Stellungnahmen

Transcription

Stellungnahmen
Ministerium für Inneres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Minister
Ministerium fur Inneres und Kommunales NRW, 40190 Dusseldorf
02.12 2014
Präsidentin des Landtags
Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtag 1
40221 Düsseldori
Seite 1 von 1
Aktenzeichen
(bei Antwort bitte angeben)
621/002 - 64 13.05 - 67090 171500/14
Telefon 021.1 871 2800
Telefax0211 871 2266
für die Mitglieder
des Hauptausschusses
60-fach
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über
das Jahr 2013
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
zur Information der Mitglieder des Hauptausschusses des Landtags
übersende ich 60 Broschüren der Druckfassung des
Verfassungsschutzberichtes des Landes Nordrhein-Westfalen über das
Jahr 2013.
Mit freundlichen Grüßen
Haroldstr. 5, 40213 Dusseldorf
Telefon 0211 871-01
Ralf Jäger MdL
Telefax0211 871-3355
[email protected]
www.mik.nrw.de
Ministerium für Inneres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Verfassungsschutzbericht
des Landes Nordrhein-Westfalen
über das Jahr 2013
www.mik.nrw.de
Impressum
Herausgeber
M i nisterium fLir I n neres und Kommunales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Haroldstraße 5
402 1 3 Düsseldorf
Telefon: 02 1 1 /871 -01
Telefax: 02 1 1 /8 71 -3355
poststelle@mik. nrw.de
www. mlk.nrw de
Redaktion
Verfassungsschutz Nordrhei n-Westfalen
Telefon: 02 1 1 /871 -282 1
Telefax: 02 1 1 /871 -2980
Kontakt.Verfassungsschutz@mlk1 nrw de
www. mik. n rw.de/verfassu ngssch utz
Bestellservice
Bestellung .Verfassungsschutz@mik1 . nrw.de
www. mik.nrw.de/publikationen
Stand:
1 6 . Mal 20 1 4
Druck:
S i l ber Druck o H G , Niestetal
Fotos:
Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Vorwort
Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 20 1 3 macht deutl ich, dass die Sicherheits­
lage in Nordrhein-Westfalen im Berichtsjahr i nsbesondere durch zwei extrem istische
Bestrebungen gekennzeichnet war. Der gewaltbereite Salafismus ist die am schnells­
ten wachsende extremistische Bestrebung in u nserem Land. Die zunehmende Rad i­
kalisierung eines Teils der Anhängerschaft gibt Anlass zur Besorgnis. Zum a nderen
gibt es weiterh i n einen harten Kern von Rechtsextremisten, deren M itglieder auch i m
Berichtsjahr durch gezielte Aktionen versucht haben, d e n Rechtsstaat sowie politisch
Andersdenkende zu provozieren .
Gewaltbereiter Salafismus: Doppelstrategie von Ü berwachung u n d Prävention
Die Situation im vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien und auch die aktuellen Ent­
wicklu ngen i m I rak werden von der gewaltbereiten salafistischen Szene dazu miss­
braucht, um i nsbesondere labile J ugendl iche und junge Erwachsene im Alter zwi­
schen 1 6 und 25 Jahren, d ie in ihrer Orientierungsphase leicht zu beeinflussen sind,
zu emotionalisieren und dazu zu verleiten, i n d ie Bürgerkriegsregionen auszureisen
und sich aktiv auf Seiten der islamistischen Gruppen am Kampf zu beteiligen . J u nge
Männer sind die Hauptzielgruppe der Aktivitäten und Propaganda der salafistischen
Szene. Aber auch junge Frauen werden angesprochen oder lassen sich durch einsei­
tige I nformationen i n sozialen Netzwerken blenden.
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
Die nordrhein-westfal ischen SIcherheitsbehörden haben vor dem H i nterg rund, dass
Personen aus den BLirgerknegsgebieten zu rückkehren, die möglicherweise ideolo­
gisch weiter rad ikalisiert, im U mgang m it Waffen geschult und durch ihre Erlebnisse
verroht sind, die Beobachtung der salafistlschen Szene nochmals verstarkt. Die dem
Rechtsstaat zur VerfLigung stehenden M ittel werden konsequent ausgenutzt. In Je­
dem Fall mit verwertbaren Erkenntnissen werden strafrechtliche Ermittlungsverfahren
eingeleitet oder bereits Im Vorfeld die rechtlichen Möglich keiten genutzt, u m geplante
Ausreisen In das syrische Bürgerknegsgeblet zu verhindern.
Gleichzeitig setzen wir aber auch auf mehr Prävention: I m Berichtsjahr ist die Zahl
der Anhanger des gewaltbereiten Salafismus auf rund 1 .500 Personen gestiegen.
Wie in anderen E U-Staaten u nd B undesländern Ist auch in N RW die Tendenz weiter
steigend. Deshalb wollen wir insbesondere die jungen Menschen starker sensibi­
l i sieren und durch Aufklärung den Einstieg in die Szene verh indern. Dazu hat das
Land gemeinsam mit Kooperationspartnern In Bochu m , Bonn und Dusseldorf das
Präventionsprogramm "Wegweiser" initiiert. "Wegweiser" bietet kompetente Beratung
und kon krete Hilfen Im Alltag für J ugendliche u nd Junge Erwachsene sowie für deren
U mfeld. Denn die Bekämpfung des Salaflsmus muss bei den U rsachen ansetzen und
ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Weitere Anlaufsteilen von "Wegwei­
ser" sollen in N RW folgen.
Konsequentes Vorgehen gegen Rechtsextremismus
I n der Bekämpfung des Rechtsextremismus lassen wir nicht nach. Die Bekampfung
des Rechtsextremismus stellt einen Schwerpunkt der Politik der Landesregierung dar.
Sie hat insbesondere d u rch ein 8-Punkte-Programm den Kampf gegen den Rechts­
extremismus verschärft. Die Sicherheitsbehörden gehen gegen rechtsextremistische
Aktivitäten und Strukturen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten konsequent vor.
Diesbezüglich stimmen sich die staatlichen Sicherheitsbehörden auch mit den betrof­
fenen Kommunen eng ab.
D u rch die Kameradschaftsverbote u nd die E inleitung von Strafverfahren gegen
Mitglieder der rechtsextremen Szene wurde die Mobillslerungsfähigkelt deutlich ge­
schwächt. Aktionen und Propaganda der rechtsextremistischen Parteien Sind nicht nur
In Wahljahren gepragt von Fremdenfeindlichkeit und D iffa mierung von Minderheiten
Dabei eint die rechtsextremistischen Parteien N P D , 'Die Rechte' und 'pro N RW' der
Wille zur gezielten Provokation.
2
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
Ein wichtiges Signal ist daher das Zurückweisen der Klage von 'pro N RW' gegen i h re
Nennung im Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen durch das
Oberverwaltungsgericht Münster Im Februar 2 0 1 4 Damit wurde die Einschätzung
des nordrheln-westfallschen Verfassungsschutzes bestätigt, dass die p ro-Bewegung
rechtsextremistisch ist.
In unterschiedliche Richtungen haben sich die beiden rechtsextremen Parteien N P D
u n d 'Die Rechte' im Berichtsjahr entwickelt: I mmer deutlicher wird , dass das laufende
Verbotsverfahren die N P D schwächt Sie verliert nicht nur Mitglieder, sondern hatte
auch große Schwierigkeiten, genügend Personen zu finden, die bei den zurückliegen­
den Wahlen für die Partei kandidieren. Den noch darf niemand die Gefahren, die von
der N P D ausgehen, verharmlosen Das vom B undesrat Im Dezember 201 3 eingeleite­
te Verbotsverfah ren ist richtig und wird von NRW unterstützt. Wir müssen denjenigen
Kräften entschlossen entgegentreten, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt In
unserem Land gefährden und geistige Brandstiftung betreiben
Im Gegensatz dazu erweist sich die Partei 'Die Rechte' zunehmend als Auffang­
becken der neonazistischen Szene und für die Mitglieder der verbotenen Kamerad­
schaften . U nter dem Schutzschirm des Parteienprivilegs setzt ein Teil der Neonazis
aus Dortmund, Hamm und Aachen seine Aktivitäten fort. Entsprechend ihrer demokra­
tiefeindl ichen Ideologie und dem aktionsorientierten Habitus ihrer M itglieder lehnt die
Partei die Teilnahme an der parlamentarischen Demokratie a n Sich ab, wenngleich sie
sich aus taktischen und strategischen Gründen auch an Wahlen beteiligt. Wir bleiben
auch hier konsequent und beobachten Intensiv den Landesverband sowie die Kreis­
verbande und dokumentieren deren AktiVitäten , um daraus Konsequenzen ziehen zu
können.
Verfassungsschutz i n Nordrhein-Westfalen hat sich neu aufgestellt
Nordrheln-Westfalen hat 201 3 als erstes Bundesland Konsequenzen aus dem be­
kannt gewordenen g rausamen Terror des sogenannten "Natlonalsozialistischen
Untergrundes" (NSU) gezogen und den Verfassungsschutz neu ausgerichtet. Neben
weitreichenden organisatorischen Maßnahmen wurden mit dem "Gesetz zur Neu­
ausrichtung des Verfassungsschutzes i n Nordrheln-Westfalen" die Forderungen und
Empfehlu ngen des U ntersuchungsausschusses des Deutschen B undestages und der
von der I nnen ministerkonferenz eingesetzten Kommission "Rechtsterrorismus" umge­
setzt.
3
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Der Verfassungsschutz liefert einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit. Die
Menschen brauchen Gewissheit: Der Verfassungsschutz Ist das Frühwarnsystem zum
Schutz u nserer Demokratie. Damit er Wirku ng entfalten kann, ist seine gesellschaft­
l iche Akzeptanz notwendig. Deshalb setzen wir vor allem auf Transparenz, mehr
parlamentarische Kontrolle und eine intensivere Aufklarung der Öffentlichkeit. In dem
neuen Verfassungsschutzgesetz finden sich auch genaue Vorgaben für den Ei nsatz
nachrichtendienstlicher Mittel wie z B. Vertrauenspersonen in der Szene Damit ist
das im Frühsommer 20 1 3 vom Landtag verabschiedete Gesetz zu einer Blaupause
für andere Lander und den Bund geworden .
Ralf Jäger, M d L
Min ister für I n neres und Kommunales
des Landes Nordrheln-Westfalen
4
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Inhaltsverzeichnis
1
Entwicklungstendenzen
1 .1
Der 'Nationalsozial istische U nterg rund' und die Konsequenzen für
den Verfassungssch utz - Neuausrichtung und u mfassende Novelle
des Verfassu ngssch utzgesetzes NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3
1 .2
Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 .3
Linksextremismus
1 .4
Ausländerextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1 .5
I slam ismus
2
Extremism u s in Zahlen
2.1
Betrachtung der Gesamtentwickl ung
2.1 .1
Gewaltdelikte der Politisch motivierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 . 1 .2
PropagandadelIkte
2.1 .3
Auswirkungen d e s Wahl kampfs zur B u ndestagswahl 20 1 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.2
Entwicklung der Phänomenbereiche der Politisch
motivierten Knmlnalltat
.
.
.
.
. .
.
. .
.
. . .
20
.
.
25
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.... ............. . . . . . . . . ...... . . . ......... ........ ........ . . . . . . .. . . . . . .......
. . . . . .
..
.
.
.
. . . . .
.
.
.
. . .
.
. . . . . . . . . . .. . . . . .
.
. . . . . . . . . .
. .
. . . . . . . . . . . .
13
16
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
2.2.1
........................... ...... . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .......... .......... ....
29
29
. . . 30
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Politisch motivierte Kriminalität-Rechts
.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
.
. . . . .
31
33
2.2.2
Politisch motivierte Kriminalität-Links . . . .
. . . . . . . . . . 36
2.2.3
Politisch motivierte Ausländerknm lnal ltät
. . . . . . . . . . 38
2 .2.4
Gefährdung durch den Islamistischen Terronsmus . . . . . . . . . . . . . .
.. . . . . . . . . . . . . . 39
2.3
Mitgliederpotenzial i n Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41
3
Rechtsextrem ism us
3.1
Parlamentsorientierter Rechtsextremismus .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... .............. ........... .............. . . . . . . ...... . . . .......
.
43
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43
5
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
6
3.1 . 1
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43
3 . 1 .2
Bürgerbewegung pro Köln e.v und Burgerbewegung pro N RW . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
3. 1 .3
Die Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 7
3.2
Aktionsorientierter Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 58
3.2 1
Neonazis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 58
3.2.2
Rechtsextremistische Skinheads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 66
3.3
Rechtsextremistische M u sik-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 70
3.4
Rechtsextremismus im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 8 1
4
Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 85
4.1
Parlamentsonentierter Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 85
4 1 1
Zusammenschlusse in der Partei ' D I E LlN KE*' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 85
4.1 .2
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 98
4. 1 .3
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 206
4.2
Aktlonsonentlerter Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 6
5
Ausländerextremismus .............................. . . . . . .... . . . . . ..... . . ......................... 231
5 1
Türkische Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
5. 1 . 1
Ü lkücü-Bewegu ng* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
5 1 .2
Föderation der Turkisch-Demokratischen Ideal istenvereine
In Deutschland eV * . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
5 1 .3
Revolutionare Volksbefreiungspartei/-Front (DH KP-C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
5 . 1 .4
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK); Volkskongress Kurdistans
(KONGRA-G E L) und u nterstützende Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
52
Tamilische Befreiungstiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
6
Islam ismus
6 1
I slamistisch motivierter transnationaler Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
6 1 .1
AI-Qalda u nd von I h r Insplnerte jlhadistlsche Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
.................................................................... ............................
257
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
6 . 1 .2
J lhad lstische und politische 'salaflstische Bestrebungen' in
Nordrhem-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
6. 1 . 3
I slamische Bewegu ng Usbekistans ( I B U ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
6 . 1 .4
I slamische J ihad U n ion ( I J U ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
6.2
Islamlstlsch motivierter Terrorismus mit regionaler Ausnchtung . . . . . . . . . . . . . 285
6.2.1
Islam1stische kurdische Netzwerke/Ansar al-Islam ( UnterstLitzer des
Islam) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
6.2.2
Nordkaukasische Separatisten-Bewegung (NKSB), vormals:
Tschetschenlsche Republik Ichkeriya/Tschetschenische
Separatisten bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
6.2.3
HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamlya - Islamische
Widerstandsbewegung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
6.2.4
H lzb Allah (Partei Gottes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
6.3
Gewalt befü rwortende Islamistische Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292
63 1
H izb ut-Tahrir ( I slamische Befreiungspartei - H uT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292
.
.
.
632
Kalifatsstaat (Hilafet Devleti) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
6.3.3
Türkische H lzbullah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
6.4
Legalistische, nicht gewaltonentierte Islamistische Organisationen . . . . . . 299
6 .4 . 1
M uslimbruderschaft (MB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
6.4.2
I slamische Gemeinschaft Milli Görü� (IGMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
7
Scientology Organisation (50)
8
Spionageabwehr
8.1
Erkenntnisse über nachnchtendienstliche Aktivitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1 7
8. 1 . 1
Volksrepublik China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1 7
8 . 1 .2
Russische Föderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1 9
8.1 .3
Islamische Republik I ra n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
8.1 .4
Benchterstattung in d e n Medien über nachnchtendienstllche
Aktlvitaten der USA und Großbntannlens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
.
.
.... . ................ ........................... . . .......... . . . .
.............. . . . . . . . . . . . . . . . ..... ............... ......... .............................
311
317
.
.
82
Abwehr von WirtschaftsspIonage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
8.3
Aufklärung und Abwehr von Proliferation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
7
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
8
9
Prävention, Aussteigerprogramme .
.....
333
10
Ü ber den Verfassu ngsschutz
.. . . ........ ....... . . . ....... . . . . . .. . . . . . ......... . . . ..............
343
1 0. 1
Aufbau, Organ isation , Haushalt, Personal . .
1 0.2
Verfassungsschutz durch Aufklarung - Öffentlichkeitsarbeit
11
Stichwortverzeichnis
.. ......... .................. . . . . . . . . . . . ..........
.
. . . . . . . . .
. . . .
.
. .
. . . . .
. .
.
. . . . . . . . . . . . .
. . .
.
.
. .
.
. .
.
.
. . . .
. . 343
.
. . . . 344
........... . . . . . . ................ ................ . . . ........ . . ..................
349
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Vorbemerkung
Dieser Verfassungssch utzberIcht u mfasst das Jahr 20 1 3; zeitlich danach liegende
Vorfälle und Entwicklungen sind punktuell angesprochen worden, wenn sie von grö­
ßerer Bedeutung sind. H i nweise auf Geschehn isse au ßerhalb Nordrhein-Westfalens
wurden aufgenommen, soweit sie fur das Verstandnis des Berichtes erforderlich sind.
Ergänzende I nformationen finden Sie Im I nternet unter www. mlk nrw de/verfassungs­
schutz.
Grundlagen und Zielsetzung des Verfassungsschutzes
Aufgabe des Verfassu ngsschutzes gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Ver­
fassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) ist es, bereits im Vorfeld von
konkreten Gefährd ungslagen I nformationen zu beschaffen, zu sammeln und auszu­
werten , die Bestrebungen oder Tätigkeiten betreffen,
die gegen die frei heitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bu ndes oder eines Landes gerichtet sind oder
darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bu ndes oder eines
Landes ungesetzlich zu beeinfl ussen , oder
die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen
auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefah rden oder
die gegen den Gedanken der Volkerverständlgung oder das friedl iche Zusammen­
leben der Völker gerichtet sind oder
die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde
Macht darstellen.
Die Verfassungsschutzbehörde sammelt hierzu die fur sie relevanten I nformationen
und wertet sie aus, wenn tatsächl iche Anhaltspunkte für eine Bestrebung gegeben
sind oder zumindest gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen
und Tatigkeiten vorliegen1 Weder eine kon krete Gefahr noch eine begangene Straf­
tat sind notwendig, um ihr Tätigwerden zu legitimieren Es ISt nicht Voraussetzung
für die Berichterstattung in den Jahresberichten, dass sich die Verdachtsmomente
bis zur Einschätzung einer Bestrebung als "verfassungsfeIndlich" verdichtet haben.
Der Verfassungsschutz arbeitet zum Schutz der Verfassung und des Gemeinwesens
im Vorfeld konkreter Gefahren oder Straftaten . E r hat bei der Wahrnehmung seines
gesetzlichen Auftrags im Wesentlichen Organisationen u nd Strukturen im Blick.
1
Diesen Fall kennzeichnen wir Im Bericht mit einem * hinter dem Organisationsnamen.
9
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Bel einer "Bestrebung" handelt es sich nach § 3 Abs. 3 VSG N RW u m politisch be­
stimmte, zlel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Perso­
nenzusammenschluss, der gegen die in § 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter gerichtet
ist. Ein "Personenzusammenschluss" setzt mehrere Personen voraus, die gemeinsam
handeln. E inzelpersonen stehen nicht unter der Beobachtung des Verfassungsschut­
zes, es sei denn, Ihr Verhalten ISt auf die Anwendung von Gewalt gerichtet oder von
ihnen geht eine erhebliche Gefahr für eines der Schutzgüter des Verfassungsschutz­
gesetzes aus.
Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundord n u ng
Im Zentrum steht der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - also
der nicht zur Disposition stehende Kern des Gru ndgesetzes (§ 3 Abs. 4 VSG N RW).
Hierzu zählen.
Das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und d u rch
besondere Organe der Gesetzgebu ng, der vollziehenden Gewalt und der Recht­
sprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, u nmittelbarer, freier,
gleicher und geheimer Wah l zu wählen;
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bin­
dung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht;
das Recht auf Bildung u nd Ausübung einer parlamentarischen Opposition;
die Ablösbarkeit der Regierung und deren Verantwortlichkeit gegenüber der Volks­
vertretu ng;
die U nabhangigkeit der Gerichte;
der Ausschluss Jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
die Achtung der Im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Auswärtige Belange der Bundesrepublik und Völkerverständigung
Daneben beobachtet der Verfassungsschutz Bestrebungen, "die durch Anwendung
von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlu ngen auswärtige Belange der
Bundesrepublik Deutschland gefahrden". H ier geht es beispielsweise um gewaltbe­
reite extremistische Gruppen mit Auslandsbezug , die vom Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland aus Gewaltaktionen vorbereiten , um eine gewaltsame Ä nderung der
politischen Verhältnisse im Ausland, insbesondere in ihren Heimatländern herbeizu-
10
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
führen und die dadurch die Beziehungen der Bu ndesrepublik Deutschland zu anderen
Staaten beemtrachtigen (§ 3 Abs. 1 N r. 3 VSG N RW).
Auch Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbeson­
dere gegen das friedl iche Zusammenleben der Völker gerichtet sind , gehören zu den
Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes (§ 3 Abs. 1 Nr 4 VSG N RW). Der
Verfassungsschutz beobachtet international operierende Gruppierungen, die bei­
spielsweise darauf abzielen, konfessionelle oder ethnische Gruppen im Ausland zu
bekämpfen In diesem Fall sind die Angriffe nicht auf die staatliche Ordnung oder die
Grenzen eines emzelnen anderen Landes gerichtet, sondern gegen bestimmte (Volks)
Gruppen i n den betreffenden Staaten Gegen den Gedanken der Völkerverstandigung
genchtet sind damit auch Gruppierungen, die d ie - notfalls gewaltsame - Rückgewin­
nung der ehemaligen deutschen Ostgebiete propagieren
Arbeitsweise des Verfassungsschutzes
Bei seiner Tätigkeit stützt sich der Verfassungsschutz in großem U mfang auf offenes
Material wie Zeitungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen , Radio- u nd Fernsehbe­
richte, Interviews und Parteiprogramme. Sensible I nformationen aus geschlossenen
Zirkeln werden h ingegen häufig m it nachrichtendienstlichen Mitteln gewon nen. Es
werden Vertrauenspersonen (V-Personen) eingesetzt, Zielpersonen observiert. I n be­
sonders g ravierenden E inzelfallen erfolgt eine U berwachung des Post- und FernmeI­
deverkehrs. Der E insatz nachnchtendienstlicher Mittel ist zur Aufklärung konspirativ
arbeitender verfassu ngsfeindlIcher Organisationen notwendig. Die Beschaffung von
I nformationen durch den Verfassungsschutz u nterliegt der Kontrolle des Parlamentan­
schen Kontrollgremiums des Landtags N RW und bel bestimmten, die Kommunikation
oder die Finanzierung von Bestrebungen betreffenden Maßnahmen der Kontrolle
durch eine u nabhängige Kommission (G 1 O-Kommission). Typischerweise geben
sich extremistische Organisationen m Ihren Programmen und öffentlichen Auftntten
gemäßigt, um ihre Akzeptanz u nd ihre Wahlchancen n icht zu beeinträchtigen Klartext
wird h äufig n u r in den inneren Zirkeln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit geredet.
Darüber muss der Verfassungsschutz verlassliche I nformationen erlangen, wen n er
sich ein realistisches Bild von den Zielen u nd den Methoden derartiger Organ isa­
tionen verschaffen und seinen Auftrag zur Beratung der Politik u nd Aufklarung der
Öffentlichkeit erfül len will.
11
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
12
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Entwicklungstendenzen
1
1.1
Der 'Nationalsozial istische U ntergrund' und die Konsequenzen für den
Verfassungsschutz - Neuausrichtung und umfassende Novelle des
Verfassungsschutzgesetzes N RW
Die Mordsene des 'Nationalsozialistischen Untergrundes' (NSU) ist jahrelang n icht
aufgeklärt worden . Gravierende Ermittlu ngsfehler haben zu Konsequenzen für die
zukünftige Arbeit der Sicherheits- und damit auch für die Verfassungsschutzbehorden
in Bund und Landern geführt Ein "Welter so" konnte es für den Verfassungsschutz
NRW nicht geben .
Empfehlungen zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
Die Versaumn isse der Sicherheitsbehörden sind vom Parlamentanschen U nter­
suchungsausschuss des Deutschen Bu ndestages, der B und-Länder Kommission
"Rechtsterronsmus" sowie der Konferenz der Innenmin ister und -senatoren der Län­
der ( I M K) aufgearbeitet worden . Dabei wurden auch Forderungen und Empfehlu ngen
zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes formu liert.
Der Abschlussbericht des U ntersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages
stellt insgesamt 47 Forderungen und Empfehlungen an Polizei, Justiz und Verfas­
sungsschutz auf, von denen 1 6 die Verfassungsschutzbehorden des Bundes und der
Lander betreffen Der Verfassungsschutz NRW wird zwar n u r am Rande erwähnt,
gleichwohl war das Bekanntwerden der Verbrechen des NSU von Beginn an Anlass
für eine kritische U berprüfung seiner Arbeit und seiner Strukturen mit dem Ziel einer
realen Neuausrichtung.
Die Konferenz der I nnenmin ister und -senatoren der Länder ( I M K) hat auf Ihrer Sit­
zung am 6. und 7 Dezember 20 1 2 Ziele u nd Maßnahmen zur Neuausrichtung des
Verfassungsschutzes beschlossen, insbesondere
die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle,
die Verbesserung der Zusammenarbeit aller Verfassu ngsschutzbehörden i m Ver­
fassungsschutzverbund , mit den PolIzeibehörden sowie die stärkere Wahrneh­
mung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
13
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
ein heitliche Regelungen und Standards fur Einsatz und Führung von Vertrauens­
personen.
I nzwischen sind fur den Verfassungsschutz i n N RW die Forderungen und Empfehlun­
gen des U ntersuchungsausschusses des Deutschen B undestages, der I n nenminis­
terkonferenz sowie der von der I n nenministerkonferenz eingesetzten Bund-Lander­
Kommission Rechtsterrorismus nahezu vollständig u mgesetzt.
Bei der U msetzung bestand allgemeiner Konsens - sowohl von Seiten der Exekutive
als auch von Seiten des nord rhein-westfälischen Landtags -, dass eine weh rhafte De­
mokratie einen leistungsfähigen und transparenten Verfassungsschutz braucht. Ziel
der Neuausrichtung war und ist ein in der M itte der Gesellschaft verankerter Verfas­
sungsschutz, dessen demokratisches Selbstverstandnis geprägt ist von Rechtsstaat­
lichkeit u nd Kooperation.
Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes N RW
Die zentralen Punkte der Reform wurden in Nordrhein-Westfalen bereits durch das Ge­
setz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen vom 2 1 . Juni
20 1 3 umgesetzt. Die wesentlichen Neuerungen sind:
Bessere Kontrolimögl ich keiten des Landtags
Das Gesetz stärkt die parlamentansche Kontrolle des Verfassungsschutzes. Denn
nur eine wirksame Kontrolle schafft Transparenz und Vertrauen in die Arbeit des
Verfassungsschutzes. Der Verfassungssch utz ist zu einem struktu nerten Benchts­
wesen gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgrem ium verpflichtet E r hat
dem G remium über seine bereits bestehende U nterrichtungsverpfl ichtung h i naus
regelmäßig über Vorgänge und operative Maßnahmen von besonderer Bedeutung
sowie uber den E insatz von Personen zu r I nformationsgewinnung zu berichten. Es
besteht eine Bringschuld des Verfassungsschutzes. Das Parlamentansche Kontroll­
gremium ISt vor dem Erlass der Dienstanweisung zur Führung von Vertrauensper­
sonen zu hören
Klare Regeln für die Arbeit von Vertrauenspersonen
Das Gesetz grenzt den Einsatz von Vertrauenspersonen durch klare Regeln ein.
Erstmals wird ausdrucklich gesetzlich normiert, unter welchen Voraussetzungen eine
Person zur I nformationsbeschaffung eingesetzt werden darf, wann die Zusammenar­
beit zu beenden ist und wann die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten sind.
14
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Absch l ießender Katalog der 1 5 nachrichtendienstlichen Befug n isse des
Verfassungsschutzes
Alle nachnchtendienstlichen Mittel, die der Verfassu ngsschutz N RW einsetzen darf,
sind abschließend aufgezählt. Konkreter gefasst wurden vor allem die Befugnisse
zum E insatz technischer H i lfsmitte l . Die Befugnis zur Woh n raumüberwachung
wurde gestrichen
Konzentration auf den gewaltbereiten Extremismus bei m Einsatz nachrich­
tendienstlicher M ittel
Der Verfassungsschutz setzt seinen Schwerpunkt beim E insatz nachnchtendienst­
licher Mittel nunmehr auf die Beobachtung von verfassungsfeindlichen gewaltonen­
tierten Bestrebu ngen. Von diesen gehen die größten Gefahren für d ie freiheitliche
demokratische Grundordnung aus. H ierauf muss der Verfassungsschutz seine
Ressourcen vorrangig konzentrieren. Der nordrheln-westfällsche Verfassungs­
schutz ist zugleich zu einem Intensiven I nformationsaustausch mit dem B undesamt
für Verfassungsschutz verpflichtet.
Wahrnehmung der Rolle als gesellschaftliches Frühwarnsystem auch durch
Präventionsmaßnahmen
Der Verfassungsschutz nimmt seine Rolle als gesellschaftl iches Frühwarnsystem
wah r, indem er über Gefahren aufklärt, die von verfassungsfelnd ilchen Bestrebun­
gen ausgehen. E r tritt solchen Bestrebungen durch Angebote zur I nformation an
die Bevölkerung und durch Unterstutzung von Ausstiegswil ligen aus der extremis­
tischen Szene entgegen. Aussteiger und Aussteigennnen sollen wieder Fuß in der
demokratischen Gesellschaft fassen können
Interne U mstrukturierung des Verfassungsschutzes N RW
Durch ein Bündel von Maßnahmen ist im Berichtsjahr auch eine grundlegende Um­
strukturierung des nord rhein-westfälischen Verfassungsschutzes erfolgt. Auf der
Grundlage der Vorschläge eines externen Sachverständigen sind die Strukturen und
Abläufe vor a l lem im Bereich der I nformationsbeschaffung und -verarbeitung neu
geordnet worden.
Parallel wurden die Aufbauorgan isation des Verfassu ngsschutzes und die Aufgaben­
zuordnung in wesentlichen Punkten neu geordnet. D ies betraf vor allem die
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
15
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
Zusammenlegung von Auswertung und Beschaffung im Jeweiligen Phanomenbe­
reich,
Gn.indung eines elgenstandiges Schwerpunktreferates "Auswertung und Beschaf­
fung Rechtsextremismus und -terrorismus",
Stärkung der Prävention und des Aussteigerprogrammes Rechtsextremismus und
des a n Salafisten gerichteten Präventionsprogrammes "Wegwelser" durch die
B i ldung eines eigenen Referats,
Verstärkung der Internetauswertung
Fazit und Ausblick
M it den Neuerungen stellt sich der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen den
Anforderungen a n einen modernen und transparenten Verfassu ngsschutz. Die inter­
nen Arbeitsabläufe wurden optimiert. Die Zusammenarbeit mit den übrigen Sicher­
heitsbehörden wurde sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene intensiviert. Auf
neue Entwicklungen in den verschiedenen Phanomenbereichen kan n schneller und
effektiver reagiert werden
E i n ernsthaftes Bemühen um eine wirkliche Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
heißt aber auch , dass dieses ein ständiges Thema bleiben muss und die Arbeitsweise
und die Strukturen des Verfassungsschutzes regelmaßig auf dem Prüfstand stehen
1 .2
Rechtsextremismus2
'Nationaldemokratische Partei Deutschlands' (NPD)
Die 'Nationaldemokratische Partei Deutschlands' (NPD) setzt auch u nter dem E i n­
druck des eingeleiteten Verbotsverfah rens Ihre rechtsextremistischen politischen Ak­
tivitäten fort Diese sind geprägt durch Demokratiefeindschaft, Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus, Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus In N RW
2
Zur Erfullung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Ver­
fassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, uber eine Organisation
zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Ver­
dachtsmomente bIS zur Einschätzung als " verfassungsfeIndlich" verdichtet haben. SoweIt nur
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies mit der KennzeIchnung (*) ausdrücklIch
hervorgehoben.
16
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
setzt sie zudem stark auf eine Kampagne gegen Asylanten sowie gegen Sinti und
Roma, m it der Migranten pauschal als kriminell diffamiert und herabgesetzt werden .
Insbesondere Im B undestagswahlkampf schürte sie Ä ngste vor kriminellen Auslän­
dern und dem Islam . Gerade auch M uslime sind seit Jahren Opfer der NPD-Hetzpro­
paganda. M it ihren Kampagnen erzielte die N P D led iglich eine geringe Resonanz. Auf
Bundesebene erreichte die NPD bei der B undestagswah l am 22. September 20 1 3
ein Ergebnis von 1 ,3% (-0,2% gegenuber 2009) der Zweitstimmen und kam damit
noch in den Genuss der staatlichen Wah l kampfkostenerstattung. In N RW konnte die
NPD ihr Ergebnis - trotz konkurrierender Wahlantritte von 'pro Deutschland' und der
Partei 'Die Rechte' - sogar leicht verbessern. Bel den Zweitstimmen erzielte sie 1 ,0%
(+0, 1 % )
=
absolut 94.270 Zweitstimmen . Zumindest auf Bundesebene kann man bei
rund 635 000 Erst- und ca . 560.000 Zweitwah lerstimmen nicht von einer Marglnallsle­
rung der NPD sprechen.
Am 23. Dezember 20 1 3 trat der Parteivorsitzende Holger Apfel von semem Amt zu­
ruck und aus der Partei aus. Wahrend Apfel für diesen Sch ritt persönliche Gründe
angab, wurden innerparteilich gegen seine Person Vorwürfe eines u ngebührl ichen
Verhaltens während des Bundestagswahlkampfes erhoben. Dieser radikale Bruch traf
die Partei u nerwartet. Noch auf dem N PD-Bu ndesparteitag, der bezeich nenderweise am Geburtstag Adolfs H itlers am 20. April 201 3 In Weinheim stattfand, hatten die
Delegierten Holger Apfel trotz anhaltender Kritik an der fi nanziellen Lage der Partei
und einer schwindenden MItgliederzahl wieder zum ParteivorsItzenden gewählt Zum
kommissarischen Nachfolger wurde Udo Pastors ernannt. Dieser war seit langem der
scharfste i nnerparteil iche Rivale des bisherigen Parteivorsitzenden und hatte nur dar­
auf gewartet, diesen abzulösen. Apfels Kurs der "seriösen Rad ikalität" war von Anfang
an i nnerparteilich umstritten und führte zu dauerhaften S pannungen mit der Neonazi­
Szene, auf deren Unterstützung d ie Partei - auch in N RW - d ringend angewiesen
1St. In N RW zeichnet sich im Berichtsjahr eine weitere Erosion des Landesverbandes
der NPD ab, der durch Ü bertritte von Funktionaren sowie aktiven und jüngeren M it­
gliedern zur Partei 'Die Rechte' forciert Wird Bel den Wahlen im Jahr 2 0 1 4 m uss Sich
die NPD I n N RW g leich gegen mehrere rechtsextremistische Parteien behaupten .
Allerdings könnte es der N PD u nter für sie günstigen Rahmenbedingungen in ein igen
Kommunen gelingen, örtlich begrenze Wahlerfolge zu erZielen. Bei einer anhalten
Abwanderung gerade der jüngeren und aktionsorientierten Parteimitglieder steht die
N P D vor einem Rückfall i n die Ä ra vor der AmtsLibernahme von Udo Voigt. Diese war
gekennzeichnet durch einen überalterten M itgliederbestand und eine Stlgmatisierung
ENTWICKLUNGSTENOENZEN
17
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
der N P D als rechtsextremistische Splitterpartei mit Wahlergebnissen auf Bundesebe­
ne von deutlich u nter 1 % .
'Pro Köln e.V.' u n d 'pro N RW'
'Pro Köln eV' und 'pro N RW' setzen i h re pauschale Herabsetzung und Diffamierung
von M inderheiten als Schwerpunkt ihrer Politik fort. Dies gilt insbesondere für Musli­
me, die als Bedrohung oder n icht Integrierbar dargestellt werden . Vor allem mit loka­
len Kampagnen gegen Moscheebauten schürt die pro-Bewegung Ressentiments u nd
Ä ngste. Im Jahr 201 3 agitierte sie auch verstärkt gegen Asylbewerber Dazu füh rte
sie zahlreiche Kundgebungen vor Asylbewerberhelmen durch und verbreitete in ihrer
Kampagne fremdenfeindliche Vorurteile. Im Laufe des Jahres intensivierte 'pro Köln
eV' und 'pro N RW' ihre antiziganistische Kampagne. Der Zuzug i n einigen Kommu­
nen nahm die pro-Bewegung zum Anlass, die Gruppe der S i nti u nd Roma pauschal
abwertend, i nsbesondere aber auch als kriminell darzustellen . Samtliche Kampagnen
gegen M inderheiten der pro-Bewegung folgten dem Muster, lokale Konflikte aufzu­
greifen, zu dramatisieren und fremdenfeindl ich zuzuspitzen Statt nach konstruktiven
Lösungen zu suchen, stellten 'pro Köln e V.' und 'pro N RW' die Jeweiligen M inderhei­
ten als Sundenböcke dar und delegltlmlerten ihre Grundrechte.
Die pro-Bewegung versucht eine breite Öffentlichkeit anzusprechen und stellt Sich
daher im Gegensatz zu anderen rechtsextremistischen Parteien in N RW als bürger­
lich dar Gleichwohl entspricht i h re Propaganda zum Teil wortgleich der der N P D u nd
der Partei 'Die Rechte'. So wurde der diffamierende Slogan "Geld für die Oma, statt
fur Sinti und Roma" von a llen d rei rechtsextremistischen Parteien benutzt. Nachdem
die Sicherheitsbehörden I m März 20 1 3 einen Anschlagsversuch von Islamisten auf
den Vorsitzenden von 'pro Köln e.V.' u nd 'pro N RW' frühzeitig vereiteln konnten , redu­
zierte die pro-Bewegung die Provokation von gewaltbereiten Salafisten. Stattdessen
beschränkte sie Sich auf Demonstrationen vor geplanten oder schon errichteten Mo­
scheen , Asylbewerbereinrichtungen oder uberwiegend von S inti und Roma bewohn­
ten Häusern . Dabei konnte sie in der Regel n u r zwei bis drei Dutzend Parteianhänger
mobilisieren .
Um Aufmerksamkeit zu erringen, nutzt 'pro N RW'/'pro Köln' intensiv das I nternet. Zur
B u ndestagswahl trat man nicht an. Allerdings wird 'pro Koln' an der Kommu nalwahl
N RW teilnehmen , für die zeitgleich stattfindende Europawahl wurden die zur Tei lnah­
me notwendigen U nterschriften gesammelt. Da bel der Kommunalwahl keine Sperr-
18
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
klausel gilt, ist damit zu rechnen, dass 'pro N RW' I n Ihren Schwerpu nktregionen I n der
Rheinschiene sowie im Ruhrgebiet ein ige Mandate gewinnen wird.
'Die Rechte'
Nach dem Verbot der Kameradschaften in Hamm, Dortmund und Aachen d u rch den
Minister für I nneres u nd Kommunales N RW a m 23 August 201 2 grundete sich am
1 4. September 201 2 der Landesverband der Partei 'Die Rechte' mit Inzwischen neun
Kreisverbänden und einem Bezirksverband. Personell stellt 'Die Rechte' in N RW I n
wesentlichen Teilen e i n e Auffangorganisation d e r verbotenen Kameradschaften dar.
Sowohl die Führung als auch ein Tell der M itglieder setzen ihre Aktivitäten innerhalb
der Partei 'Die Rechte' fort. H inzu kommen ehemalige Mitglieder der N PD , denen der
Kurs unter dem ehemaligen Vorsitzenden Holger Apfel zu moderat war. Ideologisch
steht 'Die Rechte' In Kontinuität zu den verbotenen Kameradschaften. Kennzeichen
sind weiterh i n Demokratiefeindschaft, Fremdenfeindl ichkeit, Verherrlichung des Nati­
onalsozialismus und Antisemitismus. Dies vertritt die Partei I n einer aggressiv-kämp­
ferischen Weise, die sich vor allem durch Einsch üchterungsversuche des politischen
Gegners auszeichnet
Die Partei 'Die Rechte' nutzt das Parteien privileg als Organisationsstrategie. S ie ver­
sucht ihre bisherigen neonazistischen Aktivitäten u nter diesem Schutzschirm weiter­
zufiJhren. So wurden fast alle neonazistischen Demonstrationen und Kundgebungen
Im Jahr 20 1 3 I n N RW von der Partei 'Die Rechte' angemeldet. Dabei entsprachen d ie
Veranstaltungen dem Auftreten der Kameradschaften und Autonomen Nationalisten I n
d e n vergangenen Jahren. Ferner engagierte sich die Partei als Ausnchter von rechts­
extremistischen Konzerten und den Nationalsozialismus verherrlichenden Veranstal­
tungen, wie z . B . einer Weihnachtsfeier im nationalSOZialistischen Stil
Die Parteifuhrung in NRW setzt darauf, Parteiaktivitaten zu entfalten , um als Organi­
sation formal d ie Anforderu ngen an eine Partei zu erfüllen. Vor d iesem Hinterg rund
trat die Partei auch mit einer Landesliste N RW zur Bundestagswahl an. Sie zeigte je­
doch kaum Engagement i m Wahlkampf und erreichte i n N RW insgesamt 2 .288 Wäh­
lerstlmmen, was einen prozentualen Anteil von 0 , 024% a usmacht. Den noch sieht sie
den Wahlantritt als Erfolg, weil dadurch der Parteienstatus weiter gestärkt wurde. Par­
teiaktivitäten waren fast a usschließlich In den Kreisverbänden Dortmund und Hamm
zu verzeichnen. Derzeit beabsichtigen drei Kreisverbande an der Kommunalwahl a m
25. Mai 201 4 teilzunehmen. Für die Europawahl i s t d i e Partei nicht zugelassen, da sie
nicht ausreichend U nterstutzungsuntersch riften sammelte.
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
19
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
Neonazis
Die hauptsächlich durch Kameradschaften und Autonome Nationalisten geprägte
Neonazi-Szene in N RW befindet sich seit 20 1 2 In einem tiefgreifenden strukturellen
Umbruch. Zugleich behielt sie die Ideologie und die subkulturelle Ästhetik bel. Die
Hauptursachen fu r den U mbruch waren d ie Kameradschaftsverbote sowie straf­
rechtlichen Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen den
'Freundeskreis Rade' und das 'Aktionsbüro M ittelrhein'. Letzteres wird in Rheinland­
Pfalz durchgeführt, betrifft Indes aber auch fuhrende Neonazikader aus Nordrhein­
Westfalen. Die Reaktion in der Neonazi-Szene reichte von der Auflosung beziehungs­
weise dem Zerfall der Organisationen über eine Lähmung oder eine I naktivität der
vormaligen Kameradschaften bis hin zur Reorganisation der Führung und einem Tell
der Mitglieder innerhalb des im September 20 1 2 gegrü ndeten Landesverbandes der
Partei 'Die Rechte'. Damit einhergehend vollzogen sich weitere Veränderungen in
der Neonazi-Szene - weg von der recht klaren Trennung zWischen parlaments- und
aktionsorientierten Organisationsformen hin zu einer MIschform. Verschiedene kleine,
lose strukturierte Gruppierungen, die nicht der Partei 'Die Rechte' beigetreten sind,
nehmen gleichwohl an den Veranstaltungen der Partei teil und begreifen sie als Gravi­
tationszentrum der nord rhein-westfälischen Neonazi-Szene.
1 .3
Linksextremismus3
Ström u ngen und Zusammenschlüsse i n der Partei 'DIE LlN KE*'
'Die Linke*' wird vom Verfassungsschutz nicht als Partei beobachtet. Sie lässt aller­
d ings innerparteilich Zusammenschlüsse zu und fördert d iese teilweise sogar, bel
denen entweder Anhaltspunkte für eine linksextremistische Bestrebung vorliegen oder
d ie zumindest den Verdacht begründen. Es handelt sich dabei um die Zusammen­
schlusse 'Antikapitalistische Linke*' (AKL), 'Sozial istische Linke*' (SL), 'Kommunisti­
sche Plattform' ( KPF) und 'Linksjugend ['sol id]'. ' D I E LlNKE*' sieht d iese als wichtigen
Bestandteil der Partei an und gewährt ihnen durch die Satzung spezielle Rechte und
finanzielle U nterstützu ng.
Gemeinsam ist - in unterschiedl icher dogmatischer Schärfe - d iesen Zusammen­
schlüssen, dass nicht nur das "kapitalistische System" in der B undesrepublik Deutsch­
land überwunden werden soll, sondern eine sozial istische Staats-, Gesellschafts- und
3
20
Siehe Fußnote 2.
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassu ngssch utzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Wirtschaftsordnung i n Deutschland angestrebt wird , die mit der freiheitlichen demo­
kratischen Grundordnung nicht mehr zu vereinbaren 1St.
Die Zusammenschlüsse haben weiter E influss In der Gesamtparte I . I nsgesamt beste­
hen daher in Nordrhein-Westfalen hinsichtlich dieser Zusammenschlüsse weiterh i n
Anhaltspunkte fur e i n e linksextremistische Bestrebung oder zumindest Verdachtsmo­
mente dafür.
'Deutsche Komm u n istische Partei' (DKP)
Sei ein igen Jahren wird i n der DKP ein heftiger Streit zwischen dem orthodox-kommu­
nistischen u nd dem reformenschen Flügel geführt. Auf dem 20 Bu ndesparteitag am
2 ./3. März 201 3 hat sich bei der Neuwahl des Parteivorstands die orthodoxe Strö­
mung klar durchgesetzt. Einheit der Partei, Kaderbewusstsein und zentrale Steuerung
dürften i n Zukunft daher wieder einen höheren Stellenwert gewinnen.
Stagnation der MItgliederzah l , U beralterung und mangelnde Organisationsdichte
haben dazu beigetragen, dass die DKP zur Bundestagswahl nur mit wenigen Direkt­
kandidaten angetreten ist. An der Europawahl 2 0 1 4 Will sie mit einer eigenen Liste
teilnehmen Der Schwerpunkt wird jedoch auf den Kommu nalwahlen in Nordrhein­
Westfalen I n 201 4 l iegen .
Wah l politisch i s t u nd bleibt d i e DKP bedeutungslos. U m als politische Kraft noch
wahrgenommen zu werden , ist für die Partei die Arbeit in der "außerparlamentari­
schen Opposition" sehr wichtig, d.h die Gewerkschafts- und Betnebsarbelt sowie
In Bündnisstrukturen auf verschiedenen Gebieten. Klassische Themen wie Kaplta­
l ismuskntlk, Antifasch ismus und SOZiale Gerechtigkeit, "moderne" Forderungen wie
ökologischer Umbau, mehr Demokratie und Selbstbestimmung werden dabei m it
kommunistischer I deologie verkmipft.
'Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands' ( M LPD)
Die MLPD ist zur Bu ndestagwahl 20 1 3 angetreten I h re kommu nistische Ausrich­
tung, die sich offen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des G rund­
gesetzes wendet, hat sie im Wahlkampf keineswegs verhehlt. Das Ergebnis zeigt
allerdings, dass sie zwar Potenziale über ihrer M itgliederzahl mobilisieren kann,
Jedoch bleibt sie weiterhin wahlpolitisch bedeutungslos Durch eine a ngebliche
"Antikommunismus"-Kampagne wähnt sie sich verfolgt und fühlt Sich im politischen
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
21
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
S pektrum benachteiligt. Zur E u ropawahl am 25. Mal 2 0 1 4 will die MLPD als Mitglied
des ihr nahestehenden ' I nternationale(n) Zusammenschluss(es) revolutionarer Partei­
en u nd Organisationen' (ICOR) antreten. Wichtiger dürften allerdings die Kommunal­
wah len in Nordrhem-Westfalen sein; hier beabsichtigt sie, Ratsmandate des von Ihr
maßgeblich beeinflussten Wahlbündnisses 'AU F*' zu verteidige n .
I h re Aktionsschwerpunkte sieht d i e M L P D a u ßerhalb d e s Parlamentarismus. D i e
Partei vermittelt weiterh i n d e n Eindruck, sich a u f einer Reihe von Themenfeldern zu
engag ieren.
Traditionell arbeiten MLPD-Mitglieder in Betriebsräten bzw Gewerkschaften m it; i n
arbeitspolitischen oder -rechtlichen E inzelfällen engag iert sich die Partei zudem I n
"Solldaritatskreisen". D a s Spektrum d e r Themenfelder reicht ferner über Umwelt- u nd
Frauenfragen bis hin zum internationalen E ngagement Im Rahmen der I COR. Die
Partei unterstutzt z.B. den Aufbau einer "überparteilichen und kampferischen Um­
weltgewerkschaft" i n Deutschland, deren Gründung bis Herbst 2014 geplant ist. Das
Engagement Im U mweltschutz dürfte vor allem auch der Gewinnung neuer M itglieder
d ienen
Offenkundig ist die maßgebliche Beeinflussung und Unterstützung des 'Fra uenver­
bandes Courage eV*' d u rch die MLPD, dem Ende 20 1 2 die Gemeinn ützigkeit entzo­
gen wurde.
Aktionsorientierte/Autonome Szene 201 3
Während das Themenfeld Antifaschismus jahrelang den deutlichen Schwerpunkt der
Aktivitäten der linksextremistisch-autonomen Szene bildete, kann von einer solchen
Dominanz nicht mehr gesprochen werden. M indestens gleichermaßen bedeutsam
sind i n Nordrhein-Westfalen und I n anderen Bu ndeslandern m ittlerwei le die Themen­
felder Antikapitalismus, AntirassIsmus u nd Antlrepression, die oftmals thematisch
miteinander verknüpft werden. I m Jahr 201 3 hat vor allem der Antirassismus als
autonomes Themenfeld an Bedeutung gewon nen.
Die stärkere Verknüpfung der Themenfelder Antifaschismus und Antirassismus wurde
deutlich an den Ausei nandersetzungen mit den rechtsextrem istischen Parteien N P D
und ' D i e Rechte' i m B undestagswah l kampf. Allerdings geriet auch d i e Partei Alter­
native für Deutschland (AfD) in den Fokus der Szene. Mehrfach kam es zu Angriffen
LInksautonomer auf Wahlhelfer, Veranstaltungen und Einrichtungen der Partei
22
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Der aktlonsonentlerte Protest Im Themenfeld Antifasch ismus ist nach wie vor auf der
Agenda der linksextremistischen Szene. Mobilisiert wurde vor allem gegen Veranstal­
tungen der Partei 'Die Rechte'. I nsbesondere wurde gegen den sogenannten "Trau­
ermarsch" In Stolberg und gegen Aufmärsche in der Trad ition des "Antikriegstages" i n
Dortmund demonstriert. Uberg riffe und Blockadeversuche gegen die Polizei und den
politischen Gegner gehen i m unmittelbaren Demonstrationsgeschehen zumeist von
LInksautonomen aus. Eine neue Qual ität stellte die Outing-Aktion an der Ruhru niver­
SItät In Bochu m dar, bei der es Anfang Dezember zu Auseinandersetzu ngen zwischen
Vorlesungsteilnehmern und Linksextremisten kam.
Antikapitalismus bleibt ein Dauerthema für die Szene, verknüpft mit AntirassIsmus,
Antlmilitansmus und Antlrepression. Zu nennen Sind hier die "Blockupy-Aktionstage"
In Frankfurt und die Proteste In Köln gegen den G8-Gipfel in Nord irland.
Ein weiteres Dauerthema für die Szene bleibt auch die Auseinandersetzung im The­
menfeld "Antimilitarismus", die auch Immer antikapitalistische und antiimperialistische
Akzente hat. Traditionell thematisieren aktionsorientierte Linksextremisten seit meh­
reren Jahren das Engagement der B undeswehr im I n- und Ausland, indem sie deren
Werbemaßnahmen in Schulen, Arbeitsagenturen u nd sonstige Veranstaltungen stören
sowie Sachbeschädigungen gegen die B undeswehr selbst oder deren DIenstleister
verüben . D u rch derartige spektakulare Aktionen soll ein hohes Maß an ÖffentlIchkeIts­
wirkung erzielt werden. I n diesem Jahr konzentrierte Sich die linksautonome Szene
vor allem auf den Prozess gegen den deutschen Offizier, der Anfang September 2009
den Angriff auf den Tanklastzug in Kunduz (Afghanistan) befohlen h atte Sowohl In
der Nähe des Wohnortes des Offiziers als auch vor Genchten In Köl n und Bon n , bel
denen Prozesse wegen Schadenersatzforderungen von Angehöngen der dabei um­
gekommenen Opfer anhängig waren, kam es mehrfach zu Protesten und erheblichen
Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien.
Die Polizei als angeblicher "Vertreter des Repressionsapparates" und "Beschützer
der Rechten" steht verstärkt im Fokus der linksautonomen Szene. Gewalt gegen die
Polizei als I nstitution und gegen einzelne Polizeibeamte wird als Teil des "politischen
Kampfes" gerechtfertigt bis hin zur billigenden I n kaufnahme von schweren Verletzun­
gen. Festzustellen ISt h ier eine Sinkende Hemmschwelle. Dies zeigte Sich wiederum
bel den gewalttätigen Auseinandersetzungen am 2 1 . Dezember 201 3 anlasslich der
Demonstration rund u m die Rote Flora i n Hamburg .
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
23
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
1 .4
Ausländerextremismus 4
PKK
Für die seit dem 26. November 1 993 I n Deutschland mit einem Betätigu ngsverbot be­
legte 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK) sind d ie westeuropäischen Staaten einerseits
ein Ruckzugsraum, In dem die fi nanzielle und logistische U nterstützung des Kampfes
für eine Starkung der kulturellen und politischen Eigenständigkelt der Kurden organi­
siert wird Andererseits werden aktuelle Entwicklungen in den kurdischen Siedlu ngs­
gebieten, I nsbesondere der Verlauf von Kampfhandlu ngen i n der Türkei und I n SYrien ,
als Anlässe für Aktionen (zu m Beispiel Demonstrationen, Solidaritätsveranstaltungen)
genutzt, um die emotionale Bindung der PKK-Anhänger a n die Organisation zu fes­
tigen und gleichzeitig ein mögl ichst großes mediales I nteresse für das Anliegen der
PKK zu wecken. Nachdem die Kampfhandlu ngen bisher vorwiegend Im türkisch-i ra­
klschen Grenzgebiet stattgefu nden haben, wurde im Frühjahr 20 1 3 ein schrittweiser
Ruckzug der Guerillaeinheiten der PKK aus der Türkei i n den Nordirak angeboten.
Dies knupfte a n die bereits E nde des Jahres 201 2 begonnenen "Frledensverhandlun­
gen" an. Der tatsächl iche Verlauf des Friedensprozesses gestaltet s ich allerdings aus
Sicht der PKK-Fuhrung nicht zufriedenstellend, so dass d ie Rückzugsbewegungen Im
Herbst 20 1 3 vorläufig ausgesetzt wurden. Gleichzeitig hat die PKK ihren Kampf zur
D u rchsetzung der Interessen von Kurden i n Syrien erheblich verstarkt.
E i n weiteres zentrales Thema, das für eine starke Emotionalisierung unter den P KK­
Anhängern sorgte und damit Auslöser für Aktivitäten darstellte, war d ie Ermordung
von d rei AktiVistinnen der PKK im Kurdistaninformationsbüro i n Paris am 9. Januar
20 1 3. Die Haftsituation Abdullah Öcalans ist nach wie vor ebenfalls ein geeignetes
Thema, um PKK-Anhanger zu mobilisieren.
Bel der Durchführung von Großveranstaltu ngen , d ie sowohl für die Generierung von
Geldern als auch zur Werbung für die Organisation genutzt werden , lag im Jahr 20 1 3
ein regionaler Schwerpunkt der - friedlich verlaufenen - Veranstaltungen I n Nord­
rhein-Westfalen .
4
24
SIehe Fußnote 2
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassu ngsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
1 .5
Islamismus5
Salafismus/J ihadismus
I n nerhalb des islamistischen Spektrums haben sich salaflstische Bestrebu ngen zu
der am schnellsten wachsenden extremistischen Bewegung entwickelt. Die Szene ist
I m Jahr 20 1 3 nochmals a ngewachsen. Die Zahl der I n Nordrhein-Westfalen aktiven
Salafisten lag im Berichtsjahr bel 1 .500 Personen (Bund: 5 500).
Der Anstieg der Zahlen i m Bereich Salafismus hat verschiedene U rsachen. Er ist
einerseits das Ergebnis einer intensiven Aufklarungsarbelt der Sicherheitsbehorden,
die der Beobachtung salafistischer Bestrebungen einen besonders hohen Stellenwert
beimessen. Dadurch gelingt es immer häufiger, salaflstlsche Personennetzwerke
aufzudecken. Andererseits verzeichnet die salafistische Ideologie i nsbesondere u nter
Jugendlichen einen starken Popularitatszuwachs. So ist die Zahl der j ungen Men­
schen , die Sich von salaflstlschen Predigern und Ihren immer aggressiveren Propa­
ganda-Methoden beeinflussen lasse n , I m Benchtszeltraum auch faktisch a ngestiegen .
Es bestehen Anzeichen dafür, dass sich diese Entwicklung perspektivisch fortsetzen
wird, wen n dem nicht durch verstärkte präventive Anstrengu ngen entgegengewirkt
werden kann.
I m Salafismus hat sich der Trend h i n zu einer "Jugendkultur" weiter verfestigt Der
Salafismus bietet gerade j ungen Menschen ein einfaches, aber gleichermaßen auch
gefahrliches Lebensmodell. Selbsternannte rel igiöse Autontäten defi nieren, wer "gläu­
big" und wer "ungläubig" ist, geben ei nfache Antworten auf alle Fragen des Lebens
und verlangen von ihren Anhängern ein regelkonformes Verhalten i m Sinne der sala­
fistischen Ideologie. Gleichzeitig bieten S alaflsten J ugendl ichen das Gefühl, I n einer
Gemeinschaft g leichgesinnter Geborgenheit und Anerkennung zu finden. Sie locken
Ihre Anhänger mit dem Versprechen , durch das "richtige" Verständnis des I slam welt­
weit soziale Gerechtigkeit schaffen zu kön nen, moralisch u nd rel igiös höherwertiger
als Ihre Kritiker zu sein und sich dafur gottlichen Lohn und schließl ich den E intritt ins
Paradies zu Sichern Gerade dieser letzte Punkt ist ein essentielles Element der Sinn­
gebung I nnerhalb der salafistischen Ideologie.
Die salafistische Szene hat Sich weiter I n Richtung eines "Lifestyles" entwickelt Sie
schafft Zugehörigkeit durch einen eigenen Kleidungssti l , besondere Symbole, einen
von arabisch-islamischen Formeln d urchsetzten Sprachcode sowie einen strengen
5
Siehe Fußnote 2.
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
25
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Verhaltenskodex. Mit ihren häufig p rovozierend wirkenden Ä u ßerungen u nd Ver­
haltensweisen pflegen salafistische Kreise eine Art Protest-Kultur, d ie sie von ihrem
"ungläubigen" U mfeld, häufig auch von der Familie und dem alten Freundeskreis
abgrenzen soll. Bei der Schaffung einer eigenen "salafistischen Identität" spielt das
I nternet eine herausragende Rolle Die Verbreitung von deutschsprachigen "Nashids"
(Sprechgesängen) etabliert sogar einen eigenen Musiksti l . Das I nternet ist auch für
die Verbreitung der salafistischen Propaganda von zentraler Bedeutu ng. Wahrend
salafistische Webseiten und Foren Popularität elngebußt haben, dienen Videoportale
und soziale Netzwerke, allen voran YouTube und Facebook, der Szene als intensiv
genutzte mediale Plattformen zur Selbstdarstellung sowie zur Werbung neuer Anhän­
ger. Radikale Pred iger, Personennetzwerke und E Inzeipersonen verbreiten über das
I nternet die gesamte Bandbreite der salafistlschen Ideologie Dies reicht von gewalt­
freier Propaganda bis h i n zu radikalisierenden I n halten und Rekrutlerungsaufrufen fLir
den gewaltsamen Jihad.
Die auf Ausgrenzung, Abwertung und E ntmenschlichung abzielende salafistische
Ideologie mit Ihrem ausgeprägten Freund-Feind-Denken bereitet bei der deutschen
Anhängerschaft zunehmend den Boden für Gewalt. Nach den gewaltsam verlaufenen
Straßen krawallen der Salaflsten in Bonn und Solingen im Jahr 20 1 2 ist n unmehr die
stetig steigende Zahl Junger Salafisten, die in das syrische Kriegsgebiet ausreisen
und dort a m gewaltsamen Jlhad teilnehmen, die auf lange Sicht größte Gefahr für die
innere Sicherheit u nd das friedliche Zusammenleben In Deutschland.
Einen wesentlichen Anteil a n dieser E ntwicklung hat die salafistische Internet-Propa­
ganda. Sie wird von Pred igern , Netzwerken und Einzelpersonen In Gang gehalte n .
E i ne besondere Wirkkraft haben Bilder von getöteten u n d entsetzlich entstellten Bür­
gerkriegsopfern . Sie kursieren im Internet und sollen junge M uslime zum "Handeln"
bewegen. Einen starken Einfluss entfalten zudem Internet-Videos, in denen Kampfer
"live" von der syrischen Front an Ihre Glau bensgeschwIster In Deutschland appellie­
ren , terroristische Gruppierungen in Syrien zu u nterstützen und in das Kriegsgebiet
auszu reisen Dabei werden die Kampfhandlungen i n der Regel verklärt und idealisiert
dargestellt. Dies fuh rt wiederum zur Emotionalisierung der überwiegend jungen An­
hangerschaft und weckt in vielen den Wunsch, sich am J ihad zu beteiligen .
Im Berichtszeitraum haben sich neue MediensteIlen gegründet, die über das I nternet
Nachrichten u nd Videos von sYrischen Kriegsschauplätzen in deutscher S prache
verbreiteten Darin traten auch Junge Männer aus Nordrhein-Westfalen auf, die eu­
phOrisch von Ihren Erlebnissen Im Jlhad berichteten Einige dieser Manner kamen
26
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
Verfassu ngsschutzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
später bel Kampfhandlungen ums Leben und wurden in salaflstlschen I nternet-Verof­
fentlichungen als Märtyrer verherrlicht.
Zu einem wichtigen Faktor der salaflstlschen Propaganda haben sich im BerichtszeIt­
raum Benefiz-Veranstaltungen für Syrien entwickelt. Die dabei auftretenden salafls­
tischen Prediger nutzten ihre Populantat, um oft mehrere hundert Teil nehmer anzu­
locken und entsprechend hohe Spendenbeträge zu sammeln. Fur den Verfassungs­
sch utz war h inter diesem vorderg ründig karitativen Engagement der Salafisten stets
deutlich die Absicht zu erken nen, neue Anhanger zu rekrutieren und ihnen den Hass
auf ihr vermeintlich "ungläubiges" U mfeld einzupflanzen. Darüber hinaus waren die I n­
halte der bei diesen Benefiz-Aktionen vorgetragenen Predigten teilweise verfassungs­
feindlich und gewaltbefurwortend und geeignet, die uberwlegend jungen Zuhörer zu
radikalisieren. Bel einigen öffentlichen Auftritten und Werbeaktionen salaflstlscher
Prediger trat deutlich zutage, dass der Ü bergang von der sogenannten salafistischen
da'wa im S inne einer auf M issionierung angelegten, gewaltfrelen Propaganda hin zu
einer mehr oder weniger offenen Befurwortung des gewaltsamen J ihads fließend ist.
Die Zahl der aus Nordrheln-Westfalen nach Syrien ausgereisten Salafisten macht
deutlich, dass die salafistlsche Propaganda fruchtet. Die Ausreisen stiegen im
Benchtszeitraum auf rund 1 00 Personen a n . Einige von Ihnen u nterstLitzten den be­
waffneten J ihad durch die Lieferung und Verteilung von H Ilfsgütern sowie durch logis­
tische H i lfen . Bel etwa der Hälfte der Ausgereisten muss sogar davon ausgegangen
werden, dass sie sich vor Ort einer Kampfausbildung unterzogen oder am bewaff­
neten Jlhad teilgenommen haben. Einzelne Kämpfer sind bereits aus dem syrischen
Kriegsgebiet nach Deutschland und auch nach Nordrhein-Westfalen zuruckgekehrt
Dieses salafistische Personen potenzial stellt ein besonderes Sicherheltsnslko dar.
ENTWICKLUNGSTENDENZEN
27
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrhem-Westfalen 20 1 3
28
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
2
Extremismus in Zahlen
2.1
Betrachtung der Gesamtentwicklung
Die Anzahl der bekannt gewordenen Politisch motivierten Straftaten i n Nord rhein­
Westfalen blieb im Jahr 201 3 im Verg leich zum Vorjahr nahezu gleich . Es wurden
insgesamt 4.670 (20 1 2 : 4.624) Politisch motivierte Straftaten bekannt. D ies entspricht
einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 1 % (+46 Straftaten).
I m 1 0-Jahres-Vergleich bewegt sich die Politisch motivierte Kriminalität damit seit vier
Jahren auf einem annähernd gleichbleibenden N iveau , nachdem in den sechs Jahren
zuvor, ausgehend von einer Anzahl von 2 . 988 Straftaten im Jahr 2004, ein stetiger
Anstieg bis auf 5.637 Straftaten im Jahr 2009 erfolgte (vg l . Schaubild 1 ) .
PMK-Gesamt im 1 0-Jahres-Vergleich
6.000
c:
.!!
.l:
�
J!l
:::1
(5
1l
co
5.637
4.624
..670
5.000 -j----- ----;4
4.013
4.000 ---3,4 56----:"""'>==--­
3.000 �=�---------------------­
2.000 -j----1 .000 -j-------::-:
42----400----5 0�
8- -4434
-:c 8:-- � 69�49----7'--3- H6t-- -<l44i
2 ----.3=9..
2 1=
4 27
!===��==��==::====�====:===�
�====
��
==
�
==
==
0+
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
201 1
201 2
201 3
I--+- PM K - PM K (Gewalt) I
Schaubild 1: PMK und PMK-Gewalt - Entwicklung im 1 O-Jahres-Vergleich
Die Entwickl ung der ei nzelnen Deliktsgruppen ist dabei uneinheitl ich . Während bei
den Sach beschäd igungen 1 39 Del ikte weniger als i m Vorjahr bekannt wurden (20 1 3 :
691 ; 2 0 1 2 : 830), stieg die Anzahl der Volksverhetzungen u m 9 8 auf 464 (366) u n d die
Anzah l der Beleidigungen um 48 auf 347 (299) bekannt gewordene Del ikte (Details
hierzu vgl . Schaubild 4).
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
29
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
20 1 3 wurden 2.735 (20 1 2 : 2.8 1 1 ) Tatverdächtige erm ittelt. Davon waren 2 . 326 (20 1 2 :
2 .407) männlich und 409 (20 1 2: 404) weiblich.
2. 1 . 1
Gewaltdelikte der Pol itisch motivierten Kriminalität
Die Zahl der bekannt gewordenen Gewaltdelikte mit politischer Motivation stieg im
Verg leich zum Vorjahr deutl ich a n . Es wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 434
Politisch motivierte Gewaltdelikte (PMK-Gewalt) bekannt. Im Jahr 201 2 waren es 398
Straftaten . Dies bedeutet einen Anstieg um 9,0% (+36 Straftaten ) .
I n d e r Detailbetrachtung zeigt sich, d a s s d e r Anstieg i m Wesentlichen a u f e i n e gestie­
gene Anzahl von Körperverletzungsdelikten im Bereich der PM K-Links im Zusammen­
hang mit versammlu ngsrechtlichen Ereignissen zurückzuführen ist.
I n sgesamt wurden 460 (201 2 : 762 ) Tatverdächtige Politisch motivierter Gewaltdelikte
ermittelt. Davon waren 386 (20 1 2: 675) männ lich und 74 (20 1 2: 87) weiblich. Die Ab­
nahme der Anzahl der männl ichen Tatverdächtigen im Verg leich zur Anzah l des Vor­
jahres erklärt sich u nter anderem d u rch vier öffentliche Versammlungen i m Jahr 20 1 2 ,
in deren Verlauf es zu Ausschreitungen kam. Seinerzeit führten die Ermittlungen zur
Feststellung einer Vielzah l von Tatverdächtigen.
2.1.2
Propagandadel i kte
E i nen hohen Anteil der Politisch motivierten Kriminalität machen jährl ich wiederkeh­
rend Propagandadelikte aus, also Delikte der §§ 86 und 86a StGB . I m Jahr 20 1 3
betrug deren Anteil m it 2 . 1 67 bekannt gewordenen Fällen (20 1 2 : 2 . 1 82) 46,4% der
Politisch motivierten Kriminalität.
2.1.3
Auswirkungen des Wah l kam pfs z u r Bu ndestagswahl 2013
I m Zusammenhang mit Wahlen werden regelmäßig Politisch motivierte Straftaten be­
gangen. Auch a nlässlich des Bundestagswahlkampfes 20 1 3 stiegen die einschlägigen
Delikte wie Beschädigungen von Wah l plakaten oder Straftaten im Zusammenhang mit
versammlungsrechtlichen Ereig n issen. Darüber hinaus kam es zu Auseinanderset­
zungen an I nfoständen oder bei Wahlkampfveranstaltu ngen. Vermehrt wurden auch
Wahlplakate i n Brand gesetzt.
30
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
6.000
5.000
I:
CI>
4.624
4.000
4.670
:c
cu
�
:;
Ö
VI
-g
3.000
2.988
2.000
1 . 000
2.325
2.352
2.489
..
....
-+---. 2.-37'3 · --�
2.167
2 . 1 34
2 . 1 22
2.044
1 .664
o +-----,-----�---,�--._--,_--__,
2004
2005
2006
2007
2008
I-+- PMK Gesamt
2009
2010
201 1
201 2
20 1 3
-- Propaganda-Delikte I
Schaubild 2: PMK im 1 O-Jahres-Vergleich von 2004 bis 2013 - Anteil Propagandadelikte
Insgesamt wurden 370 Straftaten im Zusammenhang m it der Bundestagswah l 201 3
registriert. Dies entspricht ei nem Anteil von 7,9% an den Gesamtfal lzahlen der Poli­
tisch motivierten Kriminal ität des Jahres. H iervon betrug d ie Anzahl der registrierten
Gewaltdelikte 43.
Die wesentliche Anzahl der Straftaten i m Zusammenhang mit der Bundestagswahl
201 3 verteilt sich auf
Körperverletzu ngsdelikte (33; davon 27 PMK-Li n ks)
Sachbeschädigungen (201 ; davon 44 PMK-Links, 32 P MK-Rechts und 1 24 PMK­
Sonstige)
Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB (29 PMK-Rechts)
2.2
Entwicklung der Phänomenbereiche der Politisch motivierten
Kriminalität
Nach Phänomenbereichen d ifferenziert entwickelte sich die Politisch motivierte Krimi­
nalität untersch iedlich.
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
31
Verfassu ngssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
3.600
3.024
3.086
3.000
2.600
c:
CI)
:r:
2.000
'S
'0
1 .600
co
N
CI)
'"
.0
co
1 .000
600
0
PMK-Rechts
PMK-Links
1 c 2012
PMK-Ausländer
•2013
1
PMK-Sonstige
Schaubild 3: PMK im Jahresvergleich 2012 und 2013 nach Phänomenbereichen
Während die Fallzahlen in den Bereichen der PM K-Li nks und P MK-Ausländer sanken,
stiegen die der PM K-Rechts und der PM K-Sonstige a n .
E rfasst wurden
3 .085 (20 1 2 : 3 .024) Straftaten der PMK-Rechts (+6 1 )
908 (20 1 2 : 963) Straftaten der PM K-Links (-55)
1 63 (20 1 2 : 20 1 ) Straftaten der PM K-Ausländer (-38)
5 1 4 (20 1 2 : 436) Straftaten konnten keinem Phänomenbereich eindeutig zugeord­
net werden . Sie wurden als PMK-Sonstige erfasst (+78).
Keinem bestimmten Phänomenbereich zuzuordnende Straftaten sind beispielsweise
Straftaten im Zusammenhang mit der Energieversorgung oder dem Tierschutz.
Die einzelnen Del iktsgru ppen, bezogen auf d ie Phänomenbereiche, bildet Schau bild
4 ab:
32
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Tötungsdel ikte
PMK-
PMK-
PMK-
P M K-
Rechts
Links
Ausländer
Sonstige
0 (0)
0 (0)
0 (1 )
0 (1 )
3 (6)
5 (6)
1 (3)
4 (0)
2 (2)
2 1 ( 1 6)
0 (5)
0 (0)
0 (1 )
4 (6)
0 (0)
6 (2)
Körperverletzungsdelikte
1 64 ( 1 67)
1 1 6 (84)
25 (21 )
1 7 ( 1 9)
Widerstandshandlungen
19 ( 1 3)
34 (32)
1 (2)
1 (1 )
4 (3)
5 (3)
2 (4)
0 (0)
1 92 (1 92)
1 85 ( 1 47)
29 (36)
28 (23)
41 (26)
16 ( 1 6)
1 2 ( 1 8)
9 ( 1 8)
1 56 (230)
320 (434)
26 (4 1 )
1 89 ( 1 25)
Propagandadelikte
1 .989 (2 . 020)
20 (24)
6 (1 )
1 52 ( 1 37)
Vol ksverhetzungen
451 (34 1 )
1 (4)
7 ( 1 4)
5 (7)
1 (4)
2 (4)
3 (5)
1 (2)
206 ( 1 48)
76 (81 )
1 7 (20)
48 (50)
0 (1 )
0 (0)
30 (36)
0 (0)
1 5 ( 1 6)
1 70 ( 1 88 )
2 (9)
1 1 (5)
34 (46)
1 1 8 (65)
31 (2 1 )
7 1 (69)
3.085 (3.024)
908 (963)
1 63 (201 )
5 1 4 (436)
Brand- und
Sprengstoffdelikte
Landfriedensbruchdel ikte
Gefährl iche Eingriffe i n
d e n Bahn-, Schiffs-, Luft-
I
und Straßenverkehr
Raub, Erpressung,
Freiheitsberaubung
Zwischensumme
Bedroh ungen ,
Nötigungen
Sachbeschädigu ngen
Störu ngen des
öffentlichen Friedens
Beleidigungen
Verstöße gegen das
Vereinsgesetz
Verstöße gegen das
Versammlungsgesetz
Sonstige Straftaten
Gesamt
Schaubild 4: PMK nach Deliktgruppen und Phänomenbereichen im Jahresvergleich 201 3 und 2012
2.2.1
Pol itisch motivierte Kri m i na l ität-Rechts
Die bekannt gewordenen Fälle der P MK-Rechts erhöhten sich gegenüber dem Vor­
jahr um 2,0 Prozent von 3 .024 auf 3.085 Delikte (+6 1 ). Sie befinden sich damit seit
201 0 auf einem etwa gleichbleibenden N iveau.
EXTREMISMUS I N ZAHLEN
33
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Insgesamt wurden 1 .652 (20 1 2 : 1 .3 1 4) Tatverdächtige ermittelt. Davon waren 1 .466
(20 1 2: 1 . 1 76) männlich und 1 86 (20 1 2 : 1 38) weiblich. 699 (20 1 2 : 624) waren zur Tat­
zeit zwischen 1 4 und 24 Jahre alt. 956 (20 1 2 : 840) der Tatverdächtigen waren bereits
zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten .
Vorherrschende Themenfelders der P M K-Rechts waren "Nationalsozialismus/Sozi­
aldarwinismus" (Rückgang von 2 . 324 auf 2.243 Straftaten), "Hasskriminalität" (Anstieg
von 8 1 7 auf 1 . 0 1 8 Straftaten), "Konfrontation mit dem politischen Gegner" (Rückgang
von 257 auf 1 94 Straftaten ) sowie " I n nen- und Sicherheitspolitik" (Anstieg von 2 1 3 auf
271 Straftaten ) .
Propagandadelikte und Volksverhetzu ngen machten m i t 79, 1 % (2.440 v o n 3.085
Straftaten ) den überwiegenden Anteil dieser Straftaten aus. Die Anzahl der Propagan­
dadelikte ging von 2 .020 auf 1 .989 Straftaten leicht zurück. Die Anzahl der Sachbe­
schäd igungen d u rch "Rechte" sank von 230 auf 1 56 Straftaten .
4.000
3 . 349
3.500
3.000
c
CI)
:i:
ftI
N
2.500
S 2.000
:::l
"0
111
.c
ftI
2.991
�
�P""
�
3.
�
2.
3.229
-...... 2 .890
3.024
3.015
;i.u85
.A
....
1 .500
1 .000
500
1 32
1 44
1 73
1 49
1 86
1 73
1 55
2005
2006
2007
2008
2009
2010
--
-
:1 90
1 92 ----,-g 2
0
2004
I--+-
PM K-Rechts
----
PM K-Rechts
201 1
(Gewalt)
2012
201 3
I
Schaubild 5: PMK-Rechts im 1 0-Jahres-Vergleich von 2004 bis 201 3
6
Oie Melderichtlinien des "Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter
Kriminalität" sehen Mehrfachnennungen bei den Oberthemen vor, so dass eine Straftat meh­
reren Oberthemen zugeordnet werden kann.
34
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Gewaltkriminal ität im Phänomenbereich PM K-Rechts
Die Anzahl der Gewaltdelikte d u rch rechtsmotivierte Täter hat sich mit 1 92 Straftaten
gegen über dem Vorjahr n icht verändert. Den größten Anteil bilden Körperverletzungs­
delikte ( 1 64 Straftaten). Ü berwiegend waren die Gewaltdelikte den Themenfeldern
"Konfrontation mit dem politischen Gegner" (Rückgang von 53 auf 39 Straftaten ) , "In­
nen- und Sicherheitspolitik" (Anstieg von 26 auf 40 Straftaten ) und "Hasskriminal ität"
(Anstieg von 1 05 auf 1 25 Straftaten j? zuzurech nen.
Gewaltdelikte d urch "Rechte" wurden mehrheitlich im öffentlichen Raum und u nab­
hängig von Versammlungen ( 1 64 von 1 92 Straftaten ) verübt. 16 Gewaltdelikte wurden
im Begründungszusammenhang mit versammlungsrechtlichen Ereignissen begangen .
Hasskriminalität d u rch rechtsmotivierte Täter
Die "Hasskriminalität"8 im Phänomen bereich PM K-Rechts ist von 8 1 7 auf 1 .0 1 8
Straftaten angestiegen . 59,8% der Delikte im Themenfeld "Hasskriminalität" (609 von
1 .0 1 8 Straftaten ) waren Volksverhetzungen (438 Straftaten ) und Propagandadelikte
( 1 7 1 Straftaten). Einen großen Anteil hatten auch Beleid igungen ( 1 83 Straftaten) und
Gewaltdelikte ( 1 25).
Dem U nterthema "Fremdenfeindl ichkeit" wurden mehr Del ikte als im Vorjahreszeit­
raum zugeordnet (Anstieg von 636 auf 8 1 5 Delikte). Die Anzahl der fremdenfeindlich
motivierten Gewaltdelikte stieg von 1 00 auf 1 1 5 Straftaten an.
Antisemitische Straftaten
Die Anzahl der antisemitischen Straftaten nahm von 2 1 6 auf 237 zu. Im Phänomenbe­
reich PM K-Rechts stiegen die Fallzahlen von 1 97 auf 22 1 Delikte. Bei den Deliktgrup­
pen innerhalb der P MK-Rechts machte n , wie i n den Vorjahren, Volksverhetzungen
( 1 1 1 Straftaten), Propagandadelikte (51 Straftaten) und Sachbeschädigu ngen (29
Straftaten) m it 86,4% ( 1 9 1 von 22 1 Straftaten) den überwiegenden Anteil der Fall7
8
Siehe hierzu Fußnote 6
Der Hasskriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat
und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Per­
son wegen ihrer Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft oder
aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientie­
rung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind.
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
35
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
zahlen aus. Die Anzahl der antisemitischen Gewaltdelikte stieg von 9 auf 1 3 Fälle an.
Dabei handelte es sich ausschl ießlich um Körperverletzungsdel ikte. Zwei der antise­
mitischen Gewaltdelikte (eine Körperverletzung, ein Raub) sind dem Täterkreis der
P MK-Ausländer zuzuordnen.
Von den 237 antisemitischen Straftaten entfallen
221 Delikte auf die PM K-Rechts (20 1 2 : 1 97),
7 Del ikte auf die PMK-Ausländer (20 1 2 : 1 3) ,
kei n Del ikt auf d i e PMK-Links (20 1 2 : 2) und
9 Del ikte auf die P MK-Sonstige (20 1 2: 4).
2.2.2
Pol itisch motivierte Kri m i na l ität-Links
Die Anzah l der Straftaten im Phänomenbereich der PMK-Links ist mit 908 Straftaten
(20 1 2 : 963; -55 Delikte) im Verg leich zum Vorjahr um 5,7% gesunken.
I n sgesamt wurden 619 (20 1 2 : 626) Tatverdächtige ermittelt. Davon waren 476 (20 1 2:
484) männlich und 1 43 (20 1 2 : 1 42 ) weibl ich . 353 (20 1 2: 388) waren zur Tatzeit zwi­
schen 1 4 und 24 Jahre alt. 296 (20 1 2 : 289) der Tatverdächtigen waren bereits zuvor
polizeilich in Erscheinung getreten .
Hauptsäch liche Themenfelder d e r PMK-Links waren im Jahr 20 1 3 "Konfrontation mit
dem politischen Gegner" (Rückgang von 579 auf 508), "Antifasch ismus" (Rückgang
von 636 auf 470) und "I nnen- und Sicherheitspolitik" (Anstieg von 268 auf 367).
1 2 1 Straftaten standen im Zusammenhang mit der Bundestagswa h l . Das entspricht
1 3, 3 % am Gesamtaufkommen der Straftaten PMK-Links.
Der Anteil an Straftaten bei versammlungsrechtlichen E reignissen am Gesamtstraf­
tatenaufkommen der PMK-Links lag im Jahr 201 3 mit 44,3% (402 von 908 Delikten)
über dem Niveau des Vorjahres (20 1 2 : 4 1 ,4%, 399 von 963 Delikten ). Allerd ings ging
die Anzahl der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz um 9,6% zurück (von 1 88
auf 1 70 Straftaten).
Der Rückgang der Gesamtfallzahlen der P M K-Links um 55 (von 963 im Vorjahr auf
908 Straftaten ) lässt sich im Wesentlichen auf den Rückgang a n Veranstaltungen der
rechten Szene zurückfü hren und die sich daraus übl icherweise entwickelnden Kon­
frontationsdelikte bei der Auseinandersetzung mit dem politischen Geg ner u nd/oder
der Polizei.
36
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Gewaltkri m i nalität i m Phänomen bereich PMK-Links
Die Anzahl der Gewaltdel ikte durch lin ksmotivierte Täter ist im Verg leich zum Vorjah­
reszeitraum um etwa ein Viertel (25,9%) von 1 47 auf 1 85 Straftaten gestiegen . Damit
wurden zwar die Höchstwerte von 2009 und 20 1 1 Ueweils 2 1 9 Delikte) u nterschritten ,
den noch stellt d i e Anzahl von 1 85 Gewaltdelikten den vierthöchsten Wert seit 2001
dar.
70,8% der Gewaltdel ikte ( 1 3 1 von 1 85 Delikten ) wurden bei versammlungsrechtlichen
E reignissen festgestellt (20 1 2: 94 von 1 47 Straftaten 63,9%).
35 Gewaltdelikte wurden im Zusammenhang mit der Bundestagswah l verübt. Dies
stellt einen Anteil von knapp ein Fünftel ( 1 8,9%) an den Gewaltdelikten der PMK­
Links dar.
Die Zahl der Körperverletzungen ist mit 32 Del ikten um 38, 1 % (von 84 auf 1 1 6 Strafta­
ten ) gestiegen, so wie auch d ie Zahl der Landfriedensbrüche einen Anstieg um 3 1 , 3 %
(von 1 6 a u f 2 1 Straftaten ) zu verzeich nen hat.
Die Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte stehen weiterhin fast ausschließlich im Zu­
sammenhang mit versammlungsrechtlichen Ereignissen (65 von 75 Straftaten , im
1 800
1 . 581
1 600
1 400
c:
CI)
:E
I'G
N
CI)
::J
"0
t/)
.0
I'G
1 200
1 000
800
600
400
200
319
372
�
1 57
1 33
2006
2007
1 97
1 40
1 47
1 85
0
2004
2005
2008
_ PMK-Links
2009
201 0
_ PMK-Links
201 1
201 2
201 3
(Gewalt)
Schaubild 6: PMK-Links im 1 0-Jahres-Vergleich von 2004 bis 2013
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
37
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Vorjahr 55 von 59 Straftaten). Der Auftrag der Polizei, das Grundrecht auf Versamm­
lungsfreiheit zu schützen und die D u rchführung der Versammlung zu gewährleisten,
wird weiterhin bewusst ideologisch umgedeutet und als Schutz der "Rechten" inter­
pretiert. Die Anwendung von Gewalt gegen Polizeibeamte wird so als legitimes M ittel
im "Kampf gegen Rechts, gegen den politischen Gegner" gerechtfertigt.
2.2.3
Pol itisch motivierte Ausländerkri m i na l ität
Die Anzahl der bekannt gewordenen Straftaten im Phänomen bereich PM K-Ausländer
ging im Vergleich zu den Vorjahren weiter zurück (von 201 auf 1 63 Straftaten).
47 Straftaten wurden im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Ereignissen
begangen, davon 28 Verstöße gegen das Verei nsgesetz (ausnah mslos Aufnäher/
Fahnen der m it einem Betätigu ngsverbot belegten PKK).
I n sgesamt wurden 1 59 (20 1 2 : 566)9 Tatverdächtige ermittelt. Davon waren 1 1 9 (20 1 2 :
490) männlich und 40 (20 1 2 : 76) weiblich. 87 (20 1 2 : 1 52) waren zur Tatzeit zwischen
14 und 24 Jahre alt. 1 00 (20 1 2 : 200) waren bereits zuvor kriminalpolizeil ich in Er­
scheinung getreten .
Hauptsächl iche Themenfelder waren "Befreiungsbewegungen/I nternationale Solida­
rität" (Rückgang von 93 auf 62 Straftaten , davon 47 Verstöße im Zusammenhang mit
der m it einem Betätigungsverbot belegten PKK), "I nnen- und Sicherheitspolitik" (Rück­
gang von 89 auf 60 Straftaten ) sowie "Konfrontation/politische E instellung" (Anstieg
von 64 auf 70 Straftaten).
Phänomenologisch handelte es sich bei den Straftaten der PM K-Ausländer meh rheit­
l ich um Sachbeschädigungen (26 Straftaten ) , Verstößen gegen das Vereinsgesetz10
(30 Straftaten) - in 29 Fällen durch das Zeigen von Flaggen der verbotenen PKK und
ihrer N achfolgeorgan isationen bei Versammlungen - und um Körperverletzungen (25
Straftaten ).
9
Die Abnahme der Anzahl der männlichen Tatverdächtigen im Vergleich zur Anzahl des Vor­
jahres erklärt sich unter anderem durch vier öffentliche Versammlungen im Jahr 2012, in de­
ren Verlauf es zu Ausschreitungen kam. Die Ermittlungen in diesem Zusammenhang führten
zur Feststellung einer Vielzahl von Tatverdächtigen des salafistischen Spektrums.
10
Bei Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 VereinsG (Zeigen von Kennzeichen verbotener Vereine
oder Parteien) ist nach den " Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Bereich der
Politisch motivierten Kriminalität" für jeden Tatverdächtigen ein Fall zu erfassen.
38
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Gewaltkriminalität i m Phänomen bereich PMK-Ausländer
Die Anzahl der Gewaltdelikte der PMK-Ausländer hat sich im Vergleich zu den Vorjah­
ren weiter reduziert (von 36 auf 29 Straftaten).
Die Anzah l der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz ging von neun im Jahre
20 1 2 auf zwei in 20 1 3 zurück. Auch das Versammlungsgeschehen in Nordrhein­
Westfalen im Zusammenhang mit der Tötung dreier kurdisch stämmiger Aktivistinnen
in Paris am 9 . Januar 20 1 3 verlief i m Wesentlichen friedlich.
360
292
300
26
89
260
t:
CI)
:2
cu
N
S
200
160
(5
'"
.c 100
cu
60
9
8
0
2004
2006
2006
2007
2008
_ PMK-Ausländer
2009
201 0
201 1
2012
2013
_ PMK-Ausländer (Gewalt)
Schaubild 7: PMK-Ausländer im 1 0-Jahres-Vergleich von 2004 bis 2013
2.2.4
Gefä h rdung d u rch den islam istischen Terrorismus
Die Zahl der 20 1 3 registrierten Straftaten im Bereich "Islamismus/lslamistischer Terro­
rismus" liegt mit 35 um sechs höher als im Vorjahr (20 1 2 : 29 Straftaten). Nur eine der
Straftaten steht im Zusammenhang mit einem versammlungsrechtlichen Ereig nis.
I m Berichtszeitraum sind der Gewaltkrim i nalität i m Phänomenbereich " I slamismus/
Islamistischer Terrorismus" a ussch ließl ich drei Körperverletzu ngsdelikte zuzuordnen.
Zu den registrierten Taten konnten 52 Tatverdächtige ermittelt werden. Die deutlich
n iedrigere Zahl im Vergleich zum Vorjahr (20 1 2 : 233) erklärt sich d u rch d ie versamm-
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
39
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
lungsrechtlichen Ereign isse 201 2 i n Sol ingen und Bon n , bei denen jeweils eine Viel­
zahl von Tatverdächtigen registriert wurde.
Der islamistische Terrorismus stellt sich nach wie vor als anhaltende Bedrohung dar.
Ansch läge und Anschlagsversuche gegen Ziele in westlichen Staaten, daru nter auch
in der Bundesrepublik, sind das Ergebnis einer gestiegenen Bedeutung der Strategie
des "i ndividuellen J ihad".
I n Nordrhein-Westfalen zeigte sich d ies insbesondere durch die Erkenntnisse aus
dem Ermittlungsverfahren i m Zusammenhang mit der im Hauptbahn hof Bonn abge­
stellten Sprengvorrichtung (Dezember 201 2). Die im März 20 1 3 vereitelten Anschlags­
pläne auf den Vorsitzenden der Partei 'pro N RW' verdeutlichen ein weiteres Mal die
aktuelle Gefährdu ngslage i m Hinblick auf terroristische Anschläge.
Die immer wieder festzustellende Propaganda im I nternet unter häufiger Beteiligung
von Protagonisten aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus dem gesamten Bundes­
gebiet, stellt einen wesentlichen Faktor zur Förderung der Bereitschaft von Kleingrup­
pen und E inzeltätern, Anschläge zu planen, logistisch vorzubereiten und letztl ich auch
d u rchzuführen, dar.
Neben zahlreichen anderen Beiträgen sind h ier insbesondere regelmäßige Veröffent­
lichungen von aus Nordrhein-Westfalen stammenden Personen aus den afghanisch­
pakistanischen Kam pfgebieten sowie von Personen aus dem U mfeld der im J u n i
201 2 verbotenen Soli nger Vereinigung 'Mil latu I brahim' hervorzuheben, in denen auch
auf Ereignisse i n Deutschland , u. a . Auseinandersetzungen mit 'pro N RW', Bezug
genommen wird .
Im Vergleich zum Bundestags-Wahljah r 2009 , in dem eine mögl iche Bedroh ung durch
den islam istischen Terrorismus zu hohen Sicherheitsvorkehrungen geführt hatte, blieb
eine vergleichbare Gefährd u ngserhöhung vor der Bundestagswah l 201 3 aus.
Einen Schwerpunkt für die Bewertu ng der S icherheitslage bilden anhaltende Reise­
bewegungen von Teilen des j ihad istischen S pektru ms zu terroristischen Ausbildungs­
zwecken i n "Jihad-Gebiete" (z. B. Syrien, Somalia, afghan isch-pakistanisches Grenz­
gebiet u. a . ) und die Rückkehr terroristisch ausgebildeter Personen.
40
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
2.3
Mitgliederpotenzial i n Nord rhein-Westfalen
Die Angaben zu den Parteien und Organisationen u mfassen grundsätzlich alle Mit­
gl ieder. Damist ist n icht verbu nden , das jedes M itgl ied als extremistische ei ngeschätzt
wird . Die Angaben zum M itgl iederpotenzial sind gerundet und zum Teil geschätzt.
Mitg l iederzahlen rechtsextrem istischer O rganisationen und Gruppierungen
Organisation/Gruppierung
NPD
201 3
700
650
1 . 000
1 . 000
Die Rechte
1 30
250
Neonazistische Kameradschaften einsch I . regionale Szenen**
640
650
1 . 350
1 . 350
1 50
1 50
-3 1 0
-430
3.660
3.620
pro Köln e.v./pro N RW
M i l itante Rechtsextrem isten einsch I . Skinheads
Sonstige
abzügl ich Doppelmitgliedschaften*
Summe
*
201 2
Doppelmitgliedschaft bedeutet, dass eine Person in zwei Organisationen bzw. Gruppierungen
gleichzeitig Mitglied ist. Oie Zahl der Doppelmitgliedschaften ist gestiegen, weil sämtliche Mitglie­
der der Partei "Oie Rechte" weiterhin als Neonazis gezählt werden.
Mitgl iederzahlen l i n kssextremistischer Organisationen und Gru ppierungen
Organisation/Gruppierung
Gewaltorientierte Linksextremisten einsch I . Autonome
DKP
MLPD
Summe
201 2
201 3
780
780
1 .200
1 .200
650
650
2.630
2.630
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
41
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
M itg liederzahlen extremistischer Organ isationen von Ausländern
O rganisation/Gruppierung
ADÜTDF*
D H KP-C
KON G RA-G EL bzw. PKK
LTTE
Summe
201 2
2013
2 .000
2. 000
200
200
2 .200
2 .200
300
300
4.700
4.700
M itgliederzahlen islam istischer Organisationen
Organisation/Gruppierung
HAMAS
2013
70
70
H izb Allah
350
350
Tablighi Jama'at*
1 00
70
70
70
320
320
8 . 000
8 . 000
350
350
60
60
1 .000
1 .500
1 0.320
1 0.790
Hizb ut-Tahrir
M B/I G D
IGMG
Kaplan-Verband
Türkische H izbullah
Salafistische Bestrebungen
Summe
42
201 2
EXTREMISMUS IN ZAHLEN
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
3
Rechtsextremismus 1 1
3.1
Parlamentsorientierter Rechtsextremismus
3.1.1
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
G ründung
Sitz
Vorsitzender
M itglieder
20 1 3
Bund
1 964
Berl in
Holger Apfel 1 2
N RW
1 964
Essen
Claus Cremer
5.600
650
20 1 2
Publikationen
6.000
700
'Deutsche Stimme', monatl ich als Printversion; 'Blickpunkt',
I nternet
u n regelmäßig
Die Partei ist auf allen organisatorischen Ebenen, (Bundes­
monatlich als Online-Ausgabe; diverse lokale Publ ikationen,
verban d , Landes- und Kreisverbände) nahezu flächende­
ckend im I nternet vertreten . Ebenso i n den sozialen N etzwer­
ken, wie zum Beispiel Facebook, Google+ und Twitter
H i ntergrund und Verfassungsfeindlich keit
Die ' N ationaldemokratische Partei Deutsch lands' (NPD) wurde auf Bu ndesebene im
Jahre 1 964 gegründet. I m selben Jahr erfolgte d ie G ründung der meisten Landesver­
bände, darunter auch in Nordrhein-Westfalen. In der N P D fanden sich unter anderem
Politiker der 'Deutschen Partei' (DP) und der 'Deutschen Reichspartei' (DRP) wieder.
11
Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Ver­
fassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt. über eine Organisation
zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Ver­
dachtsmomente bis zur Einschätzung als " verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies mit der Kennzeichnung (*) ausdrücklich
hervorgehoben.
12
Bis zum 23. 12.20 1 3. Seitdem kommissarisch Udo Pastörs.
RECHTSEXTREMISMUS
43
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
I n den Folgejahren war die N P D bis zum Jahre 1 972 i n insgesamt sieben Landespar­
lamenten vertreten . Mit dem Scheitern bei der Wahl zum Deutschen Bu ndestag i m
Jahre 1 969 m i t 4 , 3% begann ihr N iedergang zu einer politischen Spl itterpartei . Erst
u nter ihrem damaligen Vorsitzenden Udo Voigt gelang ihr im Jahre 2004 in Sachsen
der erneute E inzug i n ein Landesparlament. Dies konnte sie 2009 - wen n auch mit
deutlichen Verlusten - wiederholen. Aktuell ist die NPD auch i n Mecklenburg-Vorpom­
mern m it einer Fraktion im Landtag vertreten, dort ebenfalls in der zweiten Leg islatur­
periode in Folge.
Die NPD ist eine rechtsextremistische Partei, die das politische System der Bundesre­
publik Deutschland beseitigen will und sich dabei einer rassistischen, antisemitischen,
revision istischen und fremdenfeindlichen Ideolog ie sowie entsprechender Parolen
bedient. Vielfach bezieht sich die Partei dabei auf die Ideolog ie der N SDAP, i nsofern
l iegt eine "Wesensverwandtschaft m it dem Nationalsozial ismus" vor. D iese E inschät­
zung ergibt sich sowohl aus den im NP D-Parteiprogramm formulierten Zielen als auch
aus Ä u ßerungen ihrer Funktionäre sowie aus Beiträgen in der Parteizeitung 'Deut­
sche Stimme' (OS) und auf den Homepages der versch iedenen N P D-Gliederungen
(Bunds-, Landes- und Kreisverbände). Die Partei verfolgt ihre verfassungsfeindl ichen
Ziele auch in einer aggressiv-kämpferischen Weise. Dies zeigt n icht zuletzt i h re enge
Zusam menarbeit mit der gewaltbereiten und ebenfalls rechtsextrem istischen Neonazi­
Szene. U nter dem zwischenzeitlich zu rückgetretenen N PD-Vorsitzenden Holger Apfel
hatte diese Zusammenarbeit vorübergehend einen Rückschlag erlitten, weil die Neo­
nazi-Szene Apfels Kurs der "seriösen Radi kal ität" n icht mitgetragen hatte. U nter sei­
nem Nachfolger Udo Pastörs dü rfte d iese Zusammenarbeit wieder intensiver werden ,
da Pastörs für einen deutlich radikaleren Kurs steht.
Verfass u ngsfeindliche Ideologie der N P D
Die N P D lehnt die freiheitliche demokratische G rundord n u n g ab
Die N P D lehnt die bestehende freiheitliche demokratische Grundordnung i n der Bun­
desrepublik Deutschland insgesamt ab und will diese beseitigen. D ies betrifft auch
einzelne wesentliche Prinzipien und Grundwerte u nserer Verfassung, wie zum Bei­
spiel die Menschenwürde. Die im Gru ndgesetz verankerte Idee, dass jeder Mensch
als I ndividuum u nd ohne Vorbedingungen eine Würde hat, wird von der NPD in Abre­
de gestellt. Die N P D spricht Menschen nur eine Würde als Teil eines nationalen Kol-
44
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
lektivs zu. Diese Auffassung vertritt der Landesvorsitzende der N P D N RW i n einem
G ru ßwort vom 23. Apri l 20 1 2 :
"Der Mensch in seiner nationalen Geborgenheit steht im Mittelpunkt natio­
naldemokratischen Denkens und Handeins. " (Quelle: Homepage N P D LV
N RW).
Die von der N P D verfolgten Ziele laufen auf einen anderen Staat hinaus, in dem die
Prinzipien der durch das Grundgesetz garantierten freiheitlichen demokratischen
G rundordnung ganz oder tei lweise a u ßer Kraft gesetzt werden sol len . Nachfolgend
werden h ierzu entsprechende Ä u ßerungen von Führungspersonen der NPD wieder­
gegeben, die sich grundsätzlich gegen die frei heitliche demokratische Grundordnung
richten oder gegen ei nzelne ihrer Bestandteile.
Die NPD wi l l das demokratische System beseitigen
Welche Zielvorstellungen vom Staatssystem die N P D hat, wird u nter anderem in
einem am 3 1 . Mai 20 1 1 auf der Homepage des NPD LV N RW veröffentlichten Posi­
tionspapiers des Landesvorsitzenden Claus Cremer deutl ich. Dieser verwahrt sich
ausd rücklich gegen eine Kursänderung der NPD und eine Anpassung an andere
europäische rechtspopulistische Parteien . Die N P D müsse nach Cremers Ansicht
eine "Weltanschau ungspartei" bleiben. Über Jahrzehnte habe die N P D als solche
eine bestimmte Ideologie und ein "Iebensrichtiges Menschenbild" entwickelt und
dieses auch konsequent vertreten . Zu den wesentlichen Elementen dieser sogenann­
ten "Weltanschauungspartei" gehören - unter anderem - der "Reichsgedanke" (d ie
Wiederherstellung des "Deutschen Reiches"), die "Rassentheorie" (in Anlehnung a n
die Rassentheorie d e s Dritten Reiches), die von d e r N P D propagierte "Volksgemein­
schaft" (ebenfalls ein Beg riff aus der Zeit des Nationalsozialismus) und ein anderes
Verständnis von Staat und Demokratie. Letztendl ich will sie das bestehende System
beseitigen , auch wenn sie selbst meist "nur" von " Ü berwindung" spricht. Man könnte
der N P D sogar attestieren, dass sie selbst zu der Erkenntnis kommt "verfassungswid­
rig" zu sei n , auch wen n diese Feststellung dem Bundesverfassu ngsgericht vorbehal­
ten ist. Der N RW-Landesvorsitzende Claus Cremer ordnet vor diesem H interg rund die
NPD wie folgt e i n :
,,[ . . . ) da sie begreifen werden, dass wir eben nicht ein Teil des zurecht
kritisierten Politsystems sind, sondern diesem System diametral gegen­
überstehen. " (Quelle: Homepage N P D LV N RW).
RECHTSEXTREMISMUS
45
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Das Positionspapier endet mit einem durch den N P D-Landesvorsitzenden CI aus
Cremer veröffentlichten Zitat des ehemaligen N PD-Parteivorsitzenden Udo Voigt:
"Das Reich ist unser Ziel, die NPD unser Weg. "
Damit ist in den Augen der N P D zweifellos das D ritte Reich gemeint.
Im Rahmen des Wahlkampfes zur Kommu nalwahl in Nordrhein-Westfalen 2009 gab
die NPD im Rhein-Erft-Kreis einen Flyer heraus, in dem sie äu ßert:
"Das herrschende System hat seine Unfähigkeit, die Probleme unserer
Zeit zu lösen, zur Genüge bewiesen. Nun ist es an der Zeit für neue
Wege, denn das System ist nicht reformierbarf"
Der N PD-Kreisverband Düsseldorf berichtet am 1 8 . März 20 1 2 über eine Protest­
kundgebung am Dortmunder Hauptbahnhof anlässl ich der Exekutivmaßnahmen
gegen das 'Aktionsbüro Mittelrhein'. I n diesem Bericht drückt die NPD ihre Verachtung
gegenüber dem demokratischen System aus und spricht sich für einen völkischen
Nationalismus aus:
"Damit stellt der nationale Widerstand eine Gefahr für das System dar,
zumal er fordert, daß ein Ende der Spirale von weiter krisenhaft um sich
greifenden Fehlentwicklungen nur mit der Beseitigung des bestehenden
pseudodemokratisch-kapitalistischen und oligarchischen Parteiensystems
einhergehen kann. An seine Stelle muß ein nationaler Volksstaat treten.
"
(Quelle: Homepage des N P D KV Düsseldorf/Mettmann).
Die N P D ist fremdenfeindlich
Um ihre Ziele zu verdeutl ichen, greift die N PD auf bestimmte Schwerpunktthemen
zurück. Neben sozialen FragestE;ll l u ilgen ist die Ausländerpolitik ein zentrales Thema
für die N P D . Der NP D-Landesverband Nordrhei n-Westfalen hatte eigens hierzu i m
August 2008 erneut e i n e I n itiative "Ausländerstopp-NRW" ins Leben gerufen. Dabei
werden Ausländer pauschal als kriminell und gewaltbereit d iskrimin iert und ei nseitig
für die hohe Arbeitslosigkeit und Probleme i n den Sozialsystemen verantwortlich
gemacht. Darauf scheint der NPD LV N RW auch heute noch stolz zu sein. I n einem
Eintrag vom 1 9. Oktober 20 1 3 auf der Facebook-Seite des Landesverbandes unter
dem Titel "Wer hat's erfu nden?" heißt es zu dieser Kampag ne:
46
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
"Die erste 'Bürgerinitiative A usländerstopp (BIA) ' kam in den aOern aus
NRW"
(Quelle: Facebook-Seite des N P D LV N RW).
I m Berichtsjahr legte die NPD im Rahmen des Bundestagswahlkampfes unter ande­
rem ein Plakat "Sicher leben! Asylflut stoppen ! " auf. Auch die Parteizeitung ' Deutsche
Stimme' ist seit Jahren d u rchsetzt mit verschiedenen Belegen für die Fremdenfeind­
l ichkeit der N P D . Vor allem angebliche Belastungen für die deutschen Sozialsysteme
u nd den Arbeitsmarkt werden thematisiert. U nter der Übersch rift "Ein milliardenschwe­
res M inus" wird gehetzt:
,, 77, 62 Milliarden Euro ist die Summe, welche die Migration die bundes­
deutschen Steuerzahler jährlich kostet. [ . . . ] Dafür erhält der Steuerzahler
im Gegenzug überproportional viele Kriminelle und integrationsunwillige
Menschen [ . ], die sich zudem rapide vermehren. " (OS 2/2009, Seite 1 8).
. .
Im Zuge der Debatte um die Veröffentlichung des Buches "Deutsch land schafft sich
ab" von Thilo Sarrazin legte d ie NPD mit einer eigenen Kampagne nach: U nter der
Überschrift "Millionen Fremde kosten uns M i l liarden !" erklärt d ie NPD: "Sarrazins
Thesen vertritt die NPD schon lange - und konsequenter", denn
"nur die NPD denkt konsequent zu Ende, wo Sarrazin offenbar Schluckbe­
schwerden bekommt. Mit noch so vielen Zahlen und richtigen Analysen ist
es nämlich nicht getan. Um das Ausländerproblem in Deutschland wirklich
in den Griff zu bekommen, werden wir früher oder später nicht darum
herum kommen, die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer nicht nur
auf dem Papier, sondern auch faktisch herunterzufahren - mit einem breit
angelegten staatlichen Rückführungsprogramm. Es geht eben nichts über
das Original. "
(OS 1 0/201 0, Titelseite/Leitarti kel).
I n dieselbe Kerbe schlägt der Autor des Artikels "Multikulti implod iert", wenn er die
Frage stellt:
" Überfremdungsfolgen: Wann brennen bei uns die Städte ?
Auch bei uns schaut der Staat meist tatenlos zu, wie Einwanderer einen
Straßenzug nach dem anderen erobern und 'Parallelgesellschaften' um
RECHTSEXTREMISMUS
47
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
sich greifen, in der Deutsche nicht mehr geduldet werden. "
(OS 09/2 0 1 1 , Seite 2).
I m Verlauf des Wah lkampfes der N P D zur Landtagswahl 20 1 2 i n N RW richtete die
N P D eine "Online-Meldestelle gegen I llegale und krim inelle Ausländer" ein. Diese Art
der Diffam ierung von Migranten kopierte sie nach Angaben ihres Landesvorsitzenden
Claus Cremer auf der Webseite der NPD LV N RW am 1 1 . April 201 2 vom belg ischen
'Vlaams Belang' (Quelle: Homepage des N P D LV N RW).
Die NPD ist rassistisch
Die Ablehnung von Ausländern und Deutschen m it Migrationsh intergrund begründet
die N P D "biolog isch", das heißt, sie lehnt die Gleichheit al ler Menschen als allgemei­
nes Menschenrecht nach Art. 3 des Gru ndgesetzes ab und teilt d iese demgegenüber
i n "Rassen" ein. Was daru nter zu verstehen ist, wird u nter dem entsprechenden
Schlagwort auf der Homepage der N P D unter "A-Z" erläutert. Zum Stichwort "Rasse"
erklärt die NPD dort:
"Oie Menschheit wird in drei Groß-Rassen eingeteilt [ . . . ]. Oie europäische
Großrasse wird im Allgemeinen in folgende Unterrassen gegliedert [ . . . ].
Rassen entstehen durch Mutation, Isolation und Auslese. "
H ier zeigt sich einmal mehr die ideologische Nähe der N P D zum Nationalsozialis­
mus. Der als "bedeutender Anthropologe" zitierte Autor Hans F. K. Günther war nicht
i rgendein Wissenschaftler, sondern der "Rasse"-Ideologe des N S-Reg imes - Spitz­
name "Rassepapst". Auf diesen beruft sich auch ein ehemal iges N PD-Bu ndesvor­
standsmitglied in einem Artikel in der OS 0 1 /20 1 1 , Seite 20 mit der Übersch rift "Angst
und Rasse". Als Beispiel für den dort zitierten "nordischen Menschen" wird ein Bild
aus der Publikation von Hans F. K. Günther abged ruckt. Aus dessen rassistischen
Überleg ungen , die bereits den Nationalsozialisten als ideologische Grundlage für ihre
menschenverachtende Politik d ienten, zieht die N P D den Schluss, dass es auch kei­
ne Gleichheit (im Sinne des Grundgesetzes) geben könne. I n der ' Deutschen Stimme'
heißt es h ierzu :
"Es gibt keine Gleichheit der Menschheit. [ . . . ] Wer die Gesetze des Le­
bens ignoriert, betreibt seinen eigenen Untergang. " (OS 08/2009, Seite 3).
Weiter fragt die N P D :
48
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
" Was bleibt von der Rasse ?
[ . . . ] Doch kann es im biologischen od auch im philosophischen Sinne nie
eine allgemeine Gleichheit geben. " (OS 04/2009, Seite 1 8) .
I n ei nem Beitrag vom 27. August 20 1 3 formulierte d e r N P D-Landesvorsitzende Claus
Cremer unter dem Titel "Deutsch land muß das Land der Deutschen bleiben !"
" Die NPD liegt (leider) mit ihren A ussagen zu einer systematischen Über­
fremdung unserer Heimat absolut richtig. Deutscher ist, wer deutscher
Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deut­
schen Volkes hineingeboren wurde. [ . . . ] Ein Afrikaner, ein Asiate oder
Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruck­
ten Papiers ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert [ . . . ] Bildlich
gesprochen kann man auch sagen dass es Unsinn ist zu glauben, daß
ein Esel ein Lipizzaner wird, nur weil man ihn in den gleichen Stall stellt".
(Quelle: Homepage N P D LV N RW).
Aus Anlass der Kommunalwahl 2009 interviewten Schüler im Rahmen der Erst­
wählerkampagne "Du hast die Wah l ! " neben Politikeri n nen und Pol itikern auch den
Spitzenkandidaten der NPD i n Wuppertal . Neben g rundsätzlichen Ä u ßerungen wider
d ie freiheitliche demokratische Grundordnung vertrat d ieser eine rigoros rassistische
Gru ndhaltu n g , d ie auf einem "lebensrichtigen Menschenbild" aufsattelt, welches i n ei­
ner biolog ischen U ngleich heit aller Menschen g i pfelt. Gleichermaßen in Frage gestellt
werden die h istorisch-politische Existenzberechtigung der Bu ndesrepublik als Staat
sowie das Grundgesetz als Verfassun g .
"Meine Partei ist geprägt insbesondere von zwei Grundgedanken. Der
eine ist das lebensrichtige Menschenbild. [ . . . ] Das lebensrichtige Men­
schenbild unserer Partei unterscheidet sich elementar vom Menschenbild
aller andern [ . . . ] . Wir sagen, alle Menschen sind gleich geboren und soll­
ten die gleichen Rechte haben, aber sie sind nicht gleich. Sie sind per se
nicht gleich. [ . . . ] Man darf nicht den Fehler machen, zu sagen, dass diese
Werte [ . . . ] in diesem Land uneingeschränkt für alle Personengruppen,
insbesondere für artfremde Völker gelten. Wir vertreten die Auffassung,
erstens, dass das Grundgesetz [ . . . ] nur eine momentane von den Sieger­
mächten diktierte Art der Verfassung ist. "
RECHTSEXTREMISMUS
49
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Mit der N P D kooperierende Neonazis l uden am 1 4 . Oktober 201 1 zu einer Veranstal­
tung unter dem Titel "Das Rheinland im Angriff!" ein. Bei dieser Veranstaltu ng redeten
auch Funktionäre der N P D . Ein Vertreter des N P D KV Düsseldorf macht die durch
E inwanderung im Wandel begriffene Gesellschaft verächtlich und sieht jedes M ittel
gegen d iese Entwicklung gerechtfertigt:
"Das ist eine geistige Pest, die sich Multikulti nennt und die wir mit allen
nur möglichen Mitteln bekämpfen müssen. " (Quelle: ein bei YouTube
eingestelltes Video).
Eine besonders geschmacklose Kampagne füh rte die N P D im Rahmen des Bundes­
tagswah lkam pfes 20 1 3 . I n einer gezielten Aktion wurden Politiker m it Migrationshin­
terg rund eigens hergestellte Kondome zugestellt mit der Aufsch rift "Für Ausländer und
ausgewählte Deutsche!". Nachfolgend ein Auszug aus dem Text, m it dem die Verpa­
ckung bedruckt ist:
"Eine Aktion der JN
Sie vermehren sich blitzartig, nerven, kosten unser Geld und haben ei­
gentlich keinen Nutzen - die Politiker der korrupten Altparteien. Sie tun
so, als ob sie sich für unsere Probleme interessieren, um dann jahrelang
in den Parlamenten eine ruhige Kugel zu schieben. Sie wollen die multi­
kulturelle Gesellschaft, die unsere Kultur zerstört. Sie lassen zu, dass sich
unsere Gesellschaft überfremdet.
Die JN hat die Lösung:
Kondome für A usländer und ausgewählte Deutsche!
Ab jetzt kann jeder durch die Stadt gehen und aktiv den demografischen
Wandel bekämpfen. Einfach diese netten Kondome verteilen.
Aber nicht vergessen selber fleißig zu sein: Unser Nachwuchs kommt
nicht von alleine!"
Anmerku ng: Der Hersteller der Kondome hat sich m ittlerweile von der Aktion d istan­
ziert und seine diesbezüglichen Ei nnahmen einem wohltätigen Zweck gespendet.
50
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
facebook
"�j"�"O
f"'�j � l_",
�_"'Ul
�
-
::.>""'" �".'''i.:IUl
��. 0JI>'''''
� :...
""C _
....
Bne Aldion der .Jt<I:
Sil' l'effIlen
l'hr
Sld' l bltt.lrtig . �. kostert uoser Geid und haben�
kn1en Nutzen - � � der I<.omJpten AApilrtele<l. Sle t...,�. alsobsoeSiCh
fur lA'lSefl' Pfobleml' interesieren, um dann )il/TeWl9 lnaen � eIne
� K ugel N 5Chietlm. s.e woler! dIe �� � doe uosefe
IWrllf � Sie liKslenru. dass sich oosere Gesell5c:hatt ubeffremdet.
Internetauszug der Face­
book-Seite der NPD über
die Kondom-Aktion der JN
r.ttP:.'_�.<»I"""" :;'''>
'
�_.Pf(d.o:t_�_:C·l!&.�-f'�.�o..lI.o:'�od-
1��·ctnl_""'�-.d·�5",""",·
,* 1��1
Die N P D ist islamfeindlich
Neben der al lgemeinen Hetze gegen Ausländer sind i nsbesondere die Menschen
musli mischen Glaubens Opfer der N P D-Propaganda. I ndem die NPD Überfremdungs­
ängste schürt und den I slam mit I slam ismus und Terrorismus gleichsetzt, zeichnet
sie ein verzerrtes Bild der h ier lebenden Muslime, i nsbesondere aus der Türkei. Eine
derartige islamfeindliche Zuspitzung ist für rechtsextrem istische Parteien typisch und
d u rchzieht auch die Propaganda etwa von 'pro Köln'. Die NPD hatte bereits im Jahre
2009 nach der Schweizer Volksabsti mmung zu dieser Frage eine "Anti-Minarett­
I n itiative" mit dem Ziel einer Online-Petition gestartet. I n einer Presseerklärung vom
8. Dezember 2009 heißt es:
"Natürlich war es richtig, die Steilvorlage aus der Schweiz aufzunehmen.
[ . . . ] A uftakt eines europaweiten Aufstandes gegen die fortschreitende
Überfremdung unserer Länder und gegen die schleichende Machtüber­
nahme durch den Islam. "
(Quelle: N PD-Homepage).
Ein sächsischer Landtagsabgeordneter der NPD verweist auf den strategischen Hin­
tergru nd:
RECHTSEXTREMISMUS
51
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
06.06.2013
Islam ismus
-
I
Artikel kommentieren
Gut finden:
die Bedrohung wird größer
Suche hter
Während die Bundesinteqratlonsbeauftragte Maria BöhrTl€r nich t mOde wird, Zuwanderung als
Bereicherung schönzureden und Bundeskanzler1n Angela Merkel Deutschland auffordert, ein
Integrationsland zu werden, denken tausende lsiamisten In unserem Land nicht 1m Traum
danm, sich zu Integrieren oder (Jar unser Land auf Irgendeine
Art
-
Neues auf OS-Aktuell
und Welse zu bereichern.
Der neue Verlassungsschutzbericht Ber1lns macht überdeutlich, daß die Bedrohung durch
Islamistische Gefährder deutlich gestiegen Ist. In Deutschland ist es In Mode gekommen, daß
Islamlst!sche Bedrohungsszenario auf den Salaflsmus zu reduzieren. Es soll der Anschein
erweckt werden, daß lediglich die radikal-Islamische BewegUf"Ig des Salaflsmus eine Gefahr für
die innere Sicherheit in Deutschland sei
Dabei 1st der Salaflsmus lediglich der Gipfel des EIsbergs, die logische Folge elner sich
zunehmend radikalisierenden islamIstischen Subkultur, die Ihrer deutschen Umwelt mehr und
mehr feindselig gegenilber steht. Der Bombenanschlag von Boston, die brutale Attacke auf
Internetauszug der Homepage der NPD mit einem Beispiel zu deren Islamfeindlichkeit
"Im Westen müssen wir das Thema 'Islamisierung' noch viel stärker auf­
greifen. [ . . ] In strategischer Hinsicht ist Pro-Köln in dieser Hinsicht schon
.
ein positives Beispie/".
(DS 1 0/20 1 0, Seite 3+4).
Die NPD sieht Deutsch land als Ziel und Opfer einer großangelegten Übernah meakti­
on islamischer Länder, vor allem der Türke i :
"Oie Facette der psychologischen Kriegsführung basiert a u f der Tatsache,
daß türkische Regierungskreise im Territorium der Bundesrepublik die
zukünftige Westprovinz eines großtürkischen Imperiums sehen; die einzel­
nen Stadien der Übernahme werden von Ankara aus steuernd begleitet.
[ . . ] Deren Vorgehen zeigt, daß die Bundesrepublik von der türkischen
.
Regierung als eine Kolonie angesehen wird, deren fortschreitende Erobe­
rung höchste Priorität hat. "
(DS 07/2009, Seite 1 9) .
52
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
In der 'Deutschen Stimme' macht die N P D i h re Position deutl ich: " N iemals deutsches
Land i n Moslem-Hand ! " heißt es da. Der Kampf gegen die Islamisierung sei der Tür­
öffner für weitergehende ausländerpolitische Forderu ngen. Dabei könne man sich die
"feinsinnige U nterscheidung i n Islam und I slamismus" sparen (OS 02/20 1 0, Seite 1 1 ).
Bei i h ren Hetztiraden greift die N P D auch zu d rastischen Formul ieru ngen , die recht­
staatliche Prinzipien wie zum Beispiel das Vorl iegen von H i nderungsgründen für eine
Abschiebung negieren:
"Islamisten-Sumpf trockenlegen!
Der Terror-Sumpf muß ausgetrocknet, islamistische Zellen müssen mit der
ganzen Härte des Gesetzes ausgeräuchert werden, und kriminelle und
terroristische Ausländer gehören nicht nach Deutschland, sondern in ihre
Heimatländer zurückgeführt - unverzüglich. "
(OS 04/20 1 1 , Seite 2).
Der NPD geht es ferner daru m , dass sich M usli me i n Deutschland gar nicht erst zu
Hause fühlen:
"Je fremder, desto besser [ . . . ] Je weniger 'Integration ' und Durchmi­
schung, je mehr (beiderseitige) Distanz und getrennte Entwicklung, desto
besser die Voraussetzungen den M u ltikultiwahn einst zu beenden ." (OS
04/20 1 0 , Seite 5).
"NEIN Ihr gehört nicht dazu!
[ . . . ] Auch die Feststellung, daß der I slam n icht zu Deutsch land gehört, ist
eine Binsenweisheit erster G üte. N u r Verblendete oder Bösartige können
das Jahr 1 683, als türkische Kultu rbereicherer zum letzten Mal vor Wien
standen und die Messer wetzten , für den Beg inn einer wunderbaren
Freu ndschaft halten. [ . . . ] Belassen wir es also dabei, wie es immer war:
zwei Völker, zwei Wege, zwei Welten. So fällt das Abschiednehmen leich­
ter, wenn es demnächst so weit ist. (OS 04/20 1 1 , Seite 1 /Leitartikel).
"
Kurz vor der nord rhein-westfäl ischen Landtagswahl am 1 3. Mai 20 1 2 wurde von der
NPD aus taktischen Erwägungen im Hinblick auf die Demonstrationen von 'pro N RW'
u nd die massiven Gegenreaktionen d u rch Salafisten die Anti-Islamkampagne von der
NPD erneut aufgegriffen u nd verstärkt vorangetrieben . Sie verband dabei I slamfeind-
RECHTSEXTREMISMUS
53
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
schaft mit völkischem Nationalismus. So forderte sie i n einem Flugblatt: "Salafistische
Gefa h r stoppen - Deutschland uns Deutschen".
In ei nem Beitrag vom 7. J u n i 201 3 u nter dem Titel "I slam ismus - die Bed rohung wird
g rößer" verweist der Verfasser darauf, dass die Gefä h rdung der i nneren Sicherheit
der Bundesrepublik Deutsch land jedoch n icht allein von Salafisten verursacht wü rde:
"Mittlerweile sei der Salafismus eine jugendaffine Subkultur, die in der
Lage ist, frustrierte und bildungsferne Muslime in ihren Bann zu ziehen.
Die islamischen Gemeinden leugnen bisher das Problem, wissen sie doch,
daß der Kern des Problems der Islam selbst ist. " (Quelle: Homepage N P D
LV N RW).
Die N P D ist antizigan istisch
M it Berichten über einen starken Zuzug von S i nti und Roma und einer d u rch 'pro
N RW' initiierten Hetzkampagne entdeckte die N P D ein weiteres vermeintlich po­
pulistisches Thema für eine eigene Kampagne "Zigeunerflut stoppen! Kriminalität
bekämpfen!". M it Übersch riften in verschiedenen Beiträgen auf der Homepage des
N PD-Landesverbandes N RW wie
Deutsche Ki nder und Rentner an der Armutsgrenze, Zigeuner im Siebten Himmel
Zigeunerflut: Gutmenschen- und Systemschreiberlinge schlagen Alarm
S i nti- und Romaproblematik: Kinderhandel - ein lukratives Geschäftsmodell?
Duisburger und Wuppertaler Zigeunerbande bereicherte viele Gemeinden in N RW
Duisburg : U nzähl ige Zigeunerkinder höchst kriminell!
werden Ä ngste u nd Ressentiments in der Bevölkerung geschü rt, S inti und Roma
pauschal als Krim inelle verunglimpft und mit dem diskrimin ierenden Begriff "Zigeuner"
belegt. Ein friedliches Zusammen leben wird dabei von der N P D ausdrücklich n icht
gewünscht. I n der Online-Ausgabe der Publ ikation 'Kurz & Knapp' des N P D LV N RW
warnt die Partei d ramatisierend unter der Ü bersch rift "Zigeuner-/Asylfl ut stoppen ! Ein­
mal N RW und zurück!" vor H u nderttausenden von Wirtschaftsfl üchtlingen , die bereits
auf gepackten Koffern sitzen . Ganze rumän ische Dörfer seien schon in Deutschland
gelandet. Damit müsse Sch luss sei n .
54
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
in
NRW
weil die soziale Umsorgung hierzu­
schlagen Alarm: sie fühlen sich
lande
mit den Risiken und Nebenwir­
durchschnittlicher
,Heimat"
kungen
der
Masseneinwande­
Lippiger
ausfällt
lohn
als
ein
in
der
rung vor allem sogenannter Sinti
und Rama (besser bekannt als
Die
Zigeuner) von der Bundesregie­
Zigeunern, sowie manches Vertlal­
rung im Stich gelassen.
ten (VermüUung der Straßen, uri­
hohe
Kriminalitätsrate
unter
Die Zahl der Einwanderer aus
nieren und koten in der Öffentlich­
keit, eie.) haben dazu geführt, daß
Rumänien und Bulgarien hai sich
sich viele Deutsche kaum noch auf
in den letzten Jahren versechs­
die Straßen rund um die Problem­
facht Noch schlimmer wird es,
viertel bzw. Problernhäuser trauen.
......enn ab
1.
auch für
Die Deutschen, die es sich leisten
diese
Länder
EU­
können, ziehen weg. Andere resig-
Januar
2014
die
Freizügigkeit gilt. Hunderttausen­
de Wirtschaftsflüchllinge sitzen
bereits
auf
Ganze
rumänische
gepackten
Koffern
oli:
Am
25.09.2013
Damit muß Schluß sei n
Dörfer sind
l
hat.
von NRW zU einer Debatte um das
Gesetz zur Stäl1:.ung der Kommu­
nalfinanzen der rot-grunen Landes­
regierung.
Nach den Plänen der
bereits in Deutschland gelandet,
diesen
kam es im Landtag
sollen
60
.hohen"
das Jahr
Regierung
NRW-Kommunen
Steuereinnahmen
2020 jähr1ich
mit
bis
bis zu
in
182
Millionen Euro an arme Kommunen
zahlen. Der umstrittene Minister für
Inneres und Kommunales Ralf Jä­
Oie NPO fordert U•
ger (SPD) sieht in diesem Irrsinn
•:
• EJowanderung
penl
•
eine alternativlose Vorgehenswei­
•
,e
in den Sozialstaat stop­
Abgelehnte Asy1bewert>er,
arbeit­
krimineQe Auslaoder umgehend
lose und
sowie
abschiebeni
• Problerrnauser schließen!
• SIcOemelt durch Recht und
Ordnung
Der Landesvorsitzende der NPD­
NRW Claus Cremer äußerte dazu
,Nach dem Willen der rot-grünen
Landesregierung sollen Kommu­
nen bestraft werden, die in schwie­
rigen Zeiten halbwegs vernünftig
gehaushaltet haben. Da kann man
jede Stadt oder Gemeinde verste­
hen, die schon jetzt Klage gegen
Zwangssoli
angekündigt
Besonders Irrsinnig werden
diese Planungen
wenn man be­
denkt, daß selbst die angesproche­
nen
60
Kommunen mit
2,8
Milliar­
den Euro verschuldet sind. Die Fi­
nanzlage In NRW sucht ihresglei­
chen. Immer mehr Kommunen ste­
hen unter dem sog. Nothaushalts­
recht, sind also faktisch Pleite. In
diesen
nahmen
Kommunen
werden Maß­
gegenüber den Bürgern
eingeschlagen, die getrost als sozi­
afterroristischer
Akt
bezeichnet
werden kOnnen. Die Notlage der
Kommunen ist in einigen Bereichen
hausgemacht,
jedoch
zu
einem
großen Teil auch durch die finanz­
pOlitische Mißwirtschaft von Bund
und Land verschuldet.
z.B.
Hier sind
die kommunalen Kosten f
ür
den SGB-II-Bereich, sowie die un­
notigen
Kosten für die massive
Asytnut zu nennen . '
Die NPD lehnt den Zwangssoli
für NRW-Kommunen selbstver­
ständlich ab.
www.npd-!1rw.de
Auszug aus der Online-Ausgabe der Publikation 'Kurz & Knapp' im September 2013
Die NPD ist antisem itisch
Obwohl die N P D soziale Themen und die "Bedrohung durch den I slam" in den Vorder­
grund rückt, weicht sie n icht von ihren "traditionellen" antisemitischen und revisionis­
tischen Positionen ab. Es werden n icht nur plumpe antisemitische Ä u ßerungen wie­
dergegeben, sondern auch der Holocaust bezweifelt (im Grundsatz auch die Zahl der
jüdischen Opfer des Völkermordes) und die Schuld Deutschlands am Ausbruch des
Zweiten Weltkrieges geleugnet. In diversen Beiträgen u nd I nterviews verschafft die
'Deutsche Stimme' auch bekannten Revisionisten eine Plattform zur Verbreitung ihrer
Thesen. Daneben finden sich zudem Ansätze einer Verschwörungstheorie, nach der
"jüdische I nteressenvertreter" zusammen mit dem "Großkapital der amerikan ischen
Ostküste" nach Weltherrschaft streben. Beispielhaft für eine Vielzahl einschlägiger
Artikel stehen folgende Auszüge:
,,
2004 hatte der Historiker Werner Maser den Mut, festzustellen, dass
die bislang vorgelegten 'Beweise ' fragwürdig seien. Er erklärte, dass die
'Zeugenberichte über die Anzahl der Öfen, das Fassungsvermögen der
RECHTSEXTREMISMUS
55
Verfassungssch utzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 20 1 3
Gaskammern und Krematorien, die Anzahl der jeweiligen Vergasungsop­
fer, die Gassubstanzen, die Dauer der Vergasungen, die Herausnahme
der vergasten Opfer und die Verbrennungsvorgänge usw. ' sich einfach
voneinander [unterscheiden, Anm. der Red.] und erheblich widersprechen.
Diese Widersprüche ziehen sich durch die gesamte Historiographie. " (OS
03/2009, Seite 23).
U nter der Ü berschrift "Die E rsatzreligion" heißt es i n der OS 07/2009 auf Seite 22:
"Seit 1 945 steht das Christentum in Deutschland im Begriff [ . . . ] nach und
nach durch die Religion der deutschen 'A lleinkriegsschuld' und des 'Ho­
locaust' abgelöst zu werden. [ . . . ] ein kritisches Hinterfragen der Dogmen
[wird] nicht geduldet. "
Auf der Homepage des N P D LV N RW veröffentlichte der Pressesprecher der Lan­
despartei am 27. Januar 201 3 (dem Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationsla­
gers Ausschwitz) einen Artikel u nter der Ü bersch rift "SPD will J uden einen Wald als
Zeichen der Verbunden heit schenken". Der Verfasser beschreibt dies als verfrü hten
Aprilscherz, um das erinnerungspol itische Anl iegen zu verunglimpfen.
Grundsätzlich hält sich die N P D aber - gerade auch vor dem H intergrund der Straf­
barkeit entsprechender Ä ußerungen - mit antisem itischen Ausfällen zurück. I ntern
wird aber offen antisemitisch geredet.
N P D ist m i nderheitenfeindlich
Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Frauenquote im Rahmen der Koaliti­
onsverhandlungen zwischen CDU und SPD spekul ierte der N PD-Landespressespre­
cher in einem Beitrag vom 1 8 . November 20 1 3 über weitere mögliche Quoten . Dabei
finden sich alle potenziellen Opfer der N P D-Hetzpropaganda i n einer einzigen Frage
wieder:
"Bald auch Schwulen-, Lesben, Juden-, Zigeuner-, Schwarzen- und/oder
Moslemquote ? "
(Quelle: Homepage N P D LV N RW).
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es sich bei den Genannten i n etwa auch um
die Personengruppen handelt, die der Verfolgung d u rch die Nationalsozialisten zu m
56
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Opfer gefa l len sind . Aus Sicht der Verfassungssch utzbehörde ist das weder ein Zufall
noch Versehen, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen .
Auszug aus der
Homepage des
NPO LV NRW vom
18. November 2013
Il.' I M' I
Kunm.ldunp<'!
Bald auch Schwulen-, lesben-, Juden-, Zigeuner-, Schwarzen- und/oder
Moslemquote1
CDU uod SP{I 1Wleri �lch w,m,rod d<>r Ko.lUliom\'f·fhdndl� Im PunIIt frall"oquote !lE'@"inlgt
!(unftlH rl1il':.S{>O )0\ OO! Aur�kht�räte I.IdneMotlefte' Ullhl'r.ehrt\(!l'l frauen win, (\I:oeore
Miln.i\IlOOl'l'Ilt� und VOßtilr1d<> �l{'fl ab lOlb "wrblodI� Zk)ol!lröl\.'n� tMU�. hl<>r
wUlde 1'11>(>
Quot,.... Vl'f'llnb,o"
JI@�j
Clot> UP{) lefV'll eine �hc" "O<�I1ebene
v
Qult"""'''jIt>l<.-.q e<lI'>ChlE<l<>n ab. EIO',leU�
uod Vt'lll300 von f>oolll"!l dlKfen ...... lliKh O!Ja(ir�tlorl ur.d nlctlt !l�ch Quole OO4>f P&r1eief1fi11
W<l1000 tllcl1t WU1dPm wurden �\ctl d1& lIatlonalde1nOl<latEOl, wem kltlftlg allch I>lne
'>l.hwvC'-"" . l� .•udt>f1 I� . S(JIW,JI7!'O <.nd 'Ode< MO\ll'f'llQlIot.. pjl'lg<'h
.t\ft wtfd
V,"'�
CI;:O�:� "
E.. ��vomNPO t...ldH�
fII!on
Altlk1Jol
801101
ilUCh
<,c""'dl'fl� ll'lbe<l .
Jud'·n .
l!!1f!1.IIlI"
.. ,
!,(hw","l�
uod'00E0r
�� ��-� )
Ml NPO NRW
.... @NPDNIM-
NIJ<,l""IQUOt(,? _lteoempfehl<en. �
Die N P D ist revisionistisch
"Revisionism us" bezeichnet den Versuch von Rechtsextremisten , die u nter der Herr­
schaft des Nationalsozialismus verübten Verbrechen in Zweifel zu ziehen bzw. zu ver­
harmlosen. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht die Leugnung bzw. Relativierung
des Holocaust (die sogenannte "Auschwitz-Lüge"). Ein weiteres wichtiges Thema des
Revisionismus ist die "Kriegsschuldfrage". Durch Veröffentlichung angeblicher gehei­
mer U nterlagen soll die Schuld des Deutschen Reiches am Ausbruch des 2 . Weltkrie­
ges relativiert bzw. geleugnet werden . E i n weiterer Punkt ist die Infragestellung der
deutschen Ostgrenze (der sogenannte "Gebietsrevisionismus"). In der revisionisti­
schen Agitation besteht "r . } das Deutsche Reich in den Grenzen von 1 937 [. . .]" fort.
.
Der Revisionismus stellt bei vielen Rechtsextrem isten - so auch bei der NPD - ein
wichtiges Ideologieelement dar.
RECHTSEXTREMISMUS
57
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
E i nem einschlägig vorbestraften Revisionisten wird in der ' Deutschen Stim me'
(09/2009, Seite 3) Raum gegeben, um u nter der Ü berschrift "Die Wahrheit wird sich
durchsetzen" zu behau pten :
"Alle diese Sachverhalte habe ich in meinem Buch 'Wahrheit für Deutsch­
land. Oie Schuldfrage des Zweiten Weltkrieges' [ . . . ] einwandfrei quellenbe­
legt nachgewiesen [ . . . ]. Erstens die Kriegserklärung 'Judea against Ger­
many' am 24. März 1 933, für die Adolf Hitler nicht den geringsten Anlaß
geliefert hatte [ . . . ]. "
Und in der Oktoberausgabe der 'Deutschen Stim me' ( 1 0/2009) wird zum Beginn des
Zweiten Weltkrieges behauptet, dass es bei dem Ü berfall auf Polen u m "Rettu ng vor
Stalins Gen icksch ussbrigaden" gegangen sei und dass der Zweite Weltkrieg im Grun­
de genommen ein "Freiheitskrieg"'3 war.
"Auf den Tag vor 70 Jahren beendete der 'Führer' des Großdeutschen Rei­
ches den staatlich inszenierten Terror gegen die deutsche Minderheit in
Polen durch die Verkündung, daß ab '5 Uhr 45 zurückgeschossen' werde. "
Aber n icht n u r die E inschätzungen der N P D zu Vergangenheit und Gegenwart, son­
dern auch ihre Zuku nftsvisionen sind geprägt von Zyn ismus und rassistischen Vorur­
teilen:
"Der Blick in die Glotze
. . .. wird immer schlimmer: Wie das Fernsehprogramm des letzten öffent­
lich-rechtlichen Kanals der BRD am 20. 1 . 2031 aussehen könnte
1 4. 00 Uhr
Direktübertragung aus der Gedenkstätte Erlenwald [ . . . ] spricht
Bundespräsident Ngoro
Hurabura. Umrahmt wird das Treffen vom Chor der Selbsterfahrungsge­
meinschaft Erbschuld.
1 6. 00 Uhr
Fatimas Kochshow
1 6.45 Uhr
Jiddisch für Anfänger
Folge 9: Der Gang zur Börse
[. . .]
13
58
Artikel "Es war ein Freiheitskrieg" in OS 0212010, Seite 23.
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
2 1 . 45 Uhr
Schächten für den Hausgebrauch
Praktische Tipps und Anleitungen von Rabbi Schlomo Pflaumbaum und
Mullah Hussein [ . . . ]
(Aus einem Beitrag in der OS 02/20 1 1 , Seiten 8/9)
Die N P D verherrlicht den Nationalsozialismus
Die NPD glorifiziert i n Beiträgen der 'Deutschen Stim me' den historischen National­
sozialismus und stellt sich selbst i n die Nähe zu rechtskräftig verurteilten Verbrechern
des N S-Reg imes.
"Oie Alliierten haben sich keinen Gefallen getan
Im Mai 1 94 1 flog Rudolf Heß nach England [ . . . ]. Die Empörung über die
Behandlung u nd die Sympath ie, ja man kann fast sagen die Verehrung,
die Heß entgegengebracht wird , ist europäisch [ . . . ] kann ich mir wahrlich
schlechtere Vorbilder und Idole vorstellen. Kraft tankt man an Beispielen.
Heß scheint so eines zu sein. " (OS OS/20 1 1 , Seite 23).
I n der 'Deutschen Stimme' 08/2009 posiert der ehemalige N PD-Vorsitzende Udo Voigt
vor einem Plakat, auf dem "Freiheit für Erich Priebke!" verlangt wird. I h ren Gipfel
findet d ie U nterstützung des einschlägig verurteilten Kriegsverbrechers Erich Priebkes i n einem Parteitagsbeschluss, der das
Bedauern ausrückt, dass d iese "vorbildliche
Persönlichkeit aus formalen Gründen " nicht
als Kandidat der N P D für das Amt des Bun­
despräsidenten bestimmt werden könne.
Der 'Ring Nationaler Frauen' (RNF) bemühte
das bekan nte Motiv des Autobahnbaus durch
das nationalsozialistische Regime:
Auszug aus der Homepage der RNF
"Als der deutsche Sozialstaat noch funktionierte: A utobahn in den Dreißi­
gern [ . . . ] . "
( R N F Berl i n , OS 04/2009, Seite 1 9).
RECHTSEXTREMISMUS
59
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
An anderer Stelle preist die N P D die sozialen "Errungenschaften" des Dritten Reiches,
ohne dieses Reg ime al lerdings explizit zu benennen:
"Ja zu Deutschland - ja zum Reich!
Zur Reichsgründung vor 140 Jahre/Immerwährende Aktualität der Reichs­
idee
Um den Fortbestand des Volkskörpers
Es blieb dem 20. Jahrhundert und der " Volksgemeinschaft" der dreißiger
und vierziger Jahre vorbehalten, sozialpolitisch zu vollenden, wofür Bis­
marck den Weg gebahnt hatte. "
(DS 02/20 1 1 , Seiten 22).
I n einem Beitrag vom 29. April 201 3 auf der Homepage des NPD LV N RW unter dem
Titel "OPEL: Nicht erpressen lassen !" wird seitens des N PD-Landesvorsitzenden
Claus Cremer in einem Zitat vom "raffenden Finanzkapital" gesprochen.
"Das raffende Finanzkapital darf sich nicht erlauben was es will"
(Quelle: Homepage NPD LV N RW).
Cremer greift damit auf den Sprachgebrauch des "Wirtschaftstheoretikers" Gottfried
Feder der N S DAP zurück, der die Theorie vom "raffenden und schaffenden Kapital"
entwickelt hatte, die i h ren N iederschlag im Parteiprogramm der N SDAP fand.
H ier zeigt sich die "Wesensverwandtschaft" der Ideologie der N P D und des National­
sozialismus die ein Gutachten des I nstituts für Zeitgeschichte vom 25. Februar 20 1 3,
welches im Rahmen der Vorbereitungen für einen Antrag beim Bundesverfassungsge­
richt für ein Parteiverbot der NPD erstellt wurde, belegt hat. Diese Eigenschaft war ein
maßgebl icher Grund für das Parteiverbot der 'Sozialistischen Reichspartei' (SRP) im
Jahre 1 952 durch das Bundesverfassu ngsgericht.
Die NPD ist aggressiv-kämpferisch
Neben den verfassungsfeindlichen Ä u ßerungen der N P D l iegen auch Belege über
aktiv-kämpferische, aggressive Bestrebungen vor. Diese sind eine weitere Vorausset­
zung für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfa h ren. Sie ergeben sich im Wesentl ichen
aus den strategischen Konzepten der NPD zur Umsetzu ng i h rer politischen Ziele, den
engen Verflechtungen mit der Neonazi-Szene, der Verbindung zu verbotenen Orga-
60
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
n isationen und der E instellung zur Gewalt als M ittel im politischen Kampf. Als weitere
Belege dienen zahlreiche Strafverfahren gegen führende N P D-Fu n ktionäre.
I n einer Erklärung vom 8. J u n i 20 1 0 formul iert der N P D-Landesvorsitzende Claus
Cremer unter dem vielsagenden Titel "Dem Anspruch einer sozialrevol utionären Par­
tei gerecht werden":
" Die NPD, als parlamentarischer Arm des Widerstandes, hat nun weiter­
hin Taten folgen zu lassen, um dem Anspruch einer sozialrevolutionären
Partei gerecht zu werden" (Quelle: Homepage N P D LV N RW).
I n einem Beitrag im sozialen Netzwerk Google+ mit dem Titel "Über m ich" schreibt
zum Beispiel der Vorsitzende des N P D KV Krefeld über sein Selbstbild und die Ziele
der N P D folgendes:
"Ich verstehe mich selbst als einen Vertreter des völkischen Nationa­
lismus. Die Bildung einer Volksgemeinschaft sollte das Ziel aller Volks­
deutschen sein. Nur wenige merken, dass unsere Gemeinsamkeit von
Geschichte, Kultur und Abstammung in Deutschland durch bewusst
herbeigeführten, fortgesetzten A usländerzustrom zu vernichten droht. Es
wird einen Kampf geben, in dem es um mehr geht als nur um Sieg oder
Freiheit . . .! Es geht um die Wurzel unserer Kultur, die Säuberung unserer
verdreckten Gesellschaft, einhergehend mit dem der Erhaltung unserer
arteigenen Sprößlinge. "
(Quelle: Google+ bzw. Facebook-Seite des N P D Krefeld).
Die NPD spricht vom "Frontalangriff gegen das System", was eben auch die aggressi­
ve Bekämpfung der Demokratie mit einschließt.
Bei der Wahl der M ittel fordert die N P D eine gewisse "Kreativität", man schl ießt aber
auch einen "Frontalangriff" gegen das System nicht aus:
" Wir müssen beweglich und kreativ sein ".
Die DS i m Gespräch m it dem scheidenden Geschäftsführer des ' Deutsche Sti mme­
Verlages':
,, 0. :
Ich für meinen Teil werde nie Yad Vashem betreten!
Frage: Die Wortergreifungsstrategien im nationalen Lager sind sehr un-
RECHTSEXTREMISMUS
61
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
terschiedlich - vom Frontalangriff gegen das System bis zur Veränderung
durch Mitarbeit [ . . . ]
Welche Strategie ist die Richtige ?
0. : Alle
Strategien, die zum Erfolg führen, sind richtig. Das 'A llheilmittel' ist
mir leider nicht bekannt und deshalb soll und muß das nationale Lager vie­
le verschiedene Wege gehen und ausprobieren. Wir müssen hier beweg­
lich und kreativ sein und notfalls auch mit dem Teufel zusammenarbeiten,
solange er nicht aus Jerusalem kommt. " (OS 0 1 /201 1 , Seite 3).
Der Bundesrat reicht NPD-Verbotsantrag ein
Vor dem H intergrund der in den letzten Jahren durch die Verfassungsschutzbehörden
des Bundes und der Länder gesam melten Belege und n icht zuletzt auch im Zusam­
menhang m it der Aufdeckung der Mordserie des NSU beschlossen die I nnenminister
des Bundes und der Länder Ende 201 1 , das vorl iegende Material zusammenzustellen
und die Erfolgsaussichten eines N PD-Verbotsverfahrens erneut zu prüfen. Der Verfas­
sungsschutz N RW hat sich intensiv in die gemeinsame Materialsammlung von Bund
und Ländern eingebracht, die die Verfassungswidrigkeit der Partei belegen sol l . Die
Behörde hat i nsbesondere Materialien vorgelegt über die Verbindu ngen der NPD vor
a l lem zur Neonazi-Szene sowie zu ihrer Ausländer-, i nsbesondere Islamfeindlichkeit.
Die Materialsammlung enthält Beweisstücke zu allen bisher vom Bundesverfassungs­
gericht formu l ierten Anforderungen für ein Parteienverbot. Die I n nenminister und
-senatoren der Länder hielten es daher für geboten, beim Bundesverfassungsgericht
auf der Grund lage der Materialsammlung ein Verbot der N P D zu beantragen. Die Mi­
n isterpräsidentenkonferenz hat sich am 6 . Dezember 20 1 2 dafür ausgesprochen, das
Verbotsverfah ren einzuleiten . Bereits am 14. Dezember 201 2 hat der Bundesrat die
AntragsteIlung beim Bundesverfassu ngsgericht beschlossen . Am 3 . Dezember 20 1 3
wurde der ausführlich begründete und mit einer Materialsammlung sowie Gutachten
belegte Antrag durch die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates beim Bundesver­
fassungsgericht eingereicht.
Die Reaktionen der N P D
I n einer ersten Reaktion am 8. November 20 1 2 a u f die politischen Diskussionen z u
einem Verbotsantrag stellte die N P D b e i m Bundesverfassungsgericht ihrerseits einen
62
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
"Antrag im Parteiverbotsverfahren". Das Bundesverfassungsgericht solle feststellen,
dass die N P D nicht verfassungswidrig sei. Hilfsweise solle es unter anderem feststel­
len, dass die Antragsgegner Bu ndestag, B undesrat und Bundesreg ierung die Rechte
der N P D aus Art. 21 GG dadurch verletzten , dass sie fortwährend die Verfassungs­
widrigkeit der NPD behaupteten, ohne einen Verbotsantrag zu stellen und auf diese
Weise die Wirkungen ei nes faktischen Parteiverbots herbeiführten. Diesen Antrag
versuchte die N P D in ihrer Öffentlichkeitsarbeit propagandistisch zu nutze n . Der zwei­
te Senat des BVerfG hat m it Besch luss vom 20. Februar 20 1 3 den Antrag der N P D
verworfen (2 B v E 1 1 /1 2 ).
Die "Erfurter Erklärung" der N P D
Auf einer Bundesvorstandssitzung am 26. und 2 7 . J a n u a r 201 3 beschloss d e r NPD­
Parteivorstand die sogenannte "Erfurter Erklärung". I m Kern der Erklärung wiederholt
die NPD den Vorwurf, dass sie durch die sich h inziehende Verbotsdiskussion Scha­
den nehme. I nsofern begrüße auch die N P D die Absicht der Innenminister, das Ver­
botsverfahren n u n auch tatsächlich einzuleiten.
Die Organisation der N P D
Der N PD-Landesverband Nordrhein -Westfalen
Der N PD-Landesverband Nordrhei n-Westfalen hat i m Jahr 20 1 2 seinen Sitz von Bo­
chum nach Essen verlegt. Bundesweit ist der LV N RW nur von geringer Bedeutung.
Das macht sich in der vergleichsweise schwachen Vertretu ng im Bundesvorstand
deutl ich , dem aktuell nur zwei Personen aus N RW als Beisitzer angehöre n . Die Situ­
ation des NPD LV N RW ist seit Jahren von Stagnation der M itgliederzahlen, schwa­
chen Wahlergebnissen (zumeist die schlechtesten auf Bu ndesebene) u nd einem
Landesvorstand gezeichnet, der der Partei keine politischen I mpulse geben kan n .
Der seit 2008 amtierende Landesvorsitzende Claus Cremer verfügt i nnerparteilich n u r
über geringe Autorität und wenig Ansehen. M it knapp 6 5 0 Mitgliedern ist d i e M itgl ie­
derzahl gegenüber 20 1 2 leicht rückläufig. Nennenswerte Aktivitäten sind vom Landes­
verband im Berichtsjahr nicht ausgegangen.
Die N P D-Kreisverbände in Nordrhei n-Westfalen
Die NPD steht seit Jahren vor erheblichen Problemen m it i h rer Parteiorganisation
flächendeckend präsent zu sein . Schon i n der Vergangenheit waren die N PD-Kreis-
RECHTSEXTREMISMUS
63
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
verbände zum Teil größer als die Verwaltungsgrenzen (Kreis bzw. kreisfreie Stadt).
Im Berichtsjahr musste die N P D auch im Regierungsbezirk Münster ihre Aktivitäten ebenso wie im Regierungsbezirk Detmold - auf einen einzigen Kreisverband konzen­
trieren. Damit ist die Partei n u r noch im Rhei nland, im Ruhrgebiet und im Sauerland
organisatorisch in nennenswertem U mfang vertreten . Der Selbstauflösung des ehe­
mals aktiven KV Düren und den vergeblichen Versuchen, den KV Wesel/Bocholt zu
reaktivieren, steht die erfolgreiche Reaktivierung des seit Jahren inaktiven KV Du is­
burg im Berichtsjahr 201 3 entgegen . Aktuell dürfte die N P D über weniger als 20 aktive
Kreisverbände i n den insgesamt 54 Kreisen und kreisfreien Städten in N RW verfügen .
Damit ist die N P D auch weiterhin nicht in der Lage , flächendeckende Wahlkämpfe i n
Nordrhein-Westfalen z u betreiben .
Die N P D in Kom m u nalparlamenten
M it der Wiederholung der Kommunalwah l in Dortmund am 26. August 20 1 2 ist es der
NPD gelungen , die Zah l ihrer kommunalen M andate in etwa zu stabilisieren (wie das
nachstehende Schaubild verdeutlicht). Diese hatten sich näml ich seit der Komm u nal­
wah l 2009 durch Parteiaustritte und Parteiausschlüsse merklich reduziert. I n sgesamt
lässt sich feststellen, dass die NPD m it ihren landesweit etwa 20 Mandaten nahezu
keine Aktivitäten entfaltet. Von einer kommu nalen Verankerung der N P D kann man
jedenfalls n icht sprechen.
Durch den Wegfall der 5%-Hürde für den E i nzug i n kom munale Parlamente wird es
der Partei vermutlich leichter fallen, einen Kandidaten über die Liste in den Rat zu
entsenden . Dafür genügen ihr - je nach Größe der Kommune - schon Wahlergeb­
n isse von ca . 1 %, vorausgesetzt, es gelingt der N P D , auch geeignete Kandidaten
aufzustellen. Aktuell ist die N P D ledigl ich in Dortmund mit mehr als einem Mandatsträ­
ger, näml ich mit einer sogenannten G ruppe im Rat vertreten . Damit kommt sie jedoch
bereits in den Genuss von erheblichen finanziellen Zuwendu ngen (ca . 2/3 der fi nanzi­
ellen Zuwendu ngen an eine Fraktion).
Die Strategie der NPD
Die NPD äußert ihre oben dargestellten verfassungsfeindlichen Ziele nicht n u r verba l ,
sondern w i l l diese i m Rahmen i h res "Vier-Säulen-Konzeptes" a u c h u msetzen. Neben
dem ideologischen "Kampf u m die Köpfe" zählen dazu der "Kampf u m die Straße",
der "Kampf u m die Parlamente" und der "Kampf u m den organisierten Willen". Wie die
64
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
rn!l
iI!i:I
NPD-Oortmund
Nur mit der NPD gibt es nationale Politik von und für Deutsche!
FotoansICht offnen
Herunterladen
Beitrag einfugen
Beispiel für parteiübergreifende populistische Themen im Facebook-Profil der NPD Dortmund
Bürgerbewegung 'pro N RW' versucht die N P D mit vermeintlich popul istischen The­
men wie Islamfeindl ichkeit, Ausländerfeindlichkeit und der pauschalen Diskreditierung
von Asylsuchenden als Krim inelle bei Wahlen politische Erfolge zu erzielen . Mehrheit­
l ich geli ngt ihr dies jedoch nicht. Im Rahmen der B undestagswahl 20 1 3 verzeichnete
die N P D jedoch mit Aktionen gegen Asylu nterkü nfte sowie gegen Sinti u nd Roma
RECHTSEXTREMISMUS
65
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
punktuelle Wahlerfolge. Sowohl in vergangenen Jahren wie auch im Berichtsjahr 20 1 3
setzte hier jedoch der politische Konkurrent der N P D , nämlich d ie Bürgerbewegung
'pro N RW', die entscheidenden ersten Akzente. Auch inhaltlich gleichen sich die Wahl­
plakate (zum Beispiel "Maria statt Scharia!") und die politischen Kampagnen beider
Parteien gegen den Islam, Asylbewerber und gegen Sinti und Rom a . Dabei versucht
sich die N P D als Anwalt der tatsächlich oder subjektiv sozial Benachteil igten zu gerie­
ren . I n einem Interview m it einem M itglied des N P D-Parteipräsidiums heißt es:
"Oie NPD ist die Schutzmacht aller Deutschen, die [ . . . ] vom sozialen Ab­
stieg bedroht sind. [ . . . ]
Volksgemeinschaft = Schutzgemeinschaft
Weil das Gros unserer sozial abgehängten Landsleute für eine aktive Op­
position gegen das System (noch) nicht zu mobilisieren ist, muß die NPD
das Augenmerk zuerst auf diejenigen richten, die wirtschaftlich noch etwas
zu verlieren haben. [ . . . ] Entscheidend ist die glaubwürdige Positionierung
der NPD als Schutzmacht der 'kleinen Leute ' [ . . . ] Das ist der Weg zum
Ziel" (OS 04/20 1 1 , Seite 8).
Dass ein n icht u nerheblicher Teil ihrer Wählerschaft aus J u ng- u nd Erstwäh lern be­
steht, hat auch die N P D realisiert und ihren Wah lkampf und ihr Politikangebot ent­
sprechend "jugendaffin" ausgerichtet (siehe auch "Öffentlichkeitsarbeit der NPD").
Das Spektrum a n "bürgernahen Angeboten" der N P D in N RW (wie zum Beispiel Hartz
IV-Beratu ng) beschränkt sich in N RW weitgehend auf Mahnwachen gegen Kinder­
schänder und Flugblätter gegen vermeintliche "G EZ-Abzocke". Mit angeblich bürger­
nahen Angeboten versucht die N P D , sich als "Anwalt der kleinen Leute" zu gerieren.
Mit "Türöffner-Themen" möchte die N P D a n bestehende Vorurteile und Ressentiments
i n der Bevölkerung anknüpfen , u m hier den Boden für weitreichendere und deutlich
extremistischere politische Ziele zu bereite n . In N RW ist d iese Strategie im Gegensatz
zu anderen B undesländern allerdings weniger erfolgreich , wie die Wahlergebnisse der
N P D belegen .
Angeblich bü rgernahe Beratungs- und Pol iti kangebote der N PD
I m November 20 1 1 präsentierte die N P D N RW eine I nfobroschüre mit dem Titel
"G EZ-Befreiung leicht gemacht". Diese enthielt Tipps zur Befreiung von Rundfunk­
und Fernsehgebühren sowie zur Erlangung eines Sozialtarifs bei der Deutschen
Telekom. Der eigenen Aussage nach erklärte die N P D , " was das herrschende System
66
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
lieber unter Verschluß halten würde". An anderer Stelle h ieß es: "Behörden und etab­
lierte Parteien verschweigen den Menschen ihre Rechte".
Anlässlich ihrer Kampagne gegen "Kinderschänder" führten die 'Jungen Nationalde­
mokraten' (JN) i n N RW bereits im Vorjahr diverse Mahnwachen , unter anderem in
Viersen, Krefeld und Kempen durch . I m Zusammenhang mit d ieser Kampagne veröf­
fentlichten die J N N RW im Jahre 20 1 2 auf der Homepage des J N-Bundesverbandes
(die eigene Homepage www.j n-nrw.net wurde deaktiviert bzw. u mgeleitet) ein soge­
nanntes "Präventivflugblatt Kinderschutz" mit einem H inweis auf ein Alarmgerät bzw.
ein mobiles GSM-Notrufgerät.
Die Vernetzung der N P D
I nternational hatte die N P D u nter ihrem langjährigem Vorsitzenden U d o Voigt gute
Kontakte zu den spanischen Falangisten, russischen Rechtsextremisten und zu an­
deren rechtsextremistischen Parteien i n verschiedenen südosteuropäischen Ländern.
Diese Kontakte hat die Partei mit dem Vorsitzenden Apfel n icht weiter gepflegt. Statt
die zerspl itterte Rechte zu einen, wurde Apfel offenkundig zunehmend zu einer Belas­
tung für die N P D .
I m Bund sorgte der Kurs d e r "seriösen Radikalität" d e s zurückgetretenen Parteivor­
sitzenden Holger Apfel von Beginn an für Spannungen mit dem Parteiflügel , der der
Neonazi-Szene nahe steht. Apfels Kurs wurde von vielen als zu "Iasch" empfu nden .
Andererseits hatte der zurückgetretene Parteivorsitzende unter dem Eindruck der Ver­
botsvorbereitungen der Verfassungsschutzbehörden im Berichtsjahr 20 1 3 versucht,
keine neuen Angriffsflächen zu bieten.
Bereits in den letzten Jahren sind der N P D in N RW ihre Bündnispartner aus der Neo­
nazi-Szene zunehmend fremd geworden . Auslöser war die Weigerung des Landes­
verbandes, einen bekannten Neonazi i n die Partei aufzunehmen. Daraufh i n hatte sich
der ehemals sehr aktive KV Düren selbst aufgelöst und ein weiterer KV-Vorsitzender
war zurückgetreten . Gemeinsame Aktivitäten von NPD und Neonazi-Szene finden in
N RW kaum noch statt. Mit der Gründung des Landesverbandes N RW der Partei 'Die
Rechte' haben sich die Konflikte eher noch verschärft. Eine Ausnahme stellt der NPD­
Kreisverband U nna/Hamm dar, der mit der Partei 'Die Rechte' eng zusammenarbeitet.
RECHTSEXTREMISMUS
67
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2 0 1 3
Konfl ikte der N P D m it anderen G ru ppieru ngen
I n Dortmund haben d ie Konfli kte zwischen dem örtlichen KV der NPD und dem KV
Dortmund der Partei 'Die Rechte' eine neue Qualität erreicht. So wurde versucht,
den N P D-Kreisvorsitzenden durch Androhung von Prügel und Farbschmierereien am
Haus einzuschüchtern und eine Konkurrenz-Kand idatu r der N P D i n Dortmund für die
Kommunalwahl 201 4 zu verhindern . Andererseits besucht der Vorsitzende des N P D
KV Unna/Hamm regel mäßig d i e Veranstaltungen d e r Partei ' D i e Rechte' i n Dortmund
und fällt damit sowohl seiner Partei als auch seinem Parteifreund i n den Rücken.
Der N PD-Landesverband bzw. der Landesvorsitzende sind n icht in der Lage, diesen
Konflikt zu lösen.
Die Aktivitäten der N P D
D i e Aktivitäten der N P D im Bundestagswahlka m pf 2 0 1 3
I m Vorfeld d e r Bundestagswah l führte die N P D e i n e Deutschlandfahrt m i t einem
umgebauten LKW, ihrem sogenannten "NPD-Flaggschiff", durch große Städte in ganz
Deutschland durch , darunter auch 1 5 größere Städte in N RW. Bei den Zwischen­
stopps waren durchschn ittlich nur 1 0
-
20 Personen anwesend. Auf Landesebene
und in verschiedenen Kommunen gab es zahlreiche dezentrale Aktionen wie Mahn­
wachen oder I nfostände. I n N RW wurden nur vergleichsweise wenige Plakate der
NPD verklebt. U rsache h ierfür dürften die anhaltenden Liquiditätsprobleme des N P D
LV NRW s e i n . Schwerpunktthemen im Bundestagswahlkampf waren Islamfeindlich­
keit und Aktionen gegen Asylbewerberheime sowie gegen Sinti und Roma. Aber auch
Themen wie "Abschaffung des Euro", "Auslandseinsätze der Bundeswehr" und "Kin­
derschänder" spielten im Wahlkampf der NPD in NRW eine Rolle.
Beispiele von Wahl­
plakaten der NPD
68
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Demonstrationen und Mah nwachen der N PD
Größere Demonstrationen wie zum Beispiel zum 1 . Mai oder zu anderen Anlässen hat
der NPD LV N RW schon seit mehreren Jahren nicht mehr durchgeführt. Hau ptgru nd
dü rfte die eigene Mobilisierungsschwäche und die Abwanderung gerade von aktiven,
jüngeren und eher aktionsorientierten M itgliedern zur Partei 'Die Rechte' sei n . Aus
Angst vor Gegendemonstrationen meldet die NPD ihre Demonstrationen auch nur
noch kurzfristig an und bewi rbt sie n icht öffentlich im I nternet. Das führt dazu , dass
sich die öffentl ichkeitswirksamen Aktionen der NPD auf kleinere Demonstrationen ,
Mahnwachen und Infostände beschränken. Den von der Partei proklam ierten "Kampf
u m die Straße" überlässt d ie NPD i n N RW weitgehend der Neonazi-Szene.
Die "Arbeit" der NPD i n Kom munalvertretu ngen
Obwohl d ie NPD i n ru nd 20 kommunalen Vertretu ngen sitzt, gehen von den Man­
datsträgern weder parteiintern noch nach a u ßen nennenswerte I mpulse aus. Dies
liegt zum einen an einer weitgehenden politischen I solation der Rechtsextremisten ,
andererseits a u c h an fehlender Kompetenz d e r meisten d e r gewählten NPD-Vertreter.
Deren Aktivitäten beschränken sich weitgehend auf die M itnahme der Sitzungsgel­
der und der Aufwandspauschale sowie auf das nur begrenzt öffentlichkeitswirksame
Stel len von eigenen Anträgen bzw. Anfragen, die man eher als "Signalanträge" be­
zeichnen muss. Einen anderen Zweck, als die reine Selbstdarstellung gegen über den
eigenen Parteim itgliedern, erfüllen d iese Anträge zumeist n icht. An anderer Stelle sind
sie ei nfach nur der Ausdruck der rassistischen NPD-Ideologie. Dies macht der nach­
folgende Auszug aus einem "Ergänzungsantrag" der NPD in der Bezi rksvertretung
Dortmund-Eving zum Thema "Entwicklung von Strukturen für gezielte Qualifizierung
und Berufsvorbereitung" deutlich :
"Die Nationaldemokraten fordern daher bei der Berufsförderung und Qua­
lifikation der Zuwanderer den eingeforderten Respekt vor den kulturellen
Sitten und Gebräuchen der Zigeuner auch konsequent umzusetzen, z.B.
durch begleitende Qualifizierungsmaßnahmen in den Berufsfeldern 'Bette­
lei, Betrug, Raub und Diebstahl"'.
H ierbei handelt es sich nicht um die Entgleisung eines E inzelnen . Beleg hierfür ist,
dass der entsprechende Auszug aus dem Antrag - vom Kreisvorsitzenden der N P D in
Dortmu nd signiert - auf der N PD-Homepage ei ngestellt wurde.
RECHTSEXTREMISMUS
69
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Die Öffentlichkeitsarbeit der N P D
Die Öffentlichkeitsarbeit d e r N P D i s t ausgesprochen vielfältig. Zur klassischen Öffent­
lichkeitsarbeit der Partei zählen I nfostände, Verteilaktionen , Petitionen, Unterschriften­
listen , Flyer, Plakate oder Spukis. N icht zuletzt auch diverse Printmed ien , darunter die
Parteizeitung 'Deutsche Stim me' (OS), die im g leichnamigen Verlag in Riesa er­
scheint. Von dort wickelt die N P D auch ihren "Materialdienst" ab, über den die Werbe­
r, ��
Deutsche Stimme
I
Monats:reltung für Politik und Kultur
Logo der NPO-Publikation 'Oeutsche Stimme'
I
träger der Partei - gegen Entgelt
- sowohl an Parteigliederungen
als auch an private I nteressen­
ten versandt werden.
Als sogenannte "Onli ne-Öffentlichkeitsarbeit" kann man die diversen Homepages der
verschiedenen N PD-Teilorganisationen (Bu ndes-, Landes-und Kreisverbände) be­
nennen oder d ie Auftritte in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Google+
und der Videoplattform YouTube. Daneben gibt es noch partei i nterne Rundmails und
Online-Publ ikationen. Aus Kostengründen hat der chronisch klamme N P D LV N RW
den Schwerpunkt seiner Öffentlichkeitsarbeit auf den Bereich der Online-Präsentation
verlagert. H ier kann man in den letzten Jahren auch eine Verschiebung weg von
Webseiten der Kreisverbände hin zu Facebook-Auftritten beobachten. Aus Sicht der
Partei l iegt der Grund in der "unzensierten D iskussionsmöglichkeit" mit den Besu­
chern der Seite. Die Webseiten einiger Kreisverbände sind schlecht gepflegt, oftmals
n icht aktuell und werden vom Landesverband zentral geführt, der mit dieser Aufgabe
zum Teil überfordert scheint.
Feste und Liederabende der N P D
Anders als in abgelegenen ländlichen Gebieten in Ostdeutschland steht das eher
bescheidene Freizeitangebot der NPD im dichtbesiedelten Nordrhein-Westfalen in
Konku rrenz zu einem breit gestreuten Freizeitangebot privater Anbieter. Hier kann die
NPD mit ihren Angeboten keine Personen a u ßerhalb des eigenen M itgliederpotenzi­
als erreichen. Die vom Landesverband und einigen wenigen Kreisverbänden durch­
geführten Grillabende, Sommer- und Sommersonnenwend- bzw. Wintersonnenwend­
feste finden d u rchweg nur im eigenen Kreis - also unter Ausschluss der Öffentlichkeit
- statt. Im Gegensatz zu anderen Landesverbänden organisiert die N P D in N RW
auch keine Skinhead-Konzerte, sondern allenfalls sogenan nte Lieder- oder Balla­
denabende, auf denen eher ein Musikprogramm für das fortgeschrittene Alter geboten
wird . Einen größeren Personenkreis spricht sie dabei in der Regel n icht a n .
70
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Straftaten von NPD-M itgliedern
Im Berichtszeitraum waren die häufigsten festgestellten Straftaten Propagandadelikte
bzw. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Die eigene Schwäche hält die N P D
i n N RW offenbar von einem aggressiven Auftreten gegenüber dem politischen Gegner
ab, wie d ies beispielsweise in anderen Ländern zu beobachten ist.
Ausblick
Auf Landesebene bereitet sich die N P D intensiv auf die bevorstehende Kommunal­
wah l am 25. Mai 2014 und die zeitgleich stattfi ndende Europawahl vor. Bei der Kom­
munalwahl hofft die N P D , die Zahl ihrer Mandate zumindest halten zu können bzw. in
der einen oder anderen Kommune mit besonderen sozialen Belastungen sogar m it
einer Gruppe in den Rat einzuziehen. Dies wäre m it höheren fi nanziellen Zuwendun­
gen verbunden. Erfolge der NPD in einzelnen Kom munen sind i n N RW nicht ausge­
schlossen.
Das Ziel bei der Europawahl m indestens einen Europaabgeordneten zu entsenden,
scheint nach dem Wegfall der 3%-Hürde möglich . Das Ergebnis der B undestagswahl
von 1 ,3% würde h ierzu genügen.
Der Rücktritt des Parteivorsitzenden Holger Apfel Ende 20 1 3 kam für viele Parteimit­
glieder zu d iesem Zeitpunkt völlig überraschend. Während Apfel für diesen Schritt per­
sönl iche Gründe angab, wurden innerparteil ich gegen seine Person Vorwürfe eines
u ngebührl ichen Verhaltens erhoben. Zuletzt hatte es in der Partei immer deutlichere
Kritik an seinem Kurs der "seriösen Rad ikalität" gegeben, der vielen Parteimitgliedern ,
aber vor allem der Neonazi-Szene zu "Iasch" erschien. Der durch Apfels Rücktritt aus­
gelöste Stillstand währte jedoch nur kurz. Relativ schnell wurde der stellvertretende
NPD-Vorsitzende Udo Pastörs, der einen deutlich radikaleren Ku rs vertritt, zunächst
als kommissarischer Parteivorsitzender benannt; Anfang 2 0 1 4 dann endgültig vom
Parteivorstand berufen. Mit den Landtagswahlen unter anderem in Thüringen und
Brandenburg, vor allem aber in Sachsen stehen 20 1 4 wichtige Wahlen für die N P D
a n . Dabei dürfte besonders d i e Landtagswahl in Sachsen existenziell sowohl für die
NPD als auch für den amtierenden Parteivorsitzenden selbst sein. Verfehlt die N P D
in Sachsen den Wiedereinzug, dürfte dieser bereits frühzeitig deutlich angeschlagen
sein. Gleichzeitig hat die Partei weiterhin mit finanziellen Schwierigkeiten und einer
rückläufigen Mitgliederzahl zu kämpfen. Bei einer anhalten Abwanderung gerade
der jüngeren und aktionsorientierten Parteimitglieder droht der N P D der Rückfall in
RECHTSEXTREMISMUS
71
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
die Ä ra vor der Amtsübernahme von Udo Voigt, die gekennzeichnet war durch einen
überalterten M itgliederbestand und eine Stigmatisierung der NPD als rechtsextremisti­
sche Splitterpartei mit Wahlergebnissen auf Bu ndesebene von deutlich u nter 1 %.
Die größte Herausforderu ng für d ie Partei d ürfte im Jahr 20 1 4 jedoch die Auseinan­
dersetzung mit dem eingeleiteten N PD-Verbotsverfahren darstellen. Zu lange hatte
die Partei offenbar darauf spekuliert, dass das Verfah ren am Ende doch n icht eröffnet
würde. Dies hat sich nun als Fehleinschätzung erwiesen. Der N P D droht - ausge­
rechnet im 50. Jahr ihres Bestehens - das endgültige Aus.
3. 1 .2
B ü rgerbewegung pro Köln e.V. und Bürgerbewegung pro N RW
Gründung
Sitz
M itgl ieder
'pro N RW'
'pro Köln eV'
2007
1 996
Köl n
Düsseldorf
i nsgesamt bei 'pro Köl n eV' und 'pro N RW' ca . 1 . 000
Vorstand
Markus Beisicht, Vorsitzender; Markus Beisicht, Vorsitzender;
J udith Wolter, stellvertretende Markus Wiener, GeneralseVorsitzende;
kretär; Judith Wolter, Schatz-
Markus Wiener, stellvertre­
meisterin
tender Vorsitzender; Karel
Schiele, Schatzmeister
'PRO KÖLN - I nformationen
'P RO N RW - I nformationen
der Fraktion pro Köln im Rat
der Bürgerbewegung pro
I nternet
der Stadt Köln'
Homepage, verantwortlich
N RW'
Homepage, verantwortlich
Rechtsform
Markus Beisicht
Verei n m it Mandaten i m Rat
Markus Beisicht
Partei , überwiegend perso-
Publikation
der Stadt Köl n
nen identisch m i t 'pro Köl n
eV', M andate i n Kreistagen
und Stadträten
H i nterg rund von 'pro Köl n e.V.' und 'pro N RW'
Die Gruppierungen entstanden im Wesentlichen auf Betreiben ehemaliger Funktionä­
re und Mitglieder der ebenfalls dem rechtsextrem istischen Spektrum zuzurechnenden
' Deutschen Liga für Volk und Heimat*' ( DLVH ) sowie der Partei 'Die Repu blika ner'
72
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
(REP), die bis 2007 vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Der Vorsitzende,
mehrere seiner Vorstandskollegen und große Teile der Mitglieder kom men aus rechts­
extremistischen Parteien oder aus Organisationen, bei denen Anhaltspunkte für den
Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen vorliegen bzw. vorlagen. Bereits 1 996
gegründet, erzielte der Verein 'pro Köln eV' erstmals bei der Kommunalwahl 2004
Mandate im Rat der Stadt und ist dort bis heute vertreten . Bei der 2007 entstandenen
'Bürgerbewegung pro N RW' handelt es sich u m den Versuch einer landesweiten Aus­
dehnung dieser zunächst lokalen Struktur m it identischer Ideolog ie, gleichgelagerter
Strategie und zum Teil Personenidentitäten der Führu ngsfunktionäre.
Den i nhaltlichen Schwerpunkt der beiden pro-Organ isationen bildet die Fremdenfeind­
lichkeit. Sie stellen bestimmte M inderheiten als fremd u nd nicht integrierbar dar. Be­
gründet wird d ies m it pauschalen negativen Zuschreibungen. 'Pro Köln eV' und 'pro
N RW' versuchen dabei, Vorurteile zu schüren, Konflikte zu dramatisieren und diese
G ruppen als Sündenbock für komplexe gesellschaftl iche Probleme zu stigmatisieren.
Demgegenüber stellen sie eine einheimische Bevölkerung, die sie ausschließl ich
positiv skizzieren. Damit konstruieren sie einen Freu nd-Feind-Gegensatz, mit dem sie
die Ausgrenzung aller vermeintlich Fremden legitimieren. Dies beinhaltet auch , den
Angehörigen vorgeblich fremder Gruppen ihre Menschenrechte abzusprechen . Die
fremdenfeindliche Propaganda richtet sich vor allem gegen M uslime, Asylbewerber,
Türken sowie Sinti und Roma.
Die Verhaltensweisen von 'pro Köln e.V.' und 'pro N RW' richten sich gegen die
frei heitliche demokratische Grundordnung
Die Verhaltensweisen von 'pro Köl n eV' und 'pro N RW' richten sich gegen die frei­
heitliche demokratische Grundordnung, weil 'pro Köl n eV' und 'pro N RW' mit ihren
Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte
m issachten, insbesondere die Menschenwürde und das Diskrimin ierungsverbot.
M igranten werden durch 'pro Köln e.V.' und 'pro N RW' wegen ihrer Nationalität, eth­
nischen Zugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit pauschal herabgesetzt und dif­
famiert. Entsprechende Aussagen werden ständig wiederholt. I m Fokus stehen weit
überwiegend die Themen Migration und Islam, verbunden m it einer drastischen, zum
Teil abwertenden Wortwah l . So wird den Bürgern ein negatives Menschenbild über
M igranten u nd M uslime vermittelt, welches ausschließlich an deren Nationalität, Re­
l igions-, Staats- oder ethnischen Zugehörigkeit anknüpft. Eine differenzierte Betrach­
tung, die andere Aspekte einbezieht, wird fast vollständig ausgeblendet. Bestim mte
RECHTSEXTREMISMUS
73
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
ethnische u nd religiöse Gruppen, insbesondere Muslime, werden als u nerwünschte,
nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse dargestellt. Mit dieser Art der Darstellung
schüren 'pro Köln eV' u nd 'pro N RW' Ablehnung und Angst in der Bevölkerung.
Wenn sich 'pro Köln e.V. ' und 'pro N RW' immer wieder geradezu demonstrativ zum
Grundgesetz bekennen und sich gegen jede Form von Extremismus verwahren, wirkt
dies taktisch motiviert. Agitation und Propaganda stehen auch in 20 1 3 zumindest in
Teilen in offenem Widerspruch zur vordergründig wirkenden Bejahung der Verfas­
sungsgrundsätze des Grundgesetzes. Mit Stereotypen werden häufig Bedrohungs­
szenarien gezeichnet, für die einseitig bestimmte Bevölkerungsteile verantwortlich
gemacht werden. Wortwah l u nd Argumentationsmuster lassen ein Menschenbild deut­
lich werden, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
'Pro Köln e.V.' und 'pro N RW' sind fremdenfeindlich
'Pro Köln e.V. ' und 'pro N RW' schüren latente Ä ngste vor Überfremdung u nd verbrei­
ten fremdenfeindliche Ressentiments.
'Pro Köln eV.' überzeichnet in einem Beitrag auf seinem Facebookprofil vom 1 1 . Au­
gust 201 3 Migration drastisch und unterstellt, dass Migranten sich nicht integrieren,
sondern die einheimische Bevölkerung domin ieren wollen . Zudem wählt der Verein
ein kriegerisches Vokabular, u m Migration generell in einen negativen Kontext zu
stellen:
"Man kann ein Land auf zweierlei Alt besetzen:
DURCH EINMARSCHIEREN Das geht am schnellsten
DURCH EINWANDERUNG Das ist am sichersten
»
Der Wahnsinn hat Methode
«
Ungebremste Zuwanderung +++ Ungebremste Zuwanderung"
Das Prinzip der Toleranz, welches für das friedliche Zusammenleben in einer freiheit­
lichen Demokratie wesentlich ist, stellt 'pro Köln eV.' auf seinem Facebook-Profil am
27. Oktober 201 3 als Schwäche dar. Denn es bestünde die Gefahr, dass die vermeint­
l ich Fremden d ieses zum Schaden der eigenen Bevölkerung nutzen.
"Heute tolerant und morgen fremd im eigenen Land? Nicht mit uns!"
74
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
'Pro Köln e V ' bringt Migration am 1 3. Mai 20 1 3 auf seinem Facebook-Profil ferner in
einen Zusammenhang m it einem kruden U ntergangsszenario Deutschlands, welches
in der rechtsextrem istischen Szene populär ist.
"Die Siegermächte haben unser Land zerbombt den Rest besorgen unsere Politiker.
Schluss mit Demontage unserer Werte!
Schluss mit der Überfremdung!"
Die 'Jugend pro N RW' verbreitet auf einem 20 1 3 verteilten Flugblatt das Bild eines
sich übergebenden E in horns in der Optik eines Bilderbuches für Kinder. In karikieren­
der Art und Weise demonstriert die J ugendorganisation, dass sie Migration pauschal
ablehnt, weil sie damit ausschließlich negative Aspekte verbindet. Das Bild ist betitelt
mit dem Slogan:
"Multikulti ist zum kotzen!"
Flugblatt der 'Jugend pro NRW' "Multikulti
ist zum Kotzen!"
.._--_.. _----­
-_.._---_..
--�........ ---
I m Text erläutert 'Jugend pro N RW' ihre Vorstellungen , wonach Migration vor allem
gefährl ich und der Fremde zugleich als Feind anzusehen sei.
"Durch die Ideologie des Multikulti werden unter dem Deckmantel von
Vielfalt und Völkerverständigung hauptsächlich Konflikte und innergesell­
schaftliche Zerwürfnisse produziert. [ . . . ]
RECHTSEXTREMISMUS
75
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Wir; die Jugend PRO NRW, stellen uns dieser Entwurzelung entgegen und
sprechen offen die Probleme innerhalb der multikulturellen Gesellschaft
(z. 8. steigende Kriminalität und alltägliche Gewalt) an und lassen Dich mit
Deinen Sorgen und Problemen nicht allein!"
Mit gleicher Zielsetzung pflegt
'pro N RW' den Stil der zynischen
Satire. Auf ihrem Facebook-Profi l
veröffentlicht sie am 23. Septem­
"
Q
ber 20 1 3 ein Foto, auf dem l in ks
ein Wanderer in den Bergen mit
dem Untertitel "Ein Wanderer" ab­
gebildet ist. Rechts sind Salafisten
zu sehen, die Polizisten angreifen,
Ausschnitt der Facebook-Startseite von 'pro NRW'
was m it dem U ntertitel "Einwanderer" versehen ist. Die pro-Partei
setzt Migranten also mit der kleinen Gruppe gewaltbereiter Salafisten g leich, u m
erstere in Gänze als potenzielle Gewalttäter zu stigmatisieren.
Diesem Argumentationsmuster entspricht eine Parole, die 'pro N RW' am 12. Septem­
ber 20 1 3 auf Facebook postete und m it der sie wieder den E indruck erweckte, dass
Migration eng mit Kriminal ität verbunden sei und d ieses Problem angeblich zunehme:
"Multikulturell bedeutet immer öfter multikriminellf"
Kon kretisiert wird dies von 'pro N RW' in einem Beitrag am 1 8 . August 201 3 auf ihrem
Facebook-Profil . Dort dramatisiert sie zukü nftige Migration , spricht in einer abfälligen
Art und Weise über Migranten und unterstel lt i h nen pauschal ein sozial inakzeptables
Verhalten. Damit schürt sie Voru rteile gegenüber jegl ichen E inwanderern:
"Ab 2014 kommen durch die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit noch mehr kul­
turelle Bereicherer nach Deutschland, von einer regelrechten Einwande­
rungsweIle ist die Rede, und die Polizei möchte deren Hauptbeschäftigung
(häusliche Gewalt und nächtliche Ruhestörung) jetzt anders organisieren. "
Auf seiner Webseite beschäftigte sich 'pro N RW' am 1 . J u l i 201 3 bereits mit dem
Thema und stellt die gleichen fremdenfeindlichen Behauptungen bezügl ich Rumänen
und Bulgaren auf.
76
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
"Die Vorhut ist schon da und 'bereichert' ganze Innenstädte quer durch
NRW Dadurch steigt die Kriminalitätsrate im gleichen Maß, wie die Le­
bensqualität sinkt. "
Diese Positionen stellt die pro-Bewegung auch auf ihren öffentlichen Veranstaltungen
in den Vorderg rund. Am 5 . Oktober 20 1 3 sprach der stellvertretende Vorsitzende von
'pro N RW in Bochu m von Migration aussch ließlich in einem negativen Zusammen­
hang und schürt damit Ä ngste, dass Migranten sich generell kriminell verhalten und
damit eine Bed rohung der einheim ischen Bevölkerung darstellen .
" Und dann bringt diese Masseneinwanderung noch Phänomene, die un­
serer Gesellschaft schaden. Die Kriminalität durch die Bettelmafia, durch
die Klaukids, durch die Asylmafia ist nicht mehr hinnehmbar. Wir sagen:
Einbruch, Raub und Überfälle, raus mit allen Kriminellen. "
Um die negative Darstellung von Migranten als Kri minelle scheinbar zu belegen , greift
sich d ie pro-Bewegung Ei nzelfälle heraus und legt diese als typisches Verhalten für
alle M igranten aus. So problematisiert 'pro NRW am 1 6. J u l i 201 3 gewaltverherrli­
chende Aussagen eines Musikers mit Migrationshintergrund u nd general isiert diese
für sämtliche Migra nten . Die "multikulturelle Gesellschaft" ist dabei ein Synonym für
eine Gesel lschaft, i n der Migration stattfi ndet. Eine solche Gesel lschaft erklärt die
pro-Bewegung zum Feindbild, weil diese sich durch "Hass und Gewalt" auszeich nen
würde. Demgegenüber verklärt sie die angeblichen frü her herrschenden gesellschaft­
lichen Zustände, die von "Anstand und Moral" gekennzeichnet gewesen seien. Es
wird d iffamierend unterstel lt, dass durch Migranten Anstand und Moral verloren ge­
gangen seien . H ier zeigt sich ein klares Freund-Feind-Denken, bei dem die Migranten
als Feind fu ngieren.
"Die multikulturelle Gesellschaft bedeutet nur Hass und Gewalt. [ . . ]
Zudem können wir mit seinem Untergang [des umstrittenen Musikers]
gleich die multikulturelle Gesellschaft abschaffen und zurückkehren zu
einer bürgerlichen Gesellschaft mit Anstand und Moral. "
Der Remscheider Kreisverband von 'pro NRW' nimmt einen Zeitungsbericht über eine
Schlägerei auf seiner Webseite am 20. Juli 201 3 zum Anlass, u m Migranten pauschal
als gewaltbereit zu d iffam ieren. Bemerkenswert ist dabei, dass im ursprünglichen
Zeitungsartikel nicht von Migranten als Täter die Rede war:
RECHTSEXTREMISMUS
77
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
"Denn ausgerechnet auf der durch und durch 'kulturbereicherten' unteren
Alleestraße fand die Prügelei statt und - wer hätte das gedacht? - un­
mittelbar vor einer Döner-Bude. Auch die äußerste Brutalität in der die
Kampfhähne -pardon gemeint sind natürlich die 'Männer' - unter anderem
mit Eisenstangen aufeinander losgingen und Passanten in Angst und
Schrecken versetzten, läßt gewisse Rückschlüsse auf das Temperament
der sattsam bekannten Migrantengruppen zu. "
Neben Kriminal ität und Gewalt
������
schreibt die pro-Bewegung Mig­
1�; _ pro-n"W roK
ranten weitere angeblich typische
Arthur Schopenhauer:
Verhaltensweisen zu, die d iese
Man beb"acht. z.B. HR Koran: Dieses
sch*htl Buch w. hllnlcbend. eine
WellreWsJon
zu begründen,
Gruppe in ein schlechtes Licht
das
......'MII......
metaphysisdle BedürfnIß Z
Menschen seit 1200 Jahren zu btfrtecUgtn.
die Gruml.,. lhrtr Moral und "MI' bedeutenden Vtrachtunl'
)
des Todes zu werden. wie auch,
.1 zu blutigen Knqen und den
ausgedehntesten Erobenlß,an zu be,elstem. Wir nnden In Ihm
die traur1csm und irmlkhste Gestalt dis theismus.
I."': 0ie w.H .1, ......._ Yortt.nu-C. KItIIt.I17)
WWW. FACEBOOK.COM/PRONRW
PRzI
rücken . Migranten seien vor a l lem
darauf bedacht, die Sozialsysteme
in Deutschland auszunutzen und
auf Kosten der einheimischen
Bevölkerung zu leben. H ier werden
Migranten nicht als Bedrohung der
Sicherheit, sondern als Bedrohung
des ökonomischen Wohlstands
stigmatisiert. Die pro-Akteure
versuchen dabei gesellschaftliche
Gruppen gegeneinander auszu­
spielen und Sozialneid zu erzeu­
gen. Eine solche Rhetorik nutzte
der stellvertretende Vorsitzende
von 'pro N RW' am 5. Oktober 20 1 3
auf einer Kundgebung i n Boch u m :
Auszug der Facebook-Seite von 'pro NRW·mil ausländer­
feindlichen Inhalten
" Wir haben Rentner, die müssen mittlerweile nach Pfandflaschen suchen,
um über die Runden zu kommen und Migranten gehen im Bioladen ein­
kaufen. Das ist ungerecht. Unser Geld für unsere Leute. "
78
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
H ier negiert der Redner, dass Migranten sich ihren Wohlstand selbst erarbeitet haben
können. Zudem erweckt diese Gegenüberstellung fälschl icherweise den Eindruck,
dass die Leistungen an Migranten auf Kosten der Rentenleistungen gehen.
Der 'pro N RW' Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe hat im Nachgang zur Hochwasser­
Katastrophe an der Oder im Frühsommer 20 1 3 ein vermeintlich ironisches Statement
ei nes anderen Autors mit zeh n fremdenfeindlichen Vorurteilen übernommen und auf
seinem Facebookprofil am 1 6 . J u n i 20 1 3 gepostet.
"Ich möchte an dieser Stelle unseren ausländischen Mitbürgern in aller
Form für deren großartigen Einsatz und die selbstlose Hilfe bei der Merkel­
wetter-Hoch wasser-Katastrophe danken. Liebe Zuwanderer, Ihr beispiel­
loses Mitwirken kann gar nicht genug gewürdigt werden, ich möchte es
trotzdem mit folgender unvollständiger Aufstellung im Ansatz versuchen:
1.) Dank Ihres Nichterscheinens konnten die deutschen Fachkräfte die
Bekämpfung des Hochwassers wirkungsvoll organisieren, ohne von untä­
tig herumstehenden Zuwanderern behindert zu werden.
2.) Dank Ihres Nichterscheinens wurde an den Katastrophenorten aus­
schließlich Deutsch gesprochen, es gab also keinerlei Verständigungspro­
bleme.
3.) Dank Ihres Nichterscheinens brauchten die Küchen, welche die Helfer
versorgten, keinerlei Rücksicht auf koscher, halal oder andere unverständ­
liche Speise vorschriften zu nehmen, was deren Arbeit sehr erleichtert hat.
4.) Dank Ihres Nichterscheinens gab es keine religionsbedingten Störun­
gen, da keine Gebetsräume eingerichtet und keine Toiletten mit Rücksicht
auf Mekka ausgerichtet werden mußten.
5.) Dank Ihres Nichterscheinens mußten keine Bekleidungsvorschriften
eingehalten werden, die freiwillig mithelfenden Frauen brauchten weder
Kopftuch, noch Burka, noch Niqab zu tragen und waren trotzdem keinerlei
sexuellen Belästigungen ausgesetzt.
6.) Dank Ihres Nichterscheinens kam es bei der Hochwasserhilfe weder zu
Prügeleien, Messerstechereien oder Totschlägereien.
RECHTSEXTREMISMUS
79
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
7.) Dank Ihres Nichterscheinens war die Organisation einfach und lief
ohne störende Diskussionen ab. Insbesondere fühlte sich keiner der frei­
willigen Helfer diskriminiert, wenn er eine unangenehmere A ufgabe über­
tragen bekam.
8.) Dank Ihres Nichterscheinens werden nun keine Anwälte und Gerichte
bemüht, um über Menschenrechte und Wiedergutmachungszahlungen zu
befinden.
9.) Dank Ihres Nichterscheinens wissen wir nun definitiv, daß der Islam
NICHT zu Deutschland gehört, vor allem dann, wenn es auf Solidarität und
Nachbarschaftshilfe ankommt. Oder soll ich es so ausdrücken: Wenn statt
des ständigen Nehmens auch einmal das Geben gefordert ist.
1 0.) Dank Ihres Nichterscheinens wissen wir nun, auf wen wir uns in der
Not verlassen können: auf unsere deutschstämmigen Nachbarn. Und wir
wissen, wer uns in der Not im Stich läßt: die 'zugewanderten Mitbürger',
deren Kultur der unbedingten Ausnutzung des Gastlandes wir besser nicht
übernehmen. "
Obschon die pro-Bewegu n g oftmals ihre fremdenfeindliche Propaga nda m it vermeint­
lich unaufhebbaren kulturellen Differenzen begründet, präsentiert sie gelegentlich
auch biologistisch-rassistische Thesen, wie sie bei der NPD und der Neonazi-Szene
vorherrschen. So publizierte 'pro N RW' am 9. J u l i 20 1 3 auf seinem Facebook-Profil
das Bild eines Esels, der auf einem Heuhaufen l iegt. Im H i ntergrund l iegt ein Pferd
auf der Erde. Dieses Bild ist m it folgendem Text untertitel!:
"Ein Esel, der in einem Pferdestall geboren wird, ist und bleibt ein Esel. "
Diese an sich harmlose Aussage erhält ihren Sinn erst durch den Kontext, in dem sie
veröffentlicht wurde. Denn das Facebook-Profil von 'pro N RW' beschäftigt sich an­
sonsten n icht m it biologischen Themen, sondern mit politischen Themen . I nsbesonde­
re steht das Thema Migration als vermeintlich zentrales Problemfeld im Vordergrund.
I n diesem inhaltlichen Kontext stellt dieses Bild eine Metapher dar, d ie deutlich ma­
chen soll , dass die biologische Abstammung die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft
bestimmt. Demnach wäre es für einen Menschen m it Migrationshintergrund nicht
mögl ich, Deutscher zu werden , selbst wen n er i n Deutschland geboren wäre. H inzu
80
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
kommt der beleidigende Charakter des Bildes, indem Migranten die Rolle des "Esels"
zugewiesen wird, was nach allgemeinem Verständnis eine Herabsetzu ng bedeutet.
Auch 'pro Köln e.V.' begründet seine fremdenfeindliche Propaganda gelegentlich m it
biolog istisch-rassistischen Argumenten . Auf dem Facebook-Profil postet der Verein
am 1 6 . Mai 2 0 1 3 nachstehende Aussage, in der er das Zusammenleben i n einer mul­
tikulturellen Gesellschaft als fortwährenden Rassenkrieg beschreibt:
" Wer verträgt sich mit wem ? Wer auf Multikulti steht, kann ja mal ein Aqua­
rium wahllos mit Fischen besetzen - und gucken, was passiert. Hauptsa­
che schön bunt hat fatale Folgen. Oie einen leben auf Kosten der anderen,
es gibt Revierkämpfe, Verdrängungsprozesse, da werden Flossen ange­
knabbert, einige vermehren sich ungleich schneller als die anderen, und
nicht wenige werden über kurz oder lang einfach aufgefressen. "
'Pro Köln e.V.' und 'pro N RW' sind islamfei ndlich
Eine besondere Form der Fremdenfeindl ichkeit stellt die Islamfeindl ichkeit dar. So ist
der Schwerpunkt der Kampagnen von 'pro Köln e.v.' und 'pro NRW' darauf a ngelegt,
Vorurteile über Muslime zu verbreiten , u m Ä ngste zu wecken oder zu verstärken . Vor
dem H intergrund der andauernden Integrationsdebatte u nd der in ihr unter anderem
zum Ausdruck kom menden Ü berfremdungsängste greifen die pro-Bewegungen diese
Themen in einer verzerrenden Art und Weise auf, u m Islamfei ndschaft zu schüren.
Dah inter steht der Versuch von 'pro N RW' und 'pro Köl n e.v.', diese i n der Gesell­
schaft diskutierten Themen zu nutzen, u m so die eigenen weitergehenden nationalisti­
schen Sichtweisen und Forderungen über den rechtsextremistischen Rand hinaus bis
weit i n die Mitte der Gesellschaft zu verbreiten. Der "Kampf" gegen "den Islam" dient
dabei als Türöffner.
Der Islam insgesamt wird als Feindbild von 'pro Köl n e V'/'pro N RW' propagiert, u m
d ie Ausgrenzung einer ganzen Bevölkeru ngsgruppe und pauschale Schu ldzuweisun­
gen a n diese zu rechtfertigen. Das Fundament dieses Feindbildes sind Verallgemei­
neru ngen . Ein wichtiges Propagandamuster der pro-Bewegung dabei ist, bewusst
n icht zwischen dem Islam als Religion und dem I slam ismus als extremistischer
Strömung zu u nterscheiden . Basierend auf angebl ichen Aussagen von Islamisten
beschreibt der stellvertretende Parteivorsitzende von 'pro NRW' und zugleich Ratsmit­
glied von 'pro Köln eV' auf einer Kundgebung in Würselen am 26. September 20 1 3
das Verhältnis des Islam zur Freiheit wie folgt:
RECHTSEXTREMISMUS
81
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
"Es gibt auch Punkte, da sind wir mit Menschen aus dem islamischen
Kreis - wir sind dialogbereit, wir sind ja immer gesprächsbereit - da sind
wir mit Islamisten einig. Nämlich die Islamisten geben uns in einem Punkt
Recht, Freiheit und Islam verträgt sich nicht. Im Islam gibt es nur eine
Freiheit und die heißt, sich zu unterwerfen. "
Die heterogene Glaubensgemeinschaft der M uslime wird auf die kleine Gruppe der
Islamisten reduziert u nd daraus abgeleitet, dass der I slam m it der freiheitlichen Demo­
kratie grundsätzlich unvereinbar sei. Die mangelnde Demokratiefä higkeit begründet
die pro-Bewegung m it einer angeblichen Verabsolutierung der Scharia oder einer in
Gänze unaufgeklärten muslim ischen Gemeinschaft. Zum Beispiel sagte der Aachener
Kreisvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende auf einer Kundgebung am
5. Mai 20 1 2 in Aachen.
" Wer Moscheen säht, wird Scharia ernten. "
Diese M utmaßungen werden verdichtet zu einer vermeintlich grundsätzlichen Feind­
schaft des I slam gegenüber der Demokratie und einer Bedrohung aller N icht-Muslime.
Beispielsweise verbreitete 'pro N RW' am 27. J u n i 201 3 auf ihrem Facebookprofil
folgende Aussage.
"Der Islam ist der größte Feind unserer Demokratie und unserer Freiheit
im 2 1 . Jahrhundert sowie hochgradig aggressiv gegenüber andersdenken­
den und -glaubenden Menschen. Das ist eine Tatsache. "
Dieser S ichtweise entspringen auch weitergehende Forderu ngen, die letztlich darin
münden , Muslimen die Ausübung ihrer im G rundgesetz gesch ützten Religionsfreiheit
abzusprechen . In einem Statement auf dem Facebookprofi l am 6 . August 20 1 3 kriti­
siert die Partei gar, dass Muslime in Deutschland leben dürfen .
"Stoppt den Islam in Deutschland. Der Islam und seine Vertreter sind Fein­
de der Demokratie. Umso perverser ist es, dass diese Feinde in Deutsch­
land geduldet und sogar finanziell unterstützt werden. "
Die pro-Bewegung führt aber nicht nur an, dass der I slam m it der Demokratie unver­
einbar sei, sondern generell schädlichen Einfluss auf den Charakter habe. Insofern
m üssten Muslime, sofern sie ihre Religion ausüben, schlechte Menschen sei n . I nfolge
82
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
dieser holzschn ittartigen Freund-Feind-Logik spricht sich die Partei auf ihrem Face­
book-Profil am 1 2 . September 201 3 dafür aus, den Islam auszugrenzen.
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Neue Studie beweist: Der Islam,
die Moscheen und die Imame verderben den Charakter!"
3D{��{!:J�W�1I!JJJ�
?.HO J WW -i!i{!J :iri:
.!J!J!..I �:l�jJ!JJJ-; !J1JJ!.JJl�jJ�s!JH
bl ::.J !..I �jJ ;�::.J:l�bJJJ!..I ::J,
:J�!J jJjJ � .t:.J:l:ll:l�b�jJ
JJJ!J�1:Jl!JJ!!J ;\!..I :lEIJJ U !Jl�!Ji:J::.JH,
�
;;;;
� ...o "R"' ''''' PII.O ''''W Sc:lr9r _ �"t
..
2OO,� 8efohru1g: Der � � deo � "'tO
r«W hat .tl dl,Jro.n:l del' Sffie IO\ 8randarlJc� at.J � .,
o.niIefer Sladl. d;tru enQl(tIIcItien. _ fIeIoI'IrulQ Il'l HOhe \U1 200. � fu'
��,dielU' ... Mdw �
�- 200,..c Belohnung
"'-�' �"J..i.
DwKqIl...."..,.. hItI..llderBircerbneDlftJ
NO NRW lI.t ,lth .vf&nlnd Mr StIft. 'fOII
Br.ndanKhli
,
... _.. MiltonnM 111 UM•..., St.dt
L> !l Q!
Auszüge aus dem Face­
book-Profil von 'pro NRW'
mit islam- und ausländer­
feindlichen Inhalten
RECHTSEXTREMISMUS
83
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Gelegentlich verschärft die pro-Bewegung d iese Ausgrenzungsrhetorik. Sie propagiert
am 1 9 . J u n i 20 1 3 auf dem Facebook-Profil von 'pro N RW' in abfäll iger Art und Weise,
dass Muslime aufgrund ihres Glaubens grundsätzlich nicht integrierbar seien und
deshalb ausgegrenzt gehören. Sie postuliert damit unaufhebbare U nterschiede von
Muslimen und der Mehrheitsgesel lschaft, die u nabhängig vom individuellen Verhalten
existieren würden .
"Ausländer, die sich integrieren und nach freiheitlichen Werten leben
möchten, sind herzlich willkommen! Aber diese religiösen Vollpfosten, die
einen 'p ädophilen Kriegstreiber' anbeten, die wollen wir nicht!"
Die Ausgrenzung des Islam und damit von M usl imen begründet 'pro N RW' aber auch
mit anderen negativen Verhaltensweisen, die angeblich kulturell veran kert seien. So
diffamiert die Partei auf ihrem Facebook-Profil am 24. J u l i 20 1 3 türkische Muslime als
vermeintliche Angehörige einer pädophilen Kultur. Diese entwürd igende Herabset­
zung nutzt die pro-Bewegung dazu , deren gewünschte Ausgrenzung zu rechtfertigen.
"Die Türken sind und bleiben ganz vorne, wenn es um Kindesmissbrauch
geht. Diese pädophile, islamisch-arabische Kultur hat keinen Platz in
Deutschland. "
E i n weiterer Strang der islamfeindlichen pro-Propaganda ist, die Auseinandersetzung,
wie muslimischer Glauben in Deutschland praktiziert werden kann und soll , zu über­
höhen und Zerrbilder des Islam zu zeichnen. Ein wichtiges Argumentationsmuster ist
dabei, U nterschiede zwischen Muslimen und Islamisten zu negieren und die kleine
Gruppe der Islamisten als typisch für den Islam darzustellen. Damit will sie letztlich
die E inführung jeglicher islamischer Traditionen als Bedrohungsszenario d iskreditie­
ren. Dies betrifft immer wieder den Bau von repräsentativen Moscheen, die stets als
Beeinträchtigung der einheimischen Bevölkerung beschrieben werden. 'Pro N RW'
platzierte auf seinem Facebook-Profil am 8. Mai 20 1 3 ein Bild eines Aktivisten des
Bonner Kreisverbandes mit folgender Aussage:
"Der Islam tritt in Deutschland durch Machtsymbole und Gewalt auf. Ent­
weder müssen die Muslime das von sich aus ändern oder der Islam aus
Deutschland verschwinden. "
'Pro Köln eV' postet auf seinem Facebook-Profil am 26. Oktober 20 1 3 ein Foto von
zwei J ungen im Grundschulalter, die einen Kaftan tragen . E i ner der beiden J ungen
84
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
schneidet mit einem Messer anscheinend gerade einer Ziege die Keh le durch. Unter
dem Kopf und dem Körper verläuft relativ viel Blut. Neben dem Foto schrieb 'pro Köl n
eV' folgenden Kommentar:
"Eure Grausamkeit schmeckt uns nicht! Schon die Kleinsten werden in der
islamischen Welt zu Tierquälern gemacht. Wir wollen so etwas in unserer
Stadt nicht haben!"
'Pro Köl n eV' und 'pro N RW' machen M us l ime zu Sündenböcken. Beispielsweise
problematisiert das Ratsmitglied von 'pro N RW' in Ennepetal in einer Anfrage vom J u l i
20 1 1 an den dortigen Bürgermeister bezüglich eines Festes einer Kindergartenein­
richtung, dass es zu wenig Würstchen und n icht einmal welche aus Schweinefleisch
gegeben habe. Diese Anfrage unterstellt, dass wegen der Muslime n icht-muslim ische
Kinder zu rückstehen m ussten. Auch i n anderen Zusam menhängen unterstellt die pro­
Bewegung wiederholt, dass Muslime gegenüber N icht-Musli men bevorzugt würden .
D i e s d ient dazu , N e i d gegen diese Bevölkerungsgruppe zu sch üren . So veröffentlichte
'pro N RW' am 7 . J u l i 2 0 1 3 auf seinem Facebook-Profi l folgende Aussage.
"Alle Menschen sind gleich, deswegen brauchen Muslime auch keine
Ausnahmeregeln!"
Dass der Islam nicht nur eine Religion ist, m it der man sich kritisch ausei nandersetzen
kann, sondern die pro-Bewegung den Islam generell als Feind ansieht, wird in einer
Stel lungnahme von 22. September 201 3 auf dem Facebook-Profil deutl ich.
"Der Koran ist eine Kriegserklärung an dich, deine Familie, deine Freunde
und deine gesamte Art zu leben.
"
Dieses Feindbild begründet die pro-Bewegung vermeintlich damit, dass sie den I slam
m it totalitären Ideolog ien , insbesondere dem Nationalsozialismus gleichsetzt. Damit
stellt sie zum ei nen den religiösen Charakter des Islam in Abrede und bezeichnet i h n
als "Politreligion" und kennzeich net diesen zum anderen als zutiefst ablehnenswert.
Eine solche Darstellung d ient dazu , die Wahrnehmung von elementaren Grundrech­
ten durch M uslime zu delegitimieren. Auf seinem Facebook-Profil verbreitete 'pro
N RW' 201 3 diese Gleichsetzung in variierenden Statements. Dort heißt es unter
anderem:
RECHTSEXTREMISMUS
85
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
"Hinterher zu sagen, wir haben euch gewarnt, ist einfach. Deswegen war­
nen wir euch schon heute vor dem Islam-Faschismus von morgen. "
"Der Islam ist eine Ideologie, die jedem Grund- und Menschenrecht wider­
spricht. Der Islam verfolgt das Ziel, unsere Demokratie durch einen Scha­
riastaat abzulösen. Der Islam muss in Deutschland verboten werden. "
"Die Ideologie des Islam ist Nazi-Ideologie sehr ähnlich. Deswegen muss
jede demokratiefeindliche, menschenverachtende Ideologie bekämpft
werden und darf keinen Platz in unserer Gesellschaft finden. Es gibt bei
diesem Thema keine zwei Meinungen genauso wie es keine guten oder
bösen Nazis/lslamisten gibt. "
"Der Islam ist der Ideologie der Nazis sehr ähnlich und eine Bedrohung für
unsere freiheitlichen Grundwerte. Bei Nazis unterscheiden wir auch nicht
zwischen Guten und Bösen. "
"Alle freien Menschen, Deutsche und integrierte Ausländer, müssen sich
gemeinsam gegen diese faschistische, gewaltbereite Ideologie, den Islam
erheben. "
Dass der I slam als Religion angesehen wird und damit für M uslime in Deutschland die
Religionsfreiheit gilt, kritisiert der stellvertretende Parteivorsitzende am 8 . September
20 1 3 auf dem Facebook-Profi l von 'pro N RW'. Denn dies würde nur ausgenutzt, um
angeblich total itäre Vorstell ungen zu verfolgen .
"Der Islam nutzt den Deckmantel der Demokratie, der Religionsfreiheit, der
offenen und humanen Gesellschaft um seine Ziele auch in Deutschland
zu verfolgen. [ . . . ] Der Islam ist keine klassische Religion wie Christen-,
Judentum oder Buddhismus. Der Islam ist ein totalitäres System - eine
Staatsform mit klaren Ansprüchen an Politik, Wirtschaft, Sozialwesen,
Rechtssystem und Militär. "
Das Feindbild des Islams enthält ferner die U nterstellung, dass der I slam eine gewalt­
befürwortende Ideologie sei und deshalb Muslime potentielle Gewalttäter seien. Somit
stellen 'pro Köl n eV' und 'pro N RW' M uslime unter Generalverdacht und machen sie
verantwortl ich für eine Vielzahl gesellschaftlicher M issstände u nd Bedrohungen . Phä­
nomene wie Zwangsheiraten , E h renmorde, Jugendgewalt und Terrorismus werden
ausschließl ich und und ifferenziert m it dem I slam in Verbindung gebracht. Beispiels-
86
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
weise verbreitete 'pro N RW' im Jahr 20 1 3 mehrfach das Bild einer j u ngen Frau mit
folgender Aussage.
"Ich bin nicht bereit, mich von Muslimen vergewaltigen und töten zu las­
sen, nur um zu zeigen, wie tolerant ich bin. "
Damit wird eine ganze Bevölkeru ngsgruppe, nämlich diejenige, die sich zum Islam
als Religion bekennt, pauschal und undifferenziert abwertend dargestellt. Ferner stellt
die pro-Bewegung Toleranz gegenüber M uslimen als Schwäche gegenüber einer
feindlichen Gru ppe dar. I n einer ähn lichen Art und Weise äußert sich der Wuppertaler
Kreisverband von 'pro N RW' auf seiner Webseite am 1 9. J u l i 20 1 3 d iffamierend über
Muslime:
" Während man als geneigter Wuppertaler in Zeiten des Ramadan endlich
mal wieder ohne Gefahr zu laufen belästigt zu werden, die örtlichen Park­
anlagen aufsuchen kann, [ . . . ] . "
Zudem verbindet die pro-Bewegung den Ge­
neralverdacht gegenüber M uslimen m it der
Unterstellung, dass M uslime bevorzugt be­
handelt würden und Straftaten angebl ich bei
diesen nicht verfolgt würden . Am 1 4 . August
zeigt 'pro N RW' auf Facebook eine Karikatur.
Darauf sieht man, wie zwei Polizisten aus
dem Auto drei Männern zusehen , die an­
scheinend gerade eine christliche Kirche in
Brand setzen und dabei "Allah" bzw. "Allahu
Akhbar!!" rufen. Der eine Polizist kom men­
tiert dies m it den Worten : "Du hörst doch
was sie rufen [. . .] fahr einfach deeskalierend
weiter! Ich will mir meine Personalakte nicht
mit einem Eintrag wegen Islamfeindlichkeit
versauen!" Ü ber dem Bild steht in einem
Banner die Forderun g : "Diese Zustände sind
nicht mehr hinnehmbar: Recht und Ordnung
müssen auch für Muslime gelten!"
Auszug aus dem Facebook-Profil von 'pro NRW'
RECHTSEXTREMISMUS
87
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Sehr drastisch kommentiert der damalige Vertreter der 'pro Köl n'-Fraktion i m Kultur­
a usschuss der Stadt Köln am 23. Mai 201 3 auf seinem Profil bei Google+ ein Attentat
auf einen britischen Soldaten d u rch zwei Islamisten in London. Dies sieht er als ty­
pisch für alle Muslime an und spricht pauschal allen Musl imen die Menschenwü rde ab
u nd will sie wider jede Rechtsstaatlichkeit ausweisen .
"Also ich habe mich ja echt zurückgehalten aber nun ist auch mein Maß
absolut voll.
Allahu Akbar? Islam?
Das ist keine Religion, das sind kranke, asoziale Zombies, schaut Euch
das Video im Bericht der Zeit an.
Raus mit denen aus Europa und zwar komplett!
Sollen sie sich in den islamischen Ländern gegenseitig abschlachten. "
Die Islamfeindlichkeit findet auch Ausdruck in einer verächtlichen Wortwahl und Dar­
stellung des Islam und von M uslimen generell. Beispielsweise postete 'pro N RW' am
24 September 20 1 3 ein Bild, das auf der l inken Seite ein schwarz-weißes Foto mit
Frauen zeigt, die vor Trümmern Steine zerschlagen . Überschrieben ist das Bild m it
"deutsche Trü mmerfrauen". Auf der rechten Seite wird ein farbiges Foto mit verschlei­
erten Frauen abgebildet, die vor Häusertrüm mern sitzen und nicht arbeiten. Der Titel
lautet "islamische Frauen". H ier werden also die Deutschen pauschal als fleißig u nd
damit positiv dargestellt, während die Muslima generell faul seien. Zudem versucht
diese Form der Gegenüberstellung, d iese Gruppen als u nvereinbar zu skizzieren, so
als ob man nur deutsche Frau oder Muslima sein könne.
Der Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe verbreitete am 25. Juli 201 3 auf seinem
Facebook-Profil ein Bild, auf dem eine mit Schwertern und Speeren bewaffnete Horde
von Barbaren heranstürmt und dabei "Allahu Akbar" schreit. Betitelt ist das Bild m it
dem zynischen Spruch "Die Talente kommen!" Diese vorgeblich iron ische Stellung­
nahme dient letztlich daz u , ein geri ng schätzendes Bild von M uslimen zu verbreiten.
Ferner beschreibt 'pro N RW' M uslime in ihrer Gesamtheit als d u m m . So veröffentlich­
te die Partei im Jahr 201 3 meh rfach auf ihrem Facebookprofil folgenden Slogan :
" Weisheit des Tages: Hast D u Allah in der Birne, ist kein Platz mehr für's
Gehirne. "
Eine weitere sehr abfä l lige Darstellung, die d ie Partei 20 1 3 mehrfach auf dem Face­
book-Profil verbreitete, spekuliert darüber, ob Muslime Geschlechtsverkehr m it Tieren
88
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
haben. Dies zielt allein darauf ab, Muslime in ihrer Gesamtheit erheblich zu diskredi­
tieren .
" Ob Allah die Ziege und den Esel erschaffen hat, damit sich der Moslem
nicht mit seiner Frau beschäftigen muss, wissen wir nicht. "
'Pro Köln e.V.' und 'pro N RW' sind antizigan istisch
Eine weitere Form der Fremdenfeindlichkeit, die die pro-Bewegung vertritt, ist der
Antiziganismus. Daru nter versteht man die Feindschaft gegenüber S i nti u nd Roma.
Die heterogene Gruppe der Sinti und Roma wird dabei pauschal negativ beschrieben.
Die pro-Bewegung stellt sie insbesondere als kriminell und n icht integrierbar dar.
Damit versucht sie die Ablehnung u nd Ausgrenzung d ieser Mi nderheit zu begrü nden.
Beispielsweise bezeichnet der Vorsitzende von 'pro N RW' und 'pro Köl n eV', Markus
Beisicht, die I nteressensverbände der Si nti und Roma i n einem Artikel im J u l i 20 1 1 auf
der 'pro N RW'-Homepage als "Interessensverbände für organisierte Kriminalität".
Abwertend sprechen die pro-Organisationen oftmals von "Zigeunern". So erschien auf
der Webseite von 'pro N RW' i m November 201 3 ein Artike l , der diesen Begriff aufgreift
und Vorurteile über S i nti u nd Roma verstärkt.
"Bereits das Wort 'Zigeuner' ist dank der politischen Korrektheit aus dem
offiziellen Sprachgebrauch nahezu getilgt worden, obwohl es umgangs­
sprachlich nach wie vor weit verbreitet ist. Warum auch eine Gruppe plötz­
lich anders benennen? Und bedient man typische Klischees, wenn man
nach Zigeunerkriminalität frägt?"
Die Fraktion von 'pro N RW' im Rat der Stadt Radevormwald stellte am 3 1 . J u l i 201 3
einen Antrag , in dem sie Ressentiments und Ä ngste gegenüber S inti und Roma
schürte. Sie u nterstellt sämtlichen Angehörigen der M inderheit, dass diese d reckig
und kriminell seien. Zudem suggeriert 'pro N RW' i n dem Antrag m it dem Begriff "be­
setzen", dass d ie bislang in Radevormwald lebenden S i nti und Roma Woh n raum
rechtswidrig besetzt hätten. Tatsächl ich mieteten die betreffenden Personen die Woh­
nu ngen ord n u ngsgemäß a n .
"Dem äußeren Anschein und dem Benehmen der Personen nach, handelt
es sich um eine sogenannte landfahrende ethnische Minderheit, die offen­
sichtlich dem Volk der Sinti und/oder Roma angehört. [ . . . ] So wird in der
RECHTSEXTREMISMUS
89
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Ortschaft mittlerweile gemunkelt, dass weitere 'südosteuropäische' Mig­
ranten im Anmarsch seien und ein weiteres Haus besetzen würden. "
Auch der Essener Kreisverband von 'pro N RW' beteil igt sich an der Hetzkampagne
gegen Sinti und Romas. In einem Flugblatt aus dem Jahr 20 1 3 dramatisiert der Kreis­
verband etwaige Sozialleistungen an Angehörige dieser M inderheit zu ei ner Bedro­
hung der Stadt. Des Weiteren zeichnet die Veröffentlich ung abermals ein diskriminie­
rendes Bild dieser Minderheit.
"Zudem sind in deren Kulturkreis barbarische Methoden wie die Zwangs­
verheiratung junger Frauen, sowie die Gewaltanwendung innerhalb von
Großfamilien leider oft anzutreffen. "
Auf einer Kundgebung am 5. Oktober 20 1 3 in Bochu m sagte der stellvertretende
Parteivorsitzende von 'pro N RW' und Ratsmitglied von 'pro Köln eV'
"Lieber Geld für die Oma statt für Sinti und Roma. "
Den gleichen Slogan publizierte die Partei ebenfalls mehrfach auf ihrem Facebook­
Profil im Jahr 20 1 3 . H ier unterstel lt der Redner bzw. die Partei fälschlicherweise, dass
Sozialleistungen für Sinti und Roma zu Lasten der Leistungen für Rentnerinnen und
Rentner gingen. Die Gruppe der Sinti und Roma wird in dieser Kampagne darauf
reduziert, angebl ich in ihrer Gesamtheit von Sozialleistungen zu leben . M it der verzer­
renden Gegenüberstellung von Gruppen versucht die Partei Sozialneid hervorzu rufen
und die Gruppe der Sinti und Roma in ihrer Gesamtheit als "Sozialschmarotzer" zu
stigmatisieren. Ein wortgleiches Plakat nutzte die N P D in ihrem B undestagswahl­
kampf 20 1 3 deutschlandweit. Und auch der Dortmunder Kreisverband der Partei 'Die
Rechte' übernahm d iesen Slogan zustimmend. I nsofern befindet sich die pro-Bewe­
gung mit anderen rechtsextremistischen Organisationen hier im denunziatorischen
Gleichklang.
Derselbe Parteiaktivist sprach a m 5. Oktober 20 1 3 in Essen auf einer weiteren Kund­
gebung von 'pro N RW'. Dort stellt er Deutsche als Opfer von Fremden dar und nennt
diesbezüglich ausdrücklich die Roma als Täter. Letztere thematisiert er a usschließlich
in der Rolle als Krim inelle. Damit greift er Vorbehalte gegen diese M inderheit auf u nd
verschärft diese.
90
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
"Es kann doch nicht sein, dass wir Deutsche im eigenen Land gemobbt
werden. Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land. Das
können wir nicht zulassen. Und wir sagen klipp und klar: Grenzen zu für
Roma-Diebe. "
Auf einer anderen öffentlichen Veranstaltung am 9. November 201 3 in Duisburg griff
der stellvertretende Parteivorsitzende wieder das Klischee der Krim inellen auf, u m
diese G ru ppe zu stigmatisieren. Darüber h i naus stellt er d e r Gruppe d e r Roma d i e
Heimat gegenü ber, u m d e n Ei ndruck zu erwecken, d a s s die Roma e i n e Bedrohung
für Deutschland seien und deshalb h ier niemals hei misch werden können.
" Und das sagen wir ganz klipp und klar: Heimatliebe statt Roma-Diebe. "
Gelegentlich wird die M inderheit der S inti und Roma n icht beim Namen genannt, son­
dern von "Migranten aus Südosteuropa" geredet. Aber auch in diesem Fall diskrimi­
nieren die pro-Politiker diese Gruppe, indem sie ihr pauschal ein kriminelles Verhalten
unterstellen bzw. dass diese auf Kosten der einheimischen Bevölkerung leben würde.
In diesem Sinne verungli mpfte diese M inderheit der Jugendbeauftragte von 'pro N RW'
in seiner Rede am 5. Oktober 201 3 in Duisburg auf einer Kundgebung.
" Für die eigene Bevölkerung hat man kein Geld, aber für Kriminelle, die
aus Südosteuropa hierher kommen, für die hat man Geld. "
I n einer ähnl ichen Art und Weise propagiert ein Bonner 'pro N RW'-Aktivist in seiner
Rede am 5 . Oktober 20 1 3 auf einer Kundgebung i n Essen abwertende Stereotype
über diese Migrantengruppe. M it Metaphern wie "Heuschreckenplage" überhöht er die
tatsächl iche Problematik drastisch, erzeugt Schreckensszenarien und enthumanisiert
d ie D iskussion über M igration.
"Aber wer kommt den hier nach Deutschland, um Sozialhilfe zu bezie­
hen ? Das ist doch nicht die Elite der rumänischen oder der bulgarischen
Bevölkerung. Das sind soziale Randgruppen, die dort immer wieder für
Unfrieden sorgen und die eine Art Heuschreckenplage - nachdem sie das
eine Land beglückt haben nun auch unser Land beglücken [ . . . ] und kein
rumänischer oder bulgarischer Steuerzahler möchte mit diesen Menschen
in einen Topf geschmissen werden. [ . . . ] wenn diese sich als Flüchtlinge
darstellen, dann kann ich nur sagen, diese Leute flüchten nur vor einer
einzigen Sache, nämlich vor ihrer Verantwortung. [ . . . ] Denn anstelle dort
RECHTSEXTREMISMUS
91
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
ehrlich zu arbeiten und Steuern zu zahlen, kommen sie hier nach Deutsch­
land, weil sie gehöft haben, dass hier das Kindergeld höher ist. "
I n einer ähnl ich diffamierenden Art und Weise spricht der stel lvertretende Parteivor­
sitzende von 'pro N RW' am 9. November 20 1 3 von S inti und Romas, indem er sie mit
dem negativ konnotierten Begriff der "Zigeuner" belegt und sie im Zusammenhang mit
der Verwahrlosu ng eines Stadtteils nennt. Zudem erweckt er m it einer unzutreffend
dramatisierenden Beschreibung den Eindruck von No-Go-Areas für die Meh rheitsbe­
völkeru ng. Damit wird d ie M inderheit der Sinti und Roma im Sinne eines im Rechts­
extremismus typischen Freu nd-Feind-Denkens als Feind eingeordnet und damit ihre
Menschenrechte delegitimiert. Verstärkt wird dies durch die Wortwahl, wonach sich
diese M inderheit "eingenistet" habe, was Assoziationen an Ungeziefer wecken soll.
WUT
�MGllRAUM
IM BAU(K? 11ADl
JC1'I
�
LASS ES
RAUS! luREN'1,; SAn!
n �I'ROHRW
;;;;;;;
.1 ..
.
.
· ....."
_
..
I>oppeIdeIno am 09.11.2013 kl Ouisbutg (.... hxos)
1Ir>09.112013 N{ ""' � I'RO M'I:W " ro""""",, <.nd � _
�1nI�.w.-' iUn;aB(h1Oll'1'l Bontll ""' _�
fc'.c:III>'''
....... _�
..-:><o-.........vI·�I'eot-wd>,nl-f'<rte5tI<r1
mot��...ov
Burgerbewegung
PRO N RW
Wuhrbrn Hrundl'
�
____iiiiiiiiii
PRO NRW setzt Versammlu ngsfreiheit
durch und
protestiert gegen Asylmissbrauch (Bericht mit
Videos!)
r ''' ;� .- '
��'
;�
·��.(I . � /
... .
1
\'" g" �
MehtEtl5 200 Burga' lft5qll'5aITII fIIIllmefl
sm Samslilg lIJ1 den �O-NRW
n
rmri
�
PRO NRW Ennepr-Ruohr
PRO NRW Oüssddorf
PRONRW €SSCfI
.
(),';�, o.
p
,
..
<1
'0
"' i�..-,...,/
,
QJI'""....
W!u'
>,;t..UIO
Crd,."o: 1'<1..'0",
0
,,,•• ·
Kundgebuogengageo Asylmlssbrauch
undzugalloseArmulseul101lOderu ngNl
�gle<l Besono:lefs lll1 sradtll)ll
Nelßlllhlsd'.los5$l Sll;h erneur
Dutzende Anwohrwr dem Damoo.ug
.mz
-" ", � " "", h y . _
� -....:... CNt� �_
a..th ___
"" ,
..""" rr..<:PI'.\"ho yv
A
undde< Protl!'Stkll!1dgOOung an
l�nd boob8chtBt YOflVMIIon
Auszüge des Internet-Auftritts von
_ri{!foo Naochbam WaIlrend erOOlAdioe
P2J(o!o> "l«l,nAsyl Nl Neumuhl'" du/thdle
'pro NRW' und dem Facebook-Pro­
SUllßenlonre !tefeften SICh ange!9!SIe
lJnI<se>W8ffi6 bn.1181e�""'lWngoo Iflll OOl Pohle' un<l emzPlnen Allwohr\eln
N� mll Si:hlagstock- und Pfeller5P'!I'f8Insall konole d!ePoilletDur{hbrutnel!nker
fil der Demos in Duisburg gegen
ClawaIMtet _hlnd9m Noo;h helr96nl Al/SeIrIaIldEIfStlllllogen lWIS(l'al de< Pobleo
IJnd llnl<eoV9l1relem defEI� gab e5!1beods lll1 sradtleo'R�
angeblichen Asylmissbrauch
woS9� McwIIOOn Il!Jndar1B Zogoonet ,"deI\ H8usefn·ßfl denPeschef1·dIe�he
� onAulfegung_s.etzen VI8!e Burger tlI9 IlU(hnoch zu den PRO-NRW
Veranslllhlll'lQ(/f'l wolllen
I<8rn9nau1gr<ld
ll def Aussc!1HlI1Ungoo undPohlelilbspefTl/fIgOO
dWlatJ {!i\f l'll!:hlmehrdurch
Trotz d_ B9h1nde<uni/EIfl komte PRO NHW am sam51� dlfl Versamn�oogs"eltlei1
du!"tt>selzenuoder/olg!eKhlJ!lgef' A5ymssbflwch l..-.d Alll'l<.lls.o.nnwanoarung
prol9Sl1919ll KeI09 Sebstwrl;Utndocl*.6l! � 5ChIoaßlo:h 50Ilte der kn!ls<;htm
BtJ'gertJewegung brs kUfZ vor Ve<iloIl'iotEll!uflg�;.tJOl9,nn \IOtl IJIfIIJ' PhiMn. tolak!lVe<
92
RECHTSEXTREMISMUS
'_\(.@t>fI.I>RO>!fN,,'
� Immer aktuell per Mallt
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
"Oie etablierte Politik guckt tatenlos zu, wie Rheinhausen immer mehr
vermüllt, wie Rheinhausen zur Zigeunerhauptstadt wird. Man hat den Ein­
druck, man ist mittlerweile in Klein-Bukarest, meine Damen und Herren.
Diese ethnischen Minderheiten haben sich hier eingenistet, sie haben hier
eine Kolonie geschaffen, einen eigenen Bezirk, in den man sich nicht mehr
hereintrauen kann als Einheimischer. "
'Pro Köln e.V.' und 'pro N RW' diffamieren Asylbewerber
Die fremdenfeindliche Politik der pro-G ruppierungen richtet sich im Jahr 201 3 zuneh­
mend gegen Asylbewerber. 'Pro Köl n eV' und 'pro N RW' greifen fremdenfeindliche
Ressentiments auf und beziehen sie auf diese Migrantengruppe. Dabei werden u n lau­
tere Absichten und negatives Verhalten von ei nzelnen Asylbewerbern auf die Gruppe
verallgemei nert. Letztlich zielt die pauschal diskred itierende Darstellung von Asylbe­
werbern darauf ab, die Wahrnehmung des Grundrechts auf Asyl zu delegitim ieren.
Die Kampagne gegen Asylbewerber hat 'pro N RW' i m Frühjahr 201 3 durch eine
"Volksinitiative gegen Asylmissbrauch" vorangetrieben. Das Instrument der Volksini­
tiative zielt darauf, ein Thema auf die Sitzung des Landtags zu setzen und so diesen
dazu zu zwi ngen, das betreffende Thema öffentlich zu behandel n . Dazu müssen die
Antragsteller Untersch riften von 0,5 Prozent der stim m berechtigen Deutschen i n N RW
vorweisen, das sind u ngefähr 66.000 Personen. I m Zuge dieser Kampagne fü hrte 'pro
N RW' im März 20 1 3 in 21 Städten Kundgebungen durch, in denen Führungsaktivisten
öffentliche Reden hielten u nd dabei U nterschriften für die Vol ksinitiative sam melten.
Vorgebl ich geht es 'pro N RW' nur u m eine Kritik am M issbrauch des Asylrechts. Tat­
säch lich sprechen sie über die Wohn heime von Asyl bewerbern durchweg nur in nega­
tiven Kontexten , insbesondere Kriminal ität u nd einem allgemein schlechten E i nfluss
auf das Wohnviertel. Damit wird den Asylbewerbern ein sozial inakzeptables, insbe­
sondere kriminelles Verhalten pauschal u nterstellt.
Auch Ä u ßeru ngen zu ei nzelnen Wohn heimen von Asylbewerbern zeigten, dass es der
pro-Bewegung n icht u m die Lösung vermeintliche M issstände geht, sondern darum
die Gruppe der Asylbewerber i n Gänze kriminelles, i nsbesondere gewalttätiges Ver­
halten zu u nterstellen. Deutlich wird dies in einem Beitrag von 'pro N RW' auf ihrer
Webseite am 23. J u l i 20 1 3 m it dem Titel "Bonn : Asylantenheim? Wir sagen N E I N ! " .
Darin heißt e s :
RECHTSEXTREMISMUS
93
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
"Ein Asylantenheim und der damit verbundene verstärkte Zuzug von Ge­
waltkriminalität und Eigentumsdelikten (wie überall in Nordrhein-Westfalen
zu beobachten) [ . . . ) .
"
Der gleiche Redner vertritt d iese Behauptung auch auf weiteren Veranstaltungen. Am
9. November 201 3 greift er das verunglimpfende Motiv des Kri minellen wieder auf, u m
damit Asylbewerber z u charakterisieren.
" Wir müssen uns das nicht gefallen lassen, dass Menschen unter dem
Deckmäntelchen des Asyls nach Deutschland einreisen und hier massen­
haft kriminell werden. "
Die diffamierenden Proteste gegen Asylbewerber verband die pro-Bewegung in dieser
Kundgebungstou r m it ihren anderen fremdenfeindlichen Kampagnen gegen Muslime
sowie S i nti und Roma. Die Pläne zur Kundgebungsserie zeigen , dass es der pro­
Bewegung kau m um Kritik am M issbrauch des Asylrechtes ging, sondern sie vielmehr
Ressentiments gegenüber Migranten hervorrufen und verstärken will. Es heißt i n den
Plänen unter andere m :
" Duisburg, 1 2 . März 2013
Hier werden wir zwar vor keinem Asylantenheim protestieren, sondern vor
einem Gebäude, dass hauptsächlich von Sinti und Roma bewohnt wird.
Dieser Wohnblock im Stadtteil Rheinhausen-Bergheim zeigt deutlich, wie
sich das Leben für die einheimische Bevölkerung verändern kann. Gewalt,
Vandalismus, Vermüllung, Ruhestörung. So sieht hier der Alltag rund um
das von manchen Anwohnern als "Zigeunerhochhaus" benannten Gebäu­
des aus. [ . . . )
Düsseldorf, 1 4. März 201 3
Wie in Bochum ist auch in Düsseldorf eine leerstehende Schule als Asy­
lantenheim umgewidmet worden. Hier droht ein ganzer Stadtteil zu kippen,
da nicht unweit sich auch noch eine Moschee der radikal-islamischen
DmB sich befindet. [ . . . )
Leverkusen, 1 4. März 201 3
Schon vor Jahren gab es große Probleme mit dem bestehenden Heim in
der [ . . . ) . Organ isierte Kriminal ität und weitere Straftaten wurden von h ier­
aus begangen. Seit E nde letzten Jahres ist das Heim von S i nti u nd Roma
94
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
belegt, der Stadtteil Opladen droht zum Kriminal itätsschwerpunkt von
Leverkusen zu werden . [ . . ]
.
Mönchengladbach, 1 6. März 201 3
[ . . . ] Mönchengladbach droht neben einer Salafistenhochburg zu einer
Asylantenhochburg zu werden. "
Um Voru rteile zu wecken, zeichnen 'pro Köln eV' u nd 'pro N RW' ein verzerrendes
Bild von der Lage der Asylbewerber i n Deutschland. Die dezentrale U nterbringung
von Asylbewerbern i n Kommunen wird oftmals als "Luxusunterbringung" bezeichnet,
u m Sozial neid gegenüber dieser Gruppe zu sch üren und verschiedene Gruppen von
Sozialleistu ngsempfängern gegeneinander auszuspielen . Deutlich wird dies in einer
Rede des Geschäftsfü h rers der pro-Fraktion im Kölner Stadtrat vom 1 2 . November
201 3 .
"Doch statt einer grundlegenden Neuausrichtung der Unterbringung und
vor allem Duldungspraxis des städtischen Ausländeramtes, übt man sich
angesichts dieses Massenzuspruchs einzig in Aktionismus und sucht
beinahe schon panisch nach neuen Möglichkeiten, die ankommenden
Personen irgendwo und offenbar möglichst kostspielig für die Kölner Steu­
erzahler unterzubringen. [ . . . ] Die Antwort kann n icht sein, freiwi l l ig eine
Luxusu nterbringung durchzuführen. [ . . . ]
Für die eigenen Schwachen, für die eigenen Studenten ist kein Geld da
[ . . . ]. Hier hingegen wird das Geld zum Fenster rausgeworfen. "
In ähnlicher Weise argumentiert der Jugendbeauftragte von 'pro N RW' bei einer
Kundgebung in Essen am 5 . Oktober 20 1 3.
"Es ist arm, dass in Deutschland Rentner Flaschen sammeln müssen,
um über die Runden zu kommen. Es ist arm für Deutschland, dass über
zweieinhalb Millionen Kinder in Hartz IV-Verhältnissen aufwachsen. Es ist
arm für Deutschland, dass sechseinhalb Millionen Menschen von Hartz
I V leben. Diese Leute wissen nicht, wie sie am Ende des Monats über die
Runden kommen sollen. Auf der anderen Seite haben wir hier vermeint­
liche Asylbewerber, denen bezahlen wir die Unterkunft, denen zahlen wir
den Strom, die bekommen Sätze in Höhe von Hartz IV, denen zahlen wir
RECHTSEXTREMISMUS
95
Verfassungssch utzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 2 0 1 3
die Handyrechnung, denen zahlen wir die Kosten, um zur Schule zu kom­
men und so weiter. "
Die Diffamierung von Asylbewerbern forciert die pro-Bewegung in I h rer Kampagne,
indem sie sämtliche abgelehnte Asylbewerber als Asylbetrüger bezeichnet. Beispiels­
weise veröffentlichte der Essener Kreisverband im November 20 1 3 ein Flugblatt mit
folgender Aussage:
"Bundesweit liegt der Anteil von Asylbetrügern unter den Bewerbern bei
über 98%. Diese vereinnahmen Gelder, Nahrungsmittel und Raum [ . . . ] . "
Wortgleich äußerte sich auch der Bonner Kreisverband am 9. August 20 1 3 auf sei­
ner Webseite zu dem Thema. Mit d iesem Negativurteil ruft die pro-Bewegung den
Eindruck hervor, dass jeder Asylbewerber, der nicht als politisch Verfolgter anerkennt
wird , die Behörden vorsätzl ich täuschen wolle, um Sozialleistungen zu erhalten. Dass
auch bei Bürgerkriegsfl üchtl ingen der Asylantrag zwar in der Regel abgelehnt wi rd ,
diese aber häufig als Flüchtli nge e i n Aufenthaltsrecht erhalten, verschweigen d i e pro­
Aktivisten. Beispielsweise behauptet der J ugend beauftragte von 'pro N RW' in einer
Rede auf einer Veranstaltung am 5 . Oktober 201 3 in Essen-Frintrop:
"Kaum einer dieser Menschen, die hier Asyl beantragen hat auch einen
Grund für Asyl. Das heißt, sie sind nicht asylberechtigt, es sind keine
Flüchtlinge, keine politischen (sic!) Verfolgten, sondern sie kommen nur
hierher, weil sie wissen, dass die deutsche Bevölkerung so naiv ist, bzw.
der deutsche Staat diesen Leuten das Geld in den Rachen wirft. "
H inzu kommt, dass die Gru ppe der Asylbewerber nach Ansicht von 'pro N RW' alle
möglichen Probleme in Deutsch land verursachen würden . So sagte am 5 . Oktober
20 1 3 auf der gleichen Veranstaltung in Essen-Fri ntrop ein Bonner Aktivist von 'pro
N RW':
" Und jetzt haben wir hier den Fall, dass um 98% Asylbetrüger mitzufinan­
zieren und mit aufzunehmen, hier eine Bildungseinrichtung geschlossen
wird. Und das kann nicht sein. Wir müssen mehr Geld für unsere Bildung
ausgeben. Wir müssen natürlich wirklich verfolgten Menschen helfen. Aber
wir können nicht dafür sorgen, dass skrupellose Verbrecher in Deutsch­
land Geld abkassieren. "
96
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Gerichte bestätigen die Ei nschätzung, dass 'pro N RW' und 'pro Köl n' verfas­
su ngsfeind liche Bestrebungen verfolgen
'Pro Köl n eV' und 'pro N RW' werden vom Verfassungssch utz beobachtet, wei l bei
d iesen Gruppierungen tatsächl iche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindl iche
Bestrebung vorliegen. Diese tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben sich aus einer Viel­
zah l von Äußerungen durch Aktivisten von 'pro Köln eV' und 'pro N RW' und deren
Redebeiträge auf Kundgebungen sowie d u rch aktuelle Stellungnahmen auf den jewei­
l igen Homepages der Organisationen sowie entsprechende Artikel, die zum Teil noch
im Archiv ihrer I nternetseiten abgelegt sind. Kontakte zu anderen , teilweise rechtsex­
tremistischen, zumindest aber fremdenfeind lichen Organisationen im In- und Ausland
tragen zu dieser Ei nschätzung bei.
Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 1 5. Februar 20 1 1 14
festgestellt, dass bei der Klägerin bezogen auf den Berichtszeitraum 2008 gewichtige,
die Schwelle eines Verdachts deutlich übersteigende tatsächlich Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass ihre Bestrebu ngen gegen die frei heitliche demokratische Grundord­
nung gerichtet sind . Das Oberverwaltungsgericht N RW bestätigt 201 2 in einem Be­
sch luss15 i nsoweit zustimmend die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf:
"Die vom Gericht über die Klägerin gewonnen Erkenntnisse, insbesondere
das Parteiprogramm aus dem Jahr 2007, Veröffentlichungen und Ver­
lautbarungen der Klägerin und ihrer Führungskräfte im Berichtszeitraum
2008 und die Verbindungen der Klägerin zu pro Köln lassen mit einer die
Verdachtsschwelle klar überschreitenden Deutlichkeit erkennen, dass Be­
stimmungsgrund des politischen Handeins der Klägerin der Wille ist, einen
Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, nämlich die
Menschenrechte für bestimmte Personengruppen außer Geltung zu set­
zen. Indem die Klägerin Minderheiten, namentlich A usländer, Migranten
und Muslime in menschenrechtswidriger Weise herabsetzt und ausgrenzt,
verfolgt sie das Ziel, gesellschaftliche Verhältnisse herbeizuführen, in
denen die Menschenwürde dieser Minderheiten nicht geachtet wird. "
14 VG Düsseldorf, Urteil vom 1 5. 02. 2011, Az.: 22 K 404/09.
15
OVG Münster, Beschluss vom 23. 05.2012, Az. : 5 A 837/1 1 .
RECHTSEXTREMISMUS
97
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat dieses Urteil mit
Beschluss vom 23. Mai 201 2' 6 bestätigt.
Zuletzt hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 28. Mai 201 317
diese Rechtsprechung h insichtlich der Klage von 'pro N RW' gegen die Erwähnung i n
d e n Verfassungssch utzberichten d e s Jahres 2009 und 20 1 0 und im Zwischen bericht
201 0 fortgefü hrt und folgendes festgestel lt:
"Zudem lassen - in einer Gesamtschau - auch die Verlautbarungen und
Aktivitäten der Klägerin bzw. ihrer Funktionäre und Mitglieder in den streit­
gegenständlichen Berichtszeiträumen 2009 und 201 0 mit einer die Ver­
dachtsschwelle klar überschreitenden Deutlichkeit erkennen, dass Bestim­
mungsgrund des politischen Handeins der Klägerin nach wie vor der Wille
ist, einen Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,
namentlich die Menschenrechte, konkret die Menschenwürde für bestimm­
te Personengruppen, außer Geltung zu setzten. Es lässt sich auch in den
Berichtszeiträumen 2009 und 2010 eine konstante Weiterverfolgung der
von der Klägerin verfolgten politischen Ziele feststellen, die ihrerseits dem
Schutzgut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 VGS NRW zuwiderlaufen. "
Dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit
Beschluss vom 20. Februar 201 4'8 bestätigt.
"Oie Gesamtheit der vom Verwaltungsgericht bewerteten Aussagen gibt
jedenfalls Anlass für den Verdacht verfassungsfeindlicher Ziele und belegt
- für den Verfassungsschutzbericht 2010 - derartige Bestrebungen über
den bloßen Verdachtsfall hinaus. "
Organisatorischer Aufbau von 'pro Köln e.V.' und 'pro N RW'
Die Partei 'pro N RW' und der Verein 'pro Köl n eV' sind personell, organisatorisch und
i nhaltl ich sehr eng miteinander verknüpft. So wurde 'pro N RW' Ende 2007 aus 'pro
Köl n e.V.' heraus gegründet, um als Reg ionalpartei bei Kommunalwahlen a u ßerhalb
Kölns und bei Landtagswahlen antreten zu können. Es bestehen durchgängige perso16
OVG NRW, Beschluss vom 23.05. 2012, Az.: 5 A 837/1 1.
17
VG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2013, Az. : 22 K 2532/1 1 .
18
98
OVG NRW, Beschluss vom 20.02. 2014, Az.: 5 A 1 757/13.
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
nelle Überschneidu ngen sowohl im Fu nktionärsbereich als auch bei den M itgliedern
und Aktivisten. Dies schlägt sich in der Außendarstellung n ieder. Markus Beisicht
präsentiert sich oftmals als Vorsitzender von 'pro Köln e.V.' und 'pro N RW' sowie der
pro-Bewegung i nsgesamt. Zudem finden des Öfteren gemeinsame Kundgebungen
und Versammlungen statt. Auch das erstellte Werbematerial nutzen beide O rganisa­
tionen gelegentlich gemeinsam . Eine 2009 von 'pro Köln e.V. ' produzierte DVD mit
einem islamfeindlichen Film wurde z . B . auch von der J ugendorganisation 'pro N RW'
außerhalb Kölns verteilt.
Geprägt von der Ambition einer landesweiten Bedeutung suggeriert 'pro N RW' i n der
öffentlichkeitswirksamen Eigendarstellung flächendeckend funktionsfähige Strukturen.
So verfügt 'pro N RW' laut I nternetauftritt über insgesamt acht Bezirksverbände m it
53 angeschlossenen Kreisverbänden, wobei der Kreisverband Köl n unmittelbar auf
'pro Köln e.V. ' verweist. Tatsächl ich entspricht die virtuelle Omni präsenz nicht dem
tatsächlichen Gefüge, zumal der vorhandene Mitgliederbestand d iesen Anspruch
nicht zu erfü l len vermag. Faktisch handlungsfähige Strukturen m it mobil isierbarem
Personen potenzial bestehen im Rheinland , im Oberberg ischen Kreis und punktuell
im Ruhrgebiet. Erkennbare Ansätze eines tatsäch lichen organisatorischen U nterbaus
existieren in Aachen, Boch u m , Bon n , Essen , Gelsenkirchen, Hagen , Köl n , Leverku­
sen, Radevormwald und Remscheid . Trotz fortlaufender Bemühungen gelang es 'pro
N RW' bislang jedoch n icht, entsprechende U ntergl iederungen beispielsweise in Düs­
seldorf oder im Raum M ünster zu etabl ieren.
Bedingt durch ein vergleichsweise schwer zu mobil isierendes und tendenziell wenig
aktionsaffines M itgliederpotenzial fokussiert sich 'pro N RW' deutlich auf wen ige Füh­
rungsfunktionäre, ohne deren Aktivitäten kaum eine anhaltende Dynamik erreichbar
wäre. Dieser U mstand bein haltet eine straffe Ausrichtung der nachgeordneten G l iede­
rungen unterhalb der Bezirksverbände auf die etablierten Personen des Landesvor­
standes.
Maßgebl iche Fu nktionäre stammen aus rechtsextrem istischen Parteien oder aus
Organ isationen, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer
Bestrebungen vorliegen bzw. vorlagen. Der Vorsitzende von 'pro Köln e.V.' und 'pro
N RW' war frü her für 'Deutsche Liga für Vol k und Heimat*' (DLVH)19 aktiv. Mehrere
Funktionäre, unter anderem die Fraktionsvorsitzende von 'pro Köln e.V.' im Rat der
Stadt Köln , kamen aus der Partei 'Die Republi kaner' (REP), die bis 2007 vom Ver19
Oie oL VH* wurde bis 2000 im Verfassungsschutzbericht NRW erwähnt, ist aber inzwischen zumindest in Nordrhein-Westfalen - bedeutungslos.
RECHTSEXTREMISMUS
99
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
fassu ngsschutz beobachtet wurde. I m Jahr 20 1 0 wechselte ein für die N P D i n den
Stadtrat von En nepetal gewählter Politiker zu 'pro N RW'. I nzwischen n i mmt er sein
Mandat für 'pro N RW' wahr und fu ngiert als Ansprechpartner für den Bezirksverband
Bergisches Land . Ebenfalls war das 'pro N RW'-Ratsm itglied in Bonn und die Kreisvor­
sitzende in Wuppertal früher für die N P D aktiv. In Witten tritt zur Kommunalwah l 201 4
auf dem ersten Platz der 'pro N RW'-Liste ein j u nger Mann a n , der bei der vorherigen
Kommunalwahl noch für die N PD kandidierte. Der J ugendbeauftragte von 'pro N RW'
war vormals für die DVU aktiv u nd als die DVU 201 1 mit der N P D fusion ierte, wech­
selte der DVU-Landesvorsitzende zu 'pro N RW' und brachte sein M andat im Stadtrat
von Dortmund mit.
Vertretung i n Kommunalvertretungen
Bei der Kommunalwahl 2009 gelang 'pro N RW'l'pro Köln eV' der E i nzug in 1 3 Kom­
munalvertretungen mit insgesamt 45 Mandatsträgern . Obwohl die Gruppierungen
damit überall dort, wo sie antraten , relativ erfolgreich waren, konnte 'pro N RW' bei der
Landtagswahl in N RW 201 2 mit ledigl ich 1 , 5% der Zweitstimmen nicht h ieran anknüp­
fen . Zwar partizipierte die Partei an der staatlichen Wah lkampfkostenerstattung, erfüll­
te die von ihr vorgegebene Erwartungshaltung jedoch nicht. Fraktionsstärke erreichte
'pro Köl n e.V.' 2009 mit fünf Ratsmandaten , 'pro N RW' mit jeweils drei Ratsmandaten
in Berg heim, Gelsenkirchen und Leverkusen . I n Gelsenkirchen bü ßte 'pro N RW' die­
sen Status im Laufe des Jahres 20 1 3 ein, nachdem eine Mandatsträgerin die gemein­
same Fraktion verlassen hat.
Strateg ie von 'pro Köln e.V.' und 'pro N RW'
Die pro-G ruppierungen als vermeintliche B ü rgerbewegung "gegen die da
draußen"
'Pro Köln e.v.' und 'pro N RW' stilisieren sich selbst zur "Bürgerbeweg u ng". Der Beg riff
soll Bodenständigkeit sowie eine politische Kraft suggerieren, die sich aus der Ge­
sellschaft heraus entwickelt und eine stetig steigende Zahl von Mitstreitern anzieht.
Die Mitglieder gerieren sich als seriöse Bürger, die aus der "M itte der Gesellschaft"
kommen. I h re ideologischen Ansätze werden als "rechtspopul istisch", "nonkonform",
"gegen die Political Correctness gewandt" oder "freiheitlich" kaschiert.
1 00
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
'Pro Köl n eV' und 'pro N RW' versuchen d ie Bedeutung der "Bewegu ng" künstlich zu
steigern, indem sie M itgliederza h len u nd Teilnehmer bei Veranstaltungen regelmäßig
übertrieben darstellen. So haben beispielsweise an der Demonstration gegen die
Merkez Moschee in Duisburg im März 201 0 nur 1 50 Personen teilgenommen - ent­
gegen der Ankünd igung von über 2 .000. Von den tatsächl ichen Teilnehmern gehörte
zudem gut ein Drittel zum Anhang der Partei 'Vlaams Belang', die aus Belgien an­
gereist waren. Auch beim "Marsch für die F reiheit" 201 1 i n Köln nahmen anstatt der
angemeldeten 1 . 000 Teil nehmer (zunächst war sogar von 2 . 500 die Rede) lediglich
um die 300 Personen tei l .
Anknüpfungspu nkt von 'pro Köl n eV' und 'pro N RW' b e i ihrer fremdenfeindlichen Agitation sind Ü berfremdungsängste u nd islamfeindl iche Ressentiments.
Zwischenzeitlich war man verstärkt bemüht, sich zusätzliche weitere aktuelle
Themenfelder als Kampagnenschwerpunkte zu ersch ließen. So wurde M itte 20 1 1
von 'pro N RW' ein "Aktionstag" ausgerufen, an dem i n mehreren Städten Nordrhein­
Westfalens unter dem Motto "Raus aus dem Euro" demonstriert wurde. Auch auf
Flyern warb sie mit d iesem Slogan . Seit 201 2 kommen weitere, in der Bevölkerung
und den Medien diskutierte, streitbare Themen wie "Benzin- oder Strompreise" u nd
"ESM-Rettu ngsschi rm" hinzu . Damit versuchte die pro-Bewegung von i h rem I mage
als fremdenfeindliche Bestrebung mit der thematischen Verengung auf die Themen
"Ausländer", "Islam" oder "Musl ime" weg zu kommen. Als "Kümmererpartei" mit dem
gleichen strategischen Ansatz wie auch die NPD möchte sie Interesse bei Bürgern
wecken , die zwar Rechtsextremismus grundsätzlich ablehnen , aber beispielsweise
der sogenannten "Eurorettung" kritisch gegenüberstehen. Seit 201 3 setzt die pro­
Bewegung wieder verstärkt auf fremdenfeindliche Kampagnen und variierte diese
h insichtlich Asylbewerber sowie S inti und Roma .
Diffam ierung als strategisches M ittel der politischen Ausei nandersetzung
I m politischen Diskurs bedienen sich 'pro Köln eV' und 'pro N RW' häufig einer mas­
siven Polemik. Im Vordergrund steht dabei nicht eine legitime Kritik, sondern die
herabsetzende, verächtlich machende Sch mähung des politisch Andersdenkenden.
Politische Gegner werden als "verbrauchte Altparteien " oder "B!oekwarte der Po!itiea!
Correetness" verunglim pft, Polizisten als "uniformierte 'Gra!shüter der Po!itiea! Cor­
reetness'" verhöhnt.
Das Stilmittel der Polemik begleitet n icht die Arg umentation in der Sache, sondern
es ersetzt sie. So wird beispielsweise u nter der Ü bersch rift "Migrantengezeter zur
RECHTSEXTREMISMUS
1 01
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
konstituierenden Sitzung des Köl ner Integrationsrates" dessen Vorsitzender als "Be­
rufstürke" diffamiert, der dieses G remium zur Lösung der eigenen sozialen Frage
missbrauche.
Die durch das Bu ndesm in isterium des I n nern (BM I ) ins Leben gerufene Islam konfe­
renz wird als "politische Selbstbefriedigung von Funktionären" beschrieben . Dieses
Zusammentreffen sei das geistige E rgebnis der 68er-Gutmenschen-Utopie, die das
Zusammen leben i n einer Gesellschaft auf "Rappelkisten-Niveau" regeln wolle. Weiter
heißt es: "Der Einzige, der von dieser opulenten Zusammenkunft etwas haben wird,
das ist irgendein privilegierter Catering-Service".
I n einer Rede an lässlich einer Demonstration im November 201 1 in Köl n bezeichnete
der Vorsitzende von 'pro N RW' und 'pro Köln e V ' , den Kölner Oberbürgermeister als
"Salon-Bolschewisten". Bei der gleichen Veranstaltung beschimpfte ein Ratsmitglied
von 'pro Köln eV', der gleichzeitig Präsident der 'Kommunalpolitischen Vereinigung
der PRO-Bewegung*' ist, einen a n der Gegendemonstration teilnehmenden Bu ndes­
tagsabgeordneten der Partei "Bündnis 90IDie Grünen" als "Gauleiter", "grüne SA"
und "Müsli-Nazi". Einen anderen B u ndestagsabgeordneten nannte wiederum der
Vorsitzende von 'pro N RW' und 'pro Köl n eV' auf der 'pro N RW'-Homepage20 " COU­
Hassprediger aus Bergisch-Gladbach".
Gegen die Sicherheitsvorkehrungen der Pol izei a nlässlich einer sogenannten Mahn­
wache von 'pro N RW' i n Bonn im Herbst 20 1 2 polemisierte der Vorsitzende Markus
Beisicht wie folgt: "Oie Botschaft ist klar. Islamkritische Veranstaltungen sollen offen­
bar in Bonn in bester weißrussischer oder nordkoreanischer Tradition praktisch un­
möglich gemacht werden".
Vernetzungen
Die pro-Beweg ung
Zwischen der Partei 'Bürgerbewegung pro Deutsch land*', d ie bis M itte 20 1 0 ihren
Sitz i n Köl n hatte und i h n dann nach Berl i n verlegte, und 'pro N RW' sowie 'pro Köln
eV' bestehen nach wie vor enge personelle u nd vor allem inhaltliche Verbindungen .
So war der Vorsitzende, Manfred Rouhs, bis April 20 1 1 für 'pro Köln eV' M itgl ied
des Rates der Stadt Köl n , eine im November 201 3 anlässlich der Neuwahl des
20
1 02
'Pro NRW'-Homepage, Zugriff am 27. 07. 20 1 1 .
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Bundesvorstands von 'pro
Deutschland*' neu gewählte
Beisitzerin war M itglied von
'pro Köl n e V ' , ein ehemaliges
Bundesvorstandsmitgl ied von
Aufkleber anforderni
'pro Deutschland*' ist Kreis­
C1JIZI:CII .....- ...... ," .....- - --•. - - - . - -
beauftragter für 'pro N RW' i n
•·i.ij.rBM.iiii.i,/I
Duisbu rg .
'0 .,", ,.
pro Oeutschl.nd
... ts;_� ().,,<1>"....
w � 2 l..,t"""'"
.. 0..- ... .. _ ­
-- �
"' - - ,._­
...
.... _ .... ....... ...
Ähnlich wie 'pro NRW' setzte
!!I:�",=
Berl iner Ableger der pro­
0000 _ " ",- ",
� - _ .. ,--,.­
� ,..- _ .... �
�
auch 'pro Deutsch land*' als
Bewegung 201 3 in provokan­
ter Manier auf das Feindbild
"*" Sö...... · ,\� l"..
"�OIN ..•
"-- - - _ ...
----"'"
'
...
.
,... '......" ._,..- .,...
I slam, um von der Öffent­
l ichkeit wahrgenommen zu
werden , greift jedoch analog
der Strategie von 'pro N RW'
zunehmend das Thema "Asyl­
missbrauch" auf. So erklärte
der Generalsekretär von 'pro
Deutschland*' und ehemali­
Auszug aus dem Internetauftritt von 'pro Deutschland' mit
Materialangeboten zu verschiedenen Themen
ge Wahlkampfleiter von 'pro
N RW' bei der Landtagswahl
2012:
" Überall in Deutschland bereiten sich radikale Islamisten auf den heiligen
Krieg vor. Moscheen werden zu unkalkulierbaren Risikofaktoren. Wir de­
monstrieren vor diesen Moscheen und sagen das, was deutsche Politiker
längst hätten sagen müssen: bis hierhin und nicht weiter!"
(Homepage von 'pro Deutschland*', abgerufen am 2 1 . August 201 3).
I m Zusammenhang mit der beworbenen Kampagne .,Asylmissbrauch stoppen!" lan­
cierte 'pro Deutschland*' auf ihrer Webseite unter der Überschrift " Wie der Staat vor
Asylbetrügern kapituliert" am 26. November 2013 einen Artikel, in dem es heißt:
"Jetzt sind sie in Deutschland angekommen und fallen ihren leidensfähi­
gen Gastgebern immer penetranter auf die Nerven. "
RECHTSEXTREMISMUS
1 03
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Sowohl bei 'pro Köln eV' als auch bei 'pro N RW' ist eine Jugendabtei lung angeglie­
dert. 'Jugend pro N RW' u nd 'Jugend pro Köl n eV' sind darauf ausgerichtet, Schü ler
und J ugendliche anzusprechen und zur Mitarbeit zu bewegen . H ierzu bedienen sie
sich - neben der Nutzung der sozialen Netzwerke - vorwiegend der sporadischen He­
rausgabe von Flugblättern. Dabei gehen sie inhaltlich geschickt auf junge Menschen
ein, knü pfen a n mögl iche negative Erfahru ngen und an Konflikte mit Jugendlichen mit
Migrationshintergrund an und holen diese Altersgruppe sprachlich ("Hast Du es satt,
dass n iemand deine Probleme ernst nimmt und sich n iemand um Dich kümmert?")
und thematisch ("Kriminalität", "Bildungsmisere", "steigende Überfremdung") dort ab,
wo sie die J ugendl ichen mit ihren Ängsten und Sorgen vermuten . In dem 201 3 er­
schienenen Flugblatt "Sch luss mit der Gewalt!" heißt es:
"Hast Du es satt, dass immer mehr von unserer eigenen Identität zuguns­
ten einer künstlichen Multi-Kulti Identität aufgegeben wird? "
"MultiKulti bedeutet multikriminell!"
(Auszug aus dem Werbeblatt "Multikulti ist zum Kotzen!", erschienen 2 0 1 3)
"Hast Du es satt, ständig schikaniert zu werden, nur weil Du Deutscher
bist?"
"Jung, männlich, brutal und im Regelfall nichtdeutscher Herkunft - so
werden Intensivstraftäter beschrieben. Oft terrorisieren diese Banden den
Schulhof [ . . . ) "
"Mittlerweile ist e s auch schon so, dass e s ausreichend ist, Deutscher zu
sein, um in der Schule von den Mitschülern drangsaliert und gedemütigt
zu werden. Aber es gibt jemanden, der sich für Deine Interessen stark
macht!"
Tatsächlich sind auch d iese Kampagnen darauf angelegt, zwischen ju ngen Deutschen
und Ausländern zu polarisieren, entsprechende Vorkomm n isse zu generalisieren und
m ittels der Art der Schilderung der angeprangerten M issstände eine latente F u rcht zu
erzeugen . Vermeintliche Lösungsansätze zur Verbesserung der persönlichen Situa­
tion dienen ausschließlich dazu , fremdenfeindliche und islamfeindliche Voru rteile zu
verstärken . So heißt es in dem Flugblatt "Sch luss mit der Gewalt":
,,[ . . . ) für eine bessere Ausbildungssituation, Lehrmittelfreiheit sowie max.
30% Ausländeranteil pro Schulklasse. "
,,[ . . . ) für ein Verbot von Islamunterricht an Schulen. "
1 04
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Die u rsprünglich mit großen Ambitionen als "größte Kölner Schüler- und J ugendzei­
tung" d u rch einen ehemaligen Jugendbeauftragten von 'pro Köln eV' herausgegebe­
ne Pu blikation 'Objektiv' ist auch 20 1 3 n icht erschienen .
In ihren bislang lediglich vier Ausgaben orientierte sich die Publikation m it Themen
wie zum Beispiel die Ableh nung von "Großmoscheen" und "Ausländerkriminal ität" fast
ausschl ießlich an der Öffentlichkeitsarbeit von 'pro N RW' und 'pro Köl n e.V.'.
Neben den eigenständigen
Portalen auf den bekannten
sozialen Netzwerken dient
die von der 'Jugend der
Pro-Bewegung', der 'Repub­
likanischen J ugend' und der
'German Defence League'
(GDL) über Facebook
betriebene Seite "Hasta
Facebooklogo der gemeinsamen Plattform von 'Jugend der Pro­
La Vista Salafista !" als
Bewegung', der 'Republikanischen Jugend' und der 'German Defence
Plattform für gemeinsame
League'
Aktionen .
Neben dieser virtuellen Komponente besteht der 'Ring freiheitlicher J ugend Deutsch­
lands' (RFJ ) als eine organisierte Form der Zusammenarbeit. Die gemeinsame Agi­
tation wurde i n der einmaligen Neuauflage von 'Objektiv' als "freiheitliches Jugend­
magazin" Anfang 20 1 2 i ntensiv beworben . Als Herausgeber fu ngierte mit dem neuen
Jugendbeauftragten für 'pro N RW' und 'pro Köln e .V.' ein ehemaliger DVU-Aktivist
aus Hessen . Ziel dieses "überparteil ichen , politischen J ugendverbandes" soll nach
eigener Darstellung sein, die "Einigung im freiheitlichen Spektrum voranzutreiben und
die nächste Generation freiheitlicher Politiker in Deutschland auf ihre Aufgaben vorzu­
bereiten ".
Bei der 'German Defence League' (GDL) handelt es sich nach eigenen Angaben um
einen "lockeren Zusammenschluss" nach dem Vorbild anderer internationaler Defence
Leagues (z. B. der aus der rechten Hooligan-Szene hervorgegangene "gewaltbereite"
'English Defence League'), die als Ziel "Protestläufe gegen die schleichende Islami­
sierung Europas" vorgeben und in Deutschland in regionale "Divisions" aufgeteilt sind.
Anhänger der GDL halten sich aktuell bei Veranstaltungen von 'pro N RW' mit einem
RECHTSEXTREMISMUS
1 05
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
u rsprüngl ich gewählten martialischen Auftreten zurück, verwenden jedoch häufig eine
eigenständige Symbolik.
Obwohl auch 201 3 keine nennenswerte Ausweitung der J ugendarbeit im Rahmen
eigenständiger Projekte zu verzeichnen war, hat sich die bereits 20 1 2 abzeich nende
Entwicklung einer Ei nbindung a nderer Gruppieru ngen aus dem aktionsorientierten La­
ger d u rch persönl iche Kontakte auf Funktionärsebene fortgesetzt. Obwohl es sich bei
diesem Personenkreis nicht um M itgl ieder ha ndelt, konnte die pro-Beweg ung damit
i h r Sympathisantenpotential bei Veranstaltungen geringfügig erhöhen.
'J ugend pro N RW' und 'Freundeskreis Rade'
Ende der 2000er J a h re entstand i n Radevormwald eine G ru ppe J ugendlicher, die
sich zunächst bei der 'Jugend pro N RW' engagierte u nd an Demonstrationen sowie
Parteiversammlu ngen teilnahm. In dieser Zeit radi kalisierte sich die Gruppe zuneh­
mend. Ein G roßteil engagierte sich seit 20 1 1 zeitgleich in einer kameradschaftsähn­
l ichen G ruppierung unter dem Namen ' Freu ndeskreis Rade'. Dieser gewann weitere
Anhänger h inzu und suchte Anschluss an die neonazistische Szene in Nord rhein­
Westfalen . Angehörige der Gru ppierung verübten zahlreiche Gewalt- und Propagan­
dadelikte . I m Rahmen von E rm ittlungen gegen den 'Freundeskreis Rade' wurden im
April 20 1 2 meh rere Durchsuchungsbesch lüsse vollstreckt, daru nter auch gegen d ie
lokale Geschäftsstelle von 'pro N RW' in Radevormwald. I m Januar 2 0 1 4 verurteilte
das Landgericht Köln sechs Angehörige des ' F reu ndeskreis Rade' wegen der Bildung
einer kriminellen Vereinigung. Der Rädelsfüh rer nahm bis 20 1 1 a n Veranstaltungen
der 'Jugend pro N RW' tei l . D re i weitere Verurteilte waren für die Fraktion 'pro N RW'
in Radevormwald bis 201 1 bzw. 201 2 als sachkundige Bürger oder als Vertreter von
sachkundigen Bürgern im Stadtrat tätig.
Vernetzungen auf nationaler Ebene
Bereits 2009 hatte der Vorsitzende von 'pro Köl n e V/pro N RW' die Absicht bekundet,
mit "anderen rechtsdemokratischen Parteien, islamkritischen Wählerinitiativen und
Gruppen eine politische Plattform von Rechts" ('pro N RW'-Homepage 23. November
2009; I nterview mit Beisicht) zu schaffen. Als Forum für eine überparteiliche Zusam­
menarbeit "freiheitlicher" Parteien in Deutsch land - so die Selbstdarstellung - wu rde
20 1 1 d ie 'Kommunalpol itische Vere inigung der PRO-Bewegung" (KPV P RO ) m it Sitz
in Leverkusen gegründet. Diese E i n richtung soll dazu dienen , die eigenen M itgl ieder
1 06
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
d u rch Schu lu ngen für die Ü bernahme und die Wahrnehmung kommunalpolitscher
Mandate "fit zu machen" sowie Mandatsträger anderer Parteien anzuwerben. Der
KPV PRO'-Vorstand sowie ein zusätzlich installierter Beirat bestehen ausschl ie ßlich
aus 'pro N RW' bzw. 'pro Köl n eV'-Aktivisten; Präsident der Vereinigung ist ein 'pro
Köl n e V'-Ratsmitg l ied. Eine der ersten Aktionen der KPV PRO' war der Beitritt zum
"Städtebündnis gegen Islamisierung", zu dem u nter anderem 'pro N RW' und der
'Vlaams Belang' gehören.
Seit 20 1 0 fanden mehrere Spitzentreffen zwischen Funktionären von 'pro N RW' und
der Partei 'Die Republ ikaner' (REP)2 1 statt, verbunden mit gemeinsamen Erklärungen ,
d i e sowohl auf der Homepage von 'pro N RW' a l s auch von der REP-Bundespartei
veröffentlicht worden sind. Ziel war u rsprünglich , spätestens bei der Europawah l 20 1 4
"gemei nsam i n neuer Formation" bundesweit a nzutreten.
Diese Bemühu ngen scheinen jedoch i nsgesamt erfolglos geblieben zu sei n . Auch
20 1 3 wurden keine kon kreten Ergebnisse der Gespräche zwischen 'pro N RW' und der
Partei 'Die Repu blikaner' (REP) seitens einer der beiden Seiten veröffentlicht. Nach
dem schlechten Abschneiden der u nter dem Dach der pro-Bewegung agierenden Par­
tei 'pro Deutschland" u nd den daraufhin öffentlich bekannt gewordenen Verwerfungen
auf Funktionärsebene zwischen 'pro Deutschland' und 'pro N RW/Pro Köln eV', hatte
Beisicht in einer entsprechenden Stell ungnahme geäu ßert:
"Es wäre sinnvoll, Republikaner, Pro Deutschland und 'Die Freiheit'
schnellstmöglich abzuwickeln und diese in eine neue Sammlungsbewe­
gung zu überführen. "
Diese Forderung dü rfte ernstzuneh mende Gespräche der ursprünglich geplanten
Zusammenarbeit auf Augenhöhe nachhaltig konterkariert haben. Ein gemeinsamer
Antritt zur Europawah l von 'pro N RW' und der Partei 'Die Republikaner' scheiterte
jedenfalls.
Gleichwohl bestehen Verbindungen nach wie vor auf Funktionärsebene. So veranstal­
te ein "überparteiliches Bünd nis" am 2 1 . September 20 1 3 i n Köln eine Kundgebung
unter dem Motto "Ch ristenverfolgung stoppen - Kopten schützen". Die entsprechende
Resolution wurde unter anderem von 'pro Köln'-Funktionären sowie dem Vorsitzenden
des bayrischen Landesverbandes der Partei 'Die Freiheit' unterzeichnet.
21
Die Partei 'Die Republikaner' (REP) wird seit Ende 2007 nicht mehr vom Verfassungsschutz
beobachtet.
RECHTSEXTREMISMUS
1 07
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Weiterhi n unterzeichnete diese Erkl ä ru ng ein Publizist, den 'pro N RW' auch als
Redner auf seinen "Eu ropaparteitag" im September 201 3 nach Leverkusen einlud.
Dieser Publ izist hatte i m April 201 1 einen "Aufruf zum al/gemeinen Widerstand des
deutschen Volkes gemäß Art. 20 Abs. 4 G G " veröffentlicht. I n d iesem Aufruf zeichnet
er das Bild von d ramatischen kulturellen Konflikten, die d u rch die E inwanderung von
Muslimen ausgelöst wurden . Er skizziert die deutsche Bevöl kerung als ein Kollektiv
i m Ü berlebenskampf und legitimiert damit Gewaltanwend ung. So fordert der Autor:
"Organisiert Euch! Erhebt euch von euren Sofas! Geht auf die Straßen! Greift zu den
Waffen, wenn es keine anderen Mittel gibt!". I n islamfeindl ichen I nternetforen u nd auf
Blogs löste er damit ein relativ großes Echo aus und errang damit szeneintern Promi­
nenz.
Die pro-Bewegung arbeitet auch i ntensiv mit einem politischen Aktivisten zusammen,
der bis zum Frühjahr 20 1 3 die "Division Köln" der 'German Defence League' (GDL)
leitete. I m Januar hatte dieser auf seiner Facebookseite angeregt Bürgerwehren zu
g ründen, "nicht unbedingt im militärischen Sinne, aber es macht Sinn, sich zu vernet­
zen und sich auf die kommenden Unruhen in Europa vorzubereiten, auch mit Waffen".
Dessen u ngeachtet nahm d ieser Aktivist an Veranstaltungen der pro-Bewegung i m
J a h r 20 1 3 teil u nd veröffentlichte im September 201 3 e i n e gemeinsame Erklärung mit
dem Vorsitzenden von 'pro N RW' und 'pro Köln eV' sowie dem stellvertretenden Vor­
sitzenden von 'pro N RW'. Am 25. September veröffentlichte die Person auf mehreren
I nternetpräsenzen einen Beitrag mit dem Titel "Erste Bürgerwehr in Köln n immt i h ren
Dienst auf". Darin heißt es in islamfeindlicher Diktion: "Die überwiegende Masse an
Verbrechen passiert aus dem islamischen Kulturkreis, was sich mit der islamischen
Ideologie erklären lässt". Der Beitrag endet mit ei nem Aufruf, das staatliche Gewalt­
monopol in Frage zu stellen: "Die Tatsache, dass Politik, Medien und dann in der
Folge auch die Polizei die Menschen in diesem Land irgendwo al/eine lassen, also ihr
eigenes Volk verraten, hat mich schon vor ein paar Jahren motiviert, eine Bürgerwehr
zu begründen. Und heute, am 25. 09. 2013 nahm die erste Kölner Bürgerwehr ihren
Dienst auf!". Dieser Aktivist trat noch am 30. November 201 3 gemeinsam mit dem
stellvertretenden Parteivorsitzenden von 'pro N RW' u nd dem oben erwähnten Publi­
zisten auf einer Kundgebung i n Köl n auf.
Verbi ndungen zum Hetzportal 'kreuz.net'/'kreuz-net.i nfo'
Bei der I nternetpräsenz 'kreuz.net - katholische nachrichten', die Ende 20 1 2 vorü­
bergehend offline war und kurze Zeit später u nter 'kreuz-netinfo - katholische nach-
1 08
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
richten' wieder ans Netz ging, handelt es sich um ein Portal , das homophobe, antise­
mitische und muslimfeindl iche Beiträge veröffentlicht u nd durch überwiegend extrem
aggressive Diktion auffällt. Mediale Aufmerksamkeit erlangte 'kreuz. net' anlässl ich
des Todes eines bekannten Schauspielers mit der Schlagzeile "Jetzt brennt er in der
ewigen Homo-Hölle".
Als Autorin auf 'kreuz. net' fand sich eine 'pro Köln e V '/'pro N RW'-Aktivisti n, die
gleichzeitig Vorstandsmitglied von 'pro Deutschland*' sowie Sprecherin des Arbeits­
kreises 'Ch risten pro Köln' ist. Seit 2006 verfasste sie unter i h rem Namen und Angabe
i h rer pol itischen Funktion im Rat der Stadt Köln mehr als zehn Beiträge mit überwie­
gend homophoben I n halten, davon alleine vier in 20 1 2 .
E s besteht weiterhin eine erke nnbare inhaltliche Nähe zwischen 'pro N RW' u nd
'kreuz.net'. In dem Artikel "Moslem- Terroranschlag auf ProNRW-Chef Beisicht verei­
telt" auf 'kreuz-net.info' vom 22. März 201 3 ohne Autorenangabe erfolgt eine und iffe­
renzierte Ü bernahme der Argumentationsmuster von 'pro N RW' und wird ein Tatver­
dächtiger als "Türkenmischling" bezeichnet. Der Artikel räumt diversen Funktionären
eine Plattform ein. Darüber hinaus heißt es beispielsweise:
"Oie Bürgerbewegung ProKoelnlPro NRW setzte sich gegen die Monster­
moschee in Köln ein - offenbar aus gutem Grund".
Vernetzungen auf i nternationaler Ebene
Die von 'pro Köl n eV'I'pro N RW' i mmer wieder betonte Abgrenzung von jeder Form
des Extremismus erscheint wenig glaubwürdig. D ies zeigen die Verflechtungen und
Bündn isse, die 'pro Köln eV' und 'pro N RW' m it Parteien und Organisationen in den
europäischen Nachbarländern pflegen. Einige d ieser Parteien zählen zum rechtsex­
tremistischen Spektru m. Wie das OVG N RW jüngst in einem Beschl uss festgestellt
hat, erlauben d iese Kontakte Rückschlüsse auf die E instellung und das Verhalten der
Aktivisten von 'pro Köln e V ' und 'pro N RW' in Deutschland.
Neben der engen Zusammenarbeit und regelmäßigen Unterstützung d u rch die rechts­
gerichtete belgische Reg ional partei 'Vlaams Belang' - die als Nachfolgeorganisation
des rechtsextremistischen 'Vlaams Blok' angesehen werden kan n, dessen Programm
vom belgischen obersten Gerichtshof als diskrimin ierend und rassistisch eingestuft
wurde - sowie der volksnationalistischen belgischen Gru ppierung 'Voorpost', die eine
kameradschaftsähnliche Struktur aufweist u nd bei der personelle Ü berschneidungen
RECHTSEXTREMISMUS
1 09
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
zum 'Vlaams Belang' vorhanden sind, bestehen Kontakte zu separatistischen und
fremdenfeindlichen Organisationen in Span ien, F rankreich und Schweden.
I m Rahmen einer 201 0 von 'pro N RW' veranstalteten "Anti-Minarett-Konferenz" war
der Fraktionsvorsitzende des 'Vlaams Belang' wie bei zahlreichen anderen Veran­
staltungen dieser Art einer der Hauptredner. Er bezeichnete den I slam als "Erobe­
rungsreligion" und als "Raubtier", welches bereit sei , "sich auf das schwächste Opfer
zu stü rzen". Hier klingt die ansonsten n u r im orthodoxen Rechtsextremismus übliche
Analogie eines homogenen Vol kskörpers an, der von einer zerstörerischen Kraft von
a u ßen - h ier "Multikultur" (gemeint sind Menschen mit einer Migrationsbiografie, Anm.
der Red . ) - zersetzt wird . Menschen aus a nderen Kulturkreisen oder mit islamischem
G lauben werden in diesem Sinne offensichtlich als tödl iche Krankheit gesehe n , die
das Immunsystem des " Volkskörpers" u nwiderruflich schädigt. Als Gegenmittel bleibe
die " Ü berlegenheit unserer eigenen Zivilisation zu verteidigen" und die "dritte islami­
sche Invasion " gegen den "Erbfeind Europa" zu stoppen . Diese Ä u ßerungen sprechen
Muslimen n icht nur ihr Grundrecht auf freie Religionsausübung ab, sondern legen
nahe, dass dieser Bevölkerungsgruppe das Bleiberecht in Europa abgesprochen wird .
Beides steht in deutlichem Widerspruch z u r freiheitlichen demokratischen Grundord­
nung.
'Pro N RW' ist teilnehmende Organisation bei der internationalen I n itiative "Städte
gegen I slamisierung". M itglieder sind vor allem Parteien, die sich d u rch eine fremden­
fei nd l iche, vor allem islamfeindlich e Politik auszeichnen. Dazu zählen unter anderem
der 'Vlaams Belang' in Belgien, die FPÖ i n Ö sterreich, die Plataforma per Catalunya
aus Spanien und der M N R aus F rankreich . Auf der Homepage beschreibt d iese I nitia­
tive i h re Ziele wie folgt:
,, 'Städte gegen Islamisierung' widersetzt sich der multikulturellen Ideologie,
die dazu führt, dass die hier ansässigen Muslime in zunehmenden Maße
ihre eigenen Werte auch in der Öffentlichkeit befolgen können, was de
facto zu einer Institutionalisierung dieser Religion. " [fehlendes Satzende im
Origina�.
Eine besonders markante islamfeindl iche Ä ußerung ist der im J u n i 201 2 auf der
Webseite des Städtebündn isses veröffentlichte Aufruf des oben genan nten 'Vlaams
Belang'-Politikers, mit dem er eine Art "Kopfgeld" auf Burkaträgerinnen auslobt.
110
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
" Wer in den kommenden Tagen etwas Zeit hat und sich etwas dazuverdie­
nen möchte, kann sich an Filip Dewinter wenden. Der zahlt nämlich eine
Prämie von 250 Euro an jeden, der eine Burkaträgerin aufspürt, eine noch
nie dagewesene Aktion, die wieder genügend Staub aufwirbeln wird. "
Auf d ie Frage , wer für die Aktion verantwortl ich ist, antwortet der Politiker folgender­
maßen:
"Ist dies eine Aktion des Vlaams Belang?"
Filip Dewinter: Ja, dese (sic!) Aktion geht von der Organisation 'Städte
gegen Islamisierung' aus, welche der Islamisierung unserer Heimat Einhalt
gebieten will und deren Vorsitzender ich bin. "
Im August 201 3 h ielt ein füh render Vertreter der "Schwedendemokraten" (SO) einen
Gastvortrag bei 'pro Köln e V ' Obwohl die Partei sich ebenfalls medienwirksam von
rechtsextremistischen Einflüssen distanziert, treten Funktionäre u nd M itgl ieder kon­
tin u ierl ich mit ei ndeutigen Aussagen in Erscheinung. So verlangte beispielsweise
201 2 ein Lokalpolitiker der SO in einem europaweit beachteten Interview, den I slam in
Schweden zu verbieten und M uslime zu deportiere n .
I m Februar 2 0 1 3 trafen s i c h im Vorfeld e i n e s Vortrages i n B o n n führende Funktionäre
von 'pro Köln eV' mit dem Vorsitzenden der niederländischen "Partei für die F reiheit"
Geert Wilders, der laut der Webseite von 'pro Köl n e V ' "einen kompletten Einwande­
rungsstopp für Personen aus dem muslimischen Kulturkreis nach Europa" forderte.
Anlässlich des "Eu ropaparteitages" von 'pro N RW' im September 201 3 in Leverkusen
beschwor ein Führu ngsfunktionär des 'Vlaams Belang' "die Notwendigkeit der inter­
nationalen Zusammenarbeit der Patrioten gegen die Gefahren der Islamisierung und
außereuropäischen Masseneinwanderung. "
Versuchter Anschlag auf 'pro N RW'I'pro Köln'-Vorsitzenden
Die bisherige thematische Schwerpunktsetzung m it deutlicher Fokussierung auf is­
lamfeindl iche Ä ußerungen i n Verbindung mit dem provokativen Zeigen so genannter
Mohammed-Karikaturen bei öffentlichen Kundgebungen füh rte zu D rohungen aus der
islamistischen Szene. Diese konkretisierten sich i m Frühjahr 201 3 zu Anschlagsvor­
bereitungen auf den Vorsitzenden von 'pro N RW'/,pro Köln eV', die die Sicherheits-
RECHTSEXTREMISMUS
111
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
behörden rechtzeitig aufdeckten . Die Tatverdächtigen sind dem islamistisch-salafisti­
schen Spektrum zuzurechnen.
U n mittelbar nach Bekan ntwerden versuchte 'pro N RW'/'pro Köl n eV', das E reignis i n
pauschal ierender Form im S i n n e einer Gleichsetzung von I s l a m und Islam ismus für
Propagandazwecke medial zu verei nna hmen . H ierbei unterstel lte die pro-Bewegung,
dass die Darstellung von 'pro N RW'/'pro Köl n e V ' i n den Verfassungssch utzberichten
im Sinne einer Verleumdungskampagne eine moralische Verantwortung für den mög­
l ichen Tathergang begrü nde. G leichzeitig wurde die Strategie gezielter provokativer
Aktionen verteid igt und eine Fortsetzung angekünd igt.
" Und egal was passiert, wir kapitulieren nicht [ . ] wir machen weiter [ . . . ] . "
.
.
Bundestagswah l 20 1 3
Der Wah lantritt der Partei 'pro Deutsch land*' zur Bu ndestagswahl m it insgesamt 1 3
Landesl isten - daru nter Nord rhein-Westfalen - wurde d u rch die Verantwortlichen bei
'pro N RW'/'pro Köln eV' unter Hinweis auf den geringen Bekanntheitsgrad der Partei
mit i h rem einzigen Landesverband in Berlin sowie das prognostizierbare schlechte
Abschneiden ablehnend aufgenommen. Zudem sch ritt die Entfremdung zwischen 'pro
N RW'/'pro Köln eV' und der auch i ntern als Splittergruppe wah rgenommenen Partei
'pro Deutschland*' fort.
Die auch in Nordrhein-Westfalen in mehreren Städten durchgefü h rte Wah lkampftou r
von 'pro Deutschland*' wurde seitens 'pro N RW'/'pro Köln e.V.' logistisch nicht unter­
stützt. Die zentrale Botschaft der Partei war a nalog der Gesamtausrichtung islam­
feindlich bestimmt. Hierzu erklärte der unter anderem bereits wegen Volksverhetzung
verurteilte22 Generalsekretär von 'pro Deutsch land*':
" Überall in Deutschland bereiten sich radikale Islamisten auf den heiligen
Krieg in Europa vor. Moscheen werden zu unkalkulierbaren Risikofaktoren.
Wir demonstrieren vor diesen Moscheen und sagen das, was deutsche
Politiker längst hätten sagen müssen: Bis hierhin und nicht weiter!"
Das Wah lergebnis von 0 , 2% ( N RW: 0 , 2% ) der Zweitstimmen hat die Position des
Vorsitzenden von 'pro Deutschland*' i n den internen Auseinandersetzu ngen n icht zu
22
112
Urteil des AG Stuttgart, noch nicht rechtskräftig.
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
stärken vermocht, gleichwohl beabsichtigt 'pro Deutschland*' die Gründung weiterer
Landesverbände.
In einer Stellungnahme zum Wah lausgang distanzierte sich Beisicht nochmals von
'pro Deutschland*':
"Es war sicherlich bedauerlich, dass Pro Deutschland [ . . . ] vorschnell an der
Bundestagswahl teilgenommen ha 1[ . . . ]. Leider wurde durch diese Kandida­
tur völlig unnötig die Marke PRO beschädigt [ . . . ] . "
Arbeit i n komm unalen Vertretungen
Die pro-Bewegung strebt mittelfristig eine flächendeckende Ausbreitung in Nord rhein­
Westfalen a n . Hierzu beruft sie sich auf die sogenan nte Graswurzeltaktik, wonach
zunächst in der Bevölkerung Akzeptanz für die entsprechenden politischen Absichten
erzeugt u nd hierauf aufbauend lokale und dann reg ionale Strukturen erwachsen sol­
len . Unbeschadet dessen erweckt sie in der Öffentlichkeit den Ei ndruck, dass landes­
weit bereits vorhandene Organisationsbestände vor Ort lediglich einer Aufbau- oder
Ausbauarbeit zu unterziehen seien.
Eine weitere Plattform der öffentlich keitswirksamen Agitation bilden die Kommunal­
parlamente. Schwerpunkt der kommu nalen Mandatsträgerarbeit von 'pro N RW' und
'pro Köln e V ' bilden neben Köln mit e i nem verstetigten Funktionärsstamm Leverku­
sen sowie Radevormwal d . Wie auch bei anderen Kleinstg ruppen leben die lokalen
pro-Organisationen primär vom Engagement, Sendungsbewusstsein u nd der in der
Basis generierten Akzeptanz weniger Füh rungsfunktionäre. Bedingt d u rch das eher
geringe Aktivistenpotenzial stehen nur wen ige Personen zur Verfüg ung, die für die
Partei öffentlich ei ntreten. Zudem verliert die pro-Bewegung wegen interner Ausein­
andersetzungen immer wieder Aktivisten . So ist die Arbeit der ehemaligen Fraktion i n
Gelsenkirchen n a c h Aufkündigung i h rer Fraktionsmitgliedschaft d u rch eine 'pro N RW'­
Mandatsträgerin faktisch zum Erliegen gekommen.
Häufig werden inhaltlich nur unzureichend unterfütterte Anl iegen bzw. Anträge ei nzig
i n provokanter I ntention verfolgt, um durch die h ieraus entstehende mediale Fokus­
sierung einen maximalen G rad an Aufmerksamkeit zu generieren. Die jeweiligen
Reaktionen werden anschließend manipulativ aufbereitet, um bei der öffentlichen
Darstellung Empörung über eine angebliche Ungleichbehandlung zu suggerieren. Die
RECHTSEXTREMISMUS
113
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 20 1 3
Arbeit in den Kommunalvertretungen verfolgt daher eher die Absicht zur Führung von
Debatten m it Symbolcharakter und weniger tatsächlicher Sacharbeit vor Ort.
Plakative Aktionen wie die Beantragung einer Ratssondersitzung - von 'pro Köln e.V.'
als "Asylgipfel" bezeichnet - betreffend der U nterbringung von Asylbewerbern und
verknüpft mit der Forderung, diese i n "kostengünstigen Sammelunterkünften, vorzugs­
weise ehemaligen Kasernen, stillgelegten städtischen Einrichtungen oder ähnlichem"
zu konzentrieren, setzen gelegentlich auf eine Eigendynamik und zielen sowohl auf
eine Provokation des politischen Gegners, als auch auf das Sch üren fremdenfeindli­
cher Ressentiments in der Bevölkerung ab.
Obgleich i ntern als "Vorzeigekreisverband" betrachtet und ebenfalls in F raktionsstärke
m it i h rem Vorsitzenden Beisicht im Rat der Stadt Leverkusen vertreten , vermag 'pro
N RW' dort n icht ansatzweise derartige Akzente zu setze n . Begünstigt d u rch die räum­
l iche Nähe zu Köln findet die Kreisverbandsarbeit Kompensation in der Ausrichtu ng
von übergreifenden Veranstaltu ngen , zuletzt dem Parteitag i m September 201 3 .
I n Radevormwald initiierte die dortige Fraktion von 'pro N RW' vorwiegend einige
wenige Symbolanträge h insichtlich des Zuzugs einer Roma-Großfamilie. Der Antrag
auf Einberufung des Rates zum Thema "Maßnahmen zur Befriedung der nachbar­
schaftlichen Situation [ }" wurde unter anderem mit dem Hinweis begründet, "dass
. . .
diese ethnische Minderheit eine gänzlich andere Vorstellung von nachbarschaftlichem
Zusammenleben, von Ordnung und Sauberkeit und von persönlichem Eigentum hat".
Weiterhin wurden die hierd u rch entstehenden "massiven Beeinträchtigungen der
Lebensqualität normaler Anwohner" beklagt.
Öffentlich keitsarbeit
' Pro Köln e.v.' und 'pro N RW' streben als Vertreter des parlamentsorientierten Rechts­
extremismus eine gesellschaftl iche Verankerung d u rch Beteiligung und Einfluss an
gesellschaftl ichen Diskursen a n . So sollen bereits in der allgemeinen Diskussions­
kultur anerkannte Begrifflichkeiten i m Sinne der eigenen Ideologie neu definiert und
in einem laufenden Prozess d u rch die Allgemeinheit adaptiert werden. Beispielswei­
se wird der Begriff "Asylant" i n der konti nu ierlichen Erweiterung um den Zusatzes
"Schein-Asylant" oder "Asyl betrüger" mit der Zielrichtung verwendet, diesen in seiner
u rsprüngl ichen wertneutralen Defin ition zu ersetzen . Damit verbunden ist letztlich
auch die kol lektive Ausgrenzung eines h ierzu gehörenden Personenkreises.
114
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Bislang ist es der pro-Bewegung indes n icht gelungen, dem Anspruch der E rlangung
einer Meinungsführerschaft (kulturelle Hegemonie) d u rch originäre Arbeit i n den Kom­
munalvertretungen oder durch die Organisation von Kundgebungen und I nformations­
ständen gerecht zu werden.
Gelegentlich geli ngt es der pro-Beweg ung E reignisse zu i n itiiere n , die auf Widerhall in
den Medien stoße n . So meldete 'pro Köl n eV' eine Tei lnahme an der Parade anläss­
l ich des Ch ristopher Street Day (CSD) am 7. J u l i 2 0 1 3 in Köln unter anderem mit der
Begründung an, es müsse "in Köln Platz sein für alle friedlichen und rechtschaffenen
Bürger, auch wenn sie z. B. einer sexuellen oder politischen Minderheit angehören".
Man wolle sich "massiv gegen die lebensgefährliche Bedrohung Homosexueller durch
islamische Fanatiker im In- und Ausland richten ". Die Aktion fand, wie beabsichtigt,
ein bundesweites Medienecho; 'pro Köl n eV' zog die Anmeldung dann kurze Zeit
später zurück und erklärte: " Wir haben mit unserer Anmeldung zum diesjährigen CSD
und der anschließenden medialen Debatte darüber politisch viel erreicht. Das Thema
der gewaltbereiten Homophobie in islamistischen Kreisen wurde ein Stück weit entta­
buisiert und öffentlich diskutiert. PRO KÖLN konnte sich als die islamkritische Bewe­
gung [. .} bewähren".
.
Von herausragender Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit ist auch hier die N utzung
von Onli nemedien . Die pro-Bewegung legt großen Wert auf eine ansprechende Ge­
staltung i h rer I nternetpräsenzen. Seit Dezember 201 3 erscheinen die Webseiten aller
Kreisverbände und des Landesverbandes in einem modernisierten und einheitlichen
Layout. Sowohl die Webseiten als auch Facebook-Profile von 'pro Köln eV' und 'pro
N RW' werden fortlaufend aktualisiert. Darüber hinaus wird ein Newsletter angebote n .
Ferner nutzt die pro-Bewegung zuneh mend d a s Videoportal YouTube, um Videos
mit i h ren Veranstaltungen zu verbreite n , und den Kurznachrichtendienst Twitter. Der
Erfolg dieser Form von Öffentlichkeitsarbeit ist ambivalent. Ei nerseits ist die Anza h l
der Unterstützer d e s Facebook-Profi ls von 'pro N RW' von Dezember 20 1 2 bis De­
zember 201 3 von 3 .400 auf über 9.200 gestiegen. I n einer Verlautbarung bezieht
sich 'pro N RW' darauf und skizziert im üblichen übertreibenden Ton die Entwicklung
" weiter zur führenden Internetpartei in Nordrhein-Westfalen, was neben der modernen
Präsentation auch an den ständig steigen Zugriffszahlen ablesbar ist. Ebenso an dem
großen I nteresse für PRO N RW auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken".
Andererseits gelang es der Partei bislang kau m , die virtuellen U nterstützer in die reale
politische Arbeit einzubinden. Jedenfalls blieb das Aktivistenpotenzial im letzten J a h r
nahezu unverändert.
RECHTSEXTREMISMUS
115
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Ausblick
Auch 201 3 konnten 'pro N RW' u nd 'pro Köl n e V ' weder herausragende kommunalpo­
l itische Akzente setzen noch nennenswerte öffentlichkeitsweite Resonanz erzeugen.
Eine Schlüsselfunktion kommt daher wenigen Funktionären und Aktivisten z u , die
mit provokanten P rotestveranstaltungen versuchen, eine mediale Aufmerksamkeit zu
generiere n . I nterne Auseinandersetzungen, persönl iche Querelen und Austritte ste­
hen einem Aufbau und Ausbau funktionsfä h iger Strukturen weiterh i n entgege n . Die
stagnierende M itgliederzahl verhindert größere Aktionsforme n . Mobilisierbar bleibt
led iglich ein geringer, fester Aktivistenstamm. 'Pro N RW' u nd 'pro Köl n e V ' setzt
deswegen die Strategie fort, gesellschaftl iche Konflikte fremdenfeind l ich zuzuspitzen
und möglichst mediengerecht zu inszenieren, ohne an einer konstruktiven Lösung
mitzuarbeite n .
'Pro N RW' fokussiert bereits jetzt alle Aktivitäten a u f die Kommu nal- und Europawahl
am 25. Mai 20 1 4 . Islamfeindlichkeit bleibt dabei weiterh in das zentrale Agitationsfeld
von 'pro Köln e V ' und 'pro N RW'. Bereits am 25. J u n i 201 3 hatte der Vorsitzende
Beisicht h ierzu erklärt: " Unser Eurowahlkampf wird dezidiert islamkritisch sein!". Da­
neben bildet die Fortsetzung der "Anti-Asylkampagne" ein Schwerpunktthema für die
anstehende Kommu nalwa h l in N RW.
Der Versuch eines gemeinsamen Antritts mit weiteren Parteien als "freiheitliche Bewe­
g u ng" unter Führung von 'pro N RW' ist gescheitert; ebenfalls erfolglos blieb die ange­
strebte dauerhafte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, die eine "Wa h l plattform"
zur Europawah l 20 1 4 bein halten sollte. 'Pro N RW' konnte den eigenen Anspruch nicht
ein löse n , auf Augenhöhe m it bei Wah len erfolgreichen fremdenfeindlichen und rechts­
extrem istischen Parteien aus anderen Ländern zu kooperieren. In der strategischen
Planung der "Fraktion der Rechtsparteien i m Europaparlament - European Alliance
for F reedom" (EAF) ist 'pro N RW' ohne Bedeutung. Aufg rund der kaum vorhandenen
bundesweiten Bezüge und als regionale Klein partei sind die Chancen von 'pro N RW'
trotz feh lender Sperrklausel eher gering, ein Mandat zu gewinnen.
G roße Erwartungen setzen 'pro N RW' und 'pro Köln e V ' jedoch in den Kommu nal­
wah lkampf. Regionale Schwerpunkte sind hier neben dem Rheinland das Ruhrgebiet
und das Bergische Land. Vereinzelte Meldungen über eine flächendeckende Beset­
zung von Wahl bezirken täuschen dabei über die vergleichsweise dünne Personalde­
cke auch i n den selbst benannten Hochburgen m it funktionsfä higen Kreisverbänden
h i nweg . 'Pro N RW' spekuliert auf die Bildung weiterer Fraktionen in ein igen Kommu-
116
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
nalvertretungen. Eine tatsächl iche Verankerung in den Kommunen ist h iermit jedoch
nicht verbu nden.
3. 1 .3
Die Rechte
Gründung
Sitz
Vorsitzender
M itglieder
2012
I nternet
Bund
20 1 2
Parch im
Christian Worch
N RW
201 2
Dortmund
Dennis Giemsch
ca . 260
500
Die Partei ist auf allen organisatorischen Ebenen (Bundes­
verband , Landes- und Kreisverbände) i m I nternet vertre­
ten . Ebenso in den sozialen Netzwerken wie zum Beispiel
Facebook und Twitter.
Hi nterg rund und Verfassungsfeindlichkeit
'Die Rechte' - Auffangorganisation für i n NRW verbotene Kameradschaften
Die G ründung des Landesverbandes erfolgte am 1 5. September kurz nach und i n
Reaktion a u f d a s Verbot d e r Kameradschaften Dortmund und H a m m a m 23. August
201 2 . Der Landesverband 'Die Rechte' in Nordrhei n-Westfalen stellt eine Auffangor­
ganisation für ei nen wesentlichen Teil der verbotenen Kameradschaften dar. So setzt
sich die Führung des Landesverbandes aus den Anfü h rern der verbotenen Kame­
radschaften Dortmund u nd Hamm zusammen. Die Kreisverbände in Dortmund und
Hamm sind i n der Führu ngs- und M itgl iederstruktur weitgehend mit dem ' Nationalen
Widerstand Dortmund' (NWDO) u nd der 'Kameradschaft Hamm' identisch.
Fortsetzung neonazistischer Aktivitäten unter dem Schutz des Parteienprivi legs
Ziel der den Landesverband dominierenden ehemal igen Kameradschaftsmitglieder
i n der Partei ist es, i h re bisherigen Aktivitäten u nter dem Schutz des Parteienprivilegs
nach Artikel 2 1 GG ungebrochen fortzusetzen. Diese verbotenen Kameradschaften
bezogen sich ideologisch positiv auf den Nationalsozialismus. Statt Achtung der Men­
schenwürde in einer freiheitlichen Demokratie traten sie für eine homogene Volksge­
meinschaft in einem autoritären Führerstaat ein. Politische Gegner und Fremde be-
RECHTSEXTREMISMUS
117
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 20 1 3
kämpften sie mit Gewalt. Sie versuchten, i n i h ren regionalen Hoch burgen öffentliche
Räume zu dom in iere n , i ndem sie zu den Mitteln der E insch üchterung und Drohung
g riffe n . I n ihren Ä u ßerungen und Aktionen propagierten sie Antisemitismus sowie
Ausländerfeindl ichkeit und Rassismus.
'Die Rechte' richtet sich gegen die freiheitliche demokratische Grundord n u ng
'Die Rechte' dagegen bemüht sich, i h re rechtsextremistische Ideologie zumi ndest
ansatzweise zu verschleiern , um keinen An lass für Verbotsmaßnahmen zu l iefern. I h r
Programm beginnt sie mit einem plakativen Bekenntnis z u r fre i heitlichen demokrati­
schen Grundordnung. Dass das Programm für die 'Die Rechte' n u r eine untergeord­
nete Bedeutu ng besitzt, wird daran deutl ich, dass sie in weiten Teilen ausgerechnet
das frühere Programm der rechtsextremistischen DVU übernimmt, welches 'Die
Rechte' "sprachlich wie i n haltlich modernisiert und ergänzt" 23 habe. Schon das DVU­
acebook
Regl5tneren
Programm bemühte sich , die
wahre Zielsetzung der Partei zu
•
verschleiern, war bewusst vage
Verbinde dich mit den Menschen aus deinem leben und lass sie teilhaben
formuliert und sehr kurz. Glei­
ches gilt für das gegenwärtige
Die Rechte Oortmunds Fotos
Z...ruck
Programm der Partei 'Die Rech­
te' . Allerdings wird die rechts­
extremistische Ideologie in der
Gesamtheit i h rer öffentlichen
Aktivitäten , i h rer Webseites und
Facebook-Profile sowie der
Webseite 'Dortmundecho' deut­
lich. Letztere wird nach eigener
Aussage von einem Mitglied
von 'Die Rechte' betrieben.2'
Zudem ist die Webseite mit der
des Kreisverbandes Dortmund
von 'Die Rechte' wechselseitig
verl inkt und auf der Facebook­
Auszug aus der Facebookseite von 'Oie Rechte' KV Dortmund
23 Webseite 'Oie Rechte'.
24 Webseite 'Dortmundecho ', Das ist Dortmundecho.
118
RECHTSEXTREMISMUS
Seite des Kreisverbandes Dort-
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
mund werden zah l reiche Beiträge von 'Dortmundecho' verl inkt, so dass d ie Beiträge
der Organ isation zugerechnet werden können.
Trotz der rhetorischen Mäßigung finden sich im Programm Hinweise auf i h re Feind­
schaft zur fre iheitlichen demokratischen G rundordnung. So spricht die Partei von
der "eigenen, natürlich gewachsenen Ordnung" eines jeden Volkes und stellt so die
demokratische Gestaltbarkeit einer gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung in
Abrede. Stattdessen knüpft sie an die nationalsozial istische Ideologie an und stellt
Gesellschaft und Staat als Folge biologischer Notwendigkeiten dar.
Insbesondere richtet sich die Partei gegen den tragenden Pfeiler der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung, d ie Achtung der Menschenwürde. Die Menschenver­
achtung d u rch die Partei wird unter anderem in einem Artikel auf der Webseite des
Kreisverbandes Hamm vom 29. Januar 201 3 deutl ich, i n dem es um die Koedukation
von geistig behi nderten Sch ülern m it n icht behinderten Schülern geht. Die behinder­
ten Sch üler werden als "Klassendümmste" herabgewürdigt und die leitende Idee der
I nklusion, niemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen, wird lächerlich
gemacht. Einer solchen Sichtweise l iegt ein im Nationalsozial ismus vertretenes sozi­
aldarwinistisches Gesellschaftsverständnis zugru nde, bei dem das Recht des Stär­
keren g ilt. Ä h n l ich menschenverachtend äu ßert sich der Kreisverband Hamm über
Homosexuelle. Aus Anlass eines Wah lkampfauftrittes eines Politikers von Bündnis
90IDie Grünen i m September 201 3 wird dieser als "ein an Homosexualität erkrankter
Schwulen-Lobbyist" bezeichnet und damit dessen sexuelle Orientierung als Krankheit
herabgewürdigt.
Ü berdies äu ßert sich die Partei dezidiert demokratiefeindlich . Auf der Demonstration
am 20. September 201 3 in Wuppertal einen Tag vor der B undestagswah l skandierten
die Teilnehmer:
"BRD heißt Kapitulation. Ruhm und Ehre der deutschen Nation. "
Rechtsextremisten sprechen von "BRD", wenn sie die rechtsstaatl ich verfasste Demo­
kratie in Deutschland meinen. Diese wird durch den Begriff Kapitulation ausschl ießlich
negativ besetzt. Stattdessen befürworten sie einen demokratielosen deutschen Nati­
onalismus. Statt freiheitlicher Demokratie fordern sie einen völkischen National ismus,
bei dem die ethnische Gemeinschaft überhöht wird und der einzelne Mensch keinen
Wert besitzt. Die Floskel "Ruhm und E h re" ist bei Neonazis beliebt, weil sie einerseits
nicht strafbar ist, andererseits Elemente eines Wah l spruches der H itlerjugend a uf-
RECHTSEXTREMISMUS
119
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
n immt und damit seine Herku nft für I nsider ausreichend kenntlich macht. Eine weitere
demokratiefeindliche Parole auf der Demonstration lautete:
"Polizei und Demokratie, unsere Ketten brecht ihr nie. "
Hier wird Demokratie gemeinsam mit dem durch die Polizei repräsentierten rechts­
staatl ichen Gewaltmonopol als Feindbild besch rieben .
Die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie ist auch das zentrale E lement i n
e i n e r Stellungnahme d e s stellvertretenden Vorsitzenden d e s Kreisverbandes Düssel­
dorf i n einer Nachlese zur Bu ndestagswahl 20 1 3 :
" Gestern fand in der BRD wieder eine der größten Scheinveranstaltungen
und Täuschungen statt, die das Regime vorzuweisen hat. Eine so genann­
te 'freie' Wahl. Wir hatten alle die Freiheit, zu wählen. Wir durften eine rote
demokratische Partei wählen, oder eine schwarze demokratische Partei,
oder eine gelbe demokratische Partei, oder eine grüne demokratische
Partei u.s. w. Was wir allerdings nicht wählen durften, das war eine nicht-
facebook
.","ri....
•
Beispiele aus dem Intemet: Auszug aus
Chronik-Fotos
dem Facebookauftritt und ein YouTube­
Videoprint eines Wahlwerbespots der
WIR HÄNG E N
N ICHT N U R
PLAKATE!
Partei 'Oie Rechte' zur Bundestagswahl
im September 2013
WIR werren uns
Perspek tlvloslgkelt
und den sozioien Niedergong.
1 20
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
demokratische Partei. Eine nationalsozialistische Partei z. 8. konnten wir
auf dem Wahlzettel nicht finden, weil sie verboten ist. So wie jede Partei
verboten wird, die das parlamentarisch demokratische System an sich in
Frage stellt. "
I n dieser Argumentation ist die Demokratie also kein freiheitliches politisches System ,
weil s i e es i h ren rechtsextremistischen Gegnern nicht ermögl icht, die freiheitlich-de­
mokratische G ru ndordnung abzuschaffen und d u rch eine nationalsozialistische Dikta­
tur abzulösen. Die rechtsstaatl iehe Demokratie ist nach Ansicht der Partei 'Die Rechte'
auch n icht geeig net, gesellschaftliche Konflikte angemessen zu lösen und müsse
schon deshalb überwunden werden . Der Kreisverband Hamm schreibt in einem Bei­
trag auf seiner Homepage zur Einwanderung von Sinti und Roma:
"Allerdings bedarf es zur Lösung dieses Problems eines fundamentalen
Wechsels des politischen Systems. "
Die Ablehnung von Menschen rechten und Feindschaft gegenüber der Demokratie
zeigt die Partei weiterh in i n der Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen und
der Befürwortung der nationalsozialistischen Diktatur. So füh rte der Landesverband
NRW zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Solidaritätsbekundungen für ehemalige
Nationalsozial isten d u rch. Beispielsweise stand der NS-Kriegsverbrecher Erich Prieb­
ke im Mittel punkt einer Solidaritätskampagne der Partei.
'Die Rechte' ist fremdenfeindlich
Ein weiteres zentrales Element der Politik der Partei 'Die Rechte' stellt die Fremden­
feindl ichkeit dar. Das Parteiprogramm bringt Migranten überwiegend m it dem Bege­
hen von Straftaten in einen Zusammenhang und schürt dadurch fremdenfeindl iche
Vorurteile. Zudem stellt sie Zuwanderung in einen Kontext zum Asyl missbrauch, um
Migranten pauschal zu diskreditiere n . Sozialleistungen wie Kindergeld, das im Pro­
g ramm vorgeschlagene Müttergeld oder die soziale Sicherung von Arbeitnehmern,
sollen nur Deutschen ausgezahlt werden .
Diese fremdenfeindl ichen Positionen greift der Kreisverband Dortmund in seinem
Kommu nalwa h lprog ramm auf und verschärft sie. Das erste Kapitel ist m it dem Titel
"Kriminal ität und Überfremdung" überschrieben . Es wird unterstellt, dass Migranten
generell kriminell seien. Mit d ieser vermeintlichen Begründung werden sie aus der
Gesellschaft ausgegrenzt. Die Ei nwanderungsentwicklung wird mit Beg riffen wie "Asy-
RECHTSEXTREMISMUS
121
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
lanteninvasion" oder "I nvasion aus Osteuropa" d ramatisiert. Das Verhältnis zwischen
einheimischer Bevölkerung und Migranten wird als Freund-Fei nd-Konstellation darge­
stellt, in der die einheimische Bevölkeru ng d u rch Migranten bedrängt werde:
"Stoppt die weitere Ghettoisierung und schützt die deutsche Restbevölke­
rung in den sozialen Brennpunkten'"
Fremdenfeindlichkeit ist ein wichtiges Mobilisierungselement der Anhängerschaft der
Partei 'Die Rechte'. Dies zeigt sich bei Demonstrationsaufrufe n , in denen sie die Ge­
walttat ei nes Migranten an einem Bürger zu einem Kampf Ausländer gegen I nländer
überhöhen und verzerre n . Bei einer Demonstration am 9. März 20 1 3 i n Soest trug das
erste Banner die Aussagen "Er war ja nur ein Deutscher?'" Hier stellen d ie Rechts­
extremisten tatsächliche Gewalttaten in einen fremdenfeindlichen Kontext, in dem
sie suggeriere n , dass Migranten als Täter vor Gericht bevorzugt behandelt würden
u nd Migranten generell gewalttätig seien . Eine solche Deutung der Ereig nisse nutzen
Rechtsextremisten , um damit Hass gegen diese Bevölkerungsgruppe zu schü re n .
YouTube-Videoprint der Demonstration in Soest a m 9. März 2013
Dass die Thematisierung der Kriminalität von Migranten für die Partei 'Die Rechte' nur
ein Vehikel ist, um i hrer generellen Fremdenfeindlichkeit Ausdruck zu verleihen, zei­
gen mehrere Demonstrationen. Dort rufen die Teilnehmer:
"Kriminelle A usländer raus, kriminelle A usländer raus, kriminelle A usländer
raus, raus, raus und der Rest auch".
1 22
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Es geht der Partei also im Kern n icht darum, Kriminalität zu bekämpfen, sondern Aus­
länder auszugrenzen und i h nen die Wah rnehmung i h re r Rechte abzusprechen. Noch
deutlicher wird dies bei der unter anderem im März 201 3 in Soest skandierten Parole:
"Deutschland den Deutschen, A usländer raus!"
Der Kreisverband Rhein-Erft hat auch Aufkleber und Plakate m it dieser Forderung
herausgebracht. Sie bringen parolenhaft die rechtsextrem istische Forderung nach
einem ethnisch homogenen Deutschland auf den Punkt, in dem Migranten g rundsätz­
lich u nerwünscht sind und keine Rechte in Deutschland besitze n . Von dieser fremden­
feindlichen Ideologie ausgehend stellt 'Die Rechte' Bürger mit Migrationshintergru nd,
die sich für Staat und Gesellschaft engagiere n , in einer verächtlichen Art und Weise
dar. Bezügl ich deutscher Polizisten mit türkischem Migrationshi ntergrund schreibt der
Kreisverband Wupperta l :
" Wenn Dich ein Türke in einer deutschen Polizeiuniform im Straßenver­
kehr anhält und dich kontrolliert, weißt du spätestens dann, daß die Gene­
ration deiner Eltern etwas grundlegendes versäumt, bzw. nicht gehandelt
hatte. Was auf den ersten Blick lustig aussieht und eigentlich auch nicht
wirklich ernstgenommen werden kann, wird leider täglich realer und immer
mehr zur traurigen Wirklichkeit. "
Der Kreisverband Rhein-Erft-Kreis macht in einer Selbstbesch reibung deutl ich , dass
er für einen ethn ischen Nationalismus ei ntritt. M it der Forderung nach ethnischer
Homogenität verbindet die Partei fremdenfeindliche Positionen, wonach Migration
unweigerlich negative Folgen habe. Dies zielt darauf, Migranten zu dämonisieren und
die Bevölkerung gegen sie aufzustacheln.
" Unserer Partei geht es darum Deutschland als Land der Deutschen und
als souveränen Nationalstaat zu erhalten. Sowohl ein multikulturelles
Deutschland, als auch ein europäischer Staat, der Deutschland ablösen
soll, sind reine ideologische Wunsch vorstellungen, die in der Realität zu
Chaos, allgemeiner Verarmung und der Vernichtung der europäischen
Kulturen führen würden. "
RECHTSEXTREMISMUS
1 23
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
'Die Rechte' ist rassistisch.
'Die Rechte' propagiert offen Rassismus.
Dies zeigt sich exemplarisch auf dem
Facebook-Profil des Kreisverbandes Hamm.
Dort wird ein Wahlplakat der SPD gezeigt,
auf dem eine M utter mit i h rem farbigen Kind
Eine alleinen:iehende Mutter, die ihr Mu�tten'Kind i n die Kita glbt, damit sie
vollzdt arbetten gehen klInn - so sieht das FamIlienbild der SPD aus. Unseres
ist es nicht!
Unsere zuku� FlImiliel1poHtlk heißt U.lI.:
- anführung. . .
Mehr a�
abgebildet ist. In dem Kommentar spricht
der Kreisverband verächtlich von einem
"Mulatten-Kind". I m weiteren Text heißt es:
"So sieht das Familienbild der SPD
aus. Unseres ist es nicht! [ . . . ] Kinder­
geld nur für deutsche Kinder!"
Dem Kind wird aufgrund seiner Hautfarbe
abgesprochen, Deutscher sein zu können.
Eine solche Argumentation beruht auf einer
Kommentar zum SPD-Wahlplakat im Face­
biologisch-rassistischen Ideologie. Rassis­
book-Profil der Partei 'Die Rechte ' Kreisver­
mus spielt bei der Partei 'Die Rechte' eine
band Hamm
wichtige Rolle. Bei Demonstrationen skandierten die Teilnehmer Parolen, in denen
sie eine vermeintliche Rasse über eine andere stellen und dafür den Einsatz jegl icher
Mittel rechtfertigen.
" Wir sind weiß, wir sind rot, für die Rasse in den Tod. "
Den Rassismus vertreten sie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zudem in
Verbindung mit einem völ kischen National ismus. So lautet eine weitere auf mehre ren
Demonstrationen gerufene Parole:
"Alles für Volk, Rasse und Nation".
'Die Rechte' ist islamfeindlich
Auch die m ittlerweile im Rechtsextremismus weit verbreitete islamfeindliche Kampag­
ne greift 'Die Rechte' auf. I m Parteiprogramm positioniert sie sich eindeutig:
1 24
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
" Wir lehnen die Einführung des Islamunterrichts an deutschen Schulen
strikt ab, da dieser nicht im Einklang mit den abendländischen Werten
unserer Kultur steht".
H ie r zeichnet die Partei ein negatives Bild vom Islam und stel lt unterschwellig das
Recht auf Religionsfreiheit für Muslime i n Frage.
Der Kreisverband Hamm berichtet am 16. Oktober 20 1 3 auf seiner Homepage über
eine Studie zum Islam in mehreren N RW-Städten . Der Autor verdeutlicht darin einen
völkischen Nationalismus. Denn nach seinem Verständnis könne ein Muslim kein
Deutscher sein, da er Deutschsein n icht über die Staatsangehörigkeit, sondern über
die ethn ische Abstammung defi niert. Zudem stellt er Deutsche als Opfer dar, die von
Muslimen bedrängt würden . Eine solche Opfer-Täter-Zuschreibung fördert und ver­
stärkt fremdenfeindl iche Vorurteile gegen Muslime.
" Um sich auf den Bevölkerungsaustausch zugunsten der islamischen Ein­
wanderer vorzubereiten, wird zurzeit in Hamm, Ahlen, Lünen und Münster
eine Umfrage mit dem Titel 'Islam 2030 - Zukunft gemeinsam gestalten'
durchgeführt. Mit der demographischen Entwicklung im Blick wird in der
Umfrage gar nicht mehr von 'deutscher' und 'islamischer' Bevölkerung
gesprochen, sondern nur noch von 'muslimischer' und 'n ichtmuslimischer'.
Damit sollen die Deutschen offensichtlich darauf vorbereitet werden, daß
sie sich zukünftig im eigenen Land gar nicht mehr als Deutsche fühlen
sollen, sondern nur noch als 'Nichtmoslems' - oder, um in der Sprache der
Moslems zu sprechen, als 'Ungläubige'. "
Beispielhaft für diese Islamfeindlichkeit sind auch Werbemittel des Kreisverbandes
Rhein-Erft. I n d iesen werden Minarette gleichsetzt mit I slamismus und Kulturzerfall
und damit der I slam sowie die M uslime pauschal herabsetzt. Der diffamierenden Dar­
stellung von Muslimen sch ließt sich der Kreisverband Wuppertal in e i nem Artikel vom
8. J u l i 20 1 3 auf seiner Webseite a n . Der Autor stellt M uslime pauschal als gewalttä­
tige Kriminelle dar und beruft sich dabei auf rassistische Zerrbilder, wonach Muslime
n iemals Teil der deutschen Gesellschaft sein kön nen, sondern dieser stets feindlich
gegenüber stehen.
"Denn mittlerweile wirbt die deutsche Polizei massiv um muslimische
Bewerber. Begründung: Man hofft dadurch, daß ein muslimischer Polizist
ein bißchen besser auf seine Lands- bzw. Rassebrüder einwirken kann,
RECHTSEXTREMISMUS
1 25
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
wenn diese mal wieder dabei sind ein ehemaliges deutsches Stadtviertel
in Schutt und Asche zu legen. Mit anderen Worten: Man hat schon längst
vor ein paar Gemüseverkäufern kapituliert. Man traut sich nicht mehr in die
eigenen Gebiete rein und überläßt somit gleich vollständig das komplette
Viertel den Landräubern, und zwar inklusive Verwaltung und Sicherheits­
behörden. "
'Die Rechte' hetzt gegen Asyl bewerber
Auch die Ä ußerungen der Partei zu Asylbewerbern sind von Fremdenfeindl ichkeit
geprägt. Der Kreisverband Dortmund fordert auf seinem Facebook-Profil am 27. Ja­
nuar 2 0 1 3 beispielsweise "Asylheime dichtmachen". Diese Forderung zielt letztendl ich
darauf ab, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffe n . In versch iedenen Beiträgen d rama­
tisiert die Partei den Anstieg a n Asylbewerbern als "Asylbewerberflut" und unterstellt
Asylbewerbern d u rchweg ein negatives Verhalte n . Insbesondere der Kreisverband
Dortmund widmet dieser Abwertung von Asylbewerbern meh rere Artikel auf seiner
Webseite.
Zudem behauptet der Kreisverband, dass Asylbewerber i m Vergleich zur einheimi­
schen Bevölkerung bevorzugt behandelt würden. I nsbesondere stellt er sie als Sün­
denbock für ein vermeintlich mangelndes Angebot a n günstigem Woh n raum dar. M it
solchen Ä u ßerungen schürt die Partei Sozialneid und versucht Asylbewerber auszu­
g renze n .
' D i e Rechte' ist antiziganistisch
Die Partei verunglimpft Sinti und Roma . I n den meisten Veröffentlichungen verwendet
sie deshalb in abfäl liger Weise den Begriff "Zigeuner". Der Kreisverband Dortmund
ruft auf seinem Facebook-Profil am 29. März 20 1 3 zu einer fremdenfeindlichen Ver­
anstaltung auf und kommentiert d ies mit einem Slogan, den auch 'pro N RW' und die
NPD für i h re antizigan istischen Kampagnen verwenden.
"Morgen raus auf die Straße - lieber Geld für die Oma, statt für Sinti und
Roma. "
Hier kontrastiert der Kreisverband zwei vermeintliche Gruppen und unterstel lt dabe i ,
dass Sozialleistungen für Sinti u nd Roma m i t d e n Leistungen f ü r Rentnerinnen u n d
1 26
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Rentner zusammenhängen. Dass d ie Mehrzahl der aus EU-Staaten zugewanderten
Sinti und Roma keine Sozial leistungen erhält und dass auch aus der Gruppe der
Sinti und Roma Rentnerinnen stammen, unterschlägt die verzerrende Darstellung der
Parte i .
E i n e ähnlich fremdenfeindl ich motivierte Gegenüberstellung stammt vom Kreisver­
band Hamm auf seiner Webseite am 23. September 20 1 3 . Ein Gerichtsurte i l , laut dem
Migranten unter bestimmten U mständen Anspruch auf Hartz IV haben, stellt der Autor
so dar, als ob Sinti und Roma bevorzugt behandelt würden und al lesamt die Deut­
schen ledigl ich ausnutzen wollte n . Damit wird d iese Bevölkerungsgruppe pauschal
diffamiert.
" Geld, für das ein deutscher Facharbeiter hart arbeiten muß - für Zigeuner
von der BRD frei Haus geliefert!"
'Die Rechte' ist geschichtsrevisionistisch
Die Auseinandersetzung mit den nationalso­
zial istischen Verbrechen wird im Programm
als "den Deutschen vielfach zugemutete
einseitige Vergangenheitsbewältigung"
Aufruf
besch rieben. Die m it dieser Art der Vergan­
_a.N.o>945�d;o.o..n..m.. w�
�o;,.w.s.., � __ d;.�
SaId.Da�.ado;,, _____ Sdoi<l.t.U. �
genheitsbewältigung zugewiesene Kollektiv­
I..ft � .a...b .- ..,...
.,Dm�_�Jn�SJdau"AI
SaId:oo- •
.t .....
sch uld führe laut Programm dazu, die i nter­
"._•."u-J,,,,,,,......Lu/< y,mJ...... dn-Grgnrr &
"""- ..... ......
nationale Gleichberechtigung Deutschlands
...-..fUd. ... mit ..... ��in .."-'.
zu beei nträchtigen . Die Auseinandersetzung
mit dem Nationalsozialismus wird als M ittel
fremder Mächte zur Schwächung Deutsch­
lands dargestellt - m ithin findet durch 'Die
Rechte' eine U mkehr von Tätern und Op­
fern statt. Ebenfalls relativiert 'Die Rechte'
die Verbrechen, indem sie n u r allgemein
nationalsozial istisches U n recht bedauert
und im nächsten Satz daran eri nnert, "dass
-
... ""'cInudw.
......J... doo m.... �loaIfI
_....-�n..- m_
� __uo. o..- u..-u... ...._____
�I.cIo..;.,�d... � cIn
-+>�_J.u.po�...... oidr.__
\·�Ilaoi>..,.ju-.-.J._�IIiod.�d;...,rP ..... .. "DD..;,a......�iM.n.H ....
Bidcln��_....n....
... _-�........-_ � ...... ,.. ��
s.,w.." mboltion. ll_�...
� ...... �-n­
;"M�''loIy.tt> f...c _ Ni!lio.<fio..� .. bI>ln� 1-OO<>.00<>
�· s;..--....-. .-...... � ... ""'"m..:Io.o door ___ JHr..Oor.
101« 1)
-""
-'"
- .,
_� (Ilt
- ...
....... ...
\�r.;J
u-1rf6.o� ..._dno.u-....l-"l-�\odiPidI ...... dor---..
_o.t- __
· � ..... -'
.. .;.d:od.�
__�r.,.j�
v-14ilhunM�dir......, -. Ju-�for.;."SJ,.4, __Hm-__
...... ..... l·m.w. """' ... MM.,;a"<fJ,."'"""" JW o"Irr .- ,,m.h�
&Jjr -.lo Dt.. &�"" ",...,.".,. _d.tK<oItrIwir ",..üJ.J...""-,, Dron.
y...... doTU."""�for&z.Jc-J<�\OIln�u.....im_ Prn,
Jit-,.odJJ.y,,"-� .... �.A>rl.. _ &�� ..mI""'�jW
..... -..��
O"-..... ...... Dw_.:u.."--'-_j'-"� .,...,>rip, tI4 ".",
lApr......u �-...-.. '"'""'"' '""''
schwere Kriegsverbrechen auch von den
Internetauftritt zurm Trauermarsch in Remagen am
Siegermächten begangen wurden". Dies
23. November 2013
dient daz u , die systematischen Massen-
RECHTSEXTREMISMUS
1 27
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
vern ichtungen in Konzentrationslagern mit vermeintlichen Kriegsverbrechen anderer
Staaten auf eine Stufe zu stellen. Nachdem der Landesverband und die Kreisverbän­
de N RW 'Die Rechte' bereits im November 201 2 den sogenannten "Trauermarsch
Remagen" domin ierten , beteil igten sie sich 201 3 abermals in führender Rolle dara n .
Die Veranstalter wollten damit a n d i e deutschen Soldaten im Kriegsgefangenenlager
Remagen erinnern, "die Opfer eines gezielt betriebenen Massenmordes wurden '�S.
Mit dieser Formul ierung versuchten sie, den planmäßigen Massenmord d u rch die Na­
tionalsozial isten i n den Konzentrationslagern m it den Toten in den alliierten Kriegsge­
fangenenlagern gleichzusetzen und nationalsozialistische Verbrechen zu relativiere n .
' D i e Rechte' stellt s i c h i n die Tradition des Nationalsozial ismus
Neben der Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus wird auch positiv
auf das NS-Reg ime Bezug genommen . Der Kreisverband Dortmund fordert i n seinem
Kommu nalwa h lprogramm "Volksgemeinschaft statt Ellbogengesellschaft". Mit dem
Beg riff der Vol ksgemeinschaft knüpft er an die gesellschaftspol itische Ideologie im
D ritten Reich an, die eine ethnisch und politisch homogene Gemeinschaft befürwor­
tete, in der d ie Rechte des E i nzelnen nichts galte n . Diejen igen , die den willkürl ichen
Kriterien der Zugehörigkeit nicht genügte n , grenzte das nationalsozialistische Regime
aus und sprach ihnen die Menschenwürde ab, womit es deren Diskriminierung, Ver­
folgung u nd Vernichtung legitimierte.
E i n positiver Bezug auf den Nationalsozialismus zeigt sich ferner bei Demonstrationen
der Partei 'Die Rechte'. Eine typische Parole, wie sie die Teilnehmer beispielsweise
auf einer Demonstration in Wuppertal am 20. September 201 3 in Wuppertal riefen,
lautet: "Deutschland erwache." Dies war ein verbreiteter Schlachtruf im Nationalsozia­
l ismus und entstammte dem sogenannten Stu rml ied der SA. Eine weitere Parole, die
ein "Vorsänger" und d ie Teilnehmer i m Wechsel skand ierte n , war:
" Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten, wer macht damit Schluss, natio­
naler Sozialismus, nationaler Sozialismus, jetzt".
Im weiteren Verlauf der Demonstration in Wuppertal stimmte ein Teil der Teilnehmer
das Lied "Ein j unges Volk steht auf" a n . Dabei handelt es sich um das Eröffnu ngslied
des offiziellen Liederbuches der H itlerjugend und eines der am meisten gesungenen
Lieder i m Nationalsozialismus. I n dem Lied wird der "Heldentod" gepriesen und die
25
1 28
Webseite 'Trauermarsch Remagen'
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Volksgemeinschaft beschworen. Dass Text und Melodie des Liedes bei vielen De­
monstrationstei lnehmern bekannt war und sie m itsangen, weist darauf h i n , dass die
Partei den Nationalsozialismus befürwortet und sich in dessen Tradition stellt.
Auf der Wah l kampfveranstaltung des Kreisverbandes Aachen am 1 5. September
201 3 h ielt der ehemalige Anführer der verbotenen 'Kameradschaft Aachener Land'
eine Rede. In d ieser empfahl er den Zuhörern für d ie anstehende Bu ndestagswahl
folgendes Verhalte n :
" Überlegen Sie sich ganz genau, was sie wählen. Schreiben Sie drauf:
'Seit 8. Mai 1 945 alles Scheiße' oder wählen Sie 'Die Rechte '. "
Damit macht der Redner deutlich , dass er die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
der frei heitlichen demokratischen G ru ndordnung der Bu ndesrepublik vorzieht.
Für den verurteilten NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke führte die Partei eine So­
lidaritätskampagne durch . In ihrem Wahlwerbespot zur Bu ndestagswa h l , auf den
Facebook-Profilen mehrerer Kreisverbände u nd m it einem Motto-T-Shirt beim Auftritt
vor dem Bundeswah lausschuss forderte sie "Frei heit für Erich Priebke". Die Partei
stellte den unter Hausarrest stehenden Priebke, der bis zu seinem Tod im Oktober
20 1 3 keine Reue zeigte, als leuchtendes Vorbild dar. So schrieb der Kreisverband
Wuppertal am 30. Juli 20 1 3 auf seiner Webseite über Priebke folgende antisemitisch
gespickte Hommage:
" Wenn man als deutscher Nationalist gezwungermaßen im A usland lebt,
dort seinen Geburtstag feiert und als 'Geschenk' eine Horde protestieren­
der Juden und Gutmenschen vor der Tür stehen hat, dann hat man eigent­
lich alles richtig gemacht im Leben. Denn welche andere Persönlichkeit
des öffentlichen Lebens kann das schon von sich behaupten ? Richtig,
keiner. Somit ist das antideutsche, jüdische Geplärre zu Erich 's 1 00. Ge­
burtstag eigentlich schon so etwas wie eine A uszeichnung. "
Der Kreisverband Hamm fü hrte am 30. November 201 3 eine Veranstaltung mit einem
früheren M itglied der Waffen-SS durch. I n dem Bericht des Kreisverbandes auf seiner
Webseite heißt es:
"Der Redner erwähnte nachdrücklich, daß er seinen Eid, den er als Soldat
geschworen hat, bis heute nicht gebrochen hat, was vom Publikum mit
RECHTSEXTREMISMUS
1 29
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
lebhaftem Applaus und stehenden Ovationen nach Beendigung seines
Vortrages beantwortet wurde".
9O� " _ "' __ �1OQ "" ' _ " 'OOO<_'
_____
l _
� ....
"'*' _ _ GooIn...
.- .., ... .... ..
....
..
......
.
,,
..
,..... �"' !IIUI. 'OO �....,...- K_ ..
__ __- _ "'''''' _ '''' .__ r-.
_ �_
(RO. ........,.
,_ __ _ __ · _ , ..,MII _ ___
...
----_.
�
... ___
,
>
- -
Homepage 'Die Rechte' Kreisverband Hamm vom 30. Juni 201 3 mit einer Hommage an Erich
Priebke
Die Eidesformel der SS, auf die der Redner sich bezieht, lautete:
"Ich schwäre Dir, Adolf Hit/er, als Führer und Kanzler des Deutschen Rei­
ches, Treue und Tapferkeit. Ich gelobe Dir und den von Dir bestimmten
Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod! So wahr mir Gott helfe!"
Der Red ner stel lt sich damit als u ngebrochener Nationalsozialist dar, der weiterh in
treu zu Adolf H itler steht. Diese Haltung stieß bei den Teilnehmern auf ungeteilte
Zustimmung.
Die Partei knüpft symbolisch an den Nationalsozial ismus an. Auf der Demonstration am 3 1 . August in Dortmund trugen Teilnehmer ein Plakat m it dem Slogan ,,25
P U N KTE G E G E N E U RE VERBOTE". Illustriert war das Plakat mit 25 P unkte n . Diese
auf den ersten Blick Nonsens-Forderung ist eine Remin iszenz a n das 25-Punkte­
Programm der NSDAP. Zur Kommu nalwahl 201 4 stellte der Dortmunder Kreisverband
1 30
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
ein Programm auf, das mit ,,25 Forderungen zur Dortmu nder Kommunalwahl 2 0 1 4"
überschrieben ist.
Auf einer Solidaritätskundgebung am 8 . November 20 1 3 i n Dortmund für die grie­
chische rechtsextremistische Partei "Griechische Morgenröte" beendete ein Redner
seinen Beitrag mit einem Zitat, welches von einem "großen Staatsmann" stamme.
Dabei handelt es sich um ein Zitat aus H itlers "Mein Kampf".
Die vorgenannten Beispiele machen deutlich, dass sich die Partei in der Kontin uität
des Nationalsozialismus sieht.
'Die Rechte' ist antisemitisch
Der Onlineversandhandel 'Antisem Versand', den der stellvertretende Vorsitzende des
Landesverbandes N RW betreibt, bringt über seine Webadresse "antisem. it" die anti­
semitische E instellung provokativ zum Ausdruck. Zudem stellt das auf der Webseite
verkündete Motto "antisem.it hat es nie gegeben" eine zyn ische Persiflage auf die
strafrechtl ich verbotene Leug nung des Holocausts dar. Bei dem Versand kann man
unter anderem einen Aufkleber mit der Ü berschrift "Israel war gestern" bestellen. Die
postalische Adresse des Versandes ist m it der Adresse des Kreisverbandes Dortmund
identisch. Dass diese Webseite mit der eindrücklichen antisemitischen Positionierung
vom Betreiber von den M itgliedern der Partei so u nterstützt wird , sieht man daran,
dass sie ihn auf den d ritten Platz der Landesliste für die Bundestagswahl 20 1 3 wähl­
ten und e r u n angefochten i m Landesvorstand der Partei sitzt.
Der Kreisverband Hamm veröffentlicht einen Schmähbeitrag a nlässlich einer Gedenk­
veranstaltung zur Reichspogromnacht. In dem Artikel behauptet der Autor, die Aus­
schreitungen u nd Morde an J uden würden selektiv dargestellt, da a ngebliche Boykot­
taufrufe und Morde von J uden nicht erwähnt würden . Er stellt J uden damit als Täter
und die Ü bergriffe auf J uden als eine Reaktion dar. Damit macht er sich die damalige
nationalsozialistische Propaganda zu eigen .
Im Kommentar zur B undestagswah l 20 1 3 verbreitet der Kreisverband Düsseldorf am
23. September 201 3 auf seiner Webseite die antisemitische Legende von der jüdi­
schen Weltverschwöru ng, die nur dem Reichtum der J uden verpflichtet sei:
"Demokratie bedeutet immer die Herrschaft und Tyrannei einer kleinen
weltweit verzweigten Gruppe von Super-Kapitalisten, welche über un­
erschöpfliche Geldmittel verfügen. Genauere öffentliche Betrachtungen
RECHTSEXTREMISMUS
1 31
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
über die ethnischen Hintergründe dieser Gruppe würden in der freien BRD
übrigens zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. "
Es ist bei Rechtsextremisten üblich, dass sie die G ru ppe der J uden namentlich nicht
nennen. Auch mit der Leugnung des Holocausts verschafft sich die Partei Öffentlich­
keit. Der Kreisverband Rhein-Erft dokumentiert den Brief einer verurteilten Holocaust­
Leugnerin auf seiner Webseite am 29. August 20 1 3. Darin leug net die Autorin die
E rmordung von Mill ionen in Auschwitz.
"Der Zentralrat macht sich unglaubwürdig, wenn er weiter auf den beiden
großen Lügen beharrt. [ . . . ] In Auschwitz seien mehrere Millionen Juden
vergast, von den Deutschen. Oie Beweise sprechen dagegen. Der Zentral­
rat hat nichts widerlegt, aber er glaubt weiter. "
'Die Rechte' ist aggressiv-kämpferisch
Der Landesverband N RW wird von mil itanten Neonazis dominiert, die in den ver­
gangenen Jahren durch zahlreiche Gewalttaten auffielen. Dies war auch einer der
Gründe, die zum Verbot von vier Kameradschaften i n N RW führte n . M it den Kame­
radschaftsverboten sind Gewaltstraftaten der betreffenden neonazistischen Szene
zurückgegange n . Trotz dieser taktischen Anpassung zeigt die Partei in zahlreichen
Stellungnahmen und Aktionen ihre aggressiv-kämpferische Haltung. Diese Haltung
des Landesverbandes N RW gründet auf einem F reund-Feind-Denken. Danach sind
politische Gegner immer auch Feinde, bei denen man alle zur Verfügung stehenden
M ittel zur Bekämpfung einzusetzen habe. Hier schlägt die antidemokratische Ideolo­
gie i n u n m ittelbares, auch gewaltsames Handeln um, mit dem die Partei Angst beim
politischen Gegner verbreiten und damit in letzter Konsequenz einen demokratischen
Diskurs unterbinden möchte. Zu diesen politischen Gegnern zählen sowohl Politiker
und Bürger, die sich kritisch mit der Partei 'Die Rechte' beschäftigen, als auch Beam­
te, d ie im Sinne der weh rhaften Demokratie repressive Maßnahmen gegen Neonazis
vera nlassen. Nur um eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden, beschränken die
Parteim itglieder sich überwiegend auf legale Aktionen . Trotzdem versucht die Partei
'Die Rechte', die von ihnen a usgemachten Feinde der Partei einzuschüchtern. Dabei
formul ieren die Parteiaktivisten d ie Bedrohu ngen subtil , so dass die Aussagen einen
I nterpretationsspielraum lassen . Deshalb sind sie strafrechtlich n icht zu fassen , h i nter­
lassen bei den Adressierten dennoch oftmals die beabsichtige Wirku ng.
1 32
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Vor a l lem der Kreisverband Dortmund setzt in d iesem Zusammenhang auf das Mittel
der Belästigung. Personen des öffentlichen Lebens, die sich kritisch über die Partei
äußern oder als Staatsbed ienstete gegen sie Maßnahmen d u rchfü hren , werden in
i h rem persönlichen Lebensumfeld belästigt. So hat der Kreisverband Dortmund am
23. Dezember 20 1 2 Kundgebungen veranstaltet, die vor den privaten Wohnu ngen
des Dortmu nder Oberbürgermeisters, des Landesarbeits- und Sozial ministers und der
stellvertretenden Fraktionschefin der G rünen im Düsseldorfer Landtag stattfanden.
Diese Verletzung der Privatsphäre diente n icht dazu, ein politisches Anl iegen öffent­
l ich zu machen , sondern die betroffenen Politiker mitsamt i h rer Familie einzuschüch­
tern . 'Die Rechte' begreift d iese Aktion als Erfolg und wiederholte sie 201 3 . Zum
Auftakt stellte sie i n d iesem Jahr i n einem Artikel der Webseite 'Dortmundecho.org'
steckbriefartig zeh n Dortmunder Politiker bzw. zivilgesellschaftlich engagierte Bürger
vor, die sich für eine demokratische Stadtkultur einsetze n . Aus d ieser Liste konnten
die Besucher der Webseite auswählen, welche Personen in der Nähe i h rer privaten
Wohnung d u rch eine Demonstration der Partei in der Vorweih nachtszeit bedrängt
werden sollte n .
Relativ kontin u ierlich versucht der Kreisverband
bei öffentlichen Veranstaltungen des Dortmunder
Oberbürgermeisters und des Dortmunder Polizei­
präsidenten Präsenz zu zeigen. Anlässl ich des
Polizeifestes am 1 3 . J u l i in Dortmund veranstal­
tete der Kreisverband eine Demonstration unter
:.--- --_._-�
dem Motto "Keine Feier ohne uns" und rief dazu
auf, nach einer Kundgebung der Partei das Poli­
zeifest zu besuchen und den Polizisten kritische
Auszug aus dem Facebook-Profil der Partei
Fragen zu stellen. Zu einer Veranstaltung mit
'Oie Rechte' mit dem Aufruf zur Demonstra­
dem Oberbürgermeister mobilisierte der Kreis­
tion gegen den NRW-Polizeitag in Dortmund
verband am 26. November 201 3 seine Anhänger
und dem entsprechenden Plakat auf der
mittels eines Artikels auf ' Dortmu ndecho'.
Internetseite von 'Dortmundecho.org'
" Wie es sich für eine politisch korrekte Veranstaltung handelt, sind von
dem vermeintlichen Bürgerdialog Andersdenkende bereits durch eine Aus­
schlussankündigung im Votield ausgeladen: Damit soll offenbar verhindert
werden, dass insbesondere Nationalisten die Kritik an Übetiremdung und
A usbeutung des Stadtteils formulieren könnten - denn auf kritische Argu­
mente reagieren die Verantwortlichen für den Niedergang unserer Heimat­
stadt Dortmund bekanntlich allergisch.
RECHTSEXTREMISMUS
1 33
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Gerade diese A usladung sollte jedoch ein Ansporn sein, zivilgekleidet
seinen Platz in den Reihen des 'Dialoges ' zu finden und die SPD-Partei­
bonzen durch kritische Nachfragen als das zu entlarven, was sie sind: [ . . . ] "
Neben dem Versuch , i m Sinn einer Wortergreifu ngsstrateg ie ein Forum für fremden­
feindliche und rassistische Parolen zu fi nden, werden der Oberbürgermeister und der
Polizeipräsident als "Vertreter des feindlichen Systems" auch persön l ich bedrängt.
Beispielsweise künd igte der Dortmu nder Polizeipräsident eine Stadtrundfahrt an, bei
der er mit dem Fah rrad u nterschiedl iche Stadtteile Dortmu nds besuchte. Dies nahmen
Mitg l ieder der Partei zum Anlass, ihn a n verschiedenen Stellen mit Spruchbändern
und Parolen zu empfangen. I nsbesondere demonstrierten sie gegen staatliche Maß­
nahmen zur Verh inderung neonazistischer Aktivitäten. In einem Artikel vom 2 1 . August
201 3 auf 'Dortmundecho' beschreibt der Autor, wie Rechtsextremisten den Polizei­
präsidenten in einem Dortmu nder Stadtteil abpassten. Als dieser sich i n einem Lokal
einfand, haben sich die beteil igten Aktivisten ebenfalls in d ieses Lokal begeben
"um der illustren Runde zu signalisieren, dass [ . . . ] überall, wo er öffentlich
auftreten will, Proteste zu erwarten hat. "
Den Artikel illustrierte der Autor mit einem Foto des Polizeipräsidenten und seiner
Begleiter.
Nachdem der Staatsschutz Dortmund meh rfach gegen Neonazis in Dortmund ein­
sch ritt, fü hrte der Kreisverband eine Kampagne gegen den Staatsschutzleiter d u rch,
bei dem sie dessen Absetzung mit Namen u nd Bild auf Plakaten, Flyern , Demonstra­
tionsbannern etc. im Stadtgebiet forderten . Im Vorfeld der Bu ndestagswahl hängten
sie entsprechende Plakate als vermeintliche Wahlplakate vor allem i n Sichtweite des
Polizeipräsidiums Dortmund auf, um Stärke zu demonstrieren und gleichzeitig d u rch
die Personalisierung des Protests den Staatsschutzleiter sowie seine Mitarbeiter ein­
zuschüchtern. Ä hnlich erging es der Rechtsdezernentin der Stadt Dortmund, als sie ein
vom Kreisverband geplantes Rechtsrockkonzert in einer Halle aus baurechtlichen Grün­
den untersagte. U mgehend veröffentlichte ' Dortmundecho' am 1 7. November 201 3
einen Artikel, der m it einer indirekten D rohung endete:
"Die Namen der Verantwortlichen sind vielseitig, aber sie alle haben eins
gemeinsam: Beim Nachhilfeunterricht über Grundrechte und behördliche
Neutralität wird niemand vergessen. Wie dieser Unterricht aussehen kann,
1 34
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
hat sich in der Vergangenheit gezeigt und dürfte in Zukunft ebenfalls an­
schaulich vorgeführt werden!"
Eine besonders u nverhohlene Art der E inschüchterung zeigt ein auf 'Dortmundecho'
und dem Videoportal YouTube veröffentlichtes Video vom 27. August 20 1 3. An diesem
Tag wollte die 'Marxistisch-Leni nistische Partei Deutschlands' (MLPD) im Rahmen des
Bundestagswahlkampfes in einem Dortmu nder Stadttei l , in dem mehrere Aktivisten
der Partei 'Die Rechte' wohnen, für Wählerstimmen werben. 'Die Rechte' mobilisierte
umgehend u ngefä h r zehn Anhänger, die den MLPD-Vertreter dicht umringten und
mit höhn ischem Beifa l l sowie Sprechchören begleitete n . Das führte dazu, dass der
M LPD-Vertreter den Auftritt abrechen musste. Der kurzfristig anberaumte Aufmarsch
der Partei mitglieder ist als Machtdemonstration zu verstehen. Er zeigt, dass die An­
hängerschaft in Dortmund öffentliche Räume dominieren und für politische Gegner
Angsträume schaffen möchte.
Auf der Webseite des B u ndesverbandes gibt es einen sogenannten "Links-Melder".
Nach den dortigen E rläuterungen habe das Online-Formular angeblich folgende
Fu nktion : "Der Links-Melder ist eine zentrale Meldestelle, an die sich gewendet wer­
den sol l , wenn strafbare, lin ksextremistische I n halte im Netz entdeckt werden". Der
legalistische Anstrich des "Links-Melders" erscheint i n e i nem anderen Licht, wenn
man bedenkt, dass ein wesentlicher Teil der M itgl ieder von 'Die Rechte', i nsbesondere
der Landesverband N RW, aus militanten Neonazikameradschaften stammt, die einen
Aktionsschwerpunkt i n der Verfolgung, Bedrohung und Bekämpfung i h rer politischen
Gegner sehen. Vor diesem H i ntergrund ist der "Links-Melder" als Mittel der sogenann­
ten Anti-Antifa-Arbeit zu betrachte n , mit der linke Strukturen und Personen ausge­
forscht werden sollen, u m diese I nformationen zu i h rer Bekämpfung zu nutze n . Das
bedeutet Bedrohung von Personen bis hin zum Versuch der Vertreibung aus von den
Neonazis für sich reklamierten Stadtteilen.
Einer verg le ichbaren Strategie folgt die Veröffentlichung eines Briefes von Worch auf
der Webseite der Bundespartei am 1 1 . Oktober 20 1 3 . E r richtet diesen Brief a n einen
Politikwissenschaftler, der sich in einem Interview kritisch über die Partei 'Die Rechte'
geäußert habe. Der Parteivorsitzende kommentiert darin das Interview. Den letzten
Abschn itt beginnt er mit einer verbrämten D rohung:
" Sie sollten künftig mit der Wiedergabe falscher Behauptungen ein wenig
vorsichtiger sein. Daß ich mich als Freund der Wissenschaften ausgewie­
sen habe, bedeutet noch lange nicht, dass ich auch Freund aller Wissen-
RECHTSEXTREMISMUS
1 35
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
schaftier bin. Da gibt es einige, denen gegenüber ich weniger freundlich
gesinnt bin; in einzelnen Fällen richtig unfreundlich. "
Danach relativiert er die Aussage, in dem er auf e i nen vermeintlich verlorenen
Rechtsstreit des Wissenschaftlers verweist. Bemerkenswert ist aber, dass die Partei
einen solchen Sch riftwechsel auf der Webseite der Partei mit der Mailadresse des
Kritikers veröffentlicht. Es geht h ier nicht um eine Diskussion mit einem Kritiker, son­
dern darum, diesen a n den Pranger zu stellen. Dies soll der eigenen Anhängerschaft
vermeintliche eigene Stärke signalisieren und Kritiker ei nschüchtern .
Im Zusammenhang mit Diebsta h ldelikten in Dortmund unterstellt ' Dortmundecho' am
1 3. Dezember 20 1 3, dass die Täter Migranten seien. Im Weiteren wird über mögliche
Konsequenzen räsoniert und 'Die Rechte' als Alternative zur Polizei positioniert. Damit
stellt 'Die Rechte' das demokratisch legitimierte rechtsstaatliche Gewaltmonopol i n
Frage und bietet s i c h letztlich a l s Bürgerwe h r a n , die zur Selbstjustiz g reift.
"Allen Dorstfeldem bleibt zu raten, Augen und Ohren offen zu halten und
verdächtige Personen der Polizei, aber vielleicht gerade auch den - im
Stadtteil bekannten - Aktivisten der nationalen Bewegung zu melden, die
sich nicht für vermeintliche 'Bagatelldelikte ' schonen und wirkliche Zivilcou­
rage zeigen. "
I m Mai 201 3 veröffentlichte der Kreisverband Hamm auf seinem Facebook-Profil ein
Bild mit dem Spruch "Wi r hängen n icht nur Plakate". U m sich nicht dem Verdacht des
Aufrufs zu Gewalttaten auszusetzen , ironisierte der Autor i m Kleingedruckten durch
den Zusatz "wir verteilen nämlich auch Flugzettel , machen Infostände und Demons­
trationen". Der Kreisverband Aachen übernahm das Bild auf seinem Facebook-Profil
verzichtete aber auf eine ironisierende Relativierung. Dass der Kreisverband d iese
Ankündigung auch d u rchaus ernst meint, verdeutlichte er auf seiner Wahlveranstal­
tung am 1 5 . September 201 3 . Dort ä ußerte der Kreisvorsitzende und gleichzeitig
Spitzenkandidat auf der Landesliste für die Bundestagswahl u nverhohlene Sympath i­
en für Gewalttaten gegen demokratische Politiker:
"Manch einer meint sicherlich, dass Demokraten Konsequenzen ziehen,
indem sie zurücktreten. Aber das sind keine Konsequenzen, die wir uns
vorstellen. Jene Politiker, die an diesem volksfeindlichen System mitwir­
ken, sollten Konsequenzen mit Leib und Leben ziehen. "
1 36
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
I m Ansch luss a n die Rede wurde das Lied "Am Puls der Zeit" von der Skinhead-Band
Noie Werte gespielt. Mit diesem Lied war, wie durch Presseveröffentl ichungen be­
kannt geworden ist, das zweite Video des NSU unterlegt. Die verbotene 'Kamerad­
schaft Aachener Land', aus der der Kreisverband Aachen überwiegend hervorgegan­
gen ist, zeigte nach dem Bekanntwerden des NSU eine Abbildung der Trickfi lmfigur
"Rosaroter Panther" und den Sch riftzug "Zwickau rulez". Der rosarote Panther ist ein
durchgängiges Motiv im ersten Video des NSU, indem die Täter sich zynisch zu den
Morden und weiteren Verbrechen bekennen. Zudem war auf dieser Webseite das
Lied "Döner-Killer" einer rechtsextremistischen Band eingebunden, das vor dem Be­
kanntwerden des NSU entstanden ist. I m dem Lied zollt die Band den Tätern Respekt
und verhöhnt die Opfer.
Gelegentlich legen Mitglieder der Partei jegliche taktische Zurückhaltung bei der
Befürwortung von gewaltsamen Aktivitäten ab. I n einem Artikel auf der Webseite des
Kreisverbandes Wuppertal am 23. Oktober 20 1 3 zur Freilassung des Entführers von
Jan-Phillip Reemtsma bedauert der Autor, dass der Täter dem Opfer n icht noch mehr
Leid zufügte. Reemtsma gilt bei Rechtsextrem isten als Feind, weil ein von ihm privat
fi nanziertes sozialwissenschaftliches Institut die Ausstellung "Verbrechen der Wehr­
macht" entwickelte. Diese Ausstellung ist bei Rechtsextremisten verhasst, weil sie
angeblich das Ansehen der deutschen Wehrmacht verunglimpfen würde.
" Was uns angeht, so bedauern wir außerordentlich das der Herr Reemts­
ma nur entführt wurde und wünschen dem Herrn Orach alles gute für die
Zukunft. Beim nächsten mal besser machen [ . . . ]. "
Bei den Demonstrationen setzt die Partei 'Die Rechte' den aggressive n , auf Beherr­
schung des öffentl ichen Rau mes gerichteten, aktionsorientierten Stil der Kundgebun­
gen der verbotenen Kameradschaften fort. So riefen bei nahezu sämtlichen Demonst­
rationen der Partei die Teilnehmer in Richtung von Gegendemonstrante n :
" Linkes Gezeter, neun Millimeter".
Auf der Demonstration am 2 1 . September 201 3 in Wuppertal wiegelte ein Redner,
der früher i n der verbotenen 'Kameradschaft Walter Spangenberg' ( Köln ) in führender
Rolle aktiv war, die Teilnehmer gegen die Gegendemonstranten auf:
" Wollen wir uns von solchen Minusmenschen schikanieren lassen ?"
RECHTSEXTREMISMUS
1 37
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Die mit der Bezeichnung "Minusmenschen" zum Ausdruck kommende antihumanis­
tische E instellung befürworteten die Teilnehmer der Wuppertaler Demonstration und
propagierten überdies Gewalt gegen den politischen Gegner. In Sprechchören riefen
sie im Laufe der Veranstaltung:
" Wir waschen unsere Stiefel mit dem Blut der Antifa".
Bereits in dem Mobilisierungsvideo
des Neonazi-Rappers MaKss Da­
mage für die Demonstration warb
der Kreisverband Wuppertal mit
martialischer Propaganda. In dem
Lied ruft der Sänger zur "Schlacht
von Wuppertal" auf. Bezogen auf
den politischen Gegner verbreitet
er in dem Lied Gewaltd rohungen:
Abbildung aus dem Mobilisierungsvideo " Tränen­
gasdusche" von MaKss Damage
" Wir machen weiter und weiter, bis euer Blut in unsere Wupper fließ t".
'Die Rechte' propagiert i ndes n icht nur gewaltsame Auseinandersetzungen mit dem
als Feind deklarierten politischen Gegner, sondern wähnt sich auch i n einem "Rassen­
krieg". So zitierte ein Red ner auf einer Demonstration der Partei am 23. März 201 3
in einer n iedersächsischen Kleinstadt, an der überwiegend Parteianhänger aus N RW
teilnahmen , zustimmend ein Lied, in dem es über die Hautfarbe heißt, dass sie
"irgendwann mal die Farbe unserer Uniform in diesem Rassenkrieg sein
wird, wenn wir als Weiße in der Mitte Europa uns den Horden aus dem
Orient, aus Asien und Afrika entgegenstellen müssen. Dann heißt es nur
noch: Wir gegen die ganze Welt!"
Auch der Landesvorsitzende von N RW sieht Deutschland in einem Überlebenskampf.
Dies ist typisch für die rechtsextremistische Ideologie, die Welt in Freunde und Feinde
einteilt und Konflikte immer nur d u rch Kampf und nie durch Diskussion und Kompro-
1 38
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
miss gelöst werden kön nen. So rief der Landesvorsitzende auf einer Solidaritätskund­
gebung für die griechische rechtsextremistische Partei Goldene Morgenröte:
" Wir stehen gemeinsam im Kampf gegen die, die unsere Völker vernichten
wollen".
Daran knüpft ein weiterer Red ner auf der Veranstaltung an und zitiert einen angeblich
"großen Staatsman n". Das Zitat stammt aus "Mein Kampf'.
" Wer leben will, der kämpfe also, und wer nicht streiten will in dieser Welt
des ewigen Ringens, verdient sein Leben nicht. "
Sich eine solche Sichtweise zu eigen zu machen, bedeutet, für Menschenverachtung
und Demokratiefe indschaft aktiv einzutreten und zu einem aggressiv-kämpferischen
Auftreten aufzurufen.
I m Rahmen von Demonstrationen fanden überdies Straftaten statt. Bei der Demons­
tration i n Dortmund am 3 1 . August 201 3 warf ein Teilnehmer einen pyrotech n ischen
Sprengkörper in d ie Richtung von Gegendemonstrante n . Der Täter verletzte damit
fünf Personen, darunter einen Polizisten u nd eine Landtagsabgeordnete. Obschon
der Parteivorsitzende sich von der Tat d istanzierte, zeigt dies die Gewaltbereitschaft
im Sympathisantenumfeld der Parte i . Der Täter wurde wenige Tage nach der Veran­
staltung in Baden-Württemberg verhaftet, weil er dort eine andere Person mit dem
Bau e ines Sprengkörpers beauftragt hatte.
Eine Aussteigeri n aus der Wuppertaler Neonazi-Szene, die i n mehreren Prozessen
als Zeugin gegen Rechtsextremisten a usgesagt hat, wurde massiv bedroht. U nter an­
derem bekam sie "Besuch" von ca . zehn Personen, die dem Kreisverband 'Die Rech­
te' Wuppertal oder ihrem direktem U mfeld zuzurechnen sind. Die Gruppe versuchte
die Aussteigerin vor einer Aussage i m Koblenzer Prozess gegen das 'Aktionsbüro
Mittelrhein' einzuschüchtern .
Der Aachener Kreisverband ist eng mit der militanten Neonazi-Szene in Bayern ver­
bunden . Bei verschiedenen Treffen trat die vorhandene Gewaltbereitschaft einzelner
Aachener Neonazis offen zutage. So beteiligte sich der Aachener Kreisvorsitzende
bei einer Gerichtsverhandlung in München an Straftaten gegenüber anwesenden
Journal iste n . Anlässlich eines Besuchs bayerischer Neonazis i n Aachen zu dessen
Geburtstagsfeier g riffen im Vorfeld einige Neonazis die Teilnehmer einer Antirassis­
musdemonstration a n .
RECHTSEXTREMISMUS
1 39
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Auch gegenüber der politischen Konkurrenz im rechtsextremistischen Lager tritt
'Die Rechte' aggressiv auf. Die Webseite 'Dortmundecho' warnt in einem Artikel vom
1 . März 20 1 3 vor dem Dortmu nder N PD-Kreisvorsitzenden, bezeichnet i h n als "Pol i­
zeizuträger" u nd druckt verschiedene Lichtbilder von ihm ab.
Organisation
Bundesverband
Der Bundesverband der Partei 'Die Rechte' wurde am 27. Mai 20 1 2 in Hamburg ge­
g rü ndet. Zum damaligen Zeitpunkt sah der Gründer, Christian Worch, die Partei laut
eigener Aussage, "weniger radikal als die NPD" aber " radikaler als die RE Ps und die
pro-Bewegu ng". Seine zentrale Stellung im Bu ndesverband lässt sich daran ablese n ,
dass der Wohnsitz des Parteivorsit­
zenden zugleich der Sitz der Partei
ist. I nzwischen hat 'Die Rechte'
sieben Landesverbände. N eben dem
in Nordrhein-Westfalen haben sich
Ende 20 1 2 und im Laufe des Jahres
201 3 in Hesse n , Brandenburg, N ie­
dersachsen, Baden-Württemberg ,
Logo des Bundesverbandes der Partei 'Oie Rechte' auf
Facebook
Berlin und Sachsen Landesverbände
bzw. eine Landesgruppe Bremen
gegründet. In Hessen gibt es bislang fünf Kreisverbände und i n N i edersachsen einen
Kreisverband. Während außerhalb N RWs zunächst vor allem ehemalige N PD- oder
DVU-Mitglieder i n d ie Partei e intraten , wurden die jü ngsten Landesverbände vor allem
von Neonazis gegründet.
Landesverband N RW
Der Landesverband N RW wurde am 1 5. September 201 2 in Dortmund als erster Lan­
desverband der Partei 'Die Rechte' gegründet. Zur G ründu ngsveranstaltung lud ein
ehemaliges führendes Mitglied der verbotenen Dortmu nder Kameradschaft ein. Der
Landesvorstand N RW setzt sich aus vier ehemal igen Mitgliedern der am 23. August
201 2 verbotenen Kameradschaften Dortmund und Hamm zusammen . Auch die enge
zeitliche Abfolge weist auf den Zusammenhang von Vereinsverboten und G ründung
des Landesverbandes h i n .
1 40
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 20 1 3
Der Ausbau der Parteistruktur erfolgte etwa einen Monat nach G rü ndung des Landes­
verbandes N RW. Am 27. Oktober 201 2 wurden zeitgleich vier Kreisverbände sowie
ein Bezirksverband der Partei 'Die Rechte' in N RW gegründet. In Dortmund, Hamm,
Mülheim a . d . Ruhr, i m Rhein-Erft-Kreis ist die Partei seitdem m it Kreisverbänden
vertreten sowie i m Mü nsterland m it einem Bezirksverband. I m Laufe des Jahres 20 1 3
gründeten sich fünf weitere Kreisverbände.
I m Bu ndesverband der Partei 'Die Rechte' besitzt der Landesverband N RW ent­
scheidenden Einfl uss. Dies wird einerseits an der Zahl der M itgl ieder deutlich u nd
andererseits daran, dass die beiden Anführer der verbotenen 'Kameradschaft Hamm'
und 'Nationaler Widerstand Dortmu nd' Beisitzer i m fünfköpfigen Bundesvorstand sind.
Der Landesverband N RW weist Ende 20 1 3 mehr als die Hälfte aller M itgl ieder der
Partei auf. Weiterh in ist der Landesverband N RW der ei nzige der inzwischen sieben
Landesverbände, der zu der im Jahr 201 3 du rchgeführten Bundestagswahl m it einer
Landesliste a ngetreten ist. Für den Landesverband ist es offensichtlich bedeutsam ,
Parteiaktivitäten zu suggerieren, um sich durch die I nanspruchnahme d e s Parteien­
privi legs davor zu schütze n , als bloße E rsatzorganisation der verbotenen Kamerad­
schaften bewertet zu werden. Der Landesverband ist zu einem erheblichen Tei l iden­
tisch mit der militanten Neonazi-Szene i n N RW. Die Landesl iste füh rte ein vormalig
aktives M itglied der verbotenen 'Kameradschaft Aachener Land' an. Auf dem zweiten
Platz folgte der ehemalige Anführer der verbotenen 'Kameradschaft Hamm' und auf
dem dritten Platz ein M itgl ied der Führung des verbotenen 'Nationalen Widerstand
Dortmund'. Den fünften Platz n immt ein M itglied der Kameradschaft 'Nationale Sozi­
alisten Wuppertal' ein. Das Ergebnis der B undestagswahl ist für die Partei eher er­
nüchternd. Sie konnte lediglich 2 .288 Sti mmen Zweitstimmen erlangen, was zu einem
Gesamtergebnis von 0,024% führte.
Ende 20 1 3 wird von etwa 260 M itgl iedern der Partei 'Die Rechte' in N RW ausgegan­
gen . I m Vergleich zum Vorjahr hat sich die Mitgliederzahl somit verdoppelt. Dies lässt
sich i m Wesentlichen darauf zu rückführen, dass im Ansch luss an die Verbote der
Kameradschaften im Jahr 2012 n icht alle vom Verbot betroffenen Personen un mittel­
bar in d ie Partei 'Die Rechte' eingetreten sind. Im Laufe des Jahres traten dann weite­
re ehemalige Mitgl ieder der verbotenen Kameradschaften in die Partei ein. Weiterhin
wechselten enttäuschte ehemalige N P D-Mitglieder zur Partei 'Die Rechte', die m it
dem ambivalenten Verhältnis des N PD-Landesverbandes zu den Neonazis n icht
einverstanden sind und selber für einen radikaleren Kurs eintreten .
RECHTSEXTREMISMUS
141
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Kreisverbände
Dem Dortmunder Kreisverband steht ein langjähriges Führu ngsmitgl ied der Dortmun­
der neonazistischen Szene vor, der für die personelle Kontinuität steht. Der Vorsitzen­
de des Hammer Kreisverbandes ist der ehemalige Anführer der verbotenen ' Kame­
radschaft Hamm'. Die Kreisverbände Mülheim a . d . Ruhr und Rhein-Erft-Kreis werden
vor allem von enttäuschten ehemaligen NPD-Mitgliedern gebildet.
Die Kreisverbände Aachen und Heinsberg wurden 201 3 genau am Gründungsdatum
der ' Kameradschaft Aachener Land' (KAL) am 2. Februar ins Leben gerufen. Auch
hier haben Führung u nd M itglieder der beiden Kreisverbände ihre Ursprü nge i n der
KAL. Mit Andre Plum ist ein Mitglied der ehemaligen KAL-Führung auf den ersten
Platz der Landesliste der Partei für die Bu ndestagswahl 20 1 3 gewählt worden. Auch
die G ründung des inzwischen achten Kreisverbandes Wuppertal am 30. Januar 201 3
diente der Kameradschaft 'Nationale Sozialisten Wuppertal' dazu, sich als Parteiglie­
derung zu reorganisieren und einem möglichen Vereinsverbot zuvorzukommen . Der
Kreisverband Wuppertal hat mit dem G rü ndu ngsdatum , dem Tag der sogenannten
"Machtergreifu ng" der Nationalsozia liste n , ebenfalls bewusst ein symbolisches Datum
gewählt.
Kreisverbände Aachen und Heinsberg
Die formal eigenständigen Kreisverbände Aachen und Heinsberg der Partei agieren
weitestgehend gemeinsam, wie zum Beispiel an der gemeinsamen I nternetpräsenz
deutlich wird . Das Gründu ngsdatum der Kreisverbände dürfte dem offiziellen Grün­
dungsdatum der 201 2 verbotenen 'Kameradschaft Aachener Land' (KAL) am 1 . Fe­
bruar 2002 geschu ldet sein. In die Führungspositionen der neuen Kreisverbände
wählten die Mitglieder ehemalige Aktivisten der Kameradschaft, deren Strukturen u nd
Aktivitäten sie nunmehr u nter dem Schutz des Parteienprivilegs fortführen .
Im Jahr 20 1 3 war ein deutlicher Rückgang der Aktivitäten zu verzeichnen. Während
der Kreisverband Heinsberg öffentlich nicht wahrnehmbar war, trat der Kreisverband
Aachen i n der ersten Jahreshälfte ledigl ich am 1 6 . März 201 3 mit der Organisation
der sogenan nten "Rheinlandtour" u nter dem Motto "Gegen d ie staatliche Verfolgung
der Deutschen - Freiheit für alle politischen Gefangenen" i n Aachen , Mönchenglad­
bach und Düsseldorf i n E rscheinung. Dazu mobilisierte die Partei ca . 80 Aktiviste n .
D i e jährlich im April d u rch die ehemalige 'Kameradschaft Aachener Land' organisier­
ten Demonstrationen i n Stolberg verbot der Aachener Polizeipräsident. Das Oberver-
1 42
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
waltungsgericht Münster
bestätigte das Verbot, weil
die Veranstaltung hinsicht­
l ich des Demonstrationsthe­
mas, der Route, des Ortes
und des Termins eine Fort­
setzung der Aktivitäten der
verbotenen KAL darstellte.
I
qq/J/eJJ LJIJb
/�.1;"...
, .. ,­.
.......
_� ...
HeJIK--,P.Y�.!kJ1 � �};l� :, ·1
,. .
,. ..,. /
�
Besuche uns
IJ Ft";�
l 'T:\«<e�"
Neuigkeiten
Unschuld schützt
vor
Strafe nicht. . .
�",,""'_r..,.., � . tt<..... ;<J,' :::; .
'-"
__ 'tf:60_
•
_ lM!iOO r...:. c.oo "'_'Land\J!fl<I'II u!lef _ 6tt<� 2lI1!fltK_ Olm
� """" ""'Valj5,-..ng IlO'�,_,.sot�lImg � Xl l ' bet <lor
Sl� DrnonoI,-.,c"", ...
"'IJIl"I _ ""
$onn,oWlodfl"r.mRaum
· �RnjlhmtdtsFr...n Nttz
�
• Ein' Sondtfltommrnion PhOt
O" _...... NI ""' tlogMOo f""*""ll Olaußerl � __ o.utK.....
.......- .-. NLo'J ...... <IzI;l�N __ oo_
Am 3 1 . Augu st 201 3 nah­
men wenige Aktivisten aus
dem Raum Aachen an einer
Demonstration zum Jahres­
tag der Kameradschafts­
verbote in Dortmund tei l .
....... �n lllllo
�
_ _r..t;:'I I$I OIIt! OO l'5Mn .... _ � � _ Oe<
IInfrllWUlI
gt
s fotdtflungtbSll
�
... !III'I!I r_,." .. dltV� o.VOf�oaOl.GI(OI'I,*
_Nil �1r!I_eeoc.-.�ot"'_ lloOtm ll3ll _ La"OgIfIn(l'(
_ ,.,.", _ WoUlo """' .,.. ...",... Cles f.,;l___ OIO ���
� lf11 O!1< �""""""Ir -..cn _ ,....
"-""'<"'" [c- _ � ..
��h � _ .o.:.eo _ � _ _ _ s.(\;111;\< "'" 10(l'1li S<1'IOoItIII ___ sonot<n __ �.. � -"' um _
�ru lo<-.. [Mo- f.-c>rut" """ _ "Not"'_ ""''' ''' _ _
<Doal.lneol"",n "'n! IK � _. _<I!ngI. IUI'o IV """I1.Ind
I'
Ol1lJO.O'Qel'l u-..
·
•
Str\jIlWQtOlng!b".ft!nQtf
EUt9Pj1!lKImI ••
tIOt!!f! NAW
ElugbLJlIy'ntilto,,1II , "Pi!
· "Utnuul!t, TIIOC'KIlt
....-
Auszug aus der Internetstartseite der Partei 'Die Rechte' Kreisver­
band Aachen und Heinsberg
Sie führten ein Banner mit dem Aufdruck "Der Aachener Widerstand - Wir sind immer
noch da - im nächsten Jahrhundert - Aachens-Rechte.de" mit, womit sie sich offen­
kundig i n die Kontin uität der verbotenen KAL stellte n .
I m B undestagswahlkampf führten die beiden Kreisverbände kaum nennenswerte
Wahlkampfaktivitäten d u rch. Die einzige Ausnahme stellt eine am 1 5. September
201 3 i n Aachen ku rzfristig anberaumte Wah l kampfveranstaltung mit Reden des dor­
tigen Kreisvorsitzenden Aachen dar, der zugleich die Landesliste anführte. Die Partei
erreichte bei der B undestagswah l in den Wahlkreisen Aachen, D ü ren und Heinsberg
1 02 Stimmen .
I n 201 3 war eine verstärkte Vernetzung d e r Aachener Szene mit Organ isationen
außerhalb des Parteienspektrums, wie etwa der militanten N eonazi-Szene i n Bayern
oder der Vereinigung 'Europäische Aktion', wah rnehmbar. Bei Treffen mit bayerischen
Neonazis zeigte sich die Gewaltbereitschaft i n Ü bergriffen gegen Journalisten bei
einem Prozess und gegen Teilnehmer einer Antirassismusdemonstration .
Kreisverband Dortm und
Der Kreisverband der Partei 'Die Rechte' i n Dortmund hat sich im Jahr 201 3 als füh­
rende Kraft innerhalb des Landesverbandes N RW etabliert. Der Kreisverband zeigt
jedoch deutliche Anzeichen einer E rsatzorganisation für d ie verbotene Kameradschaft
'Nationaler Widerstand Dortmund' (NWDO). Einerseits sind die handelnden Personen
RECHTSEXTREMISMUS
143
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
im Kreisverband identisch mit den Verantwortlichen der verbotenen Kameradschaft.
Andererseits werden Veranstaltungen mit zum Teil gleichem I n halt, gleichen Parolen
und an den gleichen Veranstaltungsorten d u rchgeführt. Als Parteiveranstaltungen de­
klariert unterliegen sie dem Parteien privileg, das sie schützt. Höhepunkt der örtlichen
Veranstaltungen im J a h r 201 3 waren die Demonstrationen zum 1 . Mai, dem e rsten
rechten Antikriegstag im September und das als Wah lkampfauftakt in die Kommunal­
wahl 201 4 deklarierte Konzert mit dem gleichzeitig der 60. Geburtstag des Kreisvor­
sitzenden gefeiert werden sollte . Die Stadt Dortmund verbot die D u rchfü hrung des
Konzertes jedoch aus bauord n u ngsrechtlichen G ründen. Eine E rsatzveranstaltung
führte der Kreisverband daraufhin in Baden-Württemberg d u rch.
Weiterh i n stellte das Oberlandesgericht Hamm i n einem Verfahren fest, dass der
Wah lkampfslogan "Von der Südtribüne i n den Stadtrat" nicht verwendet werden darf.
Gegen diese Entscheidung hat die Partei weitere Rechtsmittel angekünd igt. Der
angefochtene Wah lkampfslogan zeigt, dass die Partei versucht, durch die Darstell ung
örtlicher Themen Wähler zu gewinne n .
Kreisverband Hamm
Rund vier Monate nach der G ründung füh rte der Kreisverband Hamm am 1 . März
20 1 3 die erste Mitgliederversammlung durch , auf der der ehemalige Anführer der
verbotenen 'Kameradschaft Hamm' zum Vorsitzenden gewählt wurde. Die Mitglieder
des Kreisverbandes sind relativ aktiv und auf zah l reichen Veranstaltungen der Partei
in N RW präsent, insbesondere ist der Kreisverband eng m it dem Kreisverband Dort­
mund vernetzt.
Der Kreisverband organisierte maßgeblich eine Demonstration am 9. März 201 3 i n
Soest. I n H a m m führte er am 2 0 . J u l i 20 1 3 eine Demonstration sowie i m Laufe des
Jahres einige Infostände und kleinere Kundgebungen durch. Der Kreisverband Hamm
rief im Vorfeld der Bundestagswah l 20 1 3 dazu auf, die NPD i n Unna mit der E rststim­
me zu u nterstützen . Die enge Zusammenarbeit zwischen Fu nktionären der N P D i n
Unna und Hammer Neonazis, die nun i n der Partei 'Die Rechte' aktiv sind, besteht seit
langem und ist wechselseitig.
Kreisverband Rhein-Erft-Kreis
Der Kreisvorsitzende verfügt sowohl über ein Mandat im Kreistag als auch im Stadtrat
in Verden (Aller), welches er als Nach rücker u rsprünglich für die N P D besetzte. Er
1 44
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
nimmt diese Mandate nunmehr
für die Partei 'Die Rechte' war. An
Aktivitäten des Kreisverbandes
nehmen vor allem Personen tei l ,
die bis Mitte 20 1 2 i n der neonazis­
tischen G ru ppierung 'Autonome
Nationalisten Pul heim' aktiv ware n .
D e r Kreisverband zeigt sich mit
seinen Aktionen i m lokalen Bereich
aktiv. I nsbesondere zur Bundes­
tagswahl füh rte der Kreisverband
einige I nformationsstände durch ,
Auszug aus der Internetstartseite der Partei 'Die Rechte'
die weitgehend ohne Resonanz
Kreisverband Rhein-Erft-Kreis
blieben . Ansonsten treten Mitglieder gelegentlich überörtlich mit Teil nahmen an einschlägigen Versammlungen der
Partei 'Die Rechte' in Erscheinung.
Kreisverband Düsseldorf/Mettmann/Solingen
Der Kreisverband ist der erste der Partei 'Die Rechte' i n N RW, der Ortsverbände
gegründet hat. Zunächst wurde die G ründung der Ortsverbände Mettmann und Solin­
gen, am 8. November 201 3 d ie des Ortsverbandes Neuss-Grevenbroich verkündet.
Der Kreisverband setzt sich vor allem aus Mitgliedern des früheren N PD-Kreisverban­
des Düsseldorf/Mettma n n zusammen , der eng m it den örtl ichen N eonazistrukturen
verbu nden war. Die frühere Vorsitzende u nd i h re Stellvertreter erklären in einer auf
der Webseite am 26. April 20 1 3 veröffentlichten Stellung nahme die G rü nde für i h ren
Wechsel . Sie kritisieren, dass die N P D u nter dem damaligen Vorsitzenden Holger Ap­
fel zu wenig die Zusammenarbeit mit den Neonazis suche und sich zu wenig radikal
gebe. So heißt es unter anderem:
"Der Versuch der Volksfront unter dem Dach der NPD ist als gescheitert
zu betrachten. Oie Reaktion hat das Ruder dort wieder an sich gerissen,
diese Entwicklung müssen wir akzeptieren. Ein weiteres Ankämpfen ge­
gen diese Tatsachen wäre sinnlose Kraft- und Zeitverschwendung, die wir
uns angesichts der rasant voranschreitenden Überfremdung nicht leisten
können. Somit ist es aus unserer Sicht nun notwendig, den Kampf um
unser Vaterland und für unser Volk in einer neuen, frischen und unver-
RECHTSEXTREMISMUS
145
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
brauchten Partei weiterzuführen. Was nicht zusammen passt, das sollte
getrennte Wege gehen, um sich nicht gegenseitig zu behindern. Dies
ist ein notwendiger Prozess auf dem Weg zum Ziel, und nicht etwa eine
Spaltung, denn wir sehen in keinem anderen nationalen Deutschen einen
Konkurrenten, den es etwa zu bekämpfen gilt. "
Bezeichnend für das Selbstverständnis des Kreisverbandes ist, dass man sich a m
20. April 20 1 3, d e m Geburtsdatum Adolf H itlers gründete. E nde Mai 201 3 organisierte
der Kreisverband eine Gedenkveranstaltung für Leo Albert Schlageter. Diesen mil itan­
ten Aktivisten gegen die französische Ruh rbesatzung in den 1 920er Jahren stilisierte
die nationalsozialistische Propaganda zum "Märtyrer". Bei der Veranstaltung sprachen
Führu ngsaktivisten aus Dortmund, Aachen und Wuppertal.
Kreisverband Wuppertal
Nach dem Verbot von d rei Kameradschaften d u rch das M i nisterium für I nneres und
Kommu nales N RW am 2 1 . August 20 1 2 befürchtete die Kameradschaft 'Nationale
Sozial isten Wuppertal' ebenfalls bald verboten zu werden. U m einem Vereinsverbot
zuvorzukommen, reorganisierte man die Kameradschaft als Kreisverband Wuppertal
der Partei 'Die Rechte' neu. Der Kreisverband Wuppertal hat mit dem Gründungsda­
tu m , dem 30. Januar 201 3 , dem Tag der sogenannten "Machterg reifu ng" der National­
sozialisten, anscheinend bewusst ein symbolisches Datum gewählt, um eine positive
Bezugnahme auf den Nationalsozialismus zu signalisieren . Als Kreisvorsitzenden
wählte man ein früheres M itglied der 'Kameradschaft Hamm', der bereits wegen Kör­
perverletzung verurteilt wurde. Der Kreisverband füh rte am 2 1 . September 201 3 unter
dem Motto "Gegen linken Terror" in Wuppertal eine Demonstration d u rch . Dabei sang
ein Großteil der Teilneh mer nationalsozialistisches Liedgut. Obwohl der Kreisverband
die Veranstaltung vorher intensiv bewarb, blieb die Teilnehmerzahl deutlich h i nter den
eigenen Erwartungen zurück. Zudem musste die Demonstration wegen einer Blocka­
de der Wegstrecke vorzeitig beendet werden. Vor d iesem H intergrund bewertete die
Szene die Veranstaltung als N iederlage.
Kreisverband M ünster
Der Kreisverband M ünster tritt faktisch nicht in E rscheinung. Die I nternetpräsenz fü h rt
er n u r sporadisch fort. E inziger öffentlichkeitswirksamer Auftritt der Partei war ein
Gefangenenprotest i n der JVA Münster. Dabei wurde ein Transparent mit pOlitischer
1 46
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Aufsch rift und dem H inweis auf die Partei 'Die Rechte' aus dem Fenster gehalten, von
außerhalb der JVA fotog rafiert und in soziale Netzwerke eingestellt.
Sonstige Kreisverbände
Weitere Kreisverbände existieren i n Mülheim und Soest. Deren Kreisvorsitzende sind
einschlägige Rechtsextrem isten und stammen aus der N P D bzw. Neonazi-Szene. Je­
doch haben sie bislang kaum nennenswerte Aktivitäten entfaltet. Auf i h ren Facebook­
Profilen übernehmen sie hauptsächlich Artikel von anderen Kreisverbänden aus N RW
bzw. a nderen rechtsextrem istischen Homepages oder Profilen. Der Soester Kreisver­
band stellt den ersten Versuch der Partei dar, in einer Region Strukturen aufzubauen ,
in der bislang keine rechtsextremistische Organisation vor Ort existierte.
Kom m unale Vertretungen
Seit der Gründung des Landesverbandes N RW gab es i n Nordrhein-Westfalen noch
keine Kommu nalwahlen. Ende November 201 3 wechselte jedoch ein Bezirksvertreter
im Dortmund Stadtbezirk Evi ng von der N P D zur Partei 'Die Rechte'. Der Betreffende
künd igte an, sein Amt nunmehr bis zur nächsten Kommu nalwa h l im Frühjahr 201 4
für die Partei 'Die Rechte' auszuüben . Bislang beteiligte sich der ehemalige N P D­
Bezirksvertreter kaum an der kommu nalpolitischen Arbeit. Die einzige nennenswerte
Ausnahme stellt ein Antrag des Parteiwechslers dar, in dem er pauschal alle Sinti und
Roma als Kriminelle herabwürdigt. Ferner sitzt der Vorsitzende des Kreisverbandes
Rhein-Erft im Kreistag und i m Stadtrat i n Verden (Aller).
Strateg ie
Am 26. November 20 1 2 ersch ien auf der Webseite 'Dortmundecho' ein Artikel, der
deta i l l iert beschreibt, wie d ie Folgen des Vereinsverbotes umgangen werden können
und wie sich der Parteistatus zugunsten der ehemaligen M itgl ieder der verbotenen
Verein igungen auswirkt. Bereits am nächsten Tag hatte die Bundespartei den Bei­
trag auf i h rer Webseite übernommen. Dieser Artikel verdeutlicht d ie grundsätzliche
Ausrichtu ng des Landesverbandes, der die parteiförmige Organisation als Strategie
versteht, staatlichen Maßnahmen zu entgehen. Zudem erläutert der Artikel den ehe­
maligen Mitgliedern der verbotenen Verein igungen den Zweck, sich als Partei zu
organ isiere n . Das ist deshalb von Bedeutu ng, weil die Neonazi-Szene den rechtsex­
tremistischen Parteien bislang distanziert gegenüberstand. Um den Parteistatus zu
RECHTSEXTREMISMUS
1 47
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
festigen , trat der Landesverband N RW zur B undestagswah l am 22. September 201 3
a n . Die Wahlwerbung des Landesverbandes bestand überwiegend aus Solidaritätsbe­
kundungen zu i nhaftierten Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Dies d ient
weitestgehend dem Zweck, die eigene Szene davon zu überzeugen , dass niemand
vergessen wird und es sich "lohnt" für den gemeinsamen Zweck zu kämpfe n .
Parteiaktivitäten entfalten die Aktivisten aber n u r insoweit, um formal die Anforderun­
gen an eine Partei zu erfüllen u nd den Status als Partei nicht zu verliere n . So veröf­
fentlichte d ie Partei am 27. J u l i 201 3 eine Stellungnahme zum Antritt bei der Bu ndes­
tagswahl u nter dem Titel "Dabei sein ist alles!" Darin führt er aus, dass der Wahlantritt
in der Partei umstritten war und man sich nur deswegen dafür entschieden habe, um
gegenüber dem Ministerium für I nneres und Kommunales den Parteistatus zu unter­
mauern.
" Wir haben uns jedoch im Februar dafür entschieden, weil eine dumm­
schwätzende junge Abgeordnete der Linkspartei meinte, Nordrhein-West­
falens IM ( = I nnenmin ister) Jäger (auch beka n nt als "Nazi-Jäger") assistie­
ren zu müssen. In einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Böswilligkeit
verbreitete sie sich darüber, DIE RECHTE könne ja wohl keine eigenstän­
dige Partei sein [ . . . ].
Da haben wir eben beschlossen, sowohl dieser Dame als auch IM Jäger
den praktischen Beweis zu liefern, daß wir sehr wohl gewillt und imstande
sind, uns auf einen Wahlzettel setzen zu lassen. "
Nach der Bu ndestagswahl veröffentlichte der Kreisverband Hamm am 23. Septem­
ber 201 3 auf seiner Webseite eine "Ku rze Nach lese zur Bundestagswahl". Der Autor
schreibt, dass das E rgebnis irrelevant sei und die Partei kaum einen Wahlkampf
geführt habe. Auch hier betont 'Die Rechte' abermals, dass d ie I ntention für den Wahl­
antritt darin lag, die Parteieigenschaften formal nachzuweisen.
"Bereits vor der Wahl haben wir es an verschiedenen Stellen erwähnt: Bei
unserem Wahldebüt kam es uns nicht auf das Ergebnis an. Da uns Anfang
des Jahres von verschiedenen staatlichen Stellen und von regimetreuen
Medien der Parteistatus abgesprochen worden ist, wollten wir mit unserem
Wahlantritt das Gegenteil beweisen. Dies und nichts anderes war das
einzige Ziel unseres Antritts zur Bundestagswahl. "
1 48
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Ä hnlich sieht d ies der Kreisverband Rhein-Erft-Kreis in einem Artike l , der auf dessen
Webseite a m 23. Oktober 201 3 veröffentlicht wurde.
"Enttäuschung kommt nicht auf, da das Ziel dieser Wahlteilnahme nicht
darin lag möglichst viele Stimmen zu erhalten. Viel eher ging es darum
unseren Status als Partei zu stärken und unseren Bekanntheitsgrad zu
erhöhen. "
Zugleich machen Mitglieder von 'Die Rechte' auch keinen Hehl daraus, dass sie i h re
derzeitigen Aktivitäten u nter dem Deckmantel der Partei als Fortsetzung i h rer neona­
zistischen Aktivitäten begreifen. Beispielsweise skandierten die Teilnehmer auf der
Demonstration i n Wuppertal am 2 1 . September 20 1 3:
" Trotz Verbot sind wir nicht tot".
Videoprint der Demonstration im September 2013 in Wuppertal auf YouTube
Damit bezogen sie sich auf die Vereinsverbote gegen die vier neonazistischen Ka­
meradschaften im Jahr 2 0 1 2 und machten offenkundig, dass sie trotzdem weiter wie
bisher agieren wollen. Der Kreisverband Aachen trug an lässlich der Demonstration
am 3 1 . August 201 3 in Dortmund ein Plakat mit folgender Aufschrift:
"Der Aachener Widerstand. Wir sind immer noch da!"
Die Partei nutzt ihre neonazistischen Struktu ren, um sich innerhalb der rechtsex­
tremistischen Szene zu profi l ieren. Dies zeigt sich in i nhaltlicher H insicht an der
RECHTSEXTREMISMUS
1 49
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
sogenannten Anti-Repressionskampagne, auf die die Rechte i h re Propaganda kon­
zentriert. H ierbei stellt die Partei die Ableh nung der Verbote von neonazistischen
Kameradschaften sowie der strafrechtlichen Verfolgung von Rechtsextrem isten i n den
M ittelpunkt ihrer Kampag ne. Damit zielt die Partei aussch ließl ich darauf ab, d ie eige­
ne Anhängerschaft stärker an sich zu binden und Signale der neonazistischen Soli­
darität an die eigene Szene zu senden. Zu d ieser Kampagne gehört es auch, für die
kommende Europawahl den zum Zeitpunkt seiner Nomi nierung i n U ntersuchungshaft
sitzenden Sven Skoda als Spitzenkandidaten zu nominieren.
Vernetzung
Vernetzu ng i n N RW
I nnerhalb Nordrhein-Westfalens ist die Partei 'Die Rechte' gut vernetzt. Einerseits
bestehen Kontakte zwischen den einzelnen Kreisverbänden, andererseits bestehen
zum Tei l i ntensive Kontakte zu den sogenannten freien Kräften , die (noch) nicht in
der Partei organ isiert sind. Weiterhin pflegen die Kreisverbände Dortmund und Hamm
eine rege Zusammenarbeit mit dem N PD-Kreisverband U nna/Hamm. So rief der
Kreisverband Hamm am 1 8. September 201 3 dazu auf, den Vorsitzenden des NPD­
Kreisverbandes Hamm/Unna bei der Bu ndestagswahl mit der Erststimme zu wählen
und die Zweitstimme der eigenen Partei zu geben . Im Gegensatz dazu ist das Ver­
hältnis der Dortmunder Kreisverbände der Parteien 'Die Rechte' u nd der N P D eher als
angespannt bis zerrüttet zu bezeichnen.
Etliche Akteure der Partei 'Die Rechte' weisen eine Affi nität zum F u ßball auf. Punktuell
pflegen sie Beziehungen zu U ltra- und Hool igangruppe n .
Deutschlandweite Vernetzung
Die bisherigen Veranstaltungen der Partei 'Die Rechte' weisen auf vielfältige Koopera­
tionsbeziehungen zu anderen rechtsextremistischen Akteu ren h i n , i nsbesondere nach
N iedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Kreisverbände Aachen und Heins­
berg pflegen Kontakte zur mil itanten Neonazi-Szene Bayerns.
Zu den i n Nord rhein-Westfalen angemeldeten Großdemonstrationen am 1 . Mai 201 3
und 3 1 . August 20 1 3 konnte 'Die Rechte' Neonazis aus mehreren Bundesländern
mobilisieren . Zudem nehmen Mitglieder des Landesverbandes regelmäßig an Veran­
staltungen a u ßerhalb Nordrhein-Westfalens tei l .
1 50
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
I nternationale Vernetzung
I nternationale Verflechtungen des Landesverbandes N RW lassen sich insbesondere
in die N iederlande feststellen. Bei nahezu jeder größeren Veranstaltung, die die Partei
'Die Rechte' i n Nord rhein-Westfalen organisiert u nd d u rchführt, sind niederländische
Rechtsextremisten vertreten. Weitere Verflechtungen bestehen nach Griechenland,
speziell zur Partei Goldene Morgenröte. Zwischen den M itgliedern der beiden Partei­
en kommt es zu regelmäßigen Besuchen u ntereinander sowie vereinzelten Teilnah­
men a n Veranstaltungen . Am 1 . November 201 3 kam es in G riechenland vor dem
Parteibüro der Partei Goldene Morgen röte zu einem tödl ichen Anschlag auf M itglieder
der Partei, woraufh in der Kreisverband Dortmund mehrfach Solidaritätskundgebungen
durchführte. Ebenso verfügen M itgl ieder der Partei 'Die Rechte' über Kontakte nach
Bulgarien. Laut ei nes Berichtes auf der Webseite ' Dortmundecho' nah men Mitglieder der Partei am sogenannten Lukov-Marsch i n Sofia am 1 3. Februar 201 3 teil . Am
nächsten Tag besuchten sie den Parteiabend der Bulgarischen Partei BGNS (Bulga­
rischer Nationalbund). Damit setzen sie die Kontakte fort, die bereits der verbotene
'Nationale Widerstand Dortmund' zu den bu lgarischen Rechtsextremisten pflegte.
Aktivitäten
Bundestagswahlkampf
Zur Teilnahme an der Wah l zum 1 8. Deutschen Bundestag benötigte die Partei 'Die
Rechte' 2 . 000 U nterstützungsu ntersch riften von Einwohnern aus Nord rhein-Westfa­
len , d ie sie bei der Landeswahlleiterin einreichen musste.
Der inhaltliche Schwerpunkt des Wahlkampfes lag i n der Solidarisierung mit i n haftier­
ten Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Dieses Thema g riffen sie beim
Auftritt einer Parteidelegation beim B undeswahlausschuss im Juli des J a h res auf.
Die drei Vertreter der Parte i , allesamt Mitglieder des Landesverbandes N RW, trugen
einheitliche T-Shirts mit der Forderung, den in Italien unter Hausarrest stehenden deut­
schen NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke frei zu lassen. Im Verlauf des Wahlkampfes
produzierte die Partei einen Wahlwerbespot, den die öffentlich-rechtlichen Sender im
Rahmen i h rer rechtl ichen Verpflichtungen ausstrahlten. Der Wahlwerbespot stellte
verschiedene Rechtsextremisten vor, die derzeit Haftstrafen wegen szenetypischer
Straftaten verbüßen.
RECHTSEXTREMISMUS
1 51
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
In i h ren aktiven Kreisverbänden griff die Partei gelegentlich lokale Problemlagen auf,
um sie im Sinne i h rer neonazistischen Ideologie zu thematisieren. Am Beispiel des
Zuzugs von Sinti und Roma in das Ruhrgebiet wurden Migranten pauschal diskrimi­
niert. Bei der Bu ndestagswahl erhielt sie ledigl ich 2 .288 Stimmen, was 0,024% der
abgegebenen Stimmen entspricht. Die Enttäuschung war nach eigenen Angaben
begrenzt, da es der Partei vorgebl ich nur darum ging, mit dem Wahlantritt d ie forma­
len Anforderungen an eine Partei zu erfüllen. Besondere Aufmerksamkeit der Partei
erhielt das am 6. J u l i 20 1 3 in Herne geplante Konzert. Dort sollten mehrere rechtsex­
tremistische M u sikgruppen spielen. Die Veranstaltung wurde im Internet als Solida­
ritätsveranstaltung für die verbotene Vereinigung 'Nationaler Widerstand Dortmund'
beworben. Dies füh rte dazu, dass die Polizei das Konzert als Veranstaltung einer
verbotenen Organisation auflöste. I m Nachgang nutzte 'Die Rechte' d ie polizeil iche
Maßnahme im Rahmen i h rer sogenannten Anti-Repressionskampagne. So ließ die
Partei Plakate mit dem Portrait des für den Polizeieinsatz verantwortlichen Polizisten
drucken, hängte diese unter anderem in unmittelbarer Nähe zu der Polizeidienststelle
des Beamten auf und forderte d ie Absetzung des Polizisten.
Demonstrationen und Mah nwachen
I m Jahr 20 1 3 führte die Partei 'Die Rechte' in N RW eine Reihe von Veranstaltungen
d u rch. Als Organisatoren fungierten sowohl der Landesverband N RW als auch einzel­
ne Kreisverbände. Darüber hinaus meldete der Bu ndesvorsitzende ebenfalls Veran­
staltungen an. Bei den beiden größten Demonstrationen am 1 . Mai 201 3 u nd 3 1 . Au­
gust 201 3 in Dortmund gelang es der Partei mit ungefähr 400 bzw. 370 Teil nehmern
auch überregional zu mobilisieren. Im Vergleich zu demonstrativen Veranstaltungen in
den Vorjahren waren die Teilneh merzahlen jedoch weiter rückläufig. Trotz eines ho­
hen Grades an Aktionismus ist die Mobilisierungsfähigkeit der Partei 'Die Rechte' im
Vergleich zu den verbotenen Kameradschaften zurückgegangen.
Der Ablauf dieser Demonstrationen ähnelte dabei stark den Veranstaltungen der
verbotenen Kameradschaften in den vergangenen Jahren. Ü bl icherweise führen Or­
gan isatoren bzw. Teilnehmer als H ilfsmittel Lautsprecherfahrzeuge, Transparente und
schwarz-wei ß-rot gestreifte Fahnen mit. Ledigl ich bei genauerem H insehen werden
Hinweise auf d ie Partei ersichtlich. So führten verschiedene G ruppen in der Regel
Transparente oder Banner mit, auf denen d ie I nternetadresse des jeweiligen Kreisver­
bandes der Partei zu sehen war. Weitere I ndizien für eine Parteiveranstaltung lassen
sich in der Regel jedoch n icht feststellen. Das gesamte Auftreten des Demonstrati-
1 52
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
onszuges, sei es aufgrund der mitgeführten H ilfsmittel oder der skandierten Parolen,
knüpft nahtlos an die neonazistischen Aufmärsche an, wie sie die Szene in den Jah­
ren vor den Kameradschaftsverboten d u rchführte.
Die am 7. September 20 1 3 in Dortmund d u rchgeführte Demonstration unter dem
Motto "Erster Rechter Antikriegstag", angemeldet vom Bundesvorsitzenden der Partei
'Die Rechte', erinnerte in ihrer Art und Weise ebenfalls an Kameradschaftsaufzüge der
Vergangenheit. Den sogenannten "Anti-Kriegstag" organisierte bislang der 'Nationale
Widerstand Dortmund'. Die zunächst angemeldete Teilnehmerzah l von 300 Personen
wurde bei weitem n icht erreicht. Letztendl ich nahmen lediglich u ngefähr 50 Personen
tei l . Der Bundesvorsitzende meldete für den 20. September 201 3 , einen Tag vor der
Bundestagswa h l , eine Demonstration i n Wuppertal an. I m Vorfeld veröffentlichte der
Kreisverband auf seiner Homepage ein Mobilisierungsvideo. Dieses ist mit dem Lied
"Tränengasdusche" des nordrhein-westfälischen Musikers MaKss Damage, der sich
RECHTSEXTREMISMUS
1 53
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
selbst als "Nationalen Rapper" versteht, unterlegt. I n dem Lied ruft der Sänger i n
aggressiv-kämpferischer Weise zum "Kampf um Wuppertal" auf. D i e tatsächliche Teil­
nehmerzahl lag letztendlich bei u nter 200 Personen und blieb damit ebenso deutlich
h inter der ursprünglich angemeldeten Zahl zurück. Den noch neh men die M itgl ieder
des Landesverbandes N RW der Partei 'Die Rechte' bei überregionalen demonstrati­
ven Veranstaltungen eine exponierte Stellung ein. So dominierten sie beispielsweise
die Demonstrationen in Bad Nenndorf ( N iedersachsen) am 3. Augu st 201 3 und am
3. November 201 3 sowie die Demonstration am 23. November 20 1 3 in Remagen
(Rheinland-Pfalz).
Öffentlichkeitsarbeit
Einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit stellen Kundgebungen und die Verteilung von Fly­
ern dar. Weiterhin halten einige Kreisverbände I nformationsstände ab, mit denen die
Partei versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Schwerpunkt der Öffentlichkeits­
arbeit ist jedoch das I nternet. Der Landesverband sowie nahezu alle Kreisverbände
verfügen über eigene I nternetauftritte. In einigen Fällen werden diese Auftritte regel­
mäßig gepflegt ( Dortmund, Hamm, Rhein-Erft Kreis) in anderen Kreisverbänden wer­
den die Internetseiten n u r sporadisch , teilweise auch gar nicht aktualisiert (Mülheim).
Eine Besonderheit stellt der Kreisverband Dortmund dar. Die eigentliche Webseite
struktu rierte er im Zuge des Kommu nalwahlkampfes um und stellt i nsbesondere die
fünf Kandidaten und das Programm für den Wahlkampf vor. Darüber hinaus betreiben
die Dortmunder Aktivisten die Webseite ' Dortmu ndecho' . Dort werden tagespolitische
Artikel sowie Ankü ndigungen zu Veranstaltungen veröffentlicht. Auch nehmen Straf­
taten , die mutmaßlich von Migranten begangen wurden, einen breiten Raum in der
Berichterstattung ein. Dad urch erwecken die Autoren den Eindruck, dass Migranten
pauschal kriminell seien.
Neben den ursprünglichen Webseiten verfügen die Kreisverbände zusätzlich über
Profile i n sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Durch die Vernetzu ng in
sozialen Netzwerken besteht die Möglichkeit, Sympathisanten u nverzüglich zu infor­
mieren. Dies nutzen die Parteiaktivisten auch zur Mobilisierung. Eine weitere N utzung
der sozialen Netzwerke erfolgt im Zuge der Liveberichterstattung von Veranstaltungen.
So stellt die Partei bei Facebook Bilder von Demonstrationen umgehend ins Internet
und versieht diese mit Kommentaren. Ebenso verfährt sie bei der Prozessbeobachtung
von Gerichtsverhandlungen gegen angeklagte Neonazis. Mitglieder von 'Die Rechte'
1 54
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
verwenden den Kurznachrichtendienst Twitter um in Echtzeit über den Verlauf der Ver­
handlung zu berichten.
Partys und Konzerte
E inzelne Kreisverbände laden i h re An hängerschaft zu Veranstaltungen ein, in der
Politik, Spaß u nd Lebensgefü h l mitei nander verbunden sind. Diese sind Tei l einer
"Erlebniswelt Rechtsextrem ismus" und tragen zum Zusammenhalt und der Attraktivität
der einzelnen rechtsextremistischen G ru ppierungen bei.
Neben dieser Art von Veranstaltungen haben die Kreisverbände Aachen und Heins­
berg sowie Dortmund am 2 1 . beziehungsweise 22. Oktober 201 3 jeweils einen
Bal ladenabend mit dem F rontmann der Rechtsrockband Die Lunikoff Verschwörung
durchgeführt. Lunikoff (ehemals Sänger der Band Landser) trat a n den zwei aufeinan­
derfolgenden Abenden vor Mitgliedern und Sympathisanten der Partei auf. Die Veran­
staltungen besuchten jeweils ca. 80 Personen .
Das erste von der Neonazi-Szene geplante Konzert sollte am 6. J u l i 20 1 3 mit den
szenebekannten Bands Sleipnir, Codex Frei und Words of Anger stattfinden. Die
Organisatoren bereiteten die Veranstaltung äußerst konspirativ vor und bewarben sie
nur wenig. I m Vorfeld des Konzertes wurde im I nternet ein Flyer veröffentlicht, der
die Veranstaltung als Solidaritätsveranstaltung für den im August 20 1 2 verbotenen
'Nationalen Widerstand Dortmund' auswies. Damit hätte es sich um die Fortfü hrung
der Aktivitäten einer verbotenen Organ isation gehandelt. Die Polizei löste daher das
Konzert, das in einer "Partyscheune" in Herne d urchgefü h rt werden sollte, auf. Zum
Zeitpunkt der Auflösung befanden sich ca. 350 Personen am Veranstaltungsort. Wäh­
rend der polizeilichen Maßnahme monierte der Veranstalter, dass es sich bei dem
Konzert um eine Veranstaltung der Partei 'Die Rechte' handeln würde. Zudem würde
der bekannt gewordene Flyer n icht von den Veranstaltern stammen und die Auflösung
des Konzertes sei somit n icht rechtmäßig. Als Antwort auf den beschriebenen Polizei­
einsatz rief die Partei zu einer Demonstration am 1 3 . J u l i 201 3 i n Dortmund auf. U nter
dem Motto "Keinen Tag länger mit euch - Polizeiwillkür gerichtlich a hnden, die Täter
abstrafen" sollte die Demonstration zeitgleich m it dem "Polizei-Tag N RW" abgehalten
und als Protest gegen die Konzertauflösung verstanden werden. Als Konsequenz aus
diesen Erfa h ru ngen wurden weitere Konzerte schon im Vorfeld ausdrücklich als Par­
teiveranstaltung ausgegeben . Ein weiteres g roß angelegtes Konzert sollte am 1 6. No­
vember 201 3 i n Dortmund stattfi nden. Beworben wurde die Veranstaltung erneut
mit szenebekannten Musikgruppen. Geplant waren Auftritte der Bands Die Lunikoff
RECHTSEXTREMISMUS
1 55
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Verschwörung, Sachsonia, Words of Anger und Klänge des Blutes. Um mögliche
polizeiliche Maßnahmen im Vorfeld zu erschweren, bezeichneten die Veranstalter
das Konzert in e rster Linie als Auftaktveranstaltung für den Kommunalwahlkampf des
Kreisverbandes Dortmund und nur i n zweiter Linie als Geburtstagsfeier des Kreisvor­
sitzenden.
Die von der Partei 'Die Rechte' organisierten Konzerte dienen mehreren Zwecken .
Z u m einen will m a n mit solchen Veranstaltungen e i nen finanziellen Gewin n erzielen.
Die erwirtschaftete Summe wird dann i n aller Regel wieder für die Aktivitäten der Sze­
ne genutzt. Zum anderen nutzen die Aktivisten d ie Konzerte auch zur Kontaktpflege
und der Möglichkeit, Personen, die sich grundsätzlich n icht für Parteiarbeit interessie­
ren, als Sympathisanten oder Unterstützer zu gewinnen.
Aktivitäten
Der Onlineversandhandel 'Antisem Versand' wird vom stellvertretenden Vorsitzen­
den des Landesverbandes N RW, Michael Brück, betrieben. N icht n u r der Name der
Webseite "antisem. it" weist provokativ auf seine ideologische E i nstellung h i n , auch
das Material verdeutlicht die Demokratiefeindschaft. I m Quellcode der Webseite ist
öffentlich einseh bar, dass die Webseite eine umprogrammierte Version des Online­
versandhandels 'Resistore' darstellt, den zu Beg inn Dennis G iemsch , der jetzige
Landesvorsitzende von 'Die Rechte' und Anführer der verbotenen Dortmu nder Ka­
meradschaft, betrieb. E s zeigt sich hier also auch h i nsichtlich der tech n ischen Inf­
rastruktur eine u ngebrochene Kontin uität von der Dortmu nder Kameradschaft zum
Kreisverband Dortmund. Dass diese Webseite m it der ausdrücklichen antisemitischen
Position ierung vom Betreiber von den M itg liedern der 'Die Rechte' so gewollt ist, sieht
man daran , dass er auf den dritten Platz der Landesliste für die Bundestagswah l 201 3
gewählt wurde.
Weiterh i n versucht die Partei i n N RW die bisherigen in der rechtsextremistischen Sze­
ne etablierten Demonstrationen fortzusetzen. Dazu zählen vor allem die Demonstra­
tionen in Stolberg im Apri l , die 1 . Mai-Demonstration in Dortmund sowie der nationale
Antikriegstag i m September i n Dortmund. Diese Aktivitäten d ienen auch daz u , den
F ü h rungsanspruch der ehemal igen Kameradschaftsfüh rer i nnerhalb der rechtsextre­
mistischen Szene in Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Bundesländern zu
u ntermauern.
1 56
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
I n den letzten Jahren führten Mitglieder der KAL einen sogenannten "Trauermarsch"
in Stolberg d u rch. Der Hintergrund ist eine Auseinandersetzung im Jahr 2008, bei
der das Opfer durch einen Messerstich getötet wurde. Das Gericht verurteilte den
Täter zu einer meh rjährigen Freiheitsstrafe. Die rechtsextremistische Szene versucht
entgegen der E rmittlungsergebnisse die Tat als politisch motiviert darzustellen. Es
wird darauf h i ngewiesen, dass der Täter einen Migrationshintergrund hat und das
Opfer ein vermeintlicher Sympathisant der rechtsextrem istischen Szene war. In die­
sem Sinne stellt die Szene das Opfer als "Märtyrer der Bewegung" dar. Für den April
20 1 3 hatte ein e hemaliges M itgl ied der KAL, E rstplatzierter auf der Landesliste der
Partei für die Bundestagswah l , eine Demonstration angemeldet. Auf der gemeinsa­
men Webseite der Kreisverbände Aachen und Heinsberg von 'Die Rechte' bekam der
"Tra uermarsch" eine eigene Rubrik, was dessen Bedeutung unterstreicht. Auch h ier
wird deutl ich, dass die beiden Kreisverbände der Partei 'Die Rechte' dazu dienen, die
Aktivitäten der KAL ungebrochen fortzusetzen.
Fazit und Ausblick
Der nord rhein-westfälische Landesverband und die Mehrzahl seiner Kreisverbände
stellten sowohl in ideologischer und personeller Hinsicht als auch bezüglich seiner
Aktivitäten eine Weiterfü hrung der verbotenen Kameradschaften dar. Der Landesver­
band N RW wird von den verbotenen Kameradschaftsstrukturen dominiert. So sind
der Landesvorstand und die Kreisvorstände Dortmund und Hamm nahezu identisch
mit den Füh rungsstrukturen der ehemaligen Kameradschaften Dortmund und Hamm.
Die bislang von den M itgliedern der verbotenen Kameradschaften organisierten Ver­
anstaltungen werden geschützt durch das Parteienprivileg als "Parteiveranstaltungen"
durchgeführt.
Da der Landesverband Nordrhein-Westfalen auch innerhalb der Gesamtpartei eine in­
haltlich und personell dominierende Rolle einnimmt, ist von einer zunehmenden , von
N RW ausgehenden, Radikalisierung der Partei auszugehen. Die alten DVU-Kader,
die die Partei u rsprünglich in erster Linie auffangen wollte, spielen schon jetzt inner­
halb der Partei so gut wie keine Rolle mehr. Um das Parteien privileg nicht zu gefä h r­
den , wird 'Die Rechte' einige parteitypische Aktivitäten aufnehmen und beispielsweise
bei anstehenden Wah len antreten, was d ie Parteienkonku rrenz im Rechtsextremis­
mus in Nord rhein-Westfalen verschärfen wird.
Darüber hinaus ist bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt festzustellen, dass sich ver­
einzelt Mitglieder der N P D der Partei 'Die Rechte' zuwende n . Dies lässt sich an den
RECHTSEXTREMISMUS
1 57
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Führu ngsstrukturen der Kreisverbände Rhein-Erft-Kreis und Mülheim a. d. Ruhr er­
ken nen. U nter Berücksichtigung des diskutierten N PD-Verbotsverfahrens muss davon
ausgegangen werden , dass die Partei 'Die Rechte' auch als Auffangbecken für M it­
glieder der N P D dienen könnte . Dies ist zum einen nach einem erfolgreichen Verbot
denkbar, jedoch auch schon vorab bei den Mitgliedern der N P D , die einem möglichen
Verbotsverfahren entgehen möchten oder aus Unzufriedenheit mit dem derzeitigen
"Kurs" der N P D ohnehin nach einer radikaleren Variante suchen .
3.2
Aktionsorientierter Rechtsextremismus
3.2. 1
Neonazis
Verfassungsfeindlichkeit und H intergrund
Die Neonazi-Szene ist d u rch ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozial ismus sowie
d u rch i h re Gewaltbereitschaft geken nzeichnet. Oftmals sind die lokalen Gru ppen in
sogenannten Kameradschaften organ isiert. I n Nordrhein-Westfalen hat das Ministe­
riu m für Inneres und Kommunales im Mai und August 201 2 gegen die vier aktivsten
Kameradschaften ein Verbot verfügt. Dies hat einen Strukturwandel in der Szene
ausgelöst. Nachdem das Verbot deren Aktivitäten zu nächst erheblich eindämmte, hat
sich inzwischen ein größerer Tei l der Führung u nd M itglieder der verbotenen Kame­
radschaften i n der Partei 'Die Rechte' reorganisiert, um nu nmehr u nter dem Schutz
des Parteienprivilegs die neonazistischen Aktivitäten wieder aufzunehmen.
Ziele und Ideologie der Neonazis
Tradition des historischen Nationalsozial ismus
Der Neonazismu s stellt sich i n die Tradition des h istorischen Nationalsozialismus mit
seinem staatlichen Elite- und Führerprinzip und knü pft teilweise an die NSDAP Adolf
H itlers an. Neonazis verfolgen die E rrichtung eines "Vierten Reiches" , basierend auf
den programmatischen Forderungen der NSDAP von 1 920. Ideologische G ru ndlage
ist ein rassenbiologisch geprägtes, völkisches Menschenbild, das m it kollektivisti­
schen Vorstellungen für einen autoritären Staatsaufbau einhergeht.
Eine der ideologischen Grundaussagen der NSDAP, die von Neonazis geteilt wird ,
lautet: "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur
1 58
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher
Volksgenosse sein " (25-Punkte Programm der N S DAP).
Der Einzelne wird vorrangig als Teil einer homogenen Volksgemei nschaft gesehen.
Dies sch ließt auch die Vorstellung von der Höherwertigkeit der eigenen "Rasse", der
M inderwertigkeit und dem Ausschl uss anderer "Rassen", m ithin die politische Be­
kämpfung jeglicher " Ü berfremdung" und "artfremder Einflüsse" ein. H inzu kommen
Vorstell ungen von einem antidemokratischen , autoritären Führerstaat mit einer Ein­
heitspartei sowie el itäre und zentral istische Elemente der Machtausübung.
Neonazismus umfasst dementsprechend alle Aktivitäten und Bestrebungen , die ein
offenes Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus darstellen und sich gegen
die freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere gegen Parlamentaris­
mus, Gewaltenteilung, Meh rparteiensystem, Ausübung der parlamentarischen Oppo­
sition u nd gegen die im G ru ndgesetz konkretisierten Menschenrechte richten. Zielrich­
tung des Neonazismus ist eindeutig d ie Beseitigung der bestehenden Rechtsordnung
bzw. der vorgenannten Verfassungsgru ndsätze.
Die u n m ittelbare Bezugnahme von Neonazis auf die NS-Ideologie lässt sich d u rch
Beispiele belegen . Sowohl i m Jahre 2009 als auch im J a h re 201 0 beendete ein füh­
render Neonazi aus Dortmund seine Rede anlässlich der Demonstrationen der rechts­
extrem istischen Szene zum sogenannten nationalen Antikriegstag mit einem Zitat aus
Adolf H itlers "Mein Kampf" (1 1 . Kapitel, "Volk und Rasse"):
"Meine Rede möchte ich mit einem Zitat eines Deutschen Politikers been­
den: 'Alles auf der Erde ist zu bessern. Jede Niederlage kann zum Vater
eines späteren Sieges werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer
späteren Erhebung, jede Not zur Befruchtung menschlicher Energie, und
aus jeder Unterdrückung vermögen die Kräfte zu einer neuen seelischen
Wiedergeburt zu kommen, solange das Blut rein erhalten bleibt'. "
Auch an lässlich der Demonstration zum sogenannten Antikriegstag im J a h r 20 1 1 in
Dortmund wurden d u rch einen der Organisatoren der Veranstaltung Aussagen mit
positivem Bezug auf den Nationalsozial ismus getroffen:
"Jeder Dortmunder Bürger weiß mittlerweile, dass am ersten September­
wochenende der nationale Widerstand auf die Straße geht, jeder Mensch
in Dortmund weiß, dass der Nationalsozialismus garantiert nicht mit dem
militärischen Ende des Deutschen Reiches 1 945 untergegangen ist, son-
RECHTSEXTREMISMUS
1 59
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
dem dass eine Idee nicht zerstörbar ist, eine Idee, die so untrennbar mit
dem Deutschen Volk verbunden ist".
Die völkisch-rassistisch geprägte Weltanschauung von Neonazis wird im nachfol­
genden Zitat deutl ich, welches auf der Webseite von Kölner Neonazis veröffentlicht
wurde:
"Der nationale Sozialismus ist zugleich Weltanschauung und Lebenshal­
tung [ . . . ) . Er geht vom Menschen in seiner biologischen Eigenart aus und
bemüht sich vorurteilslos um die Erkenntnis der Wirklichkeit mit Hilfe eines
biologischen, art- und naturgemäßen Denkens [ . . . ). Er hat es sich zum Ziel
gesetzt, eine Gemeinschaft von Menschen gleicher Art aufzubauen, deren
Grundlage nicht menschliche Dogmen und ideologische Wahnvorstellun­
gen sind, sondern die Gesetze des Lebens und der Natur Als biologische
Weltanschauung ist der nationale Sozialismus die Übertragung der Natur­
gesetze in die Welt, die Politik und Geschichte. "
Auch zur Holocaust-Leugnung gibt es Beispiele. So schrieb d ie i nzwischen verbotene
'Kameradschaft Aachener Land' auf i h rer damaligen Webseite:
"Er ist einer von unzähligen Revisionisten, die die systematische Säube­
rung von Juden in der Zeit des 11. WK [ Weltkriegs, Anm. der Red.) bestrei­
ten. Horst Mahler, einst antifaschistisches RAF-Mitglied, ist heute ein politi­
scher Soldat für die Erkämpfung der Wahrheit über den Holodingsbums. "
Freie Kameradschaften und F ü h rerpri nzip
Aufgrund der vereinsrechtlichen Verbote von neonazistischen Gruppierungen i n den
1 990er Jahren organisieren sich Teile der bundesweit etwa 5.000 Personen umfas­
sende Neonazi-Szene bewusst ohne unm ittelbare vereinsrechtliche Strukturen i n
sogenannten Freien Kameradschaften . Diese werden i n der Regel von e i n e r Füh­
rungsperson nach dem "Führerprinzip" geleitet. Die Aktivitäten sind langfristig ange­
legt. Es werden regelmäßige Kameradschaftstreffen abgehalten und die Mitglieder
der Gruppe fahren gemeinsam zu rechten Versammlungen. Wiederkehrend werden
größere Feiern ausgerichtet, zu denen Angehörige anderer Kameradschaften aus der
Region, aber auch Regionen übergreifend eingeladen werden, so dass d ie Kamerad­
schaften i n nerhalb der rechtsextremistischen Szene mitunter über das Bundesland
1 60
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
h i naus beka n nt sind. Hierbei ist der Stellenwert einer Kameradschaft i n hohem Maße
abhängig davon, welches Ansehen die Führungsperson genießt und über welche
Kontakte d iese verfügt.
Neben den Zusammenschlüssen zu Freien Kameradschaften finden sich auch struk­
turlose G ru ppen oder Zusammenschlüsse, die jedoch keine oder wenig regelmäßigen
Aktivitäten entfalten, keinen festen M itgl iederstamm haben und nur sporadisch auf
sich aufmerksam machen.
Aktionsformen der Neonazis - Autonome National isten
Seit etwa 2003, in Nordrhein-Westfalen etwa seit 2005,
ist i nnerhalb der neonazistischen Szene eine noch
deutlichere Abke h r von den eher traditionell geprägten
Strukturen festzustellen. M it dem Phänomen der Auto­
nomen National isten trat eine Aktionsform der Neona­
zis i n den Bl ickpunkt, die in i h rem Auftritt und Habitus
sowie i h rer Kleidung stark an linksextremistischen
Autonomen orientiert ist und sich der Stilelemente des
politischen Gegners bed ient. Letztlich wird versucht,
Logo der Autonomen
Nationalisten
klassische Themenfelder des Linksextremismus wie
beispielsweise Antikapita l ismus oder Antiglobal isie­
rung für eigene Zwecke und die eigene Propaganda
zu verei nnahmen. Dabei werden potentielle I nteressenten möglichst in ideologisch
undogmatischer Weise angesprochen, insbesondere auch per I nternet. Dort werden
Angebote u nter Verwendung von G raffiti- u nd Manga-Stil und sogar englischsprachi­
ger S logans eingestellt, die den U mgangston der J ugendlichen repräsentieren u nd
somit einen di rekteren Zugang ermögl ichen. Auffallend in dieser Szene ist der hohe
Anteil von Personen im Alter zwischen 16 u nd 23 J a h ren sowie eine hohe Fluktuation
innerhalb des Personenpotentials.
Wäh rend in der rechtsextrem istischen Szene etablierte Gruppierungen wie die N P D
oder d i e trad itionelle N eonazi-Szene mit i h ren Kameradschaften Schwierigkeiten
haben , junge Menschen zu erreichen, weil sie als rückwärtsgewandt und n icht am
Zeitgeist orientiert wah rgenommen werden, setzen die Autonomen Nationalisten dem
ein provokantes und selbstbewusstes Auftreten entgegen. Dies schl ießt auch ein
gewaltbejahendes Auftreten dort ein, wo ein vermeintliches Recht auf "Selbstverteidi­
gung" gegen angebliche staatliche Repression oder den politischen Gegner gesehen
RECHTSEXTREMISMUS
161
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
wird . Das bislang vorherrschende legalistische - also augenschein lich rechtskon­
forme - Verhalte n , welches insbesondere in der Öffentlichkeit besondere Recht­
streue vorspiegeln sol l , wird verstärkt durch eine kampfbereite Haltung e rsetzt, um
"aktionsorientierte" junge Menschen für die rechte Idee zu gewi nnen. I n nerhalb von
Demonstrationszügen von Rechtsextrem isten waren anfangs sogenannte "Schwarze Blöcke" als deutlich von den übrigen Teilnehmern abgrenzbarer Teil feststel l bar.
Zwischenzeitlich wird jedoch das neue Erscheinungsbild , bestehend aus schwarzen
Kapuzenjacke n , Sonnenbrillen und schwarzen Kappen , von fast allen Teilnehmern
bei Demonstrationen übernommen. Die vormals durch die Blockbildung feststel l bare
Abgrenzung Autonomer Nationalisten gegenüber anderen Teilnehmern ist aktuell n icht
mehr zu erkennen.
Eine eigene ideologische Ausrichtung dieser Neonazis ist aber nicht feststellbar.
Viel mehr sprechen eigene Veröffentl ichu ngen aus diesem Bereich von Autonomem
Nationalismus als eine neue Agitationsform . Beispiel h aft ist folgendes Zitat, welches
auf der Webseite einer bayerischen Neonazigruppierung 20 1 0 veröffentlicht wurde.
"Der Autonome Nationalismus bezeichnet eine Agitationsform, welche sich
die letzten Jahre innerhalb der nationalen Bewegung entwickelt hat. Eine
eigene Weltanschauung 0.Ä. ist mit AN nicht gemeint. Der Grundgedan­
ke ist eine Art 'do it yourself'-Aktivist, also jemand, welcher aktiv und vor
allem kreativ politische Arbeit betreibt, ohne sich an feste Organisationen
binden zu müssen. Dies hat zum einen den Vorteil, dass Strukturen, die
offiziell überhaupt nicht existieren, nicht verfolgt oder gar verboten werden
können, und zum anderen gibt es dem Aktivisten mehr Freiheit und darauf
aufbauend die Möglichkeit, seine eigene Kreativität in seine Aktivitäten
einfließen zu lassen. "
I m Sinne dieser selbst gegebenen C harakterisierung ist festzustellen, dass in den
letzten Jahre n eine Vielzahl von ortsbezogenen Gruppierungen u nter der Selbstbe­
zeichnung Autonome Nationalisten über das I nternet oder durch E inzelaktionen auf
sich aufmerksam machen. N icht in a l len Fällen verbirgt sich allerdings dahinter eine
real existierende G ruppierung, sondern die I n itiative von Einzelnen, die kaum eine
längerfristige Aktivität entfaltet und wenig Personen im Umfeld anspricht.
1 62
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Neonazis i n N RW
Im J a h r 20 1 3 waren etwa 650 Personen in der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen
aktiv. Die Zahl der rechtsextremistischen Aktivisten ist damit relativ konstant geblie­
ben. Allerdings waren in Folge der Kameradschaftsverbote des J a h res 20 1 2 deutliche
Veränderungen feststell bar; die Reaktionen in den Szenen reichten von der Auflösung
beziehungsweise dem Zerfall der Personenzusammenschlüsse über eine Lähmung
oder eine öffentlich wah rnehmbare Inaktivität der vormaligen Kameradschaften bis h i n
z u r Reorganisation d e r Führung und einem Teil d e r Mitglieder in nerhalb d e r i m J u n i
201 2 gegründeten Partei 'Die Rechte'. Damit einhergehend vollzogen sich weitere
Veränderungen in der Neonazi-Szene - weg von der recht klaren Trennung zwischen
parlamentsorientierten u nd aktionsorientierten Organisationsformen hin zu einer
Mischform. Dass sich damit bekennende "Nationale Sozialisten" - auch nach eigener
Wahrnehmung - in die Rolle von "Parteimitgliedern" begeben und scheinbar nach den
Regeln des i hnen verhassten und von i hnen bekämpften "Systems" handeln , dü rfte
taktisch bed ingt und als eine aus der Not der i hnen entzogenen Strukturen geborene
Konzessionsentscheidung zu werten sein.
Klagen gegen die Verbote
Gegen die Verbote der KAL u nd des NWDO wurden jeweils beim Oberverwaltungs­
gericht (OVG ) Münster Klage erhoben. Durch die Kameradschaften Köl n und Hamm
wurde keine Klage gegen die sie betreffenden Verei nsverbote erhoben .
Strafverfah ren wegen der Bildung einer kri m i nellen Vereinigung
'Freu ndeskreis Rade'
Im April 201 2 füh rten die Sicherheitsbehörden umfangreiche Durchsuchungsmaßnah­
men gegen Angehörige der neonazistischen Gruppierung 'Freundeskreis Rade' d u rch.
Dies betraf auch die lokale Geschäftsstelle von 'pro N RW'. Denn der Kern d ieser
kameradschaftsähnl ichen Gruppe engagierte sich zunächst parteipolitisch bei der
'Jugend pro N RW'. Ab 201 1 kamen dann die neonazistischen Aktivitäten h inzu . Die
G ruppe wuchs rasch an und radikalisierte sich i n kurzer Zeit. Sie suchte Anschl uss an
die neonazistische Szene i n Nordrhei n-Westfalen, insbesondere an die 'Nationalen
Sozialisten Wuppertal', und zeigte sich bei verschiedenen neonazistischen Demons­
trationen. Von Januar 201 1 bis März 201 2 verübten Angehörige des 'Freundeskreis
RECHTSEXTREMISMUS
1 63
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Rade' zah l reiche Gewalt- und Propagandadelikte , die rechtsextremistisch motiviert
ware n . Im Januar 201 4 verurteilte das Landgericht Köl n sechs M itglieder des 'Freun­
deskreis Rade' wegen der Bildung einer kri minellen Vereinigung. Demnach war der
Zweck der Gruppe darauf ausgerichtet, Straftaten zu begehen . Das U rteil ist bislang
noch n icht rechtskräftig. Ein siebtes M itgl ied verurteilte das Landgericht wegen ge­
fäh rlicher Körperverletzung. Mehrere Strafverfah ren gegen weitere Anhänger des
'Freundeskreis Rade' werden vorbereitet.
Nach der Razzia bei den Mitgliedern des ' F reundeskreis Rade' sind die Aktivitäten
der G ru ppe weitgehend zum E rl iegen gekommen. Einzelne M itgl ieder nahmen jedoch
weiterhi n an überregionalen neonazistischen Veranstaltungen tei l . Ende 20 1 3 wurden
wieder Flugblätter mit rechtsextremistischen Botschaften i n Radevormwald verteilt.
Die Verurteilung der wichtigsten Aktivisten dü rfte jedoch beim größeren Teil der G rup­
pe eine abschreckende Wirkung entfalten.
'Aktionsbüro M itte l rhein'
Vor dem Landgericht Koblenz sind seit August 20 1 2 26 Personen angeklagt, denen
vorgeworfen wird , als M itglieder oder Unterstützer des 'Aktionsbüro Mitte l rhein' eine
kriminelle Vereinigung gebi ldet zu haben. Zu den Angeklagten zäh len maßgebliche
Mitgl ieder der nord rhein-westfälischen Neonazi-Szene. Das 'Aktionsbüro Mittelrhein'
agierte als neonazistische Kameradschaft i m Norden von Rheinland-Pfalz. Zugleich
betrieb es gewissermaßen die "Geschäftsfüh ru ng" der 'Aktionsgru ppe Rheinland' ('AG
Rheinland'). Letztere war eine neonazistische Vernetzungsstruktur, i n der sich die
Kameradschaften u nd u nstrukturierten Szenen in den Bereichen Aache n , Düsseldorf,
Köln , Leverkusen , Pulheim, Solingen, Wuppertal , dem Rhein-Sieg-Kreis und nörd­
liches Rheinland-Pfalz zusammenschlossen. Auf dem "I nformationsportal der Akti­
onsgruppe Rheinland" hieß es dazu u nter der Ü berschrift "Aktiv werden : mitmachen
- an packen - handeln!": "Seit Mitte 2007 haben sich verschiedene nationale Gruppen
aus dem Rheinland zusammengeschlossen und leisten vereint Widerstand".
Bis März 201 2 agierten die Angehörigen dieser Szenen bei Versammlungen gemein­
sam und koordinierten sich u nter wechselnden Eigenbezeich nungen. Der Bereich
desse n , was als "das Rheinland" angesehen wi rd , scheint sich an dem Gebiet der al­
ten preußischen Rheinprovinz zu orientieren. Jedenfalls wurde seit 201 1 zunehmend
durch das M itfüh ren der Flagge der preu ßischen Rheinprovinz bei Veranstaltungen
oder das Tragen von einheitl ichen T-Sh i rts mit dem Aufd ruck des Wappens der Rhein­
provinz, Gesch lossenheit demonstriert.
1 64
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 20 1 3
Die Führu ngsmitgl ieder des 'Aktionsbüro M ittelrhein' wohnten gemeinsam i n einem
Haus in Bad-Neuenahr-Ahrweiler. Dort trafen sich die Führungsaktivisten der e inzel­
nen neonazistischen G ru ppierungen der 'AG Rheinland', um i h re Veranstaltungen zu
koordinieren u nd gemeinsame Aktivitäten zu planen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf
der sogenannten "Anti-Antifa-Arbeit". Damit ist die Bekämpfung der Autonomen Antifa
d u rch Bedrohu ngen und Gewalttaten gemeint. Das N etzwerk weitete diese Aktivitäten
auch auf andere Personen aus, die ebenfalls als politische Gegner a ngesehen wer­
den.
Nach den D u rchsuchungsmaßnah men und Verhaftungen im März 20 1 2 kamen die
Aktivitäten der 'AG Rheinland' weitgehend zum Erliegen. Einige Aktivisten scheinen
im Zuge des Gerichtsprozesses aus der neonazistischen Szene ausgestiegen zu
sei n , andere wiederum haben i h re Aktivitäten wieder aufgenommen . Bei der Demons­
tration der Partei 'Die Rechte' am 2 1 . September 20 1 3 i n Wuppertal war erstmals
wieder eine größere Gruppe mit den Rheinland-Fa hnen a ufgetreten . Zudem traten
e i n ige der Angeklagten bei Demonstrationen der Partei 'Die Rechte' oder der neo na­
zistischen Szene als Redner auf.
Die Neonazi-Szene i n N RW nach den Exekutivmaßnahmen
Nach den Verboten der vier i n Nord rhein-Westfalen aktiven Kameradschaften im
Jahr 20 1 2 sowie den eingeleiteten Strafverfah ren ist in der nord rhein-westfälischen
Neonazi-Szene eine g rundlegende Umstrukturierung festzustellen. Der Großteil der
von den Vereinsverboten betroffenen Neonazis ist i n die neu gegründete Partei 'Die
Rechte' eingetreten , i n der die Neonazi-Szene i h re Aktivitäten bei geringerer Mobili­
sierung fortsetzt. Die übrigen Angehörigen der neonazistischen Szene sind entweder
weiterhin in den örtl ichen n icht organ isierten Gruppierungen aktiv oder haben sich beeind ruckt von den Konsequenzen der Verbots- und Strafverfah ren - gänzl ich von
der Szene abgewandt.
U nabhängig von den in rechtsextremistischer H i nsicht regional bedeutsamen Ge­
bieten wie Dortmund, Hamm, Köln u nd Wuppertal bestehen in Nordrhei n-Westfalen
verschiedene kleinere Szenen, die vereinzelt d u rch örtliche Veranstaltungen und
Aktionen (z. B . Verteilaktionen rechtsextremistischer Flyer und Aufkleber, Organisation
sogenannter Heldengedenken, G raffitiaktionen, Schändungen jüdischer Friedhöfe
oder andere strafrechtlich relevante Taten ) aufgefallen sind.
RECHTSEXTREMISMUS
1 65
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Die aufgrund i h rer geringen Anhängerzah l wenig ausgeprägte Handlungsfähigkeit ver­
sucht man durch gelegentliche Kooperationen mit G ru ppierungen aus umliegenden
Gebieten oder durch Annäherung a n die Partei 'Die Rechte' wettzumachen. N eben
der obligatorischen Teilnahme a n Demonstrationen der Partei 'Die Rechte' ließ bei­
spielsweise eine Kleingruppierung eine Füh rungsperson der Partei auf i h ren Flugblät­
tern oder Broschüren als verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes zeich nen. Dies
zeigt den maßgeblichen Einfluss der Landesparteifü h rung der Partei 'Die Rechte' auf
den n ichtorganisierten aktionsorientierten Rechtsextremismus in N RW. Zur NPD in
Nord rhein-Westfalen h ingegen wah rt die Neonazi-Szene zuneh mend Distanz. Ausge­
nommen davon ist lediglich der Kreisverbandes U nna/Hamm der N P D .
3.2.2
Rechtsextremistische Skin heads
Entstehung und Entwicklung der Skin head-Szene
Die Skin head-Szene entstand Ende der 1 960er Jahre i n G roßbritannien. Jugendliche
aus der Arbeiterschicht begehrten gegen soziale M issstände und steigende Arbeits­
losigkeit infolge der zunehmenden Rationalisierung in der Industrie auf. I hre Zugehö­
rigkeit zur Subkultur dokumentierten Skin heads durch ihr Ä u ßeres : kah lgeschorene
Schädel, Bomberjacke n , schwere Arbeitsstiefel und Hosenträger. Die Aktivitäten der
Skinheads der ersten Generation waren weitgehend unpolitisch und beschrän kten
sich im Wesentl ichen auf Alkoholkonsum, den Besuch von Konzerten oder Fußball­
spielen und Gewalt. Die Skinhead-Szene vor a l lem i n Großbritannien machte zuneh­
mend mit i mmer härteren Gewaltexzessen von sich reden, und damit nahm auch der
gesellschaftliche und staatliche Druck auf die Subkultur zu. Dies hatte zur Folge, dass
die erste Skin head-Welle zu Begi n n der 1 970er Jahre verebbte.
Erst gegen Ende der 70er J a h re lebte die Skinhead-Kultur als Reaktion auf den kom­
merziellen Ausverkauf des in der Zwischenzeit entstandenen Punk auf. Kleidung,
Musik und Verhalten der ersten Skinhead-Generation wurden aufgegriffe n . Jedoch
fanden nun viele Jugendliche Zugang zu der S ubkultur, die vor allem d u rch die Ge­
walt a ngezogen wurden.
Die schlechte wirtschaftl iche Situation G roßbritann iens und die Verbindung der The­
men E inwanderung und feh lende Arbeitsplätze für Jugendliche lösten eine zuneh­
mende Politisierung dieser sogenannten Oi!-Bewegung aus, d ie d u rch die rechtsext­
remistische 'National Front' ( N F ) genutzt wurde. Ende der 1 970er J a h re breitete sich
1 66
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
die Skin head-Subkultur in Europa und in alle Welt aus. Seit der Wiedervereinigung ist
d iese Szene auch in Deutschland eine bedeutende Größe.
Gewalt und Dresscode
Nach wie vor n immt die Öffentlichkeit von der vielschichtigen Skinhead-Szene haupt­
sächl ich den starken rechtsextremistischen Flügel wahr, der sich nicht nur über sein
provozierendes Ä u ßeres und eine aggressive M usik definiert, sondern auch über neo­
nazistische Ideologieelemente. Anders als bei den Neonazis zeigen sich d iese nicht in
erster Linie i n einer primär ideologischen Argumentation, sondern auch in spontanen
gewalttätigen Aktionen .
Ä u ßerlichkeiten w i e Kleidung oder Haarschnitt lassen heute allerdings keine
ei ndeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu. Einerseits
gibt es viele unpolitische J ugendliche, die ein vermeintlich Skinhead-typisches Aus­
sehen zeigen, ohne dem rechtsextremistischen Teil der Szene anzugehöre n . Diese
J ugendlichen fühlen sich dem unpolitischen Teil der Skin head-Bewegung - den soge­
nannten Oi!-Skins zugehörig - dem größeren Teil der Szene. Andere rseits verlieren
die altbekannten Dresscodes seit ein igen Jahren immer mehr an Bedeutu ng. I n sbe­
sondere für den rechtsextremistischen Teil der Skin head-Szene ist es im Alltag ein­
facher, nicht d u rch offensichtliches Tragen von einschlägig bekannten Zeichen oder
Haarschnitten eine politische Zuordnung möglich zu machen.
Skinhead-Zusammensch lüsse i n N RW
I nsgesamt ist der Skin head-Szene eine straffe Organisationsstruktur fremd. Auch die
Bemü hungen von 'Blood & Honour', 'Combat 1 8' oder der 'Hammerskins' haben bis­
lang n icht zu festen Strukturen geführt. Zusammenschlüsse innerhalb der Skin head­
Szene - soweit es sie g i bt - haben in erster Linie einen engen regionalen Bezug und
bestehen aus einer losen Verbindung der örtlich ansässigen Skin heads. Ü berwiegend
finden keine regelmäßigen und organisierten Veranstaltungen statt, wie es im Bereich
der Kameradschaften üblich ist. Vielmehr gibt es anlassbezogene Treffen, gemeinsa­
me Besuche von Musikveranstaltungen und Partys zu unterschiedlichen Gelegenhei­
ten . Die Einbindung i n eine solche regionale Gruppe schließt Aktivitäten in anderen
organisierten Zusammenhängen n icht aus, ist aber n icht Vora ussetzung, um einen
Zugang zur rechtsextremistischen Szene zu erhalte n . Vereinzelt verfügen Skin head­
Bands über ein stabiles Fanpotenzial, welches sich regelmäßig trifft oder mit der Band
RECHTSEXTREMISMUS
1 67
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
zu deren Auftritten unterwegs ist und Saalschutz-Aufgaben übernimmt. Diese Fan­
gruppe setzt sich üblicherweise aus Personen des Band-U mfeldes oder auch guten
Bekannten mit Bezug zur rechtsextremistischen Szene zusammen.
'Blood & Honour', 'Combat 1 8' und 'Hammerskins' i n N RW
'Blood & Honour' ist eine weltweit aktive Skinhead-Bewegung, die von lan Stuart
Donaldson in England gegründet wurde. Die deutsche Sektion der Organ isation , die
versuchte, d ie Skin head-Szene d u rch neonazistische Musik politisch zu beeinflussen,
wurde im September 2000 d u rch das Bundesministerium des I nnern verboten , nach­
dem festgestellt wurde, dass sich i h re Aktivitäten gegen die verfassungsmäßige Ord­
nung und den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die Verbotsverfügung ist
seit dem 1 3. J u n i 2001 rechtskräftig . Die i mmer noch existenten verschiedenen aus­
ländischen 'Blood & Honour'-Strukturen sind dadurch n icht beeinträchtigt, da weitere
Verbote im benachbarten Ausland ausgeblieben sind.
Für Nordrhein-Westfalen liegen derzeit keine gesicherten E rkenntnisse über die Fort­
füh rung der verbotenen Organisation vor. G leichwohl ist davon auszugehe n , dass
persönliche Kontakte und Freundschaften der damaligen 'Blood & Honour'-Mitglieder
weiter fortbestehen und einzelne Anhänger nach wie vor aktiv sind. Feste dauerhafte
Organisationsstrukturen sind i n N RW aber nicht erkennbar.
'Blood & Honour'-Konzerte finden vorwiegend i n den N iederlanden, Belgien und der
Schweiz statt. Daneben wird i n G roßbritannien jährl ich i n zeitlicher Nähe zum Todes­
tag ein Gedenkkonzert für den am 23. September 1 993 verstorbenen lan Stuart 00naldson organisiert ( I S O Memorial ) .
Die Organisation 'Combat 1 8' g ilt als "bewaffneter Arm" von 'Blood & Honour'. S i e
wurde Anfang der 1 990er Jahre als Schutztruppe gegen Ü bergriffe linker Gewalttäter
in England gegründet. "Combat" bedeutet Gefecht, d ie Zah l 1 8 im Namen der Gru ppe
steht für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets (A und H), die I n itialen
Adolf Hitlers. Einer der Slogans von 'Combat 1 8' lautet: ,,white revol ution is the only
solution" ("Weisse Revolution ist die einzige Lösung").
Nach dem U nfalltod lan Stuart Donaldsons kam es zu weitreichenden Zerwü rfnissen
unter seinen potentiellen Nachfolgern. Mitglieder von 'Combat 1 8' übernahmen zu neh­
mend die Führung bei 'Blood & Honour'. Auch wenn d ie Bedeutu ng von 'Combat 1 8'
aufgrund geringer M itgliederzahlen inzwischen erheblich gesunken ist, zeigen einzel-
1 68
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
ne Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen eine gewisse
Faszination für 'Combat 1 8' . Die Verwendung dieses Begriffes ist offensichtlich mit
einem hohen Ansehen i n der rechtsextrem istischen Skin head-Szene verbunden und
erfolgt daher wahrscheinl ich mit dem Ziel, sich selbst aufzuwerten . Erkennbare ver­
festigte Strukturen liegen in N RW aber nicht vor.
Internet-$tartseite mit Verlinkungen zu verschiedenen Gruppierungen
Ein weiteres internationales Skinhead-Netz, die 'Hammerskins', wurde M itte der
1 980er Jahre in den USA gegründet. 'Hammerskins' sind i n vielen Ländern mit "Di­
visionen" vertreten (zum Beispiel ' Hammerskin Division Deutsch land'). Durch i h re
Unterteilung innerhalb der einzelnen Länder in sogenannte "Chapter" sind sie fester
struktu riert als 'Blood & Honour'. E rklärtes Ziel der 'Hammerskins' ist es, weltweit alle
weißen und rechtsextremistischen Skinheads i n einer "Hammerskin-Nation" zu verei­
n igen . 'Hammerskins' vertreten rassistische Grundei nsteIlungen und betrachten sich
selbst als El ite der Skinhead-Beweg ung. I n Nordrhein-Westfalen sind zwar auch im
vergangenen Jahr einzelne Aktivitäten im Zusammenhang m it 'Hammerskins' bekannt
geworden, jedoch liegen derzeit keine gesicherten E rkenntnisse über die Existenz
einer 'Hammerskin'-Organisation in N RW vor.
RECHTSEXTREMISMUS
1 69
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Fazit und Ausblick
Jugendliche Subkulturen befi nden sich i n einem ständigen Wandel. Die rechtsextre­
mistische Skinhead-Szene befindet sich seit J a h ren im Abschwu ng. Das I mage ist
schlecht und sie gelten bei J ugendlichen als überholte und u nattraktive J ugendkultur.
Zugleich machen andere rechtsextremistische Jugendkulture n , i n N RW vor allem die
Autonomen National iste n , den Skinheads erfolgreich Konkurrenz. I nsofern bleibt der
Nachwuchs aus. Zudem verlassen immer wieder ältere Protagonisten die Skinhead­
Szene. Diese legen zwar nicht u mgehend ihre rechtsextrem istischen Einstell ungen
ab, trotzdem verliert die Szene damit i h re Größe und ihren i nneren Zusammenhalt.
Dafür spricht auch deren seit mehreren J a h ren zu konstatierende Organ isations­
schwäche. Allein gelegentliche Konzerte in N RW und i n angrenzenden Bu ndeslän­
dern bzw. im angrenzenden Ausland schaffen Events, an denen sich die Szene i hrer
selbst vergewissert.
3.3
Rechtsextrem istische Musi k-Szene
Die rechtsextremistische Szene - wie auch jede andere S ubkultur - wird von szen­
einternen Medien geprägt. H ierzu gehören insbesondere rechtsextremistische Mu­
sikgruppen, Versandhändler oder auch sogenannte Fanzines. Diese fungieren als
wichtige und identitätsstiftende Elemente, u nter anderem wirken sie als I ntegrations­
und Aggressionsfaktore n . Dass i nsbesondere Musik als Medium für die ideologische
Beeinfl ussung von Jugendlichen verwandt werden soll und kann, wird bereits in einem
Zitat des Briten lan Stuart Donaldson (auch als lan Stuart bekannt) deutlich:
,,[Musik] berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht
werden. Viele finden die Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was
teilweise stimmt. Es ist doch viel angenehmer, mit anderen ein Konzert
zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine politische Versammlung zu
gehen. "
M u s i kalische Vielfalt in der rechtsextremistischen Erlebniswelt
Gru ndsätzlich kann die rechtsextrem istische Musik-Szene in verschiedene Strömun­
gen u nterteilt werden. Zu den gängigsten Formen der musikal ischen Darstellung zäh­
len unter anderem die i n der Presse als "Rechtsrock" bezeichnete M usikrichtu ng, die
i h ren Ursprung in der Skin head-Szene hat, sogenan nte Lieder- und Balladenabende,
1 70
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
die "National Socialist Black Metai" ( N S B M)-Bewegung und den in letzter Zeit aufge­
kommenen "Nationalen Rap". Die bedeutendste Form der musikalischen Darbietung
stellt weiterhin die Variante des Skinhead- oder Rechtsrock dar. Hierbei stehen wei­
testgehend hart gespielte G itarrenakkorde und lauter, nahezu geschriener Gesang
im Vordergrund, der beim neutralen Zuhörer als aggressiv aufgefasst werden kan n .
Bands, die diese Art von Musik spielen , treten regelmäßig auf äu ßerst konspi rativ
geplanten Konzertveranstaltungen auf.
Szenebekannte Bands aus Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise Oidoxie, Weisse Wölfe oder Division Germania bezieh u ngsweise überregionale Bands aus ganz
Deutsch land wie zum Beispiel Words of Anger oder Die Lunikoff Verschwörung haben
sich über Jahre einen Namen in der Szene erspielt. Dies füh rt dazu , dass Veranstal­
tungen , die m it solchen Bands beworben werden, auf g roße Resonanz u nd damit auf
reges I nteresse in der Szene stoßen . Dies ist zunächst auf die Musik zurückzufü hren.
Allerdings spielen neben dem I nteresse a n Musik weitere Aspekte eine Rolle. Die
erfolgreiche Verhi nderung von Konzerten durch die Sicherheitsbehörden hat oft direk­
te fi nanzielle Auswirkungen. Daher erfolgt d ie Vorbereitung solcher Events teilweise
konspirativ. Damit wird seitens der Veranstalter versucht, den Sicherheitsbehörden
keine Gelegen heit zu gebe n , geplante Veranstaltungen zu verbieten oder aufzulöse n .
Diese Vorgehensweise dient d e r Szene auch als E rken nungsmerkmal und weckt
d ie Neugier und Abenteuerlust. Am eigentlichen Veranstaltungsort stehen neben der
Musik dann das Treffen Gleichgesin nter, der Konsum von Alkohol, eine spezielle Art
des Tanzens, der sogenannte "Pogo", und teilweise das Verbreiten und Ausleben
Cover der CD " Wutbürger" der rechtsextremistischen Bands Weisse Wölfe und Oidoxie
RECHTSEXTREMISMUS
1 71
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
rechtsextremistischer Propaganda im Vordergru nd. Der besondere Reiz gerade für
jugendliche Teilnehmer, die neugierig auf die Szene sind, l iegt üblicherweise dari n ,
etwas Verbotenes oder sozial U nerwünschtes z u erleben .
Die auf den Konzerten gespielten Lieder werden teilweise m it einer besonderen Art
der Darstellung (zu m Beispiel Zeigen des H itlergrußes, Sieg-Heil-Rufe, Schwenken der Reichskriegsflagge) zur ideologisch-propagandistischen I nteraktion m it der
Zuhörerschaft vorgetragen. Darüber hinaus spielen die Bands neben aktuellen , oft­
mals d u rch "verschärfte" Passagen angereicherte Stücke, auch indizierte Lieder, die
innerhalb der Szene bestens bekannt sind. Für eine strafrechtliche Verfolgung der
beschriebenen Handlungen fehlt es aber regelmäßig an einer dafür erforderl ichen
Außenwirkung. Hauptziel der Veranstalter solcher groß angelegter Konzerte ist es,
Gewinn zu erwirtschaften. Dies gilt i n der Regel auch für die auftretenden Musikgrup­
pen. Diese bieten i h re Tonträger, T-Shirts und sonstigen Merchandising-Artikel oftmals
an eigens h ierfür erstellten Verkaufsständen a n . Der Verkauf dieser Utensilien trägt
zur Fi nanzierung der Bands mit bei.
I m Gegensatz zu den meist rocklastigen , auf Gewinn ausgelegten Konzerten dienen
Bal laden- oder Liederabende dazu, einen eher kleineren Teilneh merkreis anzuspre­
chen. Häufig werden solche Veranstaltungen von Parteiverbänden oder Freien Ka­
meradschaften m it dem Ziel organisiert und d u rchgeführt, das Gemeinschaftsgefüh l
zu stärken. Bei d e n musikalischen Darbietungen handelt es sich zumeist um einen
Sänger mit G itarre, der eher ruhige Stücke p räsentiert.
Aufgrund des kommerziellen Erfolgs der M u sikrichtung "Rap" haben sich zwischen­
zeitlich auch Tendenzen i n den Bereich des sogenan nten "Nationalen Rap" entwickelt.
H ierbei handelt es sich um eine Abwandlung des deutschen Sprechgesangs, der von
Rechtsextremisten nunmeh r genutzt wird, um gezielt Jugendliche anzusprechen. Die
Texte werden bewusst agg ressiv, kämpferisch und teilweise rechtsextremistisch abge­
fasst, um größtmögl iche Aufmerksamkeit zu erlangen. I n Nordrhein-Westfalen ist h ier
i nsbesondere der Sänger MaKss Damage zu nennen . I m J a h r 201 3 veröffentlichte
er mehrere Lieder, zumeist im I nternet. Im Zuge einer Demonstration der Partei 'Die
Rechte' am 2 1 . September 20 1 3 i n Wuppertal verfasste MaKss Damage einen soge­
nan nten "Mob i-Track". M it dem Lied warben die Organisationen ein ige Tage für i h re
Demonstration. Sie veröffentlichten es auf ihrer Webseite m it dem Zusatz "Kommt alle
zur Schlacht von Wuppertal". Die aggressiv-kämpferische Art des Musikstücks geht
aus dem Text hervor, in dem es u nter anderem heißt:
1 72
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Abbildungen aus dem Mobi­
lisierungsvideo " Tränengas­
dusche" von MaKss Damage
"Ihr seid zum Glück bald tot / dann übernehmen wir das Ruder [ . . . ]
wir machen weiter und weiter / bis Euer Blut in unsere Wupper fließt".
Musik als rechtsextremistisches Propagandamittel
Ü ber die Musik versucht die rechtsextrem istische Szene sowohl auf ideologisch
I nteressierte als auch erlebnisorientierte Mitglieder und Sympath isanten E influss zu
nehmen. Die Texte d ienen h ierbei als Transportmittel fü r rechtsextrem istisches Ge­
dankengut. Rechtsextrem istische Musik d ient dem Zusammen halt i n der Szene und
RECHTSEXTREMISMUS
1 73
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
sorgt für eine Festigung der Ideolog ie. Gleichzeitig wird sie als Lockmittel zur Nach­
wuchswerbung eingesetzt. I nsbesondere mit der kosten losen Verteilung sogenannter
"Schu l hof-CDs" a n Schüler und J ugendl iche versucht die rechtsextremistische Szene
immer wieder, diese häufig ideologisch noch nicht gefestigte Zielgruppe zum Ei nstieg
in die rechtsextremistische Szene zu verleite n . Zusam men mit zusätzlichen über
Computer lesbare Daten beinhalten ei n ige CDs weitere rechtsextremistisch geprägte
I n halte und Kontaktadressen lokaler und regionaler rechtsextremistischer Gruppierun­
gen. M it fi nanzieller und logistischer U nterstützung tragen rechtsextremistische Musik­
vertriebe regelmäßig zur Realisierung der Produktion der Tonträger bei.
Musikveranstaltungen i n N RW
Im J a h r 20 1 3 konnten in Nordrhein-Westfalen sechs Konzerte, acht Lieder- bzw.
Balladenabende und eine sonstige rechtsextremistische Veranstaltungen mit Musik
festgestel lt werden. Mit einer Gesamtzah l von 15 haben sich die festgestel lten Mu­
sikveranstaltungen im Vergleich zum Vorjahr damit erhöht (201 2 : acht). Die E rhö­
hung der Zahlen ist unter anderem darauf zu rückzufü h re n , dass insgesamt fünf der
Veranstaltungen als Parteiveranstaltungen der NPD beziehungsweise der Partei 'Die
Rechte' deklariert und d u rchgefü h rt wurden . Eines der mitgezählten Konzerte löste
die Polizei auf.
I n den zurückliegenden Jahren hat sich die Organ isation von Musikveranstaltungen
gewandelt. Früher organisierten nahezu ausschließlich M itgl ieder der rechtsextremis­
tischen Skinhead-Musik-Szene Konzerte. N unmehr versuchen auch Personen aus
dem erweiterten Neonazi-Spektru m , i nsbesondere aber auch die im Jahr 20 1 2 neu
gegründete Partei 'Die Rechte' h ier Fuß zu fassen m it dem Ziel, d u rch die erwarte­
ten Ei nnahmen eigene Aktivitäten zu finanzieren. N eben dem fi nanziellen Aspekt ist
für die Partei 'Die Rechte' zusätzlich von I nteresse, einen möglichst großen Adres­
satenkreis an G leichgesinnten zu erreichen. Im Vorfeld der Bundestagswahl 20 1 3
benötigte der Landesverband N RW 2 . 000 Unterstützeruntersch riften , um überhau pt
an der Wahl tei lneh men zu dürfen . M it einem musikalischen Großereignis, wie dem
von der Partei am 6. J u l i 201 3 geplanten Konzert i n Herne, lassen sich kurzfristig
Personen mobilisiere n , die sich bei einer gelungenen Veranstaltung auch dazu bereit
erkläre n , U nterstützungsu ntersch riften zu leiste n , obwohl sie g rundsätzl ich n icht an
Parteiarbeit interessiert sind. Genau dies ist der G rund, warum die Partei 'Die Rechte'
dieses Konzert zu nächst nicht als Parteiveranstaltung deklarierte, sondern vielmehr
als "Fete" ankündigte. Ein für den 1 6 . November 201 3 geplantes Konzert wurde nach
1 74
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
der polizeil ichen Auflösung der ersten Veranstaltung dann allerdings auch öffentlich
als Parteiveranstaltung, nämlich als Wah lkampfauftakt der Partei 'Die Rechte' KV
Dortmund, beworben , al lerd ings m it dem Zusatz "Geburtstagsfeier Siggi Borchardt".
Der Hinweis auf d ie Geburtstagsfeier sollte dazu d ienen, Personen , die sich nicht für
parteipolitische Aktivitäten interessieren anzusprechen und zu der Veranstaltung zu
locken. E rkennbar ist, dass die Partei 'Die Rechte' m it deutlich größerem Zuspruch bei
Konzertveranstaltungen als bei den von ihr angemeldeten Demonstrationen rechnet.
Für das wie immer konspirativ vorbereitete Konzert am 1 6. November 201 3 kalku lier­
ten die Organisatoren mit einer Teilnehme rzahl zwischen 800 und 1 . 000 Personen .
Durch das Verbot der N utzung der vorgesehenen Halle und die damit verbundene
Verlagerung in ein a nderes Bundesland konnten sie die avisierten Einnahmen nicht
erzielen . Die räumliche Verlagerung der Veranstaltung bedeutete auch , dass d ie kom­
munalpolitische Wirkung in Dortmund n icht erreicht werden konnte. Den noch fü h rten
die Organ isatoren die Veranstaltung d u rch . Dies lässt den Schluss zu , dass die wi rt­
schaftlichen I nteressen im Mittelpunkt standen .
Neben den beiden - offensichtlich auf Gewinnerzielung - ausgelegten Konzerten
führten sowohl die N P D als auch die Partei 'Die Rechte' Lieder-/Baliadenabende
durch . Der Oberhausener Kreisverband der NPD veranstaltete einen solchen Abend
mit dem Liedermacher Frank Rennicke, die Kreisverbände der Partei 'Die Rechte' in
Aachen und Heinsberg sowie i n Dortmund organ isierten jeweils eine solche Musikver­
anstaltung m it dem Frontmann der Szeneband Die Lunikoff Verschwörung, M ichael
"Lunikoff" Regener. Beide M usiker sind i n der rechtsextremistischen Szene ä u ßerst
bekannt und dienen zumeist als Publikumsmagnete. Speziel l Regener verehrt man in
der Szene quasi als Märtyrer. Seine frühere Band Landser wurde als kriminelle Verei­
n igung eingestuft und verbote n . Im Gegensatz zu seinen damal igen M itstreitern, die
umfassend vor Gericht aussagte n , um einer Haftstrafe zu entgehen, schwieg Regener
vor Gericht und saß die gegen ihn verhängte Haftstrafe ab. Dies förderte sein I mage
i n der rechtsextremistischen Szene. Denn diese propagiert, nicht m it Behörden des
verhassten Systems zusam menzuarbeiten. Seine rechtsextrem istische Gesinnung
hat sich d u rch die Haftstrafe nicht geändert.
Abgesehen von den beiden geplanten und teilweise auch d urchgefüh rten relativ
großen Konzerten der Partei 'Die Rechte' verliefen die übrigen Veranstaltungen weit­
gehend im kleinen Rahmen und zumeist ohne überregionale Mobilisierung. Grund­
sätzlich stellt die Ausrichtu ng rechtsextremistischer Konzerte keine lukrative Finanzie­
rungsq uelle für die Szene dar, da stets das Risiko gegeben ist, dass die Sicherheits­
behörden die geplante Veranstaltung untersagen oder auflösen . Da die Veranstalter in
RECHTSEXTREMISMUS
1 75
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
der Regel i n Vorleistung treten müssen , führen unterbundene Konzerte zu finanziellen
Verluste n . Gewinne erzielen die Organisatore n , wenn sie die Veranstaltung wie ge­
plant realisieren kön nen u nd i h nen eine nennenswerte überregionale Mobilisierung
gel ingt. Dabei müssen die Besucher für die Teil nahme an dem Ereignis mitu nter weite
Anfah rten auf sich nehmen u nd bereit sein, gelegentlich hohe E intrittspreise zu ent­
richte n .
Musikveranstaltungen außerhalb v o n N RW
Rechtsextremisten aus N RW besuchen ebenso Musikveranstaltungen in anderen
Bundesländern . I m Jahr 20 1 3 nahmen an etwa 20 d u rchgeführten Konzerten und
Lieder- bzw. Balladenabenden im Bu ndesgebiet Bands oder Teilnehmer aus N RW
tei l . Im Verg leich zum Vorjahr (25 Veranstaltungen m it N RW-Beteiligung) hat sich
die Anzahl der Veranstaltungen m it Beteiligung aus Nord rhein-Westfalen somit leicht
verri ngert.
U m möglichen Verboten oder Auflösungen der Veranstaltungen zu entgehen , werden
nach wie vor auch Konzerte im benachbarten Ausland durchgeführt und wahrgenom­
men, i nsbesondere weil die dortige Rechtslage die Durchführung derartiger Veran­
staltungen erleichtert. Zu nennen sind h ier u nter anderem die N i ederlande, Belgien ,
Frankreich , Italien, Polen, Portugal , Slowakei , Slowenien und U ngarn .
Rechtsextremistische Bands in N RW
Auch im Jahr 201 3 waren etwa 20 namentlich bekannte und der rechtsextremisti­
schen Musik-Szene zuzurechnende Musikgruppen beziehungsweise Musike r aktiv.
Dabei sind Bands, die mit Auftritten und CD-Veröffentlichungen aktiv in der Szene
tätig sind - hier sind Bandmitglieder zum Tei l in rechtsextremistischen Organ isationen
eingebunden -, von den Bands zu u nterscheiden, die sich als reine Studio-Projekte
verstehen und keine Auftritte absolviere n . Außerdem ist in der recht unsteten und
sch nelllebigen Musik-Szene die Auflösung und Neugründung von Bands und das
Betreiben von Nebenprojekten a n der Tagesordnung, so dass hier eine ständige Be­
wegung herrscht. Eine kontinu ierliche u nd langjährige Aktivität i n Nordrhei n-Westfalen
kann nur bei wenigen Bands festgestel lt werden . Andere zeigen sporadische Aktivitä­
ten mit längeren Phasen der U ntätigkeit.
Neuerscheinungen von Tonträgern sind nach wie vor eine Einnahmequelle für rechts­
extremistische Musi kproduktionen. Neben der u rsprünglichen C D-Veröffentl ichung
1 76
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
nutzen einige Musiker auch verstärkt das I nternet u m i h re Musik zu verbreite n . Die
Möglichkeit, sich anonym ganze Alben i n nerhalb kü rzester Zeit als M P 3 auf den Com­
puter laden zu können, hat n icht nur für die Käufer Vorteile. Beispielsweise entfällt für
die Bands das Pressen der CDs oder die Gestaltung der CD-Cover. Darüber hinaus
nutzen Rechtsextremisten I nternetportale wie "YouTube" oder "Myspace" auch als
Werbeplattform. N ichtsdestotrotz werden weiterhi n aber auch C Ds mit rechtsextremis­
tischer Musik produziert - im Jahr 20 1 3 auch von nord rhein-westfäl ischen Bands. Als
Beispiele seien an d ieser Stelle u nter anderem die Spl it-CDs "Brüder i m Kampf und
Brüder im Glauben" der Bands Wutbürger und Oidoxie sowie E u ropäischer Traum 2
der Formationen Sleipnir und Sturmwe h r zu nennen.
Es sind ein gewisser Wandel und eine gestiegene Akzeptanz untereinander i n der
Szene erkennba r. Dies zeigt sich unter anderem an der Bildersprache auf den Co­
vern. Waren früher häufiger Bilder auf den Covern , die dem Skinheadstyle der An­
hängerschaft Rech nung trugen , entspricht die heutige Bildästhetik oftmals dem Stil
der Autonomen National isten. Beispielhaft sei auf die Dortmunder Band Oidoxie ver­
wiesen . Diese stammt aus der rechtsextremistischen Skinhead-Szene und zeigte auf
dem Cover der CD "We i ß und Rein" aus dem J a h r 2001 einen Skin head vor einem
Keltenkreuz. Letzteres ist i n der rechtsextrem istischen Szene populär, weil es i n ab­
gewandelter Form die verbotene 'Vol kssozialistischen Bewegung Deutsch lands/Partei
der Arbeit' (VSBD/PdA) verwendete. Auf dem aktuellen Cover der Split-CD "Brüder i m
Kampf und Brüder i m Glauben" von Oidoxie und Wutbürger h i ngegen steht i m Vorder­
grund eine vermummte Person im Stil der Autonomen National iste n .
Rechtsextremistische Lied-Texte
Die Bands lassen die Texte der Lieder oftmals vor der Veröffentl ichung von einem
Rechtsanwalt auf verbotene I n halte überprüfe n , u m nicht Gefa h r zu laufen, dass die
CDs verboten werden , beziehungsweise die Bundesprüfstelle für j ugendgefä h rdende
Medien diese ind iziert und damit die Verbreitung erschwert. Die rechtsextremistischen
Aussagen sind übl icherweise den noch eindeutig. I n älteren Musikstücken wie zum
Beispiel "Geboren in der BRD" der Band Sleipnir heißt es im Refrain des Liedes:
"Ich bin geboren in der BRO / ich hasse dieses System / ich schwimme
dagegen an".
RECHTSEXTREMISMUS
1 77
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Der Text zeigt die Fei ndschaft gegenüber dem demokratischen Deutschland und macht
das Ziel deutl ich, die Abschaffu ng des demokratischen Systems. Gleiches gilt für das
Lied "Roh und hart" der Band, Oidoxie, in dem es u nter anderem heißt:
" Wir haben den Weg des Widerstands gewählt [ . . . ]
Gott vergibt, wir tun es nicht".
Aus d iesen Textzeilen ergibt sich , dass die Auseinandersetzung um unterschiedliche
politische Vorstellu ngen nicht im demokratischen Diskurs erfolgen sol l , sondern man
sich im Kampf gegen das demokratische System wähnt, was auch die Anwendung
von Gewalt legitimiert. Die rechtsextrem istische Gesinnung bringt die Band auch im
Song "Unbelehrbar" zum Ausdruck. Dort heißt es:
"Ein nationaler Sozialist / Niemals von seinem Weg weicht / Und sein gan­
zes Leben steht / im Kampf für das Reich ".
An dieser Stelle ist der Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie erkennbar. Es wird
der Kampf für das "Reich" propagiert, womit eine Fortführung des 3. Reichs unter
Adolf H itler gemeint ist.
Auch die Band Wutbürger, die mit Oidoxie zusammen die CD "Brüder im Kampf u nd
Brüder im Glauben" produziert hat, singt rechtsextremistische Lieder. Als Textbeispiel
sei hier der Refrain des Liedes "Am fernen Horizont" genannt. Dieser bezieht sich
e indeutig auf die Ausdehnung Deutschlands im 3 . Reich.
"Kamerad so lauf mit uns, im gleichen Schritte hinterher, schnell empor zu
alten Grenzen, Tradition und noch viel mehr! Über Berge, Wiesen, Wälder
zieht es uns den Ahnen gleich - und am fernen Horizont weht die Fahne
unseres deutschen Reichs. "
In einem anderen Lied nimmt Wutbürger Bezug auf die in Deutsch land seit geraumer
Zeit verbotene Skin head-Struktur 'Blood & Honour'. Durch subtile Verwendung eines
Zahlencodes sowie der Textzeile "Und mein Arm zeigt Richtung Sonne - Nein! Ich
lass mich nicht belehr'n", womit der verbotene H itlerg ruß gemeint ist, offenbart sie d ie
rechtsextrem istische Gesinnung. Die ausgewählten Textzeilen zeigen die ideolog i­
schen Ähnlichkeiten der beiden Bands. Auch der Aufruf zum Kampf gegen das Sys­
tem verbindet die Musikg ruppen.
1 78
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Rechtsextrem istische Vertriebe
Die Vertriebswege rechtsextremistischer Tonträger sind vielfältig. Einerseits bauen
viele Bands bei Auftritten eigene Verkaufsstände auf, an denen neben T-Shirts auch
d ie Tonträger erworben werden kön nen. Darüber hinaus existieren Szeneläden die
Tonträger verkaufe n . In Nord rhein-Westfalen waren im Jahr 201 3 zehn (20 1 2 : neun)
Vertriebe aus der rechtsextremistischen Musik-Szene aktiv. Sämtliche in Nord rhein­
Westfalen ansässigen Händler sowie ein Großteil der in den anderen Bundesländern
aktiven Anbieter n utzen weiterh i n das I nternet als Handelsplattform. Die virtuelle
Verkaufsform hat sich bei rechtsextremistischen Vertrieben aus meh reren Gründen
durchgesetzt. Neben wirtschaftlich und logistisch bed ingten Vorteilen dü rfte auch
die Tatsache maßgeblich sein, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer beim Online­
handel keine persönlichen Konfrontationen mit dem politischen Gegner befürchten
müsse n . Durch die anonyme Abwickl ung des Kaufvorgangs ist der Handel auch für
I nteressenten attraktiv, die vor einem Einkauf in Szeneläden bislang zu rückgeschreckt
ware n . Ladengeschäfte m it mutmaßlich rechtsextrem istischer Produktpalette sind
hingegen regelmäßig Ziele lin ksextremistisch motivierter Protestaktionen und auch
Sachbeschädigungen. Gleichwohl bietet auch der I nternethandel m it rechtsextremis­
tischen Szeneartikeln für Betreiber u nd Kunden n icht die Gewähr für eine anonyme
Kaufabwicklung, wie wiederholte Veröffentlichu ngen von Kundendaten nach Hacker­
Angriffen gezeigt haben.
Wirtschaftliche I nteressen sind nach wie vor eine Hauptmotivation bei der Vermark­
tung von Musik mit rechtsextremistischen Texten sowie Szene-Artikeln . Viele I n haber
rechtsextremistischer Musik-Vertriebe bestreiten i h ren Lebensunterhalt mit dem Ver­
kauf von Szene-Produkten oder betrachten den Handel als einen l ukrativen Neben­
verdienst. E in ige Vertriebe geben an, die Szene mit einem Teil i h rer Verkaufserlöse
zu u nterstützen. Damit versuchen sie sich als integraler Bestandteil der Szene darzu­
stellen und den Käufern das Gefü hl zu vermitteln, dass sie mit i h rem Kauf gleichzeitig
die Bewegung u nterstützen . Neben der Hoffn ung auf einen guten Ruf als Förderer der
Szene dü rfte auch die Hoffnung auf eine Erweiterung des Kunden kreises und somit
kommerziellen Erfolg eine Rolle spiele n .
Neben Tonträgern einschlägiger rechtsextremistischer Musikgruppen und Liederma­
cher bieten rechtsextremistische Vertriebe auch Kleidu ngsstücke, Aufnäher, Buttons
und andere Devotionalien an. Ein G roßteil des U msatzes wird neben dem Handel
m it Tonträgern mit dem Verkauf szenetypischer Textil ien erzielt. I nsbesondere das
umfangreiche Angebot a n Kleidungsstücken mit politischen Parolen findet i n nerhalb
RECHTSEXTREMISMUS
1 79
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
der Szene g roßen Anklang . Auch Kinderbekleidung mit meist nordischen Motiven und
Sch riftzügen sowie U nterwäsche mit Szeneparolen sind erhältlich.
Der Anteil der Tonträger am Gesamtumsatz ging im Laufe der letzten Jahre zurück.
Die U rsache liegt hauptsächlich in der Vervielfältigung auf privater Ebene (Brennen
von CDs sowie Tausch von Musiktiteln über I nternet-Tauschbörsen). Die Besitzer
rechtsextremistischer I nternet-Vertriebe haben auf d iese Entwicklung reagiert und i h re
Produ ktpalette entsprechend erweitert. So gehören inzwischen auch Deko-Waffen ,
Elektroschocker, Zwillen und Stahlkugeln, Pfefferspray, Artikel mit Bezügen z u nor­
d ischer Mythologie, Heidentum und Runenkunde, Tarnbekleidung u nd Sturmhauben
sowie übliche Outdoor-Ausrüstung (Zelte, Decken, Schlafsäcke), Rucksäcke, Taschen
und Trinkhörner zum Angebot. Bei mehreren Vertrieben können die Kunden zudem
ihre Textilien mit individuellen Motiven u nd Sch riftzügen bedrucken oder besticken
lasse n .
Fazit und Ausblick
Rechtsextremistische Musik ist zum einen ästhetisches Ausdrucksm ittel einer Sub­
kultur, die sich für Menschenverachtung und Demokratiefe i ndschaft ausspricht. Zum
anderen ist es ein effektives Mittel rechtsextremistischer Strategen i h re Propaganda
J ugendlichen und jungen Erwachsenen nahe zu bringen. Drittens ist rechtsextremis­
tische Musik e i n kommerzielles Geschäft von dem Bands, Konzertveranstalter und
Vertriebe profitiere n . Mit der Modern isierung des Rechtsextremismus hat sich auch
deren Musik gewandelt. Die Vielfalt an Musikstilen hat zugenommen . Dies beinhaltete
sogar ideologisch widersprüchl ich erscheinende Entwicklu ngen wie "Nationaler Rap".
Ebenso ist in der rechtsextrem istischen Musik-Szene i nzwischen ein Wandel und
zunehmende Vielfalt der Cover-Ästhetik und der Selbstpräsentation der M usiker zu
konstatieren. D u rch die digitale Revolution der letzten 20 Jahre haben sich die Ver­
triebsbedingungen für rechtsextremistische Musikstücke enorm verbessert und es ist
nunmehr möglich, nahezu jederzeit und an jedem Ort solche Musik zu hören.
Das Personenpotential der rechtsextremistischen M usik-Szene in N RW verharrt auf
einem konstanten N ivea u . Die Teilnehmer der unterschied lichen Musikveranstaltun­
gen stammen bislang hauptsächlich aus einer unstruktu rierten Szene. Dies könnte
sich ändern, wenn die Partei 'Die Rechte' weiterh i n Konzerte organisiert und ver­
a nstaltet. Sie wird versuchen , bislang unstrukturierte Szeneangehörige an sich zu
binden und damit zu einen. Ob d u rch den E rstkontakt mit der rechtsextremistischen
Musik-Szene ein Ü bergang i n organisierte Neonazi-Strukturen oder unmittelbar in
1 80
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Parteistrukturen stattfindet oder in welche Richtung sich ein vertieftes Engagement
entwickelt, ist zumeist völlig offe n . F indet ein Jugendlicher zunächst über die lose
Struktur der örtlichen Szene einen Zugang zu Konzerten , so können sich hieraus eine
Ideologisierung und eine Teilnahme sowie aktive Beteiligung an der rechtsextremisti­
schen Szene ergebe n . Dies ist jedoch keine zwangsläufige Entwicklung.
3.4
Rechtsextremismus i m I nternet
Ziele
Rechtsextremisten verfolgen mit i hrer Präsenz im I nternet insbesondere folgende
Ziele:
Selbstdarstellung u nd Propaganda,
Öffentlichkeitsarbeit und Rekrutieru ng,
szeneinterne Kommun ikation , informationelle Vernetzung und Mobilisierung, kom­
merzielle Zwecke.
Schwerpunktverlagerung zu Web 2.0
26
-Anwendungen/sozialen Netzwerken
Die Schwerpunkte der I nternetnutzung haben sich bei Rechtsextremisten in den
letzten J a h ren verlagert. Statische Webseiten, welche noch bis vor wenigen J a h ren
das Erscheinu ngsbild der rechtextremistischen Szene im I nternet prägten, haben an
Bedeutung verloren und werden fast nur noch von Parteien und Organ isationen be­
triebe n . Zuneh mend beliebter geworden sind Web 2.0-Anwendungen u nd -Dienste,
welche einen schnellen I nformationsfluss sowie eine umfassende Vernetzung und
I nteraktion i n nerhalb der Szene ermöglichen. Aktionsorientierte rechtsextrem istische
G ru ppierungen u nd Einzelpersonen verbreiten i h re I nformationen u nd Nachrichten
überwiegend über sch nell zu aktua l isierende Mediendienste wie Weblogs sowie über
g roße kommerzielle soziale Netzwerke und M u ltimediaplattforme n .
26
Web 2. 0 ist ein Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des
Internets, insbesondere des World Wide Webs, verwendet wird. Hierbei konsumiert der Nut­
zer nicht nur den Inhalt, er stellt als Prosument selbst Inhalt zur Verfügung. Der Begriff postu­
liert in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwareprodukten eine neue Generation des
Webs und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab. Oie Verwendung des Begriffs nimmt
jedoch zugunsten des Begriffs Social Media ab (Quelle: Wikipedia).
RECHTSEXTREMISMUS
1 81
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Als das weltweit größte soziale Netzwerk gilt Facebook mit über einer Milliarde
M itgl iedern. Auch bei Rechtsextremisten gehört Facebook - trotz wiederholter Lö­
schungsaktionen rechtsextremistischer Profi le und N utzerg ruppen durch die Betreiber
- weiterhin zu den populärsten sozialen Mediendienste n . Dies l iegt insbesondere dar­
an, weil Versuche der Szene, alternative Plattformen zu etabliere n , in der Vergangen­
heit wiederholt mangels ausreichender Szeneresonanz fehlgeschlagen sind. Auch der
vorwiegend i n Osteuropa beliebte und i n nerhalb der Szene lange Zeit als Geheimtipp
gehandelte Facebook-Konkurrent vk.com wurde bisher trotz weniger strenger Inhalts­
kontrollen n icht in großem Rahmen als Ausweichplattform angenommen. Stattdessen
besitzen etl iche N utzer Doppelmitgliedschaften in beiden genan nten sozialen Netz­
werke n , wobei sie sich in i h ren Profilen bei vk.com erhebl ich rad ikaler präsentieren
als bei Facebook.
Auch M ikroblogging-Dienste wie Twitter werden zur schnellen Weitergabe von I nfor­
mationen an einen großen Empfängerkreis gen utzt. Häufig verweisen die auf maximal
1 40 Textzeichen begrenzten Kurznachrichten ( so genan nte "Tweets") auf I n halte von
Webseiten oder innerhalb sozialer Netzwerke veröffentlichte Beiträge. Bei öffent­
l ich keitswirksamen Veranstaltungen wie Demonstrationen setzen die Organ isatoren
regelmäßig Tweets zur I nformation und gezielten Steuerung der Teilnehmer ein.
Für alle maßgeblichen Smartphone-Plattformen sind zudem mobile Apps27 der be­
zeichneten Dienste erhältlich , welche die un komplizierte N utzung und dauerhafte
Erreichbarkeit auch unterwegs gewährleiste n .
Darüber h i n a u s existiert e i n e g roße Z a h l weiterer Kom munikationsdienste, welche
von vornherein für die N utzung auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets
konzip iert wurden. Besonders populär sind Messenger wie WhatsApp, welche neben
komfortablen Kommun ikationsmög l ichkeiten ebenfalls den Versand von Dateien u nd
Standortmitteilungen a nbiete n . Darüber hinaus kön nen Nutzer geschlossene Ben ut­
zergruppen erstellen, in welchen nur e ingeladene Personen m itei nander kommun izie­
ren kön nen. Diese Gruppenfunktion wird daher auch von Rechtsextremisten genutzt.
Technische Abschottung der Szene
I nnerhalb der rechtsextrem istischen Szene haben techn ische Anwendungen zur
Verschlüsselung von Daten und Kommunikationsinhalten erheblich an Bedeutung
27
Kurzform für Applikation (engi. : application). Hiermit wird Anwendungssoftware für Mobilgerä­
te und mobile Betrie bssysteme bezeichnet.
1 82
RECHTSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
gewon nen. Während bei der Kommunikation über E-Mail Kryptografiesysteme wie
PGP und Gnu PG28 bereits seit längerem zum Einsatz kommen , verschlüsseln Rechts­
extremisten inzwischen vermehrt Computerlaufwerke m it Programmen wie TrueCrypt.
Auch auf mobilen Geräten werden zuneh mend Textnachrichten u nd auch Gespräche
mit frei erhältlicher Software verschlüsselt. Szeneintern finden Sch u l u ngen zur Absi­
cherung tech n ischer Geräte statt. Ferner sind auf e inschlägigen Szeneseiten Anlei­
tungen zur Versch lüsselung von Nach richten u nd Laufwerken abrufbar.
28
Pretty Good Privacy (sinngemäß "Ziemlich gute PrivatsphäreU), GNU Privacy Guard.
RECHTSEXTREMISMUS
1 83
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
1 84
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
4
Linksextremismus29
4.1
Parlamentsorientierter Linksextrem ismus
4. 1 . 1
Zusammenschl üsse in der Partei 'DIE LlN KE*'
'Antikapitalistische Linke*' (AKL), 'Sozialistische Linke*' (SL) mit dem trotzkis­
tischen Netzwerk 'marx2 1 ', 'Kommun istische Plattform' (KPF), 'Linksj ugend
['sol i d]'
Der überwiegende Teil der Mitglieder der Partei 'DIE LIN KE" und wesentl iche Teile
der politischen Forderungen sind nicht als extremistisch anzusehen . Der Verfassungs­
schutz N RW beobachtet daher nicht die Partei ' D I E L I N KE" als Ganzes, sondern nur
die l i n ksextremistischen bzw. die im Verdacht einer linksextremistischen Bestrebung
stehenden Zusammenschlüsse i n der Partei ' D I E L l NKE*'. Dies sind die 'Anti kapitalis­
tische Linke" (AKL), die 'Sozialistische Linke" (SL) mit dem trotzkistischen Netzwerk
'marx2 1 ' , die 'Kommun istische Plattform' (KPF) und die 'Linksjugend ['solid)'.
'Antikapitalistische Linke" (AKL)
Die 'Antikapitalistische Linke" (AKL) mit bundesweit 467 M itgliedern30 wurde als in­
nerparteil iche Strömung 2006 durch 30 Erstu nterzeichner eines Aufrufes "Für eine
antikapitalistische Linke" gegründet. Im damaligen Gründu ngsaufruf der AKL' hieß es,
"grundlegende Veränderungen der Wirtschaftsordnung" seien "unter den gegebenen
29
Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Ver­
fassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation
zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Ver­
dachtsmomente bis zur Einschätzung als " verfassungsfeindlich " verdichtet haben. Soweit nur
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies mit der Kennzeichnung (*) ausdrücklich
hervorgehoben.
30
Delegiertenschlüssel des 4. Parteitages; Beschluss des Parteivorstandes v. 1 3./14. 04. 2013.
LINKSEXTREMISMUS
1 85
Verfassungssch utzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Kräfteverhältnissen schwer erreichba(' 31 Diese Aussagen legen nahe, dass die ange­
strebten "grundlegenden Veränderungen der Wirtschaftsordnung" sowie die Etablie­
rung anderer Kräfteverhältnisse umfassendere Auswirkungen auf die Verfasstheit des
demokratischen Staates haben könnten.
Bei der AKL* bleibt die Tragweite der Formulierung "oie AKL will Forderungen
durchsetzen, die das kapitalistische System in Frage stellen, angreifen und letztlich
überwinden. "32 u n klar. I h r nach wie vor zwiespältiges Verhältnis zum demokratischen
Verfassungsstaat, insbesondere i m Hinblick auf den Parlamentarismus, wie auch i h r
Abstellen a u f klassenkämpferische Gegensätze stellen gewichtige Anhaltspunkte für
deren extremistische Ausrichtung dar.
Die AKL* wandelte sich im Berichtszeitraum von einer Strömung zu einem anerkann­
ten Zusammenschluss i n der Partei ' D I E LlN KE*'. Sie verspricht sich davon,
"ihren Einfluss sowohl nach innen in die Linkspartei hinein als auch
nach außen in der Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen [zu]
stärken 33
".
Vor dem H interg rund dieser Stärkung der innerparteilichen Stellung der AKL* be­
schloss die Bu ndesmitgliederversammlung am 9. November 201 3 in Hannover einen
neuen G ru ndlagentext zum politischen Selbstverständnis mit dem Titel
"Kapitalismus bedeutet Krieg, Umweltzerstörung und Armut - für eine anti­
kapitalistische Linke"34,
der den alten G ründu ngsaufruf der AKL * von 2006 ablöst.
31
Für eine antikapitalistische Linke, (Gründungsaufruf der AKL *), veröffentlicht im März 2006
auf www.antikapitalistische-linke.de; Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
32
Aufruf zur Neugründung der Antikapitalistischen Linken (AKL) in der LINKEN, www. anti­
kapitalistische-linke.de/article/584.kapitalismus-bedeutet-krieg-umweltzerstoerung-und-armut­
fuer-eine-antikapitalistische-linke.html; Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
33
"Neue AKL-Strukturen beschlossen" v. 1 7. 0 1 . 20 1 2, www. antikapitalistische-linke.de/article/
460.akl.html; Abruf am 1 7. 12.2013.
34
1 86
Siehe Fußnote 32.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Auszug aus dem
�
Anu....pi'ali..iKh.
L,oh
Intemetauftritt zur
N � f.......,)."ng., D,"k"'",Of' ,o( d'.""�.uf..ell"�g "."
"'fIC...,,,.,,,,I�� S'romU"9 __,�.po\.I,..t,.c/I<o l,�h· ,n ""'r �Ir1.'
OIE UN�f .0"">\ .��.sc!1I......"_ E'"e
!'y,",e.m��I,.d."."�mmlu",, t>o..",lo.o. ,m 9 Novemb<!' 2013
on H.nnc.�, e<""" n"uon G"'..;I....�'.�' ,um pol�'K"e�
S.lbslv.rsI�M�". der den .�.n G",odY�Qf<luf",f d.' AKI. von
2006 ....0... Der Tut .�.o�.I"mu. bcde"'e' �n.Q
","n � .,.".; Arm<JI • fur .''''' .n(,hQ"'o!4CfI" l.><1i<.
um"e�.....
t
Neuaufstellung der
����=�
_. l:tl 25711
MZl00 SOO 00
"'UIlI. , " " lelZI." \de."",." " ""."",,"." bc, ""' '',�.' f1\l�.",,,,g
ur>d """" G<II'I'ns!""",• •�.n GI.!d" M.g ..u<....� ","
---
lucv "edle, und Tt.'n G"'" ,�., o..'.Q'."• •" d.�
-'_.
6und••g.".�.....n de. L!�'::fN '" <1ft' ..ad'I&I." ..... J�,.�
ot 12.�0\3
0.. ..... �."".h=�. u.-I<. {Ml) '" der U'!Y(H �" 'U ,',,'"
G"""'�'V ",... <!"...... y""�_.....
. e>.."c
"' �.d'" ....f ...l dc'''
� """".MNn dcfU""HI d"" .., J"" 201 1 " ("""
V"f.l>ocI'o� ,,_ .uIba...,� ".. _' .."" dc'Ge.....,.� _
Strömung 'A ntikapita­
listische Linke' in der
Partei 'DIE LlNKE*'
o.r l(e.,.tIiJ.r_ ""�_
f_-''',hllM'OO''''"'"
(lcH...'r.' ......
M...."lerlIMI_l
P."�, UI"d def, venoc;tu.,_" _d<"',, .Slr_"Q""- .......
Z....mm�..-..,n
.
.....,rt.M>dc'
.
p.,,� >O ....u.. Ode' _�I �
get"'� ".,re',,". Doe
�:"_�����: ,..�":':":�',�
-:....,:.:::.::
. =
"'
.=:
:
::.:
_
"' ---:
---:
c=--'.,. _
=.......
..
Die AKL* will weiterhin verhindern, dass die Partei auf ein explizit sozialistisches Ziel
verzichtet und wendet sich gegen einen "regierungsorientierten Pragmatismus": "Oie
AKL hat seit Beginn der Parteigründungsdebatte [. . .] dazu beigetragen, dass dem
regierungs- und parlamentsfixierten 'Pragmatismus' in der LINKEN erfolgreich ein an­
tikapitalistisches Programm mit sozialistischem Ziel entgegengestellt wurde, [. . .]".35
Verhältnis zum demokratisch-i nstitutionellen System
Das Verhältnis zum demokratischen Verfassungsstaat ist für die AKL* weiterh in am­
bivalent. Ein klares Bekenntnis dazu lässt sich i n den offiziellen Verlautbarungen der
AKL* n icht feststellen. Dass das Parlament als demokratisch legitimiertes Organ impli­
zit eher instrumentell betrachtet wird , lässt sich an der Kritik der AKL* an der vermeint­
l ichen "zunehmende[n] Verparlamentarisierung von Partei und Politik der LINKEN"
und ..eine[r] ausgeprägte[n] Kultur der Stellvertreterpolitik, verbunden mit I/Iusionen
in die Macht der Parlamente" 36 feststellen. Dem gegenüber attestiert sich die AKL *
ihre eigene U nverzichtbarkeit: " Um dem Druck der bürgerlichen Gesellschaft, die auf
Mandatsträger_innen und hauptamtliche Funktionär_innen besonders stark wirkt, und
der Korrumpierungsgefahr entgegenzuwirken, ist die AKL als politische Strömung und
35
Aufruf zur Neugründung der Antikapitalistischen Linken (AKL) in der LINKEN www.antikapita­
listische-linke. de/article/584.kapitalismus-bedeutet-krieg-umweltzerstoerung-und-armut-fuer­
eine-antikapitalistische-linke.html; Abruf am 02. 1 2. 20 1 3.
36
Es gibt nur eine Richtung: Nach links; www.antikapitalistische-linke.de/article/737.html; Abruf
am 1 7. 12.2013
LINKSEXTREMISMUS
1 87
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Opposition gegen alle Anpassungstendenzen an Kapitalismus und Sachzwanglogik in
der LINKEN weiterhin unerlässlich"37.
So fragwürdig für die AKL* der demokratische Verfassungsstaat ist, umso eindeutiger
sind die Rufe nach Ü berwi ndung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bun­
desrepublik:
" Wir erklären offen: Unsere Alternative heißt Sozialismus. Damit meinen
wir eine Gesellschaft, in der nicht das Privateigentum an Produktionsmit­
teln, Marktkonkurrenz, Profitgier und Krieg herrschen, sondern die Men­
schen und ihre täglichen Interessen und Bedürfnisse. In gleichberechtigter
Kooperation aller Mitglieder der Gesellschaft muss die Wirtschaft demo­
kratisch und entsprechend der Bedürfnisse der Menschen mit Respekt vor
der Umwelt gestaltet werden. Voraussetzung dafür sind die Überführung
der Banken und Konzerne in demokratisch verwaltetes Gemeineigentum
und eine Demokratisierung und Wählbarkeit und Abwählbarkeit wirtschaft­
licher und gesellschaftlicher Verwaltungsstrukturen. "38
Aus diesen Formu l ierungen lässt sich das Postulat planwirtschaftlicher Strukturen
sowie eine Anlehnung an das Rätemodell kommunistischer Prägung als determin isti­
scher Ausweg aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und der vorhandenen Poli­
tik- und Gesellschaftsordnung ableiten.
Marxistisches Weltbild
Dass d ie AKL* das politische System der B undesrepublik Deutschland ablehnt und
dem Gedankengut orthodox-kommunistischer Positionen verhaftet ist, ergibt sich aus
der positiven Bezugnahme führender Kommunisten , historisch aufgeladener Begriffe
und entsprechender Szenarien:
"Die AKL hat deshalb mehr als andere Strömungen in der LINKEN das
Recht, sich auf die Kräfte der Novemberrevolution und ihre bekanntesten
Köpfe, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu berufen. [ . . . ] Die AKL sieht
ihre Aufgabe innerhalb der LINKEN deshalb auch zu einer gehörigen Por­
tion darin, diesen Irrealos [Anm . : gemeint ist die Annäherung von Spitzen37
Siehe Fußnote 32.
38 Siehe Fußnote 32.
1 88
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
leuten der Partei an die SPD und die Grünen] ein Konzept der radikalen,
oder wie es bei Marx, Lenin, Luxemburg, und Liebknecht hieß, der revolu­
tionären Realpolitik entgegen zu stellen. "39
Schlüssel zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen U mgestaltung ist bei der AKL*
die Frage nach den Eigentu msverhältnissen , welche im Sinne von Karl Marx als kons­
tituierend für die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse angesehen werden :
"Die Ursache der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise liegt im kapitalis­
tischen Produktions verhältnis selbst begründet. Dieses basiert auf Aus­
beutung, Privateigentum an Produktionsmitteln, Existenz von gesellschaft­
lichen Klassen, Konkurrenz, Zerstörung der Natur und Profitmaximierung.
Heute erleben wir eine tiefe und weltweite Systemkrise des Kapitalismus,
die alle zerstörerischen Seiten dieser Produktionsverhältnisse offenkundig
macht. "40
Aus dem marxistisch geprägten Gesch ichts- und Gesellschaftsbild leitet sie den An­
spruch ab, Vertreterin der I nteressen einer breiten Bevölkerungsmehrheit zu sein und
die zentrale politische Auseinandersetzung außerhalb der parlamentarischen Struktu­
ren zu fü h re n :
"Dabei vertritt die A KL die Überzeugung, dass die dafür notwendige
Veränderung der gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse
nicht über Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien, sondern nur
gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und ge­
werkschaftliche Kämpfe erzeugt werden kann. "41
Die Programmatik der AKL * weist auch Anzeichen für einen - kommu nistischer Denk­
logik immanenten - allumfassenden Wahrheitsanspruch auf. I nsbesondere ist dies
dann der Fal l , wenn sie Veränderungen i n der Gesellschaft in i hrem Sinne nur über
den radikal-revolutionären Weg als möglich ansieht:
"Die AKL ist davon überzeugt, dass auch heute eine wirkliche und dau­
erhafte Veränderung der Gesellschaft in Richtung umfassender Demo39 Siehe Fußnote 36.
40 Siehe Fußnote 32.
41 Siehe Fußnote 32.
LINKSEXTREMISMUS
1 89
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
kratie nur in solchen Kämpfen zur Selbstermächtigung der Millionen
von Menschen entstehen wird und nur als tiefer Bruch mit den alten
Zuständen stattfinden kann. [ . . . 1 Oie Vorstellung eines großen Teils der
Partei OIE LINKE und der Mehrheit der politischen Strömungen in ihr,
dass solche Veränderungen in kleinen Schritten, mittels parlamentari­
scher Initiativen und Koalitionen mit anderen Parteien erfolgen, ist völlig
wirklichkeitsfremd. "42
'Sozialistische L i n ke" (SL)
Der im August 2006 ins Leben gerufene Zusammensch luss 'Sozialistische Linke*'
(SL) m it bundesweit 823 Mitgliedern43 ist nach wie vor eine stark gewerkschaftl ich
orientierte Strömung i nnerhalb der Partei ' D I E L l N KE*'. Die SL* versteht sich selbst
als "Zentrum" zwischen den innerparteil ichen Flügel n , das sowohl an links-sozialde­
mokratische wie auch reformkommunistische Trad itionen auf der G rundlage marxisti­
scher Gesellschaftsanalyse anknüpft ("Mit ihrer gewerkschaftlichen Verankerung und
ihrem kritischen marxistischen Ansatz stärkt die SL die Kräfte in der LINKEN [ . . . ]"44).
Verhältn is zum Wirtschafts-, Gesellschafts- und pol itischen System der Bu ndes­
repu blik
Unklar bleibt i n den programmatischen Aussagen der SL* weiterh i n , inwieweit mit der
Ü berwindung des "Kapitalismus" eine Wirtschafts-, Gesellschafts- und politische Ord­
nung angestrebt wird , d ie den vom Grundgesetz - trotz dessen g rundsätzl icher Neut­
ralität in der Frage der Wirtschaftsord nung - gesetzten Rahmen überschreitet:
"OIE LINKE muss zum einen Sprachrohr für den Protest gegen die herr­
schenden Verhältnisse sein und das Bedürfnis nach einer grundlegend
veränderten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zum Ausdruck brin-
42
Es gibt nur eine Richtung: Nach links; www.antikapitalistische-linke. de/article/737.html; Abruf
am 02. 12. 20 1 3.
43
Delegiertenschlüssel des 4. Parteitages; Beschluss des Parteivorstandes v. 1 3./14.04.2013.
44
"Ein neuer Aufbruch für DIE LINKE - Partei der 99 Prozent", Resolution der Jahresmitglieder­
versammlung v. 1 0. 1 2. 20 1 1 , www.sozialistische-linke.de/images/dateien/mv1 1/261 0 1 1_ein_
neuer_aufbruch_fuer_dielinke.pdf, S. 9; Abruf am 1 7. 12.2013.
1 90
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
gen, die nicht mehr vom kapitalistischen Streben nach maximalem Profit
beherrscht wird. ''45
Offen bleibt, ob auch demokratische Strukturprinzipien zu r Disposition stehen. Die
im Gründungsaufruf der SL * enthaltene Forderung nach einer politischen Linken, die
"einen neuen Anlauf unternimmt, die Vorherrschaft des Kapitals zu überwinden"46 und
"zugleich realistisch und radikal, an die Wurzel gehend"47 agiert, lässt offen, ob ein
konkretes Wi rtschaftssystem abgelehnt oder zugleich elementare Prinzipien des de­
mokratischen Verfassungsstaates in Frage gestellt werden, also die Ü berwindung des
Wirtschaftssystems mit der Ü berwi ndung des ihm zugrundel iegenden demokratisch­
institutionellen Systems verbunden wi rd . Ein weiteres Beispiel in diesem Kontext ist
die diffuse programmatische Aussage :
"Nur wenn die arbeitende Klasse im weiten Sinne, die eine breite Mehrheit
der Bevölkerung ausmacht, in zunehmendem Maße diese Gemeinsamkeit
ihrer Interessen erkennt und dies politisch wirksam wird, ist es möglich,
eine andere Entwicklungsrichtung durchzusetzen und so auch A usgangs­
bedingungen für weitergehende demokratisch-sozialistische Umgestaltun­
gen zu schaffen. ''48
Zwischen legitimer Kapitalism uskritik und Propagierung des Klassenkam pfes
Dass die SL * sich typischer Beg riffe, Argumentationsmuster und Den klog iken mit aus­
geprägter Nähe zu marxistisch-kommunistischen Positionen bedient und das marxisti­
scher Gesellschaftsanalyse typische Denken i n Freund-Fei nd-Kategorien an den Tag
legt, zeigen ebenso folgende Aussagen:
"Es muss der LINKEN also immer auch darum gehen zu fördern, dass
so etwas wie ein Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen sich wieder
45
"Klasse ohne Mehrheit? - Das Debatlenheft der Sozialistischen Linken"; Nr 2 - Frühjahr
2013; S. 40.
46
Gründungsaufruf der 'Sozialistischen Linken" : www. sozialistische-linke.de/ueber-uns/gruen­
dungserklärung; Abruf am 1 7. 12.20 1 3.
47 Siehe Fußnote 46.
48 "Klasse ohne Mehrheit? - Das Debatlenheft der Sozialistischen Linken"; Nr. 2 - Frühjahr
201 3, S. 40.
LINKSEXTREMISMUS
191
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
verstärkt herausbildet. Nur so, im Ergebnis von Klassenkämpfen und
veränderlen Kräfteverhältnissen werden die Konzepte, gesellschaftlichen
Akteure und Mehrheiten für Alternativen zum Kapitalismus entwickelt. '<49
"Der Zusammenbruch der DDR und des realsozialistischen Staaten­
systems haben diesem kapitalistischen Vormarsch weiteren Spielraum
gegeben und die Defensive der Arbeiterinnenbewegung und der Linken
verstärkt. "50
"Für die kapitalistischen Klassen war die neoliberale Konterrevolution sehr
erfolgreich. Der Fall der Profitrate51 wurde aufgehalten und ein Stück weit
umgekehrl. "52
'marx2 1 '
I n nerhalb der SL * agiert das trotzkistische Netzwerk 'marx2 1 '. Dogmatisch beruft man
sich u . a . auf sozialistische Klassiker wie Marx u nd Luxemburg und propagiert F reiheit
d u rch Sozialismus: "Unser Leitfaden sind die Sätze von Karl Marx und Rosa Luxem­
burg: 'Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein ' und 'Kein
Sozialismus ohne Demokratie - keine Demokratie ohne Sozialismus53". Aussagen von
'marx2 1 ' muss sich die SL * zurechnen lassen : " Wir arbeiten in der politischen Strö­
mung 'Sozialistische Linke ' mit und stärken mit ihr die Orientierung auf die Interessen
49
Siehe Fußnote 48.
50
"Klasse ohne Mehrheit? - Das Debattenheft der Sozialistischen Unken"; Nr. 2 - Frühjahr
2013; S. 37.
51
In der Mehrwerttheorie nach Marx führt der zunehmende Einsatz von "konstantem Kapital"
(Maschinen, Rohstoffe etc.) tendenziell zu einer Verringerung der Löhne und damit zur Ver­
schlechterung der Lage der Arbeiterklasse. Dieser aus einer mathematischen Relation zwi­
schen Mehrwert, Kapital und Lohn von Marx hergeleitete "Fall der Profitrate" führe sukzessive
zu einem Stocken der Märkte, dem Verfall von Profiten und Preisen, neuen Preisanstiegen,
Unternehmenskonzentrationen und letztlich zu einer Akkumulation des Elends der Arbeiter­
klasse.
1 92
52
Siehe Fußnote 50.
53
"Politische Leitsätze", http://marx21 . delcontenVview/194/93/; Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
der Arbeiterklasse und ihrer Gewerk­
schaften54".
Eine Reformierbarkeit des Kapital ismus
wird von 'marx2 1 ' generell bestritten ,
stattdessen wirkt m a n auf seine Ü ber­
wind u ng h i n : "Angesichts dieser verhee­
renden Auswirkungen des Kapitalismus
ist eine auf die Regulierung des Kapitals
Wer wir sind
Das Netzwerk versteht sich als Tell der nlJl!en
Unken
und
dN
g!obal1s!(>rung�tlschcn
Verwaltungen sowie gegcll Dominanz von
vcrkrusteten bOrokratlschl'n Strukturen Im
Bewegung. die angetreten sInd, dIe Machtder
Gt"o\'Nkschaftsapparal.
KOnl..,rnc zu brl'chen. Wir\\'ollen mit unscr('n
Wir sehcn, wie die soziale Polarisierung dir
Ideen und unserem F.lnr.atz dazu bellr.lgcn,
Gefahr des \\>ledl'll'markens der NaziS mit
dIe Panel DIE LINKE zu stärten lind so eine
sich bringt. Eine �tarke l.INKEkann auch d('m
polHü;chc Alternative zum entfesselten Kapi-
Wachstum rassistischer
und
neofaschist!·
tallsmus und zu den ('Iabllenen, neolllx'ralen
scher Krähl' Einhalt geblNen. Wir sel:U'n uns
ParteIen aufzubauen.
dafUr eIn, dass sIch die UNKE klar gegen alle
beschränkte staatliche Intervention
WIr hallen es tur not.....endlg, dass dir LiNKE
als Samm!ungsbcwegung rur alle offen Ist. dh.'
llchkeh, lslamophoble, AntlsemlUsmus, etc.)
keine ausreichende Antwort. Deshalb
sich In solldartM:her Welse gegen den NeoJj·
und Dlskrlmlnlenmg positioniert und sich
berallsmus engagieren wollen. Wir \\·oll"n In
den Nallsenlgegenstellt.
deT Partei DIE liNKE Im emelnsamen Erfah-
Im Netz....erk
.
arbeIten Marxisten zusammen
vertrauen wir nicht auf die 'Zähmbarkeit'
des Kapitalismus, sondern wirken auf
seine Überwindung hin55".
Form{'ß von Rassismus (\\1e AusländerfeInd-
Politische Leitsätze des 'marx2 1 '-Netzwerkes
Diese Ü berwindung könne allerdings n icht im vorgegebenen institutionellen Rah men
der Bu ndesrepublik stattfinden, sondern müsse d u rch eine starke a ußerparlamentari­
sche Bewegung unter Führu ng der Partei ' D I E L l N KE*' erfolgen:
"Eine solche Gesellschaft lässt sich nicht bloß durch Parlamentsbeschlüs­
se herbeiführen, da die Kapitalistenklasse und der Staatsapparat weitge­
hend unabhängig von demokratischer Kontrolle agieren. "56 U n d : ,,[ . . . ] wirkt
das marx2 1 Netzwerk darauf hin, OIE LINKE zu einem Instrument für den
Klassenkampf zu entwickeln. Wir wollen mithelfen, OIE LINKE auf kämpfe­
rischer Basis zu einer aktivistischen sozialistischen Massenpartei auf- und
umzubauen. "57
Im Ergebnis lässt sich daher auch bei 'marx2 1 ' eine Nähe zu kommunistischen Posi­
tionen feststellen, die mit dem G ru ndgesetz der Bu ndesrepublik Deutschland nicht in
Einklang zu bringen sind.
54
Siehe Fußnote 53.
55 Siehe Fußnote 53.
56
"Strategie für eine klassenkämpferische und antikapitalistische LINKE: Das strategische Drei­
eck"; http://marx2 1.de/contentlview/1981/93/; Abruf am 1 7. 12.20 1 3.
57 Siehe Fußnote 56.
LINKSEXTREMISMUS
1 93
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
'Kommunistische Plattform' (KPF)
Es geht der 'Kommunistischen Plattform' mit ihren bundesweit 1 .2 1 0 M itgliedern58
laut i h rer G ründungserklärung darum, "kommunistisches Gedankengut in die Pro­
grammatik und die praktische Politik der Partei ein[zu]bringen". I h r Selbstverständnis
formuliert die KPF wie folgt "Oie Kommunistische Plattform ist ein offen tätiger Zu­
sammenschluß von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei OIE LINKE. Oie
Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischen Gedankenguts ist wesentliches An­
liegen der Kommunistischen Plattform. Oie Plattform tritt für den Sozialismus als Ziel
gesellschaftlicher Veränderungen ein ". 59
Orthodox - kom m unistisches Weltbild
Ideologische G rundlage der KPF
bilden die "Klassiker" des Sozia­
O E L I:>.:o(E
�""""� N
I Polo"
p� tIoo
' 9""�
WO,"ln
_"""l,m
I " f�" R I
DIE LiNKE.
M O<!;a ne.
l_""hIIJ�\e
S."'ICII
S� op
/le tte,.. �tn.I' lI; ,m
l ismus bzw. Kommunismus: "Oie
auf der Grundlage der Erkennt­
nisse von Marx, Engels, Lenin
und den Erfahrungen der interna­
tionalen Arbeiterbewegung erar­
beiteten Wesenszüge und objek­
-1 �17. _
T_ IO»ll) .... OOII I'n
!�=.::�llQ ..
tiven Gesetze des Imperialismus"
60
sind nach Auffassung der KPF
auch im 2 1 . Jah rhu ndert noch
gültig. Die von Marx, Engels, Le­
Auszug aus dem Internetauftritt der Partei 'DIE LINKE" von
nin erarbeiteten Theoriegebäude
der 'Kommunistischen Plattform '
werden damit für die KPF zur
Grund lage allumfassender E rklärungsansätze ökonom ischer und politischer Prozesse
und verbindlich gemacht.
58
59
Delegiertenschlüssel des 4. Parteitages; Beschluss des Parteivorstandes v. 1 3./14.04.2013.
www.die-linke. de/partei/zusammenschluesse/kommunistischeplattformderparteidielinke/; Ab­
ruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
60
www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistischeplattformderparteidielinke/
mitteilungenderkommunistischenplattform/detail/archiv/2007/juni/zuruecklarchiv-2/artikel/
ausbeutung-und-krieg/; Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
1 94
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Ü berwi ndung des demokratisch-institutionellen Systems
Durch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Wirtschaftssystem u nd po­
litischem System offenbart sich das ökonomistisch geprägte Staatsverständnis der
KPF. So wird darauf bestanden, dass "DIE LINKE die Systemfrage stellen muss. Mit
der ihm eigenen Brutalität produziert der Kapitalismus ohne nachhaltige Gegenwehr
zwangsläufig tiefgreifende Menschheitsprobleme. ''61
Dies ist insofern von Bedeutung, weil die KPF mit der Forderung nach einer Ü berwin­
dung des Kapitalismus i mplizit auch die Ü berwindung des institutionellen Rahmens, in
dem sich der Kapita l ismus bewegt, anstrebt:
" Unser perspektivisches Ziel ist und bleibt der Systemwechsel hin zum de­
mokratischen Sozialismus. Auf diesem Wege arbeiten wir in der LINKEN
[ . . . ) . "62
Verhältnis zur S E D-Diktatur in der DDR
Nach wie vor verteidigt die KPF die D D R als den "ersten großen Versuch im 20. Jahr­
hundert, eine nichtkapitalistische Ordnung aufzubauen'<33, wenn auch im Berichtszeit-­
raum diesbezügliche Ä u ßerungen am bivalenter erscheinen mögen:
"Bei allen Schwächen, die wir nicht wegwischen wollen, wird sich heraus­
stellen, die DDR war der bisher beste Staat der deutschen Geschichte. ''64
61
"KPF-Mitteilungen" www.die-linke. de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform­
der-partei-die-linke/dokumente/2-tagung-der- 1 6-bundeskonferenzlzur-wahlstrategie-der­
partei-die-linke/; Abruf am 1 7. 1 2.2013.
62
"KPF-Mittei/ungen" www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform­
der-partei-die-linke/dokumente/nicht-hinter-vorgehaitener-hand/; Abruf am 1 7. 1 2.2013.
63
"Auf dem Weg zum Erfurter Parteitag, Neun Ä nderungsanträge zum Leitantrag zum Partei­
programm, www.die-linke. de/partei/zusammenschluesse/kommunistische-plattform-der-par­
tei-die-linke/mitteilungen-der-kommunistischen-plattform/detail/archiv/20 1 1/oktober/zurueck/
archiv-2Iartikel/auf-dem-weg-zum-erfurter-parteitag/; Abruf am 1 7. 12. 2013.
64
"KPF-Mittei/ungen" Nr. 6 aus 201 3, S. 33, Printfassung.
LINKSEXTREMISMUS
1 95
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
' U n ksjugend ['solid]'
Einen "grundsätzlichen Systemwechsel" will auch die 'Linksjugend ['solid]', die mit
bundesweit ca. 4.650 aktiven M itgliedern65 die Jugendorganisation der Partei ' D I E
L I N KE" ist und sich selbst a l s einen "kämpferische[n] und sozialistische[n] Jugendver­
band' charakterisiert.66
Instrumentelles Verhältnis zum Parlamentarism us
Die parlamentarische Demokratie wird
eher als "untaug l iches Veh i kel" für den
Systemwechsel gesehen . Das parla­
mentarische System wird nur "als Mittel
zum Zweck" betrachtet. In i h rem auf
dem 1 . Bundesparteitag am 5. April 2008
beschlossenen Programm heißt es: "Als
Sozialistinnen, Kommunistinnen, Anar­
chistlnnen kämpfen wir für eine libertäre,
klassenlose Gesellschaft jenseits von
Kapitalismus, Rassismus und Patriar­
Internetauszug der 'Linksjugend ['solid]'
chat. [ . . . ] Oie berühmten zwei Gräben
Reform oder Revolution bilden für uns
keinen Widerspruch. Wir streiten für
einen grundsätzlichen Systemwechsel. [ . . . ] Wir wollen die Bühne des Parlamentaris­
mus für den Kampf um eine gerechtere Welt nutzen, aber uns nicht der Illusion hinge­
ben, dass dort der zentrale Raum für reale Veränderungen sei. "67
Überwindung des Kapitalismus und der bestehenden Gesellschaftsordnung
Eine e indeutige Bejahung des demokratischen Verfassungsstaates lässt sich auch i n
d e n Verlautbarungen von 'Lin ksj ugend ['solid]' n icht feststellen, dafür Aussagen nach
65
66
67
Siehe Fußnote 58.
www.linksjugend-solid-nrw.delfilesllinksjugendlmateriallkrise_ O.png; Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
Programm der 'Linksjugend ['solid]'. Beschlossen auf dem 1. Bundeskongress am 5. April
2008 in Leipzig, geändert auf dem Bundeskongress vom 20./22. März 2009, www.linksju­
gend-solid.delverbandlprogramml, Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
1 96
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Ü berwindung der Gesellschaftsordnung: "Nein zu Profitlogik und Kapitalismus, für so­
zialistische Demokratie. "68
Eine Reform ierbarkeit des Kapitalismus wird auch von der 'Linksjugend ['solid]' gene­
rel l bestritte n , stattdessen wirkt man auf seine Ü berwindung h i n : "Die Überwindung
des Kapitalismus hin zu einer kooperativen Wirtschaft, [. . .}. "69
Nach den programmatischen Aussagen der 'Lin ksj ugend ['solid]' geht mit der Ü ber­
windung des "Kapitalismus" die Forderung nach einer Wirtschafts-, Gesellschafts- und
politischen Ordnung einher, die den vom Grundgesetz gesetzten Rahmen überschrei­
ten dürfte: "Das Ziel kann also nur die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sein
(nicht nur die Verstaatlichung), [. . .}. "70 Aus diesen Formu lierungen lässt sich ebenfalls
das Postulat einer sozialistischen Planwirtschaft ableite n .
'Linksjugend ['sol id]' als Schnittstelle zwischen parlamentarischen und außer­
parlamentarischen Kräften
Die 'Linksjugend ['sol id]' fungiert zudem weiterhi n als Schnittstelle zwischen parla­
mentarischen u nd a ußerparlamentarischen Kräften . Diese Verbindungen reichen bis
i n die l inksautonome Szene; so bekennt sich 'Linksjugend ['solid]' u nverändert zur
Zusammenarbeit m it dem im Verdacht linksextremistischer Bestrebungen stehenden
Bündnisnetzwerk 'I nterventionistische Linke" (IL): "Die Linksjugend['solid] arbeitet mit
vielen linksorientierten Organisationen zusammen sowohl lokal, landes- und bundes­
weit als auch international. Darunter sind zum Beispiel [. . .] die IL [. . .}. "71
68
69
www.linksjugend-solid-nrw. de/files/linksjugend/material/wohnen_ O.png; Abruf am 1 7. 12.20 1 3.
"Kein Kommunismus ist auch keine Lösung" - Reader, S. 7, www/inksjugend-solid.de/wp­
contentluploads/20 13/0B/ kommunismus-reader.pdf,· Abruf am 1 7. 1 2. 20 1 3.
70
"Kein Kommunismus ist auch keine Lösung" - Reader, S. 6, wwwlinksjugend-solid.de/wp­
contentluploads/2013/0B/ kommunismus-reader.pdf; Abruf am 1 7. 12.2013.
71 www/inksjugend-solid-nrw.de/faq; Abruf am 1 7. 12. 20 1 3, Anmerkung: Oie 'Interventionistische
Linke " (IL) ist ein Netzwerk mehrerer deutscher, nach eigener Darstellung "linksradikaler
und antikapitalistischer" Gruppen, von Einzelpersonen aus diversen Nichtregierungsorgani­
sationen, von Zeitungsredaktionen sowie bundesweiten Kampagnen. Oie IL ' war mit ihrem
"Schwarzen Block" bei der Großdemonstration am 02.06. 2007 in Rostock, gegen den GB­
Gipfel in Heiligendamm 2007 hauptverantwort/ich für Ausschreitungen und zahlreiche Verletz­
te auf Seiten der Polizei und der Demonstranten.
LINKSEXTREMISMUS
1 97
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Bewertung des Ei nflusses der Einschl üsse auf die Gesamtpartei
Die Zusammenschlüsse AKL* , S L* (einschließlich 'marx2 1 '), KPF u nd die 'Lin ksju­
gend ['solid]' vertreten i n u nterschiedl icher dogmatischer Schärfe weiterhin Positionen ,
die auf eine sozialistische Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in der Bun­
desrepublik abzielen, d ie nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu
verein baren sind. Es soll nicht nur das "kapitalistische System" in der Bu ndesrepublik
überwunden werden , vielmehr wird - in unterschied l icher G raduierung - weiterhin
eine sozialistische Staats-, Gesellschafts- u nd Wirtschaftsordnung angestrebt. KPF
und 'Linksjugend ['solid]' sind weiterh in als linksextremistische, AKL*, SL* (einschließ­
l ich 'marx21 ') als im Verdacht einer l i nksextremistischen Bestrebung stehende Zusam­
menschlüsse i n der Partei ' D I E L l N KE*' anzusehen.
4. 1 .2
Deutsche Kom m u n istische Partei (DKP)
Gründung
Sitz
Bund
1 968
Essen
N RW
1 968
Bezirke Rheinland-Westfalen
und Ruhr-Westfalen
M itgl ieder
20 1 3
20 1 2
Publikationen
I nternet
rd. 1 .200
rd . 3 .500
rd. 3 .500
rd. 1 .200
UZ - Unsere Zeit, Marxistische Blätter
Eigene Homepage
H intergrund und Verfassu ngsfeindlich keit der DKP
Die 'Deutsche Kommun istische Partei' (DKP) ist neben der 'Marxistisch-Leninistischen
Partei Deutschlands' (MLPD) eine Kernorganisation des orthodox-kommunistischen
Lin ksextremismus. Die Partei versteht sich als politische Nachfolgerin der 1 956 vom
Bundesverfassungsgericht verbotenen 'Kommunistischen Partei Deutschlands' (KPD),
bekennt sich als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" zum Marxismus-Leninismus
und strebt die revol utionäre U mgestaltung der Gesellschaft an.
"Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus. Unter der Vorausset­
zung des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und der
gesamtgesellschaftlichen Planung der Produktion kann in einem längeren
historischen Prozess eine Ordnung menschlichen Zusammenlebens ent-
1 98
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
stehen, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie
Entwicklung aller ist". (K. Marx/F. Engels: Man ifest der Kommunistischen
Partei , 1 848). "Für dieses Ziel die Arbeiterklasse und die Mehrheit der an­
deren Werktätigen zu gewinnen - darum geht es der DKP " 72
Ziele: Klasse n kampf, Revol ution, System überwindung
Nach ihrer Vorstellung soll die Arbeiterklasse als maßgebende gesellschaftsverän­
dernde Kraft durch einen klassen kämpferisch-revolutionären Akt die kapitalistischen
Eigentums- u nd Machtverhältnisse, den Parlamentarismus und den politisch-gesell­
schaftlichen Pl uralismus überwinden. Gewaltanwendung wird dabei n icht ausge­
schlossen . Ü ber die Zwischenstufe des Sozialismus wird eine klassenlose kommunis­
tische Gesellschaft angestrebt, i n der alle wesentlichen Antagon ismen (Gegensätze),
i nsbesondere der zwischen Kapital und Arbeit, aufgehoben sein sollen. I ndividual­
grundrechte haben h ier keinen Platz.
Arbeits- und Aktionsschwerpunkte der DKP im Jahr 201 3
20. Bundesparteitag in Mörfelden-Walldorf am 2./3. März 2 0 1 3
Auf dem 20. Bundesparteitag hat eine u nerwartet große Mehrheit d e r Delegierten d ie
bisherige Führung der Partei abgewäh lU3 H interg ru nd dafür war der bereits seit eini­
gen Jahren u ngewohnt heftig ausgetragene Streit zwischen dem orthodox-kommunis­
tischen u nd dem reformerischen Flügel der Partei. Der gegen die bisherige Vorsitzen­
de Bettina J ü rgense n , die dem reformerischen Flügel zuzurechnen ist, angetretene
stellvertretende Vorsitzende Patrik Köbele erhielt 92 von 1 52 Delegiertenstimmen und
löste J ü rgensen nach nur einer Wahlperiode ab. Damit hat sich die orthodox-kommu­
n istische Strömung i n der Partei klar durchgesetzt. Der Richtungswechsel setzte sich
auch bei den weiteren Wah len zum Parteivorstand fort l4
72
Auszug aus dem Programm der DKp, beschlossen auf dem 1 7. Parteitag der DKP am
08.04. 2006; www. dkp-online.de/programm/; Abruf am 1 6. 1 2. 20 1 3.
73
www.dkp-online.de/uz/4510/s0102.htm; Abruf am 26. 1 1 . 20 1 3; www.kommunisten.de/index.
php?option=com_ content&view=article&id=3947:dkp-waehlte-neue-fuehrung-der-20-partei­
tag-der-dkp-wird-im-herbst-fortgesetzt&catid= 109: 20-parteitag-20 13&ltemid=2 72; Abruf am
30. 12.20 1 3.
74
Siehe Fußnote 73.
LINKSEXTREMISMUS
1 99
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Die Auseinandersetzung um die Besetzung des Parteivorstands erforderte für die
i n haltliche Beschlussarbeit einen dritten Tag am 25. Mai 20 1 3 i n Hannover. I m Mit­
telpunkt stand der noch vom früheren Parteivorstand eingebrachte Leitantrag "Ant­
worten der OKP auf die Krise", der bereits im Vorfeld für kontroverse Diskussionen
gesorgt hatte und nach intensiver Diskussion mit deutlicher Mehrheit verabschiedet
wurde.75 In typisch kommunistischer Dialektik werden darin nach einer kapital ismus­
kritischen Krisenanalyse auf der Basis des von Marx, Engels und Lenin begründeten
wissenschaftlichen Sozial ismus der
Klassenkampf u nd der notwendige
Weg i n Richtu ng Sozialismus/Kom­
munismus propagiert. Weiterhin
DKP in Aktion
werden die wichtigsten aktuellen
Handlungsfelder der Partei (Soziale
Gerechtigkeit, Frieden und Abrüs­
20. Partertag der DKP beende!
tung, Demokratie, Sel bstbestim­
Delqlerte beschl�n
mung, Antifaschismus, ökologischer
In HannO\�r deo
Lcltantr-a ..Antwort�
w DICP auf dlf:
Zum dri�n SitnlJl9U3 (!e,; 20. p�
der O.::p luJen sich die � .un 25}I
...i im Frei%ritheim Döhren in Holl1't
1lO\ .t
� P..rwn"Onia.eodr, PoltriIr. KöbHe,
l;q.riillu die �m und pb �
tm.pprII
Abr;.
der
Albe.1
&I
P<trtei1.-orsWIds. Er stdl� <iM, d..us
&e.dlJÜfte ZUf ksUnduufD..ahnv im Berrich
- ßttrieb und ��ft t(M-W 'n1r
�euOlpni::w.tiol:l der Puta"bildufll � wurden und mit drrcn UII\WtttlnS � 1\"UnW.
Er cUnJae ..Ilen .l.us den Partm"Of'!ldlu,n .I�n �inoen und � fiir �
1.i113i.ih� tmd r�nf: .\I'brit in drin Fiihrunp:lrpn drr P.rtri.
U mbau etc.) definiert. I m Ergebnis
enthält der Leitantrag deutliche or­
thodox-kommun istische Akzente .76
Beschlossen wurde ferner, zur
Bundestagswahl 201 3 nicht anzu­
CDmittfibu d.u�h Kttte
DU
treten??, aber an der Europawahl
dt,r Putriua
dir
Antnpbrc.ltufll :tUII\ Lrit.lntrq .AnnnM'tm der
Sitzunptwn in �1�n·W.illdorf .I�
.uf die KlWo" !Ort, � ilD dt,n bftdm �D
20 1 4 m it einer eigenen Liste teilzu­
nehmen ?8
Internetauszug zum dritten Tag des DKP-Parteitages
am 25. Mai 2013
75
http://news.dkp.de/2013/06/antworten-der-dkp-auf-die-krise-sind-eine-gute-Ieitlinie/; Abruf am
30. 12.2013.
http://news.dkp.de/201 3/05/20-parteitag-der-dkp-beendet/; Abruf am 30. 12.2013.
76
DKP-Informationen Nr. 5/2013 - 6. Juni 2013; www. dkp-online. de/pv/dkp-info/info0513.pdf;
Abruf am 30. 1 2. 20 1 3
77
www.kommunisten. de/index. php ?option=com content& view=article&id=394 7:dkp-waehlte­
_
neue-fuehrung-der-20-parteitag-der-dkp-wird-im-herbst-fortgesetzt&catid= 1 09: 20-parteitag201 3&ltemid=272; Abruf am 30. 12.2013.
78
http://theoriepraxis. wordpress.com/2013/1 0/21/dkp-tritt-zur-eu-parlamentswahl-2014-an/; Ab­
ruf am 30. 1 2. 20 1 3.
200
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Selbst die l i nksextremistische u nd der DKP ideologisch nicht sehr nahestehende
'Marxistisch-Leninistische Partei Deutsch lands' (MLPD) setzte sich m it den Personal­
debatten der DKP auseinander, i n dem sie darauf hinwies, dass der neue Vorsitzende
Köbele im Jahr 20 1 1 neben anderen auch Mao Tsetu ng und Stalin als "große Theo­
retiker", deren Beiträge zu den Grundlagen der DKP zählen würden , bezeichnet habe
(UZ, 9. Dezember 201 1 , S. 1 4) .19 Ansonsten wird der alte ideologische Grundsatzstreit
zwischen beiden Parteien (die Entstali nisierung 1 956 wird durch die MLPD als "verrat
am Sozialismus in der Sowjetunion und nachfolgend auch der DDR" gebrandmarkt)
betont, aber im Hinblick auf die neue Parteiführung gleichwohl die Frage eines zu­
kü nftigen mögl ichen "gemeinsamen Kampfs" aufgeworfen .8o
Gewerkschaftspolitische Konferenz und Kom munalpol itisches Seminar
I m Nachgang zum Parteitag führte die DKP i m Herbst eine "Gewerkschaftspolitische
Konferenz" durch, um ihr Selbstverständnis und das Verhältnis zu den Gewerkschaf­
ten zu bestimmen B1 Die Konferenz wird wie folgt resümiert: ,,[ . . . ] Die Defizite in der
Politik, in der Orientierung und Anleitung durch die Vorstände der Partei wurden offen
benannt. Die Mehrheit der Rednerinnen und Redner mahnten die Einhaltung bewähr­
ter Grundsätze kommunistischer Gewerkschaftspolitik an und forderte die Umsetzung
programmatischer und politischer Positionen der DKP durch alle Gliederungen ein.
[ . . . ] . "82
Ebenso wurde ein "Kommunalpol itisches Seminar" zur Festigung des einheitlichen
ideologisch-politischen Auftretens der DKP durchgeführt. Hierzu stellt die DKP zu­
sammenfassend fest: ,,[ . . . ] Auf der einen Seite ging es um die vertiefende Frage nach
dem politischen, historischen und ideologischen Fundament der Kommunalpolitik. Bei
der Suche nach den Antworten wurde bei Marx, Engels, Lenin und Luxemburg an die
Tür geklopft. [ . . .] Wie Kommunalpolitik heute konkret unter Klassengesichtspunkten
gemacht wird, zeigte [ . . . ] mit packenden Beispielen. [ . ] deckte auf, wie die Kom.
79
80
81
.
www.mlpd.de/2013/kw1 1/dkp-parteitag-vertagt-sich-bis-herbst; Abruf am 19.03. 2013.
Siehe Fußnote 79.
http://news.dkp.de/2013/09/gewerkschaftspolitische-konferenz-der-dkp/; Abruf am
30. 12.2013. http://news. dkp. de/2013/08/ gewerkschaftspolitik-der-dkp/; Abruf am 30. 1 2. 20 1 3.
82
http://dkp-europa.de/index.php ?option=com content&amp;view=article&amp; id=4 71 O:kom
_
munisten-und-einheitsgewerkschaft&amp;catid= 1 04:meinungen&amp; itemid=249; Abruf am
30. 12. 201 3.
LINKSEXTREMISMUS
201
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
munen derzeit für Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit (SOS) sorgen, wie innerhalb
der Stadtverwaltung Entmündigung und Erniedrigung Einzug gehalten haben - etwa
durch Streifendienst und Quartierkümmerer -, wobei die Vollstrecker prekär gehalten
werden. [ . . . ] . " 83
Bundestagswah l 201 3 am 22. September 201 3
Gemäß ihrem Parteitagsbeschluss hat die DKP - wie bereits 2009 - nicht mit eigenen
Landeslisten an der B undestagswahl teilgenom men. E inige Einzel kand idaturen gab
es i n Baden-Wü rttemberg, Brandenburg und Berlin B4 Die DKP rief mit dem Slogan
" Wählt den Weg des Widerstands" zur U nterstützung der Partei ' D I E L l N KE*' mit der
Zweitstimme auf, mit deren Wahlprogramm sie im Wesentlichen konform geht und d ie
sie als Partner im Klassenkampf betrachtet B5
XXI . Bu ndeskongress der 'Sozialistischen Deutschen Arbeiterj ugend*' (SDAJ)
und deren Verhältnis zur DKP
Die formell eigenständ ige 'Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend*' (SDAJ ) ist de
facto die J ugendorgan isation der DKP u nd gilt traditionell als deren Kaderschmiede.
Der i nnerparteil iche Streit der DKP hatte auf die S DAJ* abgefärbt86 , es bestand sogar
die Gefah r einer Abspaltung innerhalb der S DAJ*87. Zum XXI . Bundeskongress der
SDAJ* i n Eschborn (Hessen) i m Oktober 20 1 3 versicherten sich Partei und J ugendor­
gan isation ihrer gegenseitigen Unterstützu ng. Der neue Parteivorsitzende Köbele, der
von 1 989 bis 1 994 Vorsitzender der S DAJ* war, skizzierte das Verhältnis von S DAJ*
und DKP in seinem Gru ßwort als ,,[ . . . ] ein Kampfbündnis von zwei Organisationen auf
dem Boden einer gemeinsamen Weltanschauung, der Ideen von Marx und Engels
83 http://news. dkp. de/201 3/1 O/kommuna/po/itisches-seminar-der-dkp/; Abruf am 30. 1 2. 20 1 3.
84
Ergebnisse der 6 Einze/kandidaturen: Baden-Württemberg (1 x 0, 1 %), Brandenburg (3 x
0, 2%;1 x 0,3%) und Ber/in (1 x 0, 1 %).
85
http://news.dkp. de/2013/0B/waeh/t-den-weg-des-widerstands/ und UZ-Extra zu den Bundes­
tagswah/en; Abruf am 30. 12. 20 1 3.
86
www.redg/obe.de/deutsch/and/opposition/dkp-parteitag-20 13/659 7-dkp-parteitag-diskussion­
um-die-sdaj; Abruf am 30. 12.20 1 3.
87 DKP-/nformationen Nr. 4/2013 - 1 5. Mai 2013, S. 5; siehe www. dkp-on/ine.de/pv/dkp-info/
info04 13.pdf,· Abruf am 30. 12.2013; www.arbeitermacht.de/rmlrm43/dkp. htm; Abruf am
30. 1 2. 20 1 3.
202
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
und Lenin. [ . . . ]" B8 Der S DAJ*-Vorsitzende Paul Rodermund führte in seiner Antrittsre­
de aus: ,,[ . . . ] In all diesen Kämpfen den ideologischen, ökonomischen und politischen
Klassenkämpfen sind wir nicht allein. Mit der OKP haben wir eine starke Partnerin an
der Seite, die die zentrale Unterstützung unseres Verbandes auf ihrem 20. Parteitag
noch einmal eindrücklich bekräftigt hat. [ . . . ] . "89
21. bundeskongress: unsere zukunft statt eure
profite!
� � tilMe die SoNist.ISt:"" ��(SDAJ) � 1hr"" 21
9..nd1i15k� dufrA ZI.... r)ge /;lng � JOO � m � EsdJOom b.1lFr�
NtIbt1n _ � und _
�rlMJl'9. ...wt:IP MJdI __ ��und.rnv_�9f1"'MIt.
_ M#lfl /It16T � ln dl6n ttkhstfln ...... ;.wen
� .u-� lulruntl � "
..
n rrcj\t�! .w.bvut... out.... - � ttUmpftlfl' ISI � die
Fao..rung ....I1., -" �
[n dl!l' Do!Iwtto! um _ �",_ �
zum n-.. ,�ko'It ... Eur�
.....ue
�
uber
"""
Ow�...
voo
�estorcler\.lnqen. '*l Z� -'
Theo<"' ''''' Pr� booo .,... Het....Ido.lng
..t:o
Y(Jß
�SI"""
und
o...
RoIIe
Internetauszug zum Thema 2 1 . Bundeskongress der SDAJ
88
89
http://news.dkp. de/2013/1 O/sdaj-und-dkp-tun-den-monopolen-weh/; Abruf am 30. 12. 20 13.
www.sdaj-netz.de/blog/2013/1 O/referat-des-neuen-bundesvorsitzenden/; Abruf am
30. 12.2013.
LINKSEXTREMISMUS
203
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Pressefest der 'UZ - u nsere Zeit' Wochenzeitung der DKP
Trotz der Jubiläen ,,45 Jahre D KP"90 und
,,50 Jahre Marxistische Blätter"91 i m Jahr
20 1 3 wurde der turnusmäßige Termi n
d e s Pressefestes nicht eingehalten. 20 1 1
überlagerte die innerparteiliche Zerrissen­
Nachrichten
heit der DKP das Pressefest. Sowohl die
große politische und symbolische Bedeu­
tung des Festes für d ie DKP, als auch die
Heute vor 45 Jahren: Neukonstituierung der DKP. Eine
Chronik
Außenwirkung vor allem im linksorien­
tierten Spektru m , stehen allerdings i n der
Partei a u ßer Frage.
So konnte der Parteivorstand am 1 8 . No­
vember 20 1 3 nach ei nem Aufruf zur Vorfi­
nanzierung des Festes nach Spendenein­
gängen von rd. 45.000 Euro d ie Durchfüh­
rung des Pressefestes am 27. J u n i 2 0 1 4
i n Dortmund bekannt geben 92
.__ -t5 "�tral_ die
� ak D.... ",Vclft- iD
dIor. UpIilät ... ... -.-. u...... ..... dna � aIdrt �_ Ii ..
__
a-Iud of-.. bmpa ........,.-. ... ...... die "'-aaioIIl_ ...m cHIP SoIidarttit
..&.:drI
__ � Dfta.ohaI- �
__ 0-..
_
�_ q, W�mit __
b � ..o- � � pmnzI � IM � III_p � cbM; d;.
J'alitik tH � � """'I'I1 ___ .5i. SIh .a.:h � dio! � mm
� l4"I" m. m ftnftn � Goad r.ll � mXI � =- � dtr
"En� � Eme .Aa4;oboo _ Ziob _ "Il:D BKk-" blodt:ut� d» mdn. DOe
.
I
��:=:=::': =�drs�� ��- - ;
JlIiH;o � � trlmttnr "' � lIla:iplIll dH t'tlll d... Xw brnclJloi I
Internetauszug mit der Chronik zum 45-jähi­
gen Jubiläum der OKP
Fazit u n d Ausblick
M it dem Wechsel an der Spitze der Partei sollte offenbar ein Signal gesetzt werden ,
sich wieder stärker an den klassisch-orthodoxen Lehren von Marx, Engels und Lenin
zu orientieren. Einheit der Partei, Kaderbewusstsein u nd zentrale Steuerung dürften
in Zuku nft daher wieder einen höheren Stellenwert gewi nnen .
Der Führu ngsstil der neuen Parteifü hrung war bereits kurz nach dem Parteitag i m
S i n n e einer Kaderpartei a u f a l len Organisationsstufen erkennbar zentralistischer. Der
90
http://news.dkp.de/2013/09/heute-vor-45-jahren-neukonstituierung-der-dkp-eine-chronik/; Ab­
ruf am 30. 12.2013.
www.kommunisten.de/index.php ?option=com_ content&view=article&id=462 2:herzlichen­
glueckwunsch-45-jahre-dkp&catid=42:inland&ltemid=90; Abruf am 30. 12. 2013.
91
http://news. dkp.de/2013/11/50-jahre-marxistische-blaetter/; Abruf am 30. 1 2.20 1 3.
www. neue-impulse-verlag.de/marxistischeblaetter.html; Abruf am 30. 12. 2013.
92
204
http://news.dkp. de/2013/1 1/startschuss-zum-uz-pressefest-2014/; Abruf am 30. 12.2013.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Parteivorstand unterstreicht d ie neue Richtung auch durch das von ihm autorisierte
neue Nach richtenportal 'news.dkp.de'.93 Das Portal .www. kommun isten.de. wird durch
den reformerischen Flügel fortgefü hrt.
Die geringe Organisationsd ichte und M itgliederzah l , mangelnder Zu lauf sowie die
Überalterung der Parteimitglieder waren sicherlich Gründe, um auf die Teilnahme an
der Bu ndestagswah l 201 3 zu verzichten. Die Sammlu ng von 4 .000 Unterstützerunter­
sch riften für die Teil nahme an der Europawahl 2 0 1 4 mit einer eigenen Liste erscheint
der Partei offenbar machbar. Ihren Schwerpunkt wird die DKP jedoch auf d ie Kom­
munalwahlen i n Nordrhein-Westfalen am 25. Mai 201 4 legen, schon um ihre wenigen
Mandate i n den Stadträten94 zu verteidigen und um ein M indestmaß an politischer
Einfl ussnahme vor Ort zu behalten.
Schon aufgrund ihrer wahl politischen Bedeutungslosigkeit will sich die DKP als anti­
kapitalistische, antimil itaristische und antiimperialistische Alternative m it systemkriti­
schen Anspruch vor allem außerhalb von Parlamenten profi l ieren. Der "außerparla­
mentarische Kam pf" i n der gewerkschaftlichen und bündnisbasierten Opposition hat
daher hohen Stellenwert, um die Partei öffentlichkeitswirksam zur Geltung zu bringen
und linksorientierte Kräfte zu bündel n . Klassische Themen wie Kapita l ismuskritik,
Antifaschismus und soziale Gerechtigkeit, "moderne" Forderungen wie ökologischer
U mbau, mehr Demokratie und Selbstbestimmung werden dabei mit kommunistischer
Ideologie verknüpft.
Abzuwarten bleibt, ob es der neuen Parteifü hrung gelingen wird , den in der Partei
nach wie vor vorhandenen Graben zwischen revolutionär-kommunistischer Orthodo­
xie einerseits und Reformorientierung im politischen System der Bundesrepublik an­
dererseits zu überwinden, durch eine Kampagne die M itgliederzahl zu erhöhen95 und
i nsbesondere neue - u nd jü ngere - M itglieder für die Parteiarbeit zu gewin nen.
93
www.redglobe. de/deutschland/medien/6093-dkp-startet-onlineportal?tmpl=com; Abruf am
1 3. 05. 2013.
94
Im NRW ist die OKP derzeit im Stadtrat von Bottrop, ansonsten durch Einzelpersonen in
Wählerbündnissen in Gladbeck und Bochum vertreten.
95
http://news.dkp.de/2013/10/sdaj-und-dkp-tun-den-monopolen-weh/; Abruf am 30. 1 2. 20 1 3.
LINKSEXTREMISMUS
205
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
4. 1 .3
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
G ründung
Sitz
Vorsitzender
Nebenorganisationen
1 982
Gelsenkirchen
Stefan Engel
'Rebell*' und 'Rotfüchse*' (Jugend- bzw. Kinderorgan isation
Vorfeldorganisationen
Zahlreiche Gruppierungen mit nomineller Eigenständigkeit
der MLPD)
dienen der Partei als struktureller Unterbau , daru nter der
'Frauenverband Courage e . V.*' oder komm u nale Wahlbünd­
n isse wie 'AU F*' u . a .
M itglieder
201 3
20 1 2
Publikationen
I nternet
Bund
N RW
ca. 1 . 900
ca. 650
ca. 1 . 900
ca. 650
'Rote Fah ne' (RF), wöchentliche Auflage ca . 7.500
Die Partei verfügt über eine umfangreiche I nternetpräsenz;
'Rote Fahne News' als Online-Nachrichtenmagazin
H intergrund und Verfassungsfeindlichkeit
Die 1 982 aus dem 'Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands' (KABD) hervorge­
gangene MLPD bekennt sich nach wie vor zu den Lehren von Marx , Engels, Stalin
und Mao Tse-tung und verbindet nach eigener Aussage "den Kampf um die Forde­
rungen der Arbeiter- und Volksbewegungen mit dem Ziel der internationalen sozialis­
tischen Revolution ". Die Zielsetzung der MLPD ist durch eindeutig verfassungsfei ndli­
che Aussagen geprägt.
Ziel : Revol ution, D i ktatur des Proletariats, Kommunismus
Bereits die Präambel in den Parteistatuten verdeutlicht dies:
"Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich
als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr
grundlegendes Ziel ist der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolka­
pitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des
206
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen
Gesellschaft. ''96
Die angestrebte Gesellschaftsord nung soll durch eine Revolution erreicht werden , i n
deren Verlauf sich die "Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei [Anm. : gemeint ist
die MLPD} zum bewaffneten Aufstand erheben, [. . .} den bürgerlichen Staatsapparat
zerschlagen, [. .. } die Diktatur des Proletariats errichten und [. .. } gegen die Konterrevo­
lution verteidigen" müsse B7
In einem " 1 5 Punkte Programm" der Partei wird a usgefüh rt:
Es "muss die Herrschaft der internationalen Monopole gestürzt und der Sozialismus
aufgebaut werden. Nicht nur in Deutschland: Den vereinigten sozialistischen Staaten
der Welt gehört die Zukunft". 98
Im Parteiprogramm der MLPD wird d ies konkretisiert:
"Der Sozialismus stellt eine Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus
zum Kommunismus dar. " Erforderlich sei ein "systematischer ideologisch­
politischer Kampf um das sozialistische Bewusstsein zur Überwindung der
bürgerlichen Ideologie". 99
Das gesamte Aktionspotenzial der MLPD fußt auf dem geschlossenen marxistisch-le­
nin istischen Weltbild einer klassischen kommunistischen Kaderpartei. Dies zeigt sich
auch i n der dogmatisch unantastbaren Stellung des seit der Parteigründung amtie­
renden Vorsitzenden. Neben Nordrhein-Westfalen verfügt die Partei i n sechs weiteren
Bundesländern über einen Landesverband.
Das Hauptaugenmerk ihrer politischen Arbeit legt die Partei neben der Frauen- und
J ugendpolitik, die sie mit vermeintlich eigenständigen organ isatorischen Gruppen
umzusetzen versucht, vorwiegend auf die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sowie
die Beteiligung an sozialen Protesten . Da sich die MLPD in einer fortdauernden Ver­
folgu ngssituation durch den Staat und seine Organe wäh nt, agiert sie auf kommunaler
96
www.mlpd. de/partei/grundsatze/praambel; Abruf am 20. 1 2. 20 1 3.
97
www.mlpd. de/partei/parteiprogramm; Abruf am 20. 12.2013.
98
www.mlpd. de/search ?Searchable Text= 1 5+Punkte+Programm; Abruf am 20. 1 2.2013.
99
www.mlpd. de/partei/parteiprogramm; Abruf am 20. 12.2013.
LINKSEXTREMISMUS
207
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Ebene verdeckt. H ier u nterstützt die Partei angeblich unabhängige Personenwahl­
bündn isse m it der Bezeichnung 'AUF" (für: "alternativ, unabhängig, fortschrittl ich"),
die jedoch personell mit der MLPD verflochten sind.
Arbeits- und Aktionsschwerpunkte der MLPD i m Jahr 201 3:
Bundestagswah l am 22. September 2013
Die MLPD beteil igte sich bundesweit mit 41
Direktkandidati nnen und Direktkandidaten a n
d e r Bundestagswahl 201 3 . 1 00 Sie erhielt 1 2 .904
Erstimmen (2009: 1 7 . 5 1 2 ) und 24.2 1 9 Zweit­
stimmen (2009: 29.26 1 ), in Nordrhein-Westfalen
4.599 Erstimmen (2009: 6.636) u nd 4. 600
Zweitstimmen (2009: 4.268) . 1 01
M it dem Leitspruch "radikal links, revolutionär
- für den echten Sozialismus" wollte sich die
MLPD zum einen von der Partei ' D I E l i N KE"
abgrenzen und zum anderen auf sich als revo­
lutionäre sozialistische Alternative aufmerksam
machen. 10 2 I h r Potential als "Partei der Massen"
sieht sie durch ei nen medialen Boykott einge­
schränkt und sich zudem als Opfer des "mo­
dernen Antikom munismus."1 03 So erkläre sich
Wahlplakat der MLPD
u .a . die D ifferenz durch den Wegfall von Spontanwählern und die damit verbundenen Erwartungen zwischen den gesammelten rd .
43 .000 U nterstützerunterschriften zur Wahlzulassung und dem erzielten Ergebnis. 104
1 00
www.rf-news. de/20 13/kw3 1/mlpd-in-allen-1 6-bundeslaendern-zur-bundestagswahl-zugelas­
senf; Abruf am 29.07.2013.
101
www.bundeswahlleiter. de/de/bundestagswahlen/B TW_ BUND_ 13/ergebnisse/bundesergeb­
nisse/; Abruf am 27. 12.2013.
102
103
104
208
www.rf-news. de/2013/kw39/pyrrhussieg-fuer-kanzlerin-merkel; Abruf am 24.09.2013.
Siehe Fußnote 1 02.
Siehe Fußnote 102.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Bereits die Sammlung der Unterstützerunterschriften sieht sie als "bürokratische
Wahlbehinderung. "105
Die Partei sieht ihren Wahlkampf trotz der Stimmenverluste wegen ihrer vielfältigen
Aktivitäten (Unterstützung der Direktkand idatin nen u nd Direktkand idaten, Demonstra­
tionen, Plakatierungs- u nd Verteilaktionen, I nfostände, Kontakte mit der Öffentlichkeit)
als erfolgreich an. I 06 Besonders betont sie dies für Gelsenkirchen, dem Sitz der Partei.
Den dortigen "Erfolg" schreibt sie ihrer "systematischen Kleinarbeit" zu.107 Hervorzuhe­
ben ist die Auftaktveranstaltung i n Kassel ( Hessen) am 1 7. August 20 1 3 , an der nach
Parteiangaben 2.000 Personen teilgenommen haben sollen
WB
Im Wahlkampf hat die
MLPD - nach eigener Darstellung - mit mehreren Migrantenorganisationen zusam­
mengearbeitet. I09
Der B undestagswah l kampf war gekoppelt an die Kampagne " Offensive für den echten
Sozialismus - gegen den modernen Antikommunismus. "11 0 Der M L PD-Vorsitzende
Engel kritisierte in seiner Rede im Rahmen der Abschlusskundgebung der sogenann­
ten "Liebknecht-Luxemburg-Demonstration" in Berl in am 1 3. Januar 201 3 i n diesem
Kontext das politisch linke Spektru m , das sich vom Maoismus und Stalinismus dis­
tanziert. Er verstieg sich sogar zu der Aussage: ,,[. .] Denn der Kommunismus ist die
Ideologie der Freiheit!"111
.
105
Siehe Fußnote 1 00. www.rf-news.de/2012/kw51/neues-interview-mit-dem-vorsitzenden-der­
m/pd-stefan-enge/; Abruf am 14. 0 1 . 20 1 3. www.m/pd.de/2012/kw39/unterstuetzt-die-wah/zu­
/assung-der-m/pd-offene-/iste/image/image view fullscreen; Abruf am 19.03. 2013.
_
106
107
108
_
Siehe Fußnote 102.
Siehe Fußnote 102.
www. rf-news.de/20 1 3/kw34/turbu/enter-wah/kampfauftakt-der-m/pd-offensive-fuer-den­
echten-sozia/ismus-201e/ive 201c-in-kasse//; Abruf am 09. 1 2.20 1 3. www.m/pd-essen.de/
waeh/erinitiative-horst-dotten/drum-m/pd-waeh/en; Abruf am 09. 1 2.2013.
109
Siehe Fußnote 102.; www.rf-news. de/2009/ kw40/ber/in-begeistemdes-intemationa/es-ku/tur­
fest; Abruf am 27. 12.2013.
110
11 1
Siehe Fußnote 102.
www.m/pd. de/20 13/kw03/20 1 ewir-sagen-dem-modemen-antikommunismus-den-kampf­
an201c; Abruf am 1 8. 0 1 . 20 1 3.
LINKSEXTREMISMUS
209
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
1 6. Internationales Pfingstj ugendtreffen des J ugendverbandes 'RebeW'
Am 1 8.11 9. Mai 201 3 fand in Gelsenkirchen das traditionell alle zwei Jahre von dem
J ugendverband 'Rebell*' der MLPD und seiner Kinderorganisation 'Rotfüchse*' ausge­
richtete Pfingstjugendtreffen statt. Obwohl die MLPD von 4.000 am ersten Tag1 1 2 und
9.000 Besucher am zweiten Tag berichtete1 1 3 ,war die Besucherzahl im Gegensatz zu
2011 geringer. Wie vor zwei Jahren waren auch in diesem Jahr I nfostände parteinaher
Organisationen aufgebaut.
Internetauszug 'Rote Fahne-News' zum Pfingstjugendtreffen
201 3 in Gelsenkirchen
I nternationales Engagement
Der 201 0 gegründete 'I nternationale Zusammenschl uss revolutionärer Parteien und
Organisationen' ( leOR) umfasst weltweit 45 Parteien u nd Organisationen aus 32
112
www.rf-news.de/20 13/kw20/bereits-ueber-4. OOO-teiinehmer-beim-internationalen-pfingst­
jugendtreffen-in-gelsenkirchen-meine-erwartungen-werden-gerade-voll-erfuellt; Abruf am
28.05. 2013.
11 3
www.lokalkompass. de/bochum/politik/ueber-9000-besucher-beim-internationalen-pfingstju­
gendtreffen-in-gelsenkirchen-d298206.html; Abruf am 27. 1 2. 20 1 3.
210
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Ländern .114 Das Ziel der I COR ist, durch ein politisches Netzwerk die i nternationale
proletarische Revol ution voran zu bringen u nd auf revolutionärem Weg national wie
international das aus kommun istischer Sicht imperialistische, ausbeutende und un­
terdrückende (Welt- )Herrschaftssystem umzustürzen. Hauptkoordinator der ICOR ist
der Vorsitzende der MLPD, Stefan Engel. M it i h rem Engagement in der ICOR will die
MLPD ihre internationale Ausrichtung gemäß dem "Kommunistischen Manifest" unter­
streichen.
I m Rahmen ihres internationalen Engagements mit politisch bzw. weltanschau l ich
nahestehenden Organisationenl15 koord i n ierte und unterstützte die M L P D bereits
im Jahr 20 1 1 maßgeblich den Aufbau der internationalen Frauenbewegung zur " 1 .
Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen" in Venezuelal16 und den " I nternationalen Au­
tomobilarbeiterratschlag" in M ünchen in 201 2117. Eine " 1 . I nternationale Bergarbeiter­
konferenz", hat - nach eigener Darstellung - m it fast 500 Vertretern aus 25 Nationen
Anfang März 20 1 3 i n Peru stattgefu nde n . 1 18 Auch h ier war der MLP D-Vorsitzende En­
gel "internationaler Hau ptkoordinator" für die Vorbereitung der Konferenz. Laut Engel
sei ,,[. .. ) Hauptziel der Konferenz [. . } die schrittweise Vereinigung der internationalen
kämpferischen und klassenkämpferischen Bergarbeiterbewegung. [. }". 119
.
. .
114
www.rf-news.de!20 13!kw34!20 1 emit-der-offensive-die-revolutionaeren-potentiale­
erweitern201 c; Abruf am 14.08.2013.
115
www.minersnet. org!index.php?view=article&amp;catid=80%3Ainfo&amp;id= 1; Abruf am
1 0. 12.2013, z.B. wo bei den Teilnehmern der Bergarbeiterkonferenz der Bezug zum Klassen­
kampf und zum "echten Sozialismus" hergestellt wird.
116
www.rf-news.de!201 1!kw38!23. 09. 1 1-veranstaltung-zur-weltfrauenkonferenz; Abruf am
27. 12.2013.
117
www.rf-news.de!201 2!kw2 1!veranstaltungen-mit-internationalen-gaesten-des-iaar!; Abruf am
27. 12.2013.
118
www.rf-news.de!2013!kw1 O!erste-weltkonferenz-der-bergarbeiter-ging-erfolgreich-zu-ende!;
Abruf am 27. 12. 20 1 3.
11 9
www. rf-news.de!20 1 3!kw08!internationale-bergarbeiterkonferenz-stoesst-in-peru-auf-grosses­
medienecho!; Abruf am 27. 12.2013.
LINKSEXTREMISMUS
211
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Der für den 6 ./7. Oktober 201 3 geplante ,,3 . I nternationale Umweltratschlag" musste
aus organ isatorischen Gründen in das Jahr 2 0 1 4 verschoben werden. 1 2o Ziel ist die
Gründung einer internationalen Umweltgewerkschaft. 1 21
Entzug der Gemei nn ützigkeit tür den 'Frauenverband Courage e.V.*'
Dem 'Frauenverband Courage e.V.*' wurde im Dezember 20 1 2 durch das Finanzamt
Wuppertal-El berfeld wegen der Erwähnung des Vereins i m Verfassungssch utzbericht
20 1 0 des Landes N RW der steuerrechtliche Status der Gemeinnützigkeit aberkannt.
Der wesentliche Rechtsg ru nd dafür war, dass es bei dem Verband Anhaltspunkte für
den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung gibt. Gegen den Entzug der
Gemeinnützigkeit wurden Rechtsmittel eingelegt.
Dagegen initiierte 'Courage e.V.*' i m Berichtsjahr eine massive Protestkampagne
durch Solidaritätsaufrufe122, Unterschriftensammlu ngen123, einen Offenen Brief a n die
Landesregierung124 sowie Protestaktionen vor dem Finanzamt Wuppertal-Elberfeld1 25.
120
http://umweltratschlag. de/index. php/de/dokumentation/nachrichten/meldungen-von-der­
koordinierungsgruppe/306-infobrief-8-verschiebung-des-3-umwe/tratschlages; Abruf am
10. 1 2.2013. www.rf-news. de/2013/kw26/3. -internationaler-umweltratschlag-gewinnt-kontur/;
Abruf am 25.06.2013.
12 1
www. mlpd.de/201 3/kw46/taifun-201 ehaiyan201 c-201 3-fukushima-2013-fracking-2013-gift­
muell-untertage-aufbau-einer-internationalen-widerstandsfront-zur-rettung-der-umwelt-2013jetztlimage/image_ view_fullscree; Abruf am 05. 1 2. 20 1 3.
1 22
Beispiele: www.rf-news.de/20 1 3/kw48/25. -november-frauen-erheben-sich-gegen-gewalt-an­
frauen; Abruf am 26. 1 1 . 20 1 3. http://fvcourage.de/index.php ?option=com content&view=articl
_
e&id=434:medienecho-und-solidaritaetsbekundungen-zur-aberkennung-der-gemeinnuetzigke
it&catid=40:aktuelles&ltemid=27; Abruf am 27. 1 2. 20 13.
1 23
www. fvcourage.de/index. php ?option=com content& view=article&id=40 7:qverfassungsschutz­
_
darf-nicht-ueber-gemeinnuetzigkeit-einscheidenq&catid=40:aktuelles&ltemid=27; Abruf am
27. 12. 2 0 1 3.
1 24
1 25
http://fvcourage.de/index.php ?limitstart=5; Abruf am 27. 1 2. 20 1 3.
http://fvcourage.de/index.php ?option=com_ content& view=category&id=36&layout=blog&/tem
id=4 1 ; Abruf am 27. 12.20 1 3.
212
LINKSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Die Kampagne wurde durch die
MLPD und ihr nahestehende
Organisationen massiv unter­
� Courage - def Name 1011 Programm sein und d•• besondere Profil des
Verbandes kennzeKflnen: überparteilich und international, IiOlldariscfl
�& und demokr.ttiKh - ein ZusammensdJluss von frauen jeden Akers und jeder
a
�t'd�
V
stützt und begleitet.126
TAHgkeit.
Wf'ltenesen
Der 'Frauenverband Courage
ODC
Solidaritat mit den breiten Protesten in der Türkei
eV*' ist seit jeher eine Vorfeld­
m t."M r kt
W" vom fliluenverwnd Courage t'Iklalt-n unsere une
g
h an
e 5oIld""131 mit den seit
Wochen anhaltt"flden Prott"St1"f'l Im GezI PlII!.:, am lakSlm Platz und ubelltll In der Turb.",
organisation der MLPD. Bereits
download h,('r
lld
I(r�illI'$atlO"sp...nkl de5. Wlder!>land� QE1Ierl dft' (f!'ilkUOflare und an
emokra
us<=
he Erdogan­
Ptllilik war df'! uadrtKll'1veldJe lakSlm-PlalZ und dei angrenzende Gel' p",rk, wo 600 Baume
d ie Gründung des Verbandes
f'
au
gefallI ....erden f.oltlf"fl. DIe Demon�trilntt"fl fOldem D mokr
frerht"tt .Ut>t-Iall rsl 1aks,m, [.berall
im Jahr 1 991 wurde von der
e, '!Ple MelnI,JOgsa.,!krung und
.SI Wlde'S\and" wurde zum Pfole!olfuf auf
de' ganzen Welt.
Well!'.I!')!'!>
MLPD wesentlich i n itiiert. Seit­
Aberkennung der Gemeinnützigkeit sofort zurücknehmen!
dem n immt die Partei gezielt
SovlI'l offentlodlE-
0 [) C
Dl!> US
k
!oI(>nen. P'OIesl und Empoo'ung hatte das finanzamt Wuppet1al wohl nlehl
e'...ant'!. al� t'S MItte Dezember 2012 dem rrauenband Cou,a9!' die G!'melnnUIl.gkel[
ideologisc h , personell und
'udew"kend ab 20JO enll09. E.n br-e.tes Spekllum von Menschen, OrganiSill10nen und Parte.en
lE" l>C"h .ben
unlt"!SlUtlen \Jn�. un
organ isatorisch E influss auf
re
e PTOI�terkla,ung. schreIben ArtIkel,
und vE"I"b'elten un�r
unlel�IU11ungs und Pf(l.�b"efe. UnlefS<.h"ftrnl'sl<>n und flugblatl hoel zum downloaden
'Courage eV*', um Frauen für
Wellerl!'�('n .
ihre politischen Ziele und ihre
Breites Medienecho und Solidaritätsbekundungen zur
ODC
Aberkennung der Gemeinnützigkeit!
Ideologie im Sinne eines So­
Im Anh"'"9 findei ihr .,ktueUe I'rotest
breite
Medienecho (1).
zialismus/Kommun ismus nach
aus den.
den Vorstellungen der Partei
( 1 ) SOlidaritätsbekundunqen und
n
Wi
i
i ä.sbekundungen ( I) sowie Auszüge
e li
für diese viellältige und
und SOl d....t
r mOChten uns sehr
h n ch
anh..llende Solidarität bedankeni
ö fe t iche
f
n l
Protestbriefe
eini9t= Aos�iigel
\
zu gewinnen. 'Courage eV*'­
7 .... )01:1 V..riUf..,,,lirht inl Srh,,"..
nhli....,
Ortsgruppen in Deutschland
arbeiten seit Jahren eng mit der
MLPD und ihr nahestehenden
I
..,
"\ 125," ...
Internetauszug des 'Frauenverbandes Courage e. V '
Organisationen sowie mit dem
durch die MLPD beeinflussten Wahlbündnis 'AUF*' zusammen127 (gemeinsame Ver­
anstaltu ngen, Demonstrationen, Kundgebungen, Pfingstjugendtreffen etc.). Bekräftigt
wurde die historische Verbindung zwischen der MLPD und 'Courage e.V.*' zuletzt im
Rahmen der offiziellen Festakts zum 30jährigen Bestehen der MLPD am 3. November
201 2 i n Dortmund. Dort führte die stellvertretende Parteivorsitzende Monika Gärtner­
Engel zur Frauenarbeit der MLPD und zum geschichtlichen U rsprung des 'Frauenver­
bandes Courage eV*' aus:
126
Beispiele: www.mlpd.de/20 1 3/kw39/gemeinnuetzigkeit-des-frauenverbands-courage-20 13-k­
ein-thema-fuer-hannelore-kraft; Abruf am 27. 12. 20 1 3. www.mlpd. de/2013/kw49/neue-attacke­
gegen-gemeinnuetzigkeit-von-courage; Abruf am 27. 12.2013. www. essen-steht-auf. de/html/
aktuelles.html; Abruf am 27. 1 2. 20 1 3.
127
Beispiel: www.rf-news.de/2013/kw48/25.-november-frauen-erheben-sich-gegen-gewalt-an­
frauen; Abruf am 26. 1 1 . 20 1 3.
LINKSEXTREMISMUS
21 3
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
,,[ . . ] Dem trägt die MLPD mit einer nunmehr über 20-jährigen systemati­
.
schen marxistisch-leninistischen Frauenarbeit Rechnung. [ . . ] Ende der
.
1 980er Jahre hatten wir vor, eine marxistisch-leninistische Frauenorgani­
sation aufzubauen. [ . . ] Oie revolutionären Frauen gehören in die Partei.
.
[ . . ] Oie grundsätzlichen Diskussionen, die er (An m . : gemeint ist Willi Dick­
.
hut, Mitbegründer der MLPD) dadurch in der MLPD auslöste, wurden zum
Fundament der Frauenarbeit der MLPD. Oie MLPD förderte seitdem den
Aufbau des überparteilichen Frauenverbands Courage.
"
1 28
Auch der 'Frauenverband Courage eV*' stellte sich - gemeinsam mit kommunisti­
schen bzw. derart beeinflussten Organisationen - im Rahmen des Festaktes vor.129
I n den Parteiorganen der MLPD (Homepage www. mlpd.de. 'rf-news', 'Rote Fahne')
wird seit Jahren sowohl über grundsätzliche frauen politische Positionen der Partei
als auch über gemeinsame Veranstaltungen m it 'Courage eV*' und anderes mehr
berichtet.
Die enge Verbindung zwischen der MLPD und 'Courage eV*' zeigt sich z. B. auch
dara n , dass d ie Partei auf ihrer Homepage aus Sch riftverkehr zwischen dem Frauen­
verband und dem Finanzamt zitiert: "Am 14. November 2013 verschärfte das Finanz­
amt die Auseinandersetzung. Es lehnte den Einspruch von Courage vom 3. Januar
2013 gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ab. Oie Begründung: ',,[. . .] das
Bestehen einer personellen und ideologischen Verflechtung (mit der MLPD) wird nicht
widerlegt'. Nicht genug, dass damit die Beweislast umgekehrt und der Frauenverband
gezwungen werden soll, die manipulierten Unterstellungen des NRW-Geheimdienstes
zu widerlegen, Courage sei eine 'Vorfeldorganisation der MLPD ' [. .]. "1 30
.
Rechtsvertreter des Frauenverbands ist Peter Weispfennig; M itglied des Zentralkomi­
tees der M L P D , des zentralen Führu ngsgremiums der Partei. 1 31
128
1 29
www.m/pd. de/20121kw49/stefan-enge/-zum-stuttgarter-parteitag; Abruf am 20. 1 2. 20 1 2.
www. rf-news.de/20 12/kw44/m/pd-unser-geburtstagsfest-zum-hat-begonnen; Abruf am
05. 1 1 . 20 1 2.
130
www.m/pd.de/2013/kw49/neue-attacke-gegen-gemeinnuetzigkeit-von-courage; Abruf am
27. 12.2013.
131
http://www1. wdr. de/themen/po/itiklcourage100. htm/; Abruf am 27. 12.2013. www. m/pd. de/par­
teilreprasentanten-der-m/pd/peter-weispfenning-mitg/ied-im-zk; Abruf am 27. 1 2.2013.
214
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Umweltpolitisches E ngagement
Die MLPD hat Umweltpolitik auf ihrem IX. Parteitag i n 20 1 2 zu ihrer "zweitwichtigsten
Kampflinie für die Vorbereitung der internationalen Revolution" gemacht. '32 Daher
unterstützt sie den Aufbau einer überparteilichen und kämpferischen U mweltgewerk­
schaft in Deutschland, deren Gründung "und [. . .] Gewinnung von mindestens 5.000
Initiatoren bis Herbst 201 4 " geplant ist.133 I h r als überparteilich deklariertes Engage­
ment im U mweltschutz dürfte vor allem auch der Gewinnung neuer, insbesondere jun­
ger M itgl ieder d ienen . I n diesem Kontext sind die Jugendarbeit u nd das turnusmäßige
Pfi ngstj ugendtreffen für die Partei von großer Bedeutu ng. Für den kontinu ierl ichen
Parteiaufbau haben d ie internationale Ausrichtu ng, Frauen- und Nachwuchsarbeit
sowie U mweltschutzpolitik in vermeintlich überpartei lichen und u nabhängigen Selbst­
organisationen und Bündn issen nicht n u r im Wahljahr für die M L P D hohe Priorität.
I m Übrigen engagiert sich die Partei i n arbeitspolitischen oder -rechtlichen Ei nzelfällen
i n "Solidaritätskreisen", die Mitglieder zudem traditionell auch in Betriebsräten bzw.
Gewerkschaften .
Fazit und Ausblick
Die Vorbereitung und das E rgebnis der Bu ndestagwah l 20 1 3 zeigen , dass die MLPD
zwar Stimmenanteile deutlich über ihrer M itgl iederzahl erzielen kan n . Jedoch wird
sie - wie bei vorherigen Wahlen auch - überregional im politischen S pektrum kaum
wahrgenommen . M it ihrer eindeutig revolutionär-kommun istischen Position ierung im
Wahlkampf und dem Verlust von bundesweit jeweils rund 5.000 Erst- und Zweitstim­
men hat die Partei - selbst bei Betrachtung nur des linken Wählerspektrums - eine
klare Standortbestimmung erfahren. I n sgesamt ist und bleibt d ie MLPD wahlpolitisch
weiterhin bedeutu ngslos.
Gleichzeitig manifestiert sie durch die Teilnahme an den Wahlen ihren Parteiensta­
tus i n dem von ihr abgelehnten politischen System. Ihre Aktionsschwerpunkte sieht
sie, einer kommun istischen Kaderpartei entsprechend, au ßerhalb von Parlamenten.
Geradezu verfolgt und eingeschränkt sieht sich die M L P D durch einen von ihr diag­
nostizierten "modernen Antikommun ismus", den sie explizit auf sich bezieht.
132 Siehe Fußnote 1 1 4.
133 Siehe Fußnote 1 1 4.
LINKSEXTREMISMUS
215
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Die M L P D tritt zur Europawahl am 25. Mai 2 0 1 4 an mit dem Motto "Rebellion gegen
die EU ist gerechtfertigt!". S pitzenkandidaten sind Peter Weispfenning ( I nternational is­
mus-Verantwortlicher und ZK-Mitglied der MLPD) und Lisa Gärtner (Vorsitzende des
J ugendverbands 'Rebell*'). Die MLPD betont, als Mitglied der revolutionären WeItor­
gan isation I CO R zu kandidieren. '34 Der Wahlantritt der M L P D dü rfte auch im Kontext
des vom Parteivorsitzenden seit Jahren ausgemachten "Richtungstrend nach l inks"135
zu sehen sein , i n dem die Partei im Zusammenschluss mit den Parteien und Organi­
sationen der ICOR Europa eine klare sozialistische Alternative a nbieten will.
Wichtiger dü rften für die MLPD allerdings die ebenfalls am 25. Mai 20 1 4 stattfi nden­
den Kommunalwahlen i n Nordrhein-Westfalen sein. Maßgeblich von ihr beeinflusste
Wahlbündnisse (zumeist 'AUF*' oder mit a nderem Namen) sind in den Räten der
Städte Gelsenkirchen , Essen, Mülheim, Sol ingen , Bergkamen, Neukirchen-Vluyn und
Witten vertreten . H ier gilt es für die Partei, ihren aktuellen Status zu verteidigen bzw.
auszubauen.
4.2
Aktionsorientierter Linksextremismus
Anhaltspunkte tü r den Verdacht linksextremistischer Bestrebungen und ideolo­
gische Orientierung
Die linksautonome Szene ist eine heterogene, alternative M isch-Szene, deren ge­
meinsame ideologische Basis fundamental-anarchistische und kommunistische The­
oriefragmente bilden . Ihr Ideal sieht sie i n einem "selbstbestimmten Leben" frei von
Herrschaftsverhältn issen. Staatliche und gesellschaftliche Normen, H ierarch ien u nd
Verbindl ichkeiten werden als Unterdrückungsmechanismen ("Repression") betrachtet.
Die Szene ist insgesamt eher wenig ideologiefixiert, sondern in erster Linie aktions­
orientiert. Gewalt ist dabei ein grundsätzlich akzeptiertes Mittel im Kampf gegen den
Staat, vor allem gegen die Polizei , und andere politische Gegner. Diese gezielten und
intendierten Grenzüberschreitungen sind mit dem staatl ichen Gewaltmonopol und den
Grundrechten anderer als Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundord­
nung unvereinbar. Daher ist die Beobachtung der linksautonomen Szene durch den
Verfassungsschutz geboten.
134 www.rf-news. deI20 131kw51Im/pd-kandidiert-zur-europawah/-20 14-rebellion-gegen-die-eu­
ist-gerechtfertigt; Abruf am 30. 12.20 1 3.
135
216
Siehe Fußnote 1 1 4 .
LINKSEXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Handlungsm uster und Aktionsformen
D ie Handlungsmuster und Aktionsformen der autonomen Szene reichen von der of­
fenen politischen Betätigung, zum Beispiel durch Agitation m it Flugblättern, Plakaten,
I nternetauftritten und sonstigen Veröffentlichungen, Outing-Aktionen von tatsächlichen
oder vermeintl ichen Angehörigen der rechtsextremistischen Szene, gezieltem Lahm­
legen von I nternetseiten bis zu Sachbeschädigungen an staatlichem oder privatem
Eigentum bis h i n zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit dem jeweiligen politi­
schen Gegner. Zeit- und ortsgebundene Ausei nandersetzungen mit einer gewissen
"Tradition" und politischen Motivation, bei denen es - wie i n Berlin und Hamburg
- regelmäßig zu schweren Gewalttaten in erheblicher Zahl kommt, gibt es in Nord­
rhein-Westfalen n icht. Auch bilden Autonome anlassbezogen mit zivildemokratischen
Spektren Bündn isse, i n denen sie für ihre Aktionen m itunter Schutz und Unterstützung
suchen, i nsbesondere bei der Mobilisierung gegen rechtsextrem istische Veranstaltun­
gen. Auch die Beteiligung der Bu ndeswehr und der NATO an internationalen Mil itär­
einsätzen ist dauerhaft im Fokus der Szene. Durch spektakuläre Aktionen gegen ihre
Einrichtungen und Veranstaltungen, wie der Nachwuchswerbung und der Zusammen­
arbeit des Mil itärs mit zivilen U nternehmen, will sie eine erhebl iche Öffentlichkeitswir­
kung erzielen. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise ist in den letzten Jahren der
antikapitalistische Aspekt wieder deutlicher in den Vordergrund getreten .
Auseinandersetzungen im Rahmen d e s Bundestagswahlkam pfes 20 1 3
Während des Bu ndestagswah lkampfes kam es bundesweit vielfach z u Sachbeschä­
digungen, Beleidigungen und auch körperlichen Ang riffen gegen Wah l helfer, Funkti­
onäre und Ein richtungen der Parteien N P D , 'Die Rechte', 'pro Deutschland" und der
Euro-kritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) . Die AfD wird in der linksex­
tremistischen Szene nahezu gleichermaßen als Feindbild angesehen wie rechtsext­
remistische Parteien . Am 1 0. September 20 1 3 veröffentlichte das lin ksextremistische
Internetportal ' I ndymedia' einen Beitrag mit dem Titel "AfD Hamburg intern geleakt",
wonach das parteiinterne "nichtöffentliche Mitgliederhandbuch der AfD Hamburg mit
der internen Organisationsstruktur" samt E-Mail- und Telefonkontakten auf der Web­
seite veröffentlicht worden sei ns
Anlass für Aktionen der Szene bildeten darüber h i naus sowohl die sechswöchige
"Deutschlandfahrt" der N P D , die thematisch unter dem Motto "Asylflut und Europa1 36
https://linksunten. indymedia.org/node/94849; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
LINKSEXTREMISMUS
217
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
wahn stoppen - NPO in den Bundestag!" stand und dabei auch durch 1 5 Städte i n
Nordrhein-Westfalen füh rte, als auch die Veranstaltungsreihe von 'pro Deutschland"
unter dem Motto "Zuwanderung stoppen - Islamisierung verhindern", die schwer­
punktmäßig an Orten durchgefü hrt wurde, welche einen unmittelbaren Bezug zu
muslimischen Einrichtungen bzw. Gotteshäusern sowie autonomen Szenetreffs auf­
wiesen. Beide Parteien provozierten zum Teil erhebliche Gegenreaktionen des links­
autonomen Spektrums; es kam zu Flaschenwürfen, Beschädigungen an I nfoständen,
Wahlplakaten und Parteieinrichtungen . Darüber hi naus wurden auch Wahlplakate von
im Bundestag vertretenen Parteien beschädigt.
Themenfeld Antifaschismus
Ein zentrales Themenfeld der l inksautonomen Szene ist der "antifaschistische
Kampf". Aktionen der autonomen Antifa, der prägende Teil der aktionsorientierten
Szene, zielen vor allem darauf ab, Veranstaltungen rechtsgerichteter Parteien , Or­
ganisationen oder Gruppierungen - auch mit Gewalt - zu stören oder zu verhindern .
Darüber hinaus sind deren Institutionen und Szeneobjekte wie z . B . Parteibüros oder
Treffs Ziele von Angriffen, aber auch E i nzelpersonen , die tatsächl ich oder vermeintlich
der rechtsgerichteten Szene angehören . Für Nordrhein-Westfalen sind dies d ie drei
Antifa-Feindbilder 'pro N RW', NPD und Neonazis.
Die Polizei wird als "staatliches Repressionsinstrument" begriffen. Bereits die Polizei­
präsenz bei Demonstrationen wird von der Szene als "strukturelle Gewalt" empfun­
den, die "Gegengewalt" als "legitimen revol utionären Akt" im Kampf gegen das bür­
gerlich-kapitalistische System rechtfertigt . ' 3? Die aus der Verfassung folgende Rechts­
pfl icht, auch Versammlungen der rechtsextremistischen Szene zu gewährleisten, wird
als "Schutz der Rechten" durch die Polizei d iffamiert. Die Grundrechte der Meinungs-,
Versammlungs- und politischen Organisationsfreiheit der Anhänger dieses Spektrums
werden negiert, auch wenn Gerichte diese ausdrücklich bestätigt hatten.
I nsbesondere folgende Ereignisse aus dem Jahr 201 3 sind in diesem Kontext erwäh­
nenswert:
1 37
Konzept der "strukturellen Gewalt" nach dem norwegischen Friedensforscher Galtung: Alles,
was Individuen daran hindert, ihre Anlagen und Möglichkeiten voll zu entfalten, ist eine Form
von Gewalt, die auf gesellschaftlichen Strukturen, Werten, Normen, Institutionen oder Diskur­
sen sowie Machtverhältnissen beruht. Das Konzept ist Teil der zentralen Legitimationsstrate­
gie linksextremistischer Kampagnen, die Verstöße gegen die Rechtsordnung regelmäßig mit
der vorgängigen "Gewalt des Systems" rechtfertigten.
218
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Proteste gegen das rechtsextrem istische Spektrum in Stolberg und Aachen am
5. und 6. April 201 3
Aufgrund polizeil icher Verbote, die gerichtlich bestätigt wurden, fanden i n diesem
Jahr keine Aufmärsche der rechtsextremistischen Szene in Stolberg statt. An friedlich
verlaufenen Demonstrationen des zivildemokratischen S pektrums, an denen sich nur
vereinzelt Linksautonome beteil igten, nahmen am 5 . April 201 3 ca. 1 70 und am 6. Ap­
ril 20 1 3 bis zu 500 Personen tei l .
E i ne nicht angemeldete Ersatzversammlung d e r Partei 'Die Rechte' am 6. April 201 3
in der Aachener Innenstadt wurde vom l i n ksextrem istischen S pektrum zeitgleich in so­
zialen Netzwerken thematisiert. Daraufhin sammelten sich etwa 50 Szeneangehörige
an der polizeil ichen KontrollsteIle. Versuche dieser Gruppe, an die Rechtsextrem isten
zu gelangen , konnten polizeilich unterbunden werden. Gegen Rechtsextremisten ,
die später m it Flugblättern angetroffen wurden, richtete s i c h e i n e spontane Gegen­
demonstration des linksextremistischen S pektrums, die nach wenigen M inuten ohne
besondere Vorkommnisse beendet wurde. Vereinzelt kam es zum Aufeinandertreffen
rivalisierender Gruppen beider Szenen . Eskalationen konnten jedoch durch die Polizei
verhindert werden .
Aktionen gegen Demonstrationen der rechtextrem istischen Szene in Dortm und
vom 30. August bis 8. September 201 3
Die jährliche Demonstration zum "Antikriegstag"'38 in Dortmund, die bis zu deren Ver­
bot am 23. Augu st 20 1 2 von der Kameradschaft 'Nationaler Widerstand Dortmund'
organisiert wurde, hatte für das rechtsextremistische Spektrum bundesweit große Be­
deutu ng und traf auf massiven Protest sowohl zivildemokratischer als auch lin ksextre­
m istischer Spektren aus dem I n- und Ausland. I nsbesondere für die Antifa-Szene war
und ist dies ein wichtiger Fixpu nkt ihrer "Antifaschismusarbeit".
In der Zeit vom 30. August bis 8. September 201 3 kam es zu mehreren rechtsextre­
mistischen Veranstaltungen und entsprechenden Gegenveranstaltungen des zivilde­
mokratischen und l i nksextrem istischen Spektru ms. Gegen die Hauptveranstaltung
138
"Nationaler Antikriegstag" (AKT) : Der von der DDR mit dem Namen " Weltfriedenstag" ins
Leben gerufene und in der Bundesrepublik so bezeichnete "Antikriegstag" erinnert an den
Angriff der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1 939, mit dem der Zweite Weltkrieg aus­
gelöst wurde. Der AKT ist ein Beispiel für die Strategie des rechtsextremistischen Spektrums,
sich ursprünglich der politisch linken Szene vorbehaltene demonstrative Anlässe anzueignen.
LINKSEXTREMISMUS
21 9
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
der Partei 'Die Rechte' am 3 1 . August 20 1 3 mit 370 Teilneh mern protestierte das
linksextremistisch beeinflusste Bündnis 'Dortmund stellt sich quer!" (DSSQ) mit 200
Teilnehmern .
Obwohl sich d ie Mehrheit der dem zivildemokratischen Spektrum zuzurechnenden
Gegendemonstranten friedlich artikul ierte, nahmen auch etwa 350 Teilnehmer aus
dem Umfeld des linksautonomen Spektrums an den Gegenaktivitäten teil . Dabei kam
es zu Sitzblockaden und körperlichen Auseinandersetzungen m it der Polizei . Wegen
versammlungstypischer Straftaten wurden diverse Strafverfahren eingeleitet und meh­
rere Personen festgenommen . Auch am 7 . September 20 1 3 wurden linksautonome
Aktivisten von der Polizei daran gehindert, eine weitere Kundgebung der Partei 'Die
Rechte' in Dortmund anzugreifen.
Demonstrationen und Aktionen gegen eine Versam m l u ng der Partei 'Die Rechte'
i n Wuppertal am 21 . September 201 3
Am Vortag der Bundestagswahl reisten l i n ksautonome Gegendemonstranten aus
mehreren nordrhein-westfälischen Städten nach Wupperta l , um gegen eine Demons­
tration der Partei 'Die Rechte' zu protestieren . An verschiedenen Punkten der Stadt
musste die Polizei ein Aufeinandertreffen von Personen des linksautonomen Spekt­
rums mit den Rechtsextremisten verhindern .
Rechts-li nks-Ausei nandersetzung an der Ruhrun iversität in Bochu m am
2. Dezember 201 3
Am 2. Dezember 201 3 stürmten an der Ruhrun iversität in Bochum etwa 1 5 bis 20
maskierte Personen ei nen m it ca . 200 Personen gefüllten Saal, in dem gerade eine
j uristische Lehrveranstaltung stattfand. Die Akteure waren vermummt. Die Aktivisten
verteilten Flyer, auf denen ein Foto des als Teil nehmer der Veranstaltung anwesenden
Dortmu nder Rechtsextremisten und stellvertretenden Landesvorsitzenden der Partei
' Die Rechte', Michael Brück, zu sehen war. In der Folge kam es zu körperlichen Aus­
einandersetzu ngen, bei denen fünf Personen leicht verletzt wurden . Der anwesende
Professor wurde m it Teleskopschlagstöcken bedroht, nachdem er einen der Aktivisten
festhalten konnte. Nach ihrer Flucht konnte die Polizei vier beteil igte Personen im
Bereich des Hauptbah nhofes festnehmen. In der Szene wurde die Aktion später kont­
rovers diskutiert.
220
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Protestaktionen gegen die Demonstration der rechtsextrem istischen Szene i n
Remagen (Rhe i n land-Pfalz) am 2 3 . November 201 3
Die rechtsextremistische Szene ruft seit ein igen Jahren zu einer Demonstration zum
Gedenken a n die E reignisse in einem von den Alliierten in Remagen betriebenen
Kriegsgefa ngenenlager ("Rhei nwiesenlager") auf. Sowohl im rechts- als auch l inks­
extrem istischen Spektrum wu rde die Mobilisierung 201 3 in erheblichem Maße von
Aktivisten aus Nordrhein-Westfalen i n itiiert. Bei beiden S pektren war die Mobilisierung
stärker als im Vorjahr. Den ca . 230 Rechtsextremisten
standen etwa 350 dem lin ksextrem istischen Spektrum
zuzu rech nende Aktivisten gegenüber, ein Großteil da­
von kam aus Nordrhein-Westfalen. Der Veranstaltungs­
leiter u nd Anmelder der Gegendemonstration kam aus
dem Raum Aachen. Mehrfach versuchten Linksautono­
me die Demonstration der Rechtsextrem isten zu stören
und an die Aufzugsstrecke zu gelangen. H ier kam es
zu Übergriffen gegen Polizeibeamte.
Themenfelder Antikapitalismus, Antirepression, Anti rassismus, Antipatriarcha­
lismus, Ö koanarchismus
Bisher reagierte die lin ksextremistische, insbesondere die linksautonome Szene mit
wenigen Ausnahmen auf Anlässe, die von außen gesetzt wurden . Gab es Veran­
staltungen des rechtspopulistischen oder rechtsextremistischen S pektrums, staatli­
che Abschiebemaßnahmen , Räumungen besetzter H äuser oder Entwicklungen im
Ausland, wurden Protestkundgebungen inszen iert oder sich an zivildemokratischem
Protest beteil igt. Dies hat sich auch im Berichtszeitraum nicht geändert. Mit Blick auf
die auslösenden Ereign isse war jedoch besonders auffällig, dass die auch innerhalb
der lin ksextremistischen Szene kritisierte "Ein-Punkt-Bewegung", bei der sich Aktivis­
ten ledigl ich auf einen Themenschwerpunkt wie beispielsweise Antirassismus oder
Antifaschismus fokussieren, zugunsten einer umfassenderen System kritik häufig auf­
gegeben wurde. Die Kritik richtete sich dabei an das System als solches und mündete
nicht selten in Auseinandersetzu ngen m it eingesetzten Polizeikräften .
LINKSEXTREMISMUS
221
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
" Blockupy-Aktionstage" in Frankfurt vom 28. Mai bis 1 . J u n i 201 3
Bei den "Blocku py-Aktionstagen" vom 28. Mai bis 1 . J u n i 20 1 3 in Frankfurt, an de­
nen sich auch Gruppierungen aus dem Umfeld der li nksextrem istischen Szene aus
nahezu sämtlichen größeren Städten Nordrhein-Westfalens beteil igten, wurde d ie
Kapitalismuskritik thematisch mit den Bereichen Anti rassismus, Antimilitarismus und
Antirepression (Protest gegen staatliche U nterdrückung) verbunden
B9
Zusätzlich
wurde von "antifaschistischen" Gruppierungen der linksautonomen Szene an die zum
Teil massiven und gewalttätigen Auseinandersetzungen i n anderen Ländern sowie
die N S U-Morde angeknüpft.'40 Im Nachgang wurden polizeiliche Maßnahmen sowie
die ordnungsbehördl ichen Auflagen , die ein gezieltes Lahmlegen der I n nenstadt von
Frankfurt verhi ndern sollten , m it Übergriffen von Sicherheitskräften im Ausland und
dem dort teilweise tödl ichen Schlagabtausch in eine Reihe gestellt.
Protest- und Solidaritätsaktionen u nter "antirepressiver" Perspektive zu den
Themen Türkei, Kurden und " Revolutionäre Aktionszellen" (RAZ)
Bei bundesweiten Kundgebungen im Nachgang der "Blockupy-Aktionstage" wurden
d ie i n etwa zeitgleich stattfi ndenden Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit
der Besetzung des Gezi-Parks in I stanbul ebenfalls thematisiert. Am 1 5 . J u n i 201 3
solidarisierten sich in M ünster linksextremistische Gruppierungen mit den Forderun­
gen der Demonstranten i n der Türkei gegen Repression und Willkürherrschaft. 1 41 Der
weiter andauernde Konflikt in der Türkei fü hrte auch am 1 3 . September 201 3 zu einer
Kundgebung in Duisburg , bei der die türkische Polizei für die Eskalation der Gewalt in
Istan bul verantwortlich gemacht wurde. 142
Solidaritätsaktionen und -demonstrationen sind ein trad itionell wichtiges Element des
l i nksextremistischen Spektru ms, um die Verbundenheit mit den betroffenen Perso­
nen und G ruppen auszudrücken und sich gleichzeitig selbst i n Szene zu setzen . Vor
dem H intergrund der Ermordung von drei Aktivistinnen der Arbeiterpartei Kurdistans
139
https://b/ockupy-frankfurt.org/wp-contentlup/oads/2013/02/b/ockupy-aufruf-3-.pdf,· Abruf am
07. 0 1 . 2014.
140
14 1
http://umsganze.orglrebe/-with-a-cause/; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
http://eams. b/ogsport. eu/antifaschismus/demosamstag-in-munster-csd-und-occupygezi/; Ab­
ruf am 07. 01 . 20 1 4.
142
www.rote-antifa. org/internationa//207-so/idarität-mit-den-in-der-türkei-bei-den-aktuellen-pro­
testen-gefallenen-13-09-201 3. htm/; Abruf am 07. 0 1 . 20 1 4.
222
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
in Paris kam es am 1 0 . J anuar 20 1 3 in Essen zu einer spontanen Solidaritätsbe­
kundung unter Beteiligung linksautonomer sowie l inker türkischer und kurdischer
Gruppieru ngen. Die hierbei thematisierte Verfolgung der Kurden und die Inhaftierung
von Abdullah Öcalan wurden in ei nen antirepressiven und antimil itaristischen Be­
gründungszusammenhang gestell1.143 Die I n haftieru ng eines Szeneangehörigen, der
i n Nürnberg an lässl ich einer Antifa-Demonstration ein Jahr zuvor Polizeibeamte m it
einer Fahnenstange angegriffen und schwer verletzt hatte, bildete einen weiteren An­
knüpfungspunkt für eine Demonstration am 20. April 20 1 3 i n Duisburg . 144 Am 25. Mai
2013 fand zudem eine Solidaritätskundgebung gegen Durchsuchungsmaßnahmen
bei mutmaßlichen Anhängern der für Brand- und Sprengstoffanschläge verantwort­
l ichen "Revolutionären Aktionszellen" ( RAZ) im Bundesgebiet statt. Das Motto der
Demonstration lautete: " Gegen jede Repression gegen linke Strukturen! Weg mit dem
Paragrafen 1 29!"
Protestku ndgebung gegen den G8-Gi pfel i n Enn iskillen (Nordirland)
Der G8-Gipfel in Enn iskillen (Nord irland) bot Anlass zu einer
Protestkundgebung am 1 5. Juni 2 0 1 3 in Köl n , an der sich
neben Teilneh mern aus dem U mfeld der linksautonomen
Szene auch Gruppierungen aus dem ausländerextremisti­
schen S pektrum beteil igten. Gegen die G i pfelveranstaltung
wurde zum organisierten und militanten Kampf bis hin zur
Revolution aufgerufen und auf den bevorstehenden G8G i pfel 2 0 1 5 in Deutsch land h ingewiesen:
"Fight for revolution! Fight GB! No war, but c/ass war!
[ . . . ] Unser Widerstand muss entschlossen und mili­
tant gegen die Politik der Imperialisten vorgehen; wir
müssen alle Mittel des Kampfes, alle Mittel der Orga­
nisierung ausnutzen, um ihnen gute Gründe zu geben,
Angst zu haben und sich zu verstecken. [ . . . ] Der Pro­
test gegen den GB-Gipfel in Nordirland ist für uns der
Plakat zur Protestkundgebung
gegen den G8-Gipfel
Startschuss für die Proteste 201 5 in Deutschland. Wenn wir gemeinsam
und entschlossen unseren Kampf gegen die imperialistischen Mächte
143
www. rote-antifa. org/international/1 76-weltweite-proteste-nach-anschlag-auf-drei-kurdische­
genossinnen-in-paris.html; Abruf am 07. 0 1 . 20 1 4.
144
www.rote-antifa. org/antifa/186-bundesweiter-deniz-aktionstag.html; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
LINKSEXTREMISMUS
223
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
organisieren, werden sie sich auch 20 1 5 wieder aus gutem Grund verste­
cken und verschanzen. Uns ist es egal, in welchem Land, in welcher Ecke
sie sich verstecken - wir sind da und greifen sie an, für eine Gesellschaft
ohne A usbeutung und Unterdrückung!"
145
Proteste und Hausbesetzungen im Kontext der Gentrifizieru ngsproblematik
I m Zusammenhang mit der Gentrifizierungsdiskussion begegneten sich die l i nksext­
remistischen Themenfelder Antikapital ismus und Antirepression . M it dem Begriff Gen­
trifizierung ist die städtebaul iche Aufwertung und U mgestaltung von Stadtteilen durch
Privatinvestoren gemeint, die häufig einhergehen m it einer Verteuerung des Wohn­
raums und der Veränderung des sozialen U mfeldes für die bisherigen Anwohner. Aus
diesem Grund engagieren sich sowohl zivildemokratische I n stitutionen als auch Grup­
pierungen der lin ksextremistischen Szene mit der Forderung nach selbstverwalteten
Zentren, bezah lbarem Wohnraum auch in I nnenstadtlage und stärkerer Unterstützung
von Projekten der Alternativkultur. Demonstrationen zu dieser Thematik fanden in
mehreren Städten Nordrhein-Westfalens statt, z . B . in Duisburg, Bonn und Köln, die
häufig als "Tanzdemos" angelegt waren und zum Teil mehrere H u ndert Teilnehmer
unter Beteiligung der autonomen Szene anzogen .
S1t�I " Eqr,s .. e ..
«(i)>>
��
l i nksunten . i ndymed i a . o rg
SVCMln
[
�f$;'Gi! __
_
_ (bonn) hoher sachschaden gegen gentrifizierung
llll
"l!IlIII
'ä,f
..:m
_
4kl1onJUIg gegen <!1.
�:"'{St>.d'''9U�9''' '",
v...t....t von: bonn,V.nuoc...., : 25· 11 201] · 17:SO
on den m0rv-stunden lum 19 nov.mW .,nd w', '" <I.. ot>er.... '..J.dI renoviert... Ioftwoh",,"9'" ,n d,' wolht�&. 10
.,n�d",ng.n, dort h.Ot,.
{Bonn1 0emorum
L,�rt.'en l "'.<
_
_
_
_
_
mII
_
· S"",,,I.
d.n.el>
1'1'1.
B<1<'n: VO<.b-s.<..:hl
(BN] Auf.u neu," T�len'
Oer I M" , n 8o<> n
",r rn.1 f.ort.. und botu...." .,n '<I"er r_n {legen d.. �ln'IZI''''''9 ,n botln 9fl4\lt
., l.rt." 10ft, buc""(I'Q\
h,t>.n "Ir ..n.... .'_"ch.den ......,.weht. ..elche< di, cI.runt... I�n. _nf.lI. ,,,'<" '....V
t,b9tt.,. I 1oI� 0e,.",
b's 0'0< �utl.m bef,n"... llCh ,n ck< wollon.e. 10 ,.umhchk.'len lur !<.«notl..... mus,k" �nd UIM<o";!,n,,.e<t, grvPPln
d" n'UI "g,nlll""" .nu�"..d ""h. ,u'l/rund der lu�,.u�.n I.g' '" d,. bon"" .IU<.dl. d" .. '.um, ru ...n" "n und i�S ,h"'l!n ll/xII.wohnung,n Zu ....�"
..
' 'u"" " k"",n w.h.n'hmb.rt" protut der bel,eff,n,n QI'\I'btn hil. '11 un. u,w'r5undhch!
It,ll und l..n �b,n "" 'd. dtr hp+t'""II,lt l/tf"l/l.
wenrt ."ch g'g,n d"g,,"nI Z,tru"II'
T�: �"$>O<l F'
...'''''.
' & ....ohn\a">g.s-.ot _�u .....
... .. �en.... .o.ro.ot
•
. & I(I�1J! R�Ionen: o·.......!.... OeuIK1l'nd Oft" IIor>n
Heuo!n I(OW>IIW!fO I
.
.. w;h...1ben
Drudroptimiert.. ...otrOion V....n
..
' 81"11'
Auszug der Internetseite linksunten. indymedia. org zu den Wohnungsbeschädigungen
in Bonn
145
224
http://gBnordirland.blogsport. de/images/flyerlang.pdf; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Daneben erfolgten auch mehrtägige Hausbesetzungen i n Köl n und Essen unter Betei­
l igung von Gruppierungen aus dem Umfeld der linksautonomen Szene. Diese besa­
ßen ebenfalls eher demonstrativen Chara kter, um dem eigenen Anl iegen eine größere
Publizität zu verleihen. I n Bonn wurde jedoch ein erst kurz zuvor grundsaniertes
Gebäude mit hochpreisigen Wohnu ngen durch Täter aus dem Umfeld der linksauto­
nomen Szene erheblich beschädigt. Die Täter nahmen Bezug auf die frühere N utzung
als subku lturelle AnlaufsteIle und warfen der lokalen Szene vor, sie habe sich "still und
leise [ . . . ] der kapitallogik gefügt!" 146.
"Autonome Zentren" als Orte mit hoher Symbolkraft
Sel bstverwaltete Zentren stehen n icht zwangsläufig, aber mitunter eben auch unter
maßgeblicher Einflussnahme der linksautonomen Szene. In Wuppertal fanden i m April
201 3 eine Reihe von I nformationsveranstaltungen zum 40-jährigen Bestehen des dor­
tigen 'Autonomen Zentrums' statt, während i n Münster das "Don Quichote" auch nach
seinem Umzug einen Treffpunkt für Veranstaltungen der anarchistisch-autonomen
Szene bildet. Gleich zwei Autonome Zentren i n Nordrhein-Westfalen waren i m Jahr
201 3 i n der Diskussion wegen möglicher Räumungen. I m Gegensatz zur frühzeitigen
Einigung der Betreiber des 'Autonomen Zentrums Aachen' und der Stadtverwaltung
kam es i n Köln zu einer "gather and resist"-Kampagne, in deren Verlauf es zu meh­
reren Sachbeschädigungen und Farbschmieraktionen kam, d ie sich gegen Politiker
richteten. 147 Das Gebäude des 'Autonomen Zentrums' in Köln-Kalk wurde verbarrika­
diert und durch Aktivisten beschützt. Letztlich erklärten sich diese nach Gesprächen
m it der Stadt bereit, i n ein anderes von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestelltes
Gebäude umzuziehen.
Sicherheits- und J ustizbehörden als " Repressionsinstrumente des Staates"
Polizei, Verfassungsschutz und Gerichte als staatliche Garanten für die öffentliche Si­
cherheit stellen für die linksextremistische Szene ein besonderes Feindbild dar. Anläs­
se wie die "I nternationale Polizeifachmesse" i n M ünster ( I POMEX ) i m April 20 1 3 oder
d ie zeitgleiche Großkundgebung zum Auftakt des N S U-Prozesses i n M ünchen bilden
daher willkommene Gelegen heiten für Linksextrem isten, sich an zivildemokratischem
Protest zu beteiligen oder diesen sogar maßgeblich mit zu organ isieren. Blieb die Auf-
146
http://linksunten.indymedia. org/de/node/100250; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
147
https:l/linksunten. indymedia. org/de/node/90071; Abruf am 07. 0 1 . 20 1 4.
LINKSEXTREMISMUS
225
Verfassungsschutzt!>ericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
merksamkeit .für den I POM EX-Protest
auf die Region beschränkt, wurde für die
Großkundgebung in M ünchen in allen
Landesteilen Nordrhein-Westfalens mo­
bilisiert. Als begleitende Aktion wurde in
Köln das Büro der Staatsanwaltschaft
verwüstet, d ie mit den Ermittlungen zu
den dem NSU zur Last gelegten An­
schlägen befasst war.'48 Aber n icht nur
demonstrative Aktionen , sondern auch
I nformationsveranstaltungen - wie bei­
spielsweise die "Anti-Knast-Tage" vom
-_ .... _.._--_ ....-- ­
____ ""- __ .. __ .... r__ ... _____ _....... ... ___
- - - '*' _.._-_ ....._ -,..
_._,..... _.. __ .._-----.--_.__ ..._---_ ..... _....-...... _-- -_._.. ""----_.._---_......
... -.- _ ....-... _--_... ___,WJ__ � ___........ ___
- - - - _ ...... _""'-...
.t_
1 5. bis 1 7. November 201 3 im "Autono­
men Jugendzentrum Bielefeld"'49 - wer­
Internetauszug mit dem Aufruf zur Teilnahme an
den zur Agitation genutzt.
den Anti-Knast-Tagen in Bielefeld
Solidarität m it Fl üchtlingen und Protest gegen Absch iebungen
Die Verbindung der Themenfelder Antirepression und Antirassismus gewann im Laufe
des Jahres 20 1 3 innerhalb der linksextremistischen Szene zuneh mend an Bedeu­
tung. Bereits i m Jahr 20 1 2 war eine Protestform ins Leben gerufen worden, bei der
Asylbewerber aus dem ganzen Bu ndesgebiet in einer Bustour durch deutsche Städte
zogen , um die Abschaffu ng der Residenzpflicht, ein Bleiberecht für Flüchtlinge ("refu­
gees") und die Sch l ießung von Abschiebehaftanstalten zu fordern. Auch in der ersten
Jahreshälfte 201 3 unterstützten Teile der linksextremistischen Szene diesen Protest
mit einer gewaltsam verlaufenen Aktion in Köl n , flankiert von Solidaritätsaktionen für
"refugees"-Hungerstreiks . ' 50 Seit mehreren Jahren schon mobil isieren l inksextrem isti­
sche Gruppierungen regelmäßig für Störungsversuche bei Abschiebemaßnahmen
am Flughafen Düsseldorf. So wurde der dortige Flugbetrieb meh rfach anlässl ich ge­
planter Rückführungsmaßnahmen u.a. serbischer Staatsangehöriger behindert. 50
deutsche Aktivisten - auch aus Nordrhei n-Westfalen - nahmen zudem an einem vom
148
https://linksunten.indymedia. org/de/node/83661; Abruf am 07. 0 1 . 2014; siehe auch Themen­
feld Antimilitarismus.
226
149
http://infoladenanschlag. wordpress.com/anti-knast-tage/; Abruf am 07. 0 1 . 2014.
1 50
https://linksunten.indymedia.org/de/node/94982; Abruf am 07. 0 1 . 20 1 4.
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes, NmaJrt.rein-Westfalem 20 1 3
3 . bis 1 0. August i n Nassaukade bei Rotterdam (Niederlande) durchgeführten "No­
Border-Camp" tei l .
I n d e r zweiten Jahreshälfte waren es insbesondere d i e Flüchtlingstragödien von Lam­
pedusa, die den Protest gegen Maßnahmen der "Europäischen Age.r:1twr für operative,
Zusammenarbeit an den Außengrenzen" (Frontex) wieder verstärkt i n den Fokus auch
linksextremistischer Kritiker rückten . Bei Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen mit
in der Spitze etwa 300 Personen im M ünster am 1 6 . November engagierten sich ne­
ben zivildemokratischen I n stitutionen auch linksautonome Gruppierungen in maßgeb­
lichen U mfang. An einer bundesweiten "Lampedusa"-Demonstration in Hamburg am
2. November nahmen mehrere Tausend Personen tei l .
In Duisburg fand i m August eine Bürgerversammlung statt, in d e r d ie Bewoh nerinnen
und Bewohner eines Stadtteils ihre Probleme und Befürchtungen mit einer dortigen
Großimmobilie diskutierten, in der überwiegend Südosteuropäer leben. Teilnehmer der
Veranstaltung wurden durch dem linksextremistischen S pektrum zuzuordnende Perso­
nen zunächst als "Nazis" beleidigt und nach Beendigung der Veranstaltung mit Latten
angegriffen und verletzt. Im Nachgang kam es zu mehreren Kundgebungen. Aktionen
der rechtsextremistischen Partei 'pro N RW', die das Thema aufgriff und vor Ort für ihre
Zwecke instrumentalisierte, und andere Veranstaltungen des rechten S pektrums im
Land, die mit der Thematik Ausländer, Migranten und Flüchtlinge im Zusammenhang
standen , führten regelmäßig zu Gegenaktivitäten der linksautonomen SZene.
Beteiligung Linksautonomer aus N RW an Großdem.onstrationen in Hamburg
Auch an den beiden bundesweiten Großdemonstrationen in Hamburg am 2. Novem­
ber und 2 1 . Dezember beteiligten sich Linksautonome aus Nordrhein-Westfalen.
Obwohl es thematisch auch um den Protest gegen die Flüchtlingspolitik der E u ropäi­
schen U n ion, des Bundes und der Länder ging, wurde die vor allem a m 2 1 . Dezember
- mit großem Gewaltpotential ausgetragene - Auseinandersetzung mit der Polizei um
den Fortbestand des autonomen Szenetreffpunkts mit hohem Symbolwert ("Rote Flora")
zum eigentlichen Demonstrationsschwerpunkt.
Suche nach selbstbestimmtem Leben, Antisexismus, Protest gegen Abtrei­
bungsgegner
Teile der linksautonomen Szene engagieren sich nicht nur auf den Aktionsfeldern
Antifaschismus, Antikapitalismus und Antirassismus, sondern verstehen sich im Sinne
LINKSEXTREMISMUS
227
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
eines von gesellschaftlichen Zwängen freien , selbstbestimmten Lebens häufig auch
als Avantgarde einer emanzipierten, antisexistischen Bewegung. In diesem Zusam­
menhang werden die seit 2008 unter anderem in M ünster stattfi ndenden überkonfes­
sionellen Gebetszüge von Abtreibungsgegnern unter dem Motto " 1 000 Kreuze für das
Leben" regelmäßig auch zum Anlass für Gegenaktivitäten unter maßgeblicher Betei­
l igung der linksautonomen Szene genutzt. Neben zivilgesellschaftlichen I n stitutionen
waren es hauptsächlich lokale Gruppierungen der "Autonomen Antifa" aus M ünster,
d ie zu einer Gegendemonstration am 9. März 20 1 3 aufriefe n . Es kam zu Störversu­
chen vermummter Gegendemonstranten, bei dem eine unmittelbare Konfrontation
zwischen den Protagonisten der verschiedenen Ü berzeug ungen durch polizeiliche
Maßnahmen verhindert wurde. Der am Vortag stattfi ndende "I nternationale Kampf­
tag zur Befreiung der Frau" und die damit verbu ndenen, i n zeitlicher Nähe liegenden
Veranstaltungen, die unter anderem i n Du isburg, Essen u nd Köln auch von Teilen der
lin ksextremistischen Szene mit organisiert wurden , blieben h ingegen ohne nennens­
werte öffentliche Resonanz.
Themenfeld Anti m i l itarismus
Die Bu ndeswehr dient aus lin ksextremistischer Sicht der Aufrechterhaltung kapitalisti­
scher u nd imperialistischer I nteressen im Ausland. Standorte u nd öffentliche Auftritte
der Bu ndeswehr bilden deshalb eine willkommene Reibungsfläche für Gegenaktivitä­
ten . Die Aktionspalette reicht dabei von demonstrativen Veranstaltungen z . B . gegen
Bu ndeswehrgelöbnisse und Störversuchen von Werbemaßnahmen der Bu ndeswehr
bei Messen, in Schulen oder bei Arbeitsagenturen bis hin zu Sachbeschädigungen bei
zivilen Partnerfirmen der Bundeswehr, wie z . B . Logistikdienstleistern.
Demonstrationen und Aktionen im Zusammenhang m it dem NATO-Einsatz der
Bu ndeswehr i n Kunduz (Afghan istan)
Einen Schwerpunkt linksextrem istischer Aktivitäten i n Nordrhein-Westfalen bildete
in diesem Jahr die Auseinandersetzung mit dem am 4. September 2009 im Rahmen
des NATO-Einsatzes der Bu ndeswehr i n Kunduz (Afghanistan) auf Befehl eines deut­
schen Offiziers erfolgten Luftangriff auf einen Tan klastzug, bei dem 1 42 Menschen zu
Tode kamen. Im Fokus linksextrem istischer Verbalattacken und Aktionen standen da­
bei insbesondere der Offizier sowie die von Beteiligten bzw. Verwandten von Opfern
der militärischen Aktion angestrengten Schadenersatzprozesse am Verwaltungsge­
richt Köln in 20 1 2 und Landgericht Bonn 20 1 3 . Mehrfach kam es zu Demonstrationen
228
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
und Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien. Besonders hervorgetan hat sich
hier die linksextremistische Gruppierung 'Antikapitalistische Aktion Bonn' (AKAB), die
im Stile eines Steckbriefs eine Belohnung von 1 00 Euro für I nformationen zum Wohn­
ort des Offiziers auslobten .
Gegen das Gerichtsgebäude in Köl n wurden am 4. Jahrestag des Angriffs Farbbeutel
geworfen. Das l inksextremistische Internetportal 'Iinksu nten .indymedia.org' veröffent­
liche daraufhin eine Tatbekennung.151 Ebenso wurde an dem Gebäude des Landge­
richts Bonn i n der Nacht des 1 7 . April 20 1 3 vor der an diesem Morgen stattfi ndenden
Verhandlung eine ähnl iche Aktion verübt.
ANTlKAPlTALJSTISCI-E AKTION SONN
* STARTSEfTE
'* WER IST [JE AKABl
* MATEASAL
'* KONTAKT
""""
"'-_
.._
_ _�_ ....
=: :-_
�
- v:.,_-==:
... _ - - - _ ..... �
... ... ___ ..._.
0.. .....
... -......-�.....
.. --..... our, < e ....
... ....
=
- �------
_"'-.. ___l)
•__ ... ... � __ .IJO .. _...
-..., 1..- __ .......-- _ ...,... _
...
... --.. _ _... -......,
... _ 0.. _ ____ _ ""'.
.... __ ...f
...... ... I_
_
�
Auszug der Internetseite der AKAB mit Bildern von Aktionen gegen die Prozesstage in Bonn und
Köln
151
www./inksunten.indymedia.org/de/node/94346; Abruf am 23. 1 2. 20 1 3.
LINKSEXTREMISMUS
229
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Die AKAB rief zur Demonstration am selben Tag vor dem Gericht auf, an der 1 5 Per­
sonen teilnahmen. Am 30. Oktober veranstaltete die AKAB eine Demonstration vor
dem Landgericht Bonn mit etwa 1 20 Teilnehmern des linksextremistischen und zivil­
demokratischen Spektrums. I m Vorfeld kam es erneut zu Plakatierungsaktionen.
Syrien konfl i kt
Angesichts der D iskussion um ein militärisches Eingreifen der NATO in den Syrien­
konflikt riefen die 'Rote Aktion Köln' (RAK) und die 'Rote Antifa N RW' i m I nternet für
den Tag des Beginns von Angriffen der NATO auf Ziele in Syrien ( Tag X'') zu Protest­
aktionen in Bon n , Köln Essen und Duisburg auf. 1 52 Am Samstag nach " Tag X" sollte es
"
dann zu einer N RW-weiten Demonstration vor dem US-Generalkonsulat in Düsseldorf
kommen. Aufgrund der erreichten politischen Lösung zur Zerstörung des syrischen
Chemiewaffenarsenals und des daraufhin ausbleibenden NATO-M ilitäreinsatzes fan­
den letztlich keine Demonstrationen statt.
"War starts here"-Kampagne
Im Rahmen der Kampagne " War starts here"'53 wurde - wie bereits im Vorjahr - durch
ein " WarStartsHere-Camp" gegen das Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr in
der Altmark (Sachsen-Anhalt) protestiert. H ieran beteiligten sich wiederum Aktivisten
aus Nordrhein-Westfalen. Auch diesmal kam es zu Sachbeschädigungen: In zeitlicher
und örtlicher Nähe wurde auf einem Kasernengelände ein Brandanschlag auf Bun­
deswehrfahrzeuge mit M i l lionenschaden verübt. E s wird zuneh mend erkennbar, dass
sich das Camp zu einem festen Termin für die Antimil itarismus-Kampagne entwickelt.
152 rote-antifa.org; Abruf am 06. 0 1 . 2014.
153 www.warstartshere.com.
230
LINKSEXTREMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
5
Ausländerextremismus 1 54
Der Verfassu ngsschutz beobachtet im Ausländerextremismus Bestrebungen , die
gegen d ie freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Si­
cherheit des Bu ndes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche
Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes bzw. eines
Landes oder ihrer M itglieder zum Ziel haben,
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitu ngshandlu ngen
auswärtige Belange der B undesrepublik Deutschland gefährden oder
gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenle­
ben der Völker gerichtet sind.
Schwerpunktmäßig l iegen die Bestrebungen in den beiden letztgenan nten Bereichen.
Dabei ist die Tatbestandsvoraussetzung der Gewaltanwendung bzw. deren Vorberei­
tung schon dann erfüllt, wenn ausländische Gruppierungen von h ier aus gewaltsame
Aktionen im Heimatstaat unterstützen , etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch die
Beschaffu ng fi nanzieller oder sonstiger Mittel.
Der Ausländerextremismus ist durch eine Vielzahl von Vereinigungen von unter­
schiedlicher Organisationsstruktur und Größe geprägt. Den Schwerpunkt bilden i n
Nordrhein-Westfalen die extremistischen Organisationen aus d e r Türke i . Die sehr
unterschiedlichen Zielrichtungen ausländerextremistischer Organisationen lassen
sich im Wesentlichen unterteilen in nationalistische Bestrebungen, l i nksextremisti­
sche Bestrebungen und eth n isch motivierte Autonomiebestrebungen . Dabei sind die
Übergänge fl ießend : So sind ein ige Organisationen u rsprünglich linksextremistischer
Ausrichtung nach jahrelanger Entwicklung heute vorrangig von ethn isch begründetem
Unabhängigkeitsstreben geprägt.
154
Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Ver­
fassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation
zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Ver­
dachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies mit der Kennzeichnung (*) ausdrücklich
hervorgehoben.
AUSLÄNDERExTREMISMUS
231
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
5.1
Türkische Organisationen
5.1 .1
Ü l kücü-Bewegung*
H i ntergrund
Die Ülkücü-Bewegung* ist dem türkischen rechtsex­
tremistischen Spektrum zuzurechnen. Da das Sym­
bol der Bewegung der "Graue Wolf" (türkisch "Boz­
kurt") ist, bezeichnen sich ihre Anhänger auch als
'Graue Wölfe*'. Die Ülkücü-Bewegu ng* ist hetero­
gen strukturiert und setzt sich insgesamt aus meh­
reren Dachverbänden, unter anderem der Föderati­
on der 'Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine
in Deutschland eV*' CAlmanya Demokratik Ülkücü
Türk Dernekleri Ferderasyon u*' - ADÜTDF), ein igen
Abspaltu ngsvereinen sowie einer Anzah l von orga­
nisationsungebundenen Anhängern zusammen.
Symbol der Ülkücü-Bewegung
Die Ü lkücü-Bewegung* bzw. die ihr zuzuordnenden Gruppierungen sind durch ein
übersteigertes Nationalbewusstsein gekennzeichnet, das die türkische Nation sowohl
politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert ansieht. Neben dem
Türkentum , das an erster Stelle steht, kommt dem I slam als eine die türkische Identi­
tät ergänzende Komponente besondere Bedeutung zu.
Ausrichtung der Gruppierungen
Grundsätzlich lassen sich die zur Ülkücü-Bewegung* zählenden Gruppierungen in drei
Hauptströmungen einteilen:
Die erste Strömung richtet ihre Ideologie vorwiegend nach dem Alt-Türkentum aus.
Sie ist stark rassistisch geprägt. Sie ist in der Türkei in Form kleinerer Gruppen
oder Zusammenschlüsse organisiert.
Die zweite Strömung baut ihr ideologisches Gerüst auf dem Türkentum auf. Sie
glorifiziert das Türkentum , ist islamisch geprägt und hat säkulare Züge. Diese
Strömung ist i n der Türkei als Partei 'Milliyetc;:i Hareket Partisi' (MHP) sowie als
232
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Massenorganisationen (Ül kü-Ocaklarl ) organisiert. Auch im Ausland verfügt diese
Strömung über Massenorganisationen wie z . B . die ADÜTDF.
Die dritte Strömung orientiert sich stärker am Islam. Sie ist in der Türkei als Partei
mit dem Namen Büyük Birlik Partisi (BBP) organisiert.
Je nach Ausrichtung der Gruppierung domin ieren islamische, u ltranationalistische
oder rassistische I nhalte . Das gemeinsame und verbindende Element d ieser Bestre­
bung ist ein auf Hegemonie u nd imperiale Machtentfaltung ausgerichteter türkischer
Nationalismus.
I nternetaktivitäten
Neben den Vereinsstrukturen entwickelt sich zunehmend eine von der Ideologie der
'Grauen Wölfe*' geprägte türkische Jugendku ltur, die sich vor allem über die sozialen
Netzwerke i m I nternet organisiert und diese Netzwerke zum Ideologietransfer nutzt.
Das Internet ist für die Darstellung des türkisch-nationalistischen Gedankengutes
insbesondere bei den jugendl ichen Anhängern der Ülkücü-Bewegung* erkennbar
von großer Bedeutung. I n zahlreichen offen zugänglichen Videoportalen, aber auch
i n einem Netzwerk türkisch-nationalistischer Webseiten präsentieren J ugendliche
ihre extrem istischen Forderungen und Positionen. Die Botschaften und Videos sind
überwiegend in türkischer S prache aufgezeichnet. Sie enthalten extrem feindselige
Aussagen gegen Kurden, Armenier, J uden und die U SA sowie gegen Homosexuelle.
Dies geht einher mit obszönen und beschimpfenden Darstellungen. I nsbesondere die
Hetze und Aggression gegen Kurden wird in diesen Internetaktivitäten sehr deutlich .
Die verbale Rad ikal ität der Internetdarstellungen ist geeignet, in tatsäch liche Gewalt­
anwendung bei Kontakten mit dem "politischen Gegner" zu münden.
Tragende ideologische Elemente
Kernelemente der Ideologie der Ü lkücü-Bewegung*/der 'Grauen Wölfe*' sind ein
übersteigerter Nationalismus sowie der Glaube a n eine ethnische Höherwertigkeit
des Türkentums. Damit einher geht eine Abwertung anderer Ethnien. Zum Feindbild
gehören all jene Menschengruppen und Institutionen, von denen die Anhänger der
Ülkücü-Bewegung* a n nehmen, dass sie dem Ziel der Machtentfaltung des türkischen
Nationalismus entgegenstehen . Die sogenannte türkisch-islamische Synthese wird
von den Anhängern in der Aussage zusammengefasst: "Islam ist unsere Seele, Tür-
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
233
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
kentum ist unser Leib", was das stark religiös gefärbte Nationalismusverständnis zum
Ausdruck bringt.
Ein weiterer ideologischer Ansatz ist der Panturkismus, dessen politische Ziele zum
einen am Osmanischen Reich mit seinem türkisch-islamischen Charakter, zum ande­
ren auf eine Vereinigung aller Türken (turksprachigen Völker) unter der Führung einer
großen und mächtigen Türkei ausgerichtet sind. Die Orientierung am Osmanischen
Reich bezieht sich auf dessen Ausdehnung und Stärke, allerdings nicht auf dessen
ethn ische Vielfalt. Die Ülkücü*-Ideologie strebt nach einer Vereinigung aller Turkvölker
vom Balkan bis nach Zentralasien . Leitbild ist ein fiktives "Reich Turan" (Panturanis­
mus). Die Idee einer solchen Expansion ist mit dem Gedanken der Völkerverständi­
gung nicht vereinbar.
Die Ü lkücü*-Ideologie lebt au ßerdem von der Pflege gemeinsamer Feindbilder, zu
denen in u nterschiedlichen Kombi nationen variable Verschwörungstheorien entwickelt
werden . Zu den ideologischen Feinden gehören vor a l lem Kurden , Amerikaner, J uden
und Armenier, aber auch Angehörige gesellschaftl icher M inderheiten, zum Beispiel
Homosexuelle.
Für die Verbreitung der Ideolog ie der Ü l kücü-Bewegung* wird insbesondere im I nter­
net auf verschieden Plattformen wie sozialen Netzwerken und Videoportalen gewor­
ben . Wen ngleich sich d ie Ülkücü*-Vereine nach au ßen h i n überwiegend legal istisch
geben, dulden sie doch zumindest die Verbreitung des extrem nationalistischen Ge­
dankengutes in ihren Reihen .
Der sogenannte Ülkücü*-Eid macht die Kernaussage der Ideologie deutl ich:
"Ich schwäre bei Allah, dem Koran, dem Vaterland, bei meiner Flagge
Meine Märtyrer, meine Frontkämpfer sollen sicher sein
Wir, die idealistische türkische Jugend, werden unseren Kampf gegen
Kommunismus, Kapitalismus, Faschismus und jegliche Art von Imperialis­
mus fortführen
Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis
zum letzten Tropfen Blut
Unser Kampf geht weiter, bis die nationalistische Türkei, bis das Reich
Turan erreicht ist
Wir, die idealistische türkische Jugend, werden niemals aufgeben, nicht
wanken,
234
AusLÄNDERExTREMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
wir werden siegen, siegen, siegen
Möge Allah die Türken schützen und sie erhöhen. "
5.1 .2
Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine i n
Deutschland e.V.*
Leitung
M itgl ieder
201 3
20 1 1
Publikation
I nternet
Sentürk Dogruyol
N RW
Bund
ca . 2 .000
ca. 7.000
ca. 2 .000
ca . 7.000
'Türk Federasyon Bülteni' ('Bulletin der Türkischen Födera­
tion')
türkischsprachige Homepage
Der unter der Bezeichnung 'Föderation der Türkisch-Demo­
kratischen Idealistenvereine i n Deutschland e.V.*' ('Almanya
Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyon u*') bekannte
Dachverband ADÜTDF* ist eine der anhängerstärksten G rup­
pierungen der Ül kücü-Bewegung* au ßerhalb der Türkei.
Durch ihr teilweise extrem national istisches Gedankengut ver­
folgt die AD ÜTDF* Bestrebu ngen , d ie sich gegen den Gedan­
ken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG) beziehungswei­
se das friedl iche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1)
richten und erfüllt damit die Voraussetzungen zur Beobachtung
Logo der AO Ü TF*
durch die Verfassungsschutzbehörden gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4
VSG N RW.
Struktur
Die ADÜTDF*, die 1 978 i n FrankfurtlMain als 'Föderation der Türkisch-Demokrati­
schen Idealistenvereine in Europa eV' gegründet wurde, hat sich 2007 in 'Föderation
der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine i n Deutschland e V *' umbenannt.
Zudem wurde eine 'Türkische Konföderation in Europa*' (ATK) als europäische Dach­
organisation gegründet. Ihr gehören die nationalen Vereinigungen aus Deutschland
und aus weiteren europäischen Staaten an. Die ADÜTDF* gilt als deutsche Vertretung
der i n der Türkei ansässigen 'Partei der Nationalistischen Bewegung' ('Milliyetc;:i Ha­
reket Partisi' - MHP). 1 969 von Alparslan Türke� gegründet, wird sie seit dessen Tod
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
235
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
1 997 von Devlet Bahr;:eli geführt. Die M H P, die von 1 999 bis 2002 an der türkischen
Regierung betei l igt war, konnte bei den zuletzt am 1 2. J u n i 20 1 1 durchgeführten Par­
lamentswahlen ihren Stimmenanteil von zuvor 1 4,3% nicht ganz halten und kam nun
auf 1 3,0%. I n Deutschland werden etwa 1 50 Vereine mit rund 7.000 M itgliedern der
ADÜTDF* zugerechnet. Rund 70 Vereine befi nden sich i n Nordrhei n-Westfalen .
Finanzierung
Die ADÜTDF* fi nanziert sich im Wesentl ichen aus Mitgl iedsbeiträgen , Spenden und
S ponsoring.
Entwicklungen i m Jahr 201 3
Am 1 6. November 20 1 3 fand in Oberhausen der 28. Kongress der ADÜTDF* statt.
Zu der Veranstaltung konnten circa 1 2 . 000 - 1 3.000 Personen mobilisiert werden. An
dem Kongress nahm der Vorsitzende der türkischen 'Partei der nationalistischen Be­
wegung' ( M H P ) teil . In seiner Rede kritisierte er, dass der türkische Ministerpräsident
Gespräche zur Frage der Situation der Kurden i n der Türkei führe. E r betonte, dass
die türkische Nation einen Zerfall und eine Teilung der Türkei n icht zulassen werde.
Die ADÜTDF* stellt sich selbst als gesetzestreu dar und ihre offiziel len Vertreter ha­
ben bereits vor Jahren Gewalt als M ittel zur Durchsetzung ihrer ideologischen Über­
zeugungen abgelehnt. Die in ihrem Jahreskongress gehaltenen Reden belegen aber,
dass sie an dem von ihr propagierten Ziel eines nationalistisch geprägten türkischen
Staates, bei dem jeder Gedanke a n autonome Bestrebungen i nnerhalb d ieses Staa­
tes ausgeschlossen ist, festhält.
Während es im Jahr 20 1 2 noch zu einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen
zwischen zumeist jugendl ichen PKK-Anhängern und Anhängern der Ülkücü-Bewe­
gung* kam, waren vergleichbare Vorfälle im Jahr 2 0 1 3 eher selten. Generell birgt
ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppierungen aber nach wie vor ein Potential zu
situativ ausbrechender Gewalt.
Bewertung
Aufgrund der Vielfalt und auch der Vielzahl der h ier bekannten Internetauftritte l iegt
die Vermutung nahe, dass die Ülkücü-Bewegung* m it ihren Positionen und Forderun­
gen das Entstehen einer extremistischen, isolierten Jugendbewegung in Deutschland
236
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
begünstigt. I nsbesondere u nter den türkischstämmigen J ugendl ichen der zweiten und
dritten Migrantengeneration gibt das Erstarken eines übersteigerten türkischen Natio­
nalbewusstseins Anlass zur Sorge. Auch wenn der ganz überwiegende Teil des Ag­
gressionspotentials sich lediglich im I nternet oder in Sozialen Netzwerken erkennen
lässt, sind die dort verbreiteten Ideologien ein Beleg dafür, dass d ie propagierten Ziele
von Diskriminierung geprägt sind und damit dem Gedanken der Völkerverständigung
zuwiderlaufen.
5. 1 .3
Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (DH KP-C)
Leitung
M itglieder
20 1 3
2012
Publikationen
Internet
Nach dem Tod von Dursun Karatal? wurde noch kein Nach­
folger benannt
N RW
Bund
200
650
200
650
' Kurtulul?' ('Befreiung'), 'Yürüyül?' ('Der Marsch')
mehrsprachige Homepage
Aktuelle Entw ickl ungen
Die i n der Türkei und Deutschland verbotene
sowie auf der E U-Liste der Terrororga nisationen
aufgefü hrte ' Revolutionäre Volksbefreiungs­
partei/-Front' ('Devrimci Halk Ku rtulul? Partisi­
Cephesi' - D H KP-C) verfolgt das Ziel , das
bestehende türkische Staatssystem durch eine
bewaffnete Revolution zu zerschlagen , um
ein sozialistisches System zu errichten. Auf
der ideologischen Grund lage des Marxismus­
Len inismus propagiert sie einen bewaffneten
Logo der OHKP-C
Volkskampf u nter ihrer Führung. Die Organisation tritt damit für eine revol utionäre
Zerschlagung der türkischen Staats- und Gesellschaftsordnung ein und führt hierzu
in der Türkei auch terroristische Aktionen durch. Beginnend am 1 2 . J u n i 20 1 2 verübte
der militärische Arm der D H KP-C, die 'Revolutionäre Volksbefreiungsfront' ( D H KC)
in der Türkei mehrere Selbstmordattentate. So bekannte sich die D H KC neben dem
Anschlag im Juni 20 1 2 zu zwei weiteren bewaffneten Überfällen auf Polizeiwachen i n
Ankara, die im September und Dezember 20 1 2 stattfanden .
AusLÄNDERExTREMIsMus
237
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Den vorläufigen Höhepunkt der gewalttätigen Aktivitäten stellt der Selbstmordan­
schlag in einem E i ngangsgebäude der US-amerika n ischen Botschaft am 1 . Februar
20 1 3 in Ankara dar, bei dem ein Wachmann und der Attentäter getötet sowie meh­
rere Personen verletzt wurden . Der Attentäter hatte sich vor der Tat einige Jahre in
Deutschland aufgehalten , zuletzt i n Köln. Nachdem seine Ausweisung betrieben
wurde, hatte er sich ins Ausland abgesetzt.
Ausweislich der sogan nten Bekennung 402, die am 2. Februar 20 1 3 auf einer auch
ansonsten für D HKP-C Propaganda genutzten Internetseite veröffentlicht wurde
(Anmerku ng: die D H KP-C versieht Bekennerschreiben mit fortlaufenden N u mmerie­
rungen), hatte die Tat folgenden ideologischen Hintergru nd:
"Hier ist Anatolien, Amerika hau ab, du bist der Feind der Völker auf der
Welt! [ . . . ] Wir werden euch in euren Stützpunkten treffen, wir werden unter
dem Dach eurer Stirn explodieren" [ . . .].
Seit den 70ern beginnend bei der TH KP-C bis heute ist Amerika als Hauptfeind der
Weltvölker immer unser primäres Ziel gewesen. Rechenschaft von Amerika zu ver­
langen war deshalb gegenüber den u nterdrückten Weltvölkern unsere revol utionäre
internationalistische Aufgabe.
,,[ . . . ] Amerika ist der Mörder der Völker! Ihr werdet euch vor dem Zorn der
Völker nicht retten können!"
Nach dem Angriff auf Libyern hat d ie frühere US-Außenm i nisterin Hillary Clinton
gesagt:
"Ich kann ihnen versichern, dass die amerikanischen Botschaften die
sichersten Orte auf der Welt sind. Sie irrt sich! [ . . . ] Wir warnen auch Erdo­
gan, den amerikanischen Knecht!"
Die zitierten Passagen belegen nicht nur eine ausgeprägte internationalistische u nd
antiamerikanische Grundhaltung, sondern vor allem, dass die D H KP-C , die bis zum
Jahr 201 1 ein zumindest moderateres Aktionsverhalten gezeigt hat, nach wie vor eine
von Gewaltbereitschaft geprägte Organisation ist, die seit dem Jahr 201 2 offen bar die
I ntensivierung des bewaffneten Kampfes betreibt.
In Deutschland und Westeu ropa entfaltet die D H KP-C demgegenüber vorrangig
propagandistische Aktivitäten und nutzt sie als Rückzugsgebiet. Bei sich hier aufhal-
238
AusLÄNDERExTREMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
tenden Funktionären der D H KP-C besteht nach Erteilung einer entsprechenden Straf­
verfolgungsermächtig ung Strafbarkeit gemäß § 1 29 a i. V. m. § 1 29b StGB wegen
M itgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Im Rahmen einer
konzertierten Aktion von B undesanwaltschaft und den Generalstaatsanwaltschaften
Düsseldorf und Hamburg führten Beamte des Bundeskriminalamtes und mehrerer
Landespolizeien am 26. J u n i 20 1 3 umfangreiche Exekutivmaßnahmen gegen Struktu­
ren der D H KP-C durch . Im Zuge d ieser Maßnahmen wurden im Bu ndesgebiet, dar­
unter auch in Nordrhein-Westfalen und im angrenzenden Ausland , Woh nungen und
Vereinsräume durchsucht und mehrere H aftbefehle gegen mutmaßliche Funktionäre
der D H KP-C in Vollzug gesetzt.
In Deutschland betätigten sich DH KP-C-Anhänger außerdem in verschiedenen Kam­
pagnen, die sich hauptsäch lich m it den I nhaftierten der Organisation und der Gefäng­
nispolitik der türkischen Regierung befassen. Nach dem Anschlag vom 1 . Februar
20 1 3 i n Ankara kam es zu Aktionen, bei denen der Selbstmordattentäter als "Revoluti­
onäre" oder Märtyrer" gedacht wurde.
G rü nde tür die Beobachtung der D HKP-C und i h rer Abspaltungsgruppen
M it ihrem Bestreben gefährdet die D H KP-C sowohl die i nnere Sicherheit als auch die
auswärtigen Belange der Bundesrepublik (§ 3 Abs. 1 N r. 1 u nd Nr. 3 VSG N RW). We­
gen der gleichermaßen vorhandenen Gewaltbereitschaft u nterliegt auch die weniger
bedeutende Abspaltungsgruppe 'Türkische Volksbefreiungspartei/-Front' (TH KP/-C)
der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden .
Die D H KP-C und die THKP/-C sind Nachfolgeorgan isationen der in der Bundesrepub­
lik seit 1 983 verbotenen 'Devrimci Sol' . Auch sie sind seit dem 1 . Februar 2000 rechts­
kräftig verboten. Ein Streit zwischen den seinerzeitigen Vorsitzenden begründete die
bis heute andauernde Rivalität zwischen beiden Organisationen , ohne dass ernsthaf­
te ideologische Differenzen zu erkennen wären. U nter der Bezeichnung DH K-C - 'De­
vrimci Halk Kurtulu� Cephesi' agiert der mil itärische Arm der D H KP-C. Die politischen
Aktivitäten werden seit dem Verbot 1 98 3 konspirativ fortgesetzt. I m Mai 2002 hat der
Rat der Europäischen U nion die D H KP-C auf die europäische Liste der Terrororgani­
sationen gesetzt.
AusLÄNDERExTREMIsMus
239
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Struktur
Deutschland ist neben der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet der D H KP-C.
Die Organisation verfügt über feste Strukturen. Dem Deutschlandverantwortlichen
sind Gebietsverantwortliche nachgeordnet. Die eingesetzten Funktionäre treten zur
Tarnung unter Decknamen auf. Als örtliche oder regionale Basis dienen der D H KP-C
Vereine, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur Organisation
zulassen. I n Nordrhein-Westfalen verfügt die D H KP-C über solche Stützpunkte unter
anderem in Bielefeld, Dortmund, D uisburg und Köl n .
Als der verbotenen D H KP-C nahe stehend wird der 'Solidaritätsverein m i t den poli­
tischen Gefangenen und deren Famil ien in der Türkei' (TAYAD) angesehen, der in
Deutschland auch unter dem Namen jeweiliger regionaler TAYAD-Komitees öffent­
l ichkeitswirksame Veranstaltungen durchführt. Weitere propagandistische Aktivitäten
entfaltet die 'Anatolische Föderation' (mit Sitz in N RW), die aus dem 'Verband anatoli­
scher Vol kskulturvereine eV' hervorgegangenen ist.
Finanzierung
Die D H KP-C fi nanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Verkauf von
Publikationen.
Med ienei nsatz
Neben den Publ ikationen 'Kurtulu!?' ('Befreiung') und 'Yürüyü!?' ('Der Marsch') nutzt
d ie D H KP-C intensiver als d ie übrigen linksextrem istischen türkischen Organisationen
das I nternet für Aufrufe und politische Erklärungen. Sie verfügt über eine mehrspra­
chige Homepage.
Aktivitäten
D u rch verschiedene kleinere Kundgebungen versucht die D H KP-C ihre Anhänger­
schaft in Deutschland zu aktivieren und über die bestehende Zahl ihrer Anhänger
hinaus Resonanz zu erzielen. H ierbei nutzt sie zum Teil aktuelle Themen.
Vom 9. August bis zum 2. September 20 1 3 füh rten beispielsweise Anhänger der 'Ana­
tolischen Föderation' einen Hungerstreik zum Thema: "Protest gegen die Verhaftung
240
AusLÄNDERExTREMIsMus
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
der Vorsitzenden und der Mitglieder der Anatolischen Föderation" mit einer durchgän­
gigen Beteiligung von weniger als zehn Personen durch.
Wie bereits in den Vorjahren thematisierte die Organisation außerdem in verschiede­
nen Kundgebungen die H aftbed ingungen ihrer inhaftierten Funktionäre in Deutsch­
land und stellte diese als Ausdruck staatlicher Repression und "I solationsfolter" dar.
Weiterhin organisierten Anhänger der D H KP-C in Deutschland unter dem Motto "Ein­
heitskleidung ist Folter!" verschiedene Protestaktionen für einen in der J ustizvollzugs­
anstalt (JVA) Bochum inhaftierten D H KP-C-Funktionär. Dieser weigerte sich , die in
der JVA für H äftlinge vorgeschriebene Anstaltskleidung zu tragen . Das Tragen ein­
heitlicher Kleidung wird von der D H KP-C als Aufzwingen einer U n iform bzw. als eine
Form von Folter angesehen. I n Verlautbarungen hierzu heißt es: "Die Einheitskleidung
ist eine Methode, die in reaktionärsten und faschistischsten Ländern angewandt wird.
Die deutsche Regierung foltert den Revolutionären {. . .], weil er nicht von seinem revo­
lutionären Gedankengut abweicht. "
Strafrechtl iche Verfahren gegen D HKP-C Funktionäre
Auch im Jahr 20 1 3 gab es Verurteilungen und die Einleitung von Strafverfahren ge­
gen Funktionäre der D H KP-C.
Vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf findet beispielsweise nach
Rückverweisung durch den Bundesgerichtshof seit dem 6 . Mai 201 3 die Hauptver­
handlung gegen einen türkischen Staatsangehörigen wegen Verdachts des Mordes
statt. I hm wird vorgeworfen, im Jahr 1 993 als Mitglied der 'Devrimci Sol' von Deutsch­
land aus einen Ansch lag in der Türkei beauftragt zu habe n .
Bewertung
Wie i n den zurückliegenden Jahren hat d ie D H KP-C in Deutschland weiterhin Proble­
me, ihre Mitglieder zu motivieren und die Organisation hinreichend zu finanzieren. Die
konsequente Verfolgung und Verhaftung von Führungsfunktionären durch die Sicher­
heitsbehörden verunsichern und schwächen die Organisation. Die Tat vom 1 . Februar
201 3 in Ankara zeigt aber, dass die D H KP-C das Personal für ihre Anschläge auch
unter ihren Mitgliedern in Deutschland rekrutiert.
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
241
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
5.1 .4
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK); Vol kskongress Kurdistans (KONGRA­
GEL) und unterstützende Organisationen
Sitz
Europavertretung
Vorsitz
'Volkskongress Kurdistan'
(KONGRA-GEL)
'Vereinigte Gemeinschaften
Kurdistans' (KCK)
Höchstes
Entscheidungsorgan
M itgl ieder
20 1 3
20 1 2
Publikationen
Fernsehsender
I nternet
Nord-Irak
wenige weisungsberechtigte Funktionäre mit wechselnden
Aufenthaltsorten/C D K 'Koordinasyon Civata Ekolojik - De­
mokratik a Kurd Li Ewropa'
Hacer Zagros und Remzi Kartal
Abdullah Öcalan, Präsident Cemil Bayik und Bese Hozat,
Vorsitzende
Generalversammlung der KONGRA GEL
N RW
Bund
ca . 1 3.000
ca . 2 .200
ca . 2.200
ca . 1 3.000
unter anderem 'Serxwebun' (Unabhängigkeit), erscheint
monatlich; 'Sterka Ciwan' (Stern der Jugend), erscheint
monatlich ; 'Newaya Jin' (Erlebnisse der Frauen), erscheint
monatlich; 'Kurdistan-Report', Auflage bis 1 5. 000; Tageszei­
tu ng 'Yeni Özgür Politika'
'NUCE TV' (bis August 20 1 3); aktuell 'Sterk TV' und 'Med­
nOc;:e'
Zahlreiche I nternetauftritte über mehrere Server
Ziele der PKK und Gründe fü r die Beobachtung
D ie 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK), d ie
heute unter der Bezeichnung 'Volkskongress
Kurdistans' (KONGRA-GEL) agiert, wurde im
November 1 978 i n der Türkei gegründet. Sie
strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen
Nationalstaat an, der die Gebiete Südostana­
tol iens (Türkei), den Nord-Irak, Teile des west­
lichen I ran und Gebiete im Norden Syriens
umfassen sollte. I n diesem Gebiet sollen etwa
20 bis 25 Millionen Kurden, davon etwa 1 2 bis
1 5 Mill ionen i n der Türkei, leben.
242
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Logo der PKK
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Obwohl seitens der PKK immer wieder betont wird , man habe die früheren separatis­
tischen Ziele aufgegeben, bemüht sie sich weiterh i n um einen länderübergreifenden
Verbund aller Kurden i m Nahen Osten. Eine solche Föderation würde die Souveräni­
tät der dortigen Staaten betreffen und hat kaum realistische Chancen auf politische
Umsetzung.
Seit dem 26. November 1 993 ist der PKK und ihren Nebenorganisationen die Betä­
tigung in Deutschland verboten . Das B u ndesministerium des I nnern hat am 30. J u l i
2004 festgestellt, dass sich "das gegen die PKK verhängte vereinsrechtliche Betä­
tigungsverbot {. . .] auch auf den KONGRA-GEL erstreckt". Außerdem wird d ie PKK
i n der Liste der Europäischen Union über terroristische Organisationen geführt. Das
Verbot umfasst auch weitere Organisationen des KONGRA-G EL, wie z.B. die E R N K­
Nachfolgeorganisation CDK ('Koordinasyon Civata Ekolojlk-Demokratlk a Kurd
Li Ewropa', zu Deutsch : 'Koordination der kurdischen ökologisch-demokratischen
Gesel lschaft in Europa') und d ie 2005 gegründete KCK ('Koma Civaken Kurdistan')
beziehungsweise deren Vorgängeri n , die 'Koma Komalen Kurdistan' (KKK).
Obwohl in Westeuropa seit E nde März 1 996 ein Kurswechsel zu weitgehend friedli­
chem Verhalten erkennbar ist, stellt die PKK wegen ihrer fortwährenden Bereitschaft,
zu aktionsorientiertem Verhalten zurückzukehren, nach wie vor eine Bedrohung der
i nneren Sicherheit der B undesrepublik Deutschland dar, was ihre Beobachtung ge­
mäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG N RW begründet.
Ihre Ziele verfolgt die PKK i n den Kampfgebieten aktuell insbesondere i n Syrien nach
wie vor mit Waffengewalt. Damit gefährdet die Organisation die auswärtigen Belange
der Bundesrepublik Deutsch land, so dass auch aus diesem Grunde eine Beobach­
tung durch den Verfassungssch utz nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG N RW erforderlich ist.
Aktuelle Entwickl u ngen und deren Bezüge zu Aktionen i n Nord rhein-Westfa len
Von dem aus der PKK hervorgegangenen KONGRA-G EL gehen in Westeuropa
weiterh i n keine gewalttätigen Aktionen aus. Vielmehr bemüht er sich auch in Nord­
rhein-Westfalen durch Aktionen, die auf möglichst große mediale Aufmerksamkeit
angelegt sind, um d ie politische Anerkennung seiner Forderungen. Gewalttätig, quasi
militärisch und offensiv kämpferisch , agieren die PKK und ihre bewaffneten Gueril­
laverbände, insbesondere die 'Vol ksverteidigu ngskräfte' (HPG), i n den kurdischen
Siedlungsgebieten. Neben der Türkei gehören dazu die nordirakische Grenzregion
u nd kurdische Gebiete i n Syrien (auch "Rojava" = Westkurdistan genannt). Entwick-
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
243
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
lu ngen in den Heimatregionen rufen nach wie vor unmittelbare Reaktionen bei den i n
Nordrhein-Westfalen lebenden PKK-Anhängern hervor.
Ende 20 1 2 kam es wie bereits mehrfach in der Gesch ichte der PKK zur Aufnahme
von Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK-Führung
im Nordirak sowie mit Abdullah Öcalan. Diese Sondierungsgespräche wurden im
Frühjahr 201 3 fortgesetzt. Anlässl ich des kurdischen Neujahrsfestes am 2 1 . März
20 1 3 wurde eine Botschaft Abdullah Öcalans verbreitet, i n der er zur Beendigung des
Kampfes i n der Türkei aufruft und a n d ie P KK-Kämpfer appelliert, sich aus der Türkei
zurückzuziehen.
Die Fortsetzung der Waffenruhe und der sch rittweise Rückzug aus dem türkischen
Staatsgebiet waren jedoch von vorneherein mit der Erwartung verknüpft, dass die
türkische Regierung verbindliche gesetzliche Schritte (unter anderem Ä nderungen
der Verfassung und der türkischen Antiterrorgesetze) und Reformen einleite, um eine
Lösung der Kurdenfrage herbeizufü hren. Nachdem sich in der Folgezeit der Friedens­
prozess nicht erkennbar weiterentwickelte, warnte die PKK-Führung vor einem Schei­
tern desselben und setzte ein erstes U ltimatum zum 1 5. Oktober 201 3 . Sie drohte
zugleich eine Aufhebung des ausgerufenen Waffenstillstandes an. Darüber h inaus
wurde im September 20 1 3 der im Frühjahr begonnene Rückzug der PKK- Kämpfer
aus der Türkei vorläufig ausgesetzt.
E i n vom türkischen Min isterpräsidenten am 30. September 201 3 vorgestelltes "Demo­
kratisierungspaket" wurde von der PKK als nicht ausreichend bewertet. Elementare
kurdische Forderungen hätten keine Berücksichtigung gefunden. Der Co-Vorsitzende
des KCK Exekutivrates Cemil Bayik drohte Ende Oktober 201 3 damit, dass der be­
waffnete Kampf wieder aufgenommen werden könne. In der Zeitschrift 'Yen i Özgur
Politika' wird Bayik am 23. Oktober 20 1 3 wie folgt zitiert: " Entweder sie akzeptieren
substanzielle Verhandlungen mit der Kurdischen Freiheitsbewegung oder in der Tür­
kei bricht Bürgerkrieg aus. "
Der Verlauf der Friedensverhandlu ngen wurde von den PKK-Anhängern in Deutsch­
land aufmerksam beobachte. Es kam zu Saalveranstaltungen sowie zu Demonstrati­
onen , in denen eine Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wurde. Sollte es zu einem
Scheitern des Friedensprozesses kommen , wird die PKK-Führung die Schuld h ierfür
dem türkischen Staat anlasten. Eine vergleichbare Strategie - die Verknüpfung eines
Friedensangebots mit für die Türkei letztlich n icht annehmbaren Forderungen sowie
eine anschl ießende Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes - war bereits in der
244
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Vergangenheit, zuletzt i n den Jahren 2004 und 2007, typisch für das Vorgehen der
PKK. Sie nutzt diese Situation, u m erneute Kampfhandlungen zu rechtfertigen und
ihren Anhängern propagandistisch zu verdeutlichen, dass sie in ihrer Unterstützung
des Kampfes der PKK n icht nachlassen dürfen .
Parallel z u den Friedensverhandlu ngen i n der Türkei haben sich d i e Kämpfe in der
syrisch-türkischen Grenzregion intensiviert. Beteiligt sind die Partei der demokra­
tischen Union (PYD), der militärische Arm der syrischen PKK Organisation , sowie
islamistische Gegner des Assad-Reg imes. Da der PYD und somit auch der PKK im
Gebiet Rojava ein begrenzter Aufbau einer kurdischen Selbstverwaltung gelungen
ist, nutzt sie Kampfhandlungen i n d iesem Gebiet wie auch bei vielen anderen der
beschriebenen Themenfelder als Aufhänger für Solidaritätsveranstaltu ngen. Kundge­
bu ngen zum Thema "Rojava/Syrien" fanden ab Anfang August 20 1 3 u nter anderem
in Bon n , Duisburg, Siegen und Köl n mit jeweils mehreren H undert Teilnehmern statt.
Propagandistisch begleitend beschuldigte die PKK die Türkei, in Rojava einen Stell­
vertreterkrieg zu fü h ren. Sie bel iefere die gegnerischen Gruppen m it Waffen .
D i e Ermordung von d rei Aktivisten d e r PKK im Kurdistan I nformationsbüro in Paris am
9. Januar 201 3 führte zu großer Betroffen heit u nter den Anhängern der Organisation.
Bei den Opfern handelte es sich um Sakine Cansiz, eine hochrangige Funktionärin
der PKK, Fidan Dog a n , eine Vertreteri n des Kurdistan Nationalkongresses (KNK), und
Leyla Saylemez, eine Funktionärin der PKK J ugendorganisation 'Komalen Ciwan'.
Ein mutmaßlicher Täter wurde am 1 7. Januar 201 3 von der französischen Polizei
festgenommen . Die PKK-Führung hat diese Morde auf das schärfste verurteilt und
propagiert unter anderem die Auffassung, dass der türkische Geheimd ienst m it Unter­
stützung französischer Stellen für die Morde verantwortlich sei. Unm ittelbar nach den
Morden fand in Paris eine große Gedenkveranstaltung mit rund 1 5.000 Teilnehmern
statt. Unmittelbare Reaktionen waren auch Gedenkveranstaltungen i n Deutschland
beispielsweise in Dortmund am 1 4. Januar 20 1 3 mit rund 300 Teil nehmern und in
Bochu m am 1 9. Januar 201 3 mit rund 1 . 1 00 Tei lnehmern . I n Bochum lautete das
Motto "Aufzug zur Solidarität mit der Bevölkerung Syriens u nd zur Verurteilung des
Mordes an drei kurdischen Politikerinnen in Paris". Eine anhaltende Emotionalisierung
der PKK-Anhängerschaft zeigt sich an der Dauermahnwache vor dem französischen
Generalkonsulat i n Düsseldorf, die seit März 201 3 wöchentlich gleichbleibend durch­
geführt wird . Sie steht unter dem Motto "Morde an kurdischen Rebellen in Paris/Auf­
kläru ng".
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
245
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Die Beispiele verdeutl ichen , dass Kampfhandlu ngen oder E reig nisse m it Bezügen zur
PKK weiterhin geeignet sind, kurzfristig die PKK-An hängerschaft zu mobilisieren. Die
PKK untermauert dabei stets den nach ihrem Selbstverständnis bestehenden Allein­
vertretungsanspruch in der kurdischen Frage.
Aktionsverhalten der PKK-Jugendorgan i sation 'Komalen C iwan'
Während das Jahr 20 1 2 von zahlreichen medienwirksamen Besetzungsaktionen und
Spontandemonstrationen gekennzeichnet war, hat sich der Friedensprozess i n der
Türkei in einem deutl ich rückläufigen Aktionsverhalten der 'Komalen Ciwan' im Jahr
201 3 gespiegelt. Offenkundig haben entsprechende Vorgaben der Organisation eine
deutliche Zurückhaltung bei offen aggressivem Aktionsverhalten bewirkt.
Allerdings kommt es nach wie vor bei meist a nlassunabhängigem Zusammentreffen
von nationalistischen Türken mit jugendlichen PKK-Anhängern zu gewaltsamen Aus­
einandersetzungen.
Die Rolle Abd u l lah Öcalans
Gründu ngsmitglied und Führer der PKK ist Abdullah Öcalan. Trotz seiner I nhaftierung
i m Februar 1 999 bekleidet er herausragende Positionen innerhalb der P KK-Struk­
turen, aktuell das Amt des Präsidenten der KCK. Abdullah Öcalan bleibt letztlich die
tragende Identifi kationsfigur der PKK-Anhänger.
Die Situation Abdullah Öcalans ist weiterhin ein wichtiges Thema der PKK-Agitation
und nach wie vor geeignet, seine Anhänger zu mobilisieren. Die Bedeutung seiner
Person wird u nter anderem daran deutl ich, dass die türkische Regierung Öcalan
offenbar als Verhandlungspartner im vorstehend beschriebenen Friedensprozess
akzeptiert hat.
Die Befolgung seines Appells zum Rückzug der Guerillakämpfer aus der Türkei zeigt,
dass er immer noch höchste Autorität genießt und trotz seiner eingeschränkten Kom­
munikationsmöglichkeiten aus der Haft heraus zumindest mittel bar maßgeblichen
E influss auf Vorgehen und Strategie der Organ isation ausüben kann.
246
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Deutschland als Rückzugsgebiet der PKK
Der Finanzbedarf der PKK ist erhebl ich , u m die Aktionsfäh igkeit der Organisation
im I n- und Ausland aufrecht zu erhalten . Die PKK nutzt weiterhi n die in Deutschland
vorhandenen Strukturen, u m Gelder zu generieren, mit denen die Fortfü h rung der
militärischen Auseinandersetzungen i n den kurdischen Gebieten unterstützt werden
können sowie zur Finanzierung der hauptamtlichen Kader und des Propagandaappa­
rates.
Wichtigste Geldquelle sind organisierte Spendensammlungen , die durch regelmäßige
Zah lungen von Anhängern und durch Erlöse aus dem Zeitsch riftenverkauf ergänzt
werden . Der E rtrag aus den Spendensammlungen liegt allein in Deutschland bei meh­
reren M i l l ionen Euro. Spendensammler sind Kader, illegale Aktivisten und Funktionä­
re, die für das Sammeln der Spenden i n den Teilgebieten zuständig sind. Sie erhalten
von der Europaleitung der PKK Vorgaben zur Höhe der in den jeweiligen Gebieten
erwarteten beziehungsweise aufzubringenden Spendeneinnahmen.
Zusätzlich zur jährlichen Spendenkampagne wurde im Jahr 20 1 3 eine Sonderspen­
denkampagne zur U nterstützung der in kurdischen Siedlu ngsgebieten tätigen PYD
durchgeführt. Allen Kurden sollte deutlich gemacht werden , dass sie die "Rojava-Re­
volution" in finanzieller H insicht u nterstützen müssten. Die "Rojava-Revolution" wurde
von der PKK-Führung zudem als Erfolgsmodell des Gueril lakampfes herausgestellt.
Für ihre Guerillaaktivitäten rekrutiert die PKK Nachwuchs i n Westeuropa. I mmer
wieder werden Fälle bekan nt, dass auch in Deutschland junge Männer und Frauen für
den Kampf a ngeworben werden .
Organisation in E u ropa
Zur politischen Vertretung auf europäischer Ebene und für Propagandazwecke hat
der KONGRA-G EL eine Reihe von Organisationen gegründet. Dazu gehört als offi­
zielle Europavertretung die 'Koordination der kurdischen ökologisch-demokratischen
Gesellschaft i n Europa' ('Koordinasyon Civata Ekolojik-Demokratik a Kurd Li Ewropa'
- CDK). Sie hat die Aufgabe, die in Europa lebenden Kurden durch Presse- und Öf­
fentlichkeitsarbeit sowie Propagandatätigkeit zu informieren und für den - im S prach­
gebrauch der PKK - "Befreiungskampf' zu begeistern. Die wichtigsten Neben- bzw.
Teilorganisationen, mit denen der KONG RA-GEL in Deutschland vertreten ist, sind die
AusLÄNDEREXTREMIsMus
247
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
'Kurdische Frauenbewegung i n Europa' (AKKH), ehemals ' U n ion der freien Frauen'
(YJA), und der 'Demokratische Jugendfödera l ismus Kurd istans' - ('Komalen Ciwan').
Fü hrende Funktionäre - zumindest ab der Ebene der Gebietsleiter aufwärts - leben
konspirativ. Sie wechseln in der Regel täglich ihren Aufenthaltsort, benutzen Deck­
namen und sind nur unter Telefonanschl üssen zu erreichen, die auf unverdächtige
Personen angemeldet sind. Vornehml ich halten sie sich i n Deutschland, Belgien,
Fran kreich und den N iederlanden auf. Sie widmen ihre Arbeitskraft aussch ließlich
der Partei. Dabei sind sie für d ie Verbreitung von Parteibeschlüssen und Reden von
Parteifunktionären, den Start und die Steuerung von Kampagnen und für Demonstra­
tionen zuständig. Zudem sind sie verantwortlich für die S pendensammlung und über­
wachen den Verkauf von Zeitungen und Eintrittskarten für Großveranstaltungen, wie
dem jährlichen internationalen kurdischen Kulturfestival.
Neben der CDK hat die PKK in Europa die Bildung sogenannter Massenorganisatio­
nen in itiiert. Sie sollen bestimmte Personen- und Berufsgruppen als weiteres Unter­
stützungspotential gewinnen, ohne dass aus dem Organisationsnamen unmittelbar
eine Verbindung zur PKK hergeleitet werden kan n . Folgende Organisationen sind h ier
bekannt und aktiv:
'Demokratischer J ugendkonföderalismus Kurdistans' ('Komalen Ciwan')
' Föderation der Aleviten Kurdistans' ( F E DA, frü her: FEK),
'Föderation der Yezidischen Vereine Kurdistans' (FKE),
' I slamische Gemei nde Kurdistans' (CIK),
'Kurdische Frauenbewegung i n Europa' (AKKH )',
'Verband der Studierenden aus Kurdistan e.v.' (YXK).
Aktuelle Strafverfahren gegen F u n ktionäre der PKK
Die Betätigung als Funktionär für die PKK verwirklicht den Tatbestand der Mitglied­
schaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 1 29a/b
StG B). Dementsprechend hatten sich im Jahr 20 1 3 erneut mehrere Führu ngsfunktio­
näre der Partei in Strafverfahren vor Gericht zu verantworten :
A m 2 3 . Januar 20 1 3 kam e s vor dem OLG Düsseldorf z u r Anklage gegen einen
türkischen Staatsangehörigen, dem die Tätigkeit als Seritleiter (Gebietsleiter) der
PKK sowie die zeitweil ige Leitung des für die Fi nanzen der PKK zuständ igen Euro­
pabüros vorgeworfen wird .
248
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Am 1 5. April 20 1 3 verurteilte das OLG Düsseldorf einen türkischen Staatsangehö­
rigen wegen seiner Kadertätigkeit i n der PKK-Jugendorganisation sowie wegen der
Beteiligung a n der Rekrutierung Jugendlicher für die PKK.
Medienei nsatz
Die PKK bedient sich ei nes Mediennetzes, das der Verbreitung von Propaganda i n
d e r kurdischen Anhängerschaft d e r PKK dient. E s umfasst Fernseh- und Radiosen­
der und mehrere Zeitungen. Veröffentlichungen dieser Medien werden oft durch die
Nachrichtenagentur 'Firat N EWs Agency' (AN F ) aufbereitet. Die Medien verbreiten im
Wesentlichen Beiträge über die Ziele und Aktivitäten der PKK. Neben dem Fernseh­
sender 'Ster TV' hat am 25. November 20 1 3 mit 'Mednur;:e' ein neuer kurdischer Fern­
sehsender seinen Sendebetrieb - zunächst im Testbetrieb - aufgenommen.
In Zeitungen wie 'Yen i Özg ür Politika' finden sich zudem H inweise auf kleinere regio­
nale Veranstaltungen und ganzseitige Aufrufe zur Teilnahme an Großveranstaltungen .
Weitere Zeitungen und Zeitschriften, die Propaganda für die PKK betreiben, sind die
'Serxwebun' ('Unabhängigkeit'), der deutschsprachige 'Kurdistan-Report' und der
'Sterka Ciwan' ('Stern der J ugend'). Die Zeitschrift 'Newaya Jin' ('Erlebn isse der Frau­
en') ist auf die weibliche kurdische Anhängerschaft ausgerichtet.
Zudem wird auf verschiedenen Internetseiten PKK-Propaganda betrieben . Insbeson­
dere für die Anhänger der J ugendorganisation 'Komalen Ciwan' bietet das Internet
eine wichtige Plattform , um Aktionen und politische Anliegen sch nell publik zu ma­
chen. Das Netz wird zudem für Schmähungen und Provokationen nationalistischer
Türken genutzt.
'Föderation kurdischer Vereine in Deutschland' (YEK-KOM )
Z u r Förderung d e r kulturellen Belange d e r kurdischen Bevölkerung in Deutschland
wurde am 27. März 1 994 die 'Föderation kurdischer Vereine i n Deutschland' (YEK­
KOM) gegründet. Der Sitz ist Düsseldorf. Gemäß der Vereinssatzung sieht die
YEK-KOM ihre Aufgabe i n der Pflege der kurdischen Kultur, Sprache und Tradition.
Daneben will sie für Völkerverständigung und Freundschaft werben . Nach ihrem
Sel bstverständnis vertritt YEK-KOM jedoch auch die politischen Interessen der PKK
in Deutschland. Die YEK-KOM ist n icht vom Betätigungsverbot gegen die PKK und
deren Nachfolgeorgan isationen erfasst. Der Dachverband sowie die a ngeschlossenen
Vereine haben eine Nähe zur PKK als gemeinsame Grundlage.
AusLÄNDERExTREMIsMus
249
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Als Dachorganisation zahlreicher Mitgliedsvereine in der Bundesrepublik Deutsch­
land ist YEK-KOM i n die Strukturen der 'Konföderation kurdischer Vereine i n Europa'
(KON-KU RD) eingebunden. YEK-KOM fi nanziert sich durch M itgl iedsbeiträge von
Vereinen und durch S penden .
Weiterhin arbeiten YEK-KOM-Funktionäre mit Nachdruck an Kontakten und Zugän­
gen zur deutschen Politik, u m die kurdischen I nteressen dort vorzubringen. In diesem
Zusammenhang wird u nter anderem versucht, Politiker i n die Organisationsstrukturen
des Dachverbandes einzubeziehen sowie M itgl ieder in aussichtsreicher Position auf
entsprechenden Parteilisten zu platzieren. Die Organisation agiert dabei auf kommu­
naler sowie auf Landes- u nd B u ndesebene. Sie pflegt zudem Kontakte zu Vertretern
des Europäischen Parlaments.
Veranstaltungen
M it zentral gesteuerten Propagandaaktionen , zu denen sowohl Demonstrationen als
auch jährl ich wiederkehrende Festivals, aber auch die Durchführung von Podiumsdis­
kussionen, U nterschriftenaktionen sowie H u ngerstreiks und Mahnwachen gehören,
versucht die PKK d ie öffentliche Aufmerksamkeit auf die Lage der Kurden i n den Sied­
lungsgebieten zu richten; diese Veranstaltu ngen dienen aber auch dazu, unter den im
Ausland lebenden Kurden die Zugehörigkeit zur kurdischen Kultur lebendig zu halten
u nd zu festigen.
Zu internationalen oder bundesweiten Großdemonstrationen und Festivals können
zum Teil mehrere zehntausend Anhänger mobilisiert werden . Dies waren vor allem das Newroz-Fest am 23. März 20 1 3 in Bonn sowie das Kurdistan Festival am
2 1 . September 20 1 3 in Dortmund. Mit diesen Großveranstaltungen , die zumindest
äußerlich eher Festivalcharakter haben, versucht d ie Organisation ein breites Feld
von Aktivisten, aber auch Sympathisanten zu erreichen. Dementsprechend hoch sind
die Teilneh merzahlen. Am Newroz-Fest nahmen rund 9.000, in Dortmund 24.500 Per­
sonen tei l . Die jährl ich wiederkehrenden Veranstaltungen werden für die Verbreitung
von politischen Reden u nd Videobotschaften genutzt und sind damit fester Bestandteil
des Ideologietransfers mit dem Ziel, das "Wir-Gefühl" i n der kurdischen Community zu
stärken. Zugleich bieten die Veranstaltungen der Organisation die Möglichkeit, Gelder
zu akquirieren.
250
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Bewertung
Aus Sicht der PKK stellt der vorläufige Rückzug ihrer Guerillaein heiten aus dem türki­
schen Staatsgebiet eine einseitige Vorleistu ng dar, der bislang kein adäquates Ange­
bot des türkischen Staates zur Lösung der Kurdenfrage gegenübersteht. Der Ausgang
des Friedensprozesses bleibt damit offen und die Gesamtlage ist, je länger die PKK
an ihren Maximalforderungen festhält, von fortschreitender I nstabil ität gekennzeich­
net.
Bei einem Scheitern des Friedensprozesses könnte die PKK ihre Anhängerschaft
jederzeit wieder zum bewaffneten Kampf in den kurd ischen Siedlu ngsgebieten auf­
rufen, um Erfolge wie in Rojawa zu erzielen. Ein verstärktes Aktionsverhalten mit
Spontandemonstrationen und medienwirksamen Besetzungsaktionen könnten eine
Folge sei n , da die PKK i n der Lage ist, ihre Anhänger auch in Deutschland kurzfristig
zu mobilisieren.
5.2
Tam i l ische Befreiungstiger
I nteressenvertretung
Mitglieder
20 1 3
20 1 2
I nternet
'Tamil Coord ination Committee' (TCC)
N RW
Bund
ca . 1 . 000
ca. 300
ca . 1 .000
ca . 300
englischsprachige Homepage
Ziele
Die i m Jahr 1 972 gegründete Organisation 'Tamilische
Befreiungstiger' ('Liberation Tigers of Tamil Eelam'
- LTTE ) strebt die Errichtung eines von Sri Lanka
u nabhängigen , sozial istischen, tamil ischen Staates
im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden u nd
Osten der I nsel an.
Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen
Logo der L TTE
Ein wesentlicher Teil der LTTE-Strategie zur Durchsetzung ihrer Forderung nach
einem separaten Staat waren seit 1 983 Terroranschläge gegen sri-Iankische und
indische Ziele im Rahmen eines Guerillakrieges gegen die singhalesische Zentral-
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
251
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
regierung. Damit verfolgen die in Deutschland lebenden Anhänger der LTTE Bestre­
bungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshand­
lungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Sie erfü l len
damit die Voraussetzungen für d ie Beobachtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG N RW.
Die anhaltenden Gewaltaktionen der Organisation in Sri Lanka füh rten seitens der E U
am 2 9 . M a i 2006 z u d e r Listung d e r LTTE als terroristische Organ isation .
Aktivitäten der LTTE
Den jahrzehntelangen Bürgerkrieg auf Sri Lanka konnte die Zentralregierung im Mai
2009 nach der Ein nahme der verbliebenen LTTE-kontrollierten Gebiete im Nordosten
Sri Lankas für sich entscheiden . Bei d ieser Schlussoffensive wurde der Führer der
LTTE , Velupillai Prabhakara n , getötet.
Auch vier Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs bestehen die entgegengesetzten
Positionen der LTTE und des Staates Sri-Lanka fort. Bei der jährl ichen Protestveran­
staltung des europäischen 'Tamil Coordi nation Committees' (TCC) am 4. März 20 1 3
i n Genf wurde auch i n diesem Jahr gefordert, dass sich das sri-Iankische M il itär aus
den von Tamilen bevölkerten Gebieten Sri-Lankas zurückziehen und das dortige
Verbot der LTTE aufgehoben werden soll. Die Forderung nach einem unabhängigen
tamil ischen Staat "Tamil Eelam" wird ebenfalls weiter aufrechterhalten. In einer Re­
solution wurde gefordert, die angeblichen Menschenrechtsverletzungen während des
30-jährigen Bürgerkriegs zu untersuchen. Dies betreffe i nsbesondere die i ntensivier­
ten Kampfhandlungen des Jahres 2009 , d ie in die militärische Niederlage der LTTE
mündeten.
Aus Anlass des vierten Jahrestages der militärischen Niederlage der LTTE am 18. Mai
201 3 führten Anhänger der Organisation in mehreren deutschen Städten Veranstal­
tungen zum sogenannten "War Crimes Day" durch. Träger der Veranstaltungen waren
der 'Volksrat der Eelam Tamilen Deutschland' (VETO) und die 'Tamilische J ugendor­
gan isation' (TYO). Das I nternet wurde zur Mobilisierung genutzt. An der größten i n
Düsseldorf durchgefü hrten und friedl ich verlaufenen Veranstaltung beteil igten sich
rund 850 LTTE-Anhänger. E s wurden vermeintliche Kriegsverbrechen der sri-Ianki­
schen Armee thematisiert.
Der 27. November ist der Geburtstag des im Jahr 2009 getöteten LTTE-Führers Ve­
lupillai Prabhakara n . An diesem "Heldengedenktag" erinnern die Anhänger der Orga-
252
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
n isation weltweit in Veranstaltungen an die eigenen im Kampf für ein unabhängiges
"Tamil Eelam" gefallenen Kämpfer. Eine entsprechende Großveranstaltung mit rund
3 .500 Teilnehmern fand am 27. November 20 1 3 in Dortmund statt. Die alljährl iche
Durchfüh rung derartiger Gedenkveranstaltungen ist weiterhin wichtigster Identifikati­
onspunkt für die LTTE-Anhänger.
Flügelbi ldung i n nerhalb der LTTE
Trotz der militärischen N iederlage u nd einer anschließenden P hase der Destabilisie­
rung der LTTE sowie ihrer Auslandsorganisationen ist seit Mitte 20 1 0 eine Restruktu­
rierung zu beobachten . Eine Konsolidierung der LTTE-nahen tam ilischen Community
scheitert jedoch bislang an inhaltlichen Auseinandersetzungen und persönlichen
Zerwürfn issen der beiden erkennbaren Hauptströmungen innerhalb der Organ isation .
Das "LTTE Headoffice", auch "LTTE Hauptquartier" oder "Hauptsteile" , sieht sich als
Vertreter einer moderaten Fraktion . Erstmalig artikulierte diese G ru ppierung i m Febru­
ar 20 1 1 in einem Internetbeitrag ihren Standpunkt, wonach auf demokratischem Wege
eine politische Lösung herbeigeführt werden soll .
Das Headoffice unterstützt h ierbei d a s Konzept einer "Tra nsnationalen Reg ierung"
(Tra nsnational Government of Tamil Eelam - TGTE ). In allen Staaten mit sign ifikanter
tamilischer Diaspora erfolgten Wahlen zu einem "Parlament" mit Regieru ngsbildung
- das TGTE - u nd einem M i nisterpräsidenten an der Spitze. Das TGTE verstand sich
dabei als weltweite, demokratisch legitimierte Vertretung aller Tamilen, die als gleich­
berechtigter Verhandlungspartner gewaltfrei die Bildung eines u nabhängigen "Tamil
Eelam" anstrebt.
Die "LTTE I nternational Organisation", auch "LTTE I nternationale Verbindungsstelle",
bildet den so genannten "Hardliner"-Flügel , der sich offen zu einer Wiederaufnahme
des bewaffneten Kampfes in Sri Lanka bekennt. Die "LTTE I nternational Organisation"
kann auf die gewachsenen internationalen Strukturen der LTTE-Diaspora, die soge­
nannten 'Tamil Coordination Committees' (TCC), zu rückgreifen u nd verfügt daher über
einen o rganisatorisch wie personell ausgereiften U nterbau .
Seit 20 1 1 war feststellbar, dass die internen Auseinandersetzungen um ihre zukünf­
tige politische Ausrichtung eine effektive Handlungsfäh igkeit der LTTE in zunehmen­
dem Maße beeinträchtigten . I nsbesondere der von beiden Seiten proklamierte Allein­
vertretungsanspruch und die behau ptete U nvereinbarkeit der politischen Positionen
AusLÄNDEREXTREMISMus
253
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
führte i nnerhalb der tamil ischen Anhängerschaft zu einer deutlichen Verunsicherung.
N icht zuletzt diesem U mstand dürfte es geschuldet sein , dass i m Jahr 20 1 3 keine
konkurrierenden Veranstaltungen beispielsweise zum Heldengedenktag durchgeführt
worden sind. Insofern verdichten sich die Anhaltspunkte dafür, dass die "Flügelbil­
dung" aufgegeben wird und die Bemühu ngen um eine Festigung der Handlungsfähig­
keit in der Anhängerschaft derzeit im Vordergrund stehen.
Struktur i n Deutschland
Die LTTE tritt i n Deutschland n icht u nter ihrem Namen auf. I h re Ziele und I nteressen
werden hier durch das 'Tamil Coordination Committee' (TCC) vertreten .
Der LTTE nahestehende Organisationen mit Sitz in N RW sind u . a . :
Tamil Youth Organization*' (TYO) ,
Tamil Rehabilitation Organization e.V.*' (TRO) ,
Tamil Student Organization eV*' (TSV).
Die LTTE-Sektion Deutschland wird nach wie vor durch konspirative Zellen gebildet,
die sich nach außen völlig abschotten. Das TCC wird tendenziell von der Mehrheit der
in Deutschland lebenden Tamilen, die eine Nähe zur LTTE aufweisen, als Meinungs­
führer innerhalb der LTTE betrachtet. I nsbesondere die Vertreter der "LTTE I nternati­
onal Organisation" können sich daher in der Bundesrepublik vielerorts auch weiterhin
erfolgreich auf die vorhandenen LTTE-Strukturen stützen .
Fi nanzierung
Bis zu ihrer mil itärischen Niederlage 2009 bestand das Hauptziel der LTTE i m Aus­
land und damit auch in Deutschland darin, Geld für den "Befreiungskampf' und die
Versorgung von Flüchtlingen in der Heimat zu beschaffe n . Viele Auslands-Tamilen
leisteten einen "Solidaritätsbeitrag" und spendeten regelmäßig für d ie LTTE . Ohne
die regelmäßige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland hätte die LTTE ihren
paramilitärischen Apparat i n Sri Lanka n icht über Jahrzehnte aufrechterhalten können.
Hinsichtlich der Höhe der jährlich akquirierten Finanzmittel konnten keine gesicherten
Zahlen erhoben werden . Das klandestine Verhalten der Organisation lässt auch Fra­
gen hinsichtlich der tatsäch lichen Freiwilligkeit der fi nanziellen Unterstützung offen.
254
AusLÄNDERExTREMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Bewertung
I m Jahr 201 3 scheint eine gewisse Beruhigung bei den internen Flügelkämpfen einge­
treten zu sein . So wurden i m Jahresverlauf keine H inweise auf nennenswerte Ausein­
andersetzungen zwischen den konkurrierenden Gruppen bekannt.
I nsbesondere der Verzicht auf konkurrierende Veranstaltungen füh rt zu der E i nschät­
zung, dass es zu einer Zusammenführung der bislang konkurrierenden Flügel und
damit letztlich zu einer strategischen Neuausrichtung kommen kann.
Es bleibt abzuwarten, ob es der LTTE gelingt, den Konflikt um ihre künftige Ausrich­
tung zu lösen und - unter zentraler Führung - ihre weltweite Gefolgschaft mit einer
diese einigenden, real istischen Perspektive zu binden.
AUSLÄNDEREXTREMISMUS
255
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
256
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
6
Islamismus 1 55
Als Islam ismus wird eine politische extremistische Ideologie bezeichnet, in der - an­
ders als bei säkularen antidemokratischen Ideologien wie Marxismus oder National­
sozialismus - d ie demokratiefeindl ichen politischen Ordnungsvorstel lungen und damit
einhergehende Feindbilder mit einer Religion, dem Islam, begründet werden . Der
I slam und das E intreten für islamische I nteressen sind jedoch nicht extremistisch . Den
Vorstell ungen von Islamisten liegt ein fundamentalistisches Verständnis des Islam
zugrunde.
Die Verfassungsschutzbehörden haben die gesetzliche Aufgabe, Bestrebungen und
Tätigkeiten zu beobachten, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundord­
nung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, die auswärtigen Belange
der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder S pionage für eine fremde Macht
zum Ziel haben. Deshalb müssen Personengruppen und Organ isationen , die tatsäch­
liche Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, sich im Sinne eines oder mehrerer der
genan nten Punkte zu betätigen, vom Verfassungssch utz beobachtet werden , auch
dann, wenn sie dies auf rel igiöse, islamische Argumente stützen. H ierzu gehören
n icht nur gewalttätige oder gewaltorientierte islamistische Organ isationen, Netzwerke
und Personenzusammenschlüsse, sondern auch solche, die auf Gewalt verzichten
und auf legalem Weg die Verbreitung, Etablierung und Durchsetzung extrem istischer
politischer Vorstellungen anstreben .
I n d e r islamistischen Ideologie werden die islam ische Offenbarungssch rift u n d die
Überlieferungen aus früheren islamischen Epochen als Muster für die anzustrebende
Staats- und Gesellschaftsordnung angesehen. Formen einer demokratischen politi­
schen Wil lensbildung in der Gesellschaft werden dabei gänzlich oder in wesentlichen
Teilen abgelehnt. Bestimmten Menschengruppen werden beispielsweise aufgrund
ihres Geschlechts, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung im
155
Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Ver­
fassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation
zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Ver­
dachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies mit der Kennzeichnung (*) ausdrücklich
hervorgehoben.
ISLAMIsMus
257
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2 0 1 3
deutschen Gru ndgesetz verbürgte Rechte abgesprochen. Die Überzeugung, auf der
Grundlage unfehlbarer göttlicher Bestimmungen zur Gestaltung von Staat und Gesell­
schaft ermächtigt zu sei n , öffnet dabei das Tor für politischen Totalitarismus.
Ein weiteres Merkmal islamistischer Bestrebungen ist das Vorliegen bestimmter
Feindbilder. Als Feind gilt gru ndsätzlich, wer oder was sich aus Sicht der islamisti­
schen Ideolog ie der Errichtung einer "islam ischen Ordnung" in den Weg stellt. Dies
sind insbesondere der "Westen" mit seinen wirtschaftlichen, politischen und gesell­
schaftlichen Merkmalen (Kapitalismus, Demokratie, Werteplura l ismus) und der Zionis­
mus. Die Feindschaft gegenüber dem Zionismus und Israel füh rt bei den Anhängern
islamistischer Bestrebungen in der Regel zu einer strikt antisemitischen Haltung. Zur
steten U ntermauerung ihres Feindbildes d ienen I slamisten historische und aktuelle
politische sowie militärische Konfrontationen zwischen christlich geprägtem Okzident
und islam isch geprägtem Orient sowie wirtschaftl iche und politische Ungleichheiten in
islamischen Ländern, die mit dem Westen kooperieren.
Soweit bei islam istischen Bestrebungen Vorstellungen über d ie Ausgestaltung des an­
gestrebten "islamischen Staates" und der "islamischen Ord nung" bestehen, variieren
diese untereinander zum Teil erheblich. Die Methoden, m it denen d ieses Ziel verfolgt
wird, unterscheiden sich ebenfalls stark voneinander.
Die besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes gilt der Aufklärung gewalt­
orientierter islamistischer Bestrebungen und solcher, d ie dem transnationalen islamis­
tischen Terrorismus den geistigen Boden bereiten . Er arbeitet i n d iesem Bereich sehr
eng mit anderen Sicherheitsbehörden zusammen .
Es darf jedoch n icht unterschätzt werden, dass auch gewaltlose islamistische Bestre­
bungen langfristig extremistische Vorstellungen in der Gesellschaft verbreiten kön nen.
Die Kraft der demokratischen Gesellschaft, ihrerseits diese Bestrebungen m it demo­
kratischen Vorstell ungen zu beeinflussen, muss sich entsprechend entwickeln kön­
nen. Der Verfassu ngssch utz bietet der Gesellschaft die notwendigen I nformationen,
um mit solchen Bestrebu ngen i n eigener Verantwortlichkeit ziel- und handlungssicher
umzugehen.
258
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
6.1
Islam istisch motivierter transnationaler Terrorismus
6. 1 . 1
AI-Qa ida u n d von i h r inspirierte j i hadistische Gru ppierungen
'AI-Qaida' ist seit den Anschlägen vom
1 1 . September 2001 in New York und
Washington der Inbegriff eines gegen die
Staaten der westlichen Welt gerichteten
Terrorismus mit islamistischer Motivation.
Der Kern der 'al-Qaida' ist i m afghanisch­
pakistanischen Grenzgebiet verortetet.
Daneben agieren Unter- und Nebenor­
gan isationen, die die Ideologie, Ziele und
Methoden 'al-Qaidas' teilen, in verschie­
denen Regionen . Diese Gruppierungen
Jihadistische Propaganda aus Syrien in sozialen
selbst bezeichnen ihren Kampf als "Jihad"
Netzwerken: Twitter
u nd ihre Kämpfer als "Mujah idin" und
vereinnahmen damit islamische Begriffe. I n Anlehnung a n den von 'al-Qaida' und ihr
nahestehenden Gruppierungen verwendeten Begriff "Jihad" werden diese Kämpfer
auch verbreitet "Jihadisten" genannt. Bei aller U nterschiedlichkeit ihrer Organisations­
formen und Strukturen eint die "ji hadistischen" Gruppierungen das Bestreben, ihr poli­
tisches Ziel, die Errichtung eines "islamischen Staates", mit Gewalt u nd Terror zu ver­
folgen . Sie betrachten alle demokratischen Staaten und Gesellschaften , auch wenn
diese islamisch geprägt sind als Feinde, da sie der Verfolgung ihres Ziels im Wege
stehen. Von diesen jihad istisch eingestellten, 'al-Qaida'-affinen Personengruppen geht
derzeit die größte tatsäch liche Gefahr für die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen aus.
Anhaltspunkte fü r extrem istische Bestrebungen
Jihadistische Gruppieru ngen und Netzwerke haben bereits mehrfach Deutschland
und Personengru ppen i n Nordrhei n-Westfalen mit Gewalttaten gedroht. I h re Beob­
achtung durch den Verfassungsschutz ist deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG N RW
geboten. Darüber hinaus stellen sie durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorberei­
tungshandlungen weltweit eine terroristische Bedrohung dar und gefäh rden somit die
auswärtigen Belange der B undesrepublik Deutschland, weshalb sie auch nach § 3
Abs. 1 Nr. 3 VSG N RW zu beobachten sind.
ISLAMIsMUS
259
Verfassu ngssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Hi ntergrund
Die E ntstehung des M ujahidin-Phänomens geht auf die sowjetische I nvasion i n Af­
ghanistan im Jahr 1 979 zurück. Der Widerstand gegen d ie Besatzung ( 1 979 bis 1 989)
formierte sich unter religiösen Vorzeichen. I n Train ingslagern wurden die Freiwilligen
auf den Kampf gegen die sowjetische Armee vorbereitet. Dies legte die Basis für eine
Terrorausbildu ng, die die Afghanistankämpfer später auch i n Form von Aufständen
u nd U mstu rzversuchen gegen bestehende Regierungen und Herrschaftssysteme in
ihren jeweiligen Heimatländern zum E insatz brachten.
Die von U sama bin Ladin gegründete 'al-Qaida' trat in dieser Zeit erstmals in Erschei­
nung. I h r Zweck war zunächst die logistische U nterstützung der afghanischen Kämp­
fer mit Geld, militärischer und rel ig iöser Ausbildung sowie mit freiwilligen Kämpfern
überwiegend arabischer Herkunft. Darüber hinaus nahm bin Ladin auch als Komman­
deur an Kämpfen gegen die Sowjettruppen tei l und wird deshalb von den Mujahidin
als Führer und Symbolfigur für den "gerechten Kampf" der M us l ime auch nach seinem
Tod verehrt.
Die J i hadisten sind vom Hass auf Israel, die USA, ihre westlichen Verbündeten sowie
die mit dem Westen kooperierenden Regierungen islamischer Staaten getrieben. Der
"Westen" wird pauschal für Unterdrückung, Korruption, Unterentwicklung und den
N iedergang "sittlicher (islam ischer) Werte" verantwortl ich gemacht. I m Februar 1 998
bildete sich unter der Führung von 'al-Qaida' ein internationaler Zusammenschluss,
die 'I slamische Weltfront für den J ihad gegen Juden und Kreuzzügler', der Organi­
sationen aus Ägypten, Pakista n , Bang ladesch sowie inzwischen auch aus dem I rak,
aus Algerien und Usbekistan angehören. Das Netzwerk von Usama bin Ladin umfasst
damit n icht mehr n u r arabischstämmige Kämpfer. Bin Ladin bezeichnete es als i nd i­
viduelle Pflicht eines jeden Muslim, Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und
Militärpersonal g leichermaßen - zu töten, wo immer sich die Möglichkeit dazu biete,
bis die heil igen Stätten der M uslime in Saudi-Arabien von den "Ungläubigen" befreit
seie n . Nach diesem Aufruf sind zahlreiche Anschläge weltweit verübt worden. Zu den
Anschlägen mit einer hohen Zahl von Opfern zäh len u nter anderem die Terroranschlä­
ge am 1 1 . September 2001 i n New York/ Washington, am 1 1 . März 2004 i n Madrid
und am 7. J u l i 2005 in London.
Die Triebfeder der unzähligen 'al-Qaida'-nahen Terrorzellen weltweit ist allerd ings
nur vordergründig die gleiche Ideologie. Betrachtet man die Konflikte, a n denen sich
islamistische Terroristen weltweit beteiligen, so fällt auf, dass vom Maghreb über den
260
ISLAMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Nahen Osten und Tschetschenien bis nach Süd-Ost-Asien ganz unterschied liche Mo­
tive den gewaltsamen Kampf bestimmen können. Reg ional defi n ierte, machtpolitische
und eth n ische Interessen stehen deutlich im Vordergrund. Die führenden Köpfe der
internationalen Terror-Szene versuchen jedoch untersch iedlichste Konfl ikte im Sinne
ihrer Jihad-Ideologie zu deuten. Dabei sind sie in zweierlei H i nsicht erfolgreich : Sie
mü nzen reg ionale ethn ische und/oder soziale Konflikte i n religiöse Konflikte um und
stellen sie in den Kontext einer globalen Ausei nandersetzung zwischen "Glauben" und
"U nglauben". Dadurch radikalisieren sie die beteil igten Konfliktparteien i n ihrem Sinne.
Struktur
Das transnationale terroristische Netzwerk 'al-Qaida' unterscheidet sich i n wesentli­
chen Punkten von anderen islamistischen terroristischen Gruppierungen: Es ist nicht
auf ein Territorium begrenzt und hat überwiegend keine festen Organisationsstruk­
turen , sondern basiert vielmehr auf "Treueeiden" von lokalen J i hadisten gegenüber
regionalen Anführern .
Seit die Verein igten Staaten von Amerika und ihre Verbü ndeten 2002 ihren massiven
Kampf gegen 'al-Qaida' begonnen haben, sind ehedem festgefügte Netzwerkstruk­
turen, die in den Trainingslagern von 'al-Qaida' in Afghanistan entstanden waren,
stark beeinträchtigt worden . Stattdessen haben sich weltweit lokale und autonome
Terrororganisationen und Terrorzellen gebildet, die die Ideologie 'al-Qaidas' verinner­
l icht haben, in ihrem Sinne agieren und den Ansch luss nominell über die erwäh nten
"Treueeide" herstellen. Kern-'al-Qaida' in Afg han istan/ Pakistan und sein heutiger
Anfüh rer, Aiman al-Zawahiri , sind vermutlich n icht mehr Planungs- und Kommando­
zentrale für Ansch läge weltweit. Als symbolische Leitung des globalen "Jihad" spielt
Kern-'al-Qaida' aber weiterhin eine wichtige Rolle.
I nternational hat sich 'al-Qaida' i n verschiedene regionale Teilorganisationen gegl ie­
dert, die Kern-'al-Qaida' ihre Loyal ität geschworen haben und im Sinne der ideologi ­
schen Ausrichtung wirken. D i e bedeutendsten dieser Zweige s i n d :
'AI-Qaida im I slamischen Maghreb' (AQM); ging hervor aus d e r 'Groupe Salafiste
pou r la Predication et le Combat' (GSPC), die sich Ende 2006/Anfang 2007 'al-Qai­
da' angeschlossen hat. In Nordrhei n-Westfalen hatte die GSPC E inzelmitgl ieder,
aber keine Strukturen.
ISLAMIsMus
261
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
'AI-Qaida auf der Arabischen Hal binsel' (AQAH ) ; ist durch den Zusammenschluss
der 'al-Qaida'-Gruppen in Saudi-Arabien und dem Jemen im Januar 2009 gebildet
worden.
'AI-Qaida im I rak' (AQ I ) ; wurde nach der Besetzung des I rak durch alli ierte Truppen
2003 von Abu M usab al-Zarqawi gegründet. Nach dem Tod ihres Gründers im J u n i
2006 benan nte s i c h d i e Organisation in 'Islamischer Staat im I rak' ( I S I ) u m . Seit
Frühjahr 20 1 3 erhebt ISI Anspruch auf Syrien und nennt sich 'Islamischer Staat im
I rak und in der Levante / bzw. Syrien / bzw. Groß-Syrien' ( I S I L , I S I S , I S I G ) .
'Jabhat al-N usra li-ahli al-Sham' ('U nterstützungsfront für d a s syrische Volk') oder
kurz 'Jabhat al-Nusra' (Ja N ) ; formierte sich Ende 20 1 1 aus M itgliedern des I S I i n
Syrien als e i n e weitere 'al-Qaida'-Organisation . I m April 201 3 erklärte d e r I S I d i e
'Jabhat al-N usra' ( J a N ) zu einem Teil d e s I S I und g a b die Vereinigung d e r beiden
Organisationen unter dem Namen I S I S (siehe oben) bekannt. Die 'Jabhat al-Nus­
rah' ihrerseits leh nte die Vereinnahmung durch I S I ab und erklärte daraufhin Aiman
al-Zawahiri und damit Kern-'al-Qaida' die Treue. Der Streit um die Eigenständigkeit
von 'Jabhat al-Nusra' oder ihre Abhängigkeit von ISI war bis Ende 20 1 3 auch durch
die Vermittlu ngsbemüh ungen von al-Zawahiri nicht beizulegen.
Das 20 1 3 zu Tage getretene U nvermögen Kern-'al-Qaidas', die eigenen I nteressen
gegenüber dem ' I slamischen Staat im I rak und in Syrien' durchzusetzen, lässt eine
massive Beeinträchtigu ng ihrer Führu ngs- und Koordin ieru ngsfunktion erken nen. Die
vier genan nten Teilorganisationen scheinen i n ihren Regionen weitgehend autonom
zu agieren und selbst bei Entscheidungen über die Struktur der Gesamtorgan isation
scheint Kern-'al-Qaida' nicht mehr die unangefochtene Autorität zu besitzen. Diese
seit einiger Zeit zu beobachtende "Zerfaseru ng" internationaler terroristischer Struktu­
ren macht diese unberechenbarer u nd damit zumi ndest n icht u ngefährlicher.
6. 1 .2
J i hadistische und politische 'salafistische Bestrebungen' in Nord rhein­
Westfalen
'Salafistische Bestrebungen' teilen im Grundsatz d ie Ideologie 'al-Qaidas', die auf
einer fundamentalistischen I slamauslegung basiert. Nach der Wahl ihrer Mittel werden
sie in zwei G ru ppen unterschieden :
262
ISLAMISMUS
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Die "pol itischen Salafisten" betätigen sich vor allem propagandistisch und streben
nach der Errichtung eines "islamischen Staates", der die Befolgung der fundamen­
talistischen Vorstellungen al lgemein durchsetzt.
Die "jihadistischen Salafisten " , denen der kleinere Teil der Szene angehört, streben
danach , den "islam ischen Staat" mit Gewalt zu erkämpfen und werben insbesonde­
re dafür, sich j ihadistischen Gruppierungen i n Kampfgebieten anzuschließen. Sie
bezeichnen diesen bewaffneten Kampf als "Jihad" gegen die "Ungläubigen" (kuffar)
und stellen ihn in den Mittelpunkt ihrer Ideologie. Sie werden daher verbreitet auch
als "Jihadisten" bezeichnet. Zurzeit sind ihre besonderen Anstrengungen auf Syrien
gerichtet.
Der Übergang zwischen den "politischen" und "j ihad istischen Salafisten" ist fl ießend.
Aus dem S pektrum des politischen Salafismus, dem ca . 90% der Salafisten i n Nord­
rhein-Westfalen zuzurechnen sind, radikalisieren sich immer wieder Personen und
wenden sich dem Jihad-orientierten Salafismus zu.
H i ntergrund
Salafismus ist seinem Ursprung nach eine
relig iös-fundamental istische Strömung i nnerhalb
des sunnitischen Islam, die sich am Vorbild der
muslimischen "Gründerväter", der sogenannten
"rechtschaffenen Vorfahren" (arabisch "al-salaf
as-salih", daraus abgeleitet ist der Begriff "Sala­
fismus"), orientiert. Die grund legenden Quellen
des I slam - der Koran und die Überl ieferu ngen
des Propheten Mu ham mad (die Sunna) - werden
strikt und wörtlich ausgelegt. Anpassungen der
Islam auslegung an veränderte gesel lschaftl iche
und politische Gegebenheiten werden durch
Beispiel für einen salafistischen
Informationsstand
Salafisten als "unislam ische Neueru ngen" (arabisch "bid'a") kategorisch abgelehnt
und fü hren, wie auch jede Zusammenarbeit mit N icht-Muslimen , zwangsläufig zum
"U nglauben" (arabisch "kufr"). Diese rel igiös-fundamentalistische Strömung unterliegt,
wie auch fundamentalistische Strömungen anderer Rel igionen, n icht als solche der
Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
ISLAMIsMUS
263
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Bestrebungen, die auf der Basis salafistischer Vorstellungen argumentieren und die
Merkmale islam istischer Bestrebungen aufweisen, also einen "islam ischen Staat"
anstreben , in dem d iese Vorstell ungen allgemeinverbindl ich umgesetzt werden , wer­
den als 'salafistische Bestrebungen' bezeichnet. Sie lehnen Demokratie als einen mit
dem Islam unvereinbaren " I rrglauben" ab. Demokratisch verfasste Gesellschaften und
Menschen, die diese befürworten , werden von ihnen angefeindet.
Anhaltspunkte für extrem istische Bestrebungen
Diese 'salafistischen Bestrebungen' werden vor dem vorstehend beschriebenen H i n ­
tergrund nach § 3 Abs. 1 N r. 1 u n d 4 VSG N RW beobachtet. Soweit s i e gewaltorien­
tiert sind und sie die Teilnahme am von ihnen als "Jihad" interpretierten bewaffneten
Kampf im Ausland propagieren, werden sie zudem nach § 3 Abs. 1 N r. 3 VSG N RW
beobachtet.
Ideolog ische Merkmale
Die salafistische Ideologie hat i nsbesondere folgende wesentliche Merkmale:
Salafisten verstehen die islamische Religion als Ideologie und die Scharia als
gottgegebenes Ordnungs- und Herrschaftssystem. Demokratie ist i n ihren Augen
eine falsche "Religion". Das Gesetz kan n der salafistischen Ideologie zufolge nur
von Gott kommen (Pri nzip der göttlichen Souveränität) und n iemals vom Volke. D ie
Vol kssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westl icher Prägung ist
damit unvereinbar m it dem rel igiös argumentierenden Salafismus.
Salafisten behaupten, dass alle gesellschaftl ichen Probleme nur durch eine unein­
geschränkte Anwendung von Koran und Sunna sowie eine entsprechend stri kte
Ausrichtung des Lebens gelöst werden kön nen. Dazu zählt die konsequente An­
wendung der "Scharia" nach salafistischer Auslegung.
Die rigide Trennung von Mann und Frau - n icht nur i n der Moschee, sondern
i nsgesamt im öffentlichen Raum - wird betont. Auch die gemeinsame schul ische
Erziehung von J ungen und Mädchen wird gru ndsätzlich abgelehnt.
Frauen werden auf den heim ischen Bereich eingegrenzt; Berufstätigkeit von
Frauen wird abgelehnt. Sie sollen sich ganz auf den Haushalt und die Kinderer­
ziehung konzentrieren. Frauen sind nach diesem Wertebild nominell gleichwertig,
aber keinesfalls gleichberechtigt.
264
ISLAMIsMus
Verfassu ngssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
"Jihad" i m Sinne ei nes bewaffneten Kampfes und "Märtyrertum" werden von einem
Teil der 'salafistischen Bestrebungen' offen propagiert. Bei den "politischen Sala­
fisten" ist das "J i had"-Verständnis jedoch eher defensiv (Selbstverteidigung der
Muslime), bei den "jihadistischen Salafisten" offensiv (Kampf zur Bezwingung der
"Feinde").
Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentl ichen Punkten (Gesellschaftsbild ,
politisches Ord nungssystem, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitli­
chen demokratischen Grundordnung. Darüber hinaus führt sie zur Bildung einer Pa­
rallelgesellschaft, die aufgrund der propagierten feindlichen Einstellungen gegenüber
der übrigen Gesellschaft ein großes Konfliktpotenzial birgt und somit das friedliche
gesellschaftliche Zusammenleben beeinträchtigen kann. Diese extrem vereinfachen­
de Ideologie der 'salafistischen Bestrebungen' kann zu einer weiteren Rad ikalisierung
führen und in Terrorismus münden, denn sie rechtfertigt Gewalt gegen "Ungläubige",
worunter neben N icht-Muslimen auch nicht-salafistische Muslime verstanden werden.
Formen salafistischer Propaganda
Die Netzwerke 'salafistischer Bestrebun­
gen' zeichnen sich - n icht nur i n Nord­
rhein-Westfalen - durch rege Werbungs­
Chroolk-Fotos
aktivitäten aus. Beispiele hierfür sind
Vortragsveranstaltungen i n Moscheeräu­
men oder öffentl iche Kundgebungen in
I n nenstädten. Aus Sicht der Salafisten
handelt es sich bei dieser Form der Ver­
breitung von salafistischer Propaganda
um "da'wa-Arbeit". Rein formell betrach­
tet meint der arabische Beg riff "da'wa"
den "Aufruf, Gott zu folgen". Diese "Missi­
on ierungsarbeit" findet zumeist im Rahmen der vom Grundgesetz garantierten
Rel igionsfreiheit statt. Wie viele andere
.
--'-- '
Werbung mit demokratie feindlichen Flyern im Internet
islamische Begriffe wird "da'wa" jedoch von
Anhängern 'salafistischer Bestrebungen' in
ihrem Sinne umgedeutet und missbraucht. I nsofern ist der Begriff "da'wa" in diesem
Kontext als "Propaganda" zu verstehen.
ISLAMIsMus
265
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Zu den vielschichtigen Aspekten der "da'wa-Arbeit" gehört es, Anhänger zu gewinnen
und Personen, die bereits i n der salafistischen Szene Fuß gefasst haben, noch inten­
siver m it der Ideologie vertraut zu machen. Ein Ausstieg aus der Szene ist ab einem
bestimmten Zeitpunkt nur schwer zu bewerkstell igen , zumal Personen nach einem
kompletten Abtauchen in eine salafistische Parallelwelt die Kontakte in ihr vormaliges
soziales Umfeld und zu Eltern und Familie oftmals abbrechen und sich eine "Ersatzfa­
milie" schaffen.
Gerade der Besuch von halb- und nicht-öffentlichen Vorträgen und Seminaren trägt
beim angesprochenen jugendlichen Personen kreis dazu bei, weiter in ein salafisti­
sches M i l ieu abzugleiten. Vordergründig geht es bei den Veranstaltungen "nur" um die
Vermittlung rel igiöser I n halte. Tatsächl ich dienen sie jedoch der Netzwerkbildung und
der I ndoktrinierung der Teilnehmer mit Elementen salafistischer Ideologie, wobei rein
religiöse Aussagen einerseits, aber auch religiös verbrämte extremistische politische
Aussagen andererseits getätigt werden .
Die Rolle des Internets
Bei der Verbreitung salafistischer Propaganda spielt das I nternet wegen der Möglich­
keiten zur I nteraktion i n Internetforen, Videobörsen und sozialen Netzwerken bereits
seit einigen Jahren eine zentrale Rolle.
Dies betrifft sowohl Webangebote mit speziell salafistischen Inhalten, als auch i m
überwiegenden Maße öffentliche Plattformen w i e Facebook, YouTube und Twitter
sowie andere soziale Netzwerke ohne extrem istische Bezüge, d ie als Veh i kel für
salafistische Propagandaarbeit ge- bzw. m issbraucht werden . Sofern die Grenze zur
Strafbarkeit n icht verletzt wird , ist ein ordnungsrechtlicher Eingriff nur in sehr seltenen
Ausnahmefällen möglich.
Salafistische Internet-Angebote
E i ne besondere Rolle bei der Verbreitung der salafistischen Ideologie und der Ge­
winnung neuer Anhänger spielen sogenan nte "da'wa-Seiten". Dabei handelt es sich
um deutschsprachige I nternetpräsenzen, die dem Namen nach "zum I slam einladen"
wollen , de facto aber der Verbreitung einer strikt rückwärtsgewandten und in Teilen
verfassu ngsfeindlichen salafistischen Islamauffassung dienen. Manche dieser Seiten
werben dafür, i h ren Nutzern den "authentischen" und "einzig wahren" I slam nahebrin­
gen zu wol len . Bei genauerer Betrachtung wird aber deutl ich , dass solche I nternetan-
266
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
gebote von einem einseitigen, intoleranten Relig ionsbegriff geprägt sind. Dieser lässt
nur eine einzige, die salafistische Lesart des Islam zu. Während noch vor ein igen
Jahren überwiegend salafistische Gruppierungen und Vereine "Da'wa-Seiten" u nter­
h ielten, richten heute immer mehr E inzelpersonen in eigener I nitiative salafistische
I nternetpräsenzen ein. Sie nutzen diese, um Propaganda über die eigene Webseite
zu verbreiten und beispielsweise selbst erstellte Videos und Texte zu veröffentlichen .
Die besondere Anziehungskraft, die solche Seiten auf J ugendliche ausüben, ist auch
auf die Art ihrer Gestaltung zurückzufü hren. Salafistische Internetpräsenzen erfüllen
alle Ansprüche an moderne, j ugendgerechte I nternetangebote. Sie sind modern in
der Aufmachung, grafisch anspruchsvoll gestaltet und interaktiv. Einige salafistische
Webseites sind aufgrund ihrer I nhalte oder ihres Namens wie beispielsweise "Dawa
News" oder "Die wahre Religion" vergleichsweise schnell als salafistisch zu entlar­
ven . Andere I nternetpräsenzen erscheinen auf den ersten Blick als "neutrale" I slam­
I nformationsseiten. Ihre salafistische Ausrichtung offenbart sich erst bei genauerer
Betrachtu ng.
Soziale Netzwerke und Videoportale haben eine zentrale Bedeutung für die Propa­
gandaarbeit der Salafisten. Die über diese Plattformen bestehenden Möglichkeiten
der Visualisierung und I nteraktion werden innerhalb der Szene intensiv genutzt. Pre­
digten, Mitschnitte von Veranstaltungen und Kundgebungen sowie anderes Propa­
ganda-Material werden auf einschlägigen Kanälen großer Videoportale hochgeladen
und einem großen Nutzerkreis zur Verfügung gestel lt. D u rch Verl inku ngen und ein­
fache Möglichkeiten, Inhalte zu teilen, werden Video- und Audiodateien i n kürzester
Zeit und in großem U mfang in Umlauf gebracht. Zudem haben sich auf Social Media
Plattformen, die dem Austausch von I nformationen d ienen, im Berichtsjahr viele neue
einschlägige Nutzerprofi le etabl iert, die durch das E instellen von Postings, Fotos und
Videos zur Verbreitung der salafistischen Ideologie beitragen. Die große Reichweite
und der hohe Grad der Anonymisierbarkeit haben die Entstehung großer Freundes­
und Abonnentenkreise i n diesen Angeboten begünstigt und damit zum Anwachsen
besonders personenstarker Netzwerke im salafistischen Bereich geführt. Diese Per­
sonennetzwerke versorgen sich gegenseitig mit salafistischem Material, das vor allem
auf junge, noch ungefestigte Menschen eine radikalisierende Wirkung haben kann.
Salafistisch orientierte Frauen nutzen in gleicher I ntensität wie Männer die Möglichkei­
ten der Kommunikation und des I nformationsaustauschs i n den sozialen Netzwerken .
Sie richten beispielsweise in Facebook spezielle "Schwesternräu me" und "Frauen­
Gruppen" ein, zu denen nur M usliminnen virtuellen Zutritt haben sollen. I nnerhalb der
ISLAMISMuS
267
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 2 0 1 3
vielfach nach außen abgeschotteten Bereiche agieren Frauen strikt nach salafisti­
schen Prinzipien, verbreiten Propaganda und suchen nach Gleichgesinnten .
I m Bereich der I nternet-Propaganda sind gewaltfreie salafistische "Da'wa-Seiten" häu­
fig nur einen Mauskl ick von gewaltverherrlichenden , jihad istischen I n halten entfernt.
Der Übergang ist oft fl ießend. Wird besonders emotionalisierende, gewaltverherrli­
chende Propaganda von Jugendlichen ungefiltert und u nreflektiert über das Internet
konsumiert, kann dies durchaus eine radikalisierende Wirkung entfalten. Den Ver­
fassungsschutzbehörden sind in den vergangenen Jahren zah l reiche Fälle bekannt
geworden , i n denen sich Internetnutzer durch den Konsum salafistischer Propaganda
i n vergleichsweise kurzer Zeit tatsäch lich rad ikalisiert haben. Eine solche Radikalisie­
ru ng kann sich darin zeigen , dass junge Leute selbst islamistisches Material im Inter­
net verbreiten, im Extremfall aber auch dari n , dass sie sich für den J ihad im Ausland
anwerben lassen oder sogar selbst Anschläge planen.
Personenpotenzial i n Nord rhein-Westfalen
Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 20 1 3 ru nd 1 .500 salafisti­
sche Aktivisten erfasst. Dies bedeutet einen Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem
Vorjahr. Etwa zehn Prozent der Personen, also bis zu 1 50 Aktivisten in Nordrhein­
Westfalen , sind i m Bereich des besonders gewaltbereiten jihadistischen Salafismus
zu verorten. Salafistische Aktivisten sind in lokalen Szenen und überreg ionalen Netz­
werken organisiert. Sie sind in ganz Nordrhein-Westfalen tätig und kommunizieren
über I nternetseiten und soziale Netzwerke sowie im Jahr 20 1 3 auch wieder vermehrt
bei überreg ionalen Veranstaltungen.
Die Gründe für die offen bar bestehende Attraktivität des Salafismus sind vielfältig. Es
ist zu beobachten , dass sich überwiegend J ugendliche oder junge Erwachsene einer
'salafistischen Bestrebung' anschließen. Dabei scheint die Suche nach Orientierung,
klaren Werten und Normen, Anerkennung durch andere sowie sozialer Geborgenheit
i n einer Gruppe eine bedeutende Rolle zu spielen. M it i h rer rigorosen, wörtlichen
Auslegung von Koran und Sunna, ihrer Abschottung gegen über der "ungläubigen"
Außenwelt und der starken Betonung der eigenen Gemeinschaft der "Rechtgläubi­
gen" erfüllen 'salafistische Bestrebungen' für manche jungen Menschen genau diese
Erwartungen . Zudem bieten sie eine neue Identität als "wahrer Gläubiger", der für ein
höheres Ziel eintritt, und heben auf d iese Weise das Sel bstwertgefü hl anschl usswilli­
ger Personen. Der Beitritt zu entsprechenden G ru ppierungen ist oft verbunden m it der
Annahme trad itioneller oder imagin ierter islamischer Bekleidungsvorschrifte n , der Ver-
268
I SLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
leihung eines Szenenamens ("Abu . . . ", "Umm . . . ")
sowie dem Bruch mit der Familie und dem bishe­
rigen sozialen Umfeld. H inter dem Ü bertritt i n eine
salafistische Szene beziehungsweise die Konver­
sion in eine solche Szene h i nein scheint mehr­
heitl ich das Bemühen um die Ü berwindung von
Brüchen in der persön l ichen Biografie zu stehen .
Dies können schwierige Famil ienverhältnisse, ge­
Deutschsprachige Drohvideos im Internet
scheiterte I ntegrationsgeschichten, der fehlende
Ü bergang in ein berufliches u nd bürgerliches Leben oder Schicksalsschläge sein, die
zu einer S i nnsuche fü hren. Der Salafismus hat einfache Botschaften und verspricht
jedem Gläubigen das Paradies. Die verfassungsfeindl ichen politischen I n halte werden
anscheinend nicht von jedem hi nter der religiösen Fassade bewusst wahrgenommen
u nd erkannt.
Begünstigend wirkt zudem das Aufblühen salafistischer Bewegungen und Parteien
in den Ländern Nordafrikas u nd des N a hen Ostens, die sich nach dem "Arabischen
Frühling" i n einem U mbruch befanden bezieh ungsweise i n Teilen immer noch befin­
den . Der Salafismus ist eine der wenigen Ideolog ien , die unter den jahrzehntelangen
säkularen Diktaturen der Region überlebt hat. Salafisten befinden sich durch die neu
gewon nenen Freiheiten daher nun i n einem politischen Aufschwu ng, der auf Europa
u nd andere Teile der Welt ausstrahlt. Der Erfolg in Deutschland ist auf lange Sicht
auch an den Erfol g beziehungsweise Misserfolg und die Anpassu ngsfähigkeit salafis­
tischer Bewegungen in der islamischen Welt gebu nden.
I n Bezug auf Syrien war 201 3 eine massenhafte Mobilisierung zu beobachten , die
von der Sammlung von Spendengeldern u nd H ilfsmaterialen bis h i n zur Ausreise und
Teilnahme an Kampfhandlungen gegen das Assad-Regime reichten. Sofern dabei d ie
Stärkung salafistischer Organisationen in Syrien und das Ideal der Errichtung eines
auf Scharia basierenden Gottesstaates im Vordergrund standen, ist von einer salafis­
tischen Motivation auszugehen.
Trotz dieser Verknüpfungen ins Ausland ist in der salafistischen Szene Nordrhein­
Westfalens gleichzeitig ein Trend zur "Eindeutschung" des Phänomens zu erkennen.
D ies hat i m Wesentlichen folgende Gründe:
M indestens 75 Prozent der Salafisten sind deutsche Staatsangehörige.
ISLAMIsMus
269
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 2 0 1 3
Die Hauptsprache unter den Salafisten ist mittlerweile ebenfalls deutsch. Dies
hängt wesentl ich damit zusammen, dass die Szene multi-eth n isch geprägt ist
und sich zu 90 Prozent aus Migranten der zweiten, dritten und vierten Generation
zusammensetzt, die zwar meist einen islamischen H interg rund haben, aber kaum
noch Arabisch , Türkisch oder andere Herkunftssprachen fließend beherrschen. Die
M uttersprache vieler Salafisten ist Deutsch.
Zehn Prozent der Szene sind Konvertiten; das sind mehr als i n a l len vergleich­
baren islamistischen Organ isationen, die dem Verfassungssch utz ansonsten be­
kannt sind.
Die Ursachen für das Verfangen salafistischer Botschaften gerade bei j ungen Men­
schen sind auch in einer unzureichenden I ntegration i n die deutsche Gesellschaft zu
suchen . Daher muss das Zurückdrängen dieser Ideologie als eine Aufgabe der ge­
samten Gesellschaft mit ihren zivilen Einrichtungen betrachtet werden.
Salafistische Netzwerke i n Nord rhein-Westfalen
Die Beobachtung 'salafistischer Bestrebungen' ist ein Schwerpunkt der Arbeit des
Verfassungsschutzes Nordrhei n-Westfalen im Jahr 20 1 3. I n zahlreichen nordrhein­
westfälischen Städten haben sich starke salafistische Szenen entwickelt. Zu den
maßgeblichen salafistischen Vereinen u nd Zusammenschlüssen werden gezählt:
'Einladung zum Paradies'
Nach den am 1 4. Dezember 20 1 0 erfolgten bundesweiten Durchsuchungen im
Rahmen eines Ermittl ungsverfahrens gegen den Verei n 'Ein ladung zum Paradies'
(EZP) m it Sitz i n Mönchengladbach hat der Verein am 3 1 . J u l i 2 0 1 1 d ie Selbstauf­
lösung beschlossen . Die Hauptakteure aus dem Verein und deren U mfeld sind i n
Deutschland teilweise noch aktiv. D a s Label E Z P i s t in der Szene noch bekannt, es
liegen jedoch keine H i nweise auf direkte Nachfolgestrukturen vor.
'Die Wahre Religion'
Das Netzwerk 'Die Wah re Religion' u m den i n Köln lebenden salafistischen Pre­
diger I brahim Abou Nagie bildet einen weiteren Schwerpunkt des politischen
Salafismus. 'Die Wah re Religion' ist bundesweit aktiv und betreibt ein eigenes
Web-Angebot. Über dort ebenfalls i n Erscheinung tretende salafistische Prediger
aus Bonn sind zumindest Bezüge zum jihad istischen Salafismus erkennbar. 'Die
Wahre Religion' erregte Aufsehen durch die u nter dem Titel "Lies!" durchgefü hrte
270
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Aktion zur Verteilung von gedruckten Korantexten . Ziel der nach dem Vorbild von
Franchise-Systemen organisierten Aktion (Anleitung durch eine Zentralstelle, Ver­
antwortlichkeit für d ie Aktionen vor Ort durch autarke lokale Akteure) ist mutmaßl ich
n icht die tatsächl iche Konversion aller in Deutschland lebenden Menschen zum
Islam, sondern das Provozieren medialer und staatlicher Reaktionen . Diese sollen
wiederum den Salafisten in die Hände spielen. Nach Sel bstwahrnehmung und
Darstellung der Salafisten geht es beim Umgang der Behörden und der deutschen
Öffentlichkeit mit dem Salafismus um eine vermeintl iche "Verfolgung" der M us l ime
(nicht nur der Salafisten) i n Deutschland. Diese sei Teil eines globalen Krieges "des
Westens" gegen "den Islam". Aktionen zur Verteilung des Korans haben im Jahr
201 3 weiterh i n stattgefunden. Sie haben jedoch sowohl in der med ialen Berichter­
stattung als auch in der Szene an Bedeutung eingebüßt. Stattdessen ist im Diskurs
von 'Die Wahre Religion' das Thema Syrien stark in den Vordergrund gerückt.
'Helfen in Not e.V.'
Der 20 1 3 gegründete Verein 'Helfen in Not' ( H i N ) m it Sitz in Neuss bezeichnet sich
als Hilfsverein zur U nterstützung notleidender M uslime. I m Vordergrund seiner
Aktivitäten steht die H ilfe für die vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen i n Syrien .
Im Berichtsjahr machte H i N durch zahlreiche Benefizveranstaltungen auf sich
aufmerksam, bei denen für notleidende M uslime i n Syrien , aber auch i n a nderen
Gebieten gesammelt wurde. Bei Benefizveranstaltungen des Vereins traten re­
gelmäßig Prediger auf, d ie fest in der salafistischen Szene verwurzelt sind. Dazu
gehörten auch Prediger, d ie dem gewaltaffinen S pektrum des Salafismus zuzuord­
nen sind. HiN führte mehrere H ilfskonvois m it med izinischen Gütern und Kleidung
nach Syrien durch. I n diesem Zusammenhang traten ebenfalls Personen des
salafistischen Spektrums i n Erscheinung, die die Konvois begleiteten oder organi­
satorisch i n die Abwicklung der Transporte eingebunden waren. Der Vorsitzende
und der Vorstand des Vereins 'Helfen in Not' sind dem Verfassungsschutz seit ge­
rau mer Zeit als Anhänger einer extrem istischen, islamistischen Ideologie bekannt.
'Ansaar Düsseldorf e.V.'/'Ansaar I nternational'
Bei dem i m Jahr 2 0 1 2 in Düsseldorf geg ründeten Verein 'Ansaar Düsseldorf han­
delt es sich dem eigenen Verständnis nach um einen H ilfsbund zur U nterstützung
notleidender Glaubensgeschwister im I n- und Ausland. Der Verein fü hrt auch die
Bezeichnung 'Ansaar I nternational'. Er ist fest m it der deutschen Salafisten-Szene
verwoben . 'Ansaar Düsseldorf unterstützt H i lfsprojekte für bedürftige Muslime welt­
weit. Innerhalb Deutschlands verfügt die Organisation über mehrere sogenan nte
"Ansaar I nternational Teams", die im Namen des Vereins Spenden sammel n , Wer-
I SLAMISMUS
271
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
beaktionen durchführen und im I nternet mit eigenen Facebook-Auftritten für sich
werben. M itgl ieder von 'Ansaar Düsseldorf eV' treten regelmäßig an I nformations­
ständen zum I slam und bei Aktionen zur Verteilung des Koran in Erscheinung. Der
derzeitige Schwerpunkt der Verei nsarbeit l iegt auf der humanitären H ilfe für Syrien .
I m Berichtszeitraum machte der Verein ebenfalls durch d ie Organisation und
D u rchführung von H ilfskonvois nach Syrien auf sich aufmerksam. Spendengelder
wurden unter anderem durch zahlreiche Benefizveranstaltungen im gesamten Bun­
desgebiet und im benachbarten Ausland eingenommen. Bei den Veranstaltungen
traten meist auch aus den Medien bekannte salafistische Prediger auf.
' M i l latu I brahim'
Die Vereinigung "Millatu I brah im', die aus ji hadistisch orientierten Salafisten be­
stand, nutzte als Zentrum ihrer Aktivitäten eine Sol inger Moschee. Am 1 4 . Juni
20 1 2 ist 'Mil latu I brah im' verboten worden . Da die Vereinigung bundesweit agiert
hatte, erließ das Bundesministerium des I nnern dieses Verbot. 'Millatu I brahim' hat­
te Muslime in ganz Deutschland zum aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige
Ordnung aufgerufen. Direkte Nachfolgeorganisationen von 'Millatu Ibrahim' sind
bislang nicht bekannt geworden . Einige ehemalige Mitglieder der Vereinigung sind
ausgereist und halten sich Ende 20 1 3 mutmaßl ich in Syrien auf. Reste der vorma­
l igen Szene sind nach wie vor in Nordrhei n-Westfalen ansässig .
'Tauhid Germany'
U nter der Bezeich nung 'Tauhid Germany' (zeitweise auch 'Tauhid Deutschland')
firmiert eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im I nternet
zusammengeschlossen hat. Sie verfügt neben einer eigenen Webseite über On­
line-Auftritte bei Facebook und YouTube. Neben Predigten in deutscher Sprache
finden sich auf diesen Plattformen unter anderem Beiträge von arabischsprachigen
Gelehrten , die der salafistischen Szene als Vorbild dienen . Viele der bei 'Tauhid
Germany' ei ngestellten Videos und Postings lassen starke Bezüge zum J i hadismus
erkennen . So werden dort Beiträge und Videos e ingestellt, die den gewaltsamen
J i had verherrl ichen und zum Hass gegen sogenannte "Ungläu bige" aufrufen. Ak­
teu re von 'Tauhid Germany' haben i m Berichtsjahr vereinzelt durch sogenannte
"Da'wa"-Stände in deutschen Innenstädten auf sich aufmerksam gemacht.
'Ansarul Aseer'
U nter der Bezeich nung 'Ansarul Aseer' (arabisch: Helfer des Gefangenen) verbirgt
sich eine Gruppe von Salafisten, die unter d iesem Namen eine I nternetpräsenz
sowie Facebook- und Twitter-Kanäle zur Unterstützung muslim ischer I n haftierter
272
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
betreiben. Die meisten der auf den Seiten vorgestellten Gefangenen sind dem
jihad istischen Spektrum zuzu rech nen. Sie verbüßen wegen der U nterstützung von
Terrorismus zum Teil mehrjährige Haftstrafen in deutschen und ausländ ischen Ge­
fängnissen. Die N utzer der I nternetpräsenzen von 'Ansarul Aseer' werden aufgefor­
dert, mit den Gefangenen per E-Mail oder Brief in Kontakt zu treten, um sie mora­
l isch aufzubauen. Daneben werden über die Internetpräsenzen von 'Ansarul Aseer'
Neuigkeiten über gefangene "Geschwister" im In- und Ausland verbreitet, darunter
I nformationen über Haftentlassungen, laufende Verfahren und Verurteilungen .
Beispiele für "Marken­
zeichen" salafistischer
Vereine und Netzwerke
in Nordrhein-Westfalen
Der syrische Bürgerkrieg in der salafistischen Propaganda
Für die salafistische Propaganda ist der Bürgerkrieg i n Syrien seit n unmehr zwei
Jahren von au ßerordentlich großer Bedeutung. Die Notlage der muslim ischen Bevöl­
keru ng, die E i nbindung verschiedener Glaubensrichtungen in den Konflikt sowie die
Rolle der internationalen Staatengemeinschaft d ienen Salafisten als Projektionsfläche
zur Entfaltung ihrer propagandistischen Aktivitäten.
ISLAMISMus
273
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Aktivitäten des politisch-salafistischen S pektrums
Zu beobachten ist, dass sich weite Teile des politisch-salafistischen Spektrums im
Berichtsjahr m it der Syrien-Thematik beschäftigte n . Dazu gehörte beispielsweise,
dass die Rolle der Bürgerkriegsparteien in entsprechenden I nternetveröffentlichungen
einseitig und im Lichte der salafistischen Ideologie gedeutet wurde. Eine von Salafis­
ten häufig zum Ausdruck gebrachte Hoffnung ist, dass in Syrien am Ende die "Gläu­
bigen" über die "Ungläubigen" siegen mögen und schließl ich ein "islamischer Staat"
etabliert werde.
Im Bereich des politischen Salafismus wurde der syrische Bürgerkrieg im Berichts­
jahr, wie bereits dargestellt, zum Anlass genommen, Gelder und Sachspenden für die
notleidende Bevölkerung zu sammeln. Es grü ndeten sich zahlreiche, teils miteinander
kooperierende Vereine und I n itiativen, i n denen E inzelpersonen und Personennetz­
werke der salafistischen Szene H ilfsprojekte für Syrien ins Leben riefen. Vereine wie
' Helfen i n Not' oder 'Ansaar Düsseldorf organisierten neben umfangreichen S penden­
sammlungen H ilfstransporte und begleiteten entsprechende Konvois in das syrische
Kriegsgebiet.
Darüber h inaus führten diese und andere salafistische Vereine i n nordrhein-westfäli­
schen Großstädten zahlreiche Benefizveranstaltungen durch, deren Ei nnahmen als
"Spenden für Syrien" deklariert wurden . Diese Aktionen wurden auf salafistischen
I nternetpräsenzen sowie mit H ilfe von Videos und Flyern im Vorfeld intensiv bewor­
ben , um maximale öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen . Video-Mitschnitte von
Benefizaktionen wurden im Nachgang ins I nternet eingestellt, um die Veranstaltungen
als Erfolge u nd als Zeichen des Zusammenhalts der "umma" (arabisch: muslimische
Gemeinschaft) zu feiern sowie ein positives I mage der Salafisten zu fördern.
Der Verfassungsschutz beobachtet Veranstaltungen d ieser Art, bei der i n der Regel
szenebekannte salafistische Pred iger auftreten, mit großer Aufmerksamkeit. Von
I nteresse sind i nsbesondere die propagandistische Außenwirkung und die in diesem
Rah men stattfi ndende Netzwerkpflege. Darüber hinaus geben die I nhalte der Vorträge
Aufschluss über die aktuelle Ausrichtung der Protagonisten und ihrer Anhänger. Als
Tendenz zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen den Predigern des politischen
Salafismus einerseits und des j ihad istischen Salafismus andererseits immer weniger
deutlich erkennbar ist. So traten bei Benefizaktionen in der Vergangenheit Pred iger
aus dem jihad-salafistischen S pektrum auf. Die Möglichkeit, dass sich Jugendliche
aufg rund der stark emotionalisierenden u nd mobilisierenden Ansprachen einzelner
274
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Prediger rad ikalisieren und eine eigene aktive Beteiligung am bewaffneten Kampf i n
Syrien i n Erwägung ziehen, i s t gegeben.
Rekrutierung fü r den J i had i n Syrien
Die gesteigerten Propaganda-Aktivitäten der salafistischen Szene haben im Berichts­
zeitraum für einen erheblichen Anstieg der Anhängerzahlen im Salafismus gesorgt.
Darüber hinaus haben eine offensive Werbung und Rekrutierung für die Beteiligung
am kämpferischen Jihad in Syrien dazu geführt, dass immer mehr j u nge Leute von
der Idee angesteckt worden sind, in der Ausübung einer vermeintl ichen Glaubens­
pflicht aktiv und kämpferisch gegen die angebl ichen Feinde des Islams vorzugehen.
Einige haben offensichtlich kurzfristig den Entsch luss gefasst, in den bewaffneten "Ji­
had" nach Syrien zu ziehen . I nsbesondere junge Männer und Frauen , die sich durch
d ie Rhetorik von Jihad-Propagandisten angesprochen fü hlen, lassen sich verleiten.
Von den 240 Personen, die bis Ende 201 3 aus dem gesamten Bu ndesgebiet mit
j ihad istischer Motivation i n Richtung Syrien gereist sind, stammten ru nd 1 00 aus
Nordrhein-Westfalen. Das Alter dieser Personen l iegt überwiegend zwischen acht­
zehn und fünfundzwanzig Jahren. Ein Tei l dieser Personen verbrachte H i lfsgüter ins
Krisengebiet, ein anderer Teil h ielt sich i m Kampfgebiet auf und ein dritter Teil nahm
mutmaßlich aktiv an Kampfhandlungen tei l . Die Personen der ersten G ruppe pendeln
Deutschsprachige pro-jihadistische Propaganda im Syrienkonflikt
ISLAMISMus
275
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
zwischen Deutschland und Syrien beziehungsweise der Türke i , um laufend weitere
H i lfsgüter zu überbri ngen . Aus der zweiten und dritten Gruppe sind einige Personen
ebenfalls mehrfach ausgereist und wieder zurückgekehrt. Eine besondere Gefahr für
die Sicherheit i n Deutschland stellen sogenannte Syrien-Rückkehrer der dritten Grup­
pe dar. Sie haben mutmaßlich im Rahmen von Schulungen islam istisch-terroristischer
Gruppen den U mgang mit Waffen und Sprengstoffen train iert und Kampferfahrung
erworben . Ihr psychischer Zustand und ihre weiteren Absichten sind kaum einschätz­
bar. Das Gefahrenpotenzial dieser Personen ist vor diesem H i ntergrund als sehr hoch
einzuschätzen. I n nerhalb der salafistischen Szene genießen die Aktivisten aller drei
Gruppen aufgrund ihres "Einsatzes für den I slam" hohes Ansehen und können auf ihr
U mfeld weiter radikalisierend wirken. Durch das Wirken deutscher J i hadisten i n Syrien
wird der Bürgerkrieg dort weiter angefacht und die Tätigkeit human itärer H i lfsorgani­
sationen vor Ort erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht.
Ausreise-Propaganda im I nternet
Die Rekrutierung für den gewaltsamen Jihad in Syrien hat inzwischen eine Eigendy­
namik entwickelt. Je mehr Personen nach Syrien auswandern , desto präsenter sind
sie i n den Medien. Verantwortlich dafür ist die gezielte Inszen ierung von aus Deutsch­
land ausgereisten Käm pfern , die von j ihad istischen Gruppierungen in I nternetver­
öffentlichungen und Videos als Helden und Vorbilder glorifiziert werden . Zahlreiche
solcher Rekrutierungsvideos in deutscher Sprache sind in den vergangenen Monaten
im I nternet aufgetaucht. Darin preisen kämpfende syrische E i n heiten sowohl die
"Muhaj irun" (arabisch: Auswanderer) als auch die im Kampf gefa llenen "Schuhada"
(arabisch: Märtyrer). Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs tauchen i n I nternetver­
öffentlichungen dieser Art vermehrt Protagon isten aus Deutsch land auf. Sie werden
bei Kampfhandlu ngen gezeigt, sie werben selbst aktiv jihadistischen Nachwuchs für
Kampfhandlungen im Bürgerkriegsgebiet a n oder ihr "Märtyrer-Tod" wird i n entspre­
chenden Videos verkündet.
Ende 201 3 wurde beispielsweise aufgrund eines I nternet-Videos der Tod eines ehe­
maligen Fußballspielers der deutschen Bundesliga bekannt. Der junge Mann hatte
nach seiner H i nwendung zu jihad-salafistischen Kreisen seine Fußballkarriere be­
endet und sich zur Ausreise nach Syrien entschlossen. Dort ist er mit großer Wah r­
schein l ichkeit bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen.
E i n weiteres tragisches Beispiel für die Entwicklung ei nes ju ngen Konvertiten vom ra­
dikalisierten Salafisten zum "Märtyrer" im syrischen Bürgerkrieg: Ein 23-jähriger Mann
276
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
aus Nordrhein-Westfalen meldete sich im Herbst 2 0 1 3 erstma l ig in Internet-Videos
von der syrischen Front. Er pries den J ihad und warb um Unterstützer aus Deutsch­
land. S päter verbreitete sich, ebenfalls im I nternet, die Nachricht von seiner Tötung
bei einem Bombenangriff. Unmittelbar nach Bekanntwerden seines Todes wurde er
in einem jihad istischen Propaganda-Video als "Märtyrer" verherrl icht. Die deutsche
Salafisten-Szene huld igte ihm ebenfalls i m I nternet mit persön lichen Stellungnahmen
und Kommentaren.
Ende November 201 3 wurde eine deutschsprachige Veröffentlichung aus der Video­
Reihe einer syrischen Terrororganisation mit dem Titel "Fenster zum Land der
Schlachten" bekannt. Darin ruft ein aus der D inslakener Szene stammender Salafist
mit dem Szenen amen Abu Usama al-Almani (in deutl icher Anspielung an Usama
bin Ladin) seine "Glaubensbrüder" in Deutschland zur Ausreise nach Syrien und zur
aktiven Teilnahme am J ihad auf:
"Hier gibt's bald Schulen für Kinder. Ihr könnt hier gut leben. Hier könnt
ihr euren Islam frei praktizieren. [ . . . ] Allah hat versprochen, auch wenn du
auswanderst und dich der Tod ereilt, dir zu vergeben. Der Mujahid ist der
Beste aller Menschen!"
Das Video wurde über mehrere I nternetkanäle veröffentlicht, die dem 'Islamischen
Staat i m I rak und in Groß-Syrien' ( I S IG ) zuzurechnen sind. Der Sprecher gibt darin
bekannt, dass er einen "Treueeid" auf den Führer der 'al-Qaida'-nahen I S I G abgelegt
habe. Daher kann eine Nähe zu dieser Organisation angenommen werden. Gesicher­
te Hinweise auf eine Zugehörigkeit des Deutschen zur I S I G gab es jedoch bis dato
nicht.
Rekrutierungsversuche i n Deutschland
I m Jahr 20 1 3 wurde in der nordrhein-westfäl ischen Salafisten-Szene wiederholt zur
Unterstützung des bewaffneten J i had in Syrien aufgerufen. Szenebekannte, dem
J ihad zugeneigte Prediger verhielten sich jedoch eher vorsichti g . Sie waren offen­
sichtl ich darum bemüht, explizite Aufforderungen zur Unterstützung des J ihad zu ver­
meiden. Im Internet gab es h ingegen deutliche, meist anonymisierte Aufrufe, sich dem
J ihad in Syrien anzuschließen . Ein besonders drastisches Beispiel h ierfür war das
Video eines jungen Mannes aus Nordrhein-Westfalen, der unverhohlen seinen Res­
pekt gegenüber Kämpfern aus Deutschland zum Ausdruck brachte und seine Glau­
bensbrüder zur Nachahmung aufrief. Durch ihre Einreise nach Syrien hätten einige
ISLAMIsMUS
277
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
seiner "Brüder" bewiesen, dass sie Männer und "Löwen" seien. Zitat aus dem auf der
Plattform YouTube eingestellten Video "Assadullah al-Al mani - Bis der Kopf fliegt?":
,,[ . . . ] dass ihr aufsteht und [ . . . ] kämpft für diese Umma [arabisch: Islami­
sche Gemeinschaft] und dafür alles opfert und nicht wie wir [ . . . ] , die hier
noch sitzen in Deutschland und wie Heuchler sich verstecken und Angst
haben vor dem Taghut [arabisch: Götzendiener] , vor dem Verfassungs­
schutz, vor dem Staatsschutz [ . . . ]. Wacht auf! Steht auf! Rückt aus! Rückt
aus fi sabil Allah [arabisch: Auf dem Weg Gottes]. Allah sagt es im Koran. "
Rekrutierung von Deutschen d u rch die MediensteIle S HAMCENTER
An der Verbreitung von deutschsprachiger J i had-Propaganda aus Syrien beteiligen
sich mehrere vom Ausland aus operierende MediensteIlen . H inter i h nen stehen Sala­
fisten, die vermutlich vor allem aus Deutschland stammen . Daneben versorgen diver­
se Facebook-Kanäle J ihad-I nteressierte in deutscher Sprache mit Neuigkeiten von
der syrischen Front. Bei der Verbreitung von deutschsprachiger jihad-salafistischer
Propaganda aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet hat sich im Berichtsjahr eine neue
MediensteIle namens S HAMCENTER hervorgetan . Dabei handelt es sich um einen
Zusammenschluss überwiegend deutschsprachiger "Medienaktivisten", die organisati­
onsunabhängig schwerpunktmäßig via Facebook Nachrichten und Propaganda direkt
Videoprint eines Propagandavideos des SHAMCENTER auf YouTube
278
ISLAM ISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
von der syrischen Front liefern . I h re Publikationen veröffentlichte SHAMCENTER im
Berichtsjahr zum größten Teil i n Kooperation mit der G I M F ('Globale Islamische Medi­
enfront'), die sich seit Jahren dem med ialen J ihad i n deutscher Sprache widmet.
SHAMCENTER propagiert den "Social J ihad" und versteht darunter eine neue ver­
netzte und unmittelbare Form des med ialen J i had. Die Zielgruppe von SHAMCEN­
TER sind deutsche Musl ime und Konvertiten . Sie werden ausdrücklich zur Auswan­
derung und Beteiligung am J ihad i n Syrien aufgefordert. Darüber h i naus wirbt SHAM­
CENTER bei Deutschen dafür, den Jihad in Syrien durch Spenden zu unterstützen.
Zur Rekrutierungsstrategie von S HAMCENTER gehört es, das Leben i n Syrien für
Ausreisewillige i n ein besonders positives Licht zu rücken und mögliche Vorbehalte,
etwa gegen ein Leben mit Familie i m Kriegsgebiet, zu entkräften . Dabei wird stets
darauf h ingewiesen, dass es in der Kriegsreg ion eine famil ienfreundliche I nfrastruktur
gebe und Familien dort alles Lebensnotwend ige vorfänden . Wie stark die Lebensbe­
dingu ngen der zum Kampf Ausgewanderten propagandistisch verklärt werden, zeigt
ein Video, m it dem S HAMCENTER kurz nach seiner Gründung Muslime aus Deutsch­
land zu rekrutieren versuchte. Darin wird Denis Cuspert, einer der ehemal igen füh­
renden Akteure des 20 1 2 in Deutschland verbotenen Netzwerkes 'Millatu Ibrahim'
gezeigt. Er ruft in heiterer Stimmung a n einem Wasserfall hockend deutsche Musli­
me dazu auf, ihm nach Syrien in den J ihad zu folgen . Auch i n einer Reihe weiterer
I nternet-Veröffentlichungen wirbt Cuspert für den bewaffneten Jihad, darunter auch
mit Nashid s , die als jihadistische Kampfhymnen für die salafistische Propaganda von
zentraler Bedeutung sind. I n ei nem d ieser Gesänge bringt Cuspert den Wunsch zum
Ausdruck, als Selbstmordattentäter zu sterben :
"Ich wünsch mir den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bom­
ben und Granaten.
Ich stürme in das Gebäude rein, drück auf den Knopf, al-Jannah al-Jannah
[arabisch: das Paradies, das Paradies) [ . . . ) .
Ich steige in meinen Laster ein, drück auf den Knopf, al-Jannah al-Jannah.
In die Kaserne der Kreuzzügler, drück auf den Knopf, al-Jannah al-Jan­
nah. [ . . . ) .
Ich zünd' den Knopf inmitten der Menge, drück auf den Knopf, al-Jannah
al-Jannah. Mitten im Zentrum oder in der U-Bahn, drück auf den Knopf,
al-Jannah al-Jannah. "
(YouTube-Video "AI-Jannah al-Jannah")
ISLAMIsMus
279
Verfassu ngssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Um auch Frauen von der Notwend igkeit der Auswanderung nach Syrien (al-Sham) zu
begeistern, existiert seit einigen Monaten ein Webblog namens "Mu hajira" (arabisch:
Auswanderin), der vom SHAMCENTER ins Leben gerufen wurde. Darin berichtet eine
sich offensichtlich in Syrien aufhaltende Frau ei nes jihad istischen Kämpfers von ihren
Erfahrungen vor Ort. Sie ermutigt Glaubensschwestern, ihr nach Syrien zu folgen,
um einen "Beitrag zum Jihad" zu leisten. Anders als in Deutsch land könne sie jetzt i n
Syrien ihren G lauben frei u n d o h n e Diskrimin ierungen leben:
"Nun bin ich hier. Auf dem Boden des Jihad, dem Boden der Ehre, in
Bilad ash-Sham [arabisch : Land Syrien]. Ich schüttel den Kopf [ . . . ] was für
eine Ehre! Früher haben wir die Videos des Mujahidin [arabisch : Jihad­
Kämpfer] mit hungrigen Herzen und A ugen angeschaut und heute dürfen
wir Muhajirin [arabisch: Auswanderer] sein. [ . . . ] Endlich darf ich frei sein,
meinen Niqab [arabisch: Ganzkörper-Schleier] so tragen, wie ich will, ohne
Spott zu hören und zu sehen. Wenn ich will trage ich noch weitere 2-3
Niqabs. Keiner kann mir hier was. Für meine Meinung, dass der Jihad die
beste Ibada [arabisch : Gottesdienst] nach der Schahada [arabisch: Glau­
bensbekenntnis] ist, wird mich hier keiner verurteilen und verfolgen. "
(Webblog "Mu hajira")
Der Blag "Muhajira" ist ein Bespiel für eine Romantisieru ng des J ihad in Syrien , die
auch von Frauen selbst im I nternet betrieben wird . Dabei wird Syrien als angenehmer,
sicherer Ort dargestellt, an dem Frauen gemäß den Regeln der Scharia leben und die
Zeit des frühen I slams zu Lebzeiten des Propheten wiederaufleben lassen kön nen.
S HAMCENTER hat sich innerhalb der salafistischen Szene zudem einen Namen als
KontaktsteIle zu dem oben erwähnten Denis Cuspert gemacht. Von Cuspert, der sich
laut eigener I nternetveröffentlichungen im syrischen Kampfgebiet aufhält, veröffent­
lichte S HAMCENTER im Berichtsjahr immer wieder Fotos und Nachrichten, insbe­
sondere nach einer schweren Verletzung, die er sich mutmaßlich bei einem Luftang riff
durch syrische Truppen im Raum Aleppo zugezogen hat. Ende 201 3 scheinen die
Verantwortlichen von SHAMCENTER die Medienpräsenz zugunsten einer neuen Me­
d ienstelle namens 'Rahma' (arabisch : Barmherzigkeit) aufgegeben zu haben . Mit dem
Label dieser MediensteIle erschien Ende 20 1 3 ein ausführliches I nterview, in dem
Cuspert seine Entwicklung zum "Mujahid" nachzeichnet und Muslimen in Deutschland
die Auswanderung nach Syrien nahelegt. Außerdem wurde auf der Facebook-Präsenz
SHAMC ENTER eine neue Videoreihe von ' Rahma' angekünd igt. Darin soll Cuspert
280
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
die Gelegenheit gegeben werden, Muslime i n deutscher Sprache für d ie Unterstüt­
zung der Glaubensbrüder in Syrien zu gewin nen. Im ersten Video dieser Serie erklärt
Cuspert vor laufender Kamera, dass er sich nicht n u r zum Kämpfen in Syrien aufhalte,
sondern auch karitative und missionarische Aufgaben wahrnehme. Auch daran zeigt
sich , dass die Ü bergänge von Da'wa-orientiertem zum gewaltorientierten Salafismus
fließend sind und nach der Auffassung von Jihad-Salafisten sogar zusammengehö­
ren :
"Meine lieben Geschwister und auch a n die Kuffar [arabisch: Unglä ubige] ,
wisset, wir sind h ier n icht nur um zu schlachten, sondern wir sind h ier, um
zu arbeiten, Da'wa zu machen, den islamischen Staat aufzubauen und zu
u nterstützen , damit unsere Geschwister in Frieden leben können. Denn:
I h r wollt uns nicht i n Deutschland, und wir wol len nicht i n Deutschland
bleiben, und deshalb sind wir ausgewandert. [ . . . ] Und jetzt könnt ihr auch
zufrieden sei n , dass ich nicht mehr bei euch im Lande bin und inshallah
werden noch mehr Brüder nachziehen , und dann habt ihr eure Ruhe, dann
könnt ihr von mir aus i n eurem Kufr [arabisc h : Unglaube] versinken, oder ­
wenn Allah euch recht/eitet - seid ihr hier herzlich willkommen. "
(YouTube-Video "Rahmah - Und die Dawa geht weiter in Sham")
Drohungen gegen Deutschland
Martialische Drohungen gegen deutsche Staatsbürger und I nteressen, wie sie in den
vergangen Jahren seitens jihadistischer Organisationen zahlreich im I nternet veröf­
fentlicht wurden , waren im Berichtszeitraum nur noch vereinzelt festzustellen . Die
j ihad istische I nternet-Propaganda stand 201 3 ganz im Zeichen des syrischen Bürger­
kriegs. Der thematische Schwerpunkt j ihad istischer Verlautbarungen lag auf der Rek­
rutierung von Deutschen für den J ihad und nicht auf Anschlagsdrohungen.
Vor allem zwei ausgesprochen martialische Drohbotschaften mit hohem Rad ikalisie­
rungspotenzial fielen den noch ins Auge. Dabei handelte es sich um ein Nashid, im
Sinne eines Kampfgesangs, sowie um ein Posting bei Facebook.
In dem Nashid mit dem Titel "Die U mma" (arabisch: Islamische Gemeinschaft) droht
ein aus Nordrhein-Westfalen stammender Sprecher mit dem Pseudonym "Abu Azzam
al-Almani" damit, die Köpfe von Präsident Obama u nd B undeskanzlerin Merkel rollen
zu lassen:
ISLAMIsMus
281
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
" Unsere Truppen sind schon da. Welch eine Freude, nur für uns, nicht für
euch. Ihr werdet bluten, eure Köpfe werden rollen [ . . . ] , ein Schwerthieb,
ein Tyrann und ein Mujahid , der seine Rech n u ng begleicht. [ . . . ] Diese
Löwen zerstören die Feinde Allahs und wir erhoffen uns, am Sieg Anteil
zu haben. Oh Allah, gib dem deutschen Vol k was es verdient, zerstöre sie
von innen heraus und lehre es fürchten [ . . . ]. "
(YouTube-Video "Die Umma")
Vermutlich vom gleichen Autor stammte ein Text mit dem Titel "Die Wirklichkeit des
Islam", der auf einem einschlägigen Facebook-Profil eingestellt wurde. Darin droht
der Autor der Bu ndeskanzlerin Merkel sowie allen "Ungläubigen" mit der Rückkehr
von M ujahidin nach Deutschland und der D u rchführung von Anschlägen. Er kündigt
darüber h i naus a n , Deutsche und Österreicher als Geisel n nehmen zu wol len oder zu
töten:
" Sollte ein Deutscher oder Österreicher in meine Hände fallen, so werde
ich mit diesen [ . . . ] unsere ehrenwerten Vorreiter Abu Usama al-Gharib,
Abu Rayan und Abu Sayfullah freipressen oder ihn hinrichten und damit
fortfahren bis zur Befreiung unserer Brüder und aller weiteren gefangenen
Brüder und Schwestern. "
(Facebook-Posting vom 3 . November 201 3 )
D e r im Nashid erwähnte Abu Usama al-Gharib a l ias Mohamed Mahmoud reiste a l s
führendes Mitgl ied d e r im J u n i 201 2 verbotenen Personenvereinigung ' Millatu I brahim'
zu nächst nach Ägypten aus. Später wurde er beim Versuch des Grenzübertritts Ende
März 201 3 in der Türkei verhaftet. E r befindet sich i n türkischer H aft. Von dort aus
ist es ihm ein ige Male gelungen, Propaganda-Botschaften und indirekte D rohungen
gegen Deutschland in das I nternet einzustellen . Seine Bedeutung für die deutsch­
sprachige jihadistische Propaganda ist im Berichtsjahr jedoch deutlich zurückgegan­
gen. Die letzte Internetverlautbarung, die größere öffentliche Aufmerksamkeit erzielte,
war ein Video aus März 201 3 mit dem Titel "Unter meinen Füßen". Es zeigt ihn beim
Verbrennen seines österreich ischen Passes . I m Video richtet er indirekte D rohungen
gegen Deutschland und kündigt an, "das zerstörerische Feuer des Hasses in die
Länder der Kreuzfahrer zu tragen". Für die deutschsprachige jihadistische Szene hat
Mahmoud weiterh i n Vorbildcharakter. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass
282
ISLAMIsMus
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
auf einer führenden deutschsprachigen I nternet-Plattform 'Tauhid' regelmäßig Neuig­
keiten und Grußbotschaften von ihm verbreitet werden.
Indirekte D rohungen gegen Deutschland beinhalteten au ßerdem zahlreiche Internet­
Videos zweier aus Bonn stammender Brüder mit den Kampfnamen Abu I brah i m und
Abu Adam. Die beiden warben in den vergangenen Jahren im Namen der Terroror­
ganisation 'Islamische Bewegung Usbekistan' ( I B U ) in deutscher Sprache für den
J ihad und stießen vielfältige Drohungen gegen Deutschland aus. I nternet-Veröffent­
l ichungen, in denen sie ab M itte 20 1 3 auftraten , trugen keine Organ isationskennung
der I B U und i h rer MediensteIle mehr. Welcher Organisation die beiden Jihad isten aus
Deutschland nunmehr angehören, ist unklar. Für ihre j ihad istisch eingestellte, deut­
sche Anhängerschaft scheint dies unerheblich zu sein . Sie sorgt mit unvermindertem
Eifer dafür, dass neue Botschaften ihrer beiden Idole im Internet verbreitet werden .
Terroristische Gefahren d u rch salafistische " H omegrown "-Netzwerke
Am 1 3. März 20 1 3 nahm die Pol izei vier Personen fest, die unter dem Verdacht stan­
den, einen Anschlag auf den Vorsitzenden von 'pro N RW' zu planen. Bei durchgeführ­
ten Wohnungsdurchsuchungen wurden u nter anderem Waffen und Mu nition sowie
Am moniumn itrat, das sich zur Herstellung von Sprengstoffen eignet, sichergestellt.
Das Verfahren gegen die vier Beschuld igten wurde vom Generalbundesanwalt über­
nommen. Er beauftragte das Bundeskri minalamt m it der Durchführung von Ermittlun­
gen wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, der Vorberei­
tung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der Verabredung zum Mord
sowie weiterer Straftaten .
I nzwischen l iegen deutliche Verdachtsmomente vor, nach denen e i n Mitglied dieser
Terrorzelle den Ansch lagsversuch am 1 0 . Dezember 20 1 2 im Bonner Hauptbahnhof
zu verantworten hat. Dort war eine sel bstgebaute Bombe in einer Tragetasche auf
dem Bahnsteig abgestellt worden .
6.1 .3
Islamische Beweg ung Usbekistans ( I B U )
Die 'Islamische Beweg ung Usbekistans' ( I B U ) wurde 1 998 gegründet. Sie verfolgt das
Ziel, i n Usbekistan einen islamischen Staat auf Grundlage der Scharia zu errichten ,
u n d bekämpft auch m i t terroristischen M itteln d a s Regime i n Usbekistan. Seit über
zehn Jahren ist die I B U hauptsäch lich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ak­
tiv und beteiligt sich dort an der Seite von Tal iban und 'al-Qaida' am Kampf gegen die
ISLAMIsMus
283
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
von der I SAF u nterstützte afghanische Regierung. Die Beobachtung der I B U erfolgt
auf Grundlage von § 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG N RW.
Seit 2009 bemüht sich die I B U , j u nge Muslime aus Deutsch land zu werben , i ndem
sie deutschsprachige Propagandavideos im I nternet veröffentlicht. Als Sprecher tre­
ten darin regelmäßig zwei aus Nordrhein-Westfalen stammende Brüder, die sich Abu
I brahim und Abu Adam nennen, auf. Zu Anfang verfi ng d iese Werbung noch. Einige
Personen aus Nordrhein-Westfalen unternahmen den Versuch, sich der I B U in Paki­
stan anzuschließen und sich auf Seiten der Organisation am J ihad i n Afghan istan zu
beteiligen. Es gelang jedoch nicht allen, die IBU zu erreichen. E i n ige wurden auf dem
Weg d u rch pakistanische Sicherheitskräfte aufgegriffen und wieder nach Deutschland
abgeschoben. Von denjenigen, die ihr Ziel gebiet erreicht haben, sind bereits mehrere
bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen.
Seit 20 1 3 hat sich der Fokus J i had-orientierter Salafisten deutlich in Richtung Syrien
verschoben. Das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet und damit die I B U spielten
kaum noch eine Rolle. Die Videos der beiden bekannten deutschsprachigen Sprecher
der I B U werden darüber h inaus inzwischen u nter einem neuen, nicht sicher zugeord­
neten Label veröffentlicht.
In Nord rhein-Westfalen sind Strukturen der IBU derzeit n icht erkennbar.
6.1 .4
Islam ische J i had U n ion (IJ U )
D i e ' I slamische J i had U n ion' ( I J U ) spaltete sich 2002 von der I B U a b . I h re Aktivitäten
orientieren sich noch stärker am international ausgerichteten, globalen J ihad im Sin­
ne von 'al-Qaida' , zu der sie ebenso enge Kontakte pflegt wie zu den afghanischen
Taliban. Dennoch versteht sich die IJU als eine eigenständige Organ isation, die Aus­
bildungs- und Trainingslager i m pakistanisch-afghanischen G renzgebiet Waziristan
unterhält.
I h re Mitglieder rekrutiert die IJU sowohl aus den zentralasiatischen Staaten und dem
Kaukasus als auch aus der Türkei und Deutschland. I nsbesondere in Deutschland
lebende türkischstämmige Personen sowie deutsche Konvertiten gehören zur Ziel­
gruppe der Organ isation . Neue Mitglieder versucht die Organisation durch Text- und
Videobotschaften i m I nternet anzuwerben, die teilweise i n türkischer, aber auch in
deutscher Sprache verfasst sind.
284
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Am 4. März 201 0 wurden die vier Mitglieder der sogenannten Sauerlandgruppe zu
langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Im Auftrag der I J U , der sich drei der vier Verur­
teilten angeschlossen hatten, plante die Gruppe unter Verwendung selbst herzustel­
lender S prengmittel Anschläge gegen U S-amerikanische E inrichtungen beziehu ngs­
weise gegen US-Bürger i n Deutschland.
Die I J U wird nach § 3 Abs . 1 Nr. 1 und 3 VSG N RW beobachtet. Strukturen der IJU
sind derzeit in Nordrhein-Westfalen n icht erkennbar.
6.2
6.2.1
Islam istisch motivierter Terrorismus mit regionaler Ausrichtung
Islamistische kurd ische Netzwerke/Ansar al-Islam (U nterstützer des
Islam)
'Islamistische kurdische Netzwerke', die frü her auch
die Bezeichnung 'Ansar al-Islam' (AA l ) führten, sind
u rsprüngl ich eine im Nordosten des I rak aktive is­
lamistische Gruppierung, in der sich verschiedene
kurdische Spl ittergruppen zusammen fanden . Die
Anhänger streben die Errichtung eines islam ischen
Staates vorrangig im Nordirak an. Im Dezember 2001
übernahm der im norwegischen Exil lebende Mullah
Krekar die Führung der Gruppierung. M ittlerweile ist
Logo AL-ANSAR (Medienorgani­
Krekar in seiner Führu ngsposition von Abdullah al­
sation der Ansar al-Islam)
Shafi abgelöst worden. D ie AAl zeichnet im I rak für
eine Vielzah l schwerster Terrorakte und Selbstmordanschläge verantwortlich .
Ideologisch orientiert sich diese Gruppierung an den Vorstellungen von 'al-Qaida'. Sie
ist jedoch nicht i n gleicher Weise dem globalen J i h ad-Gedanken verpflichtet. Die Aus­
richtung entspricht eher jener der Tal iban in Afghan ista n . Die Gruppierung versucht,
den i n ihrem Machtbereich lebenden Menschen den Kontakt zu säkularen Parteien zu
verbieten und verleiht ihren Forderungen mit brutalen Gewaltaktionen gegen Anders­
denkende Nachdruck.
Es gibt kon krete Hinweise darauf, dass die 'Islamistischen kurdischen Netzwerke'
über Verbindu ngen zum Terrornetzwerk 'al-Qaida' verfügen .
ISLAMIsMus
285
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Die Beobachtung der 'Islamistischen kurdischen Netzwerke' erfolgt gemäß § 3 Abs. 1
Nr. 3 VSG N RW.
Anders als in früheren Jahren liegen derzeit jedoch keine Hinweise auf Aktivitäten von
Anhängern dieser Bestrebung in Nordrhein-Westfalen vor.
6.2.2
Nord kaukasische Separatisten-Beweg ung ( N KSB), vormals:
Tschetschenische Repu blik IchkeriyalTschetschenische
Separatistenbeweg ung
Mit dem Zerfall der UdSSR 1 99 1 und im Zuge der U nabhäng igkeit der südkaukasi­
schen Staaten Armenien, Aserbeidschan und Georgien entstand im nördlichen Kau­
kasus, vor al lem in Tschetschenien, eine separatistische Bewegung mit dem Ziel einer
Loslösung von Russland. Sie trägt den Namen Tschetschenische Republik Ich keriya'
(CRI )/'Tschetschen ische Separatistenbewegung' (TSB). Nach dem ersten Tschet­
schenien-Krieg (1 994 bis 1 996) radika l isierten sich die islamistischen Kräfte innerhalb
der Separatistenbeweg ung. Ang riffe dieser radikal-islamistischen Kräfte gegen die
russische Provinz Dagestan 1 999 fü hrten zum zweiten Tschetschenien-Krieg , der mit
der Besetzu ng durch russische Truppen und der Ei nsetzung einer Moskau freundli­
chen tschetschenischen Regierung endete (2000) . Danach ging der Konflikt über i n
e i n e n Guerillakrieg , b e i d e m a u c h Terroraktionen außerhalb Tschetscheniens verübt
wurden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Geiselnahmen
2002 i m Dubrowka-Theater i n Moskau mit über 1 30 Toten und 2004 i n einer Schule
i n Beslan mit über 330 Toten . Von dem 2007 ausgerufenen "Kaukasischen Emirat"
unter der Führung von Doku Umarow spaltete sich der eher säkular orientierte Flügel
der Separatisten ab. Das "Kaukasische Em irat" hat das Ziel, die russische Armee mit
Gewalt zum Rückzug aus Tschetschenien zu zwi ngen und i m nördl ichen Kaukasus
einen islamischen Staat zu errichten.
Aktivitäten der N KSB i n Nord rhein-Westfalen
Die U nterstützungsaktivitäten für das "Kaukasische Emirat" bestehen vorrangig i n der
Propaganda für die Bewegung, S pendensamml ungen und sonstiger logistischer Hilfe.
In Nordrhein-Westfalen verfügt die N KSB n icht über feste Strukturen, aber einzelne
und zum Teil herausragende Personen der NKSB sind h ier für die Organisation in
überregionalen Zusammenhängen aktiv.
Die NKSB wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG N RW beobachtet.
286
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Es zeigen sich vermehrt auch Beteiligu ngen von Tschetschenen an einzelnen salafis­
tischen Aktionen, wie Koranverteil ungen , I slamsem inaren und Spendensammlungen .
Ob sich ein Teil der N KS B-Anhänger künftig verstärkt dem salafistischen Spektrum
zuwenden und dort Fuß fassen wird , bleibt abzuwarte n . E rste Tendenzen einer Ent­
wicklung in diese Richtung sind jedoch erkennbar.
6.2.3
HAMAS (Harakat a l -Muqawama al-Islam iya - Islamische
Widerstandsbewegung)
M itglieder
20 1 3
20 1 2
I nternet
N RW
Bund
70
300
70
300
Englischsprachige Homepage
H i ntergrund
Die sunnitische HAMAS ('Bewegung des islamischen
Widerstandes') hat sich aus dem palästinensischen Teil
der 'Muslimbruderschaft' entwickelt und wurde erstmals
öffentlich mit Beginn der ersten I ntifada im Jahr 1 987 aktiv.
Die HAMAS ist die politisch stärkste und einflussreichste
Organisation unter den Palästinensern . Der Gaza-Streifen
wird von ihr politisch und militärisch weitgehend kontrol­
l iert. Als Teil der 'Muslimbruderschaft' und einflussreiche
Kraft unter den Palästinensern ist die HAMAS m it ihren
Strukturen in Nordrhein-Westfalen als bedeutende Grup­
Logo der HAMAS
pierung anzusehen .
Die HAMAS ist Teil eines weltweiten Netzwerkes von Organisationen , die d ie 'Mus­
limbruderschaft' repräsentieren oder ihr nahe stehen. Sie verfügt über zahlreiche
Unterorganisationen, die propagandistische oder logistische Aufgaben erfüllen. H ierzu
zählen insbesondere auch S pendensammlungen oder Finanztra nsaktionen.
Die HAMAS lehnt den Allei nvertretungsanspruch der 1 964 gegründeten PLO (pales­
tine Liberation Organisation), einer Vereinigung mehrerer national-palästinensischer
Fraktionen , für das palästinensische Vol k ab und boykottierte zunächst alle zwischen
I srael und der PLO geschlossenen Verträge. Der Konflikt zwischen der 'Fatah'-Partei ,
der weitaus größten Fraktion innerhalb d e r P L O , u n d der HAMAS, d e r Ende 2006 zu
ISLAMIsMus
287
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen geführt hatte, mü ndete in eine politische
und territoriale Spaltung der Palästinenser i n das von der 'Fatah' regierte Westjord­
anland und den durch die HAMAS kontrollierten Gazastreifen. Diese Entwicklung
gefährdet auch zukünftig die internationalen Bemühungen um eine Entspannung des
seit Jahrzehnten bestehenden Nahost-Konfl iktes.
Seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2007 etablierte die HAMAS i m Gazastreifen
zielgerichtet ein von einer islamistischen Auslegung geprägtes Rechtssystem . Die
extremistische ideologische Ausrichtung der HAMAS bestimmt dort inzwischen alle
Bereiche des öffentlichen Lebens.
Ideolog ie
Das zentrale Ziel der HAMAS ist die "Befreiung" gesamt Palästinas und damit die
Vern ichtung I sraels, dessen Existenzrecht nicht anerkannt wird , auch wenn modera­
te HAMAS-Politiker dies unter bestimmten Bedingungen hin und wieder in Aussicht
stel lten. Die HAMAS ist eine terroristische Organisation, verfügt aber neben ihrem
paramil itärischen Arm, den ' I zzed in AI-Qassam-Brigaden', auch über eine Partei u nd
ein soziales H ilfswerk. Sie ist für zahlreiche Selbstmordattentate und Raketenang riffe
auf israelisches Gebiet verantwortlich. Die Feindschaft gegenüber I s rael wird begleitet
von einem offenen Antisemitismus, der auch in der Charta der HAMAS deutlich zum
Ausdruck kommt. Als zweites Ziel verfolgt die HAMAS die Errichtung eines "islami­
schen Staates", gestützt auf die Ideologie der 'Muslimbruderschaft'.
Die HAMAS wird deshalb gemäß § 3 Abs. 1 N r. 3 und 4 VSG N RW beobachtet.
'Palesti nian Return Center' (PRC)
Das HAMAS-nahe PRC fü hrte am 1 8 . Mai 20 1 3 i n Brüssel die 1 1 . "Palesti n ians i n Eu­
rope Conference" durch , an der etwa 2 . 000 - 3 . 000 Personen teil nahmen. Zu der Ver­
anstaltung war unter dem Motto "Signs of Return blüht auf" eingeladen worden . Nach
Angaben des Veranstalters wurde die Konferenz in diesem Jahr vom Generalsekreta­
riat des PCR und der Palästinensischen Versammlung in Deutschland organisiert. Als
offensichtliche Folge der Einbindung des deutschen Ablegers i n die Organisation war
festzustellen , dass der überwiegende Teil der Veranstaltungsteilnehmer aus Deutsch­
land stammte. Auf seiner Homepage gab das PRC im Anschluss eine zwölf Punkte
umfassende Abschlusserklärung heraus, d ie sich umfänglich mit der Situation der
Palästinenser befasst.
288
ISLAMIsMus
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
Situation i n Deutschland
Am 3 . November 20 1 3 fand in Bochum die Jahresversammlung der Palästi nensi­
schen Gemeinschaft in Deutschland (PGD) mit etwa 500 Teil nehmern statt. I n den
einzelnen Reden wurde die Situation der Palästinenser insgesamt dargestellt, wobei
im Besonderen die U mstände, unter denen palästinensische F lüchtl inge derzeit in
Syrien leben, thematisiert wu rden .
Obwohl d i e von der HAMAS zum Zweck der Spendenakquise gegrü ndeten Vereine
'al-Aqsa eV' in Aachen und 'Yatim Kinderh ilfe eV' in Essen in den Jahren 2002
beziehungsweise 2005 verboten worden sind, betreiben der HAMAS nahestehende
Kreise auch weiterh i n Propaganda und Spendensammlungen.
Maßgebl iche HAMAS-Führer haben sich in der Vergangenheit mehrfach gegen Ge­
waltaktionen außerhalb Israels und der besetzten palästinensischen Gebiete ausge­
sprochen. Von daher ist die Gefahr, dass die HAMAS derartige Aktionen in Deutsch­
land durchführen könnte, als eher geri ng anzusehen.
Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden , dass es hier - etwa im Zusam men­
hang mit möglichen israelischen Mil itäraktionen - zu spontanen Gewaltaktionen
gegen israelische, jüd ische oder amerikan ische Einrichtungen durch stark emotionali­
sierte jugendliche Palästinenser kommen kan n .
6.2.4
H izb Allah (Partei Gottes)
M itglieder
201 3
20 1 2
I nternet
Bund
950
950
Mehrsprachige Homepage
N RW
350
350
H i ntergrund
Die schiitische 'H izb Allah' form ierte sich 1 982 als Reaktion auf den Ein marsch israeli­
scher Truppen im Libanon . Organisatorisch knüpft sie unmittelbar an die iran ische In­
tervention wäh rend des l i banesischen Bürgerkriegs a n . Auf G rund der umfangreichen
finanziellen und logistischen U nterstützung durch I ran entwickelte sich die 'Hizb Allah'
schnell zu einer militanten Sammlungsbewegung l i banesischer Schiiten. Bis heute
verfügt sie über ein umfangreiches Waffenarsenal, das auch schweres Kriegsgerät
ISLAMIsMus
289
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
beinhaltet. Regionale Schwerpunkte finden sich trad itionell
im Bekaa-Ta l , im gesamten südl ichen Libanon mit lokalen
Alleinherrschaftsstrukturen sowie in den Vororten von Beirut.
Ideologie
Bedingt durch den iranischen Einfluss strebte die ' H izb Allah'
in den ersten Jahren die Errichtung ei nes islam ischen Got­
tesstaates nach iranischem Muster auf libanesischem Boden
an. Hiervon hat sich die Organisation später zugunsten einer
Logo der Hizb Allah
pragmatischen, auf die Festigung ihres Einflusses bedachten
Ausrichtung gelöst. Diesem Ziel ist die ' H izb Allah' durch ihre
mittlerweile gesamtgesellschaftliche und politische Verankeru ng als Widerstandsbe­
wegung im Libanon deutlich näher gekommen. I m Gegenzug musste sie jedoch Teile
i h res extremistischen Forderungskataloges aufgeben. M it ihrer erfolgreichen Teilnah­
me an der libanesischen Parlamentswahl gelang es der ' H izb Allah', die angestrebte
Etablierung als von der l ibanesischen Öffentlichkeit wahrgenommene legalistische
Organisation zu verstetigen. I h re Maxime einer Vernichtung des Staates I srael sowie
der Errichtung einer "islamischen Herrschaft" über Jerusalem sind allerdings bis heute
unverändert. Um d iese Ziele zu erreichen, bedient sich die ' H izb Allah' auch der Mittel
des Terrors. Seit Jahren ist sie für Anschläge im nördlichen Israel verantwortlich und
stellt damit eine u n mittelbare Bedrohung für den Staat I srael dar. Bei der ' H izb Allah'
handelt es sich um eine i nternational gut vernetzte terroristische Organ isation .
Aufnahme der 'Hizb Allah'-Miliz in die EU-Terrorliste
Die Außen minister der Europäischen U nion haben am 22. Juli 201 3 beschlossen, die
' H izb Allah'-Miliz, den militärischen Arm der Organisation, auf die E U-Terrorliste zu
setzen. Begründet wird die E ntscheidung mit dem Ansch lag im bulgarischen Burgas
i m Juli 201 2 , bei dem sechs Menschen ums Leben gekommen sind und für den die
' H izb Allah' verantwortlich gemacht wird. Durch die Aufnahme i n die EU-Terrorliste
können unter anderem Konten der G ruppierung gesperrt und damit eine etwaige
Terrorfinanzierung unterbunden werden. Ebenso wird jede Art von fi nanzieller Unter­
stützu ng der ' Hizb Allah' damit verboten .
290
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
'H izb Allah' u nterstützt Assad-Regime
I m Mai 201 3 gab die ' H izb Allah' ihre offizielle Zurückhaltung auf und i ntervenierte im
syrischen Bürgerkrieg auf Seiten des Assad-Regimes. Aufgrund der U nterstützung
der ' H izb Allah'-M i l izen konnte das Reg ime eine Schlacht um d ie strategisch wichtige
Stadt Kusair für sich entscheiden . Generalsekretär Hassan Nasrallah rechtfertigte die
Intervention mit dem H i nweis darauf, dass man nicht zuschauen werde, wie Extremis­
ten gemeinsam mit den U SA und a nderen westlichen Staaten Syrien das Rückg rat
brechen würde. I m H intergrund dü rfte I ra n für das Vorgehen der 'Hizb Allah' verant­
wortlich sei n .
D i e ' H izb Allah' wird gemäß § 3 Abs . 1 Nr. 3 und 4 V S G N RW beobachtet.
Situation in Deutsch land
Deutschland wird i n der strategischen Ausrichtung der ' Hizb Allah' als Rückzugs- und
Ruheraum begriffen. Auf gewaltsame Aktionen wird i n Deutschland daher bislang
verzichtet. Die Organisation selbst vermeidet seit den Ereign issen des 1 1 . September
2001 umfangreiche öffentlichkeitswirksame Aktivitäten und grenzt sich bewusst von
Ausschreitungen und öffentlichen Aufrufen zur Gewalt anderer islamistischer Grup­
pierungen ab. Auch i ntern rufen Funktionäre und schiitische Geistliche ihre Anhänger
konsequent zur Befolgung der in Deutschland geltenden Gesetze und Regeln auf. Es
soll i m Zusammenhang mit dem Vorwurf der U nterstützung und Finanzierung terroris­
tischer Aktivitäten keine Ang riffsfläche für ein Verbot von der ' H izb Allah' zuzurechnen­
den Vereinen und Einrichtungen geboten werden.
Bis heute ist es der ' H izb Allah' i n Deutschland n icht gel ungen , eine effiziente Orga­
nisationsstruktur u nter ihren Anhängern aufzubauen . Die Gründe h ierfür l iegen ins­
besondere i n den auch im Jahr 201 3 festgestellten internen Streitigkeiten und per­
sönlichen Rival itäten. Allerdings sind einzelne Führu ngsfunktionäre in der Lage, auch
kurzfristig ein nennenswertes Aktionspotenzial zu mobilisieren.
Etwa 800 Personen, überwiegend 'H izb-Allah'-Anhänger und regimetreue I raner,
nahmen am 3 . August 20 1 3 in Berlin a n der dort seit 1 996 alljährl ich stattfindenden
Demonstration zum sogenannten Jerusalem-Tag (AI-Quds-Tag) teil . Die Veranstaltung
verlief trotz Gegenkundgebungen weitgehend störungsfrei. Der AI-Quds-Tag war 1 979
von Ayatollah Khomeini als Gedenktag zur Erin nerung a n die "Besetzung" Jerusalems
durch I srael ausgerufen worden .
ISLAMIsMus
291
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Situation in Nordrhein-Westfalen
Seit über 20 Jahren ist das ' I slamische Zentrum*' Clmam-Mahd i-Zentru m*') i n M ü nster
eine Plattform und Begegnungsstätte für ' H izb Allah'-Anhänger in Nordrhein-Westfa­
len und dem Westen Deutsch lands. Das 'Islamische Zentrum*' steht in enger Verbin­
dung zu dem iranisch gesteuerten ' I slamischen Zentrum Hamburg*' (IZH) und konnte
seine zentrale Bedeutung nach langjähriger rückläufiger Akzeptanz wieder leicht
festigen . Dessen u ngeachtet schreitet die Reg ionalisierung mit Gründung eigener
Moscheevereine vora n . Weitere erkannte Schwerpunkte finden sich im Raum Essen/
Bottrop und Bad Oeynhausen.
Der Syrien konfl ikt ist für eine zunehmende Veru nsicherung h ier a nsässiger 'H izb
Allah'-Anhänger verantwortl ich . Einerseits sorgen sie sich um die im Libanon verblie­
benen Famil ienangehörigen, andererseits befürchten sie, Angriffen von h ier lebenden
Salafisten ausgesetzt werden zu können. Zumindest ist i n den Vereinen , die der 'H izb
Allah' nahe stehen , eine erhöhte Wachsamkeit festzustellen. H inweise darauf, dass
sich hier a nsässige ' H izb Allah'-Anhänger aktiv am Syrienkonflikt beteiligen wollen ,
oder auf gewalttätige Aktionen in Nordrhein-Westfalen liegen bislang n icht vor.
6.3
Gewalt befü rwortende islam istische Organisationen
6.3.1
H izb ut-Tahrir (Islam ische Befreiungspartei - H uT)
Mitglieder
201 3
20 1 2
Bund
300
300
N RW
70
70
H i ntergrund
Die 'H izb ut-Tahrir' (HuT) wurde 1 952 von dem
Rechtsgelehrten Scheikh Taqi al-Din al-Nabha­
ni, ei nem ehemaligen M itglied der ägyptischen
und palästinensischen 'Muslimbruderschaft'
gegründet. Es handelt sich um eine pan-isla­
mistische Bewegung, die sich a n alle Muslime
richtet. Vorrangiges Ziel der Organisation ist die
Wiedereinführung des Kal ifats i n ei nem islami-
Hizb ut-Tahrir-Logo der arabischen
Homepage
292
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
schen Staat (das letzte Kal ifat wurde 1 924 von Kemal Atatürk abgeschafft). Die HuT
kennzeich net ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismu s . J uden gelten - wie
Christen - als U ngläubige, deren Lebensform abzu lehnen ist und mit denen möglichst
kei n Kontakt gehalten werden sollte, da sie ein Bündnis ei ngegangen seien, um den
Islam zu zerstören.
Am 1 5 . Januar 2003 hat das Bundesmin isterium des I n neren ein Betätigungsverbot
gegenüber der Organisation erlassen, das letztinstanzlich am 25. Januar 2006 durch
das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt wurde.
Am 1 9. J u n i 20 1 2 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die
Klage der HuT gegen das vom Bundesminister des Inneren ausgesprochene Betäti­
gungsverbot für unzulässig erklärt. Das Gericht sah es als erwiesen a n , dass die HuT
dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen und den Sturz von Regierungen i n
muslimisch ausgerichteten Staaten gefordert hat, um diese durch ein Kalifat, basie­
rend auf den Regeln der Scharia, zu ersetzen. Damit verfolgt die HuT Ziele, die den
Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention zuwider laufen, so dass
sich die Organisation bei ihrer Klage nicht auf das i n Art. 1 1 EMRK bestimmte Recht
auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit berufen kön ne.
Die ' H izb ut-Tahrir' wird gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VSG N RW beobachtet.
Struktur
Die Partei, die einen streng hierarchischen Aufbau hat, ist heute weltweit aktiv und
international vernetzt. I h re Anhängerschaft verhält sich streng konspirativ abseits
der öffentlichen Wahrnehmung. Neue Mitglieder werden bevorzugt innerhalb der
gesel l schaftl ichen E lite geworben, was sich aus der Kaderstruktur herleitet sowie der
Auffassu ng, dass die Partei eine Vorreiterrolle für den Aufbau des islamischen Staates
spielt. Von den M itgliedern wird strikter Gehorsam erwartet. Positionen und Meinun­
gen , die von der Parteifü hrung vertreten werden, sind für alle M itgl ieder verbindlich . In
der B undesrepublik Deutschland ist die HuT in verschiedene Reg ionen aufgeteilt; i n
diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zei­
len), die sich durch ein äu ßerst konspi ratives Verhalten auszeichnen.
ISLAMIsMus
293
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Ideologie
In einem im März 201 3 veröffentlichten Interview mit einem Sprecher des "Medienbü­
ros von H izb ut-Tahrir im deutschsprachigen Raum" wird deutlich, dass die Organisa­
tion weiterhin i h re Mitglieder von einer I ntegration i n die westliche Gesellschaft ab­
halten will. Zentrale Werte wie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip , die Gleich­
berechtigung von Mann und Frau oder der Minderheitenschutz werden abgelehnt.
Stattdessen bemüht sich der Sprecher, die moralische Überlegenheit einer strengen
Auslegung des Islam zu propagieren und die Ungültigkeit von "Menschenhand" ge­
schaffener Gesetze zu rechtfertigen. In der Konsequenz sollen Muslime in der westli­
chen Gesellschaft Integrationsverweigerer sei n .
Situation i n N o rdrhei n -Westfalen
Trotz des Verbotes ist davon auszugehen, dass die Organisation ihre Aktivitäten in
bekannt konspirativer Weise fortsetzt. Nach wie vor hat der vermutliche Europaver­
antwortliche der Organisation seinen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen , was darauf
schließen lässt, dass der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Organisation
strategische Bedeutung zukommt.
Öffentlich wahrzunehmen ist die Organisation durch Verbreitung von Propaganda im
I nternet. Hierzu bedient man sich in erster Linie im europäischen Ausland befindlicher
Server. Öffentl iche Auftritte von Führungsfunktionären sind h ingegen nicht mehr
festzustellen . Dies dü rfte vor dem H intergru nd des Betätigungsverbotes m it der Furcht
vor möglichen staatl ichen Sanktionen in Zusammenhang stehen .
294
ISLAM ISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
6.3.2
Kalifatsstaat (Hi lafet Devleti)
Sitz
Verbandsführer
M itglieder
201 3
201 2
Publikationen
Fernsehprogramm
Köl n
Metin Kaplan (am 1 2 . Oktober 2004 i n die Türkei abgescho­
ben)
N RW
Bund
750
300
800
350
Ehemals: 'Ü mmet-i Muhammed' ('Die Stimme Muhammeds'),
'Bekienen Asr-i Saadet' ('Das erwartete Zeitalter der Glück­
seligkeit'), 'Der I slam als Alternative' ( D . I .A), 'Barika-i Hakikat'
('Das Aufleuchten der Wahrheit')
HAKK-TV
H interg rund
I m Jahre 1 984 g ründete Cemaleddin
Kaplan nach der Loslösung von der
Milli-Görü�-Bewegung den 'Verband
der islam ischen Vereine u nd Gemein­
den eV' (ICCB) i n Köln. Im April 1 992
rief er den 'Föderativen Islamischen
Staat Anatolien' aus, der i m März
1 994 in den 'Kal ifatsstaat' ('Hilafet
Devleti') umgewandelt wurde und
zu dessen Kalif sich Kaplan selbst
Wimpel mit dem Schriftzug des Kalifatsstaats
ernannte. Nach dem Tode von Cemaleddin Kaplan im Mai 1 995 folgte i h m sein Sohn Metin Kaplan als Kalif nach . Diese
Nachfolge war jedoch n icht unu mstritten . Der Nachfolgestreit endete mit der Ermor­
dung des "Gegenkalifen" in Berli n im Mai 1 997, zu der Metin Kaplan angestiftet hatte.
Wegen Anstiftung zum Mord wurde Metin Kaplan im November 2000 zu vier Jahren
Freiheitsentzug verurteilt. Nach seiner E ntlassung wurde er i m Oktober 2004 i n d ie
Türke i , die seit längerem seine Auslieferung verlangte, abgeschoben . Nach seiner Ab­
schiebung wurde er in der Türkei wegen Hochverrats zunächst zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt. I m Zuge mehrerer Berufungs- u nd Revision sverfah ren wurde
die lebenslange Haftstrafe wieder aufgehoben. Am 3 . J u l i 20 1 0 verurteilte der Oberste
Gerichtshof in I stanbul Meti n Kaplan schließlich zu 1 7 Jahren und 6 Monaten Haft.
ISLAMIsMUS
295
Verfassungssch utzbericht des Landes Nord rhein-Westfalen 201 3
Ideologie
Der Gründer des ehemal igen 'Kal ifatsstaats' , Cemaleddin Kaplan, forderte die Wie­
dererrichtung des Kalifats in der Türkei und die E i nführung der Scharia als gottgege­
bener Staats- und Rechtsordnung. Die Demokratie und eine Gesetzgebung durch das
Vol k lehnte er als "Götze" (tagut) beziehungsweise "Götzendienst" strikt ab. Demokra­
ten betrachtete er als Ungläubige. Die USA, westliche Staaten und I srael sowie die
J uden und die zionistische Bewegung gehören zu den besonders betonten Feindbil­
dern. I n der expl iziten Ablehnung der Demokratie u nd der D iffam ierung als "Götzen­
dienst" bestehen Ä hn lichkeiten zwischen der Kaplan-Ideologie der 1 980er und 1 990er
Jahre und dem Salafismus nach der Jahrtausendwende.
Tatsächliche Anhaltspunkte weisen darauf h i n , dass die Anhänger des ehemaligen
'Kal ifatsstaats' die Ideologie von Cemaleddin Kaplan auch heute noch i nnerhalb fest­
gefügter Personenzusammenschlüsse vertreten . Diese Personenzusammenschlüsse
m it Bezug zum ehemaligen 'Kal ifatsstaat' werden gemäß § 3 Abs. 1 N r. 3 und 4 VSG
N RW beobachtet.
Verbot des 'Kal ifatsstaates'
Am 1 2 . Dezember 2001 wurde der sogenannte 'Kalifatsstaat' durch das Bundesmin is­
terium des I n nern verboten. Er galt i n Deutschland bis dahin als die verbal radikalste
unter den islam istischen Organisationen . I m November 2002 wurde das Verbot des
' Kalifatsstaat' sowie 1 7 weiterer Ortsvereine, vier davon in Nordrhein-Westfalen , end­
gü ltig bestätigt.
I nfolge der Abschiebung Metin Kaplans in die Türkei u nd seiner dortigen Verurteilung
kam es zu Richtungs- u nd Nachfolgestreitigkeiten innerhalb der G ru ppierung. Diese
Auseinandersetzungen mündeten i n eine Spaltung der Anhängerschaft i n zwei kon­
kurrierende Fraktionen.
Aktuelle Entwicklung
I n Jahreskalendern oder Brosch üren, die i nnerhalb der Anhängerschaft kursieren,
wird immer wieder auf die Lehren Kaplans Bezug genommen. Es wird die Errichtung
eines "islamischen Staates" oder Kalifats propagiert, ohne allerdings die Symbolik der
verbotenen Organisation zu verwenden. I m I nternet werden von Anhängern verschie­
dene Seiten betrieben, auf denen d ie Ideologie ebenfalls verbreitet wird.
296
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Die Differenzen innerhalb der Personenzusammenschlüsse mit Bezug zum ehemali­
gen 'Kalifatsstaat' setzten sich auch 201 3 fort. Eine weitere Fraktionsbildung ist nicht
auszuschließen. Darüber h i naus haben sich Teile der Anhängerschaft noch stärker
dem Salafismus zugewendet und können zurzeit eher den 'salafistischen Bestre­
bungen' als dem ehemaligen 'Kal ifatsstaat' zugerechnet werden. Diese Entwicklung
korrespondiert mit der schon früher beim 'Kalifatsstaat' zu beobachtenden verbalen
Rad ikalität und der Sympathie für mil itante Organisationen im Ausland wie beispiels­
weise die ' I slamische Bewegung Usbekistan' ( I B U ) , für die - soweit möglich - U nter­
stützung geleistet wird .
6.3.3
Tü rkische H izbullah
Mitglieder
Leitung
201 3
201 2
Publikationen
I nternet
N RW
Bund
Führungsgruppe
60
350
60
350
'Yeni Müjde' ('Neue Frohe Botschaft'), ' I nzar' ('Warnung'),
'Dogru Haber' ('Richtige Nachricht'), 'Kelhaamet' ('Prächtiges
Diyarbakl r')
Mehrere Homepages
H intergrund
Anfang der 1 980er Jahre bildeten sich unter sunn itischen Kurden in der Türkei Grup­
pierungen heraus, die für die Errichtung einer auf strikter Befolgung von Koran und
Scharia gegrü ndeten "islamischen Herrschaft" eintraten und sich gegen den säkula­
ren türkischen Staat wandten. Aus einer d ieser Gruppierungen entwickelte sich die
'Hizbullah' ('Partei Gottes'). Diese wendete vor a l lem seit Beginn der 1 990er Jahre zur
Erreichung ihrer politischen Ziele Gewalt gegen interne Abweichler, gegen die mar­
xistische kurdische Separatistenorgan isation PKK ('Arbeiterpartei Kurdistans'), gegen
liberale Journalisten und gegen Vertreter des türkischen Staates Gewalt an. Zur Un­
terscheidung von der im Libanon beheimateten ' H izb Allah' wird diese als 'Türkische
Hizbullah' bezeichnet.
I m Januar 2000 wurde ihr Anfüh rer, Hüseyin Veliog l u , in I stanbul bei einem Schuss­
wechsel mit der Polizei getötet. Diese und weitere Exekutivmaßnahmen der türki­
schen Polizei, bei denen mehrere Funktionäre der Organisation und zah l reiche Mit­
gl ieder festgenommen und inhaftiert wurden, führten zu einer empfindlichen Schwä-
ISLAMIsMus
297
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
chung der 'Hizbullah'. Zugleich wurde aus Papieren und Videoaufzeichnungen, die i n
ihren Archiven gefunden wurden , deutlich , i n welch großem Ausmaß die Organisation
Entführungen, Morde und andere Gewalttaten verübt hatte.
Ideolog ie
I n der 2004 erschienenen Sch rift "Kendi dilinden H izbullah" ("Die H izbullah in eige­
ner Sprache/aus eigenem M u nde") stellt ihr Verfasser, ein ' H izbullah'-Funktionär,
d ie Verbrechen der Organisation als Akte der Selbstverteidigung dar. Der Autor führt
ferner aus, dass auf eine erste Phase, die von 1 979 bis 1 99 1 dauerte, und in der die
Propagandatätigkeit, Anhängergewinnung, Strukturierung und Schulung im Vorder­
grund stand, eine zweite Phase folgte, d ie von 1 99 1 bis 2000 andauerte und durch
den bewaffneten Kampf gegen die P KK, interne Abweichler und den türkischen Staat
geprägt war.
In ihrer Zielsetzung verbindet die 'Hizbullah' eine islam istische mit einer kurdisch-nati­
onalen Agenda. So heißt es in "Kendi dilinden H izbullah": "Alle Probleme dieses [des
kurdischen] Volkes können nur mit dem Islam gelöst werden " (Seite 65). Andererseits
sieht die ' H izbullah' als U rsache aller Probleme d ie U neinigkeit der islamischen Welt
und die Herrschaft nicht-islamischer Regime an. Dies zu ändern und den Islam zur
Herrschaft zu bringen , ist ihr erklärtes Ziel. Zu den Feindbildern der ' H izbullah', die für
die U nterdrücku ng der Muslime verantwortlich gemacht werden , gehören neben den
internen Abweichlern der 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK) und der Republik Türkei
auch die "imperialistischen" und "zionistischen Mächte", also die westliche Staaten­
gemeinschaft und Israel. I n einem Man ifest der ' H izbullah' von Januar 20 1 2 wurden
diese Positionen erneut bekräftigt.
Die ' H izbullah' sieht sich als Verteid igerin der Opfer imperialistischer und unislami­
scher Mächte, die die Kurden und die Muslime i n vielerlei Hinsicht unterdrücken
würden . Dementsprechend verbreitet sie d u rch Publikationen und Webseites ihre
Ideologie, füh rt - häufig religiöse - Veranstaltungen durch und sammelt S penden. I n
d iesem Zusammenhang wird ihr auch ein i m September 2004 i n d e r Türkei gegründe­
ter karitativer Verein zugerechnet.
Aufgrund ihrer Ideologie und Ziele, zu deren Durchsetzung sie bereits Gewalt und Ter­
ror als Mittel eingesetzt hat, wird die 'Türkische H izbullah' nach § 3 Abs. 1 N r. 3 und 4
VSG N RW beobachtet.
298
ISLAM ISMUS
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Aktuelle Entwicklung
Nach der einstweiligen Zerschlagung der Führungsstrukturen der 'Hizbullah' durch
die türkischen Behörden Anfang 2000 wichen einige Anhänger nach Europa aus, um
dem Verfolgungsdruck in der Türkei zu entgehen. Die 'Türkische H izbullah' hat in
den folgenden Jahren auch in Deutschland Strukturen aufgebaut und nutzt diese zur
weiteren Konsolid ierung ihrer Organisation . Die Organisation sammelt in Deutschland
Spenden , vertreibt Publikationen und lädt oftmals aus religiösen oder kulturellen An­
lässen zu Veranstaltungen ein. Ihr derzeitiges Vorgehen entspricht der ersten P hase
des i n "Kendi dilinden H izbullah" beschriebenen Modells. Ein Übergang in die zweite
Phase des bewaffneten Kampfes ist bisher nicht zu erkennen.
6.4
Legalistische, nicht gewaltorientierte islam istische Organ isationen
6.4.1
Muslimbruderschaft ( M B)
Mitgl ieder
20 1 3
20 1 2
Bund
1 .300
1 . 300
N RW
320
320
H interg rund
Die 'Muslimbruderschaft' (MB) wurde 1 928 von Hasan al­
Banna ( 1 906 - 1 949) in Ägypten gegründete. Sie ist da­
mit die älteste und zugleich einflussreichste Bewegung
des modernen politischen Islam. Nach eigenen Angaben
ist sie weltweit in mehr als 70 Ländern vertreten , wobei n icht immer die Bezeichnung "Muslimbruderschaft"
verwendet wird . H ierarchisch organisiert verfügt d ie M B
vor allem in Ägypten über ein Geflecht von U nternehmen
sowie religiösen, karitativen und sozialen Einrichtungen.
Sie ist aufgrund ihrer Bildungsorientierung zudem in
Logo der Muslimbruderschaft
Berufsverbänden stark vertreten.
Im Laufe ihrer Geschichte zeigte die MB ein ambivalentes Verhältnis zu Gewalt. So­
wohl beim Kampf gegen die britische Herrschaft in Ägypten und Palästina als auch
zeitweise bei ihrer Auseinandersetzung mit den vom M i l itär gestellten ägyptischen
ISLAMIsMus
299
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Präsidenten gab es Phasen , in denen die Organisation zum Mittel der Gewalt gegrif­
fen hat. Bereits al-Banna nan nte Jihad und Märtyrertod in den fünf Leitsätzen der M B .
D e r erst spät zur M B gestoßene Sayid Qutb ( 1 906 -1 966) entwickelte d iese Ansätze
u nter dem E indruck der Auseinandersetzung mit Präsident Gamal Abdel Nasser zu
einer militanten Ideologie weiter. Auf diese haben sich militante Abspaltungen und
später j ihad istische Gruppierungen wie 'al-Qaida' gestützt.
Die Hauptströmung der MB lehnte Gewalt als M ittel zur Durchsetzung i h rer politischen
Ziele seit den ausgehenden 1 970er Jahren ab. Gewaltsamer "Widerstand" gegen
"Besatzer", was sich auf den Widerstand der Palästi nenser gegen Israel bezieht, wird
jedoch gutgeheißen. Die MB verfolgte i h r Ziel der U mgestaltung Ägyptens zu einem
"islamischen Staat" stattdessen mit gesellschaftl ichen und politischen M itteln, gründe­
te Parteien und nahm an Wah len tei l . I m Zuge des "arabischen Frühl ings" konnte die
M B in Ägypten nach Parlaments- (20 1 1 ) und Präsidentschaftswahlen (20 1 2) erstmals
die Regierung und den Präsidenten, Mohammed Mu rsi , stellen. Die sehr stark auf die
Festigung der gewonnenen Macht ausgerichtete Politik Präsident Mursis fü hrte i m J u l i
201 3 z u m Eingreifen d e s Mil itärs und zu seinem Sturz. A m 23. September 2 0 1 3 wur­
de die M B in Ägypten erneut verboten und am 25. Dezember 201 3 zur Terrororgani­
sation erklärt. Auslöser für letztere Ma ßnahme war ein Terroranschlag, der vom M i l itär
der MB zur Last gelegt wird . Die Organisation d istanziert sich jedoch von diesem
Anschlag und verurteilt ihn ausdrücklich.
Ideolog ie und Ziele
Das erste Ziel der M B war bei ihrer Gründung 1 928 das Abschütteln der de facto
bestehenden britischen Herrschaft über Ägypten, das 1 882 von Großbritannien aus
geostrategischen Gründen (Kontrolle über den Suez-Kanal) besetzt worden war und
1 922 n u r nominell zu ei nem selbständigen Königreich wurde. Zu diesem Ziel , das mit
dem Abzug der britischen Truppen 1 946 weitgehend erreicht wurde, traten sehr bald
weitere Ziele hinzu. Die Organisation strebt d ie Bildung einer islamischen Gesellschaft
sowie die Errichtung eines "islam ischen Staates" auf der Grundlage der Scharia, der
islam ischen Rechts- und Lebensordnung, a n .
AI-Ban nas Leitsätze lauteten: "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der
Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Märtyrertod auf dem Pfad
Gottes ist unsere größte Hoffnung. " Als Parole der MB gelangte der Satz "der Islam ist
die Lösung" (al-Islam huwa'l-hall) zu allgemeiner Bekanntheit. Schließlich sollten alle
islamischen Länder in einem föderalen Kal ifenreich vereint sei n .
300
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Heute betonen Sprecher und offizielle Webseites der M B eher das E intreten der
Bruderschaft für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit, verbunden mit islam ischen
Werten. In der heutigen M B sind sicherlich pragmatische, moderne und auch demo­
kratische Ansätze erkennbar, die M B-nahe 'Freiheits- und Gerechtigkeits-Partei' (FJ P)
tritt jedoch nach wie vor dafür ein, dass die Scharia als von Gott geschaffene Rechts­
ordnung die G rundlage von Gesetzbebung und Rechtsprechung in allen Bereichen
sein müsse. Dies zeigt, dass die Ideologie, die die Einfü h rung einer gottgegebenen
islam ischen Staats- und Rechtsord nung fordert, nach wie vor von großer Bedeutung
innerhalb der M B ist.
Situation i n Nord rhein-Westfalen
Die bedeutendste der 'Muslimbruderschaft' zuzurechnende Organisation in der Bun­
desrepublik Deutsch land ist die 'Islamische Gemeinschaft in Deutschland eV' ( I G D ) ,
die a u s d e r 1 960 in München von d e m ägyptischen Musl imbruder Dr. Said Ramadan
gegründeten 'Moscheebau-Kommission eV' hervorgegangen ist. Die IGD gehört zu
den Gründungsmitgliedern der 'Föderation islam ischer Organisationen in Europa'
(FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der 'Muslimbruderschaft' in Europa
gilt. Seit Ende 20 1 0 hat die Organisation ihren Sitz in Köl n .
D i e I G D wird aufgrund tatsächl icher Anhaltspu nkte einer engen Verbindung m i t der
M B nach § 3 Abs. 1 N r. 3 und 4 VSG N RW beobachtet.
In Nordrhein-Westfalen sind neben der I G D in versch iedenen Städten Vereine mit an­
geschlossenen Moscheen ansässig, die eine Nähe zur Ideolog ie der 'Muslimbruder­
schaft' aufweisen . Die Einrichtungen finanzieren sich aus Spenden, M itgliedsbeiträ­
gen sowie dem Verkauf von Publikationen. Die Spenden bereitschaft der Anhänger ist
nach wie vor eher gering, so dass anlässl ich von Veranstaltungen ständig zu höherer
Spendenbereitschaft aufgerufen wird . Öffentliche Aktivitäten dieser Einrichtungen sind
al lerdings nur gelegentlich bei größeren Veranstaltungen feststellbar. Dort sind die
Verlautbarungen gemäßigt. Vertreter der Organisationen weisen immer wieder darauf
h i n , dass h ier lebende Muslime sich vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren
und die Gesetze des Gastlandes zu beachten haben.
Aktivitäten der M B i n Nord rhein-Westfalen
Die IGD veranstaltete am 1 5. Juni 201 3 in der Stadthalle Bonn-Bad Godesberg ihre
33. Jahreskonferenz unter dem Motto .. I slamische Spiritualität - Bereicherung fürs
I SLAMISMus
30 1
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Leben". An der Konferenz nahmen etwa 700 - 800 Personen teil. Es waren prominen­
te Gastredner aus dem Ausland eingeladen, die der Ideologie der Muslimbruderschaft
nahe stehen. Neben zahlreichen Reden und Grußworten fand eine Podi umsdiskussi­
on unter dem Titel "Muslime vor der Wahl" statt, bei der unter anderem die Arbeit des
Verfassungsschutzes kritisiert wurde. Wesentlicher Kritikpunkt war, dass bis heute
keine wirklichen Konsequenzen aus dem N S U-Skandal gezogen worden seien .
I n Folge der Amtsenthebung des ägyptischen Präsidenten Mursi am 3. Juli fanden in
verschiedenen deutschen Städten , unter anderem in Köl n , Pro-Mursi-Demonstratio­
nen von M B-Anhängern statt. Die Veranstaltungen verliefen in der Regel störungsfrei.
Auf ihrer Homepage veröffentlichte die I G D am 27. J u l i 20 1 3 einen offenen Brief an
die Bundesregierung mit der Aufforderung, den U msturz i n Ägypten als "Militärputsch"
zu werten . Nach wie vor ist das Bemü hen der I G D feststel l bar, sich als gemäßigte
islamische Organisation darzustellen . Für die weitere Entwickl ung dü rfte von Be­
deutung sein , wie sich der politische Prozess im U rsprungsland der M B , i n Ägypten,
fortsetzt.
6.4.2
Islamische Gemei nschaft M i l li Görü� (IGMG)
Sitz
Generalvorsitzender
M itgl ieder
20 1 3
20 1 2
Publikationen
Internet
Kerpen
Kemal E rgün
Bund
N RW
3 1 . 000
8 . 000
3 1 . 000
8 . 000
'IGMG Perspektif, 'camia' ('Gemeinschaft' - IGMG), 'Milli
Gazete' ( Deutschlandausgabe I G MG-nah); Fernsehsender
'TV 5' ('Saadet Partisi'-nahestehend)
Mehrsprachige Homepage
H i nterg rund
Mit bundesweit etwa 3 1 .000 aktiven M itgliedern ist die 'Islamische Gemeinschaft Milli
Görü� eV' (IGMG) die bei weitem größte der als islamistisch eingestuften Organi­
sationen in Deutschland. Sie ging aus der von dem türkischen Politiker Necmettin
Erbakan gegründeten islam istischen 'Milli Görü�'-Bewegung hervor. Von Teilen der
IGMG-M itgl ieder wird die Verbundenheit mit Necmettin Erbakan und seiner Ideologie
auch weiterhin zum Ausdruck gebracht. Andere Teile der I G M G zeigen eine solche
302
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Verbundenheit nicht ei ndeutig , sondern wenden sich der deut­
schen Gesellschaft zu. In der Gesamtschau ist die I G M G jedoch
weiterh i n als Teil der 'Mi lli Görü�'-Beweg ung zu bewerten .
Entwicklung ' M i l li Görü�'-Bewegung i n der Türkei
Von 1 970 an war Erbakan Führer einer islamistischen politischen
Partei in der Türkei, die sich nach Parteiverboten immer wieder
unter neuen Namen konstituierte. Neben der Partei wurden im
Logo der IGMG
Laufe der Zeit weitere Einrichtungen wie eine parteinahe Zeitung,
eine J ugendorganisation, ein Fernsehsender, ein I n stitut und sonstige H ilfsorganisa­
tionen geschaffen, die der Ideologie und den politischen Zielen Necmettin Erbakans
verpfl ichtet sind. Sie alle zusammen bilden die 'Milli GÖrÜ�'-Bewegung. Als unumstrit­
tener Führer der Bewegung galt bis zu seinem Tod ihr G ründer Necmettin Erbakan.
Außerhalb der Türkei gilt die IGMG als Unterstützerin und AnlaufsteIle für die Bewe­
gung.
I n den frühen 1 990er Jahren auf kommunaler Ebene, dann bei den Parlamentswahlen
1 995, erzielte die von Erbakan geführte 'Refah Partisi' ('Wohlfahrtspartei' - RP) erheb­
liche Erfolge. 1 995 wurde sie - damals von der ' Milli Görü�' in Deutschland massiv
unterstützt - stärkste Partei und Erbakan von 1 996 bis M itte 1 997 Ministerpräsident
in einer Koal itionsreg ierung. Durch die gegen die 'Refah Partisi' gerichteten Beschlüs­
se des seinerzeit vom türkischen M i l itär dominierten Nationalen Sicherheitsrats vom
28. Februar 1 997 nahm der Druck auf d ie Regierung Erbakan stark zu und zwang i h n
z u m Rücktritt im Juni desselben Jahres. Diese gewaltlose Verd rängung von d e r politi­
schen Macht durch das M ilitär wird teilweise auch als "postmoderner Putsch" bezeich­
net. I nnerhalb der 'Milli Görü�'-Bewegung spielen d ieses Datum und seine Folgen
eine zentrale Rolle. 1 998 wurde die RP schließl ich verboten; 2000 richtete sich ein
Verbot gegen ihre Nachfolgepartei , die 'Fazilet Partisi' ('Tugendpartei' - FP). Danach
kam es zu einer Spaltung der 'M illi GÖrÜ�'-Bewegung. Die Erbakan und seiner Ideo­
logie treu gebl iebenen Anhänger fanden sich i n der neu gegründeten 'Saadet Partisi'
('Glückseligkeitspartei' - SP) zusammen. Die S P ist m it Stimmenanteilen von rund ein
bis drei Prozent in der türkischen Politik nahezu bedeutungslos geworden. Nach dem
Tod Erbakans 201 1 wurde M ustafa Kamalak Vorsitzender der S P.
Bereits im August 2001 gründete der 'M illi Görü�'-Dissident Recep Tayyip Erdogan
die 'Adalet ve Kalkmma Partisi' ('Gerechtigkeits- und Aufschwung-Partei' - AKP), die
ISLAMISMUS
303
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
2002, 2007 und am 1 2 . Juni 20 1 1 die Parlamentswahlen gewann und allein d ie Regie­
rung stellen konnte.
Diese Abspaltungen von der 'M illi Görü�' i n der Türkei bl ieben nicht ohne Wirkung auf
die Anhängerschaft der I G M G in E u ropa. Es gab u nd gibt i nnerhalb der IGMG durch­
aus Sympathien für die AKP. Zu einer Lossagung von der SP oder einer Spaltung der
IGMG haben die Entwicklungen in der Türkei jedoch nicht geführt.
Ideologie und Ziele von 'Mi lli Görü�;;'
Erbakan beschrieb in einem 1 990/9 1 u nter dem Titel "Ad il Düzen" ("Gerechte Ord­
nu ng") veröffentlichten Buch die grundlegenden Ziele der 'Milli GÖrÜ�'-Bewegung.
Zentrales Element ist die These Erbakans, dass sich i n der Mensch heitsgeschichte
immer wieder von Menschen geschaffene Ordnu ngen einerseits und göttlich offenbar­
te Ordnungen andererseits gegenüber gestanden hätten. Menschliche Gesellschafts­
modelle, d ie er als "n ichtige Ordnung" ("Batl l Düzen") bezeichnet, sieht Erbakan durch
Unrecht und Ausbeutung gekennzeichnet. In Gott gegebenen Ord nungen herrsche
dagegen die Wahrheit und das sich daraus ergebende Recht (Hak). Auf d iese Weise
überfü hrt er das aus dem Koran entlehnte Gegensatzpaar "Hak" (für GotUWah rheiU
Recht) und "Batli" (für Aberglaube/nichtig) auf die politische Ebene und deutet rel igiö­
se Begriffe in politische um. Dieser Gegensatz - die gute göttliche Ordnung gegen d ie
schlechte, feh lerbehaftete mensch liche Ordnung - durchzieht die Argumentation von
'M illi Görü�' bis heute. Ziel der Bewegung ist es, das demokratische System, das als
"westliche" beziehungsweise "bürokratische Ordnung" bezeichnet wird , zu überwinden
und durch die "gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung" zu ersetzen,
d ie auf dem Islam basieren sol l . Dieses Ziel wird i n Etappen angestrebt: Schaffu ng ei­
ner lebenswerten Türkei durch Einfü h rung der gerechten, also islam ischen Ordnung,
dann die Errichtung einer Groß-Türke i , und sch ließl ich die Etablierung der gerechten
Ordnung für die ganze Welt beziehungsweise die gesamte Menschheit.
Zur Ideologie gehört auch ein Feindbild, das zunächst durch den Begriff "Batli" be­
schrieben wird . "Batli", der Aberglaube beziehungsweise "nichtige Ordnung", wird
g leichgesetzt m it Kapita l ismus und I mperialismus, der von den westlichen Staaten
ausgehe, allen voran den USA. Letztendl ich würden aber die USA, Kapita l ismus und
I mperial ismus vom Zionismus gesteuert. Dieses Feindbild mü ndet i n antisemitischen
Verschwörungstheorien u nd Haltungen , die bei Erbakan stets sehr deutlich hervortra­
ten und von vielen seiner Anhänger anscheinend geteilt werden .
304
ISLAMISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Die Ableh nung der "westlichen Demokratie" und damit auch der freiheitlichen demo­
kratischen Grundordnung durch die ' Milli Görü!?'-Ideologie sowie eine antisem itische
Grundei nsteilung ist durch Aussagen des Führers der ' Milli Görü!?' und seine program­
matischen Schriften belegt. Die I G M G bietet tatsächl iche Anhaltspunkte, die auf eine
Verbindung zur politischen Bewegung Necmettin Erbakans und der 'Milli Görü!?' und
damit auch zu deren Ideologie und antisemitischen Einstel lungen schl ießen lasse n .
Dies begründet d i e Beobachtung d e r I G M G durch d e n Verfassu ngssch utz gemäß § 3
Abs. 1 N r. 4 VSG N RW.
' M i lli Görüf in Deutschland
Die organisatorischen Wurzeln der ' Milli Görü!?' in Deutschland reichen bis in die M itte
der 1 970er Jahre zurück. Anfang der 1 980er kam es zu einer Krise, als ein erhebli­
cher Teil der damaligen 'Mi lli Görü!?'-Anhänger sich Cemaleddin Kaplan, dem spä­
teren "Kal ifen von Köln" und Gründer des 'Kalifatsstaats' zuwandte. Danach begann
eine Neustrukturierung der 'Milli Görü!?' in Deutschland durch Angehörige der 1 983
i n der Türkei gegründeten 'Refah Partisi', die h ierfür von Necmettin Erbakan nach
Deutschland entsandt worden waren. Die Verbindung zwischen der Bewegung in der
Türkei und der 1 985 gegrü ndeten 'Vereinigung der neuen Weitsicht in Europa eV'
('Avrupa Milli Görü!? Te!?kilatlan' - AMGT) war dementsprechend eng.
I m Zuge einer organisatorischen Neuordnung 1 995/96 entstand aus der AMGT die
heute bekannte Struktur der 'Milli Görü!?' in Europa mit der 'Europäischen Moschee­
bau- und Unterstützungsgemeinschaft' (EMUG) und der 'Islamischen Gemeinschaft
Milli Görü!?' (IGMG). Diese Neuorganisation spiegelt vor allem eine Aufgabentrennung
wider: Die EMUG verwaltet die I mmobilien, die IGMG übern immt Aufgaben i m religiö­
sen , kulturellen und sozialen Bereich .
Die I G M G selbst stellt die Neuorganisation als entscheidenden Einschnitt dar. Eine
neue Generation von Führungskräften sei aufgerückt und ' Milli Görü!?' in Deutschland
deshalb n icht mehr islamistisch . Richtig daran ist, dass nach 1 995 teilweise ein Ge­
nerationswechsel auch auf der Führungsebene stattgefu nden hat. Dennoch waren in
den Vorständen von E M U G und I G M G dieselben Personen vertreten , die zuvor den
Vorstand der AMGT gebildet hatten . M ittlerweile deutet vieles darauf h i n , dass etliche
M itglieder der IGMG - auch in den Vorständen - die Ideologie Necmettin Erbakans
n icht mehr tei len. Es ist derzeit jedoch noch eine enge Verbindung zu Erbakans 'Saa­
det Partisi' erkennbar.
ISLAMISMUS
305
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Struktur
I n Deutschland ist die IGMG organ isatorisch in 1 5 Reg ionalverbände u ntergliedert.
Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine. I n Nordrhein­
Westfalen gibt es mit Nord-Ruhr, Ruhr A, Düsseldorf und Köln vier Regionalverbände.
Weitere 1 9 Regionalverbände bestehen in zehn anderen westeuropäischen Staaten
sowie in Australien und Kanada. Die Generalzentrale der I G M G befindet sich in Ker­
pen. Neben dem Generalsekretariat sind die Tätigkeitsbereiche Organisation , J ugend,
Frauen , Bildung , Soziale Dienstleistu ng, religiöse Weisung und Öffentlichkeitsarbeit
eigene Abteil ungen .
Insgesamt gehören der I G M G nach eigenen Angaben 5 1 4 Gemeinden in Europa a n ,
davon 3 2 3 i n Deutschland. I n Nordrhein-Westfalen g i bt e s rund 1 1 0 Ortsvereine der
IGMG. Die I G MG gibt die Zahl ihrer M itgl ieder mit 87. 000 und die Größe der "Frei­
tagsgemeinde" (Besucher der Freitagsgebete i n den Moscheen) mit 300 . 000 an.
Aktivitäten
Abgesehen von der religiösen Betreuung in den Moscheen, zu den islamischen
Festen und Feiern, der Pilgerfahrt oder der Bestattung, bietet die I G M G auch ein
breitgefächertes Angebot auf kulturellem, sozialem und pädagogischem Gebiet an.
So werden Vortragsveranstaltungen , Gesprächskreise, Kurse für Frauen, Koranlese­
wettbewerbe und gesch lechtergetrennte Ferienlager für Kinder oder Computerkurse
a ngeboten. Auch Sportvereine und Studentenverein igungen gehören zur IGMG. Sie
unterhält darüber hinaus eine Rechtsabteilung, d ie die M itgl ieder in juristischen Fra­
gen , wie zum Beispiel in Einbürgerungsverfahren unterstützt.
Publikationen und Med ien
Die IGMG gibt eine eigene Monatszeitschrift heraus, die ' I G M G Perspektif, sowie
die organisationseigene Publikation 'camia' ('Gemeinschaft') , jeweils in türkischer
Sprache. Ein ige Artikel in der 'IGMG Perspektif werden regelmäßig auch i n deutscher
Übersetzung abgedruckt. Die Publikation 'camia' erscheint vierzeh ntägig und wird in
allen I G MG-Moscheen kostenfrei ausgelegt. I n haltl ich gliedern sich die Themen im
Wesentlichen i n Berichte aus der Generalzentrale, den Regionalverbänden, aus den
Moscheen , aus dem Bereich der J ugendarbeit sowie zu Themen aus dem religiösen
Kontext. Darüber h i naus werden weitere reg ionale oder für bestimmte Zielgruppen ,
etwa Kinder, gedachte Publ ikationen herausgegeben. Materialien und Bücher für
306
ISLAMIsMus
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 201 3
einen islamischen Religionsunterricht oder allgemein zum Islam gibt es ebenfalls von
der I G M G .
D ie Webseite der I G M G gestaltet s i c h vielseitig und anspruchsvoll. Es wird über Akti­
vitäten der Organisation berichtet, Presseerklärungen werden verbreitet und es be­
steht die Möglichkeit zum Download von Publikationen der I G M G .
Aktuelle Entwicklung v o n IGMG und ' M i l li Görü�' i n Europa
In den 1 980er und 1 990er Jahren machte die I G MG aus der engen Verbundenheit mit
dem Führer der ' M i l li Görü�', Necmettin Erbaka n , keinen Hehl und unterstützte seine
Partei und d ie Bewegung in der Türkei ideell und fi nanziell . Dementsprechend wurde
auch Erbakans ideologische Weitsicht klar erkennbar vertreten . Heute wird d iese
Ideologie n icht mehr in den Publ ikationen, Predigten oder auf den Veranstaltungen
der I G M G verbreitet.
Es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Verbreitung der 'Milli Görü�'-Ideologie
- insbesondere unter der Jugend - über 'M illi Görü�'-Internetforen, Webseiten und
soziale Netzwerke stattfindet. Diese sind rechtlich kei n Teil der I G M G , dennoch lassen
sie eine große Nähe zur Organisation erkennen. Die enthaltenen extremistischen
I nhalte sind auf der offiziellen Webseite der IGMG dagegen n icht zu fi nden. Dies lässt
vermuten , dass die I G MG-Zentrale bemüht ist, Erbakans islamistische Ideologie nicht
weiter zu verbreiten, sich aber Teile der Anhängerschaft andere Wege suchen, um
ihre Sichtweise zu propagieren.
Bezüge zur Ideologie Erbakans
Am 1 9. Mai 201 3 führte d ie IGMG i h ren Famil ientag "Tag der Brüderlichkeit und So­
l idarität" (Kardeslik ve Dayan isma Günü) im belgischen Hasselt durch. Die Großver­
anstaltung besuchten rund 20.000 Personen aus ganz Europa. Erstmalig nahmen an
der Veranstaltung neben mehreren hochrangigen Fu nktionären der 'Saadet Partisi'
(SP) Politiker der türkischen Regierungspartei 'Adalet ve Kalkmma Partisi' ('Gerech­
tigkeits- und Aufschwung-Partei' - AKP) tei l , darunter auch der stellvertretende M i nis­
terpräsident der Türkei. Dieser h ielt ebenso wie d ie Generalvorsitzenden von I G M G
und S P e i n e Rede. D i e Teil nahme von Politikern d e r A K P wurde von Teilen d e r I GMG­
Mitgl ieder sowie seitens der S P deutlich kritisiert.
ISLAMISMus
307
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Im Laufe des Jahres 20 1 3 konnten Kontakte zwischen Funktionären der IGMG und
der AKP, zum Beispiel durch Teilnahme an AKP-Veranstaltungen i n der Türkei und in
Deutschland, festgestellt werden . Ebenso besuchten 201 3 M itgl ieder und Funktionäre
der IGMG vereinzelt Veranstaltungen der S P i n der Türke i .
Die selten gewordenen Kontakte zu Funktionsträgern d e r S P, d e r politischen Vertre­
tung der 'M illi Görü�'-Bewegung, und das weitgehende U nterlassen der Berichterstat­
tung über diese wenigen Besuche könnten als Fortsetzung einer unausgesprochenen
Distanzierung von der 'Saadet Partisi' und ihren ideologischen I nhalten gedeutet
werden .
Eine gewisse Nähe der IGMG zur politischen Bewegung ' M illi Görü�' drückt sich
jedoch i n Anzeigen aus, d ie sie i n der 'Milli Gazete' veröffentlicht. Dort sind regelmä­
ßig Annoncen wie Kondolenzanzeigen und Genesungs- oder G lückwünsche sowie
Ankündigu ngen und Verlaufsberichte von regionalen und überregionalen Veranstal­
tungen der IGMG zu lesen. Verglichen m it den Anstrengu ngen und der Werbung für
die I G MG-eigenen Publ ikationen erscheint diese Berichterstattung jedoch kaum ins
Gewicht zu fallen. Die 'Milli Gazete' tritt jedoch entschieden für politische I n halte auf
der ideologischen Linie von Necmettin Erbakan und der 'Saadet Partisi' ein. Daher ist
davon auszugehen , dass d iese I n halte von Teilen der I G M G nach wie vor mitgetragen
werden .
Kolumnisten der 'Milli Gazete' hielten auch im Jahr 2 0 1 3 Vorträge und Seminare i n
Vereinen beziehungsweise Einrichtu ngen d e r I G M G .
A m 2 7 . Februar 20 1 1 verstarb d e r Führer d e r ' M i l l i Görü�'-Bewegung und Vorsitzen­
de der türkischen 'Saadet Partisi' (SP) Prof. Dr. Necmettin Erbakan in der Türke i .
Zum zweiten Jahrestag seines Todes wurde vielerorts in d e n I GMG-Ortsvereinen i n
Deutschland unter d e m Motto "Önden Gidenler" ( " D i e Vorreiter") d e r Pioniere u n d
Wegbereiter in d e r islamischen Geschichte, darunter Necmettin Erbakans, gedacht.
Funktionäre der S P nahmen hieran n icht tei l .
Seit geraumer Zeit i s t aus den Reihen d e r I GMG-Mitglieder Kritik am Führu ngsstil des
I G MG-Vorstands sowie an einer feh lenden Zusam menarbeit mit der S P zu verzeich­
nen. Darüber hinaus bestehen Anhaltspu nkte für wachsenden Unmut i nnerhalb der
S P an der Führung der I G M G .
A m 23. März 2 0 1 3 fand i n Bielefeld e i n e von Lobbyisten d e r S P organ isierte Veran­
staltung zum zweiten Jahrestag des Todes Necmettin Erbakans statt. Mehrere hoch-
308
ISLAM ISMUS
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
rangige Funktionäre der S P nahmen daran tei l . Funktionäre der I G MG-Generalzentra­
le waren nicht anwesend. Die Veranstaltung wurde durch die IGMG-Generalzentrale
nicht kommentiert.
Fatih Erbakan, Sohn des verstorbenen Necmettin Erbakan und hochrangiger Funk­
tionär der SP, gründete in der Türkei die 'Erbakan Vakfi' ('Erbakan-Stiftung'). 'Erba­
kan Vakfi' hat unter anderem das Ziel, das geistige Erbe von Necmettin Erbakan zu
pflegen. 20 1 3 form ierte sich eine 'Europa-Vertretung der Erbakan-Stiftung' ('Erbakan
Vakfi Avrupa Temsilciligi'). Die ' Erbakan-Stiftung Europa-Vertretung' organisierte meh­
rere Veranstaltungen unter anderem in Duisburg und Solingen mit Fatih Erbakan als
Hauptredner. Die Veranstaltungen fanden ei nen vergleichsweise geringen Publikums­
zuspruch. Funktionäre der I G MG-Generalzentrale nahmen nicht tei l .
D i e 'Saadet Partisi' i nitiierte vermutlich 20 1 3 d i e G ründung einer 'Saadet Partisi Alma­
nya Temsilciligi' ('SP - Deutschland-Vertretung'). Vorsitzender der Vertretung ist ein
ehemaliger I G MG-Gebietsleiter aus Süddeutschland. Die 'SP - Deutschland-Vertre­
tung' baut derzeit offensichtlich Strukturen in Nordrhei n-Westfalen sowie im gesamten
Bu ndesgebiet auf. 'Saadet Partisi' versucht vermutlich, schwindenden Einfluss in
Europa durch Aufbau einer eigenen Organisationsform aufzufangen, neue M itgl ieder
insbesondere aus den Reihen der I G M G zu gewinnen sowie Wäh lerpotenzial für die
anstehenden Kom munalwa hlen 20 1 4 i n der Türkei zu erschließen. Funktionsträger
der ' Erbakan-Stiftung' und der 'SP - Deutschland-Vertretung' i n Nordrhei n-Westfalen
haben i n der Vergangenheit zum Teil Funktionen i nnerhalb der IGMG ausgeübt.
Die vorgenannten neuen Organisationsstrukturen sind formal kein Bestandteil der
IGMG.
Personelle Umgestaltung
Seit der Wah l von Kemal Ergün zum Generalvorsitzenden im Jahr 20 1 1 ist ein fort­
währender personeller Umbau in nerhalb der IGMG-Struktur feststellbar. I nwieweit
d iese personelle U mstrukturierung i nnerhalb der IGMG Auswirkungen auf die ideo­
logische Richtung der IGMG hat, kan n noch nicht abschl ießend bewertet werden .
Eine eindeutige Abkehr von der Ideologie Erbakans ist bisher von der IGMG-Führung
jedenfalls nicht erklärt worden . Die Kontakte zur türkischen Regierungspartei AKP
scheinen jedoch weiter ausgebaut zu werden, während die zur S P zwar nicht abge­
brochen werden, aber doch abzukühlen scheinen.
ISLAMIsMus
309
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Strafverfah ren gegen IGMG-Führung
Wegen des Vorwurfs des Spenden betrugs und von Steuerstraftaten sind gegen meh­
rere Verantwortliche der Führungsebene der I G M G strafrechtliche Ermittlu ngsverfah­
ren durchgeführt worden . Das Landgericht Köln hat die von der Staatsanwaltschaft
Köln erstellte Anklageschrift angenommen. Der Tatvorwurf und die zu erwartende
öffentliche Hauptverhandlung stellen eine erhebliche Belastung für die Arbeit der
I G M G dar.
Ausblick
Seit geraumer Zeit sind Teile der IGMG i n hervorgehobener Position bemüht, d ie pol i­
tische Agenda in den H i ntergrund treten zu lassen und die Organisation mehr auf die
rel igiösen Belange zu konzentrieren. Damit einher geht eine allmähliche Loslösung
von der 'Saadet Partisi', der Vertreterin von Erbakans politischem und ideologischem
Erbe, die jedoch n icht ei ndeutig ausgesprochen wird . Eine eindeutige Klärung der
Haltung der IGMG zu Erbakans politischer "M ission" u nd seinen ordnungspolitischen
Zielen sowie seinen Feindbildern hat somit bis heute n icht stattgefu nden. Ebenso ist
die Haltung der IGMG zu den sich neu formierenden Organ isationen, beispielsweise
zur 'SP - Deutschland-Vertretung', derzeit nicht eindeutig. Die I G M G scheint nach
wie vor eng verbunden mit der von Erbakan gegründeten und inspirierten politischen
Bewegung 'Milli GÖrü:;; ' .
D i e Verbandspolitik der IGMG-Fü hrung zielt anscheinend darauf ab, einerseits einen
offenen Bruch mit 'Milli Görü:;; ' und ihren politischen Vertretern wie S P und 'Erbakan­
Stiftung' zu vermeiden, andererseits d iese - soweit mögl ich - zu ignorieren und i h nen
keinerlei U nterstützung zu gewähren. Die U nzufriedenheit der Erbakan-Anhänger
füh rte bereits dazu, dass man sich neben der I G M G neue Organisationsformen schuf.
Die N ichtbeachtung durch die I G M G sorgte 201 3 für weiteren Unmut. Die beschrie­
bene Entwicklung weist somit i n die Richtung einer allmählich fortschreitenden fakti­
schen Loslösung der I G M G von der Ideolog ie der 'Milli Görü:;; ' und ihren Protagonis­
ten .
310
I SLAMIsMus
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
7
Scientology Organisation (SO)
Sitz
M itglieder
20 1 3
20 1 2
Publikationen
I nternet
Bund
N RW
M ünchen
Düsseldorf
'Scientology Kirche Deutsch­ 'Scientology Kirche' und 'Ce­
lebnty Center'
land e V '*
Bund
N RW
4 . 000
ca. 500
4 . 500
ca. 600
' Kompetenz' (Verbreitung i n N RW), 'Freiheit' (bundesweite
Verbreitu ng), ' I mpact', 'Scientology News', 'Source', 'Celeb­
rity', 'Freewinds', 'OT-Universe' , 'The Auditor', 'Advance' (In­
ternationale Verbreitung)
Weit gefächertes mehrsprachiges Angebot
* Es handelt sich Jeweils um rechtlich selbstandlge, in eme mternatlonale Struktur emgebundene
Organisationen, die über das kontmentale Verbmdungsbüro in Kopenhagen beziehungsweise
vom Managementzentrum m Los Angeles gesteuert werden.
Beobachtung der 'Scientology O rganisation'
Der Verfassungsschutz beobachtet die 'Scientology-Organisation' (SO) seit 1 997 Das
Oberverwaltungsgericht M unster hat i n seiner Entscheidung vom 1 2 . Februar 2008
(OVG Münster, Urteil vom 1 2 .02.2008, 5A 1 30/05) die Rechtmäßigkelt der Beobach­
tung der 'Scientology Kirche Deutschland eV' (SKD) und der 'Scientology Kirche
Berli n e V.' (SKB) durch den Verfassungsschutz bestcitlgt Somit bestätigt das Gencht
die Auffassung des Verfassungsschutzes, das tatsächliche Anhaltspu nkte dafür vor­
liegen , dass die Kläger bzw. ihre Mitglieder nach wie vor Bestrebungen verfolgen , die
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung genchtet sind. Da die Revision
gegen das U rteil n icht zugelassen worden war, erhob SO zunächst eine N ichtzulas­
sungsbeschwerde. Sie wurde jedoch mit einem am 28. April 2008 beim OVG M ü nster
eingegangenen Schriftsatz zurückgenommen.
Die Organisation Ist weiterhin streng hierarchisch aufgebaut und wird nicht nur aus
den USA gesteuert, sondern auch d u rch die enorme Finanzkraft und die dortigen
politischen Einflussmöglichkeiten gestützt. Nach wie vor ergibt sich aus ihren Publika­
tionen, dass wesentliche Grund- und Menschenrechte wie die Menschenwürde, das
Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung
SCIENTOLOGY ORGANISATION
311
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
abgeschafft bzw. elngeschrankt würden, wenn eine nach ihrer Vorstellung gestaltete
Gesellschaft geschaffen würde.
Dabei bilden die standig neu aufgelegten Sch riften des SO-Gründers L Ron Hubbard
( 1 9 1 1 - 1 986) die Grundlage für die Ideologie und Zielsetzung der gesamten Organi­
sation - d ie Einführung einer scientologlschen Zwei klassengesellschaft:
"Eine ideale Gesellschaft ware eine Gesellschaft nichtaberrierter
Menschen. "1 56
Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen sieht daher keinen Anlass, die Beob­
achtung der 'Scientology Organisation' einzuschränken und in der Aufklarungsarbeit
nachzulassen.
M itgl iederzahlen der 'Scientology Organisation'
201 3 gehörten der 'Scientology Organisation' in Deutschland etwa 4 . 000 M itgl ieder an
(20 1 2 : bis zu 4.500) Ebenso wie auf Bundesebene war auch die Zahl der M itglieder
in Nordrhein-Westfalen Im Vergleich zum Bericht des Vorjahres leicht rückläufig. Stag­
nierte die Zahl im Vorjahr noch, so hat sie sich in 20 1 3 von circa 600 im Jahr 201 2 auf
etwa 500 M itglieder verringert.
Das Expansionsbestreben der Organisation ist allerdings weiter ungebrochen. So
konnte im Dezember 20 1 3 festgestellt werden, dass I m Rahmen einer Veranstaltung
in den USA durch den Anfuhrer der Organisation, David M lscavlge, das "Goldene Zeit­
alter der Tech, Phase 1 1 " ausgerufen wurde. H ierbei soll es sich um ein neu gestaltetes
"Ausbildungsprogramm" handeln. Ob sich d u rch d ieses Programm neue Mitglieder
rekrutieren lassen, wird Im Jahr 201 4 i m Fokus stehen.
156
(Anm. : Aberration Ist nach der Lehre von L. Ron Hubbard das Abweichen von der Scientology
Linie), Clears. die Ihr Leben In einer nichtaberrierten Kultur führen ,,[. . .} Vielleicht werden in
ferner Zukunft nur dem Nichtabernerten die Bürgerrechte vor dem Gesetz verliehen Vielleicht
Ist das ZIel irgendwann in der Zukunft erreicht, wenn nur der Nichtabernerte die Staatsbur­
gerschaft erlangen und davon profitieren kann. Dies sind erstrebenswerte Ziele. " (Hubbard,
"olanetik - Ein Leitfaden für den menschlichen Verstand", Ausgabe 2007. S. 482 f.)
312
SCIENTOLOGY ORGANISATION
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Se i H
OGY
Auszug der Startseite des Internetauftritts von Scientology
Beeinfl ussung der Politik
In der Öffentlichkeit ist die SO bestrebt, sich als u npolitische und demokratiekonforme
Religionsgemei nschaft darzustellen . Auch wen n sie nicht am Prozess der politischen
Willensbildung tei l n immt, dü rfte die angestrebte Veränderung der Gesellschaft hin
zu einer scientologischen Gemeinschaft i n den Augen der Organisation ohne eigene
politische E influssnahme n icht zu erreichen sei n .
S o s i n d 'Ideale Orgs' (SO-Abkürzung für Organisation) und 'Celebrity Center' i n Düs­
seldorf, i n Berlin und i n Zentren angesiedelt, in denen wichtige politische Entschei­
dungen i n Europa getroffen werden, zum Beispiel in unmittelbarer Nähe der Europäi­
schen Kommission in Brüssel.
Gerade dort wird intensive Lobbyarbeit geleistet. Es werden immer wieder Gespräche
angeboten, sch riftl iche E ingaben getätigt und I nfomaterial , wie Bücher, Broschüren
und DVDs verschickt.
SCIENTOLOGY ORGANISATION
313
Verfassungsschutzbencht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
Beeinfl ussung der Wirtschaft
Die 'Scientology Organisation' verfügt über einen eigenen WIrtschaftsverband namens
'World I nstitute of Scientology Enterprises' (WIS E ) sowie eigene Organisations- und
Managementstrategien Durch gesch icktes und verdecktes Marketing nähert sich
'Scientology' Firmen, insbesondere kleinen und mittelständischen U nternehmen Auf
diese Art und Welse soll sukzessive die I nfiltration der Wirtschaft betrieben und die
Macht der Organisation ausgebaut werden
Die M itglieder des WIS E-Verbandes, U nternehmer und Selbstständige, haben sich
über Lizenzvertrage verpflichtet, die Managementtechnike n von L . Ron Hubbard
anzuwenden und zu verbreiten . In den scientologlschen Strategien zur Ü bernahme
von Unternehmen eXistieren Anweisungen uber die genaue Vorgehensweise bel der
I nfiltration Dazu zählt beispielsweise die frühe Übernahme von geeigneten Positionen
innerhalb eines unabhängigen U nterneh mens, um dort auf raffinierte Welse die Tech­
nologie einzuführen und weitere Scientologen zu etablieren .
,,[ . . . ] Erobern Sie, egal wie, die Schlüsselpositionen, die Position als
Vorsitzende des Frauenverbandes, als Personalchef einer Firma, [ . ],
als Sekretärin des Direktors, als Berater der Gewerkschaft - irgendeine
Schlüsselposition. [ . . . ] handhaben und verbessern Sie die Leute, denen
SIe begegnen, [ . . . ] . "
(Hubbard-Kommunlkationsbüro, HCO-Bulletln vom 1 0. J u n i 1 960)
Zugehen auf Privatpersonen
Die erste Begegnung mit der Organisation erfolgt I n der Regel uber den persönlichen
Kontakt mit Mitgliedern, im Rahmen von I nformations- und Buchständen In Fußgän­
gerzonen , aber auch durch die immer stärkere Präsenz über das I nternet und die
neuen Medien wie Twitter, Facebook und Co. , welche vorzugsweise Junge Menschen
ansprechen sollen.
Unter dem Deckmantel der vermeintlichen Aufklärung über Menschenrechte und der
Forderung von Toleranz und Frieden sowie als I nitiative gegen Drogen nähern sich
Ihre Tarnorganisationen wie zum Beispiel 'Jugend fur Menschenrechte' und 'Sag nein
zu Drogen - Sag ja zum Leben', mit ihren sehr professionellen Internetprasenzen
j u ngen Menschen, um sie für die Organisation zu gewinnen Sie treffen damit die
314
SCIENTOLOGY ORGANISATION
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 20 1 3
J ugendlichen dort an, wo sie einen großen Tell Ihrer Freizeit verbringen. Das Angebot
zur Kontaktaufnahme der Jugendlichen mit 'Scientology' Ist dabei ebenso einfach wie
schnell . Oft reicht bereits eine E-Mail oder das Ausfullen eines Kontaktformulars. Da
'Scientology' unter dem Deckmantel zahlreicher Tarnorgan isationen auftntt, ist den
Jugendlichen in vielen Fällen nicht bewusst, dass sie mit d ieser Organisation kom­
mun izieren. Auch d ie Einfl ussmöglichkeiten von Erziehungsberechtigten Sind deshalb
häufig eingeschrankt.
Verstärkt zu beobachten war Im vergangenen Jahr auch die D u rchfLihrung von kos­
tenlosen Online-Kursen der 'Scientology Organisation'. Gerade In diesem Rahmen
kann scheinbar anonym über einen E-Mail-Account Kontakt zu der Organisation
aufgenommen werden. Der persönliche Umgang mit Scientologen ist anfangs nicht
erforderlich, wird jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zur Notwendigkeit Auch h ier ist
es für Erziehu ngsberechtige nur schwer möglich, Einfluss zu nehmen
N icht nur Menschen, d ie sich in einer individuellen Lebensknse befi nden und das
Bedü rfniS nach H i lfe und Gesprächspartnern haben, werden von den Angeboten der
Organisation oftmals angesprochen. Auch Menschen, d ie ihre Persönlichkeit selbst
oder ihre persönlichen Fähigkeiten weiter entwickeln wollen, werden durch einen
kostenlosen, pseudowissenschaftlichen "Persönlichkeitstest" OCA (Oxford Caplclty
Analysis) angesprochen. Dieser Test besteht aus gut 200 Fragen und zeigt Im Ergeb­
nis vermeintliche persönliche Defizite Im Bereich der Kommunikation und des Verhal­
tens auf. Diese können dann vorgeblich d u rch eine Teilnahme an kostenpflichtigen
Kursen der 'Scientology Organisation' behoben werden Der Erfolg d ieser sogenann­
ten "Weiterentwicklung" hängt davon ab, ob weitere Kurse und Auditl ngs157 absolviert
werden. I m Ergebnis soll dabei letztlich der "geklärte Mensch" (Clear) stehen.
Dieses System der aufeinander aufbauenden Ku rse, fLir deren Abschluss das M itgl ied
ein Zertifikat erhalt, wird bei der 'Scientology Organisation' "Die Brücke zur völligen
Freiheit" genannt. Erganzung finden diese Kurse In einer Vielzahl von Büchern , C D ,
D V D und Heimkursen.
Auf den ersten Kontakt mit SO und dem Absolvieren von Kursen erfolgt vielfach dann
eine stärkere Einbindung und Identifizierung mit der Organisation Zumeist erfolgt die­
se durch eine schnttweise Zuweisung von Aufgaben, Fest- oder Teilzeltanstellu ngen
sowie durch einen zuneh menden Gruppendruck. Durch gezlelte s u kzessive Abschot­
tung vor Kontakten mit der Familie und dem bisherigen SOZialen U mfeld gelangen
1 57 Anm . Mischung emer "verhorähnllche Sitzung" und emes psychotechnischen Verfahrens
SCIENTOLOGY ORGANISATION
315
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Menschen i n einen Kreislauf, der einhergeht mit der fortschreitenden Identifizierung
mit den Zielen der Organ isation . I m E rgebnis kann dieser Prozess dazu fuhren, dass
jegliche Kritik und Zweifel an der SO ausschaltet werden.
Präventionsangebot des Verfassungsschutzes
Um vor den RIsiken und Gefahren der SO frühzeitig zu warnen, betreibt der Verfas­
sungssch utz Nordrhein-Westfalen intensive Präventionsarbeit. H ierzu werden ent­
sprechende I nformationsmaterialien zur Verfügung gestellt sowie bei Bedarf Sensibili­
slerungs- und I nformationsvorträge bis hin zu E Inzeigesprachen für alle interessierten
Firmen, U nternehmen und Personen angeboten.
Darüber h inaus werden Ausstiegswillige oder besorgte Familienangehörige auch an
die vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Sekten-I nfo N RW e V i n Essen verwie­
sen, wo eine umfangreiche Betreuung angeboten werden kann.
316
SCIENTOLOGY ORGANISATION
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
S pionageabwehr
8
Schwerpunkte des Verfassungssch utzes N RW im Bereich der Spionageabwehr waren
im Jahr 2 0 1 3 weiterhin
die Aufklärung von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste, insbesondere der Staa­
ten China, Russland und I ran sowie
die Aufklärung und Beratung von Unternehmen, Verbänden und Organisationen im
Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage und proliferationsrelevanten Geschäften .
A b Anfang J u n i 201 3 gerieten zudem aufgrund zahlreicher Berichterstattungen in den
Medien bis dahin nicht bekan nte nachrichtendienstliche Aktivitäten des US-amerika­
nischen Nach richtendienstes National Secu rity Agency (NSA) sowie des britischen
Government Commun ications Headquarters (GCHQ) in den Blickpu nkt der Öffentlich­
keit.
8.1
Erkenntnisse ü ber nachrichtendienstl iehe Aktivitäten
8. 1 . 1
Volksrepublik China
Es sind bisher keine Anzeichen dafür erkennbar, dass die chinesische Führung auf
den bestehenden personalstarken Sicherheitsapparat zur Stabilisierung ihres Macht­
anspruches absehbar verzichtet. E r leistet weiterhin seinen Beitrag zur Erhaltung der
i nneren Ordnung. I m Vordergrund steht dabei d ie nachdrückliche Bekämpfung oppo­
sitioneller Kräfte im In- und Ausland, d ie von der chinesischen Führung als d ie "Fünf
G ifte" bezeichnet werden . H ierzu gehören die Demokratiebewegung, die Anhänger ei­
nes unabhäng igen Taiwan , die Anhänger eines unabhängigen Tibet, die Falun Gong­
Praktizierenden und die turkstäm migen (muslimischen) U iguren. Sie stellen in den
Augen der chinesischen Führung weiterhi n die größte Gefahr für die i n nere Stabilität
des Landes dar. Zuständig für die Bekämpfung der "Fünf Gifte" ist nach wie vor der
zivile Nachrichtendienst "Ministry of State Security" (MSS). Wesentl iche Aufgaben des
"Ministry of Public Secu rity" (MPS), als "Ministerium für die öffentliche Sicherheit" sind
die Überwachung des I nternets und die Überprüfung von Aktivitäten von Ausländern
in China. Die militärische Auslandsaufklärung sowie der Schutz der eigenen Streitkräf­
te l iegt in der Hand des "Mil itary I ntell igence Department" ( M I D).
SPIONAGEABWEHR
317
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Daneben ist das unm ittelbar a n das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Chinas (KPCh) angebundene "Büro 6 1 0" für d ie Aufklärung und Bekämpfung von
Falun Gong zuständig. Bei Falun Gong handelt es sich um eine spirituelle Meditati­
onsbewegung, die i n China entstand und dort - im Gegensatz zur E inschätzung ihrer
Aktivitäten in Deutsch land - als Gefahr für die innere Ordnung wahrgenommen wird .
Auch i n Nordrhein-Westfalen besteht eine aktive, bundesweit vernetzte Falun Gong­
Gemeinde. Sie wird vom Verfassungssch utz des Landes Nordrhein-Westfalen n icht
beobachtet, da von ihr h ier keine erkennbaren Gefahren ausgehen und sie daher
n icht als extremistisch eingestuft wird. Die Angehörigen treten a nlässlich von chine­
sischen Staatsbesuchen oder bei g rößeren Veranstaltungen m it China-Bezug in den
Zentren vieler deutscher Städte immer wieder mit Mahnwachen und I nfoständen in
Erscheinung. So feierten Anhänger im Mai 201 3 i n Düsseldorf den 2 1 . Jahrestag der
Veröffentlichung der Lehren von Falun Gong sowie den 62. Geburtstag ihres Mentors
Li Hongz h i . Anfang J u n i 20 1 3 nahmen sie am 1 7. Bielefelder Carnival der Kulturen
tei l . Chinesische Nachrichtendienste n utzen diese Veranstaltungen regelmäßig zur
Beobachtung.
Gleichzeitig unterstützen die Nachrichtendienste nach wie vor nachhaltig d ie An­
strengungen Chinas, seine wirtschaftliche Vormachtstellung im asiatischen Raum
auszu bauen . Dazu zählt das Ziel, bis zum Jahr 2020 nicht mehr von ausländischen
Technologien abhängig zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Dienste weiter­
h i n intensiv bemüht, durch Wirtschaftsspionage sensible Daten über entsprechende
Produkte und das dahinterstehende Know-how zu beschaffen. Während der russische
Auslandsnachrichtendienst ausdrücklich den gesetzl ichen Auftrag hat, "die wiltschaft­
liehe Entwicklung und den wissenschaftlich-technischen Foltschritt des Landes durch
Beschaffung von wiltschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Informationen
durch die Organe der Auslandsaufklärung zu fördern", weist in der Vol ksrepublik
China bereits die Zahl der Angehörigen der Nachrichtendienste (mehrere H u nderttau­
send) und der organisatorische Aufbau auf die Zielrichtung der Auslandsaufklärung
h i n . Es gibt jeweils eigene Arbeitsbereiche für die verschiedenen Aufklärungsfelder
und Wirtschaftsräume, zum Beispiel Westeuropa und damit auch Deutschland.
Nordrhein-Westfalen mit seinen hoch in novativen kleinen und mittleren U nternehmen
sowie seinen vielen U n iversitäten , Fachhochschulen, Forsch ungseinrichtungen und
Technologie- und Gründerzentren steht dabei besonders im Fokus nachrichten­
d ienstlicher Aktivitäten. Neben der klassischen Methode russischer oder iran ischer
Nachrichtendienste, zum Beispiel Angehörige ihres Nachrichtendienstes mit H i lfe von
d i plomatischen und konsularischen Vertretungen, sogenan nten Legalresidenturen,
318
SPIONAGEABWEHR
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
zu tarnen, bedienen sich chinesische Nach richtendienste für den illegalen Wissen­
stransfer zum Teil auch der Hilfe hier dauerhaft lebender Chinesen oder von Gastwis­
senschaftlern , Studenten und Praktikanten, die sich vorübergehend i n Deutschland
aufhalten . Zahlreiche Hinweise lassen zudem den Schluss zu, dass chinesische
Nachrichtendienste nach wie vor bemüht sind, m it H i lfe "elektronischer Angriffe" I nfor­
mationen zu beschaffen.
Die nord rhein-westfäl ische Spionageabwehr füh rt Sensibilisierungsgespräche mit
Kontaktpersonen erkannter Nachrichtendienstoffiziere. In Fällen, i n denen Privatper­
sonen oder Behördenvertreter einen nachrichtend ienstlichen Hi ntergrund vermuten ,
steht d ie Spionageabwehr ebenfalls für Gespräche, auf Wunsch auch vertraul ich , zur
Verfügung .
8.1 .2
Russische Föderation
Die russische Föderation verfügt weiterh i n über die drei im Bericht des Jahres 20 1 2
näher beschriebenen, personalstarken Nachrichtendienste FSB (Föderaler Si­
cherheitsd ienst), SWR (Ziviler Auslandsnachrichtendienst) und GRU (Mil itärischer
Auslandsnachrichtendienst). Sie sind wesentliche Eckpfeiler der russischen Sicher­
heitsarch itektur. Neben der Beschaffung von I nformationen zur Aufrechterhaltung
der Inneren Sicherheit ist die nachrichtendienstliche Aufklärung i m Ausland durch die
genannten Dienste ein wichtiger Faktor zur Vorbereitu ng politischer E ntscheidungen.
Die Bundesrepublik Deutschland und i nsbesondere Nordrhein-Westfalen sind auf­
grund ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung nach wie vor wichtige Ziele
nachrichtendienstlicher Aktivitäten Russlands.
Bei den breitgefächerten Zielen der S pionage stehen die Bereiche, die Einfluss auf
russische Interessen neh men kön nen , traditionell im Vordergru n d . Deshalb liegt ein
besonderer Fokus der russischen Spionage weiterh i n auf der Bündnis- und Außenpo­
litik der Bundesrepublik Deutschland. Für Russland, als großem Lieferanten fossiler
Brennstoffe, sind daneben aktuelle energie- und wirtschaftspolitische Entscheidun­
gen der Regierung von besonderem I nteresse. Die U msetzung der Energiewende in
Deutschland kann beispielsweise d i rekte wi rtschaftl iche Auswirkungen i n Russland
haben.
Ein G roßteil der Informationsbeschaffung durch die russischen Nach richtend ienste
erfolgt über offen zugängl iche Quellen . Dazu zählen die Auswertung von Medien und
SPIONAGEABWEHR
319
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
I nternet, der Besuch von Messen sowie Gespräche a n lässl ich gegenseitiger Delega­
tionsbesuche. Daneben setzen die russischen Nachrichtendienste weiterhi n auf die
klassischen Methoden. I nsbesondere die diplomatischen und konsularischen Vertre­
tungen der Russischen Föderation, sogenannte Legalresidenturen, dienen der Tar­
nung ihrer Angehörigen in Deutschland. Das g ilt ebenso für einige russischen U nter­
nehmen, die ihren Sitz in Deutsch land, darunter auch in Nordrhein-Westfalen , haben.
Die Bedeutung d ieser Einrichtungen kann an der nach wie vor hohen Personalstärke
abgelesen werden . Die Ei nrichtungen dienen Angehörigen russischer Nachrichten­
dienste in erster Linie dazu, unter Legende offizielle Kontakte zu einer Vielzahl von
Gesprächspartnern aus den Bereichen Politik und Wirtschaft wahrzu nehmen. H i nwei­
se auf derartige Kontaktversuche haben sich im Berichtsjahr 20 1 3 auch in Nordrhein­
Westfalen ergeben.
Zur Verschleierung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten dient ebenso der Einsatz
von sogenannten I llegalen . Es handelt sich dabei um Personen , die als Nachrich­
tendienstoffiziere von der Zentrale u nter einer Falschidentität eingeschleust werden
und - häufig über viele Jahre - in der Bu ndesrepublik Deutschland unauffällig leben.
U nter diesem Deckmantel führen sie zum Teil aufwendige nachrichtendienstliche
Operationen aus. In diesem Zusammenhang ging 201 3 in Stuttgart der Prozess
gegen ein 20 1 1 festgenommenes Ehepaar zu Ende. Die Angeklagten, die seit mehr
als 20 Jahren als " l l Iegale" i n Deutschland lebten , wurden wegen ei nes besonders
schweren Falls der geheimdienstlichen Agententätigkeit zu sechs bzw. fünfeinhalb
Jahren Haft verurteilt15B Bei beiden handelt es sich nach den Ermittlungen um russi­
sche Staatsangehörige, deren tatsächliche Identität allerdings bis heute unbekannt
blieb. Als "l llegale" nahmen sie eine Scheinidentität an und operierten i m Auftrag des
SWR, ohne im Sch utz ihrer Botschaft zu stehen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit fü h rten sie
einen niederländ ischen Diplomaten als sogenannte Quelle und erlangten klassifizierte
NATO-Erkenntnisse.
Zur Sensibilisierung vor den Gefahren nachrichtendienstlicher Tätigkeit füh rt der
Verfassungssch utz des Landes Nordrhein-Westfalen auf Wunsch - unabhäng ig von
konkreten Verdachtsfällen - I nformationsveranstaltungen durch. Im E inzelfall berät er
auch vertraulich, wen n sich Anhaltspunkte für den Verdacht eines Angriffs durch einen
fremden Nachrichtendienst ergeben.
158
320
O L G Stuttgart, Urteil
SPIONAGEABWEHR
v.
02. 07.2013, Az. 4 b
-
3 StE 5/1 2.
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
8.1.3
Islam ische Republik I ran
Bei den iranischen Nachrichtendiensten handelt es sich vor allem um den zivilen In­
und Auslandsnachrichtendienst "Ministry of I nformation and Security" (MOlS) sowie
den Nachrichtendienst der iran ischen Revolutionsgarden, das "Revolutionary Guards
I ntelligence Department" (RGID). Aufklärungsschwerpunkt von M O l S und RG I D ist
die Überwachung und Bekämpfung der iranischen Opposition im In- und Ausland.
Darüber hinaus spielen klassische Spionageziele wie Politik, Mil itär, Wirtschaft und
Wissenschaft ausländ ischer Staaten eine bedeutende Rolle.
In Nordrhein-Westfalen, wie i m gesamten B undesgebiet, gehen die nachrichtendienst­
lichen Aktivitäten des I ran vor allem vom M O l S aus. Beobachtungsschwerpunkt ist
dabei die Exil-Opposition , insbesondere die in Nordrhein-Westfalen stark vertretene
'Vol ksmodjahedin I ran-Organisation' (MEK) beziehungsweise deren politischer Arm ,
der 'Nationale Widerstandsrat I ran' (NWR I ) . Dabei versucht das MOlS, die Exil-Oppo­
sition durch I nfiltration zu überwachen oder durch gezielte Propaganda zu diskreditie­
ren . Neben der Ausspähung Oppositioneller zeigt das M O l S I nteresse an Vertretern
der deutschen Politik und Wirtschaft sowie an Personen mit Zugang zu d iesen Berei­
chen. Der Spionageabwehr l iegen vereinzelte H inweise auf Kontaktaufnahmen durch
den iran ischen Nachrichtendienst vor, die im Rahmen von Reisen deutscher oder
deutsch-iranischer Staatsangehöriger in den I ran erfolgt sind.
Darüber h inaus geht ein Großteil der nachrichtendienstlichen Aktivitäten i n Deutsch­
land von der Legalresidentur des M O l S an der I ranischen Botschaft in Berlin aus.
Diese u nterhielt auch im Berichtsjahr Kontakte zu Personen in Nordrhein-Westfalen .
Langfristige nachrichtendienstliche Kontakte zu in Deutschland lebenden Personen
pflegt das MOlS allerdings auch durch persönliche Treffen im Ausland, vor allem im
Iran. Insgesamt konnte im Berichtsjahr eine Zunahme nachrichtendienstlicher Aktivitä­
ten des I ran in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum Vorjahr festgestellt werden.
8 . 1 .4
Berichterstattung in den Medien ü ber nach richtendienstliche Aktivitäten
der USA und Großbritanniens
Anfang Juni 20 1 3 begannen zunächst zwei internationale Presseorgane mit ihrer Be­
richterstattung über bis dahin n icht öffentlich bekannte nachrichtendienstliche Aktivi­
täten des US-amerikanischen Nach richtendienstes "National Security Agency" (NSA).
Die Berichterstatter stützten sich dabei auch auf geheim eingestufte Dokumente, d ie
ihnen nach eigenen Angaben vorlagen beziehungsweise die sie einsehen konnten.
SPIONAGEABWEHR
32 1
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Die NSA verfüge nach diesen Dokumenten unter anderem über einen unmittelbaren
Zugriff auf d ie Kommunikation und die gespeicherten Daten bei einer Reihe großer,
weltweiter Telekommun ikationsanbieter. Allein in Deutschland überwache sie syste­
matisch ru nd 500 Millionen Kommunikationsverbindungen monatlich. Sie nutze dazu
ein Programm, das in Kurzform mit "PRISM" bezeichnet wurde. Auch das britische
"Government Communications Headquarters" (GCHQ) überwache die I nternetkom­
munikation, die über transatlantische Seekabel erfolgt. In Kurzform wurde d ieses
Programm als "Tempora" bezeichnet. Nach weiteren Presse berichten seien auch ein
Mobilfunktelefon der Bundeskanzlerin sowie weitere Politiker überwacht worden. Auch
die internen Computersysteme der diplomatischen Vertretungen der Europäischen
U n ion in Washington und bei den Verei nten Nationen in New York sollen nachrichten­
d ienstlich infiltriert worden sei n .
Die Presseveröffentlichungen erfolgten zunächst o h n e Angabe d e r Quelle. Nach kur­
zer Zeit gab Edward Snowdon , ein ehemaliger Mitarbeiter U S-amerika nischer Nach­
richtendienste und M itarbeiter einer der NSA nahestehenden Beratungsfirma, i n ei­
nem Interview bekannt, er habe den Medien die entsprechenden Dokumente zukom­
men lassen . Daraufh in erging gegen Edward Snowdon i n den U SA ein H aftbefehl. Er
hielt sich zu diesem Zeitpunkt i n Honkong auf. Zwischenzeitlich soll er nach Angaben
seines Anwaltes für die Dauer eines Jahres Asyl in Russland erhalten haben. Bis zum
E nde des Jahres 20 1 3 gab es zahlreiche weitere Veröffentlichungen ausländischer
und deutscher Medien über bis dahin nicht bekannte mutmaßliche Aktivitäten auch
anderer westlicher Nachrichtendienste.
Die von Medien gegen die Aktivitäten westlicher Nach richtendienste erhobenen Vor­
wü rfe waren unter anderem Gegenstand zahlreicher parlamentarischer Anfragen, dar­
unter auch im Landtag des Landes Nord rhein-Westfalen . An der Beantwortung dieser
Anfragen war der Verfassungsschutz N RW beteiligt. Das Bu ndesamt für Verfassungs­
schutz hat zur Aufklärung der Presseveröffentlichungen eine Sonderauswertungs­
gruppe eingesetzt. Die Ermittlu ngen zur Erstellung des Abschlussberichts dauern
noch an. Die Bundesregierung hat nach Bekanntwerden der Presseveröffentlichungen
damit begonnen, die Vorwü rfe unter Beteiligung der betroffenen Staaten aufzuklären.
E i n abschließendes Ergebnis steht noch aus.
Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhei n-Westfalen verfügt über keine eigenen
I nformationen zu den i n den Medien gegenüber der NSA und anderen Nachrichten­
d iensten erhobenen Vorwürfen, insbesondere über tech n ische Details zu den Angrif­
fen. Die Landesregierung hat das Bundesm in isterium des Inneren zudem wiederholt
322
SPIONAGEABWEHR
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
auch zu der Frage angeschrieben, inwieweit dort Erkenntnisse zu einer Überwachung
der Parlamentskommun ikation oder der Kommun ikation der Landesverwaltung in
Nordrhein-Westfalen durch ausländ ische Nachrichtendienste vorliegen. Diese Schrei­
ben sind jeweils in der Weise beantwortet worden , dass dem Bundesmin isterium des
I nneren keine Erkenntnisse vorl iegen .
8.2
Abwehr von Wirtschaftsspionage
Der Schutz vor Wirtschaftsspionage war auch im Jahr 20 1 3 ein Schwerpunkt der
Arbeit des nordrhein-westfäl ischen Verfassu ngsschutzes. U nter Wi rtschaftsspionage
versteht man dabei die staatlich gelenkte oder gestützte Ausforschung von Wirt­
schaftsunternehmen und Betrieben, die von Nachrichtendiensten fremder Staaten
ausgeht. Von Konkurrenzausspähung, die umgangssprachl ich auch als I ndustriespi­
onage bzw. Betriebs- oder Werksspionage bezeichnet wird, spricht man hingegen,
wen n die Ausforschung eines Unternehmens durch einen Wettbewerber erfolgt. Eine
exakte G renzziehung zwischen den beiden Formen illegaler Informationsbeschaffung
wird dabei zunehmend schwieriger. I nsbesondere in den Fällen, in denen Angreifer
die mit der Globalisierung verbundene Digital isierung der Kommunikation für ihre
Zwecke m issbrauchen, sind häufig nur wenige Anhaltspunkte dafür vorhande n , wer
tatsächl ich h inter dem Ang riff steht.
Nach auf Befragungen von Unternehmen basierenden U ntersuchungen wird ge­
schätzt, dass i n der Bundesrepublik Deutschland jährlich Schäden zwischen 20 und
50 Milliarden Euro durch Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität entstehen .
Dabei gehen die Sicherheitsbehörden von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Die
Ursache liegt dari n , dass betroffene U nternehmen i n vielen Fällen sowohl versuchte
als auch erfolgreiche Ang riffe entweder gar nicht feststellen oder aber aus Sorge
vor Imageverluslen die von ihnen identifizierten Ang riffe weder der Polizei noch dem
Verfassungsschutz mitteilen.
Belastbare absolute Zahlen zum wirtschaftlichen Schaden l iegen deshalb nicht vor.
Er könnte sich in Nordrhein-Westfalen mit seinen rund 760.000 U nternehmen in Höhe
eines zweistell igen Milliardenbetrags belaufen. Es geht aber nicht allein um fin anzielle
Schäden. Das ausgespähte und gestohlene Know-how kann für die Konkurrenzfähig­
keil von Unternehmen wesentlich sein. Der Diebstahl von Konstruktionsplänen für ein
neues Bauteil kann beispielsweise i m sch limmsten Fall die Insolvenz für das betroffe­
ne U nternehmen zur Folge haben. Ein Produkt kan n vor dem "Erfinder" auf den Markt
kommen, erwartete Gewinne können ausbleiben und jahrelange Entwicklungsarbeit
SPIONAGEABWEHR
323
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
mit entsprechend hohen Kosten n icht refi nanziert werden und das Kapital für zukünf­
tige I nvestitionen kann in einer solchen Situation fehlen. Darüber h inaus kann d ie
Wettbewerbsfä higkeit einer ganzen Branche beeinträchtigt werden , so dass auch der
Allgemeinheit durch den Wegfall von Arbeitsplätzen oder geringere Steuereinnahmen
ein Schaden entsteht.
Fremde Nachrichtendienste haben das Ziel, auf untersch iedlichen Wegen I nforma­
tionen abzuschöpfen und Know-how zu beschaffen, um der eigenen Volkswi rtschaft
Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder tech nologische Lücken zeitnah zu schlie­
ßen . Grundsätzlich sind alle Wirtschaftsbereiche, U nternehmen und Branchen von
Wirtschaftsspionage bedroht, die erfolgreich im nationalen und vor allem im inter­
nationalen , g lobalen Wettbewerb stehen. Besonders betroffen sind bundesweit die
Forschu ngs- und Entwicklungsabteilu ngen von U nternehmen aus den Bereichen
Rüstu ng, Luft- und Raumfahrt, Satellitentech nik, Masch inenbau , Medizin- und Mik­
rotechnologie, erneuerbare Energien wie Windkraftanlagen und Sonnenkollektoren,
Biotech nologie sowie Chemie. Zu den großen U nternehmen kommen i n Nordrhein­
Westfalen und i n den Regionen die sogenan nten "hidden champions" h inzu . Dies sind
kleine und mittlere U nternehmen mit hoch innovativer Techn i k und Produkten, die
häufig auf dem Weltmarkt an der Spitze stehen, i n der Öffentlichkeit aber-wen iger be­
kannt sind. Sie stellen beispielsweise elektronische Bauteile wie Steckverbindu ngen
her oder produzieren Zubehörteile für Autos oder für Rüstungsgüter. Aber auch klei­
ne U nternehmen mit neuen Marktideen ("Start U ps") und einem Potenzial für große
Marktchancen sind für Wirtschaftsspionage von I nteresse.
Im Fokus von Wirtschaftsspionage stehen neben innovativer Tech n i k und Erkenntnis­
sen aus Forschung und Entwicklung auch Kundendaten, Marketingpläne sowie sen­
sible Betriebs- und Geschäftsdaten von U nternehmen nahezu sämtlicher Branchen.
Dazu gehören zum Beispiel I nformationen über Herstellungsverfahren, Konstrukti­
onsu nterlagen, S pezialwerkzeuge und Steuerungssysteme, Forschungsergebnisse,
Produktideen, Personaldaten, Kunden- und Lieferantenbeziehungen, Lagerbestände,
Verkaufsstrategien , Absatz- und Vertriebswege, Budgetplanungen, Kalkulationsu nter­
lagen und I nvestitionsvorhaben sowie U nternehmensstrategien der nächsten Jahre.
Gerade Forschungsergebnisse gewinnen zunehmend an Bedeutu ng. Sie ersparen
der heimischen Wirtschaft zum einen eigene kostenintensive Forschung und E ntwick­
lung, zum anderen ermöglichen die daraus entstehenden Wettbewerbsvorteile i nsbe­
sondere, sich gegenüber Konku rrenzunternehmen mit eigenen Produ kten am Markt
zu etablieren und zu behaupten.
324
SPIONAGEABWEHR
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Besondere Sensibilisierung für Gefahren tech n ischer Angriffe
Der seit längerem festgestellte Trend, dass Wirtschaftsspione bevorzugt illegale,
technische Angriffe nutzen, um I nformationen über das Know-how von Unterneh men
u nd deren sensiblen Daten zu erlangen, setzte sich 201 3 fort. In Nordrhei n-Westfalen
sind eine Vielzahl innovativer und hochspezialisierter klein- und mittelständischer
U nternehmen sowie renommierte U niversitäten, Fachhochschulen, Forschu ngsein­
richtungen und Technologie- und Gründerzentren angesiedelt. Das Land steht daher
weiterhin im Fokus der Angreifer. Wirtschaftsspione nutzen dabei insbesondere tech­
n ische Schwachstellen , die sich i mmer wieder im Zusammenhang m it der rasanten
Entwicklung und weltweiten Nutzung moderner Kommunikationsmittel ergeben. Diese
Angriffe sind für die Betroffenen häufig n icht oder nur schwer erkennbar, da die An­
greifer immer subtilere Methoden wählen und diese fortwährend perfektioniere n . I m
E inzelfall nutzen Wirtschaftsspione aber auch gezielt die Arg- und Sorglosigkeit der
Mitarbeiter von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen im Umgang mit
modernen Medien aus, um an sensible I nformationen zu gelangen.
Eine wirksame Prävention gegen derartige Ang riffe ist nach wie vor der beste Schutz.
Der Verfassungsschutz N RW hat deshalb auch i m Jahr 20 1 3 seine u mfangreiche Prä­
ventionsarbeit mit zahlreichen Vorträgen vor Multiplikatoren fortgesetzt. Eine Vielzah l
von U nternehmen und Einrichtungen wurden s o über kon krete Gefahren u n d für wirk­
same Schutzkonzepte sensibilisiert. Neben Berichten über d ie aktuelle Gefährdungs­
lage und die klassischen Methoden der Wirtschaftsspionage hat der Verfassungs­
schutz N RW dabei auch ein besonderes Augenmerk auf die Gefahren gelegt, die sich
aus der zunehmenden Nutzung sozialer Netzwerke für Spionagezwecke ergeben.
Problemfeld Soziale Netzwerke
Das sogenannte Social Web bietet Nach richtendiensten Ansatzpunkte für klassische
Methoden der Wirtschaftsspionage, beispielsweise dem Ausnutzen unbesonnenen
oder fahrlässigen menschl ichen Verhaltens. Social Networks sind in diesem Zusam­
menhang für die Dienste eine "wahre Fundgrube". M itarbeiter in Unternehmen legen
oft unbewusst eine Vielzahl von I nformationen über sich , ihren Arbeitsplatz, über ihre
Position im U nternehmen , ihr berufl iches Wissen, aber auch über ihre Arbeitskollegen ,
Freunde und Bekannten offen. Nachrichtendienste finden in diesen Daten wesentli­
che Ansatzpunkte, um zunächst eine vermeintliche zwischenmenschliche Beziehung
aufzubauen . Mit zunehmender Dauer dieser Beziehung versuchen sie, unter Vortäu­
schen falscher Tatsachen, zum Beispiel über gemeinsame "Vorlieben", das Vertrauen
SPIONAGEABWEHR
325
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
des Angegriffenen zu gewinnen. Diese Methode, die als Social Eng ineering bezeich­
net wird , ist häufig der erste Ansatzpunkt, um technische Angriffe vorzubereiten . E­
Mails, i n denen man sich über gemeinsame "Vorl ieben" austauscht, werden genutzt,
um in deren Anhängen verborgene "Spionagesoftware" zu übermitteln. Unbedarft
geöffnet ermöglichen sie Nachrichtendiensten m it H ilfe dieser Software unbemerkt i n
Firmennetzwerke einzudringen und sensible Daten abzugreifen. Häufig bleiben diese
Angriffe für d ie betroffenen U nternehmen bis zum Ei ntritt eines wirtschaftlichen Scha­
dens zunächst unentdeckt. U nternehmensverantwortl iche sollten deshalb mit ihren
Beschäftigten sogenannte Social Media Gu idelines vereinbaren, die Art und Umfang
der Kommunikation mit U nternehmensthemen für alle Beteiligten verbindlich regel n .
Sicherheitsl ücken i n Standardsoftware
Technische Ang riffsversuche konzentrieren sich häufig auf bisher unbekannte
Schwachstellen i n Standardsoftware, die millionenfach auf Computern i n der ganzen
Welt eingesetzt wird. Nachrichtendienste, die über entsprechende fi nanzielle und
personelle Ressourcen sowie den notwendigen tech n ischen Sachverstand verfügen ,
setzen im E inzelfall auf eigene, speziell für einen Angriff entwickelte Schadprogram­
me. Zunehmend erfolgen Angriffe aber auch automatisiert. Sie werden wie "mit einer
Schrotflinte" auf eine möglichst große Anzahl von mit dem I nternet verbundenen
Rechnern gerichtet. Zunächst geht es darum, die Schwachstellen d ieser Systeme zu
erken nen, um sie anschl ießend zielgerichtet für die eigenen Zwecke ausn utzen zu
können . I nzwischen sollen tägl ich in deutl ich sechssteiliger Höhe neue Varianten von
Viren, Trojanern und Würmern entdeckt werden . Ob es sich dabei in der Mehrzahl um
kriminelle Machenschaften oder auch um gezielte nachrichtend ienstliche Operatio­
nen handelt, lässt sich nur schwer ei nschätzen. Die große Anzahl d ieser gefährlichen
Schadprogramme macht es jedoch zuneh mend schwieriger, geeignete Schutzlösun­
gen zu entwickeln und vor allem der Wirtschaft rechtzeitig zur Verfügung zu stellen .
Herausforderung fü r die Unternehmenssicherheit
Die Mögl ichkeiten digitaler Kommunikation und Vernetzu ng werden ständig weiterent­
wickelt. Insbesondere die mobile Kommunikation - zum Beispiel m it H ilfe von Smart­
phones oder Tablet-PCs - wird dabei immer wichtiger. Diese Entwicklu ngen nehmen
zunehmend Einfluss auf den Erfolg von U nternehmen . Gleichzeitig steigen damit d ie
Herausforderungen an eine wirksame Umsetzung der U nternehmenssicherheit. Aus
Sicht des Verfassungssch utzes sollten deshalb Daten, die entscheidende Teile des
326
SPIONAGEABWEHR
Verfassu ngsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Unternehmens-Know-hows beinhalten, n icht i n einem Firmennetz abgelegt werden ,
das an das I nternet angeschlossen ist. Regelmäßig dürfte der U mfang dieser Daten
nicht mehr als 5 Prozent betragen. Diese auch als "Kronjuwelen" eines Unterneh­
mens bezeichneten Informationen sollten vielmehr i n besonderer Weise vor einem
unberechtigten Zugriff gesch ützt werden. H ierzu bedarf es eines umfassenden und
ganzheitlichen Sicherheitskonzepts, das sowohl organ isatorische u nd tech n ische,
als auch bewusstseinsbildende (Stichwort "Awareness") Maßnahmen beschreibt und
verbindlich festlegt.
Vertrauliche U nterstützung durch den Verfassungsschutz
Trotz teilweiser hoher drohender oder tatsächlich eingetretener wirtschaftl icher Schä­
den durch versuchte oder erfolgreiche Spionageang riffe verzichten U nternehmen
immer noch darauf, sich im Einzelfall an den Verfassungssch utz zu wenden. Sie
befürchten vor allem Imageschäden oder Reputationsverluste. U m derartige Befürch­
tungen zu minimieren, sichert der Verfassu ngsschutz betroffenen Unternehmen Ver­
traulichkeit im Umgang mit entsprechenden I nformationen zu. Im Fokus der Aufklä­
rung von Spionageangriffen steht dabei für den Verfassungsschutz, Erkenntnisse über
das methodische Vorgehen der Angreifer und deren Ziele zu gewinnen. Diese werden
u nter Wahrung der Vertrau l ichkeit ausgewertet und fließen in anonymisierter Form i n
neue Sicherheitskonzepte z u m Schutz d e r heimischen Wi rtschaft ein.
Dig itale Ang riffe auf Computernetzwerke von Firmen h interlassen häufig nur wenige,
schwer zu identifizierende oder nur kurzfristig zu sichernde d igitale Spuren. Wird ein
entsprechender Angriff festgestellt, verzichten U nternehmen manchmal auf eine pro­
fessionelle Beweissicheru ng. Gründe dafür liegen in erster Linie darin, dass das Fir­
mennetzwerk umgehend wieder zur Verfügung stehen muss, um zum Beispiel einen
Produ ktionsausfall zu vermeiden. Eine Schadensm inderu ng oder eine Identifizierung
des Ang reifers als wesentliche Vorsorge zur Vermeidung künftiger Fälle wird dad u rch
erheblich erschwert oder sogar u nmöglich gemacht. Der Verfassungsschutz empfiehlt
deshalb, zusätzlich zu einem ganzheitlichen Sicherheitskonzept einen Notfal lplan zu
erstellen , i n dem Eskalationsstufen und Verantwortlichkeiten i n nerhalb des U nterneh­
mens beschrieben sind. Ergänzend sollte d ie Expertise der Sicherheitsbehörden auf
Landes- und B undesebene umgehend h inzugezogen werden .
Darüber h i naus geht d e r Verfassungsschutz d e s Landes Nordrhein-Westfalen jedem
konkreten Verdachtsfall konsequent nach und ermittelt dazu auch vor Ort. Er steht
dazu allen U nternehmen zum Beispiel bei
SPIONAGEABWEHR
327
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Verdacht eines Ang riffs auf I nformations- und Kommunikationstechnik,
Anhaltspunkten für Know-how-Verl ust,
S icherheitsvorfä l len i n Auslandsn iederlassungen und auf Geschäftsreisen ,
untypischen Einbruchsdelikten,
Spionageverdacht gegen Mitarbeiter und Fremdpersonal sowie
unerklärlichen Auftragsrückgängen oder unerklärlichem Verlust von Marktanteilen
als Ansprechpartner zur Verfügung.
Prävention d u rch I nformation
Bereits 2001 wurde in Nordrhein-Westfalen eine Sicherheitspartnerschaft gegen
Wirtschaftskriminalität in Nordrhein-Westfalen gegründet. In dieser öffentlichen Part­
nerschaft haben
das M i n isterium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen
(Verfassu ngsschutz und Polizei) ,
d a s M i n isterium für Wirtschaft, Energie, I ndustrie, Mittelstand und Handwerk,
der Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen eV und
die Vereinigung der I ndustrie- und Handelskammern in Nordrhei n-Westfalen e V
die Absicht erklärt, gemeinsam gegen Wirtschaftskrim inal ität vorzugehen.
Im aktuellen Berichtszeitraum hat diese Sicherheitspartnerschaft gemeinsam m it dem
Bundesamt für Sicherheit i n der I nformationstechnik (BSI) eine Reihe von öffentl i­
chen Veranstaltungen in wirtschaftl ichen Schwerpu nktregionen durchgefü hrt. Die
Teil nehmer erhielten aktuelle I nformationen zur Bedrohungslage, zu neuen Angriffs­
technologien, Empfehlu ngen zum Schutz der eigenen Wettbewerbsvorteile sowie zur
planvollen und erfolgreichen Sicherung von Spuren d ig italer Angriffe auf d ie U nterneh­
mensnetzwerke.
Zusätzlich haben die M itarbeiterinnen und M itarbeiter des Verfassu ngsschutzes Nord­
rhein-Westfalen 201 3 insgesamt 1 97 überwiegend mittelständ ische U nternehmen für
die Gefahren der Wirtschaftsspionage sensibil isiert. Der nordrhein-westfälische Ver­
fassungsschutz versteht sich dabei als Dienstleister, der Prävention durch I nformation
anbietet. Durch die Veranstaltungen konnten rund 4.800 M ultiplikatoren erreicht wer­
den. Vielen Teil nehmern war dabei bisher nicht bekannt, dass der Verfassungsschutz
auf Anfrage kostenfrei bei öffentl ichen Veranstaltungen und in U nternehmen vor Ort
328
SPIONAGEABWEHR
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
im Rahmen eines Vortrages oder einer individuell abgestimmten Maßnahme sensibili­
siert und unterstützt.
Der Verfassu ngsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich deshalb für 2 0 1 4
d a s Ziel gesetzt, seine Sensibilisierungs- u n d Beratu ngsangebote weiter z u verstär­
ken .
Der Kontakt z u den Ansprechpartnern d e s Wirtschaftsschutzes beim Verfassungs­
sch utz N RW kann bei Verdacht auf Spionageaktivitäten oder zur Nutzung eines kos­
tenlosen Sensibilisierungs-/Beratungsangebotes, auf Wunsch auch vertraulich,
telefonisch unter der Rufnummer 02 1 1 - 871 2821
oder
per E-Mail an die Adresse kontakt.verfassungsschutz@mik1 . nrw.de
erfolgen.
8.3
Aufklärung und Abwehr von Proliferation
U nter Prol iferation wird d ie Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemi­
schen Massenvernichtungswaffen beziehungsweise der zu ihrer Herstell ung verwen­
deten Produkte sowie entsprechender Waffenträgersysteme einschließlich des dafür
erforderlichen Know-hows verstanden.
Bei prol iferationsrelevanten Staaten wie I ran, Nordkorea, Syrien oder Pakistan steht
zu befürchten, dass Massenvernichtungswaffen in Konflikten eingesetzt oder als poli­
tisches Druckmittel genutzt werden .
Wesentl iche Entwicklungen in 201 3
Trotz des erheblichen Drucks der internationalen Staatengemeinschaft unternahm
insbesondere der I ran im Jahr 201 3 weiterhin zahlreiche proliferationsrelevante An­
strengungen , seine Nuklear- und Raketenprogramme kontinuierlich voranzutreiben.
I m Berichtszeitraum war das Land erneut absoluter Bearbeitungsschwerpunkt der
nordrhein-westfäl ischen Prol iferationsbekämpfung. Die Spionageabwehr konnte im
Berichtsjahr insgesamt 7 1 Beschaffungsversuche beobachten, die defin itiv oder m it
einer hohen Wahrscheinl ichkeit zugu nsten iranischer Programme zur Entwicklung und
Herstellung von Massenvernichtungswaffen erfolgte n . Damit befi nden sich die Werte
weiterhin auf einem konstant hohen Niveau (20 1 2 : 69). In über 95 Prozent der Fälle
SPIONAGEABWEHR
329
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
erfolgte keine Auslieferung von Waren, da die Spionageabwehr rechtzeitig Warnun­
gen an die betroffenen U nternehmen aussprechen konnte oder bereits sensibilisierte
Firmen verdächtige Anfragen als solche erkannten und n icht bedienten.
Obwohl I ran im Berichtsjahr weitere Fortsch ritte bei seinen nuklearrelevanten Produk­
tionsanlagen gemacht hat, ist das Land bei der Weiterentwicklung des Programms bei
weitem noch nicht autark. Die Beschaffung entsprechender Produkte sowie die An­
eignung des erforderlichen Know-hows erfolgt häufig in westlichen Industrienationen.
Aufgrund der oftmals führenden Stellung der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft
in vielen proliferationsrelevanten Bereichen sowie dem auch h istorisch bed ingt hohen
Ansehen deutscher Produkte i m I ra n , steht die Bu ndesrepublik im besonderen Fokus
iranischer Beschaffungsstellen. Dies gilt verstärkt auch für Nordrhein-Westfalen, da
hier nicht nur eine Vielzah l relevanter U nternehmen und Forschungseinrichtungen
firmiert, sondern auch eine beachtliche Anzahl von U nternehmen, die i n iranischem
Staatseigentum stehen oder sehr staatsnah agieren.
Wie in den Vorjahren wandten sich Einkäufer aufgrund der strengen deutschen Ex­
portkontrollvorsch riften in den seltensten Fällen direkt aus dem I ra n an die betroffenen
U nternehmen. Stattdessen wurden umfangreiche Beschaffungsnetzwerke unter Ein­
bindung von Firmen in D rittstaaten (sogenannte U mgehu ngsausfuhren) genutzt. Ziel
ist stets, das liefernde U nternehmen über den eigentlichen Endverwender sowie den
geplanten Verwendungszweck zu täuschen.
Gegenstand ira nischer Anfragen waren 201 3 primär sogenan nte Dual-use-Güter159,
vor allem Vakuum- und Messtech nik, aber auch wichtige Anlagenteile zur Aufrecht­
erhaltung oder Modernisierung von in Nu klearanlagen betriebenen Maschinen und
Anlagen. So gelang es der Spionageabwehr im Berichtsjahr beispielsweise, in der
ira nischen U rankonversionsanlage i n Isfahan eingesetzte Schlüsseltechnik zu identifi­
zieren und h ierfür benötigte Ersatzteillieferungen aus Nordrhein-Westfalen zu verhin­
dern.
Laut der I nternationalen Atomenergiebehörde ( IAEO) sind i n der Urananreicherungs­
anlage in Natanz inzwischen 1 5 .420 Gasultrazentrifugen des Typs I R-1 sowie etwa
1 .000 Zentrifugen des deutlich leistu ngsfähigeren Typs
I R-2 installiert. Zudem konnten bis November 201 3 über 1 0. 000 Kilogramm leichtan­
gereichertes U ra n mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 5 Prozent sowie knapp
159
Produkte, die sowohl zivile als auch militärische beziehungsweise nukleare Relevanz aufwei­
sen.
330
SPIONAGEABWEHR
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
1 90 Kilogramm hochangereichertes U ran mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 20
Prozent hergestellt werden . Für die N utzung des U rans in einem Nuklearsprengkopf
ist jedoch ein Anreicherungsgrad von mehr als 80 Prozent erforderlich. Allerdings ist
der Anreicherungsprozess für einen Anreicheru ngsgrad von 5, 20 oder 80 Prozent
nahezu identisch . Dies versetzt den I ra n damit grundsätzlich in die Lage, die Anlage
in Natanz auch militärisch zu nutzen. Neben Natanz verzeichneten auch die Uranan­
reicherungsanlage i n Fordow und der Schwerwasserreaktor i n Arak, mit dessen H i lfe
nuklearwaffenfähiges Plutonium gewonnen werden könnte, Fortschritte beim Bau
oder bei technischen I n stallationen.
Auf diplomatischer Ebene konnte nach der Wahl des ira nischen Präsidenten Ruha­
n i eine Annäherung zwischen dem I ra n und dem Westen beobachtet werden. Am
25. November 20 1 3 konnte in Verhandlungen zwischen I ra n und den Vetomächten
des U N-Sicherheitsrates sowie Deutschland (sogenannte 5+1 G ru ppe) eine Verein­
baru ng erzielt werden , i n der sich der I ran zu einer Beschränkung seiner Urananrei­
cherung sowie zu einer intensiveren Zusammenarbeit mit der IAEO verpfl ichtet. I m
Gegenzug werden bislang eingefrorene Gelder des I ra n teilweise freigegeben sowie
Exportbeschränku ngen in verschiedenen Bereichen aufgehoben . Die Vereinbarung
gilt zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten. U ngeachtet dessen bleiben die
Exportbeschränku ngen gegen das N u klear- sowie die Trägertechnologieprogramme
von Lockerungen ausgenommen.
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Syrien bleibt abzuwarten, i nwiefern das Land
auch kü nftig als prol iferationsrelevant einzustufen ist. Trotz der Sicherung der Che­
miewaffenbestände sowie eines Rückbaus entsprechender Produktionsstätten durch
die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) im Oktober 20 1 3 dürfte
das Land weiterhin über eine hohe Anzahl leistungsfähiger Waffenträgersysteme
verfügen.
I nformations- und Aufklärungsangebote
Neben der Bearbeitung konkreter Verdachtsfä l le u nd der Identifizieru ng von Beschaf­
fu ngsnetzwerken führte die Spionageabwehr im Berichtsjahr erneut zahlreiche Sen­
sibilisierungsgespräche mit nord rhein-westfälischen U nternehmen und Einrichtungen
im Bereich von Wissenschaft und Forschung. Ziele dieser Gespräche sind die Auf­
klärung u nd die frühzeitige Unterbindung möglicher Prol iferationsgeschäfte sowie die
Verhi nderung u nzulässigen Know-how-Transfers. Die Gesprächspartner werden auf
die Gefahren illegaler Lieferungen sowie Methoden bei prol iferationsrelevanten Be-
SPIONAGEABWEHR
331
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
schaffungen h ingewiesen. Grundsätzlich steht die Spionageabwehr i n diesem Bereich
jedem Bedarfsträger für ein vertraul iches Gespräch zur Verfügu ng.
Bei der Prol iferationsbekämpfung steht die nord rhein-westfälische Spionageabwehr
in einem intensiven I nformationsaustausch mit anderen Verfassungsschutzbehörden
des Bundes und der Länder, dem Bu ndesnachrichtendienst sowie dem Zollkriminal­
amt und dem Bu ndesamt für Wirtschaft und Ausfuh rkontrolle.
332
SPIONAGEABWEHR
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
9
Prävention, Aussteigerprogram me
Der Verfassu ngsschutz beteiligt sich aktiv an Maßnahmen zur Extremismusprävention
in Nordrhein-Westfalen . Dazu zählt die Aufklärung der Bürgerin nen und Bürger über
Ideologien, Strukturen und Strategien verfassungsfeind licher Organisationen und Par­
teien bei. Diese Aufklärung ist ein zentrales Element der Arbeit des nordrhein-west­
fälischen Verfassungsschutzes und beugt extremistischen Aktivitäten vor, i ndem die
Wachsamkeit der demokratischen Öffentlichkeit gestärkt und somit das Fundament
einer wehrhaften Demokratie gefestigt wird. Weiterhin erarbeitet der Verfassungs­
schutz N RW Aussteiger- und Präventionsprogramme i n den Bereichen Rechtsextre­
mismus und Islamismus. Seit mehr als zehn Jahren ist das nordrhein-westfälische
Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten i n der Abteilung Verfassu ngsschutz im
Ministerium für I nneres und Kommu nales angesiedelt und leistet H ilfe für Rechtsex­
trem isten, d ie diese Szene verlassen und neue Wege gehen möchten. M it dem Ziel,
Radikalisierungsprozesse zu vermeiden, die zur Beteiligung an islamistischen, insbe­
sondere gewaltbereiten salafistischen Aktivitäten führen können, entsteht zurzeit das
Präventionsprogramm "Wegweiser", ein gemeinsames Projekt des Ministeriums für
I nneres und Kommu nales mit Partnern aus Kommunen und freien Trägern. Seit M itte
April 201 3 werden die Präventionsmaßnahmen sowie das Engagement in Aussteiger­
und Präventionsprogrammen im neuen Referat "Prävention, Aussteigerprogramme"
des Verfassungsschutzes N RW gebündelt.
Aufklärung nimmt extrem istische Propaganda i n den Fokus
Zum Themenfeld Rechtsextremismus führt der Verfassu ngsschutz Aufklärungsveran­
staltungen in allen Landesteilen durch - im Jahr 20 1 3 über 1 00 Veranstaltungen zu
diesem Thema mit rund 4 . 700 Teilneh menden . Etwa 60 Prozent der Veranstaltungen
richteten sich an ein Fachpublikum - überwiegend an Beschäftigte von Justiz- und
Sicherheitsbehörden oder a n pädagogische Fach kräfte i n Schulen und der au ßer­
schul ischen J ugendbildung. Rund 40 Prozent der Veranstaltungen fanden im Rahmen
von U nterrichtsreihen oder Projekttagen für Schülergruppen statt. H ierzu zählen die
Präventionstage 20 1 3 "Für Demokratie - gegen Rechtsextremismus", die die Lan­
deszentrale für politische Bildung i n Kooperation m it dem Ministerium für I nneres
und Kommunales sowie dem Schulministerium N RW für Schülerinnen und Schüler
ab der 9. Klasse veranstaltet hat. Eine bewährte Zusammenarbeit findet mit vielen
Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) statt. Auf Einladung hält der
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
333
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Verfassungsschutz N RW dort Vorträge oder füh rt halb- oder ganztägige Workshops
durch, i n denen sich Lehramtsanwärterinnen und -anwärter mit I nhalten und Werbe­
strategien rechtsextremistischer J ugendmedien auseinandersetzen , i nsbesondere mit
rechtsextremistischer Musik und I nternetvideos. Die Methoden und Muster, mit denen
sich Rechtsextremisten an Jugendliche wenden , standen 201 3 auch im Bl ickpunkt
dreier Studientage mit jeweils 1 00 bis 1 40 Teil nehmenden und einem breiten Work­
shopangebot an Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung in Bielefeld, Dortmund
und Hamm. Auf Einladung der ZfsL hat der Verfassungsschutz N RW die Studientage
mitgestaltet. Die Behörde beteiligt sich außerdem a n D iskussions- und I nformations­
veranstaltungen diverser Bildungsträger und anderer zivilgesellschaftlicher Stellen.
Dies kön nen zum Beispiel Politische Stiftungen sein , Volkshochschulen , U niversitä­
ten , Parteien oder kirchliche Einrichtu ngen.
Besondere Akzente der Präventionsarbeit lagen 20 1 3 auf I nformationen für Beschäf­
tigte des nord rhein-westfälischen Strafvollzugs sowie für Vertreterinnen und Vertreter
der Sportvereine und -verbände.
Aktuelle E ntwicklungen in der rechtsextremistischen Szene standen im Mittelpunkt
von I nformationsveranstaltungen für Vertreterinnen und Vertreter aller J ustizvoll­
zugsanstalten in N RW, zu denen das M i nisterium für I nneres und Kommunales und
das Justizmin isterium N RW gemeinsam eingeladen hatten. Zu den Schwerpu nkten
zählten die modernisierten Erscheinu ngsbilder der rechtsextremistischen Szene, ihre
Bemühungen , zu Strafgefangenen Kontakt zu halten, um den Ausstieg zu verhindern,
und insbesondere das Aussteigerprogramm N RW. Dieses ist seit geraumer Zeit mit
vielen JVA in regelmä ßigem Kontakt. Es bietet auch Strafgefangenen Begleitung und
Unterstützung an, wen n sie eine neue Perspektive entwickeln und die rechtsextremis­
tische Szene dauerhaft verlassen möchten. Die Veranstaltungen richteten sich unter
anderem a n die Ansprechpartneri n nen und -partner der Justizvollzugsanstalten zum
Thema Rechtsextremismus sowie an Vertreterinnen und Vertreter des Sozialdienstes
der JVA (Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter).
Der Verfassu ngsschutz N RW hat sich darüber hinaus an mehreren Veranstaltungen
beteiligt, um zum Themenfeld "Sport und Rechtsextremismus" zu inform ieren und
zu sensibil isieren. Sportvereine und -verbände sind wichtige Akteure der Rechts­
extremismusprävention , indem sie Zugehörigkeit, Respekt und Fairplay vermitteln.
Andererseits zeigen sich spezifische Problemfelder des Sports, wie zum Beispiel
Schn ittmengen zwischen Rechtsextremismus und gewaltbereiten Fan-Szenen. Der
Verfassu ngsschutz N RW informierte zu diesem Thema im November 20 1 2 auf der
334
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Sitzung der Ständigen Konferenzen der Verbände und Bünde im Landessportbu nd.
Auf dieser Sitzung und auf seiner M itgl iederversammlung im Februar 201 3 hat sich
der Landessportbund deutlich gegen Rechtsextremismus positioniert und weitere
Maßnahmen beschlossen. H ierzu zählen I nformationsangebote, die allen S portverei­
nen in N RW zu diesem Thema zur Verfügung stehen . Mit diesem Ziel hat der Verfas­
sungsschutz N RW i m J u l i 20 1 3 Mitarbeiter des Landessportbundes fortgebildet, die
seither über die Vereine sowie die Stadt- und Kreis-Sportbünde als Referenten zum
Thema Rechtsextremismus angefragt werden können.
Zum Themenfeld Islamismus haben Aufklärungsveranstaltu ngen des Verfassungs­
schutzes vor allem für Sicherheitsbehörden und pädagogische Fachkräfte in Schulen
und außerschul ischer J ugendbildung stattgefu nden. Der Schwerpunkt lag dabei ins­
besondere auf Inhalten und Entwicklungen der salafistischen Szene.
So finden seit Dezember 20 1 3 auch Veranstaltungen für Vertreterinnen und Vertre­
ter der J ustizvol lzugsanstalten zum Thema Islamismus und dem Präventionspro­
gramm Wegweiser statt.
Der Verfassu ngsschutz N RW ist Kooperationspartner der im Dezember 201 3
wieder aufgelegten I nformationsreihe "Zwischen Islam und Islamismus?! Lebens­
weiten junger M usliminnen und Muslime" der Landeszentrale für politische Bildung
N RW. Die Reihe richtet sich an Lehrkräfte und informiert über d ie Themen Islam
und Islamismus sowie die U nterschiede zwischen beiden Bereichen. Dabei werden
auch pädagogische Interventionsmöglichkeiten vorgestellt und d iskutiert.
Zudem nehmen M itarbeiteri nnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes an
zahlreichen Veranstaltungen von Kommunen und anderen Akteuren als Referenten
teil und bringen ihr Fachwissen ein. Auch bei g rößeren überreg ionalen Veranstal­
tungen bringt der Verfassungsschutz regelmäßig seine Expertise ein und stellt
sich einer kritischen Öffentlichkeit, so z . B . bei der Fachtagung: SALAFI S M U S I N
D EUTSCHLAND - Erscheinungsformen u n d Ansätze für die Präventionsarbeit i m
Jugendbereich am 2 1 .06.20 1 3 i m Rathaus Köl n .
D e r Verfassungsschutz w a r außerdem im Rahmen d e r Islamismusprävention
Kooperationspartner des dreijährigen Modellprojekts .,Ibrahim trifft Abraham" in
Düsseldorf, welches vom Bundesfami l ienministerium bis zum Jahr 201 3 gefördert
wurde. Ziel des Projektes war, die Dialog- und Toleranzfäh igkeit von Jugendlichen
zu stärken und sie zu befähigen, islamistische Eindeutigkeitsangebote zu iden­
tifizieren und zu h interfragen. Das Projekt verfolgte dabei einen interrelig iösen
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
335
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
(und auf Partizipation ausgerichteten) Ansatz und richtete sich an Jungen mit
Migrationshintergrund, die zum Teil aus bildungsbenachteiligten Familien kamen .
Wichtiger Bestandteil d e s Projekts waren die Arbeit i n moderierten Dialoggruppen
sowie gemeinsame Freizeitaktivitäten . Dazu gehörten vor allem Besuche in un­
terschiedlichen Gotteshäusern wie der Synagoge i n Düsseldorf sowie der neuen
Moschee und des Doms in Köl n . Die J ugendlichen haben anschl ießend i n Form
von jährl ichen Wettbewerben Bildungsangebote für Gleichaltrige zu dem Motto
"I brahim trifft Abraham" entworfen, um diese über das Gelernte zu informieren. D ie
besten Wettbewerbsbeiträge wurden von einer J u ry ausgewählt und umgesetzt.
So hat unter anderem ein Vorschlag gewonnen , bei einem Flashmob mit H i lfe von
Leuchtmitteln d ie Symbole der drei großen Religionen Christentum, Judentum und
I slam zunächst einzeln und dann als ein großes Peace-Zeichen zu legen und ein
Video von der Aktion bei Facebook einzustellen.
Raus aus der rechtsextremistischen Szene - das Aussteigerprogramm h i lft
Bereits seit Juli 2001 gibt es in Nordrhein-Westfalen
ein Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten . Die­
ses wurde im Rahmen des Aktionsprogramms gegen
Rechtsextremismus gestartet und arbeitet seither erfolg­
reich mit Ausstiegswilligen, die U nterstützung bei ihrer
Abkehr von der rechtsextremistischen Szene benötigen.
Durch das im Jahr 20 1 2 beschlossene Acht-Punkte­
Programm der Landesregierung zur Bekämpfung des
Rechtsextremismus wurde das Aussteigerprogramm
personell weiter verstärkt und d ie Aktivitäten ausgeLogo des Aussteigerprogramms für
Rechtsextremisten
weitet. Das Aussteigerprogramm betreut nach wie vor
Personen, die selbst den Kontakt aufgenommen haben,
spricht aber inzwischen auch Rechtsextremisten aktiv
a n , d ie ausstiegswillig sein könnten, um eine Distanzierung von der Szene zu fördern
und die Unterstützung des Aussteigerprogramms anzubiete n . Das Programm wen­
det sich an alle, die Kontakte zur rechtsextremistischen Szene u nterhalten: a n Füh­
rungspersonen, Aktivisten und M itläufer. Unterstützung im Ausstiegsprozess leisten
sowohl männliche Ausstiegsbetreuer als auch eine Ausstiegsbetreuerin . Damit kann
den besonderen Bedürfnissen ausstiegswilliger Mädchen und Frauen im Bedarfsfa l l
Rechnung getragen werden . Bis E n d e 20 1 3 haben 2 8 6 Personen d e r rechtsextremis­
tischen Szene Kontakt zum Aussteigerprogramm aufgenommen. Aus unterschiedli-
336
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
chen Gründen entsteht n icht aus jedem Erstkontakt ein intensiver Betreuu ngsprozess .
I nsgesamt haben mehr als 1 30 Personen, d i e i m Aussteigerprogramm N RW zum
Teil über mehrere Jahre betreut wurden , die rechtsextremistische Szene endgültig
verlassen. Im Jahr 20 1 3 wurden durch das Aussteigerprogramm N RW kontinu ierl ich
zwischen 40 und 45 Personen bei ihrem Ausstiegsprozess begleitet.
Den Ausstiegswilligen soll die Möglichkeit eröffnet werden , sich aus den in sich ge­
schlossenen Strukturen ihres rechtsextrem istischen U mfelds zu lösen und der Pers­
pektivlosigkeit den Rücken zu kehren. Die einzige Voraussetzung für eine Aufnahme
in das Programm ist der ernsthafte Wille zum Ausstieg u nd der damit verbu ndene
glaubhafte Wunsch nach Veränderung - von den Ausstiegswilligen wird nicht erwar­
tet, I nformationen über ihr rechtsextremistisches Umfeld preiszugeben.
I m Bürger- und Service Center n rw.direkt der nordrhein-westfäl ischen Staatskanzlei
ist die "Helpl ine"-Nummer zur telefon ischen Kontaktaufnahme eingerichtet, aber auch
über E-Mail kann Verbindung mit dem Aussteigerprogramm aufgenommen werden .
Die Ausstiegsbetreuer oder die Ausstiegsbetreuerin reagieren schnell und unbürokra­
tisch auf die eingehenden Kontaktwünsche. Häufig sind die Ausstiegswilligen arbeits­
los, stammen aus belasteten Familiensituationen, sind strafrechtlich i n Erscheinung
getreten oder haben Alkohol- und/oder Drogen probleme. M it jedem E inzelnen entwi­
ckelt das Team des Programms ein persönlich zugeschnittenes Ausstiegskonzept und
begleitet die Umsetzung. Dabei spielt einerseits die Stabilisierung der Lebenssituation
nach der Abkehr vom bisherigen U mfeld eine große Rolle. In diesem Stadium sind
praktische H ilfestellungen wichtig, wie zum Beispiel H i lfe bei Behördengängen, bei
der Arbeitsplatzsuche, bei Qualifizierungsmaßnahmen , bei Umzug, Familienzusam­
menführung und H aftbetreuung oder auch bei der Kontaktaufnahme zu Suchtbera­
tungen und psychologischen Einrichtungen. In vielen Fällen sind auch Anti-Gewalt­
Trainings dringend notwendig. Darüber h inaus sind Tattoos mit eindeutigen rechtsex­
tremistischen, zum Teil strafbaren Symbolen und Codes, die aus der aktiven Zeit i n
d e r Szene stammen, ein häufiges Problem von Aussteigern. I n a l l e n Fällen sucht d a s
Team m i t d e m Klienten nach geeigneten Lösungen.
Auf der anderen Seite sind die Aufarbeitung der bislang verin nerlichten ideologischen
Einstell u ngen und Denkmuster und die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen
Verhaltensweise m indestens ebenso wichtige Aufgaben im Ausstiegsprozess. H ierzu
werden in intensiven Gesprächen szenetypische Argumentationen aufgearbeitet und
der Grundstein für Verständnis und Akzeptanz demokratischer Werte gelegt. Das
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
337
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Aussteigerprogramm verfolgt m it seiner Arbeit das Ziel, rechtsextremistisches Perso­
nenpotenzial zu reduzieren, einschlägige Straftaten zu verh indern, die rechtsextre­
mistische Szene zu verunsichern, gefährdete Aussteiger zu schützen und die kritische
Auseinandersetzung des Ausstiegswilligen mit rassistischen und a nderen u ndemokra­
tischen Denkmustern zu führen.
Das Aussteigerprogramm N RW ist i n Netzwerke eingebu nden, die den kontinuierli­
chen Austausch von I nformationen u nd Erfahru ngen sicherstellen, Fortbildu ngsmög­
lichkeiten anbieten und I m pulse geben, um das Programm fortzuentwickel n . Das Pro­
gramm ist einerseits an regelmäßigen Arbeitstagungen im Netzwerk der staatlichen
Aussteigerprogramme des Bundes und der Länder beteiligt. Andererseits bestehen
feste Kontakte zu den Staatsschutzdienststellen der Polizei , zu Fachstellen der Kom­
munen und zu n ichtstaatlichen Einrichtungen i n Nordrhein-Westfalen .
Die Arbeit des Aussteigerprogramms N RW ist im Jahr 2006 zum ersten Mal evaluiert
worden - es wird zurzeit eine weitere Evaluation durch ein externes wissenschaft­
l iches I n stitut vorbereitet, die 20 1 4 begi n nen wird . Diese Evaluation ist für das Aus­
steigerprogramm ein wichtiger Schritt, um seine Arbeit durch den Blick von au ßen zu
prüfen, Verbesserungspotenziale zu erkennen und dafür Sorge zu tragen , dass das
Aussteigerprogramm N RW ein erfolgreicher Baustei n im Kampf gegen den Rechtsex­
tremismu s bleibt.
Präventionsprogramm "Wegweiser" w i l l Radikalisierung im extremistischen
Salafismus vorbeugen
Der gewaltbereite Salafismus ist zurzeit d ie am stärksten wachsende Szene innerhalb
des Extremismus. Das stellt insbesondere Eltern oder das U mfeld vor Fragen. Sie be­
obachten zum Beispiel Veränderungen bei J ugendlichen, sind sich aber unsicher, ob
tatsächlich eine Rad ikalisierung vorliegt. Oder sie benötigen konkrete Unterstützung
für eine Perso n , die bereits Kontakte zur salafistischen Szene hat und wieder heraus­
gelöst/herausgeholt werden soll .
Allen, die Fragen zu d e n Themen Salafismus u n d Radikalisierung haben oder Unter­
stützung suchen, will das Präventionsprogramm Wegweiser eine Anlaufsteile bieten.
Der Verfassu ngsschutz setzt mit Wegweiser den a n die Landesregierung gerichteten
Auftrag u m , ein "Aussteigerprogramm für islamistische Extremisten" zu entwickeln.
338
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Wegweiser geht dabei über klassi­
sche Aussteigerprogramme hinaus
und wird zu einem früheren Zeitpunkt
der Radikalisierung tätig. Während
sich das N RW-Programm gegen
Rechtsextremismus an Personen
richtet, die bereits fester Bestand-
�
WEG WE f S E R GEMEIN S AM
IN NORDRHEI N-WESTFALEN
�����lBERm EN
S A LAFIS M U S
Logo des Aussteigerprogramms Wegweiser
teil der Szene sind, will Wegweiser vor allem verh indern , dass sich j unge Menschen
überhaupt erst radikalisieren oder nach ersten Kontakten in salafistischen Kreisen
verbleiben. Kurz gesagt: Wegweiser will den Ausstieg vor dem eigentlichen E instieg in
die Szene erreichen.
Es gibt vielfältige U rsachen und Auslöser, warum jemand anfällig für salafistische
Ideologie geworden ist, z . B . Schulprobleme, fehlende soziale Kontakte, kei n Ausbil­
dungsplatz oder Diskriminierungserfahru ngen . So ist auch die E inschaltung vieler
verschiedener Stellen für eine erfolgreiche Problemlösung und ein Herauslösen aus
dem salafistischen U mfeld erforderlich. Eine konkrete Hilfe gelingt a m besten vor Ort
durch dort ansässige Experten, die die jeweiligen Gegebenheiten und relevanten
Stellen in ihrer Stadt gut kennen. Zu einem solchen Expertennetzwerk gehören u . a .
kommunale Behörden , freie Träger d e r Jugend- u nd Bildungsarbeit, Sozialverbände,
die örtliche Polizei, bestehende I nitiativen, Schulen sowie Moscheegemeinden. Daher
ist Wegweiser kein alleiniges Projekt des Verfassungsschutzes N RW, sondern wird
gemeinsam mit den Kommunen u nd dortigen Akteuren durchgeführt.
Zunächst werden in den drei Modellkommunen Bochu m , Bonn und Düsseldorf Weg­
weiser-An laufstellen eingerichtet. Dabei wird kei n fertiges Konzept vorgegeben , son­
dern die konkrete Umsetzung obliegt den verschiedenen Akteuren vor Ort. So können
die jeweiligen besonderen Gegebenheiten der Städte berücksichtigt werden .
I n den AnlaufsteIlen stehen den Ratsuchenden ausgebildete Ansprechpartner zur
Verfügung, die fundierte Kenntnisse in den Bereichen Beratung u nd Extremismus
haben. Die Ansprechpartner werden je nach Problemstellung gemeinsam mit den
erforderlichen Experten aus dem örtlichen Netzwerk individuelle Lösungen entwickeln
und konkrete U msetzungsschritte begleiten.
Die Angebote der AnlaufsteIlen richten sich neben dem besorgten U mfeld möglicher­
weise radikalisierter Personen ausdrücklich auch an alle, die allgemeine I nformatio­
nen über extremistischen Salafismus und Radikalisierung benötigen . So können zum
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
339
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Beispiel Referenten für Veranstaltungen und Fortbildungen vermittelt oder I nformati­
onsmaterialien zur Verfügung gestellt werden.
I m weiteren Prozess soll nach einer Evaluieru ng von Wegweiser ein landesweites
Präventions- und Unterstützungsangebot aufgebaut werden.
Beim Verfassungsschutz sind zudem eine Telefonnu mmer und eine E-Mail-Adresse
eingerichtet worden , über d ie sich Ratsuchende direkt mit den für Wegweiser zustän­
d igen Mitarbeiterin nen und M itarbeitern i n Verbindung setzen können. Hier kön nen
auch Ansprechpartner vor Ort vermittelt werden. Eine Kontaktherstellung zu Wegwei­
ser beim Verfassungsschutz ist auch über die Erreichbarkeiten von nrw.direkt bei der
Staatskanzlei gewäh rleistet.
WEGWEISER ist so zu erreichen:
Telefon 02 1 1 -871 -2728
i nfo@wegweiser. nrw.de
Sammelbände geben Impulse für d ie Extremismusprävention
Zwei Sammelbände, d ie Fragen der Rechtsextremismus- und der I slamismuspräven­
tion in den Fokus nehmen und m it maßgeblicher Beteiligung des Verfassungsschut­
zes N RW entstanden sind, sind zur Jahreswende 201 2/20 1 3 erschienen bzw. werden
es in d iesem Jahr. So haben die Landeszentrale für politische Bildung, der Verfas­
sungsschutz N RW und j ugendschutz.net - die gemeinsame
Stelle der Länder für Jugendschutz i m Internet - eine völlig
überarbeitete Neuausgabe der Pub=�::--.�
l ikation "Erlebniswelt Rechtsextre­
mismus. Menschenverachtu ng mit
U nterhaltungswert. H intergründe
- Methoden - Praxis der Prävention"
veröffentlicht. I m Fokus stehen moderne, jugendaffi ne M ittel, mit denen
Rechtsextremisten J ugendliche um­
werben: CDs, Comics, Schülerzeitun­
gen , I nternetseiten , Profi le und Clips in
Online-Communitys. Das Medienpaket
richtet sich an pädagogische Fach kräfte
340
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
Verfassungssch utzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
und umfasst einen Sammelband und eine CD-ROM mit Materialien für die Bildungs­
arbeit. Der Praxisteil enthält 22 Projektskizzen m it Impulsen für Aufklärungsprojekte i n
Schule u n d au ßerschulischer Jugendbildung. Die Publikation h a t inzwischen e i n e sehr
positive Resonanz gefunden. Neben der Landeszentrale für politische Bildung N RW
haben fünf weitere Landeszentralen und die Bundeszentrale für politische Bildung die
Neuausgabe i n i h re Publikationsprogramme aufgenommen.
I m Frühjahr 20 1 4 erscheint darüber h i naus eine Publikation mit dem Titel "I ntegration
versus Salafismus", die auf die Veranstaltung "Orientierungen und Identitäten mus­
l imischer J ugendlicher - zwischen Abkehr und H i nwendung zur demokratisch-plura­
listischen Gesellschaft" zurückgeht. D iese Tagung hatten das Ministerium für I n neres
und Kommunales, das Ministerium für Arbeit, I ntegration und Soziales N RW sowie der
Fachbereich I nterkulturelle Orientieru ng/Kommunales I ntegrationszentrum (ehemals
RAA) der Stadt Essen gemeinsam durchgeführt. In dem Band werden zunächst Iden­
titäten und Orientierungssuche von Jugendlichen aus einer a llgemeinen und wissen­
schaftlichen Perspektive betrachtet. Der zweite Teil widmet sich der Ideologie und den
Propagandaformen des politischen Salafismus mit dem Schwerpunkt I nternet. Darü­
ber h i naus werden unterschiedl iche Projekte aus dem Bereich der I ntegrationsarbeit
vorgestellt. Der Band gibt I mpulse, wie pädagogische Arbeit der spezifischen Suche
junger Musliminnen und Muslime nach Orientierung und Identität gerecht werden und
auf diese Weise I ntegration in die demokratische Gesellschaft gefördert werden kann.
Das Buch ist die erste Publikation , die in einem interd isziplinären und praxisnahen
Ansatz Wissenschaft, Sicherheitspolitik und I ntegrationspolitik verzah nt und die The­
matik aus diesen versch iedenen Perspektiven beleuchtet.
I nformationen zu weiteren Publikationen des Verfassungsschutzes N RW finden Sie im
Abschnitt 1 0 .2 (Verfassungsschutz durch Aufklärung - Öffentlichkeitsarbeit).
PRÄVENTION, AUSSTEIGERPROGRAMME
34 1
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
342
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
1 0 Ü ber den Verfassungsschutz
1 0. 1
Aufbau, Organisation, Haushalt, Personal
Entsprechend dem föderativen Aufbau gibt es in a l len Ländern der Bundesrepublik
Deutschland eine Verfassungsschutzbehörde. Das Bu ndesamt für Verfassungsschutz
(BN) in Köln nimmt die Aufgaben einer Zentralstelle auf Bu ndesebene wahr. Die Ver­
fassungssch utzbehörden von Bund und Ländern sind gesetzlich zur Zusammenarbeit
verpfl ichtet.
Verfassungsschutzbehörde für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Ministerium für
I nneres und Kommunales (§ 2 Abs. 1 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen
- VSG N RW). Für den Verfassungsschutz ist die Abteilung 6 zuständig. Im Jahr 20 1 3
standen für ihre Aufgaben 336 Stellen sowie Sach- und I nvestitionsmittel von 4 , 3 M i l l i­
onen Euro zur Verfügung.
Verarbeitung personenbezogener Daten
Die Verfassungsschutzbehörde Nordrhei n-Westfalen darf zur Erfüllung ihrer Aufga­
ben personen bezogene Daten unter anderem in Dateien verarbeiten. Dies erfolgt vor
allem mit H i lfe zweier I nstrumente: Der "Personen-I nformations-Datei" der Verfas­
su ngsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen zur eigenen Aufgabenerfüllung und dem
"Nachrichtendienstlichen I nformationssystem Wissensnetz" (NADIS WN) der Verfas­
sungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, welches das bisherige System
NAD I S im J u n i 20 1 2 abgelöst hat.
U nter der Gesamtprojektleitung des BN wu rde i n nerhalb von drei Jahren ein zu­
kunftsorientiertes IT-System auf Basis eines kommerziellen Softwareprodukts mit
spezifischen Anforderungen der Sicherheitsbehörden entwickelt. Das zentrale System
wird im BN mit Sitz in Köl n betrieben und sowohl vom BN als auch den 1 6 Landes­
behörden für Verfassungsschutz genutzt.
Eingestellt werden Daten zu Personen, über die Erkenntnisse im Zusammenhang m it
politischem Extremismus vorliegen und zu Personen, die in sicherheitsempfindlichen
Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind. Diese Sicherheitsü berprüfungen,
deren Notwend igkeit sich aus fachgesetzlichen Vorgaben ergibt und deren Durchfüh-
VERFASSUNGSSCHUTZ IN N RW
343
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
ru ng der betroffenen Person bekannt ist, machen gut 90% aller NAD I S-Einträge aus
Nordrhein-Westfalen aus.
1 0.2
Verfassungsschutz d u rch Aufklärung - Öffentlich keitsarbeit
Informierte und über mögl iche Gefahren durch Extremismus aufgeklärte Bürgerinnen
und Bürger treten für die Demokratie und gegen ihre Geg ner ein und tragen so dazu
bei , unsere Demokratie und ihre Grundwerte zu schützen und zu stärken. Die Öffent­
l ichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu informieren und aufzuklären,
gehört schon seit Jahren zu den Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes. "Verfas­
sungsschutz durch Aufklärung" ist nicht nur ein Arbeitsauftrag, sondern ein besonde­
res Anliegen.
Damit die Öffentlichkeit Anzeichen für Extremismus erkennen kann, setzt der nord­
rhein-westfäl ische Verfassu ngsschutz auf eine intensive Aufklärungsarbeit und bietet
eine breite Palette verschiedener I nformationsmaterialien a n . Dazu gehören Vorträge
vor allem für Multiplikatoren, Tagungen, Broschüren und ein ständig erweitertes Infor­
mationsangebot im I nternet. Auf Einladung kommen Experten des Verfassungsschut­
zes zu fachspezifischen Themen auch in U nternehmen, Kommunen und Schulen.
Jahresbericht
Einen wichtigen , alle verfassungsschutzrelevanten Themen u mfassenden Aufklä­
ru ngsbeitrag liefert der seit 1 978 regelmäßig erscheinende Jahresbericht. Die Jahres­
berichte d ienen inzwischen Gerichten und Behörden als Nachschlagewerk zum Ext­
remismus. Sie werden dem Landtag zur U nterrichtu ng über Entwickl ungen vorgelegt
und auch von der interessierten Öffentlichkeit stark nachgefragt.
Onli ne-Handbuch des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen
Der Verfassungsschutz nutzt seit Jahren die Möglichkeiten des I nternets, um der
Zunahme extremistischer Angebote ein qualifiziertes Gegengewicht entgegenzustel­
len . Die Homepage unter www. mik.nrw.de/verfassungsschutz bietet I nformationen
über den Verfassungsschutz und seine Aufgaben a n . Die Seiten i nformieren über
die Grundlagen des Verfassungsschutzes und zeigen, welche Kontrollmechanismen
es gibt. Sie informieren darüber hinaus über die Gefahren des Rechts-, Links- und
Ausländerextremismus sowie über I slamismus, Spionageabwehr und Geheimschutz.
I n sgesamt werden gut 200 Stichworte zum gesamten politischen Extremismus und
344
VERFASSUNGSSCHUTZ IN N RW
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
zur Spionageabwehr erläutert. Die Ideologieelemente, die die einzelnen Extremismus­
bereiche kennzeichnen, werden ebenso dargestellt wie historische Entwicklu ngen.
Falls es zum Beispiel darum geht, was "national befreite Zonen" sind oder was hinter
'al-Qaida' steckt, steht die Antwort bei uns im I nternet.
Der Verfassu ngsschutz N RW ist auch per E-Mail erreichbar (kontakt.verfassungs­
sch utz@mik1 . nrw.de). Auf diesem schnellen Weg können nicht n u r Publikationen
bestellt, sondern auch Fragen gestellt, Kritik geübt und Anregu ngen geben werden .
Publikationen
Wer Informationen zu den aktuellen Themenschwerpunkten des Verfassungsschut­
zes sucht, findet Berichte und Broschüren z . B . über den Islamismus und ein breites
Angebot zur Aufklärung über den Rechtsextremismus, darunter die Broschüre "Musik
- Mode - Markenzeichen" , die sich etwa mit Outfits und Codes rechtsextrem istisch
orientierter J ugendlicher beschäftigt. Sie zeigt, anhand welcher Symbole, Musik oder
VERFASSUNGSSCHUTZ IN N RW
345
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
Kleidungsstücke eine rechtsextremistische Orientierung erkannt werden kann und
geht der Frage nach, was strafbar ist und welche Bands rassistische Propaganda
verbreiten. Diese und a ndere Dokumente sind - jeweils i n ihrer aktuellen Fassung
- auch i n der Publ ikationssammlung im I nternet unter www. mik.nrw.de/verfassungs­
schutz abgelegt.
Aufklä rung m it einem Comic - "Andi" ist ein voller Erfolg
Im September 2005 schlug der Verfassungs­
schutz Nordrhein-Westfalen mit dem Bildungs­
comic "Andi 1
-
Tage wie dieser . . . " einen neu­
artigen Weg ein, um die Auseinandersetzung mit
dem Rechtsextremismus gerade unter Jugendli­
chen in Nordrhein-Westfalen zu fördern.
Der Andi-Comic zeigt, was Grundrechte, Rechts­
staat, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlich­
keit im Schulalltag konkret bedeuten. Durch die
Konfrontation mit Widersprüchen zeigen die HeI­
den des Comics, dass hinter rechtsextremistischen Parolen oft die historische Verklä­
rung von Verbrechen, gefährl iche Selbstdarsteller und Geschäftemacher stecken. Der
Anhang zum Comic erklärt rechtsextremistische Zeichen und Symbole. Im Berichts­
jahr wurde "Andi 1 " neu aufgelegt und um eine aktuelle Darstellung der rechtsextre­
mistischen Bestrebung der "autonomen Nationalisten" ergänzt.
I m Oktober 2007 wurde mit dem Band "Andi 2 - Andis Freund Murat hat Stress" der
zweite Teil der Reihe "Comic für Demokratie, gegen Extremismus" veröffentlicht. Im
M ittelpunkt steht diesmal Murat, der Basketballkumpel von Andi und Bruder von Ay­
she. Murat gerät - auch aus Wut über die vielen Absagen bei seinen Bemühungen
um eine Ausbildungsstelle - an einen extrem istischen Prediger. Dieser schafft es,
Murat von seinen alten Freunden zu entfremden und ihn von islamistischen Hasspa­
rolen zu überzeugen . Erst das beherzte Eingreifen von Ayshe bringt ihn wieder zur
Vernunft.
Im November 2009 schließlich kam mit dem Band "Andi 3 - Voll die Randale" das
dritte Heft der Reihe i n das Angebot. Ben trifft alte Freunde, die i n der linksautonomen
Szene aktiv sind und schließt sich i h nen an. Als er aber m it ansehen muss, wie deren
346
VERFASSUNGSSCHUTZ IN N RW
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhei n-Westfalen 20 1 3
Protest gegen eine Neonazi-Demo i n Gewalttätigkeit umschlägt, von der zudem unbe­
tei ligte D ritte betroffen sind, wendet er sich demokratischen Protestformen z u .
Die Rückmeldungen a u f a l l e drei "Andi"-Hefte s i n d bis heute weit überwiegend sehr
positiv. Dies wird einerseits deutlich in der ungebrochen hohen Nachfrage nach den
Comics, andererseits in zahlreichen Rückmeldu ngen von J ugendl ichen und Lehrkräf­
ten sowoh l schriftlich als auch vor Ort in Veranstaltu ngen. H ier wird hervorgehoben,
dass "Andi" die komplexen Themen Extremismus und Demokratie jugendgerecht
aufbereitet und dies m it ho her i nhaltlicher Qualität verbindet.
logischer Schritt - "Andi" als App
Die Zielgruppe der "Andi"-Comics sind Jugendliche und Schüler zwischen 1 4 und 1 8
Jahren. I n dieser Altersgruppe bleiben Textwüsten oft wirkungslos. I n Zeiten, wo fast
jeder J ugendliche und Schüler ein Handy besitzt, war es ein logischer Sch ritt eine
kostenlose mobile Version anzubieten, u m die mögl icherweise i m U nterricht themati­
sierten Andi-Comics auch in der Freizeit länger präsent zu halten. Die Apps stehen für
i Phone, Windows Phone und Android Betriebssystem zur Verfügung.
VERFASSUNGSSCHUTZ IN N RW
347
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
348
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
1 1 Stichwortverzeichnis
A
AUF
Abou Nagie, I brahlm
270
283 f.
Adam, Abu
Advance
311
1 64 f.
AG Rheinland
AktlonsbiJro Mitteirhein
20, 46,
1 39, 1 64 f.
al-Aqsa e V
289
al-Muhajirun - Die Auswanderer/
Emigranten
al-Qaida
276
259 ff. , 277, 283 ff. , 300, 345
22, 206, 208, 2 1 3, 2 1 6
Autonome Nationalisten (AN )
Autonome Nationalisten
Pulheim (AN P )
Autonomes Zentrum Aachen
225
225
Autonomes Zentrum Wuppertal
225
Avrupa Milli Görus Teskllatlan
- Vereinigung der neuen Weitsicht in Europa eV (AMGT)
262
al-Qaida im I ra k (AQ I )
262
al-Qaida i m Islamischen
Maghreb (AQM )
261
Anatolische Föderation
240
Ansaar Dusseldorf e v./
Ansaar I nternational
27 1 , 274
Ansar al-Islam - AnhEmger
des Islam
285
Ansarul Aseer
272
AntikapItalIstische Aktion
Bonn (AKAB)
229 f
AntikapItalIstische Linke (AKL)
20,
1 85 ff. , 1 98
1 3 1 , 1 56
1 7, 1 9, 43 f. , 67, 7 1 , 1 45
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK),
Vol kskongress Ku rdistans
(KO N G RA-G EL)
305
B
Halbinsel (AQAH)
Apfel, Holger
1 45
Autonomes Zentrum Köl n-Kalk
al-Qaida auf der Arabischen
Antisem Versand
1 9 f. ,
1 45, 1 6 1 f. , 1 70, 1 77
24, 38, 236,
242 ff. , 297 f.
Bahgeli, Devlet
236
299 f.
Banna al-, Hassan
Banka-I Hakikat
295
BaYlk, Gemll
242 , 244
Befreiungstiger von Tamil Eelam
(LTTE), siehe Tamilische
Befreiungstiger (TGG)
Beisicht, Markus
72, 89 f. , 1 02 ,
1 06 ff. , 1 1 3 ff.
Beklenen Asr-i Saadet
295
bin Ladin, Usama
Blood & Honour
260 , 277
1 67 ff. , 1 78
Borchardt, S iegfried
Brück, M ichael
1 75
1 56 , 220
Bürgerbewegung pro Deutschland
1 7,
1 02 f. , 1 07, 1 09 , 1 1 2 f., 2 1 7 f.
BLirgerbewegung pro Köln e V ,
siehe pro Köl n
BLirgerbewegung pro N RW,
s iehe pro N RW
349
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
318
Büro 6 1 0
Donaidson, lan Stuart
c
302, 306
Celebnty Center
3 1 1 , 31 3
Dortmund stellt sich quer! (DSSQ)
1 67 f.
Combat 1 8
Cremer, CI a u s
43 ff. , 60 ff.
Cuspert, Denls
279 f.
E inladung zum Paradies (EZP)
Engel, Stefan
270
206, 209, 2 1 1 , 2 1 3
302 ff.
Erbaka n , Necmettln
Erbakan Vakfi Avrupa Temsilclllgl
D
( E uropa-Vertretung der
Demokratischer J ugendföderalismus
Erbakan-Stlftung)
Kurdistans (KOMALE N
309
Erbakan Vakfi (Erbakan-Stiftung)
CIWAN)
245 ff.
Demokratischer Kurdischer
309 f.
302, 309
E rg u n , Kemal
1 43
E u ropäische Aktion
243
Konföderalismus (KKK)
Der Islam als Alternative (0 I.A.)
295
E u ropäische Moscheebau- und Unter­
stützungsgemeinschaft ( E M U G )
Deutsche Kommunistische
305
F
2 1 , 1 98 ff.
Partei (DKP)
287
Fatah-Partei
Deutsche Liga für Vol k und
72 , 99
Heimat (DLVH)
Deutsche Partei (DP)
43
Deutsche Reichspartei (DRP)
43
Deutsche Stimme (OS)
43 f. , 47 ff. ,
52 ff. , 66, 70
Deutsche Volksu nIon ( DVU)
1 00, 1 05 ,
1 1 8, 1 40 , 1 57
Devrimci Halk Kurtulul;)
239
Cephesl ( D H K-C)
239, 241
Devrimcl Sol
Federalnaja Slushba Besopasnosti
( I nlandsnachrichtendienst - FSB) 3 1 9
Firat N EWs Agency (AN F )
249
Föderation der AlevIten Kurdistans
248
( FE DA früher FEK)
Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine i n
Deutschland e V (AD Ü TDF)
232 ff.
Föderation der Yezidischen Vereine
Kurdistans (FKE, frü her Y E K)
248 ff.
Föderation I s lamischer Organisa-
D I E L I N KE - Landesverband
Nordrhein-Westfalen ( D I E LINKE.
350
220
E
1 09
Chnsten pro Koln e V
N RW)
1 68, 1 70
Dormundech0 1 1 8, 1 33 ff. , 1 47 , 1 51 , 1 54
camla (Gemeinschaft)
tionen In E u ropa (FIOE)
20, 1 85 ff. , 202, 208
Die Republikaner (REP)
235
Dogruyol, Sentürk
72, 99, 1 07
Die Wah re Rel igion
270
Division Germania
1 71
Dogru Haber (Richtige Nachncht)
297
301
Föderation kurdischer Vereine in
Deutschland (YEK-KO M )
249 f.
Föderativer I slamischer
Staat Anatolien
295
VerfassungsschutzberIcht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
22,
Frauenverband Courage e V
206, 2 1 2 ff.
311
Freewinds
Freie Kameradschaften
1 1 7, 1 29, 1 37,
1 40 ff., 1 56 , 1 60 f. , 1 64 , 2 1 9
H lzb Allah - Partei
Gottes
42, 289 ff., 297
H lzb ut-Tahrir - Islamische
Befreiungspartei ( HuT)
42, 292 ff.
Hozat, Bese
242
I brahim, Abu
283 f.
Freiheitliche Partei Österreichs
(FPÖ)
110
Freiheits- u nd Gerechtigkeits­
301
Partei (FJP)
Freundeskreis Rade
20, 1 06 , 1 63 f.
G
213
Gärtner-Engel, Monika
313
Ideale Orgs
IGMG Perspektlf
302, 306
I mam-Mahdi-Zentrum
292
I m pact
311
I nternationale Koordination Revolutio­
Gerechtigkeits- und EntwIcklungs­
närer Parteien und Organisationen
partei - Adalet ve Kalkinma Partisi
(AKP)
303 f. , 307 ff.
German Defence League
(ICOR)
(GDL)
Giemsch , Dennis
Usbekistans ( I B U )
( C I K)
319
248
Islamische Gemeinschaft In
Deutschland eV ( I G D )
279
(GIMF)
302 ff
Graue Wölfe, siehe U lkücü-Bewegung
42, 301 f.
Islamische Gemeinschaft Milli
GörÜ9 eV (IGMG)
Glückseligkeitspartei - Saadet
42, 302 ff.
Islamische J ihad U n ion ( I J U )
Islamischer Staat im I rak ( I S I )
284 f.
262, 277
Islamischer Staat im I rak und In
H
der Levante/bzw SYrlen/bzw. Groß295
42, 287 ff
1 67 ff.
Harakat al-Muqawama AI I slamiya -
SYrien ( I S I L , I S I S , I S I G )
262, 277
Islamisches Zentrum Hamburg
(IZH)
292
Islamisches Zentru m ,
Bewegung des islamischen Wider­
siehe I mam-Mahdi-Zentrum
standes, siehe HAMAS
H e ß , Rudolf
283 f , 297
Islamische Gemeinde Kurdistans
Globale Islamische Medienfront
Helfen in Not ( H i N )
297
Islamische Bewegung
nachrichtendienst - G R U )
Hammerskins
1 97
I nzar (Warnung)
1 1 7 , 1 56
Uprawlenlje (Militärischer Auslands-
HAKK-TV
HAMAS
I ntervention1stische Linke (IL)
1 05 , 1 08
Glawnoje Raswedywatelnoje
Partisi (SP)
22, 2 1 0, 2 1 6
Islamische Weltfront für den
271 , 274
59
J ihad gegen J uden und
Kreuzzügler
260 , 279
351
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
Kommunalpolitische Vereinigung der
I slamistische kurdische Netzwerke
(früher Ansar al-Islam - MI)
285 f.
288
Izzedln AI-Qassam-Bngaden
(KPCh)
J
stutzungsfront für das syrische Volk)
oder Jabhat al-Nusra (JaN)
262
26 f. , 40, 259 ff. , 268,
272, 275 ff. , 300
259 ff. , 276, 283
J i hadlsten
J ugend der Pro-Bewegung
1 05
J ugend fur Menschenrechte
314
J ugend pro Köln e V
1 04
75, 1 04, 1 06 , 1 63
J ugend pro N RW
J u nge Nationaldemokraten (J N )
50, 67
J ü rgensen, Bettlna
1 99
(KPF)
20, 1 85, 1 94 f. , 1 98
Kommun istischer Arbeiterbund
206
Deutschlands (KABD )
Konföderation kurdischer Vereine
i n E u ropa (KON-KU RD)
250
Koordination der kurdischen ökologisch­
demokratischen Gesellschaft in
242 f. , 247 f.
E u ropa (CDK)
285
Krekar, Mullah
1 08 f.
kreuz-net Info
1 08 f.
nachrichten
295 ff
Ka I ifatsstaat
303
Kamalak, M ustafa
Kameradschaft Aachener Land
(KAL) 1 29, 1 37 , 1 4 1 ff. , 1 57, 1 60 , 1 63
1 1 7 , 1 4 1 ff.
Kurdische Frauenbewegung i n
E u ropa (AKKH)
248
Kurdistan-Report
242, 249
Kurtulu�
Spangenberg Köl n
1 37
Kapla n , Cemaledd l n
295 f. , 305
295 f.
Kapla n , Metin
Linkspartei , siehe D I E LI N KE
Karata�, Dursun
237
Kartal, Remzl
242
Kelhaamet
297
Mahler, Horst
Kelhaamet (Prächtiges Diyarbaklr)
297
marx21
1 99 ff.
Koma Civaken Kurdistan (KCK)
242 ff.
1 48 , 1 86
linksunten.indymedia.org
42
3 1 8 , 323 ff.
54
L
Kaplan-Verband
Köbele, Patrik
237, 239 f.
Kurz & Knapp
Kameradschaft Walter
Know-how
1 98
(KPD)
Kommun istische Plattform
kreuz. net - katholische
K
Kameradschaft Hamm
318
Kommunistische Partei Deutschlands
Jabhat al-Nusra l i-ahl l al-Sham (U nter­
Jlhad
PRO-Bewegung (KPV PRO) 1 02 , 1 06
Kommun istische Partei Chinas
2 1 7,
225 f. , 229
M
1 60
1 85, 1 92 f. , 1 98
1 98 , 204
Marxistische Blätter
Marxistisch-Leninistische Partei
Deutschlands (MLPD)
21 f. , 1 35,
1 98 , 201 , 206 ff
352
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
Medn0ge
242, 249
Nordkaukasische SeparatIsten-
Military I ntelligence Department
(MID)
317
40, 272, 279, 282
M illatu I brahim
1 6 ff. , 22, 43 ff. , 80, 90, 1 00 f. ,
1 26 , 1 40 ff , 1 50, 1 57 , 1 6 1 ,
Ministry of Public Security (MPS)
317
M i n istry of State Secu rity (MSS)
317
M lscavlge, Davld
312
Moscheebau-Kommisslon eV
301
Muslimbruderschaft (MB)
42, 287 f. ,
292, 299 ff
Nabhanl al-, Taqhi al D i n
292
291
Nasser al-, Jamal Abd
300
o
Objektiv
1 05
Öcalan, Abdullah
24, 223, 242 f. , 246
1 7 1 , 1 77 f
Oidoxie
1 66 f.
Politika
242 , 249
P
Palastinensische Befreiungsorga-
Nationaldemokratische Partei
n isation (PLO)
Deutschlands, siehe N P D
(ERNK)
287
Palestm lan Return Center (PRC )
Nationale Befreiungsfront Kurdistans
243
1 1 7, 1 4 1 , 1 43 ,
1 5 1 ff. , 1 63 , 2 1 9
Nationaler Widerstandsrat I ra n
321
(NWRI)
232, 235 f.
Pastörs, Udo
Plataforma per Catalunya
110
Plum, Andre
1 42
Prabhakara n , Velupillai
1 66
252
1 7, 1 02 f , 1 07, 1 09 ,
1 1 2 f . , 2 1 7 f.
1 4 1 f. , 1 46 , 1 63
National Front (NF)
1 7 , 43 f. , 7 1
pro Deutschland
Nationale Sozial isten Wuppertal
288
Partei der Nationalistischen
Bewegung (MHP)
Nationaler Widerstand
(NaSoWpt)
242
ÖzgLir Politika, siehe Yen i ÖzgLir
Nasrallah, Hassan
pro Köln eV
1 8 , 5 1 , 72 ff , 81 ff. , 95 ff.
PRO KOLN - I nformationen der
Nationalsozialistischer U ntergrund
1 3, 62, 1 37, 222, 225, 302
(NSU)
NUCE TV
Oi!-Skins
N
Dortmund (NWDO)
1 66 , 1 74 f , 2 1 7 f.
302 ff.
Milli Göru�-Bewegung
286 f.
Bewegung ( N KSB)
NPD
302, 308
Milli Gazete
1 37
Noie Werte
Fraktion pro Köl n im Rat der
1 7, 20, 44, 60, 62, 67,
Stadt Köl n
72
69, 7 1 , 80, 1 38 ff. , 1 47 , 1 50 ,
Proliferation
329
Neonazi-Szene
1 55, 1 58 ff. , 1 74 , 1 80, 347
Newaya J m
Newroz
news.dkp de
242, 249
250
200 ff.
pro N RW
1 8, 40, 53 f. , 65, 72 ff. ,
1 26 , 1 63 , 2 1 8, 227, 283
PRO N RW - I nformationen der
Bürgerbewegung pro N RW
72
353
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrheln-Westfalen 201 3
300
Qutb, Sayyid
R
Scientology Kirche Berlln e V
(SKB)
280
87, 301
Ramadan, Said Dr.
206, 2 1 0, 2 1 6
Refah Partlsl - Wohlfahrtspartei
(RP)
303, 305
Republikanische J ugend
1 05
Resistore, siehe Antisem Versand
1 56
Revolutionäre Volksbefrelungspartel237 ff.
Front (DH KP-C)
Ring freiheitlicher J ugend
1 05
Deutschlands (RFJ)
59
Ring nationaler Frauen (RNF)
Rote Aktion Köln (RAK)
230
Rote Antifa N RW
230
Rote Armee Fraktion (RAF)
1 60
206, 2 1 4
Rote Fahne
206
Rote Fahne News
206, 2 1 0
Rotfüchse
Rouhs, Manfred
1 02
Rudolf, Germar
59
5
e V (SKD)
(SP - Deutschland-Vertretung)
309 f.
1 6 , 1 8 , 2 5 ff., 5 3 f. , 76,
263 ff , 281 , 284, 292, 296 f. , 338 ff
25, 262,
264 f , 268, 270, 297
Salafistlsche Gruppe für Predigt und
Kampf (GSPC), siehe al-Qalda Im
354
3 1 1 ff.
242, 249
Serxwebun
285
S hafi al-, Abdullah
1 37 , 1 67
Skinhead-Bands
70
Skinhead-Konzerte
1 66 ff. , 1 77
Skinhead-Szene
1 55 , 1 77
Sleipnir
S l ushba WneschneJ Raswedkl
(Ziviler Auslandsnachrichtendienst - SWR)
3 1 9 f.
Solidarität I nternational ( S I )
262
Solidaritätsverein mit den politischen
Gefangenen und deren Familien
240
in der Türkei (TAYAD)
311
Source
Sozialistische Einheitspartei
Deutschlands (SED)
Sozialistische Linke (SL)
1 95
20, 1 85 ,
1 90 ff. , 1 98
242 , 249
Ster TV
249
Sturmwehr
1 77
T
314
Leben
I slamischen Maghreb (AQ M )
311
SCientology O rganisation (SO)
Sag nein zu Drogen - Sag ja zum
Salafistische Bestrebungen
311
Scientology News
Sterka Ciwan
Saadet Partisi Almanya Temsilclligl
Salafismus
311
Scientology Kirche Deutschland
Rahma
Rebell
72
Schiele, Karel
Q
Tablighi Jama'at - Gemeinschaft der
Verkündigung und Mission (TJ )
Tal iban
42
283 ff.
Tamilische Befreiungstiger (TCC) 251 ff.
Tamil Rehabilitation Organizatlon
eV (TRO)
254
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 201 3
(TSV)
254
252, 254
Tauhid Germany
272
The Auditor
311
Tschetschenische Republik Ichkeriya
(CRI )/Tschetschenische Separatisten­
1 09
Vlaams Blok
Voigt, Udo
Tamil Youth Organization e V
(TYO)
48, 1 0 1 , 1 07 , 1 09 ff.
Vlaams Belang
Tamil Student Organization eV
1 7 , 44 , 46, 59, 67, 72
Volkskongress Kurd i stans, siehe
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
VolksmodJahedin (MEK)
321
Volksrat der Eelam Tamilen
Deutschland (VETO)
252
bewegung (TSB) ); siehe Nordkauka­
Volksverteidigungskräfte (HPG)
243
sische Separatisten-Bewegung (NKSB)
Voorpost
1 09
Tugendpartei - Fazilet Partisi (FP)
303
Türk Federasyon BiJlteni
235
297 ff.
Türkische H izbullah
Türkische H lzbullah (TH)
42, 297 ff.
w
1 71
Welsse Wölfe
72
Wiener, Markus
Wohlfahrtspartei, siehe Refah Partisi
Türkische Konföderation In
E u ropa (ATK)
235
72
Wolter, J udith
1 1 7 , 1 35, 1 40
Worch, Christian
Türkische Volksbefreiungspartei/
239
-Front TH KP/-C
x
302
TV 5
Y
U
Ü lkücü-Bewegung
232 ff.
Ü mmet-i M u hammed
295
Yatlm Kinderhilfe eV
289
Yenl M üjde
297
Yen i M üjde (Neue Frohe Botschaft) 297
U nion der freien Frauen (YJA), siehe
Kurdische Frauenbewegung in E u ropa
Yen i Özgür Politika
242, 249
(AKKH)
Yürüyü�
237, 240
1 99 , 204
unsere zeit (uz)
v
Velioglu, HiJseyin
z
Zagros, Hacer
297
Zarqawi al-, Abu Musab
Zawahiri al-, Ayman
Verband anatolischer Volkskultu rvereine eV
242
262
261 f.
240
Verband der islamischen Vereine
und Gemeinden e V (ICCB), siehe
Kalifatsstaat
Verband der Studierenden aus
Kurdistan e V (YXK)
248
355
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 20 1 3
356
H i nweis
Diese Druckschnft wird i m Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des M l nlstenums für I nneres
und Kommu nales Nordrhem-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch
von Wahlbewerberinnen u nd Wahlbewerbern oder Wah lheifennnen und Wah l helfern wäh­
rend eines Wah l kampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden . Dies gilt fu r d ie
Landtags-, Bundestags- und Kommu nalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des E u ropä­
ischen Parlaments M issbräuchl ich Ist Insbesondere d ie Verteilung auf Wahlveranstaltungen,
a n I nformationsständen der Parteien sowie das Einlegen , Aufdrucken oder Aufkleben parteI­
politischer I nformationen oder Werbemittel. U ntersagt ISt gleichfalls die Weitergabe an D ntte
zum Zwecke der Wahlwerbung.
Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie u nterstützende Organisationen
ausschließl ich zu r U nterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon u n beruh rt.
U nabhängig davon, wan n , auf welchem Weg u nd I n welcher Anzahl diese Schrift dem Emp­
fänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wah l
n icht i n e i n e r Weise verwendet werden, die als Parteinahme d e s M i n isterium f ü r I n neres u nd
Kommu nales Nordrhem-Westfalen zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden wer­
den könnte.
Der I n halt dieser Broschüre wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
Min isterium für
I n neres und Kommu nales des
Landes Nordrhein-Westfalen
Haroldstraße 5
402 1 3 Düsseldorf
Telefon:
02 1 1 /871 - 0 1
Telefax:
02 1 1 /871 - 3355
[email protected]
www. mik.nrw.de