laminat. Kleine, nicht-organische Partikel auf der Membran wehren externe Teilchen ab und schützen so die Membran vor Abrieb und Verschleiß. REINHARD FICHTINGER MARMOT MEMBRAIN® strata ™ LEICHTGEWICHTIGES AUSSENMATERIAL M E M B R A I N® www.marmot.eu 22 OIDA LECK! FREE AT LAST DAVID LAMA KLETTERT DIE KOMPRESSOR-ROUTE AM CERRO TORRE FREI Wörds Flo Scheimpflug Wenn Berge in puncto Ästhetik seit jeher prädestinierter als andere Naturerscheinungen sind, um das Unnahbare und Unmögliche zu verkörpern, dann ist der Cerro Torre in Patagonien mit Sicherheit eine ihrer Ikonen. Manche sind der Ansicht, dass der Nimbus dieser Naturschönheit nur von einem Makel, dem menschlichen, getrübt wurde. Obwohl zum damaligen Zeitpunkt noch unbestiegen ließ die Kompressor-Route Caesare Maestris den Cerro Torre zur Bühne für eine der größten Verfehlungen des modernen Alpinismus werden, deren Resonanzen auch ein halbes Jahrhundert danach noch für emotionalen Zündstoff sorgen. Ein schweres Erbe, dem Kletterer versucht haben, sich mit allen Mitteln zu entledigen. D och Geschichte ist nicht ausradierbar und kann nur schwerlich überschrieben werden. „Was also tun?“, war lange Zeit die Frage. Viele Kletterer sind in den letzten Jahrzehnten angetreten um den Berg zu reinigen, die Route zu befreien, zu reparieren oder zu retten. Im Nachhinein bleibt die Frage: Ist sie Spielfeld individueller Selbstverwirklichung oder ein Schlachtfeld individueller Willkür? Die Antwort: Wohl beides. Lionel Terray und Guido Magnone standen anno 1952 erstmals auf dem Fitz Roy. Der Cerro Torre türmte sich in Sichtweite auf, die Nähe tat seiner Unnahbarkeit jedoch keinen Abbruch. Keine logische Linie ließ sich erkennen, keine Schwachstelle ausmachen. Viel versprechende Risssysteme tauchten wie aus einer Laune plötzlich ins Nirvana glatter Plattenfluchten ab. Terray und Magnone waren sich einig: Dieser Berg ist unmöglich. Es mag ihnen nicht bewusst gewesen sein, doch jenes kleine Attribut setzte einen Magnetismus in Gang, der Bergsteiger zu Eisenspänen werden ließ. Viele wurden vom Cerro Torre angezogen, ebensoviele scheiterten. Walter Bonatti, die Koryphäe unter den Erstbesteigern, war der Prominenteste unter ihnen. Und dann kam Caesare. Der 1929 in Trient geborene Caesare Maestri hatte sich durch zahllose Erstbegehungen in der Brenta einen Namen gemacht und galt als einer der besten Kletterer seiner Zeit. Mit der Via delle Guide am Crozzon di Brenta war er gar eine Route im sechsten Grad - damals die höchste Schwierigkeit - abgeklettert. „Ragno delle Dolomiti“ (Spinne der Dolomiten) nannte man ihn seither ehrfürchtig und schaudernd. 1959 kam Maestri zusammen mit dem Österreicher Toni Egger und Landsmann Cesarino Fava nach Patagonien. Das Ziel war klar: Das Unmögliche möglich zu machen und den Berg über den Südostgrat zu besteigen. Als die Seilschaft das Col of Conquest, die Scharte zwischen Cerro Torre und dem erst später so getauften Torre Egger erreicht hatte, stieg Fava ab, Egger und Maestri blieben noch am Berg. Dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Egger wurde von einer Eislawine getötet, Maestri Tage später am Wandfuß gefunden, halb begraben im Schnee, aber lebendig. Was passiert war, weiß seither nur er. Was er zu erzählen begann, ist eine ganz andere Geschichte geworden. Es war die Geschichte der Erstbegehung des Cerro Torre, die tragisch endete und die er, Maestri, als einziger Zeuge überlebt hatte. Die italienische Presse feierte Maestri ab und rührte die patriotische Trommel. Die Spinne der Dolomiten wurde zur Ikone der Leistungsfähigkeit eines ganzen Landes und Pic Corey Rich / Red Bull Content Pool 23 24 Pic Lincoln Else/Red Bull Content Pool der Gipfelsieg am Cerro Torre auf eine Stufe mit der Erstbegehung des Mount Everest gehievt. Maestri gab Interviews und hielt Vorträge, doch Insiderkreise ließen sich von Showgehabe und Ruhmesbekundungen nicht blenden und wollten immer genauere Details von jener Begehung wissen, die ihrer Zeit vielleicht Lichtjahre voraus war. Wenn sie denn stattgefunden hatte. Zwischen 1959 und 1961 publizierte Maestri drei Artikel, in denen er Routencharakter, Taktik und verwendetes Material eingehend beschrieb, zur Transparenz der Affäre trugen sie jedoch nicht bei, ganz im Gegenteil. Die Anhäufung vermeintlicher Indizien ging nach hinten los, das Lügennetz wurde immer enger geknüpft, fein genug war es dennoch nicht gesponnen. Maestris Beschreibungen des unteren, eher leichten Wandteils waren extrem detailliert, bezüglich des oberen blieben sie vage, unscharf und widersprüchlich. Man begann Verdacht zu schöpfen. Die Zeit hat ihre eigene Art Schulden einzutreiben und so mussten erst zehn Jahre vergehen bis Maestri, wohl heimgesucht von den Geistern, die er einst rief, 1970 wieder nach Patagonien kam. Die Ausgangsposition war denkbar schlecht: Als Erstbesteiger war er diskreditiert, seine bergsteigerischen Fähigkeiten waren in Zweifel gezogen, er selbst im Beweisnotstand. Erneut wollte Maestri den Berg versuchen, über eine andere Route und diesmal mit einer Taktik, die jedes Scheitern ausschließen und jeden Zweifel im Motorenlärm untergehen lassen sollte. Doch der Stil, den Maestri herbeiphantasiert hatte, war im eigentlichen Sinn keiner. Von Erfolgssucht getrieben hatte er ein Attentat geplant. Mit Hilfe eines 180-Kilogramm schweren und mit Benzin betriebenen Kompressors bohrte sich das Team Maestri (mit dabei Ezio Alimonta, Daniele Angeli, Claudio Baldessarri, Carlo Claus und Pietro Vidi) schließlich mit 360 Bolts über die grifflosen Platten bis 60 Meter unter den Gipfel. Dort versperrte den Italienern der berüchtigte Schneepilz den Weiterweg. Wohl weil es ihnen an geeigneter Ausrüstung fehlte, erklärten sie die Route für beendet und seilten ab. Der Frage, warum er diese letzten Meter nicht geklettert war, entgegnete Maestri damit, dass dieser „Haufen Schnee“ seiner Meinung sowieso nicht „wirklich Teil des Berges sei und irgendwann davon geblasen werde.“ Für Maestri war die Operation gelungen, doch er war wohl der Einzige, der das so sah. Denn der Patient war tot, dem „Mord am Unmöglichen“ zum Opfer gefallen. Ein unmöglicher Berg, ein Toter, ein gefeiertes Genie, das an sich selbst scheitert, die Niederlage jedoch bis zum Schluss nicht wahrhaben wollte: Das erste Kapitel der Erstbegehungsgeschichte des Cerro Torre glich einem Drama menschlicher Existenz. Der Hauptdarsteller Maestri zog sich in Folge aus der Öffentlichkeit zurück - zuviel war Pic Franz Hinterbrantner/ Red Bull Content Pool 25 Pic Corey Rich/Red Bull Content Pool der Route das, was sie erst zu einer solchen machen sollte: Ein Ende in Form des Gipfels. Maestris Behauptungen wurde im Zuge dieser Begehung weiter nach unten korrigiert. Bridwell zufolge habe Maestri nicht einmal das Ende der Headwall erreicht, verwendete Haken wieder herausgeschlagen und den Kompressor einfach an Ort und Stelle in der Wand hängen gelassen. Der Status der Kompressor-Route ist nach wie vor prekär, Anerkennung blieb ihr stets versagt. Die zynische Bemerkung: „If you are interested in getting to the top of the mountain without climbing it“ wird der 1.200m langen, mit 6a A2 AI3 bewerteten Route auf der wichtigsten Informationsseite für das Klettern in Patagonien vorangestellt. Die Route mag das Stiefkind unter den Erstbegehungen im wilden Patagonien sein, von vielen wird die „glorified version of a Via Ferrata“ nicht einmal als wirkliche Kletterroute angesehen. Doch die Vergangenheit wollte nicht ruhen und meldete sich von Zeit zu Zeit zurück. Manch ein Kletterer der Gegenwart hörte, begann ihrem Flüstern zu lauschen und machte sich auf den Makel zu bereinigen, beseelt von der Idee, den Schaden von Maestris Attentat zu begrenzen und zumindest einen versöhnlichen Schlusspunkt unter ein unrühmliches Kapitel Alpingeschichte setzen zu können. Vor allem eine Frage geisterte durch den Raum und auch so machen Kopf: Ist die Route durch die abweisende Headwall nicht vielleicht doch frei kletterbar? passiert. Der Ereignisstrang war dadurch nicht gekappt, die Geschichte ging weiter, weniger dramatisch, dafür erfolgreich. Am 13. Januar 1974 standen die Italiener Daniele Chiappa, Mario Conti, Casimiro Ferrari und Pino Negri nach Durchsteigung der Westwand am Gipfel des Cerro Torre. Sie gelten seither als dessen Erstbesteiger. Der Turmberg war bestiegen, doch bis sich jemand an jene Route wagte, die als ihr Schandfleck galt, vergingen bis 1979 fast zehn Jahre. Die Techno-Spezialisten Steve Brewer and Jim Bridwell aus dem Yosemite durchkletterten sie im Jänner 1979 in drei Tagen und ließen im Gegensatz zu Maestri auch den Eispilz nicht aus. Dadurch gaben sie 1999 unternahmen die Italiener Ermanno Salvaterra and Mauro Mabboni einen ersten Versuch. Sie kletterten eine Variation zu Maestris originaler Routenführung, die es ihnen erlaubte 200 seiner Bolts auszusparen. 2007 kletterten die Amerikaner Zach Smith and Josh Wharton entlang der MabboniSalvaterra Variation bis vier Seillängen vor Headwall-Ende. Trotz kreativer Versuche blieb es ihnen letzten Endes nicht erspart aufgrund des schlechten Wetters doch noch einige von Maestris Bolts zu verwenden, um den Sattel unter dem Eispilz zu erreichen. Ihre Variation galt lange als eine der viel versprechendsten Indikatoren für die Möglichkeit einer freien Begehung. „All told, a route with over 360 bolts could be brought down to less then 20 very reasonably, and it would without doubt change the nature of the peak and its difficulty considerably“, so Wharton. 20 Bohrhaken sind im Vergleich zu den 360 zweifellos ein Fortschritt. Das Problem, den Cerro Torre zu befreien, war jedoch nur verkleinert worden. Zur Gänze gelöst war es deswegen noch lange nicht. Zweifellos tauchten jene ambitionierten Versuche die Route in ein Licht, in dem sie ansprechender und möglicher erscheinen konnte als vielleicht je zuvor. Neue Möglichkeiten bedingen neue Anforderungen, vor allem an diesem Berg: Für eine freie Begehung war von nun an nicht nur alpinistisches Know-How gefragt um in den extremen patagonischen Wetterbedingungen bestehen zu können, sondern auch die Fähigkeiten komplexe Stellen zu entschlüsseln und zu klettern. Es war vielleicht nicht mehr ein „Schrei aus Stein“ - mit jener expressiven Metapher betitelte Werner Herzog anno 1992 seinen Film um das Drama des Cerro Torre - der da aus Patagonien drang. Der Ruf dieses Berges war aber dennoch weithin hörbar geblieben. 2009 folgte ihm schließlich auch David Lama. Doch er war nicht allein gekommen: Das Filmteam seines Hauptsponsors begleitete ihn. Zwei Dinge standen auf der Agenda: Den Cerro frei zu klettern und das Ganze auf Film zu bannen. Eine unter Umständen unheilvolle Kombination, die im Zeitalter des notorischen „Live-dabei“ jedoch übliche Praxis ist. Um die Sicherheit des Filmteams zu gewährleisten wurden an der Route zusätzliche Bolts angebracht. In einem Gelände, das dermaßen durch das Setzen von Bohrhaken vorbelastet war, wirkte dieser Akt wie ein doppeltes Sakrileg und fühlte sich an wie das Aufkratzen nie zur Gänze verheilter Wunden. Zu allem Überdruss vereitelte das Wetter jeglichen Besteigungsversuch. Wieder am Boden traf David, das mediale Aushängeschild der Aktion, die Kritik mit voller Wucht und von allen Seiten. Auf Facebook und den Foren weltweit tobte der Mob. Am 17. Jänner 2012 gelang es dem Amerikaner Hayden Kennedy zusammen mit dem Kanadier Jason Kruk die ethische Debatte um den Cerro Torre mit einer Begehung „by fair means“ scheinbar endgültig zu lösen. In blitzschnellen 13 Stunden kletterten sie entlang Pic Corey Rich/Red Bull Content Pool einer Kombination verschiedener Variationen (Mabboni-Salvaterra 1999 und Geisler-Kruk 2010) bei Freikletter-Schwierigkeiten bis zum achten Grad und einer Stelle A1 zum Gipfel des Cerro Torre. Dabei gelang es ihnen Maestris Bolt-Leitern gänzlich unangetastet zu lassen, um das Belasten einiger seiner Standbohrhaken kamen sie dennoch nicht herum. Außerdem hängten sie fünf Bolts, vier in der Mabboni-Salvaterra Variation sowie einen in einer weiteren Variation, die Hayden Kennedy mit Chris Geisler 2010 versucht hatte, ein. Als sich die Neuigkeiten nach ihrem Erfolg in Windeseile erst im Basislager, dann in El Chalten und schließlich um die ganze Welt verbreiteten, war klar, dass hier zwei Kletterer an der vielleicht umstrittendsten Route der Welt mit einer stiltreuen Begehung ein gewichtiges Statement abgegeben hatten. Zwar wurde im Nachhall dieser Sensation auch rumort. Vor allem die Bezeichnung „by fair means“ stieß Traditionalisten auf. Schließlich hatten die beiden ja Bolts verwendet. Andererseits schließt das moderne Verständnis von „by fair means“ die Verwendung von Bolts nicht aus, es bedeutet nur sie ausschließlich da zu verwenden, wo es nicht anders geht, das heißt, wo eine Route nicht mit mobilen Sicherungsmitteln absicherbar ist. Hayden und Kruk dazu: „Reasonable use of bolts has been a long-accepted practice in this mountain range. Often, steep, blank granite would be folly without the sparing using of this type of protection.“ Die Begehung der Route durch Hayden und Kruk war aber nur ein Teil ihrer Geschichte. Der Umstand, dass sie beim Abseilen rund 125 Bolts aus der Kompressor-Route entfernten, ein anderer. Auch Smith und Wharton hatten bei ihrer Begehung 2007 ähnliche Bereinigungsgedanken gehegt, waren sich der ethischen Implikationen derselben aber unsicher und wollten die Konsequenzen nicht verantworten. Sicher ist, dass Hayden und Kennedy die Diskussion um richtig und falsch mit ihrer Entscheidung erneut mit Brennstoff versorgten. Maestris Tat war zweifellos ein Akt der Gewalt. Viele KletterInnen fragen sich jedoch, ob es richtig ist, darauf wiederum mit Gewalt zu antworten? Kann die Kalkulation, den Berg durch Entfernen einiger, aber nicht aller Bohrhacken, in einen wünschenswerten Zustand zurückzuführen, aufgehen oder handelt es sich dabei doch nur um eine Milchmädchenrechnung? Hayden und Kruk‘s Erklärung: „After a lengthy introspection on the summit, we knew the act needed to be initiated by one party, without consensus“, riecht ein wenig nach Selbstjustiz und wirft die Frage auf, was zu erwarten wäre, wenn ein jeder so vorgehen würde und Routen, mit deren Ausstattung er nicht zufrieden ist, einfach demontiert. Der bergsteigerische Ethos des Respekts vor dem Erstbegeher und seiner Tat wäre damit Geschichte. Nicht zuletzt haben Hayden und Kruk nicht alle Bolts entfernt, sondern nur jene, die sie für „falsch“ hielten. Manch einer fragt zurecht, wieviel individuelle Willkür hier gewaltet hat. Welche Entwicklung damit auf den Plan gerufen wird, bleibt abzuwarten. Pic Corey Rich/Red Bull Content Pool Pic Lincoln Els e/R ed Bull Co ntent Pool 26 Trotz aller Diskussion um das Entfernen der Bolts schien die „fair means“ Begehung des Cerro Torre durch Hayden und Kruk vorerst der Schlusspunkt einer langen Geschichte. Eine Wand von solcher Dimension mit nur fünf(!) Bolts und einer kurzen, technischen Stelle zu klettern, schien der Plafond des Menschenmöglichen. Dennoch, eine technische Stelle ist und bleibt eine technische Stelle - das Problem einer freien Begehung blieb auch angesichts der „fairen“ Begehung bestehen. Drei Jahre lang war David Lama von der Vision einer freien Begehung des Cerro Torre „getrieben“. Der erste Versuch schoss deswegen über das Ziel hinaus. Oder daran vorbei. Denn er endete mit bereits erwähntem medialen GAU. Es wäre ein Leichtes gewesen, einfach eine Pressemeldung vom Stapel zu lassen und sich der Kritik zu entziehen, bis sie von selbst an Rückenwind verliert. Doch David übernahm die volle Verantwortung für die Aktion, stellte sich den Diskussionen, auch wenn es unangenehm war und ihm am Podium oft ein harter Wind entgegenschlug. David gestand die Fehler des Projekts ein und entschuldigte sich. Dafür gebührt ihm Respekt. 2010 kehrte er nach Patagonien zurück und bestieg den Cerro Torre. Das Ziel, im Zuge dessen eine Freikletterlinie auszuchecken, fiel jedoch dem Wetter zum Opfer. Nichtsdestrotz: Zeit am Berg ist Zeit am Berg. Das Jahr 2011 kam und die Sterne standen gut. Von Pan Aroma (8c)/Westliche Zinne bis zu Paciencia (8a)/ Eiger Nordwand, wiederholte und erstbeging (Catwalk, 8b+/Tessin) David circa 15 alpine Touren im zehnten Grad. Eine Darbietung die in puncto Konstanz ihresgleichen sucht. Die Tage wurden kürzer und irgendwann war es an der Zeit zurückzukehren, zurück nach Patagonien. Als David zusammen mit Peter Ortner am 19. Januar in El Chalten stand, sah das Wetter zum ersten Mal richtig gut aus und die beiden machten sich auf nach Nipo Nino, dem ersten Camp. Von da ging es zum Col de Paciencia. Am darauffolgenden Tag stiegen sie gegen 13 Uhr in die Route ein, doch wie sie nach der Entfernung der Bohrhaken genau aussah, ob die unterzubringenden Absicherungen ausreichend sein würden, wussten die beiden nicht. „Wir kletterten zum Beginn der Bohrhakentraverse, doch anstatt dieser nach rechts zu folgen, kletterten wir geradeaus weiter an einer technisch schwierigen Kante, nur einige Meter links der Salvaterra-Variante. Ich stürzte mehrmals, bevor ich die richtige Griffabfolge fand, dann konnte ich die Länge im zweiten Versuch vom Standplatz weg punkten. Einige Seillängen weiter oben erreichten wir die „Iced Towers“, wo wir uns eine schmale Stufe zum Biwakieren ins Eis pickelten. Am nächsten Morgen kletterten wir früh los und erreichten den Beginn der Headwall. Dadurch, dass Hayden und Jason einige Tage zuvor dort Bohrhaken entfernt hatten, wurde meine Unternehmung noch anspruchsvoller - speziell mental, da die Absicherung nun sehr bescheiden war und ich lange Runouts hinlegen musste. An hohlen und lockeren Schuppen kletternd folgten wir der originalen Kompressor-Route für drei Seillängen. Etwa 20 Meter unterhalb des Kompressors traversierten wir nach rechts und erreichten ein System aus Rissen und Verschneidungen, dem wir zum Gipfel folgten. Für unsere Begehung im Alpinstil benötigten wir vom Col aus 24 Stunden“, so David. Ein großes, weil jahrzehntelang unlösbares Problem ist mit dieser Begehung, die ohne technische Hilfsmittel von statten ging, gelöst worden: Cerro Torre, 8a rotpunkt, basta. Gleichzeitig geht damit ein Kapitel Alpingeschichte an einem der heiß umfehdetsten Berge zu Ende. Einzigartig wie dieses ist auch der Kompressor, der immer noch an Ort und Stelle hängt. Seiner ursprünglichen Funktion ist er längst entbunden, nutzlos deswegen noch lange nicht: Als stummes Mahnmal wird er auch in Zukunft Besteigerinnen und Besteigern ins Gedächtnis rufen, was ein falsch gepolter Geist anrichten kann. Nur eins noch, bevor auch hier der Schlusspunkt gesetzt wird: Respekt, David & Peter. Und: Oida Leck!