Krebsinformationstag 2015 - Schleswig

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Krebsinformationstag 2015 - Schleswig
Schleswig-Holstein
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MONTAG, 30. NOVEMBER 2015
LANDAUF, LANDAB
Von Würsten
und Gesetzen
Diskutierten über Krebsvorsorge (von links): Frank Gieseler von der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft, Thoraxchirurg Peter Dohrmann, Michael Morsch vom Ministerium für Gesundheit, Sozialmediziner Alexander Katalinic und der Dermatologe Axel Hauschild.
FOTO: SONJA PAAR
Früherkennung kann
lebensrettend sein
Volles Haus beim landesweiten Krebsinformationstag in Kiel
VON
CHRISTIAN TRUTSCHEL
...........................................................................
KIEL. Vorsorge und Früherkennung standen im Mittelpunkt des
9.
Schleswig-Holsteinischen
Krebsinformationstages in der
Kieler Sparkassen-Akademie.
Zwar richtete sich das breite Informationsangebot mit Fachvorträgen, Podiumsdiskussion und
Ausstellung an alle Interessierten, die meisten der knapp 600
Besucher seien jedoch Patienten
und Angehörige gewesen,
schätzt die einladende Schleswig-Holsteinische Krebsgesellschaft. Deren Vorsitzender, Prof.
Frank Gieseler, betonte: „Wir
müssen uns kümmern um diejenigen, die Krebs haben, aber
ganz wichtig ist, dass wir uns darum kümmern, dass Menschen
Krebs nicht bekommen.“
Sehr still wurde es in der vollen
Aula bei den Worten von Ministerpräsident Torsten Albig: „Als
meine Frau Brustkrebs bekam,
beherrschte uns gefühlte Dunkelheit, Einsamkeit und eine große, alles erdrückende Traurigkeit.
Und Schuldgefühle: Was haben
wir getan? Wieso wir? Ist es eine
Strafe? So ging es uns zumindest.“ Menschen, „die diesen
Weg schon gegangen sind“, hätten die Angst gemindert, Hoffnung vermittelt und Entschlossenheit. „Bei meiner Frau wurde
der Tumor relativ früh entdeckt –
die sehr feinen Finger einer Frauenärztin waren es, nicht die kurz
zuvor gemachte Mammografie –
und konnte weggeschnitten werden. Beides halte ich für wichtig:
Die große Technik, aber auch
Menschen, die fühlen können.“
Gerade in Deutschland gebe es
„intensive Diskussionen über
Sinn und Unsinn der Krebsfrüherkennung, und viele Bürger sind
dadurch verunsichert“, konstatierte Prof. Alexander Katalinic.
Er ist Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie
der Universität Lübeck, das die
anonymen Daten für das Krebsregister Schleswig-Holstein auswertet. Sein klares Statement:
„Die Prognose einer Tumorerkrankung ist abhängig vom Stadium.“
Auch der zweite Hauptredner,
Prof. Axel Hauschild, forschender
Mich ärgert es, dass
Studien publiziert werden,
die Zweifel am Wert der
Früherkennung schüren.
Prof. Dr. med. Alexander Katalinic,
Universität Lübeck
Dermatologe am UKSH, betonte
den lebensentscheidenden Wert
der Früherkennung. Ein erfahrener Hautarzt entdecke 70 Prozent
der Tumore mit dem bloßen Auge
und 90 Prozent mit dem AuflichtMikroskop. Als „extrem effizient“ bezeichnete Hauschild die
Video-Auflichtmikroskopie, die
beim bösartigen Schwarzen
Hautkrebs (Melanom) eine Trefferquote von etwa 98 Prozent aufweise.
Hauschild wies in der anschließenden Podiumsdiskussion darauf hin, dass Früherkennung für
Einsparungen im Gesundheitssystem sorge: In den vergange-
nen fünf Jahren seien in seinem
Fachbereich, der Dermatoonkologie, sieben neue, hochwirksame Medikamente zugelassen
worden. Die Jahrestherapiekosten lägen im Schnitt pro Patient
bei 100 000 Euro.
„Mich ärgert es“, sagte Katalinic, „dass wissenschaftliche Studien publiziert werden, die Zweifel am Wert der Früherkennung
schüren, deren Basis aber nicht
stimmt.“ Ja, es gebe Risiken: zum
Beispiel bei der Darmspiegelung
das Risiko einer Perforation der
Darmwand und sogar Todesfälle.
Auch
eine
Mammografie
„schützt nicht vor Brustkrebs –
denn 20 Prozent der dabei gefundenen Mammakarzinome sind in
einem fortgeschrittenen Stadium.
80 Prozent aber eben nicht“, so
Katalinic. „Die Früherkennung
kann nicht alle retten – aber viele!“
30 Prozent der Frauen, die regelmäßig zum Screening gingen,
würden in 20 Jahren mindestens
einmal einen falsch positiven Befund haben. Sie würden unnötige
Angst und Diagnostik über sich
ergehen lassen. „Das ist so, und
das muss man im Arzt-PatientinGespräch auch sagen.“ Aber
auch, dass die Sterblichkeit infolge des Mammografie-Screenings
um 25 Prozent sinke. Katalinic
plädierte für einen Paradigmenwechsel: weg vom imperativen
„Du musst zur Früherkennung!“
früherer Kampagnen hin zu „einem guten Informieren“.
2 www.krebsgesellschaft-sh.de
www.sozmed.uni-luebeck.de
www.dermatology.uni-kiel.de
Renommierte Hautkrebsforschung
KIEL. In der Hautkrebsfrüherkennung nimmt SchleswigHolstein eine, wie Axel Hauschild hervorhob, international
beachtete Sonderstellung ein.
„Schleswig-Holstein wird auf
wirklich jedem Dermatologenkongress in den USA hervorgehoben.“ Der Grund ist die Pilotstudie der Jahre 2003 und 2004,
das bisher weltweit größte
Hautkrebsscreening, an dem
„360 288 gesetzlich Versicherte
(oder 19 Prozent der anspruchsberechtigten Bevölkerung) teilnahmen und von Ärzten aus insgesamt acht Facharztgruppen
untersucht wurden“.
3000 Tumore wurden entdeckt, 600-mal war es Schwarzer Hautkrebs. Die innerhalb
von sieben Jahren nach dieser
Reihenuntersuchung in Schleswig-Holstein halbierte Sterblichkeitsrate führte zu der heute
gültigen bundesweiten Rege-
lung: Bei allen gesetzlich versicherten Patienten ab 35 Jahre
zahlt deren Kasse eine Blickuntersuchung durch den Hautarzt
alle zwei Jahre (entsprechend
21 Euro; eine zusätzliche Untersuchung mit dem Auflicht-Mikroskop müssen Patienten
selbst zahlen: plus 18 Euro). „Patienten mit vielen Leberflecken
sollten jedes Jahr mindestens
ein Mal begutachtet werden“,
C.T.
so Hauschild.
Informationen zur Vorsorge
Jedes Jahr werden in Schleswig-Holstein etwa 25 000
neue Krebserkrankungen
diagnostiziert, davon sind
6500 epitheliale Tumore (der
Haut). Krebs verursacht hier
jährlich 7600 Todesfälle. Das
Sterbealter liegt zwischen 72
und 75 Jahren. Im Landeskrebsregister wurden von
1997 bis heute 480 000
Schleswig-Holsteiner mit
Krebs erfasst.
Bisher nutzen etwa 50 Prozent der Frauen und etwa 20
Prozent der Männer die Angebote der Krankenkassen
für Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Über diese
informiert der „Vorsorgepass“. Er kann kostenfrei in
der Geschäftsstelle der
Krebsgesellschaft bestellt
werden: Tel. 0431-8001084
oder [email protected]
Transparenz war nicht
so seine Sache. Sonst wäre
Otto von Bismarck wahrscheinlich nicht auf die bis
heute gern zitierte Weisheit gekommen: „Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto
besser schlafen sie.“
Ob das wirklich so ist, sei
dahingestellt. Klar ist: Der
mündige Verbraucher
möchte schon ganz gerne
wissen, was so alles in
seiner Wurst ist – auch
wenn es ihm dann den
Appetit verdirbt. Und was
die Gesetzgebung angeht:
Auch da würden die Bürger den Politikern manchmal gern etwas genauer in
die Karten gucken.
Immerhin: Das Landeshaus hat nicht nur einen
gläsernen Plenarsaal. Es
bietet den Bürgern auch
regelmäßig die Möglichkeit, Plenarluft zu schnuppern. Das geht heute am
offenen Besucherabend
sogar spontan und ohne
Anmeldung. Von 18 bis 19
Uhr gibt es Informationen
aus erster Hand. Nur der
Personalausweis muss
mitgebracht werden. Rückmeldungen, dass Besucher
danach nicht mehr schlafen konnten, gab es übristd
gens noch nie.