3 Farbfehlsichtigkeit
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3 Farbfehlsichtigkeit
VO Farbe Kap.03, Vs.13 3 Farbfehlsichtigkeit Unter Farbfehlsichtigkeit versteht man einen Defekt an der Netzhaut, bei dem mindestens einer von drei Farbrezeptoren abnormal reagiert. Weniger als 1% der Frauen aber 8 bis 13% der Männer sind solcherart von einer Farbfehlsichtigkeit bzw. Farbblindheit betroffen (nicht alle wissen davon!). Farbblindheit ist genetisch vererbt, ist keine Krankheit sondern ein Defekt, es gibt keine Behandlungsmöglichkeiten und keine Besserungsaussichten, man kann es aber auch nicht später bekommen. Verantwortlich dafür ist ein fehlerhaftes X-Chromosom, welches rezessiv geschlechtsgebunden vererbt wird. Somit kann ein Großvater seine Farbblindheit über seine Tochter an seinen Enkelsohn weitervererben, selbst aber einen Sohn ohne Farbdefekt haben. Bei Frauen liegt die Farbfehlsichtigkeitsrate deshalb viel niedriger, weil Mädchen ein zweites X-Chromosom haben, das normalerweise in Ordnung ist. Bei Buben ist das nicht möglich. Mädchen sind meistens nur von Farbstörungen betroffen, wenn beide Elternteile eine Farbfehlsichtigkeit haben, und zwei fehlerhafte X-Chromosomen zusammenkommen. Ein normalsichtiger Mensch sieht mit drei verschiedenen Farbrezeptoren und wird daher als Trichromat bezeichnet. Die drei Zapfenarten werden alle von unterschiedlichen Wellenlängen angeregt und erzeugen daher drei unterschiedliche Signale. Verteilung der Zapfen auf der Retina Sensitivitätskurven bei Trichromasie Arten von Farbfehlsichtigkeit Die Arten der Farbblindheiten werden durch die Art der fehlenden Zapfen auf der Netzhaut (Retina) verursacht. Man unterscheidet zwischen Dichromasie (und hier wieder Protanopie, Deuteranopie, Tritanopsie) und Achromasie (auch Monochromasie). Wenn ein Defekt nur teilweise ausgeprägt ist, dann nennt man das Anomalie. Dichromasie Bei Dichromasie sind auf der Retina entweder nur zwei Arten von Zapfen vorhanden oder es existieren alle drei, jedoch funktioniert ein Zapfentyp nicht normal. Dadurch verringert sich das Farbsehen auf einen 2-dimensionalen Bereich. Je nachdem, welche Rezeptoren fehlen bzw. defekt sind, spricht man von: Protanopie, Deuteranopie und Tritanopie. Die ersten beiden werden auch als Rot-Grün-Blindheit und Tritanopie als Blau-Gelb-Blindheit bezeichnet. ► Protanopie – fehlende/defekte L-Zapfen Bei Protanopie fehlen entweder die L-Zapfen oder sie sind funktionsuntüchtig, oder aber ihr Sensitivitätsbereich ist dem der M-Zapfen so ähnlich, dass kein ausreichend getrenntes Signal erzeugt werden kann. Das hat zur Folge, dass Rot und Grün nicht unterschieden werden können, mit einer etwas höheren Empfindlichkeit Richtung Grün. Blaue Farbtöne werden einigermaßen normal gesehen, während Grün und Rot zu einer Farbe verschmelzen, die man sich als bräunliches Gelb vorstellen kann (aber natürlich kann niemand die Farben, die ein Protanop sieht, mit denen des Normalsehenden wirklich vergleichen! Man kann lediglich durch Tests herausfinden, welche Farben wer unterscheiden kann). Protanopie ist sehr geschlechtsbezogen und fast ausschließlich bei Männern (~1%) zu finden. Seite 8 VO Farbe Kap.03, Vs.13 links: Trichromasie, rechts: Protanopie (Rot wird sehr dunkel gesehen) ► Deuteranopie – fehlende/defekte M-Zapfen Durch die fehlenden M-Zapfen ist es nicht möglich, das Licht mit Mittelwellen (grüne Farbtöne) getrennt zu verarbeiten. Das hat ebenfalls zur Folge, dass Rot und Grün nicht unterschieden werden können, diesmal mit einer etwas höheren Empfindlichkeit in Richtung Rot. Blaue Farbtöne werden einigermaßen normal gesehen, während Grün und Rot zu einer Farbe verschmelzen, die man sich als bräunliches Gelb vorstellen kann. Auch die Deuteranopie ist sehr geschlechtsbezogen und fast ausschließlich bei Männern (~2%) zu finden. links: Trichromasie, rechts: Deuteranopie (Rot wird etwas heller gesehen) ► Tritanopie – fehlende/defekte S-Zapfen Die dritte Art der Dichromasie entsteht durch das Fehlen der SZapfen, welche das Licht kurzer Wellenlänge verarbeiten (blaue Farbtöne). Tritanopen können Blau nicht von Grün und Gelbgrün nicht von Grau unterscheiden. Diese Variante ist eher selten zu finden. Weniger als 0,01% der Männer und Frauen haben diese Farbblindheit. links: Trichromasie, rechts: Tritanopie Verteilung der Zapfen auf der Retina Anomale Trichromasie (abweichende Trichromasie, auch Farbschwäche) Bei einer abweichenden Trichromasie sind auf der Retina wie bei der normalen Trichromasie alle Zapfenarten vorhanden. Jedoch treten hier bei einzelnen Zapfenarten veränderte spektrale Empfindlichkeitskurven auf. Daher werden Farben anders als bei der Mehrheit der Menschen wahrgenommen, meist unter Verringerung des unterscheidbaren Farbspektrums. Auch hier wird wieder aufgrund der betroffenen Zapfenzellen unterschieden: ► Protanomalie Die L-Zapfen sind hier leicht modifiziert. Die L-Sensitivitätskurve (Rot) ist hier etwas in den kurzwelligeren Bereich verschoben, als es bei einer normalen Retina der Fall ist. Geht das so weit, dass sich die L- und MSensitivitätskurve überdecken, so kann nicht mehr zwischen den Farben Rot und Grün unterschieden werden. Sind diese nicht komplett überlagert, ist es nur schwerer möglich zwischen den Farben Rot und Grün zu Seite 9 VO Farbe Kap.03, Vs.13 unterscheiden. Wesentlich mehr Männer (~1%) als Frauen sind davon betroffen. ► Deuteranomalie Bei dieser Variante ist die M-Sensitivitätskurve (Grün) in Richtung des roten Endes des Farbspektrums verschoben. Dies ist die häufigste aller auftretenden Farbsehschwächen. Ungefähr 6% aller Männer und 0,4% der Frauen haben diesen Defekt. Wie bei der Protanomalie ähneln sich für diese Menschen die Farben Rot und Grün stark, so dass manche Unterschiede nicht erkannt werden. Sowohl Protanomalie als auch Deuteranomalie wird durch das X-Chromosom vererbt. ► Tritanomalie Bei Tritanomalie ist die Sensitivitätskurve der S-Zapfen in den grünlichen Bereich des Spektrums gerückt. Tritanomalie ist eine sehr seltene Farbschwäche, nur ungefähr 0,01% der Menschen leiden darunter. Diese Farbschwäche wird nicht durch das X-Chromosom vererbt. Achromasie (oder Monochromasie) Bei einer Achromasie gibt es auf der Netzhaut nur S-Zapfen oder gar keine funktionsfähigen Zapfen. Diese sehr seltene Variante (~0,001% der Bevölkerung) wird oft auch als Achromatopsie (totale Farbblindheit) bezeichnet. Es werden gar keine Farben erkannt, es können lediglich Intensitäten unterschieden werden. Ein Monochromat kann ca. 500 Helligkeitsabstufungen unterscheiden. Da in der Fovea aber trotzdem keine Stäbchen sind, ist es diesen Menschen auch nicht möglich scharf zu sehen (da hilft dann auch keine Brille). Monochromaten sind außerdem sehr helligkeitsempfindlich und können nicht genug sehen um zu lesen. links: normales Sehen, rechts: Monochromasie Fovea beinhaltet keine Zapfen (und keine Stäbchen) Farbfehlsichtigkeits-Tests Um festzustellen, ob man farbblind ist bzw. eine Farbschwäche hat, gibt es verschiedene Tests. Klassische Tests werden mit gedruckten Farbtafeln durchgeführt, der bekannteste ist hier der Ishihara-Test. Modernere Tests gibt es auch mit technischen Geräten und Computern, diese bezeichnet man oft als Anomaloskope. ► Ishihara Farbfehlsichtigkeitstest (1917) Dieser Test wurde vom japanischen Augenarzt Ishihara Shinobu entwickelt. Es werden dem Probanden verschiedene Testplatten gezeigt, auf denen je nach Farbblindheit verschiedene Dinge zu erkennen sind. So sind meist Zahlen oder Symbole in verschiedenen Farben gedruckt, die vom Probanden vom Hintergrund unterschieden werden können oder nicht. Prinzipiell gibt es vier verschiedene Arten solcher Testplatten: o disappearing digit plates: nur Personen ohne Farbfehlsichtigkeit können eine Zahl erkennen. o hidden digit plates: nur Personen mit Farbfehlsichtigkeit können eine Zahl erkennen. o transformation plates: Betrachter mit Sehschwächen geben unterschiedliche Antworten. o qualitative plates: dienen zur Unterscheidung zwischen deutanen und protanen Farbschwächen. Seite 10 VO Farbe Kap.03, Vs.13 ► Anomaloskope Anomaloskope sind Geräte, bei denen Probanden bestimmte Farben durch Mischung anderer Farben möglichst ähnlich erzeugen müssen. Um zum Beispiel auf eine RotGrün-Schwäche zu testen, zeigt man einer Person zwei kreisförmige Testfelder. Ein Testfeld (im Beispiel das rechte) gibt eine gelbe Farbe vor, im anderen Testfeld hat die Person die Möglichkeit, die Intensität des roten und des grünen Lichtanteiles so zu steuern, dass beide Felder die gleiche Farbe zeigen. Farbschwache Personen treffen die Zielfarbe nicht genau, sie schaffen es nur, die Gesamthelligkeit korrekt einzustellen, nicht aber die korrekten Rot- und Grünanteile zu finden. Um zu verhindern, dass zufällig die korrekten Anteile gefunden werden, wird der Versuch mit mehreren verschiedenen Gelbhelligkeiten wiederholt. Mittels genau festgelegter Testfolge kann aus den Ergebnissen recht gut berechnet werden, um welche Farbstörung es sich handelt. Im Allgemeinen verwenden protanomale Personen zu viel Rot, hingegen deuteranomale Personen zu viel Grün. Die Unterscheidung zwischen Protan- und Deutan-Störungen gelingt mit Tafeln und Farbflecktests nicht immer zuverlässig, jedoch zuverlässig mittels Anomaloskop. Die Unterscheidung zwischen Anopie und Anomalie und deren quantitative Diagnose ist nur mit Anomaloskopen möglich. Beispiel für Farbfehlsichtigkeit Die folgenden Bilder veranschaulichen, welche Farben farbfehlsichtige Personen unterscheiden können. Insbesondere sieht man bei Protanopie und Deuteranopie keinen qualitativen Unterschied zwischen Rot‐ und Grüntönen, während bei Tritanopie Blau und Grün gleich aussehen. Weitere Versuche, die Wahr‐ nehmung bei Farbblindheit zu simulieren, findet man im Web, z.B. auf http://www.vischeck.com/vischeck/ und www.paciellogroup.com/resources/contrast‐analyser.html Seite 11