Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics of Humour in - H-Soz-Kult

Transcription

Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics of Humour in - H-Soz-Kult
Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics of Humour in the Twentieth Century
Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics
of Humour in the Twentieth Century
Veranstalter: Martina Kessel (Universität Bielefeld / University of Toronto); Patrick Merziger
(Freie Universität Berlin); Dirk Schumann (Deutsches Historisches Institut, Washington, DC)
Datum, Ort: 16.03.2006-18.03.2006, Toronto
Bericht von: Patrick Merziger und Martina Kessel
Finanzierung: The Joint Initiative in German and
European Studies (Toronto), das Deutsche Historische Institut (Washington, DC), der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Fritz Thyssen Stiftung (Köln)
Komik und Lachen wurden lange als anthropologische Konstanten wahrgenommen, besonders
und immer noch in der Philosophie der Komik
oder der Anthropologie des Lachens. In jüngerer Zeit hat sich die Geschichtswissenschaft diesen Phänomenen jedoch als kulturspezifischen sowie zeit- und gesellschaftsprägenden Kommunikationsformen zugewandt, deren Inhalte und Formen, Praxen und Bedeutungen historisch variabel
sind. Das, was als komisch gilt, worüber gelacht
wird, werden darf und soll und wer mit wem worüber lacht, berichtet von einer Gesellschaft oder
Gruppe und wirkt auf diese zurück. Im Komischen
und Lachen werden soziale Beziehungen verhandelt, Sozietät gebildet und geformt. Das Thema
„Komik und Lachen“ erschließt gleichzeitig einen
Bereich, der für die Geschichtswissenschaft weiter
schwer zu fassen scheint, wovon schon die unsichere Begrifflichkeit kündet: die Massenkultur, die
populäre Kultur oder auch die Volkskultur.
Historische Arbeiten konzentrierten sich zudem
lange auf die Zeit vor dem 20. Jahrhundert, während sich Film- und Literaturwissenschaft, Ethnologie, Soziologie sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft intensiver mit aktuellen Formen
der Komik und des Lachens beschäftigten. Bei historischen Arbeiten dominierte dabei der Ansatz
von Michael Bachtin, der im Lachen den Ausdruck
einer ursprünglichen Volkskultur sehen wollte, die
aber im Prozess der Zivilisation verschüttet worden sei. Das dominante Narrativ für das 20. Jahrhundert war dementsprechend durch den Begriff
„Subversion“ gekennzeichnet, ging also von einer
per se widerständigen Funktion von Komik aus.
Oder man wies Komik und Gelächter eine Bedeutung ex negativo zu, sah sie als politikfreien Raum
mit der Funktion, zu entspannen und das Publikum
wieder bereit für die Anforderung der Herrschen-
den zu machen.
Die Konferenz „Jesters, Jokes, and Laughter:
The Politics of Humour in the Twentieth Century“
suchte nach gesellschaftlichen Bedeutungen von
Komik und Lachen jenseits dieser Beschreibungsansätze. Die Konferenz wollte einerseits Ergebnisse bisheriger Ansätze bündeln, andererseits neue
Wege zu einer Beschäftigung mit unbestreitbar populären Texten und Praktiken aufzeigen. Als wichtiges Ergebnis kristallisierte sich dabei die Bedeutung von Komik und Gelächter für Prozesse von
Inklusion und Exklusion heraus. Methodisch erwies sich die Unterscheidung zwischen der Semantik des Komischen und der Praxis des Gelächters in den Vorträgen und der Diskussion als produktiv. Einigkeit bestand über die Notwendigkeit
Komik an ihre spezifische Medialität zurückzubinden, um einerseits die Bedingungen und Besonderheiten der Komik in den einzelnen Medien und
Teilen der Öffentlichkeit erkunden zu können und
um andererseits der sich schnell einstellenden Anmutung der Zeitlosigkeit von Komik und Gelächter
entgegen zu wirken.
Im Eröffnungsvortrag fragte Peter Jelavich nach
den politischen und sozialen Bedingungen, die
dazu führten, dass Witze von Juden über sich
selbst ihre Harmlosigkeit verloren, und machte dabei einen markanten Unterschied zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik aus. Das komische
Theater der Brüder Anton und Donat Herrnfeld
brachte vor 1914 mit großem Erfolg das Klischee
vom Juden als einem deutschen Volksstamm neben Bayern, Sachsen oder Berlinern auf die Bühne, ohne damit Anstoß zu erregen. Erst in der Weimarer Republik wurden dieselben Witze über Juden zum Problem: Der Central-Verein deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens griff Kabarettisten wegen Verunglimpfung an. Jelavich sah in
den unterschiedlichen Reaktionen ein Zeichen für
einen relativen kulturellen Pluralismus im Kaiserreich, während die erhöhte Sensibilität in der Weimarer Republik auf einen steigenden Antisemitismus hindeute. Dieser Antisemitismus zeigte sich
jetzt auch in der Komik selbst: Manche Kabaretts
widmeten sich ausschließlich dem jüdischen Klischee; Witzsammlungen reproduzierten Vorurteile
über Geldmacherei oder sexuelle Ausschweifungen, die in dieser Negativität und Aggressivität nie
auf andere Gruppen angewandt worden wären. Jelavich schlug also vor, Komik, als Teil der populären Kultur, als einen Gradmesser für Veränderungen in einer Gesellschaft zu lesen. Die Witze und
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.
Kabaretts berichteten uns vom latenten Antisemitismus und seinen Konjunkturen, die ansonsten nur
schwer zu fassen seinen. Nicht zuletzt wirkten sie
auch wieder auf die Gesellschaft zurück, indem sie
ein Vehikel für den sich verbreitenden Antisemitismus stellten.
Kaspar Maase stellte mit Blick auf den Ersten
Weltkrieg die Frage nach möglichen methodischen
Ansätzen für eine Erforschung von Komik und Lachen. Er schloss aus der vermehrten Produktion
von Witzzeitschriften, dass der Weltkrieg eine Zeit
des Gelächters gewesen sei. Die Reihe TornisterHumor, die sich auch an die Zivilbevölkerung richtete, die humoristische Zeitschrift Der Brummer,
die im Titel an die Geschosse der großen KruppKanonen erinnerte, und das extrem erfolgreiche
Theaterstück Immer fest druff führte er als Beispiele für militarisierte Formen des Komischen
an. Maase plädierte jedoch dafür, nicht nur diese
Semantik in den Blick zu nehmen, also militärische Konnotationen, sondern das Lachen als soziale Praxis zu verstehen, das unabhängig von Textbedeutungen existiere. Wer wann mit wem lachen
könne, dürfe und müsse, könne soziale Formationen produzieren, die unabhängig von den Inhalten bestünden. Maase wies darauf hin, dass das
für ihn evidente Bedürfnis der Bevölkerung nach
Komik und das Lachen der Deutschen eine andere
Geschichte der Verarbeitung des Krieges erzählen
könnten, als es die üblichen Bilder der Aggressivität und Überheblichkeit nahe legten.
Die folgenden vier Beiträge lieferten erste Antworten auf die Frage nach Bedeutungen der Komik
und des Lachens. Zunächst ging es um eine präzisere Verortung der subversiven Komponente von
Humor im Krieg. Kathleen Stokker legte am Beispiel Norwegens eine differenzierte Lesart der sogenannten Flüsterwitze vor, die immer wieder zitiert werden, um Mythen eines Volkswiderstandes
zu konstruieren. Indem Stokker jedoch die soziale Praxis des Erzählens in den Vordergrund rückte,
konnte sie diese Quellenart neu und produktiv interpretieren. Sie belegte anhand von Untergrundzeitschriften, dass die relativ kleine Gruppe aktiver Widerständler Witze gezielt für ihre Ziele einsetzte. Zeitgenössische Tagebücher belegten punktuell die Verbreitung und Bedeutung für die Bevölkerung; so führte beispielsweise ein 11jähriges
Mädchen durchaus im Bewusstsein der Gefahr ein
Witztagebuch. Inhaltlich waren diese Witze durchaus konservativ, Haakon VII. diente als Identifikationsobjekt. Viel bedeutender war jedoch, dass
so einerseits Informationen über die Existenz eines Widerstandes vermittelt wurden, andererseits
durch das Erzählen und Zuhören ein Zeichen für
eine verbreitete Mentalität des Anderssein gesetzt
wurde, die für die Arbeit der wenigen Aktiven unabdingbar war.
Peter Michael Keller untersuchte einen zweiten
populären Mythos, den vom Kabarett als einer Institution, in der sich nur widerständige Geister träfen. So gilt das Zürcher Kabarett Cornichon als antifaschistische Institution der Schweiz während der
NS-Zeit. Anhand von Bühnenfotos, Programmen,
Manuskripten sowie Ton-Aufnahmen für die Zeit
nach 1945 näherte sich Keller einer Rekontextualisierung der Texte, ein schwieriges Unterfangen,
weil die Situation der Aufführung unwiederbringlich verloren scheint. Er konnte die mehrfachen retrospektiven Konstruktionen und Überschreibungen der Subversion aufdecken. So war das Lied
vom Kompromiss 1935 eine ironische Schilderung der Schweizer Kleinstaaterei. Von 1940 an
sang das Ensemble es als Hymne auf die Schweiz.
Nach 1945 behauptete das Kabarett, das Lied sei
ein Kampflied wider den Nationalsozialismus gewesen, und trug es entsprechend vor. Das Kabarett passte sich also den jeweiligen Konjunkturen
Schweizer Selbstrepräsentationen an, nicht zuletzt
weil es sich gut verkaufte. Keller resümierte, dass
sich das politische Kabarett der 1930er Jahre als
eine Erfindung der Nachkriegszeit darstelle.
Nach dieser Dekonstruktion von Widerstandslegenden ging es um die Frage, welche Formen des
Lachen und des Komischen die Zeit der Weltkriege bestimmten und was sie bedeuteten. Jan Rüger
betonte die Ambivalenz des Zusammenspiels populärer Komikformen und politisch-militärischer
Autoritäten. Carl Braun imitierte in Berliner Kabaretts und Varietés mit großem Erfolg Habitus,
Kleidung und Stimme bekannter Persönlichkeiten.
Nach einem Verbot durch die Behörden verzichtete Braun auf die Stimmimitation und konnte so mit
seinen Parodien weiter auftreten. Diese Vorführungen drohten einerseits die Ordnung zu untergraben, indem sie Politiker zum Ziel des Spotts machten, konnten andererseits aber auch als Ausdruck
und Beförderung der Popularität dieser Politiker
verstanden werden. Doch nicht nur die Bedeutung war ambivalent. Da Regierungsstellen sich
für populäre Unterhaltung interessierten, und sei
es nur im Sinne einer Zensur, wandten sie sich
dem Unterhaltungsbedürfnis der kulturell bisher
weniger wahrgenommenen Unterschichten zu und
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.
Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics of Humour in the Twentieth Century
schwankten zwischen dem Versuch, dieses Bedürfnis zu befriedigen und es zu kontrollieren. Gelächter und Komik dieses Milieus wurden so zum einen
in die Kriegsanstrengungen eingebunden, zum anderen anerkannt und über das Milieu hinaus bedeutungsvoll.
Mit dem Zusammenwirken von Publikum, Produzenten und Staat befasste sich auch Patrick Merziger. Er vertrat die These, dass die Komik des Nationalsozialismus, wenn überhaupt, in Satiren und
Karikaturen zu finden sei. Nach 1933 traf die nationalsozialistische Satire jedoch auf Widerstand
in der Bevölkerung. Das Publikum beschwerte sich
in Zuschriften heftig über die Satiren auf seine
Kosten. Gleichzeitig erlebten die Publizisten die
Satire als eine paradoxe Form, die den Gegner
nicht nur zerstörte, sondern gleichzeitig wieder ins
Gespräch brachte. Auch deshalb waren Satire und
Karikaturen unpopulär. Merziger zufolge fand sich
die politische Bedeutung von Komik nicht primär
in der politischen Satire der Zeit, sondern im Gegenteil in ihrem graduellen Verschwinden. Dieses
Verschwinden verhinderte die Thematisierung von
sozialen Dissonanzen und machte zugleich die Exklusionen unsichtbar, auf denen der Nationalsozialismus aufbaute. Merziger las das Verschwinden
der Satire als Zeichen der Sehnsucht großer Teile
der Bevölkerung, in einer einheitlichen nationalsozialistischen Gemeinschaft leben zu können und
die Verfolgten des Nationalsozialismus vergessen
zu dürfen.
Die folgenden Vorträge rückten das Lachen als
soziale Praxis in den Mittelpunkt, allerdings ebenfalls auf der Basis von Erzählquellen. Jakub Kazecki fand in der Erinnerungsliteratur zum Ersten
Weltkrieg jenseits der polarisierten Wertung des
Krieges eine überraschend ähnliche Beschreibung
des Lachens als sozialem Verhalten, ob nun bei
Ernst Jünger, Erich Maria Remarque oder Walther Bloom. In diesen Erinnerungen erschien das
Lachen nicht, wie von staatlichen Stellen gerne
konzipiert, als Entspannung von den Härten der
Front, sondern vielmehr als Teil des Kriegsalltags.
Im „Lachen über“ wurden Hierarchien verhandelt,
die nicht den offiziellen Hierarchien entsprechen
mussten, im „Lachen miteinander“ Kameradschaft
geschaffen, im „Auslachen“ Exklusionen hergestellt. Das Lachen strukturiere aber nicht nur die
soziale Gruppe der Soldaten, es helfe zudem bei
der Verarbeitung der Erfahrungen und der Adaption an die neue Realität des Krieges: auf Grausamkeiten und Leiden der Bevölkerung werde, so
Kazecki, gerne mit einem Witz geantwortet.
Eileen Gillooly führte eine ansonsten zu wenig
beachtete bedeutsame Unterscheidung in die Diskussion um die soziale Praxis des Lachens ein. Unhinterfragt beschrieben die meisten Vorträge Komik und Lachen als männliche Praxis. Gillooly
wies darauf hin, dass das eine traditionelle Zuschreibung sei, ablesbar z.B. an den Romanen des
19. Jahrhunderts. Alle aggressiven Formen der Komik und Gelächter seien in der westlichen Kultur männlich konnotiert, während mit Weiblichkeit
allenfalls der mitleidende Humor und das milde
Lächeln assoziiert würden. Autorinnen wie Austen und George Eliot hatten diese kulturelle Zuschreibung verinnerlicht, die Protagonistinnen ihrer Romane bildeten sie ab. Im 20. Jahrhundert
sah Gillooly diese Unterscheidung zwar an Bedeutung verlieren, da schwarzer Humor oder das
Groteske weniger deutlich durch Geschlecht markiert würden. Gegen Ende des Jahrhunderts allerdings beobachtete sie eine Renaissance, namentlich bei Barbara Pym, Anita Brookner und Penelope Fitzgerald. Diese Renaissance könne einerseits
als Hinweis auf die lange Dauer dieser Zuschreibungen gelesen werden. Da dieser weibliche Humor der Protagonistinnen bewusst und offenbar als
Zitat verwandt werde, bestünde jedoch auch die
Möglichkeit, dass er als Anachronismus und somit selbst wiederum als komisches Objekt erkannt
würde.
Dem konkreten Erzählen von Witzen wandten
sich Christie Davies und Giselinde Kuipers zu.
Christie Davies sah in der Eigentümerschaft von
Witzen ein Element, um ihre Bedeutung zu erschließen. Wer die Witze besitzt, das könne man
ermitteln, wenn man nach den Erfindern und den
Publizisten frage. Witze über Juden im Osteuropa der Jahrhundertwende blieben in ihrer originalen Form aufgrund der speziellen Gebräuche, auf
die sie anspielten, für Nichtjuden unverständlich,
und kulturell vermittelnde Versionen seien von jüdischen Autoren und Verlagen angefertigt worden,
so dass Davies hier auf eine jüdische Eigentümerschaft am Witz schloss. Die Witze über Polen, die
zur Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA populär
waren, beschrieb Davies hingegen als Witze gegen
Polen, da in diesen Witzen keine polnischen Eigenarten verarbeitet und polnische Medien diese
Witze nicht aufgegriffen hätten.
Differenzierter ging Giselinde Kuipers auf eine sich verändernde Bedeutung ethnischer Witze
ein. Sie unterschied zwischen einer medial vermit-
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.
telten Öffentlichkeit und einer auf direkter Interaktion basierenden Öffentlichkeit. Ihre Befragung
von niederländischen Studierenden im Jahre 1995
erbrachte, dass für jede ethnische Gruppe ein eigenes Witz-Script vorlag, das nicht austauschbar
war. Dabei waren die Gruppen mit dem niedrigsten sozialen Status Ziel der primitivsten Witze.
Gleichzeitig tendierten die Erzähler dazu, Ethnien, die sie als fremd empfanden, in einer Gruppe
zusammenzufassen. Im Gegensatz dazu wurde im
Jahre 2005 z.B. das beliebte Witzziel „Marokkaner“ nicht mehr pauschal mit Afrika assoziiert, und
die Witze gingen auf kulturelle Eigenheiten ein,
statt nur auf Assoziationen mit Schmutz zurückzugreifen. 2005 verschärfte sich zudem die paradoxe Situation, dass Witze zur alltäglichen Praxis gehörten, aber auf der Ebene der medial vermittelten Kommunikation keinerlei Entsprechung
fanden. Zwar änderte sich Kuipers zufolge in den
Niederlanden die Einstellung gegenüber den Einwanderern in der öffentlichen Diskussion insofern,
dass Grobheit geradezu kultiviert werde. Witze
über Einwanderer könnten dennoch nicht erzählt
werden, weil das Thema als zu sensibel empfunden würde.
Der medialen Ebene widmete sich eine letzte
Sektion. Mark Winokur zeigte anhand der Animationen des frühen 20. Jahrhunderts, dass auch im
Feld des Komischen die Technik unabhängig vom
Narrativ eine eigene Bedeutung entwickeln konnte. Beim Rotoscoping, 1914 von den Fleischer Studios entwickelt, wird eine Filmaufnahme auf eine Mattscheibe projiziert und Bild für Bild abgezeichnet, was einen Trickfilm ergibt. Winokur
zufolge werden so Urbild und Überschreibung in
einem Bild vereint, das grotesk-komisch wirke.
Für die resultierenden unheimlichen Mischungen
schlug er den Begriff Creolism vor, verkörpert etwa in den Cartoonhelden Koko, der Clown, der auf
dem weißen, jüdischen David Fleischer basierte,
in der Zeichnung afroamerikanische Züge erhalte, und Betty Boop, die eine kaum zu entschlüsselnde ethnische Mischung sei. Diese Technik habe Ethnien auf der Leinwand dargestellt zu einer
Zeit, in der die amerikanische Gesellschaft durch
Rassismus geprägt gewesen sei und gleichzeitig
dazu tendiert habe, ethnische Differenzen von der
Leinwand zu verbannen. Die komischen Charaktere hielten dagegen Verdrängtes präsent.
Monika Pater verwies auf das Programm, in
dem komische Angebote stehen, und auf die politische Bedeutung und Nutzbarkeit dieser Pro-
grammstrukturen. Im Radio des Nationalsozialismus sei schnell erkannt worden, dass Propaganda kaum die Bedürfnisse der Hörer befriedige und
so wenig zu direkter politischer Beeinflussung tauge. Nützlicher erschien das Radio als Medium, um
Stimmungen zu beeinflussen und zu organisieren.
Pater beschrieb, wie das Programm auf die alltäglichen Bedürfnisse der Hörer ausgerichtet wurde, etwa mit beschwingter Musik zum Aufstehen,
die nach Höreraussagen den pünktlichen Arbeitsbeginn beförderte. Das Produzieren von Gelächter sei ein Mittel gewesen, die Woche zu gestalten.
So sollten die „Bunten Stunden“, die zu 40% aus
Sketchen bestanden, jenseits ihrer Inhalte auf das
Wochenende einstimmen und das Gefühl einer gut
verbrachten Zeit vermitteln. Gerade die beständige
thematische und formale Wiederholung zeigte Pater zufolge, dass es hier weniger um die Vermittlung neuer Inhalte ging als um das Wiedererkennen, mit dem ein Gefühl von Aufgehobenheit geschaffen werden sollte.
Vincent Brook schloss die Konferenz mit einem Vortrag zu den US-amerikanischen sitcoms,
womit er das Thema des Eröffnungsvortrages aufgriff, den jüdischen Witz, allerdings in einem medial und gesellschaftlich völlig veränderten Umfeld. Brook konstatierte seit Beginn der 1990er
Jahre einen Trend zu jüdischen Charakteren in komischen TV- Serien wie Seinfeld, Will and Grace,
The O.C. oder Friends. Die Larry Sanders Show,
eine Satire auf Talkshows, thematisierte das Thema „Judentum“ zwar nur in einer Hand voll der
89 Folgen, zeige aber Brook zufolge, dass die
Selbstreflexivität, die das Medium Fernsehen inzwischen erreicht habe und erfolgreich verkaufen
könne, sich auch in der Komik niederschlage. So
bekennt sich ein Hauptcharakter aufgrund seiner
Liebe zu einer Rabbinerin zum Judentum. Das Klischee, Juden kontrollierten die amerikanische Publizistik, wird in der Folge auf den Arm genommen, indem sich jeder einzelne Mitarbeiter sukzessive ebenfalls als Jude zu erkennen gibt. Brook sah
in dieser Selbstreflexivität die Möglichkeit, dass
„die Juden“ am Ende des 20 Jahrhunderts wieder
Eigner von antisemitischen Witzen würden. Darin und in der Beiläufigkeit der Witze drücke sich
aus, dass viel von dem Problemdruck verschwunden und die Akzeptanz des Jüdischen in den USA
gestiegen sei.
Die Sektionskommentare von Dirk Schumann,
Modris Eksteins und Nicholas Sammond und der
Schlusskommentar von Martina Kessel rückten
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.
Jesters, Jokes, and Laughter: The Politics of Humour in the Twentieth Century
ebenso wie die lebhaften Diskussionen immer wieder generelle Fragen und Ansätze zu einer Geschichte der Komik und des Lachens im 20. Jahrhundert in den Mittelpunkt. Humoriges im weitesten Sinne, so ergab sich, ist selten ein neutrales
Phänomen, es trägt Bedeutung keineswegs nur als
Raum, in dem der Ernst abwesend ist. Entscheidender für alle TeilnehmerInnen waren die Mechanismen der Inklusion und Exklusion, der Hierarchisierung und Gemeinschaftsbildung, die durch
das und im Komischen und Lachen hergestellt oder
verändert würden. Auch und gerade in modernen
Gesellschaften dienen diese kulturellen Kommunikationsformen als „Management der Differenzen“
(Sammond), wobei Komik und Lachen ebenso verändernde wie konservierende Wirkung haben, subversive und affirmative Qualitäten gleichzeitig bestehen können.
Gerade daraus resultierte, dass für die soziale
Praxis des Lachens kein fiktiver Volkskörper postuliert werden dürfe, weder im Sinne einer homogenen „Lachgemeinschaft“ noch im Sinne der
„kleinen Leute“, die sich durch ihr Gelächter automatisch von den Herrschenden absetzen würden.
Denn zu deutlich war die These, dass Komik und
Lachen per se als „kleine Subversion“ zu gelten
habe, während der Konferenz differenziert worden, und zu klar verwiesen gerade die Beiträge
zum Nationalsozialismus darauf, dass ein großer
Teil der Bevölkerung die NS-Eliten geradezu auf
eine nicht-problematisierende, nicht-ernste Darstellung der Welt hinlenkte. Gleichzeitig allerdings
verwiesen einzelne Beiträge auf ein spezifisches
Lachen „der einfachen Leute“, das sich durch Explosivität und Spontaneität ausgezeichnet habe.
Zumindest in Deutschland sei ein solch schenkelklopfendes Gelächter z.B. im bürgerlichen Theater
unmöglich gewesen. Die Konferenz machte einmal
mehr deutlich, wie schwierig es ist, die Praxis des
Lachens aus historischer Perspektive aufzufinden.
Produktiv für die Bestimmung unterschiedlicher
Formen und Bedeutungen des Lachens kann die
Untersuchung von Orten des Lachens sein. So erschienen die Berliner Kellerkabaretts der Weimarer Republik als Orte, an denen eher Außenseiter
der Gesellschaft zusammenkamen, die ihr Gelächter unabhängig von den Inhalten als Opposition
empfanden, während das Schweizer Kabarett der
30er mit seinen lichteren Bühnen diese Aufladung
allenfalls in der Retrospektive erhielt. Trotz ihres
präskriptiven oder zuschreibenden Charakters sind
zudem Erinnerungsliteratur und Romane wichti-
ge Quellen, weitere indirekte Zugänge bieten Regulierungsversuche durch die Zensur, Benimmbücher, Glossen zum Verhalten in der Öffentlichkeit
oder auch zeitgenössische wissenschaftliche Aufsätze zum Lachen, die häufig kulturelle Wertungen transportieren. Ein weiteres Forschungsdefizit
merkte der Schlusskommentar an: gerade auch in
Demokratien ist die soziale und politische Funktion von Gelächter bedeutsam; in den Parlamentsdebatten sei z.B. zu beobachten, wie die Ebene der
Kommunikation vom Ernst zum Lachen gewechselt werde, um Konflikte zu überspielen und den
Zwang zum Argument zu umgehen.
Thematisch wird der Komik seit dem komischen
Übervater Freud generell die Funktion zugewiesen, Tabuisiertes und Verdrängtes präsent zu halten, auf problematische Felder hinzuweisen und
aus der Darstellung des Nicht-Normalen, die Komik zu beziehen. Liest man die Komik als Indikator für Nicht-Normales, so kann man anhand von
Komik sozialen Wandel zeigen: Sexualität besitzt
in westlichen Gesellschaften nicht mehr dasselbe
Potenzial als komisches Thema wie zu Beginn des
20. Jahrhunderts. In kritischer Distanz zu Freud
lud die Diskussion jedoch dazu ein, das Komische komplexer und nicht nur als bloßen Hinweis
auf Verdrängtes zu konzipieren. Auffällig ist eine fast ungebrochene Kontinuität misogyner Witze, die auf die Dauerhaftigkeit von geschlechterspezifischem Hierarchiedenken verweisen könnte.
Weiterhin könnte das selbst im Komischen nicht
(mehr) Thematisierte eine neue Stufe der Verdrängung anzeigen, wobei umstritten war, ob das Verschwinden die Exklusion verschärfe oder es nicht
doch von einer erhöhten Sensibilität zeuge. Auffällig war in jedem Fall, dass fast alle Vortragenden
Ethnizität als in der Komik verhandeltes Problemfeld berührten. Mit Blick auf aktuelle Problemlagen drängte sich die Frage auf, inwiefern Religion
dieses Thema überlagere oder verschärfe, wofür es
aber (noch) keine Beispiele gab. Wichtig ist sicher
die doppelte und dreifache Aufladung und Überlagerung von ethnischer Komik mit anderen semantischen Feldern, z.B. die Verbindung von Ethnizität mit Homosexualität oder Weiblichkeit. Anders gewendet, gab es hinreichend Beispiele, dass
ethnische Komik unterschwellig andere Probleme
thematisiert, so die zahlreichen Witze über Juden
nach 1945 den Holocaust und die Witze über Polen Klassenkonflikte.
Die Formen des Komischen, teilweise eher im
Wandel begriffen als die Inhalte, erwiesen sich als
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.
weiteres fruchtbares Forschungsfeld. Hier könnte
man „Komiklandschaften“ (Peter Jelavich) rekonstruieren, also Formkonjunkturen für bestimmte
Epochen, wobei diese Konjunkturbildung keineswegs als konfliktfreier Prozess verstanden werden
darf. Hinter den Grenzziehungen zwischen ernsten
und vorgeblich nicht ernsten Skripten einer Gesellschaft, aber auch hinter den Auseinandersetzungen um angemessene Formen des Komischen
für eine Gesellschaft, stehen meist Konflikte um
Deutungshoheiten. Zumindest setzten in jeder bisher mit dieser Fragestellung untersuchten Gesellschaft die Regulierungsversuche an dieser Stelle
an: Man will dann eine bestimmte Art der Komik und des Lachens verboten sehen. Zukünftige Forschungen sollten auch die Unterhaltungsindustrie deutlicher als auf der Konferenz geschehen als Akteur einbeziehen, der gewisse Formen
bevorzugt, z.B. wegen des Anspruchs an Marktförmigkeit der komischen Produkte, der für eine
hohe Konstanz sorge, da Wiedererkennbarkeit vor
diesem Hintergrund ein Wert sei. Mit dem Ansatz
der Rekonstruktion von Komiklandschaften ergaben sich gerade für die modernen Mediengesellschaften überraschende transatlantische Konstellationen, obwohl die Konferenz nicht dezidiert komparativ angelegt war. So zeigten sich mehrfach
transnationale Abhängigkeiten, wenn etwa der Nationalsozialismus das Verschwinden offener Bezüge auf ethnische Unterschiede in den USA beförderte, oder vergleichbare Entwicklungen, wie etwa
die Unpopularität von Satire im Deutschland der
1930er und in den USA der 1950er Jahre.
Teilnehmer: Vincent Brook (California State
University, Los Angeles), Christie Davies (University of Reading), Modris Eksteins (University
of Toronto), Eileen Gillooly (Columbia University,
New York), Peter Jelavich (Johns Hopkins University), Jakub Kazecki (University of British Columbia), Peter Michael Keller (Universität Zürich), Giselinde Kuipers (Erasmus University Rotterdam),
Kaspar Maase (Universität Tübingen), Monika Pater (Universität Hamburg), Jan Rüger (Birkbeck
College, London), Nicholas Sammond (University of Toronto), Kathleen Stokker (Luther College,
Decorah, Iowa), Mark Winokur (University of Colorado, Boulder).
Tagungsbericht Jesters, Jokes, and Laughter: The
Politics of Humour in the Twentieth Century. 16.03.2006-18.03.2006, Toronto. In: H-Soz-uKult 29.08.2006.
© H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.