Der siebte Treck – Heimatbuch 2004
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Der siebte Treck – Heimatbuch 2004
--.,--- WALDEMAR SCHWlNDT, VIKTOR SCHÄFER,EDUARD STEPHAN("SCHWISCHASTE": Vor 60 Jahren Waldemar Schwindt wurde arn 6.8.1948in Kedrowka, Burjato-Mongolimens Schäfer (24.11.1924-20.5.2001) sche ASSR, dem Verbaneinen Teil der Flucht russlanddeutscher Kolonisnungsort seiner wolgadeutten während des Zweiten Weltkriegesder Verschen Eltern geboren. Er gangenheitentrissen.Sie habenin Wort und Bild arbeiteteals Schweißersoauf über 400 Seitenden Exodusder russlandwie als Turn- und SportlehdeutschenKolonisten so dargestellt,wie sie ihn rer in Estland, dann in anhand von Gesprächenmit Vertrete1'nder ErFrunse. Setzte sich sowoW lebnisgenerationzurückverfolgenund durch einvor als auch nach seiner Ausreise nach schlägigesMaterial aus unserenHeimatbüchern, DeutscWandarn 7.7.1975 aktiv fiir die Rechte der landsmannschaftlichenMonatsschrift "Volk der Deutschenin der UdSSRein. Viktor Schäfer auf demWeg" und dem Buch "Entstehung,Entwurde arn 23.5.1938 m wicklung und Auflösungder deutschenKolonien Friedenheim bei Landau am SchwarzenMeer" von Anton Bosch und Jo(Odessa)geboren, 1944 in sephLingor vervollständigenkonnten. denWartgegauumgesiedelt Eine große Rolle spielten auch Skizzen,Privatund 1945 wieder zurück in sammlungen und Erinnerungen von Klemens die UdSSR verschleppt. Schäfer,Johann Dauenhauer,Eduard Stephan Nach unterschiedlichenTäund Katharina Schäfer,geb. Groß(1896-1991). tigkeiten siedelter er im Der Gesamttextbeschäftigtsich in wesentlichen Dezember 1977 nach Teilen mit den Gebieten aufdem Balkan, durch Deutschlandaus, wo er bis zu seinemRuhedie der 7. Treck (der "Große Treck') 1944führstand1995 arbeiteteund sichbis zum heutigen te. Jahrzehntespäter hat der Russlanddeutsche Tag fiir seineVolksgruppeengagiert. Eduard Stephan Viktor Schäfer mit seiner rumänischenEhefrau wurde arn 8.2.1931 m PeRodica SchäferdieseGebietenoch einmal mehrterstal, Odessa, geboren, mals aufgesuchtund sie auf zahlreichen Fotos 1944 ins Deutsche Reich festgehalten. umgesiedeltund 1945 nach Das Heimatbuch 2004 kann leider nur einen Kasachstan verscWeppt. kleinen Teil des reichhaltigen Materials der AuWar bis zu seinerAussiedtoren veröffentlichenund beschränktsich dabei lung 1979 als Bautechnivornehmlich auf die Darstellungen von Waldeker, TiscWerund Zimmerer mar Schwindt, Viktor Schäfer und Eduard Ste-tätig. Interessiert sich besondersfiir Geschichte.Rentnerseit 1994. phan. D ie drei Verfasser dieses Beitrages haben als Vermächtnis ihres Landsmannes Kle- I. ten Vergeltungsschlag gegendie Deutschenein, die er in seiner Gewalt hatte: die RusslanddeutAm 22. Juni 1941 überfiel die Kriegsmaschinerie schen.Das wissendie wenigstenDeutschen. des nationalsozialistischen FührersHitler die So- DieseprovokativeBehauptungstellen wir an den Anfang unserer Schilderung über den Auszug wjetunion.Das wissendie meistenDeutschen. Bald darauf leitete SowjetruhrerStalin den letz- unsererLandsleutevom SchwarzenMeer vor 60 6 7 Jahren.DieserFlucht warenbereitsDezimierungenund Liquidierungender Deutschenin Russland vor demKrieg und schlimmstesowjetische Maßnahmengegensie in den Kriegsjahrenvorausgegangen. Auf die Beschreib\mgdes Terrors der 30erJahreund die "Trudarmee" danachwollen wir verzichten.Darüberwird an andererStelle in diesem Heimatbuchgeschrieben.Kurz sei aberan die wichtigstenEtappender Deportation, Vertreibungund Flucht erinnert. Russlands auszumachensein dürfte. Deutsche, die östlich dieserLinie lebten, blieben unter Stalins Knute, während diejenigen, die im Westen Russlandsunter Hitlers Einflussbereichgerieten, zuerst dem "Führer" gehorchen mussten und nach Kriegsende von Stalin für alles, was in deutschemNamen geschehenwar, zur Rechenschaftgezogenwurden. Wie es ihren Landsleutenauf derjeweils anderen Seite der Frontlinie erging, konnten die Russlanddeutschennur ahnen. Um die Wahrheit he11. rauszufinden,genügtees nicht, einfach das Gegenteil dessenzu glauben,was Sowjetsbzw. NaSchonim Juli 1941 wurden etwa 100.000Deut- zis berichteten.Dafür waren die Propagandisten sche,überwiegendaus den ukrainischenGebie- um JosephGoebbelsoder Ilja Ehrenburgviel zu ten östlich des Dnjeprs, in den Ural, nach Ka- gerissen. Die meisten Russlanddeutschenim sachstan,Kirgisien und Tadschikistan"umgesie- Westen der Union trauten dem Frieden jedoch delt". Am 10. Juli 1941beganndie Deportation nicht und nahmenjede Gelegenheitwahr, sich der Deutschenauf derKrim. möglichst weit vom "großenBruder" zu entferAm 28. August 1941verkündeteder ObersteSo- nen. Diesen Wunsch hatten sie bereits vor wjet die Umsiedlungaller Deutschender Wolga- Kriegsbeginn im Stillen gehegt. Die Parole regionenin den asiatischenTeil dei UdSSR.Die "Heim ins Reich" aus Bessarabien,Wolhynien, ASSR der Wolgadeutschenals größtes zusam- derBukowina und dem Baltikum war ihnen trotz menhängendesGebiet der Russlanddeutschen strengerVerbote,Auslandssender zu hören,nicht wUrde aufgelöst,wie wir heute wissen, für im- verborgengeblieben. mer. Als sich im Zuge der Kriegshandlungendie ersDeportiert wurden aber auch alle anderenDeut- ten Möglichkeiten und Notwendigkeiten ergasc~enaus dem europäischenTeil der Sowjetuni- ben, nachdem Westenzu ziehen,folgten sie den on in denasiatischen,soferndas nicht wegender Appellenaus Berlin zur Umsiedlungin denWardeutschenBesatzung oder Einkesselungenzu- thegau mit gemischten Gefühlen, aber in der nächstunmöglichwar, was für die Deutschenaus richtigen Einschätzung,keine andere Wahl zu dem Kaukasus,aus Leningrad und Zentralruss- haben. land galt. Die Richtigkeit dieserThese habendie DeportaAls Maßregelungmussman auchdie Entfernung tion der Wolgadeutschen1941 und die Vervon russlanddeutschenSoldatenund Offizieren schleppungderSchwarzmeerdeutschen 1945beaus der RotenArmee und derenAbkommandie- WIesen. rung in die Trudarmeeansehen,aus der ZehntausendeRusslanddeutsche todkrank öder überhaupt IV. nicht mehrzurückkehrten. Von der erstenUmsiedlungsaktionwaren 3.800 1lI. Deutsche im Gebiet Leningrad betroffen. Sie wurden bei Lublin in Polen angesiedeltoderkaDurch den: Krieg zwischen Deutschland und men zum Arbeitseinsatzins DeutscheReich. Zu Russlandwurde unsereVolksgruppein zwei Tei- diesen Umsiedlem gesellten sich noch etwa le auseinandergerissen, derengrobeTrennungsli- 1.000 Deutsche aus Kriegsgefangenenlagern nie im Juli 1941 am besten mit dem Lauf des oder weißrussischenStädten.Diese Transporte Dnjepr und einer gedachtenLinie von seiner setzten Anfang 1942 ein. Das war der erste Mündung bis in den Norden des europäischen Treck. 8 Der zweite Treck fand ein Jahr späterstatt und betraf etwa 10.000Deutscheaus dem Gebietder so genanntenHeeresgruppeMitte und ausWeißrussland.Diese Deutschenwurden in den Warthegauim heutigen Polen und damaligenDeutschenReich ("Großdeutschland")umgesiedelt. Vom dritten Treck wurden die verbliebenen Deutschenaus dem Nordkaukasus,der Kalmückensteppeund der östlichenUkraine erfasst.Es handeltesich um 11.800Flüchtlinge,die von der Deportation nach Sibirien verschont geblieben waren. Ihre Umsiedlung erfolgte im Februar 1943,ebenfallsin denWarthegau. Der vierte Treck erfasste72.000 Deutsche der Städte Cherson, Nikolajew, Nikopol, Kiew, Charkow, Kriwoj-Rog, Melitopol, Mariupol, Dnjepropetrowsk,Kirowograd und Saporoshje sowie die verbliebenen Krimdeutschen. Auch diese Umsiedler kamen in den Warthegau.Der Transportvollzog sich von September1943 bis März 1944unter witterungsbedingtenschlimmen Umständen,worüber in unserenHeimatbüchem bereitswiederholtberichtetwurde. Der fünfte Treck betraf 73.000 Schwarzrneerdeutscheund dauertevon August 1943bis Mai 1944.Auch dieseMenschenwurden in denWarthegaugeführt. Der sechste Treck betraf das Gebiet Shitomir. 44.600"Ost-Wolhynier" kamenzuerstnachBialystokund dannin denWarthegau. Den dramatischstenVerlauf nahm jedoch der siehte Treck. Ihm gilt in erster Linie unsere Rückschauauf den folgendenSeiten. Etwa 135.000Deutschekehrtenbei dieserAktion in ihre geschichtlicheHeimatzurück. Die sich nach Westen verschiebendeFrontlinie im Rücken, die überbeanspruchten Verkehrswege,die Ungunst des Wetters, die mangelhafteVerpflegung und vieles mehr machtendiesenTreck zur schlimmstenFlucht der Russlanddeutschen, vergleichbarnur mit den Exzessenbei der Deportation unsererLandsleute1941 in die umgekehrte Richtung. Am 1. April hatten die letzten Fahrzeugemit Flüchtlingen den Dnjestr überquert. Was dann kam, war und ist GegenstandzahlreicherBerichte und Bücher.Die Schilderungderunvorstellbaren Leiden auf dem Weg vom SchwarzenMeer zum Warthegauwird aber immer unvollständig bleiben. Es sollte jedoch jeder wissen,dassdieser "große Treck" nichts andereswar als eine Flucht, bei deres um LebenoderTod ging. Die kleine Auswahl persönlicherBerichte von Flüchtlingen in diesem Heimatbuchmöge dazu beitragen,eine von der Welt kaum wahrgenommeneSeiteunsererGeschichteaufzuarbeiten. v. Die Evakuierungder Deutschenaus Transnistrien wurde von der so genannten"Volksdeutschen Mittelsteile" ("Vomi"), die seit 1943ihren Sitz in Odessahatte,geleitet. Geplantwarenzwei Trassen: 1. Der Nordtreck. Die Deutschen der Beresanerund Glückstaler Kolonien. Unter der Oberleitung eines SS-Führers im Hauptmannsrangsollte der Nordtreck mit 72.000 Personen,39.000Pferdenund einer großenMenge Viehs nordwärts nach Falciu zur Pruthbrücke ziehenund dort übergesetztwerden. Der Treck setzte sich am 16. April 1944in Bewegung,änderte aberseineRoute und zog in Richtung Kagul. Wegen der nachrückendenSowjets, der Bombenangriffeund der deutschenTruppenbewegung waren 1944 Änderungenvon Marschroutennichts Besonderes.Die Fahrzeugefuhren ständighin und her, überall gabes Stockungen. Schließlichzog der Treck quer durch Rumänien zur ungarischenGrenze bei Haja, über den Oituz-Pass oder den Bicaz-Pass nach Dej (Des; sprich: Desch),wo am 4. Mai die Verladung auf Eisenbahnwaggons zur Fahrt ins DeutscheReich begann.Der Treck stellteungeheureAnforderungen an Mensch, Tier und Material. Kolonisten, die in ihrer Heimat nur die flache Ebenekennen gelernt hatten, mussten plötzlich mit Wagen ohneBremsenmit den UnwegsamkeitenderBerge zurechtkommen. Der gesamteTreck war bis zu 450 km lang. Ein Trost: In Ungarnwurdendie Flüchtlinge großzügig von ungarischenMilitärsteIlenverpflegt. Der größte Teil desWegesdesNordtrecksführte durchRumänien.Wichtige Punktewaren: Bilard Q VI. (Barlad), Adjud, Onesti, der Oituz-PassoderBa- Aber die nachrückendeFront, die unterschätzten cau, Piatra-Neramt,der Bicaz-Pass,Dej, Gheor- Strapazenauf der Fahrt über schlechteWegeund Brückensowie das Wetter brachtenalle Vorsätze ghenie.Topliza, Regin. durcheinander. 2. Der Südtreck. Die Deutschender Großliebentaler und Kutschurganer Kolonien sowie die Deutschenaus Odessa. Am 13. März 1944, einem Montag, um 3 Uhr Der Südtreck wurde ebenfalls von einem SS- früh befahl ein Funkspruch der "Vomi" aus Führer im Rang eines Hauptmannsgeleitet und Odessaden Abmarsch. Das bedeutete,dassdie begann am 23. April 1944. Er führte nach der Trecks innerhalb weniger Stunden losziehen Überquerungder Donaudurchdie Dobrudscha. mussten. Schnell wurden die Fuhren irgendwie Die Donau... Rumänensagenzu demzweitgröß- und mit irgendwasbespannt,und ab ging es in ten StromEuropas"Dunarea",Ungarn "Dunha", die Ungewissheit,zuerst in Richtung Tiraspol. Jugoslawen und Bulgaren "Dunav", Russen, Die Wagen wurden ausschließlichvon Frauen Ukrainerund Slowaken"Dunaj". und Kindern gefi1hrt. Die Männer waren fort. Der größte Teil des Südtrecks zog nach Reni Bald saßen viele Gruppen bei kaltem Regen zum Grenzübergang,überquertedort den Pruth fest. mittels einer Pontonbrückeund zog dann nach Am schwerstenhattenes die Flüchtlinge der BeGalati (Galatz) bzw. Braila, um von dort nach resanerKolonien. Sie lagen dem Bug am nächsÜberquerungder Donau weiter in Richtung Isac- ten und hattendie wenigste Zeit zum Aufbruch cea,Tulcea und Cernowodabis Silistra zu fah- gehabt. Außerdem waren aus ihren Dörfern in ren. Die einzelnen Routen können anband der der Zeit davoreinige hundertPferdegespanne für Autbruchberichte unsererZeitzeugenin diesem den Transport an die Front eingezogenworden. Bericht genauerverfolgt werden. Vielleicht ent- (S. Bericht von Gertrud Braun auf den nächsten schließt sich der eine oder andere Leser auch Seiten.) dazu,den Weg seinerElternund Großelternnach Die Kutschurganerhatten etwas mehr Zeit. Sie 60 Jahren unter günstigerenUmständennachzu- warenjedoch im Ungewissen,da sie nicht wussvollziehen, wie dies das EhepaarViktor und Ro- ten, wann bei ihnenzum Aufbruch geblasenwurdica Schäfervor fünf Jahrengetanhat. de. So schlachteten,brieten,backtenund packten Die Vorbereitungendes Auszugeswurden in al- sie Tagund Nacht. ler Stille getroffen,was gar nicht so einfachwar, da der Treck nur mit den landesüblichenPferdeVII. gespannen("Panjewagen")durchgeführtwerden konnte, wofür Pferde, Wagenund Geschirrbe- 16. März 1944. Über den Aujbruch der Gemeinnötigt wurden.Die Dörfer wurden in Gruppenzu de Landau schreibt die späterePräsidentin der jeweils zehn Fuhrenunterteilt. JedesDorf bildete Landsmannschaftder Deutschenaus Russland, einenTreck. Etwa zehn Trecks wurden zu einer GertrudBraun (1906-1984): Marschsäule("Bereichskommando")zusammen- Seit Weihnachten lebten wir unter ständigem gefasst. Insgesamtgab es 20 solcher Bereichs- Druck: Müssenwir fort oder dürfen wir bleiben? kommandos. Jedem größeren Treck wurde ein Man schwanktezwischenHoffen und Bangen. SS-Mannim Rang einesUnteroffiziers zugeteilt, Anfang März machteich mich auf die Fahrt nach der zusammenmit dem Bürgermeisterund den Hoffnungstal, wo eine meiner Mitarbeiterinnen Vertretern des Selbstschutzesdie Trecks in die mit ihren Mütterberatungsstunden, KindernachvorgegebeneRichtung leiten sollte. Er hatte auch mittagen,Stick- und Nähabendeneinegute Fraudie Verantwortung für die Unterkünfte bzw. enarbeit aufgezogenhatte. Alles sah so freudig Nachtlager seines Trecks und die Versorgung und zukunftssicheraus. Nur der "Kommandant" machteein ernstesGesichtund meinte,dasser in von Menschund Tier. 10 Bilder der schwarzmeerdeutschenTrecks Es war Sonntag, der 12. März 1944. Um 11 Uhr, als ich noch einmal -getrieben von innererUnruhe -zur Kommandantur ging, fand ich dort einen Kreis von Männern versammelt, die sehr ernst dreinschauten.Soebenwurde eine telefonische Meldung aus Odessa durchgegeben.Alarmstufe 4! Da wurde es ganz still im Raum. Zwar war der Anruf nur die Vorstufe zum Alarm, aber bei einer endgültigenBestätigung dieser Alarmstufe bedeutete es, dass sich die Trecks innerhalbweniger Stundenabmarschbereit zu halten hätten.Die RussenhattendenOberlauf desBug überschritten! Wir wussten,was dashieß! -Minutenlang sagteniemandein Wort. Dann kamen mit möglichst ruhiger Stimme Vorschlägeund Gegenvorschläge, was nun zu tun sei. Die gemeisterteErregung sah man jedem der Männer an. Noch dürfe nichts nach draußendrinKür.zeeine schwerwiegende Entscheidungerwar- gen. Noch war derendgültigeBefehl nicht da. Ich wollte versuchen,am nächstenMorgen um 6 te. Da war sie schon wieder, diese dunkle Wolke, Uhr -sofern dazu noch Zeit war -die nächste die wir immer nicht sehenwollten! Bahnstationzu erreichen, um nach Landau zu 12 fahren.Da, um 3 Uhr morgensstandzitternd eine Treckwagenauf der Anhöhe in Richtung RohrunsererbekanntenBäuerinnenim Zimmer. Eben bachvor dem Dorf, die Fuhrenbedecktmit Bretwar die Nachricht aus Odessadurchgekommen, tern, Blech oder Tüchernoderwas man sonstauf die Alarmstufegelte rur den ga~en Bezirk. dem Hof gefundenhatte, um ein Dach über den Da ging nun die Schreckens stunde durch den Wagenzu spannen.AußenbaumeltedernotwenDraht hinaus in die Dörfer, jagte die verschlafe- digsteHausrat:Eimer, Milchkannen,Futtertröge. nen Bürgermeisteraus ihren Betten. Diese be- Hoch aufgeladenwaren Kisten und Säcke.Dagriffen kaum, dann rannten sie hinaus auf die zwischen lugten die Gesichter der Kinder. Die Straßen, riefen Boten zusammen, und dies~ Erwachsenenmussten zu Fuß nebenhergehen. klopften an Tore und Türen. Heraus! Heraus! Fast konnten die Pferde die Last nicht ziehen. Der Russekommt. Dazu derklebendeDreck. Es war eine furchtbareNacht. Alle Wagen wurden einer genauenPrüfung unIn höchsterAufregung liefen die Menschenzu- terzogen,ob nicht eine Fuhre zu wenig beladen sammen.Die Dunkelheit,der Schlamm-es hatte sei, um Ausgleich für andere,überlasteteWagen seit Wochen geregnet-und dann die Herzens- zu schaffen. angst vergrößertenin der Phantasie der Men- Ich ging die Fuhren entlang. Dann musste ich schendie Gefahrins Ungeheure. zum Dorf zurück. Erst nach Stundensetzte sich Was sollte man als Erstestun? Was packen,was der Treck endgültig in Bewegung.Er ist am ersbacken?Konnte man nochschlachten? ten Tag wohl nicht weit gekommen.Vielleicht Es gab einenkurzen, hartenAbschied fiir mich. nochbis zum nächstenBahnhofRohrbach. Keinerhatte Zeit fiir denanderen. Ich konnte noch nicht fort, denn das Schicksal Nach erlebnisreicherFahrt erreichteich noch am der Leute ohne Fuhrenwar noch nicht entschiegleichenTag Landau,das Dorf, zu dem ich ge- den. Endlich kam die Nachricht: Unsere Leute höl:te.ErnsteGesichterauchhier. würdenalle herauskommen,wenn auchnicht mit Ich erfuhr, dassin den letzten Tageneinige hun- Pferd und Wagen, wenn auch keine Lastwagen dert Gespannezum Transportdienstan die Front mehr zur Verfügung stündenund keine Bahn beordertwordenwaren. Nun saßendie Familien mehr ging. Sie sollten nachOdessaherausgefloda ohne Familienoberhauptund ohne die Mög- genwerden.Wir atmetenauf. lichkeit, mit eigenerKraft fortzukommen.Woher Es war dunkel,als sichunsereKolonne in Bewefiir sie alle den Laderaumnehmen? gung setzte.UnsereWagenwarenaneinandergeWohl war es gelungen,drei Züge von der be- seilt wie zu einer Bergtour. Ganz vorne zog uns nachbartenStationauf denWeg zu bringen. Aber ein Traktor. Meter um Meter kämpften wir uns dieser Transportraumreichte bei weitem nicht durch den Schlamm. Für 25 Kilometer bis zur aus. festenStraßebrauchtenwir fast zehnStunden. Die Alten, Krankenund Mütter mit Kleinkindern wurden zuerstfortgebracht.Da gab es die ersten VIII. herzzerreißendenAbschiedsszenen,denn notgedrungenmusstendie Familien auseinandergeris- 16. März 1944. Aufbruch der Familie Zanker, senwerden,um die Bahn nur mit denBedürftigs- Landau.Nacherzähltvon M Zanker,2001. ten zu rullen. Einige Kleinkinder starbenbereits Am 16. März sammeltensich die Landauervor in der erstenNacht beim Warten auf die Verla- dem Dorf auf der Straße Richtung Rohrbach. dung unter freiemHimmel. Alle Fuhrenwarenüberladen.Überall ernsteGeAm Donnerstag früh sollte sich der Treck in sichter,gespannteBlicke. Ein klebriger und aufMarschsetzen.Aber was würde aus den anderen geweichterBodenmachtees uns noch schwerer. werden, die keine Fuhren hatten? Die Nerven UnserePferde schaillen es nur mit menschlicher warenangespannt bis zum Äußersten. Hilfe, den schwerenWagenauf denSchafbergzu Endlich war es soweit. In den frühen Morgen- ziehen. Plötzlich hatten wir eine Wagenpanne stundendes 16. März 1944 sammeltensich die und musstenzurück, um den Wagenzu reparie13 ren. Jetzterst sahenwir, wie trostlosdie verlassenen Höfe aussahen,die leerenHäuser,die Hühner auf der Straße.In unseremHaus im großen Wohnzimmerhatte der Stab schonPferdeuntergebracht,und es sahüberallfurchtbaraus. Auf Anweisung musste unsere Familie am nächstenTag mit einem Flugzeug nach Odessa gebrachtwerden.Das war am 17. März. In Odessamachten wir zwei Tage Rast. Dann ging es mit dem Lastwagennach Ovidiopol. An der Fähre war ein Gedränge.Alle waren in Eile. Durcheinander.Auf der Fähre rutschte ein voll beladenerWagenmit Menschenins Wasser.Ein Kind ertrank. In Galatzwurdenwir in einenEisenbahnzugverladen. Der Zug fuhr hin und her, hielt oft bei der Fahrt durch Rumänien,Ungarn und die (spätere) Tschechoslowakeiins DeutscheReich bis Litz- mannschaft. IX. 17. März 1944. Aujbruch der Familie Dauenhauer. Nacherzähltvon Joh. Dauenhauer,2002. Da der LandauerFuhrentreckkeine Pferde hatten, brachenwir am 17. März mit Lastwagendes StabsRichtung Odessaauf. In Odessawaren wir drei Tage, dannging es mit denselbenLastwagen nachOvidiopol zur Fähre,mit der wir denLiman überquerten,um dann in Akkermann zu landen. Nach einer Woche Aufenthalt in Akkermann fuhren wir mit der EisenbahnRichtung Arciz. Kurz vor Arciz wurde unser Waggon bei der kleinen BahnstationSarata-ca. 60 km von Akkermann -abgestellt und die Lok abgekoppelt. Dort bliebenwir drei Tagestehen. Am vierten Tag war Fliegeralarm.Es waren nur zwei Flugzeuge.Sie flogen sehrhochund warfen Bomben ab. Etwa 400 Meter bergabwärtsvon der Bahnstationgab es drei Explosionen.Während des Fliegeralarmsverließendie Leute den Zug und suchtenSchutzauf einem nahegelegenenFriedhof. Aber espassiertenichts. Am nächstenTag kam ein Militärtransport mit rumänischenSoldatenangerollt. Kaum hatte der Zug angehalten,als Panikausbrach.Die Soldaten verließenfluchtartig und Schutzsuchenddurch Türen und Fensterndie Waggons in Richtung 14 Friedhof. Es war aber kein Fliegeralann. Alle Blicke richtetensich genHimmel. Es warenkeine Flugzeugezu sehen.Dafür erblickten wir am klaren, wolkenlosen Himmel sieben Schwäne, die friedlich in Reihund Glied einherflogen. Der Militärtransport fuhr bald weiter. Wir bliebenohneLokomotive zurück. In der nächstenNachtwurde zehnKilometer von uns, in Arciz, heftig gebombt.Am Morgenbekamen wir endlich eine Lokomotive und fuhren nach Arciz. Dort aber gab es kein Weiterkommen, da die Bahnstationzerbombtwar. So wurdenwir wieder zurück nachSaratageleitet. Am nächstenTag organisierteder SS-StabLandau unseren Abtransport mit Lastwagen nach Tarutino. Nach ein paar Tagen Aufenthalt hieß es: "Ostern!" Von Tarutino ging es auf den Lastwagenweiter nach Galatz. Auch die Stabchefs(Kazanowsky, Kreilmann,China und wie sie alle hießen)fuhren mit uns. Einmal wurde früh am Abend eine Filmvorführung organisiert. Man brachte an unserer Baracke, die am nächstenzum Donauuferlag, eine Leinwand an und baute die nötigen Apparaturen auf. Bei Dunkelheit sahenwir die deutscheWochenschau,der ein Kriegsfilm folgte. Da heulten überraschenddie Sirenenauf. "Oh, großerHimmel!" Der Schreckwar groß, die Panik noch größer. Die Leute wurden in ein freies Geländegelotst, das etwa 200 Meter hinter den Barackenlag und von einer Steinmauerumgebenwar. Dort fühlten wir uns sichererals in denBaracken. Der Himmel hing voller "Weihnachtsbäume", und die Bombenprasseltenwie Hagel herunter.Wer das erlebt hat, wird diesen echten"Kriegsfilm" niemals vergessenkönnen. Und keiner wird jemals vergessen,was der achtjährigePeterBernhard schrie,bevor er in den Annen seinerMutter starb: "Mama, mei Kuttelick kummenraus." Die Bombardierungdauerteeine Stunde,die uns wie eine Ewigkeit erschien.Keiner ging in die Barackenzurück,da man einenweiterenAngriff befürchtete. Erst bei Tagesanbruchsah man den ganzen Schaden.Es hatte viele Tote gegeben.Tot war auch Kreilmann und seine Begleiterin im Auto mit der Filmapparatur.KreilsmannsPferde, die in Güterwaggonsverladenworden waren, waren zerfetztund zerfleischt.Es war schrecklichanzusehen. Da manweitere Angriffe erwartete,brachteman die Menschenmassen bei Tag in die umliegenden Dörfer. Es hatte sich herumgesprochen, dasswir eingeschifft und auf der Donau bis Wien gebrachtwürden. Doch darauswurde nichts, weil es auf der Donau zu viele Minen und Luftangriffe gab. Nach einer Woche wurden wir dennochauf Güterwaggonsverladenund über Rumänien,Budapestund Krakau nach Litzmannstadt(Lodz) zur "Entlausung"gebracht. Am 5. Mai 1944wurden wir in der StadtStrelno im Warthegauin einemÜbergangslager untergebrachtund danachden umliegendenDörfern und Gemeindenzugeordnet.Wir kamen mit mehreren anderenFamilien nachSeedorf,direkt an der schönenWarthe, sechs Kilometer von Strelno entfernt. Wir wurden dem Gutsbesitzer,einem Herrn von Dehn, Baron litauischerAbstammung, zug~wiesen,bei demwir bis zur Weiterflucht vor der anrückendenRotenArmee in einemGemüsegartenarbeiteten.Das war am 15. Januar1945. Nach 60 Kilometern erneuterFlucht holten uns sowjetischePanzerbei Gnesen(polnisch: Gnesno) ein. Auf unseremWeg hattenwir zwei Tote zu beklagen: meine achtjährige SchwesterInna und ein Mädchenaus meinerKlasse.UnsereMutter wurde verwundet. Im Februar 1945 wurden wir von der sowjetischenKommandantur("Kommendantura")auf, genommenund musstenzu Fuß nachStrelnozurückgehen,wo manuns einemLagerzuwies. Am 27. Mai 1945 wurden wir erneut in Güterwaggons gestecktund in die Sowjetunion"repatriiert". Unsere Route lautete: Warschau, Brest, Kujbyschew (Samara),Orenburg, Aktjubinsk. Endstation war das Kohlengrubendorf "Schachta"(Ber-TschogurskajaShachta). Das war am 15. August 1945. Wir landetenwieder in Baracken.Aber es hageltekeine Bomben. Dafür musstenwir uns regelmäßigjeden Monat melden und strengsteAusgangsverboteaus der Siedlungbeachten. X. 17. März 1944. Aufbruch der Friedenheimer.Berichtet vonKlemensSchäfer,1999. SchonEnde 1943hattees sichherumgesprochen, dassdie Zeit desAbmarschesins Reich kommen würde. Als aberam 13. März 1944die Alarmstufe 3 durchgesagtwurde, waren doch viele schockiert. Der einzige, der sich wirklich freute, war vermutlich unser Vater, der halbseitig gelähmt war und nicht sprechenkonnte. SeinLächelnund seine Handbewegungenverrieten: Endlich habe ich es geschafft,nachdemes vor 18 Jahrenmit derAusreisenicht geklappthat. Und das,obwohl ich 1926bereits einenReisepassnachKanadain meinenHändenhatte! Von unseremBK-Führer, der seinenSitz in Landau hatte, kam der Befehl, dassdie Friedenheimer noch am 13. März aufbrechensollten. Aber wie? Seit Wochen hatte es ununterbrochengeregnet. Die aufgeweichtenStraßen,der klebrige Dreck und der Regenstellten sich wie abgesprochen dem Auszug entgegen. Selbst mit einem leeren Wagen kam man nicht vom Fleck, wenn er fast bis zu den Achsen im zähen Schlamm steckte! So wurde der Aufbruch auf Freitag, den 17. März verschoben.Den Vater aberbrachteich schonam 14. März unter großenSchwierigkeiten zum Bahnhof,wo ein Eisenbahnzugwartete,der fast voll mit kranken und alten Menschenwar und zur Abfahrt bereit stand. Man hatte uns erwartetund empfinguns gut. Binnen zwei Stundenwar es soweit. Ich stand noch langewie einbetoniertda und sahdem Zug mit unseremVater nach, der um die Kurve fuhr und schließlich verschwand."Hoffentlich kommensie gut nachLitzmannstadt!",dachteich und machtemich über Worms und Rohrbachauf den RückwegnachFriedenheim. Mutter und Tante Emilie hatten viel zu tun. Die eine kochte,die anderebackte,dazwischenwurden Kleider sortiert, Mutter ranntezu denNachbamhinüber. Meine 17-jährige SchwesterFlorentine war zu dieserZeit geradein Rastatt,wo sie eine Ausbildung als Rot-Kreuz-Helferinmachte.Ich war 20 und mit meinem 13-jährigenBruder Philipp mit Pferden und Wagen beschäftigt. Victor und 15 Adam warennoch zu klein, um zu begreifen,was an einer Dnjestrbrücke lag und zu Bendery gesich abspielte.Adam fragte immerzu: "Kommen hörte. Da die Brücke nur nochfiir denRückzugdesMiwir schonheutezu Papa?" Die letzte Nacht in der Heimat war voller Span- litärs frei war, fuhren wir nachGrigoriopol,dann nung und Aufregung. Niemand konnte schlafen. in RichtungDubossary,wo wir denDnjestrüberAm frühen Morgen des 17. März waren alle auf querten. "Jetzt sind wir in Bessarabien",wurde den Beinen. Ich deckte die zurückgelassenen gesagt. Kartoffeln, das Mehl und das Getreide zu und Gleich nach der Brücke ging es überhohe Hügel streutefür die 20 Hühnerund drei Gänse,die wir auf Kischinewzu. Man mussteauf die Pferdegut aufpassen,wenn es bergab ging. In der Feme nicht mitnehmenkonnten,Futter. Die beladenenWagen standengegensiebenUhr donnertees,und wir erhieltenplötzlich die Nachmorgensauf den Höfen bereit für die Abfahrt in richt, dasswir uns hinter derFrontlinie befanden. Richtung Tiraspol über Rohrbach,Worms und Das hatteuns geradenochgefehlt! Berjosowka. Der FriedenheimerTreck bestand Daraufhin wurde die Route geändert,die uns aus 50 Fuhrenund einem Traktor, der meistens jetzt streng nach Südenin Richtung Wadul-Lujan der Spitze der Wagenkolonnefuhr. Ich ging Wode denDnjestrentlangführte. nebendem Gespannmit drei Pferden,Viktor und Als wir von einem Hügel herunter fuhren und Adam saßenauf dem Wagen, Mutter und Tante fast untenwaren,wo der Weg über 30 Meter hiEmilie stapften hinterher durch den Straßen- nab geht, wurde mein Wagenschnellund immer dreck, und Philipp saß stolz auf einer der drei schneller.Ich konnte die Pferde nicht mehr halKühe, die er ebensowie zwei Kälber zusammen- ten, obwohl ich die Zügel so straff gezogenhatte, hielt. SeineKuh ließ sich nur von ihm reitenund dass ich meine Hände nicht spürte. Im letzten gab obendreinwährendder gesamtenReise auch Moment machte ich einen harten Ruck, um die Pferde vom Anhang zu reißen oder den Wagen nocJ:lmehr Milch als die anderenKühe. Der Zug bewegtesich sehr langsam,wie bei ei- zum Kippen zu bringen. Die Deichselbrach, ein ner Beerdigung,und wir kamenerst am nächsten Pferd fiel auf die Knie, der Wagenrutschteauf Tag in Rohrbachan, das nur acht Kilometer von diesesPferd und blieb 2,5 Meter vor dem AbFriedenheimentferntlag. Das Dorf war leer. Am hang stehen.Zwei vollgestopfte Säcke machten zweitenTag schafftenwir esbis Berjosowka,ehe sich dabei selbständigund rollten Richtung Abhang. An ihnen klammerten sich Viktor und die Wege erheblichbesserwurden. Am vierten Tag bekamenwir den Befehl, Rich- Adam fest. Im letztenMoment gelanges mir, die tung Südennach Ovidiopol zu ziehen, weil die beiden Kinder loszureißen,sonst wären sie ins Dnjestrbrücke bei Tiraspol durch das sich zu- Bodenlosegefallen. Andere Helfer kamenhinzu rückziehendedeutscheMilitär verstopftwar. Die gerannt,spanntendie Pferdeausund leertenden Straßenwurdenwiederzunehmendschlechter.In Wagen.Beim Pferd aberwar die Wirbelsäulegewerden. der Nähe von Odessa machten wir einen Tag brochen,und esmussteerschossen Rastund konnten dann endlich weiter nachOvi- Die Reparaturdauerte anderthalbStunden.Mit diopol ziehen. Ovidiopol und Umgebung war einem Baumstammals provisorischerDeichsel ging esweiter. von Umsiedlernüberfüllt. Nach zwei Tagen zogen wir wieder nordwärts Und es donnerteund krachte überall. Man hatte durch Alexanderhilf und Josefstal in Richtung uns gewarnt: Kein Feuermachen,nicht zu laut Tiraspol, um den Dnjestr zu überqueren.In Selz, und immer auf der Hut sein! Wir sind in der wo nur Ukrainer zurückgebliebenwaren, mach- NähedesFeindes! ten wir am29. März eineweitereTagespause. Es Da die Gefahr,auf Partisanenzu stoßen,hier unwar ein frostiger Tag, und wir genossendie war- vermeidlichwar, zogenwir bei Wadul-Luj-Wode men Stuben.Von dort fuhren wir auf gutenStra- wiederwestwärtsnachKischinewund nacheiner ßenbis Tiraspol und dannweitere elf Kilometer kurzen Rast südwärtsnach Kauschanyund weibis zur bulgarischenSiedlungParkany,die direkt ter nachBorodino, Beresino,Tarutino,Tschady16 re-Lungarund Taraklija. Zuerstregnetees, dann den nach Farnen im Bezirk Kruschwitz-Land, fiel Schnee. Kreis Hohensalza,gebracht. Am 1. Dezember In Taraklija wurden wir am9. April sehrfreund- 1944wurde unsereFamilie in einemEisenbahnlich und mit bunten Ostereiernempfangen.Wir waggon durchgeschleustund eingebürgert.Ich bliebeneine ganzeWoche und konntenuns gut war bereits kurz davor zu den Soldatengerufen auf denweiterenMarschvorbereiten. wordenund konnte mich nicht an diesemfeierliAm 13. April hörte es auf zu schneien.Es wurde chenAkt beteiligen. wärmer.Am 14. April wurde der Kanonendonner Beim sowjetischenEinmarschEnde Januar 1945 lauter.Nachts flogen russischeFlugzeugegegen war ich im Einsatz in Jugoslawienund geriet Süden. Die Deutschen nannten diese Flieger bei Kriegsende in amerikanische Kriegsge"Nähmaschinen", die Russen "Kukurusniki". fangenschaft.Erst nach der Entlassungaus der Bald sah man auch andere Flugzeuge,und es Gefangenschafterhielt ich vom DeutschenRokrachtewiederüberGalatz. ten Kreuz die Nachricht, dassmeine AngehöriAm frühen Morgen des 16. Aprils war sowohl gen nach ihrer zweiten Flucht im Winter 1945 aus Galatz als auch voa Norden her Kanonen- von den Russenerfasstund im August 1945 in donner zu hören. Wir mussten daher unsere die kasachischeSteppeverschlepptworden waMarschrouteändern,die jetzt so lautete: Kagul, ren. Pruth-Brücke; Oancea,Beresti, Barlad (Bilari), Onesti,rumänisch-ungarischeGrenze bei Harja XI. (sprich: Hyrsha).Vor Harja konntenwir in Poiana Sarataeine Kuh an einen deutschenBauern 24. März 1944. Aujbruch der GemeindeKarlsruverkaufenund Futterfiir die Pferdekaufen. he.Berichtet von Philipp Frei, 2000. Ab Harja ging es unter strengerBegleitungunga- Unser Dorf konnte aus verschiedenenGründen risc~er Soldaten zuerst über den Oituz-Pass, erst am 24. März aufbrechen,obwohl es in der dannnach Targa Sekueisc,vorbei an der Eisen- Nähe donnerteund krachte und es nachtsnördbahnstationund weiter über den Turia-Passund lich und östlichdesBug blitzte. RichtungGheorgheniund Dej. Der KarlsruherTreck setztesich frühmorgensin Dej liegt am Somesch.Das Wasserdes Flusses Bewegung. Um schnellervorwärts zu kommen, war noch kalt, aberdie Kinder planschtentrotz- wurdendie Fuhrenziemlich leicht beladen. dem darin und hattenihre Freude. Dort wurden Wir fuhren durch Landau. Dort nahmenwir undie Flüchtlinge auf die Weiterfahrt per Eisenbahn sere verbliebenenVerwandten,die Familie Hevorbereitet.Nach einerWoche musstenwir Ver- gele, mit, die weder Pferde noch Wagen hatten pflegung fiir zehn Tage aufnehmenund uns zu und aufuns warteten. den Güterzügenbegeben.Nachdem unser Ge- Wir zogenweiter durch die leerenDörfer Rohrpäck zum Bahnhof transportiert worden war, bach und Worms. Nach der Stadt Berjosowka nahmeine Wehrmachtskommission unserePfer- wurde der Weg besser,und es ging recht flott de in Empfang und stellte uns entsprechende westwärts.Bald bogen wir nach Südenab und Quittungenaus. erreichtenan Odessavorbei Ovidiopol. Dort kaDamit war der Treck nach offizieller Version men wir nicht auf die Fähreund zogen in Richaufgelöst.Meiner Meinung nachwurde er jedoch tung Norden nach Tiraspol, dann weiter bis Dunicht aufgelöst;man wandeltevielmehrdea Fuh- bossary,wo wir den Dnjestr überquertenund rentreckin einenEisenbahntreckum und erleich- vorbei an Kischinewdas südlichgelegeneTarutiterte den Menschenden Transportihres schwe- no erreichten.Nach kurzer Weiterfahrt machten renGepäcks. wir eineWocheRast. Am 2. Juni 1944überquertenwir die Reichsgren- Wir überquertendie Donau und folgten dem ze und erreichten am nächstenTag Litzmann- Strom bis zur EisenbahnstationJassenowo,von stadt. Dort trafen wir unserengelähmtenVater, wo aus wir mit der Eisenbahnin den Warthegau den wir vorausgeschickthatten,wiederund wur- fuhren. 17 Nach dem Einmarschder Sowjettruppenwurde Sie blieben zwei Tage in Franzfeld,bis sie ihren unsere Familie in das Dorf "Betschogurskaja Weg nach Ovidiopol zur Fähreüber denDnjestrSchachta"verschleppt. Liman fortsetzten. Sie erreichtendie Fähre am 22. März. Es verkehrten dort insgesamtzehn XII. Fähren, die jeweils bis zu 20 Fuhrwerke pro Fahrt aufnehmenkonnten. Bei der Überfahrt gab 19. März 1944. Auszugaus Kandel. Nach "Ent- es den erstenTodesfall. Es traf die Frau von Sestehung,Entwicklung und Auflösung der deut- bastianVogel. schen Kolonien am SchwarzenMeer" von A. In Akkermannmachteman keine Pause,sondern Hoschund J. Lingor, Stuttgart 1990. fuhr bis Monascheweiter, wo man übernachtete. Am frühen Morgen des 19. März waren alle auf Am nächstenTag erreichte der Treck Sarata.In denBeinen.Die beladenenWagenstandenschon Tatar Bunar wurde Futter für die Pferde in Empum fiinfUhr vor denHöfen, um gegensechsUhr fang genommen.Danach zogen die Flüchtlinge in Richtung SüdennachOvidiopo1aufzubrechen. durch Cholm, Kirniski, Wasiljewka und andere Die Kande1erwaren die ersten aus dem Ku- bessarabischeDörfer in Richtung Bolgrad. Sie tschurganerGebiet, die ihre Heimat verlassen übernachtetenin einigendieserDörfer und zogen mussten... Es weinten nicht nur Kinder, alte überVulkanesti in RichtungReni. Menschenund Frauen,es weinte auch so man- Am 1. April 1944kehrte man in dem Bulgarencher"harte" und "gestandene"Mann... dorf Tartar-Anamur(Cismikioj) ein. Wegen der Am erstenTag kam der KandelerTreck nur lang- ungünstigenWitterungsverhältnissein den Karsam und mühevoll vorwärts. Die Kühe wurden paten mit Regen, Schneeund Glatteis konnte zu Herden zusammengetrieben, liefen aberbald man nicht weiterfahrenund blieb in Tartar-AnazwischenKandelund Gradenizaauseinander und mur bis zum 17. April. Der Empfang durch die fand.entrotz desWirrwarrs ihre Besitzer,um mit bulgarische Bevölkerung war ausgesprochen ihnenden langenWeg gemeinsamzu gehen. freundlich. Der wochenlangeRegenhatte die Straßenderart Während des Aufenthalts wurden die Kandeler aufgeweicht,dass ein Vorankommen nur sehr vom 5. bis 13. April von Schneefallüberrascht, schwer war. Auf den voll beladenen Wagen der in dieser Gegend selten war. Das dortige konntennur Kinder und ältere Menschenmitfah- Osterfestwar das erste,dassie nicht in ihrer Heiren; die Erwachsenenmusstenzu Fußgehen,was mat feierten. im Schlamm mit kümmerlichem Schuhwerk Aus dem Dorf wurden ältere Menschenund nicht einfachwar. schwangereFrauenin die rumänischeStadt GaMit Mühe und Not kamendie Kandeleram ers- latz gebracht,wo man sie in Sicherheitglaubte. tenAbend bis zu dem russischenDorf Troitzkoje Am Tag darauf jedoch wurde Galatz bombarund blieben dort über Nacht in den Wohnungen diert. Als einige Verwandteder Frauenund ältederEinheimischen.Es gab dort die erstenProble- ren Leute am nächstenTag nach Galatz fuhren, me mit Russen,denndas Dorf war nach der Ok- stelltensie fest, dasses dort zahlreicheTote und toberrevolutionauf Staatskostenerweitert wor- Verwundete gegebenhatte und der Sanitätszug den,und man hatte in ihm viele Teilnehmerdes mit den Frauenbereits abgefahrenwar. Erst späBürgerkrieges angesiedelt. Der überwiegende ter erfuhr man, dass sich unter den Toten keine Teil dieser Bevölkerungsgruppesympathisierte Kandelerbefanden. mit denPartisanenund war gegendie Deutschen. Am frühen Morgen des 17. Aprils ging es endAm nächstenTag ging es weiter nach Franzfeld, lich weiter. Zunächst zurück nach Vulkanesti, dessenBewohnerihr Dorf am gleichenTag hat- dannüber Gabanoasaund Pilnea überdie Pruthten verlassenmüssen.Als die Kandeler dort am brücke nachKagul und nacheinerÜbernachtung Abend eintrafen, konntensie sich wie zu Hause auf rumänischemBoden über die Karpatennach fühlen, zumal die Keller, Speicherund Vorrats- Birlad, Adjud, Cajuti, Pacau,Piatra, Gheorgheräumenoch mit Lebensmittelngefüllt waren. ny, Gehinund Dej. 18 In Dej musstendie Kandelereine Woche Pause einlegen und die notwendigen Vorbereitungen zur Auflösung ihres Trecks treffen. Sie wurden aufgefordert,Verpflegung fiir zehn Tage aufzunehmenund sich in Güterzügezu begeben.Nach dem Abtransport des Gepäcks zum Bahnhof nahmeine Wehnnachtskommission die Pferde in Empfang und stellte dafiir Quittungen aus. So mancherBauerweinte bitter beim Abschied von seinentreuenHelfern. Wenige Stundennach dieser Prozedur zog der Zug weiter in Richtung Budapestund passierte vor der Ankunft in Litzmannstadtdie Bahnhöfe Banska Bystritza (Alt-Sohl), Powazka Bystriza (Neo-Sohl), Bohumi, Orlowa, Ostrau, Ratibor, Oppeln,Brief und Breslau. In Litzmannstadthattendie MenschenachtTage frei, wurden gebadetund entlaust,ehesie am 28. Mai 1944in der KreisstadtJarotschinankamen. Insgesamtwarendie Kandelervolle 70 Tageunterwegsgewesen.Die Hälfte der2.000 Kilometer hattensie zu Fuß zurückgelegt.Viele erreichten denBestimmungsortnicht. In J~otschin wurden die Menschenzunächstin Schulenuntergebrachtund am 5. Juni von Vertretern der umliegenden Gemeinden abgeholt und auf andereQuartiereverteilt. An diesemTag hörte die GemeindeKandel auf zu existieren.Bis dorthin waren die Flüchtlinge gemeinsamgekommen,von jetzt an wurden sie im gesamtenKreis verstreut angesiedelt. Sie merkten, dass sie keine Bauern mehr waren, denn sie wurden als landwirtschaftlicheZeitarbeiter auf den umliegenden Bauernhöfenverpflichtet. Sie musstenauf ehemaligenpolnischen Bauernhöfen arbeiten, auf Anwesen, die seit 1939/1940von deutschenBauernaus Bessarabien, der Bukowina und der Westukrainebewirtschaftetwurden. Es ging zunächstin Richtung Ovidiopol. Dieser russisch-ukrainischeOrt liegt am Ostuferdessiebenbis neunKilometer breitenDnjestr-Limans. Am 25. März wurde der Treck mit der Fähre über diesenLiman an das WestufernachAkkermann (Bessarabien)gebracht. Am ersten Tag konntenalle Peterstalerübergesetztwerdenund verbrachtendie Nacht in Bessarabien. Am nächstenTag zog der Treck südwärtsdurch Bessarabien.Es war ein kalter Märztag mit eisigem Wind, der einenbis auf die Knochenfrieren ließ. Am nächstenTag quartierten wir uns in dem großen ukrainischen Dorf Sophjankaein, machtenRastund warteten,bis die anderenDörfer desBK 34 in Bessarabienankamen.Während wir warteten, wurden wir von einem Schneesturmmit Frosteinbruchüberrascht. Anfang April war der letzte Wagenmit demletzten Mann des BK 34 über den Dnjestr-Liman nach Akkermanngekommen.Nun war es an der Zeit, dassder Treck seinenWeg nach demWesten fortsetzte. Die Peterstalerbrachen in Richtung Tatar-Bunarauf, wo sie sich mit denFlüchtlingen aus Neuburg und Alexanderhilf trafen. Tatar-Bunarwar ein großesund schönesbulgarischesDorf. Auch dort spürte man die Unruhe angesichts der heranrückendenFront. Viele Gutsbesitzerund reiche Bauernwarenbereitsgeflohen. Sie hatten Scheunenvoll Futter zurückgelassen,so dassfür Pferde und Vieh genugda war. Am 9. und 10. April feierten wir in TatarBunarOstern1944. Bei der Weiterfahrtwarendie aufgeweichtenund ausgefahrenen Feldwegeallmählich derartvoller Schlamm, dass sie von unseren Fahrzeugen kaumbewältigt werdenkonnten. Es ging in Richtung Westen,dann nach Süden, Nordenund wieder Süden,bergaufund bergabein Hin und Her. An manchenTagenwaren wir so müde und zerschlagen,dass wir das nächste XIII. Dorf, in dem wir übernachtenwollten, nicht er20. März 1944. Aujbruch der GemeindePeters- reichten.Es blieb uns deshalbnichts anderesübtal. Eduard Stephanberichtetim Jahr 2000. rig, als unter freiem Himmel zu campieren,obDas BK 34 umfasstePeterstal,Josephstal,Mari- wohl die Nächte im April noch immer sehr kalt ental, Kleinliebental, Neuburg, Alexanderhilf waren. und Großliebental.Unser Dorf Peterstallag in Immer öfter sahen wir bei Nacht leuchtende diesem Bereich am nördlichsten und musste "Christbäume".Sie wurden von russischenFlugschonam20. März aufbrechen. zeugenherabgelassen,um die Ziele für die fol19 Bilder mit Stationendes "Großen Trecks", aufgenommenbei einer ReisedesEhepaaresSchäfersnach55 Jahren. 20 genden Bombardierungen zu markieren. Es Jugendbleibt Jugend,auchin extremenSituatiokrachte und donnerte überall. Galatz wurde nen. Unsere Jugendlichen hatten sich sehr mehrmalsbombardiert.Das eine Mal bekam der schnell an die neuen Umständeangepasst.Bei Treck die Anweisung, in Richtung Reni zu zie- schönemWetter organisiertensie kleine Lagerhen, ein anderesMal sollte er Richtung Galatz feuer, an denen Späße gemachtund vielleicht fahren. Als wir uns dem Fluss näherten,sahen auch geflirtet wurde. Und man sang die alten wir in der Feme die hohenBerge der Karpaten, Heimatlieder. Viele Jahre später, schon in der die zum Greifennaheschienen.Unser Treck zog Verbannung in Sibirien, erinnerten sich viele an der Stadt Reni vorbei und bewegtesich zum Landsleutean diesekurze romantischePhaseim Grenzübergangam Pruth. Frühling 1944,als noch alle PeterstalerzusamVor der Einreise in Rumänienwurden alle Pe- menwaren. terstalervon der rumänischenGendarmerienach Als wir donauaufwärtsin Ruse anlangten,gehörSchusswaffenbefragt;es durftenkeine Waffen in te dieserschöneAbschnitt unsererFlucht in Buldas Land eingefiihrt werden.Nach kurzer Befra- garien der Vergangenheitan. Der Ernst des Legung konnte der Treck auf einer Pontonbrücke benshatteuns bald wieder voll im Griff. den Pruth überquerenund auf der rumänischen In Ruse setztenwir zum linken Donauufer bei Seite in Richtung Galatzziehen,wo er mit einer Giurgiu über. Wir musstendie Fähre benutzen, Fähre die Donau überquerte.Das nächste Ziel da die Donaubrücke nur für Mi1itärtransporte war die StadtTulcea,wo Rastangesagtwar. freigegebenwar. Von Giurgiu zogen wir durch Bei der Weiterfahrt in Richtung Dobrudschabis die Walachei in Richtung Westen. Dort lebten zur rumänisch-bulgarischen Grenze wurden die rumänischeBauern, die ärmer als ihre bulgariWege auf der bulgarischenSeitebesser.Es wur- schenNachbarnauf der anderenDonauseitewade auch immer wärmerund die Stimmungbes- ren. ser.Es war Mai! In klaren Nächten sahenwir oft Feuerleuchten Nachdem wir die Grenze schnell und ohne aus dem Norden und Nordosten.Das waren die Schwierigkeitenpassierthatten,kam unserTreck brennendenÖlfelder Rumäniens,die von britiim flachenLand zügig voran. Die Bulgarenwa- schen Bombern,die in Griechenlandstationiert ren uns gut gesonnenund hatten Mitgefühl mit waren,heimgesuchtwurden. uns. Das Lebendort sahnoch recht friedlich aus. Nach der StadtTumu Severinmit der berühmten Wir beneidetendie Bulgaren. römischen Donaubrückeaus dem Jahr 105 n. Da die Nächte immer kürzer und wärmer wur- Chr. kam eine neue Welt auf uns zu. Dort traten den, waren wir nicht mehr gezwungen,in den die Berge zusammenund ließen der Donau nur Dörfern Nachtquartierzu suchen.Nachjeder Ta- einen ganz schmalenDurchgang. Die riesigen gesroutewurde ein geeigneterfreier Platz neben Felsen und Klippen in der Mitte des zusamder Straßeausgemacht;man richtete die Trecks mengepressten Flusses sahen geradezubedrohin Reih und Glied aus und spanntedie Pferde lich aus. aus.Die Männerund Burschenritten zur Donau, Wir kamenzu den "EisernenToren" (die Rumäum die Pferde zu tränkenund anschließendgra- nen sagen nicht "Eisernes Tor", wie wir es gesenzu lassen.Zum Abendbrotkamensie zurück. wohnt sind; sondern "Eiserne Tore"; sie haben Die Frauenhattenes längstheraus,wie manun- Rechtdamit,denndie Donau ist 250 km flussaufter diesenBedingungenraschein Essenzuberei- wärts nach Orsova immer noch nicht frei von ten konnte.Währendder Rastwurde ein Loch in den Karpaten,und es gibt dort weitere "Tore 'j, die Erde gebuddelt,ein Topf darauf gestellt,und und plötzlich zeigte sich die schöneInsel "Adaschon war die Kochstelle fertig. Aus der Feme Kaleh". Es folgten der Karpatendurchbruchbei sahder Platzauswie ein romantischesZigeuner- Orsovaund der "Kessel", eine weitere Enge, in lager. Nur waren dort keine "schwarzen"Zigeu- derdie Donaurauschtund sprudelt. ner, sondernschwarzmeerdeutsche Ex-Kolonis- UnsereReisewegewurden immer schmälerund gefährlicher. Rechts die steilen Felsenwände, 21 links nur ein paar Meter entfernt der reißende das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben wurden. Strom. Zwischendem Ufer und unseremWeg gabes oft Nach wenigen Tagen fühlten wir uns wie Hans intakte Schützengräben,in denendeutscheSol- im Glück auf demWeg nachHause.Wir wurden datenpostiertwaren.Das galt den PartisanenTi- medizinisch und sanitär betreut, das heißt wir tos, für die das Terrain an dieserStelle idealwar. konntenuns baden,wurden"entlaust". Deutsche Sie suchtenam linken (rumänischen)Ufer Kon- Jungenin strammenHJ-Uniformenund deutsche taktmöglichkeitenzu britischen Sabotagespezia- Mädchen in BDM-Kleidung hatten für unseren listen, was der deutschenAbwehr abernicht ver- Empfang sogar ein Konzert mit Musik und Volksliedern vorbereitet. Auf ihren Armbinden borgengebliebenwar, wie esdamalshieß. Dank Gottes Hilfe kamen wir ohne besondere stand in großenBuchstaben"BANAT". Es waVorfälle durchdie gefährlichenDonauengenund ren Kinder der Donauschwabenin Serbien,die konnten über Coronini und Moldova Veche in dort in derNachbarschaftlebten. Inzwischenbereitetenwir uns auf die Weiterfahrt westlicheRichtungweiterziehen. Die Karpaten entferntensich immer weiter von mit der Bahn vor. Es gab Verpflegung für zehn der Donau,und vor uns breitete sich eine herrli- Tage, und wir wurden in Güterwagengepfercht, che Ebeneaus,das fruchtbareund schöneBanat, zuerst unser Gepäckund obendrauf wir selbst! das zwischen Rumänien, Ungarn und Serbien Glückliche Reise durch Serbien,Rumänien,Unliegt und entsprechendaufgeteiltist. Im rumäni- garn, die Tschechoslowakeiund Polenbis LitzschenTeil gabes stattlicheund schöneDörfer, in mannstadt! denenwir Deutscheantrafen, die Donauschwa- Die längste Eisenbahnstreckeführte uns durch ben. Besonders fielen uns die altmodischen Ungarn. Besondersbeeindruckt waren wir dort Trachten der Bäuerinnenmit Kleidern und Rö- von den schönenBauerndörfer,die uns voller ckenbis zu den Fußknöchelnauf. Bei uns in der SehnsuchtanunsereHeimat am SchwarzenMeer Ukraine hatten wir ähnliche Trachten nur von denkenließen. Wir fuhren bei Nacht durch Budapest,das hell Bildern unsererAhnengekannt. Bei der Fahrt durchdie Dörfer botenuns Bauern erleuchtetwar. Es war für uns neu, dasses so etimmer wieder Pferde und Kühe zum Kauf an, was in Europa gab -mehr als vier Jahre nach weil man ihnen "da vorne" doch alles wegneh- Kriegsausbruch. men würde. Welcher Bauer verkauft schon sein Nach über drei Monaten auf einem beschwerliletztesTier, dachtenwir. Wir verstandenjedoch chen, aber interessantenFluchtweg kamen wir Ende Juni 1944in derAufnahmezentralefür Ostschonbald,warum. Nachdem wir die rumänisch-serbischeGrenze flüchtlinge in Litzmannstadtan. Dort wurdenwir bei Jassenowopassierthatten, war unser Treck registriertund in die Gruppeder"Ost-Volksdeutmit Pferdegespannen zu Ende.Die leerenWagen schen"eingetragen. und das Vieh, das wir noch hatten, wurden zur XlV. Aufnahmestelle außerhalbdes Ortes gebracht, wo es eine riesige Koppel gab, die von Wagen umgebenwar und vielen PferdenPlatz bot. Auf 30. März 1944. Aufbruch der GemeindeKleinlieeiner kleineren Koppel danebenwaren Rinder, bental.Kurzfassungder drei Autoren diesesBeidie laut muhtenund brüllten. Dort standeneben- trages,2003. falls viele Wagen, zu denen wir auch unsere Der Treck des Dorfes Kleinliebental setzte sich am 30. März 1944in Richtung Ovidiopol in Bestellten. Den Empfang unserer Fuhrwerke und Tiere wegung. Ein Teil der Kleinliebentalerkam wequittierte ein Beamter. "Bewahrensie die Quit- gen ungünstigerWitterungsverhältnisseerst am tung gut auf', sagte der Mann, "das Deutsche 2. April auf die Fähre.Die anderenmusstensüdReich wird euch später dafür entschädigen." lich von Ovidiopol über die SandbankKarolinoHeute wissen wir, dass diese Quittungen nicht Bugas nach Bessarabienflüchten. Von Bessara22 bien ging es mit der Fähre in der Nähe von Ismail überdie Donau in die Dobrudscha,dannder Donau entlangbis Jasenewoin Serbienund anschließendper Eisenbahndurch Rumänien,Ungarn und die Tschechoslowakei bis zum Warthegaubei Litzmannstadt. xv. 29. März 1944. Aujbruch der GemeindeAlexanderhi/f Bericht von Eduard Mack,1998. Mit dem Näherrückender Front wurde uns mit jedem Tag klarer, was uns bevorstand,obwohl nochkeine Anweisungenvon den deutschenBehördenvorlagen. Wir hörten auch,dassdie deutschen Gemeinden,die östlich und nordöstlich von uns lagen, die Beresanerund andereNachbarkolonien also, bereits vollständig evakuiert wordenseien.Und so kam der Tag, an demman uns Männer in der Kirche zusammenriefund uns den Befehl des BereichskommandoführersBK 34 bekanntgab. Laut diesemBefehl musstenalle VolksdeutschenunseresBereiches in den Wartheg~uevakuiertwerden.Zur vollständigenVorbereitunggab manuns achtTageZeit. Das ganzeDorfwurde in Gruppenaufgeteilt.Die Gruppenbestandenmeistensaus fünf bis sieben Wagen; jede Gruppe bekam eine Nummer, die auf den Wagensichtbarangebrachtwurde.Unsere Gruppe erhielt die Nr. 14. Gruppenführerwar FriedrichGauck, der immervoraus fuhr und starke Pferdeund gute Wagenhatte. Die Pferde wurden beschlagen,Wagenrepariert, das Pferdegeschirrvorbereitet. Einige Familien decktenihre Wagen mit Sperrholz,andere mit Blech, Wachstischtüchemoder sogar mit Teppichen. Das sollte vor Wind, Regen und Sturm schützen.Außerdemmussteman einen Trog für die Pferdemitnehmen.Alle Fuhrenwarenbereits am28. März nachmittagsbeladenworden. Mit dem Glockengeläutzum Abschied wurden die Pferde am 29. März um 6 Uhr früh eingespannt.Unsere Kuh, zwei Rinder, zwei Schafe und ein Schweinchenwurden losgebundenund aus dem Stall getrieben,damit sie nicht verhungerten. Am Dorfende in Richtung Ovidiopol wurde der Treck unseresDorfes zusammengestellt.Insge- samt waren es 235 Fuhrwerke mit 575 Pferden; die ersteFuhrewar die desBürgermeistersHeinrich Schöpp. Die Strecke Alexanderhilf-Oviopolbeträgt neun Kilometer. Der Zustandder Straßehatte sichverschlechtert,denn etliche Trecks hatten bereits den gleichenWeg wie wir benutzt. Um 11 Uhr kamen wir in Ovidiopol an, wo uns eine Fähre der Wehrmachtüber den Liman befordern sollte. Da ein Nordwind das Wasserins Schwarze Meer hinausgetriebenhatte, konnten die Fährenjedoch nicht anlegen. Wir mussten daher in den Höfen der ansässigenUkrainer übernachten.Die meistenvon uns hattenaber in Ovidiopol Bekannte, von denen sie freundlich aufgenommenwurden. So auch wir. Wir übernachtetenzweimal,wurdenverköstigt. Am 31. März 1944, einem Freitag, konnten wir endlich auf die Fähre fahren. Jede der zehn Fährennahm 20 Fuhrenauf. Die Überfahrt über den neunKilometer breiten Liman dauerteetwas weniger als eine Stunde.Um 9 Uhr abendskamen wir in Akkermannanund übernachteten außerhalb der Stadt am Straßenrandin der Nähe desDorfes Babaschoi. Am 1. April fuhren wir ab 9 Uhr früh auf einem sehr gutenWeg in Richtung Manaschiund weiter bis Baramtscha,wo wir nach insgesamt40 Kilometern Fahrt Wohnraumund Ställe für die Übernachtungbekamen. Am 2. April erfolgte bei starkemRegendie Weiterfahrtbis Sarata.Unmittelbar nachBaramtscha erblickten wir einenhohen, steilenBerg. Da der Feldweg nach dem starken Regen tief verschlammtwar, war es für uns mit der schweren Last kaum möglich, denBerg zu bewältigen.Einige,die obenangekommenwaren,spanntenihre Pferde aus und gingen zurück, um den anderen zu helfen. Hinter dem Berg war der Weg bis einen Kilometer vor Sarata wieder besser,ehe er sehr löchrig wurde. Zudem sankdie Temperatur plötzlich rapide, und aus dem Regen wurde Sturm.Man konnte kaum nochetwassehen.Viele Fuhren blieben in den Löchern stecken,und nicht alle kamen in Sarataan; die davonBetroffenenmusstendraußenim Sturmübernachten. Am 4. April ging es am frühen Morgen in Richtung Tatar-Bunar(Tataresti)weiter, am 6. April 23 nach Spaskaund weiter bis FantanaZenala und Ismail. Im gagausischenDorf DerbenderiKaratschanblieben wir siebenTage und feierten dort Ostern. Am 15. April erhieltenwir die Anweisung,nach Nordenzu fahren. Wir überquertenden Pruth bei Kagul oder Falciu und zogen über die rumänischenKarpatennachUngarn. Weiter bewegtesich der Treck in Richtung Moscovcii. Wir fuhren von 5 Uhr morgensbis 8 Uhr abends,schafftenabernur die Hälfte der Strecke. Es war ein sehrschwererFeldweg, den wir nach dem langen Regen antrafen. Wir übernachteten mitten auf demFeld in einemTal zwischenzwei beachtlichhohenBergen.Der Treck ausGroßliebental war bereits vor uns dort, und die Leute warntenuns davor, Feuerzu machen,da wir uns in Feindesnähebefanden.Es dauerte auch nicht lange,bis wir ein Flugzeughörten,das sich uns näherte.Bald krachte es einmal und dann noch einmal.Es ist unmöglichzu beschreiben,wie vor allem die Frauenund die Kinder schrieen,was für eine Panikfolgte! Die Pferdewieherten,zerrten an denLeinen.Dannwurde alles still. Wir blieben drei Tage in Moscovci, wo sich die Trecks aus Alexanderhilf, Neuburgund Mariental sammelten.Man teilte uns mit, dassdie Brücke über den Pruth bei Kagul gesprengtworden seiund russischePanzertruppenim Norden nicht allzu weit von uns operierten.JedeNacht sahen wir, wie Galatzbei Nacht vom Licht der Scheinwerfer und Leuchtkörper beim Bombardement der Stadt durch sowjetischeFlieger taghell wurde. Am frühen Morgen des 21. Aprils fuhren wir in südlicher Richtung weiter. Wir bemühtenuns, von der Front wegzukommen,da man denKanonendonnerschondeutlichhörte. Nach einerFahrt von 30 Kilometern kamen wir in der moldauischenSiedlung Kuzawoda an, die in der Nähe von Vulcanesti liegt. Das Futter für Pferde und Kühe war sehrteuer. Ein Kilo Mais kostete 20 Lire. Wir blieben sechsTage in Kuzawoda. In dieser Zeit sammeltensich dort die Fuhren aus sechsSchwarzmeerdörfern und Odessa. Am 28. April wartete eine Wehrmachtsfahrein Kargatschiauf uns, um uns über die Donau zu bringen, und am nächstenTag wurden wir in 24 Kardal auf eine großeFähre für 200 Fuhrenverladen. Die Donau ist an dieserStelleetwa zwei Kilometer breit; unsereFähre brauchtenur 15 Minuten bis Isny (Isaccea)unweit der Stadt Tulcea, die zur rumänischenDobmdschagehört. So verließen wir Bessarabien,bevor wir drei Tage in Nikolitel verbrachtenund dann die Donau entlang nach Südendurch die Dobmdscha, Bulgarienund die Walachei (Alt-Rumänien)bis in dasBanatzogen. Am 22. Juni 1944verließenwir die letzte Übernachtungsstelleauf rumänischemBoden. Um 3 Uhr bewegte sich der Treck vom Aufenthaltsort Belobreschi(Diritsch) zur Grenze.Zwei Kilometer nachder rumänisch-serbischen Grenzefuhren wir durchdasschönegroßeDorf Rotkirchen,das zur Hälfte von deutschenBanaternbesiedeltwar. Dann ging es siebenKilometer weiter zum SammellagerJassenowoin derNähe der Bahnstation Weißkirchen. Sonntag,25. Juni 1944: Wir sind in einemEisenbahnzugundfahrenin RichtungWarthegau... XVI. Ende März 1944. Aufbruch der GemeindeSelz. Bericht von Eduard Stephan,2000. Dass die Lage der Flüchtlinge Ende März 1944 immer brenzliger wurde, konnte man am Beispiel der GemeindeSelzsehen.Selzgehörtezum Rayon Kutschurganund wurde vom BK 23 betreut. Die sowjetischeArmeehatte denBug überquert und dann nördlich von Dubossary den Dnjestr und schließlich auch den Pruth in der Nähe der StadtJassy.Es kam fiir die Flüchtlinge zu großenStauungenan denDnjestr- und Limanüberquerungen.Die Partisanenwurden immer aktiver und leistetengute Vorarbeit fiir die Rote Armee. Als8elz von deutschenSoldatenals letztesDorf des BK 23 mit der Fähre bei Majaki über den Dnjestr geschleustwurde, tauchtenplötzlich am OstuferunbekannteTruppenaufund feuertenauf die Fähre. Ein großer Teil der Selzer, die am IUfer noch auf ihre Überfahrt warteten,wurde festgenommenund zurück nach Selz gebracht, wo sie bis Kriegsendeblieben. Nach dem9. Mai 1945wurdensie in den hohenNordennachWorkuta verbannt. Drommina und Umgebung.Nun warendie einstigen Nachbarnaus Peterstal30 Kilometer voneinanderentfernt,und dieserTrend sollte sich in XVII. der Zukunft mit jeder Flucht, Umsiedlungund Evakuierungdramatischverstärken. Empfang im Warthegauim Sommer 1944. Be- Vorerst aber hattenwir endlich eine festeAdresrichtet von Eduard Stephan,2000. se: Dorf Sitzenroten, Gemeinde Reichwald, Wir wurden in der KreisstadtKonin ausgeladen Kreis Konin, Warthegau-6. und noch im Dunkel der ersten Nacht in zwei Wir konntenwieder in richtigen Bettenschlafen. Flüchtlingslagern untergebracht. Das war der Da es Arbeit so schnellnicht gab, suchtesichjeAnfang der Trennung und des Auseinanderle- der eine Beschäftigung.Alle Peterstalerbekamen bensder DeutschenunsererGemeindePeterstal. Hilfen vom Staat,und man wies uns auch LeDie eine Hälfte der Peterstalerwurde im Zent- bensmittelkartenzu, ohne die man weder Brot rum der Stadt nebeneiner Kirche in Gemeinde- noch Fleisch, Fett, Zucker oder andereLebensräumen einquartiert,die für Flüchtlinge herge- mittel kaufenkonnte. Für Kleinkinder gab es eirichtet wurden. Dort gabes auchgroßeLagerhal- nen Kinderplatz, schwarzmeerdeutsche Schüler len für das gesamteGepäckder Peterstaler.Die wurdenSchulenzugewiesen. andere Hälfte der Peterstalerwurde südöstlich In der Erntezeit konnten sich einige Flüchtlinge am Rande der Stadt nebender Warthe in einem bei den Bauernals Tagelöhnerverdingen.Unser dreistöckigen Schulgebäudeuntergebracht,auf Lebenpasstesich nachund nachden Umständen dessenHof sich mehrereeinstöckigeHäuserbe- an. Allgegenwärtig aber blieb angesichtsder hefanden.In diesenUnterkünftenblieben wir zwei ranrückendenFront die Angst um unsere ZuWochenund wurden dort auchverpflegt. Es gab kunft. wa~e Mahlzeiten,oft Gemüsesuppen und Kaf- Es war die Zeit, da sich die Ereignisseauf den feeersatz.Viele Peterstalerkanntendie Speisen Kriegsschauplätzenüberschlugen. Am 6. Juni nicht und verpflegtensich solange und so gut es 1944 waren die Alliierten in der Normandiegeging mit ihremProviant. landet,am20. Juli misslangein Attentat auf HitKonin war keine große Stadt, in der nur wenig ler, und im August organisiertenWiderstandslos war. Da wir nichts zu tun hatten,bummelten kämpfer einen Aufstand in Warschau,der von wir öfter durchdie Stadt,wo die Gaststättenfast Wehrmachtund SS blutig niedergeschlagen wurmenschenleerwaren. Um in einer Gaststättezu de, nachdemdie Aufständischenvergebensauf essen,benötigte man Lebensmittelmarken,die Unterstützung durch die Rote Armee gewartet wir aber nicht hatten. Immerhin konnte man Li- hatten. Die Deutschenbegannenan der UnfeWmonadeund Bier ("Dünnbier"; Anm. d. Red.) barkeitdes "Führers" zu zweifeln. Sie warengekaufenEs gab aucheinige Kinos, die wir fleißig fordertwie nochnie in ihrer Geschichte. besuchten.Das war etwas Neues und erinnerte Gefordert waren auch die Volksdeutschen,also uns an die Vorkriegszeit. Gezeigt wurden meis- WIr. tens friedliche Heimatfilme. Lediglich die W0- In den Monaten Septemberbis November 1944 chenschauerinnertean den grausamenKrieg. wurden alle wehrtauglichenMänner der VolksEines Morgens standenPferdegespanne der pol- deutschenzur Wehrmacht,zur Waffen-SS oder nischenBauernvor demLager.Die Fahrerhatten zum Volkssturm eingezogen.Man sprach vom die Aufgabe,uns in die verschiedenenDörfer zu "letzten Aufgebot des Führers". Die Männer bringen. Unsere Peterstaler,die in den Häusern wurden an verschiedenenFronteneingesetztund nebender Warthe untergebrachtwaren, wurden kamenauch in verschiedeneGefangenschaften in das 18 Kilometer entfernte StädtchenReich- amerikanische,britische, französische,sowjetiwald mit den umliegendenDörfern Sitzenroten, sche-oder starbenfür Deutschland.Die nocharGrochowje, Weißfrauen, Ljubina und anderen beitsfähigen Männer und Frauen wurden zum gebracht. Die übrigen Peterstalerkamen nach Arbeitsdienst einberufen, um Schützengräben 25 auszuhebenoder andereArbeiten zu verrichten. Durch den fluchtartigen Aufbruch waren bald Jugendlichezwischen15 und 17 Jahrenkamenin alle Wege hoffnungslos verstopft. Der Treck Arbeitsdienst-Lager(oder auch schonzur Wehr- kam nur langsamvoran. Die Frauen waren auf macht oder WaffenSS. Anm. d. Red.). Unsere sich allein angewiesen,dennihre Männer waren Mädels zwischen 15 und 18 Jahten kamen in beim Volkssturm oder bei den Soldaten. Die BDM-Lager, wurden Krankenpflegerinnenund - Flucht über die Oder schafften die meisten helferinnen in Lazaretten, Telefonistinnen,Ar- Volksdeutschennicht mehr. Sie wurden von sowjetischenPanzerneingeholtund in Zügenbald beiterinnen,Angestellte. Alle außer Alten, Kranken und Müttern mit in den hohen Norden des europäischenRussKleinkindern waren im Einsatz. Es wurde kein lands,nachSibirien, Kasachstanusw. gebracht. Unterschied zwischen Einheimischen und Was darauffolgte, wissenRusslanddeutsche besFlüchtlingen gemacht, als es um den letzten serals der RestderWelt. Kampf ging. Für die Volksdeutschenaus der Ukraine hatte sich in kurzer Zeit viel geändert. KATHARINA SCHÄFER Konstantblieb nur die Angst vor einerungewissenZukunft. Januar -Mai 1945 Im Oktober 1944beschleunigtedie nationalsozialistischeFührungdie Einbürgerungsaktionder Im Januar 1945 war es kalt. Auch bei uns in Volksdeutschen.Es wurden sogar Eisenbahnzü- Farnauim Warthegau,wohin wir vor gut einem ge zu Einbürgerungsbürosumfunktioniert und halbenJahraus Friedenheimim Schwarzmeergevon Ort zu Ort zu den Flüchtlingen geschickt, biet evakuiert worden waren. Die Rote Armee um möglichst viele neue Deutsche zu erfassen. kam von Tag zu Tag näher. Unruhe und Angst Die Zeit war aber knapp, und die Front rückte hattensich bei der deutschenBevölkerungausgeunwiderstehlichnäher,so dass nicht alle Volks- breitet. deutscheneingebürgertwerden konnten. Unter Am frühen Morgendes21. Januarswar dasganden nicht eingebürgertenFlüchtlingen befanden ze Dorf auf denBeinen. Unser Gutsherrließ vor sich auchviele Peterstaler,die in Drommin und unserer Tür ein Pferdegespann auffahren und in d~rUmgebunglebten. sagte: "Katharina, es ist sehr eilig. Die Russen Weihnachten 1944. An diese Weihnachtenim werden noch heute einmarschieren.Wir müssen Warthegauerinnern sich alle Schwarzrneerdeut- schnellaufbrechen.Nimm nur dasNotwendigste sche,die dabei waren und noch am Lebensind. und warme Kleider mit. Unser Treck geht nach Es war ihr erstesund letztes Weihnachtsfestin Dresden." "Großdeutschland" nach ihrer Auswanderung Unter großenSchwierigkeitenbrachtenwir meiaus demSchwarzmeergebiet. nen Mann auf den Wagen; Johannwar gelähmt Am 12. Januar1945beganndie Winteroffensive und konnte auchnicht sprechen,war abergeistig der RotenArmee. Die Weichselwar inzwischen voll auf der Höhe. Nach ihm kamendie beiden fest zugefroren. Sowjetische Truppen drangen Kleinen, Viktor und Adam, dran. Der Gutsherr auch in den Warthegauein und hinterließeneine brachteuns noch zwei Federbettdecken und vier blutige Spur von Vergewaltigungen,Verschlep- Federkissen.Zum Schluss stiegen auch unser pungenund Tod. Die Deutschenflohen. SohnPhilipp, unsereTochterEmilie und ich auf Mitte Januar 1945 erfolgte die erste große den Wagen. Der älteste SohnKlemens war beFluchtwelle. Es bildeten sich Trecks nach Sach- reits deutscherSoldatund TochterFlorentine in sen,Brandenburgund Bayernsowie in das Sude- Lübeck zur Ausbildung. Wir begabenuns ohne tenland. Ende Januar 1945 forderten die deut- sie wieder auf die Flucht in eine neueUngewissschenBehördenalle Umsiedler auf, sofort den heit. Wir warenwieder mitten in einemTreck. Warthegauin Richtung Westenzu verlassen.Der Unser erstesZiel war die Stadt Kruschwitz, die Befehl kam spät, für viele zu spät. Waren die in der Nähe unseresDorfes lag. Von Kruschwitz Behördenetwa selbstüberrumpeltworden? musstenwir über die Netze-Brücke fahren, die 26 KatJiarina Schäfer(vorne Mitte), geb. Groß,geb. 17. Oktober1896 in Marjanowkabei Selz, Odessa,bei ihrer Feier zum 90. Geburtstagin Karlsruhe mit Kindern, Schwiegerkindern, Enkeln und Urenkeln. von der Wehrmacht bewacht wurde. Plötzlich rannte ein Soldat auf uns zu und umarmteuns. Wir waren so überrascht,dass wir den Mann nicht sofort erkannten.Es war unser Sohn Klemens! Nach einer kurzen Begrüßung sprang er wieder von unseremWagen herunterund sagte: "Hinter Kruschwitz zieht der Treck in Richtung Strelno. Das sind elf Kilometer. Ich hole euch mit demFahrradein,und wir nehmendanneinen anderenWeg, denn der Treck ist zu langsam.Es empfieWt sich zur Zeit auch nicht, auf der Chausseezu blieben. Jetzt aber schnell weiter. Wir müssendie Brücke sprengen..." Wir erreichtenStrelno nicht. Nach einer Stunde war eine Panikausgebrochen. Menschenschrien, sprangenvon ihrenWagen,ranntenauf daszugefrorene Feld und warfen sich auf den Boden. Zwei sowjetischeFlugzeugekamen so nahe an uns heran,dassman sogardie GesichterderFlieger erkennenkonnte. Sie flogen den Treck entlang und schossenauf alles. Als die Flugzeuge verschwundenwaren, wurde das Geschreinoch lauter. Die Überlebendenbegannenmit der Bergung ihrer totenund verwundetenAngehörigen. Als wir unser Gefährtauf die Chausseezurückbringen wollten, hörten wir plötzlich wieder Schreie: "Sie kommen, sie kommen zurück!" Alles rannte wieder. Johann,mein Mann, zeigte auf Philipp und Emilie. Er meintewohl, sie sollten in dieser Situation auf keinen Fall fliehen, was sie auchnicht taten.Adamund Viktor mussten schnellauf den Wagenklettern und wurden mit Federkissenzugedeckt.Johannund ich legten uns auf die beidenund zogenuns die Federdecken über die Ohren. Schon trommelten die Kugeln. Dann ein Wiehern, der Wagenmachte einen gewaltigenRuck, ich weinte und beteteso laut wie noch nie. Bald hörte ich nur noch Heulen, Schluchzenund Stöhnen.Schnell schob ich die Decken zur Seite, um zu sehen,wie es den Kindernging. Und wiederdie Schreie:"Sie kommen!" Doch diesmalwar es ein deutschesJagdflugzeug,währenddie russischen"Mstitel" ("Rächer") verschwundenwaren. Endlichvorbei! 27 Ich hatte ein paar Beulenabbekommen.Eine Kugel hatte JohannsgelähmtesrechtesBein getroffen, was ich aber erst späterentdeckte.Die Pferde bluteten und konnten sich kaum bewegen. Philipp und Emilie kamenzurück. Philipp war am Nacken getroffen worden und blutete. Wir bandagiertenihn und schautenuns um: Überall Leichen und Verwundete. Einige standenauf, brachenaberwiederzusammen.Hinter uns lagen angespannttote Pferde. Es war ein furchtbares Bild, das sichuns bot. Es dauertenicht lange,bis wir sonderbareGeräusche vernahmen.Sie wurden lauter und lauter. Schließlich zeigten sich sowjetischePanzer,die sichuns nähertenund mit ihren Ketten alles zerquetschten.Viele Panzer hatten Aufschriften: "Smertj Faschistam" oder "Mstitelj", also "Tod denFaschisten"bzw. "Rächer". Obwohl jeder etwas Weißes zum Zeichen der Aufgabe herzeigte,wurde alles, was nicht entkommenkonnte,niedergewalzt. Wir saßenwie versteinertauf unseremWagen, der immer noch am Rande der Chausseestand, und 't"artetenauf das Ende. Es kamen immer mehr Panzerhinzu. Ihnen folgten die Infanterie und Spezialeinheiten,die uns wieder nach Farnen brachten.Die Brücke über die Netze stand noch. Also hatten die Deutschenes nicht mehr geschafft,sie zu sprengen. 2~ In Farnen hatte sich alles verändert. Polnische Bauern hatten wieder ihre Güter zurückbekommen, und auf den Straßenwimmelte es von betrunkenen Freiheitskämpfernund sowjetischen Soldaten.JedesHaus, alle Zimmer, Keller und Dachgeschosse,Scheunenund Ställe wurden durchsucht.Gefragt waren Schmuck,Uhren und Frauen; Vergewaltigungenwaren an der Tagesordnung. Ich meine, dass die ehemaligenFreiheitskämpfer noch gründlicher als die sowjetischenSoldatenwaren.Es gabkeine Nacht, in der sie nicht kamen, um etwas zu suchen.Und sie suchtenüberall. SogarJohannwurde mehrmals aus demBett geworfen. Ende April 1945wurde es in Farnenruhiger,und am 25. Mai verlud man uns auf Güterwaggons und brachteuns in die UdSSR. Am 18. August kamenwir in Ber-TschuguskajaSchachta,Rayon Tschelkarskij, Gebiet Aktjubinsk, Kasachstan, an,wo wir in Barackenuntergebrachtwurden. JohannsGesundheitverschlechtertesich unaufhaltsam.Die Stelle um die Schusswundeam gelähmtenBein entwickelte sich zu einerunheilbaren Gangräne.Er starbdaranam29. Mai 1946. Erst als mich Jahre späterdie Nachrichterreichte, dass Florentine noch lebte, in Sibirien, und Klemens denKrieg in Jugoslawienund die amerikanische Kriegsgefangenschaft überstanden hatte,bekammein Lebenwieder einenSinn.