Alles im grünen Bereich

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Alles im grünen Bereich
Michael Klein
SKAR
Alles im grünen Bereich
Michael Klein
SKAR
Alles im grünen Bereich
Impressum
Ein Projekt von Michael Klein und dem FC Energie Cottbus
Titelseite Layout: Heimat-Verlag Lübben, www.spree-wald.info
Grafiken: fotolia.com © THesIMPLIFY, pixabay.com
OSKAR
oder
ALLES IM GRÜNEN BEREICH
Vorwort
Fußball ist ´n Spiel für Doofe. - Stimmt, aber die meisten sind zu doof, um Fußball zu spielen.
Viel Spaß beim Lesen
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1. BUCH
24.2.2026
Völlig Banane. Mama und Papa verpassen mir zum 16. Geburtstag ein ´Electronic Diary´, eins
von diesen dämlichen tragbaren Tagebüchern. Total ´in´ der Blödsinn, vor allem bei den Zicken.
Ich kann aufnehmen oder aufschreiben was in meinem Leben so passiert. Wird von jetzt an
aufregend genug, glaubt mein Alter. Und später hat man das Meiste vergessen, oder schmeißt
alles durcheinander. Hab ihn gefragt, ob er auch ein Tagebuch schreibt und er hat gesagt ´nein´
und das würde ihn heute ziemlich ärgern, weil er viele Dinge absolut nicht mehr auf den Schirm
kriegt. Gut, sagt er, bei ihm ist das nicht so tragisch, weil er keine Chance hatte, Profi zu werden,
so wie ich. Sein Vater hatte ihm einen Job bei der Post besorgt, als Beamter im Innendienst und
Ende im Gelände. Ich hätte jetzt komplett andere Perspektiven und sollte alles genau
aufschreiben. Mein Tagebuch könnte irgendwann Gold wert sein, wenn ich den Sprung in die
Erste Liga schaffe und vielleicht sogar in die Nationalmannschaft. Könnte alles passieren. Herr
Epe, mein Trainer, sagte ich hätte das Zeug, um mal ganz groß raus zu kommen. Aber wen
interessiert dann noch, wo ich in der Jugend gekickt habe oder ähnlicher Schwachsinn? Wenn ich
mich auf die Sache einlasse, habe ich auf jeden Fall jede Menge Palaver und Schreiberei an der
Backe.
März
Weihnachten für Arme. Gestern in Mathe eine fette ´3´ ergattert, ausgerechnet in Mathe!! Bin da
eigentlich mehr der totale Loser. Außerdem kam heute Bescheid von ganz oben, dass ich ab
sofort dreimal die Woche bei den Profis mitzappeln darf, wenn unser Doc sein Okay gibt. Das
gilt für mich und zwei andere aus unserer Truppe, Sercan und Olli, der Rest kann weiter in der
Pampers-Liga kicken. Habe sofort zu Hause angerufen. Mama freut sich wie Plätzchen und Papa
passt vor Stolz nicht mehr durchs Garagentor, sagt Mama. ´Hätte er immer gewusst, dass ich den
anderen Affen mal Zucker gebe´. Werde es garantiert besser haben als er, meint mein Erzeuger.
Kein Kunststück. Hängt seit mehr als zwanzig Jahren für kleines Geld am Schalter ab. Schätze,
ich verdiene jetzt mit schlapp 16 schon mehr als Papa und Mama zusammen. Ach so, das war
jetzt der erste richtiger Eintrag in mein Tagebuch. Bin also doch auf die Sache reingefallen.
Fit wie ´n Turnschuh
Von Professor Schenker und seinem Team von Kopf bis Fuß durchgecheckt worden, jeder
Zentimeter. Bin jetzt mit 16 Jahren und 12 Tagen genau 1,84 m groß, 75 Kilo schwer,
Schuhgröße 46 und total Eiche, sagt der Prof. Hätte ich ihm auch vorher sagen können. Mein
Einsatz bei den Profis ist medizinisch vertretbar. Serkan und Olli sind auch durch, aber Olli hat
Plattfüße. Bei den Profis mitkicken zu dürfen bedeutet allerdings keine Befreiung vom Unterricht
oder so. Wir müssen genau so unsere Stunden abreißen wie die anderen Pappnasen aus unserem
Jahrgang. Dicke, braune Sch....
Einstand
Wir drei sind für die Profis Frischlinge mit Tarnkappe und die Stimmung in der Kabine war mies,
gestern gab´s krass eins auf die Locke – 1:4 gegen RuhrEnergy vergeigt, auf eigenem Acker.
Lecker zerfetzt worden, auch pressemäßig. ´Amateurtruppe´, ´pomadige Jungmillionäre´ und so
weiter. Janssen, der Assi, hat uns Frischlinge ganz kurz zur Seite genommen und gesagt, wir
sollen einfach das machen, was angesagt wird, keine Hemmungen, aber auch keine Extratouren.
Ende der Durchsage.
Das Training selbst war total lasch. Sind mit den Großen eine Viertelstunde im Kreis getrabt,
dann einfaches Kicken, annehmen, passen und so weiter, nichts anderes als bei uns, nur schneller
und genauer. Am Ende gab´s dann ein lockeres Spielchen und zum ersten Mal tauchte
Mertesacker auf, der große Chef. Chillte zusammen mit zwei Fettsäcken auf der Tribüne und
palaverte. Was auf dem Rasen abging, schien irgendwie kaum zu interessieren.
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Im Match ging´s anders ab. Die Profis sind flotter, breiter und massiver als unsereiner,
zweibeinige Betonwände, auch die Kleinen. Und einfach einen vernaschen kann man locker
vergessen. Die Brüder sind total abgezockt und wissen was du vorhast, bevor dir selbst klar ist,
was du vorhast. Dann kommt der Schlag ins Fahrgestell, du gehst auf die Matte, der Ball ist weg
und die halbe Truppe lacht.
Treffer
Heute meinen ersten echten Profi abgeholzt. War keine Absicht, aber den Herrn hat´s voll
gebügelt. Wollte zügig links an mir vorbei und trabte voll in meine Grätsche. Fetter Abgang mit
Flugeinlage und doppeltem Aufschrei. Ein paar von den Alten haben gegrinst und der Chef hat
mir kurz zugenickt. Wollte mich entschuldigen, hat aber nicht funktioniert. Der gefällte Mann aus
Uganda hat nur böse gepeilt und seine Gräten sortiert. Mal sehen, ob in den nächsten Tagen was
zurückkommt. Keine Ahnung, aber ich wette, echte Profis sind nachtragend.
Echo
Und ob! Reif für die Schnabeltasse. Der Uganda-Mann hat mich ohne langes Vorspiel voll über
die Klinge springen lassen, aber erst nachdem er mir seinen Ellbogen volles Rohr zwischen die
Augen gerammt hatte. Kein Pfiff, kein Kommentar, nur Audienz bei Schenker.
Nasenbeinprellung und Bluterguss im linken Knöchel, drei Tage Hinkebein und Nashorn mit
Veilchen. Der Assi meint, fünf zusätzliche Einheiten pro Woche in der Muckibude könnten nicht
schaden. Die Knaben aus Afrika und umliegenden Ortschaften machen uns Bleichgesichter
ansonsten platt wie Löschpapier. Die bringen von Haus aus einfach wesentlich mehr Power mit,
auch ohne Muckibude. Reine Natur und kein bisschen Pharmaschinken. Alles klar, ab in die
Folterkammer und nachsitzen. Die Schokocreme kann sich warm anziehen. Versprochen ist
versprochen, auch wenn´s ´n paar Tage dauert.
April
Anschiss erster Klasse von Doktor Brenner, unserem Internats-Oberboss. Ziemlich krasser
Kunde, ´ne Mischung aus Mutter Theresa und Dschingis Kahn. Meine schulischen Leistungen
sind mies, in fast allen Fächern außerhalb der Wertung, ´liegende 8´ mit Kranz, sagt er. Wenn ich
nur noch an Fußball und erste Mannschaft denke, dann wird das Training mit den großen Jungs
ersatzlos gestrichen. Ohne vernünftige Noten keine Karriere als Kicker. Glatte Erpressung, aber
keine leere Drohung. Hat schon einigen von uns die Tour vermasselt. Und die verstrahlte
Vereinsleitung spielt voll mit. Wer im Unterricht Mist baut, wird auf Dauer genau so
abgeschossen wie unsere Nichtentwickler, das sind die Granaten, die fußballmäßig nicht schnell
genug aus dem Quark kommen. Ich habe 14 Tage Zeit mehr Einsatz zu zeigen, vor allem in
Deutsch und Englisch. Begleitend gibt´s Nachhilfe, jeden Tag zwei Stunden extra. Totale
Geisterbahn. Und eins steht fest, sagt der Doc, ohne Schulabschluss kein Profivertrag. Zum
modernen Fußball gehört eine satte Portion Grundintelligenz. Mit absoluten Vollpfosten will sich
kein Verein, kein Trainer und keine Mannschaft schmücken. Würde gerne mal wissen, welcher
andere Club sich an eine derartig beknackte Regel hält.
Kung-Fu
Mucki-Bude, Nachhilfe, Training, essen, abends Glotze, das Leben pendelt sich ein. Nur Sercan
ist als Nichtentwickler bei der Ersten rausgeflogen, keine Ahnung warum, hat uns keiner erklärt.
Am Ball ist Sercan der totale Held, im Vergleich zu Olli und mir. Ist anschließend im Heim
völlig ausgerastet. Hat seine Bude auf den Kopf gestellt, eine Tür eingetreten und einen von den
Kleinen an die Wand geklatscht, der sich angeblich über ihn lustig gemacht hat. Wenn Sercan
Pech hat, kommt der komplette Abschuss. Selbstbeherrschung gehört auch zum Job, hat Doktor
Brenner erklärt, besonders in schlechten Momenten. Ausraster passen nicht in unser Spielerprofil.
Soll ich mir hinter die Ohren schreiben. Wer draußen bei der geringsten Kleinigkeit ausflippt, der
wird im Match garantiert die Nerven verlieren. Sercan hat sich trotzdem nicht beruhigt. Der
Knabe glaubt, er steht auf der Abschussliste, weil er Ausländer ist. Völliger Quatsch, hat ihm der
Doc erklärt, im Kader der Ersten sind mehr als 70 Prozent Ausländer.
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Abgang
Sercan kann seine Sachen packen. Der Verein will in den Teams Ruhe haben und im Internat
auch. Sercan ist noch mal durchgeknallt und hat seinen Schreibtisch durchs Fenster gefeuert. War
aber noch zu, das Fenster. Ziemlich krass alles. Anschließend hat ihn die Bullerei einkassiert. Am
Abend kamen Sercans Vater und Bruder und haben seine Klamotten eingesammelt. Total nette
Typen. Haben sich tausendmal für den Wahnsinnigen entschuldigt, hat aber nix mehr gebracht.
Doktor Brenner war total sauer. Hat uns alle im Gemeinschaftsraum antreten lassen und eine fette
Rede abgelassen. - ´Wir hätten eine große Chance, aber uns sollte klar sein, dass nicht alle den
Weg bis nach ganz oben schaffen. Es könnte sogar sein, dass überhaupt keiner von uns jemals in
der Ersten Liga landet, aber das ist kein Grund, sich wie ein Verrückter aufzuführen. Das
allererste Ziel des Internats ist es, aus uns vernünftige Kerle zu machen, mit ordentlichen
sportlichen und beruflichen Perspektiven. Diese große Chance leichtfertig zu verspielen wäre
einfach nur dämlich. Sercan hätte durch sein Verhalten gezeigt, dass er den doppelten
Anforderungen durch Sport und Schule nicht gewachsen ist. Dem Verein tut es um jeden Schüler
leid, den man feuern muss, aber unser Internat ist kein offener Jugendtreff, wo die größten
Schreihälse die Maßstäbe setzen. Egotrips und dergleichen würden in seinem Haus nicht toleriert.
Jeder von uns ist auf Grund einer persönlichen Einladung hier und absolut freiwillig und jedem
sollte klar sein, was von ihm erwartet wird, sportlich, schulisch und sozial. Der Verein würde
seine Pflichten uns gegenüber zu hundert Prozent erfüllen, aber von uns würde das Gleiche
verlangt´. - Dann kam die Frage, ob es noch Fragen gäbe, aber es gab keine mehr. Wir durften
zum Abendessen abdackeln. Linseneintopf mit Mettwurst. Eine Katastrophe kommt selten allein,
meinte Olli.
Lagerleben
Seit zwei Tagen ist Totentanz im Heim und auch im Training, der Rausschmiss hatte gesessen.
Jeder weiß, der Club macht ernst. Alle halten sich bedeckt, keiner will fliegen. Und plötzlich
merkt man, dass man in einem Heim lebt und nicht zu Hause, Papa und Mama könnten mich
nicht so einfach an die Luft setzen. Außerdem hängen wir hier schön fest. Unser Knast liegt
direkt am Trainingsgelände und hinterm Bretterzaun mitten in der Pampa. Ist zwar nicht das Ende
der Welt, aber man kann es von hier aus sehen. Die nächste Bushaltestelle ist mehr als einen
Kilometer entfernt. Klar, wir haben alles, Billiard-, Tischtennis- und Medienraum, Spielzimmer,
Schwimmbad, etc., aber man sieht immer nur die gleichen Pappnasen. Auf Dauer ziemlich öde
alles. Okay, Sercan denk ich, würde einiges dafür geben, wieder hier zu sein, wahrscheinlich hat
er seinen Ausraster inzwischen schon ziemlich fett bereut. Würde den Knaben gerne mal
interviewen, aber ich hab keine Ahnung, wo der Knabe wohnt. Hab nicht mal seine Fonnummer.
Mai / Juni
Die Arbeit in der Mucki-Bude schlägt an, werde im Oberkörper und in den Armen stabiler. Muss
sein, sonst koffern mich die anderen weg. Als Ergänzung gibt´s Muskelaufbaufutter, alles ganz
legal und ohne Nebenwirkungen, sagt der Professor. Ich hoffe, der Typ erzählt keinen Scheiß und
pumpt mich nicht mit irgendwelchen Drogen voll.
Waldi, mein Spezialmasseur, meint, ich bin kein Streichholz mehr, dünner, weißer Körper und
roter Kopf. Stattdessen breites Kreuz, Waschbrettbauch und stabile Kiste. Aus mir könnte was
werden. Leider ist die Saison vorbei – wir hängen im Heim ab und pauken für den Abschluss,
zumindest wir Älteren. Mittlere Reife muss sein, sagt Doktor Brenner und Wiederholer sieht man
nicht gern. Jeden Nachmittag gibt’s Förderunterricht, bevor wir auf den Acker dürfen. Öde
Sache. Mathe geht inzwischen, Deutsch auch, Englisch hängt durch. Unser Englischonkel sagt,
wer meint, als Profi könnte man auf Englisch verzichten, der hat absolut keinen Plan. Wer weiß,
bei welchem Club man später landet? Und selbst bei uns kommen schon jede Menge
Anweisungen in auswärts. Also Bücher raus und schreiben, bis die Software glüht. Der Typ kennt
keine Gnade, jede Woche einen Vokabeltest und ähnliche Scherze. Und bei Noten gibt´s keine
Diskussionen (´This is not a bazar, gentlemen, this is a proper school´!).
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Erpressung
Die Abschlussarbeiten sind geschrieben, abwarten und Tee trinken. Die Pauker lassen sich Zeit
mit den Korrekturen, obwohl wir nur fünf Kandidaten sind. Irgendein Typ von der Schulaufsicht
ist im Heim aufgeschlagen und macht den großen Kontrolletti. Will wahrscheinlich wissen, ob
bei uns alles nach Plan läuft. Da kann er ohne Hemmungen bohren. Hier stimmt die Richtung,
anders als in meiner alten Anstalt. Da machte jeder Punk was er wollte und die Pauker haben
munter Beifall geklatscht. Und wenn einer aus der Pädagogenriege aufmuckte, gab´s was auf die
Mütze - noch mehr Randale, noch mehr Chaos. Und immer volle Breitseite gegen sämtliche
Noten und Beschwerden bei der Schulleitung, mit Mama und Papa plus Rechtsanwalt. Hat auf
Dauer die Härtesten aus der Pädagogenriege geknickt, problemlos. Hier im Club lässt sich kein
Pauker verarschen. Wer von uns Knilchen Mist baut, ist fällig, und Diskussionen sind nicht im
Programm, dafür jede Menge ´pädagogische Sonderaufgaben´: Ausschluss vom Training,
Spielsperre, Referate, zusätzliche Tests, Küchendienst, Reinigungsdienst, Hausarrest und
Rausschmiss. Gerade erst erlebt. Da überlegen selbst die total Verstrahlten, ob sie Scheiße bauen
oder nicht.
Zu intelligent
Nachsitzen, mündliche Prüfung in Englisch. Ausgerechnet Inselgeflüster. Mit Sicherheit blanke
Schikane. Kleiner Pädagogenspaß. Früher wären solche Typen Folterknecht geworden. Mathe
und Deutsch soll geklappt haben. Vornote 3, Arbeit 3. In Englisch war die Vornote 4 minus und
ich Idiot schreibe ´n 3, angeblich. Eigentor und Verlängerung. Selten dämlich. Mündliche
Prüfung.
Yes, I can English
The big test. Kriege einen abgespacten Text über grobe Umweltverschmutzung verbraten und
muss dazu Kommentare absondern, natürlich auf Englisch. Blödes Geschwafel. Klar, auf unserer
Kugel ist alles hochgradig versaut, in Finnland wachsen Palmen, in Afrika brennt die Erde,
Monsunregen in Tirol plus Malaria. Geht allerdings allen Verantwortlichen in Wirtschaft und
Politik am Arsch vorbei. Hauptsache die Aktienkurse und der Umsatz stimmen. Nur Pauker
haben was gegen den Schwachsinn, beruhigt wahrscheinlich ihr Gewissen. Wieder einen
kritischen Text kopiert und von Schülern bearbeiten lassen, wieder eine gute Tat vollbracht. Kotz,
würg. Dann kam noch Grammatik. Hatte den ganzen Quark einfach auswendig gelernt, nichts
kapiert, aber alles auf der Pfanne. Lief wie geschmiert. Ende: glatte 2, Gesamtnote 3.
Congratulation. Me speak English very well in my klapprich Bettgestell.
Bestanden
Doktor Brenner persönlich verteilt die Abschlusszeugnisse, mit allem Drum und Dran. Anzug,
Krawatte (auch wir), das volle Programm. Und jeder kriegte seinen ganz persönlichen
Kommentar ab. Wenn ich auf dem Platz eine ähnliche Leistung wie in der Schule brächte, sagte
der Doc, würde ich wahrscheinlich einen prima Kreisklassenprofi abgeben. Allgemeines
Gelächter. Ein Gutes hatte die Veranstaltung allerdings – Schule ist definitiv vorbei, Finito, Ende,
Schicht, Game over. So gesehen war´s doch ein erhebender Moment. Ist mir allerdings erst
gerade beim Schreiben aufgefallen. Fühle mich plötzlich super, beinah so, als hätte der Doc
Flügel verteilt. Herzlichen Glückwunsch von mir an mich selbst. Der Quark hat sich erledigt.
Juli
Der Doc erscheint mit superwichtiger Miene, Audienz beim Oberchef, persönlich und sofort. Soll
ganz ruhig bleiben. Alter Komiker, mach mir doch wegen so was nicht mehr in die Hose, habe ja
schließlich Mittlere Reife. - Ging auch direkt ab. Kuhnke war selbst X-fach für Deutschland tätig,
managt den Verein seit Jahren und ist nebenher an mehreren Brauereien beteiligt, heißt es.
Müsste eigentlich längst ausgesorgt haben, ist aber morgens der Erste, der im Laden aufschlägt
und abends der Letzte, der geht. Weiß der Geier, warum der Typ sich das antut.
Sein Office ist erste Sahne, satt groß, hell und superteuer dekoriert. Wer reinkommt sieht sofort,
hier thront der Anführer. Ich durfte direkt durch, ohne Wartezeit. Kuhnke hatte meine
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Personalakte vorliegen, inklusive Kopie vom Abschlusszeugnis. Alles soweit in Ordnung, meinte
er, und der Verein übernimmt mich als Vertragsamateur für zwei Jahre. Anständige Bezahlung
(stimmt!), Training mit den Profis, bei Einsätzen in der ersten Mannschaft kommt zusätzlicher
Schotter. Meine Eltern wären informiert und hätten ihr ´Okay´ gegeben. Mein Einverständnis
vorausgesetzt, würden beide morgen zur Vertragsunterzeichnung antraben und die Sache wäre in
trockenen Tüchern. - Für den Fall, dass ich bleibe, wäre für mich eine Lehrstelle vorhanden,
kaufmännischer Azubi im Club, angenehme Arbeit in angenehmer Atmosphäre und mit genügend
Flexibilität für meine sportliche Entwicklung. Ich wollte wissen, ob die Sache auch ohne Lehre
funktioniert, glatte Fehlanzeige. Ausbildung ist Bedingung. Im Fußball geht viel schief, von einer
Sekunde auf die andere und wer dann nichts in der Hinterhand hat, steht urplötzlich ziemlich doof
im Gelände. Und den Vorwurf, seine Nachwuchsleute nur einseitig sportlich zu fördern, würde er
sich als Chef nicht gerne machen lassen. Ende der Durchsage. Soll die Sache in Ruhe mit Doktor
Brenner und den Eltern besprechen. Falls sonst noch Fragen wären, könnte man ja morgen über
die Feinheiten reden. Schlappe zehn Minuten und die Audienz hatte sich erledeigt.
Brenner strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Seit knapp einem Jahr war ihm klar, der Sprung in
die Profiabteilung würde für mich möglich sein. Sercan hätte auch das Zeug dazu gehabt, aber
nur fußballtechnisch.
Papa ist auf Wolke 7. Klar, ich verdiene als Anfänger und Vertragsamateur in schlapp zwei
Monaten mehr als er in einem ganzen Jahr, Prämien nicht mitgerechnet. Klappt der Übergang ins
Profigeschäft, klingelt die Kasse richtig. Papa meint, unbedingt zugreifen. Vielleicht gibt´s
woanders mehr, hab ich gesagt, aber er hat nur gefragt ´wo´? Gute Frage. Wenn ich ablehne,
gibt´s die Blechmedaille, noch reißt sich keiner um mich. Außerdem spendiert der Club eine
interne Ausbildung und das dürfte nicht der Stressfaktor sein, sagt Papa. Das Paket hätte ihm mal
einer bieten müssen. Zu seiner Zeit konnte man sich für jede popelige Lehrstelle die Hacken
ablaufen, und am Ende musste man nehmen, was kam. Er an meiner Stelle, würde sofort
zuschlagen.
Unterschrift
Papa lässt sich von Kuhnke drei Dutzend Autogramme malen, für sich und seine Freunde.
Peinlich. Dann werden die Verträge unterschrieben, ziemlich fette Dinger. Am Ende sagt
Kuhnke, es wäre jetzt an der Zeit, mir einen eigenen Manager zuzulegen. Der Verein und er
könnten und würden vieles für mich erledigen, aber ein persönlicher Manager käme in jedem Fall
besser. Ob ich in der Richtung schon Kontakte hätte? Wenn nicht, sagt Kuhnke, dann hätte er
jemanden parat, Sören Elgard. Papa quiekt vor Vergnügen. Dieser Elgard war einer seiner
absoluten Lieblinge, jahrelang Profi bei uns und dann in Madrid. Totale Spitzenkraft.
Danach mit Mama und Papa essen gewesen. Beide platzen vor Stolz auf ihren Sprössling,
besonders Papa. Die Kollegen sind ganz schön neidisch auf so einen Sohn, meint Papa, aber
natürlich sagt das keiner. Hat sich fünf große Bier reingezogen beim Essen und zwei Schnäpse,
vor lauter Begeisterung. So ein Tag muss begossen werden, sagt Papa. Und Mama durfte
zurückfahren.
Ersatzvater
Elgard getroffen. Hatte mir vorher alte Fotos von ihm gegoogelt. War ein ziemlich harter
Knochen, sagt der Doktor, und auf dem Platz ´ne Tonne Dynamit ohne Zündschnur. Ging bei
jeder Kleinigkeit direkt in die Luft. Ständig mit einem Bein unter der Dusche. Und einer der
Coolsten aller Zeiten überhaupt, mit Nerven aus Stahl. Blieb zehnmal mit dem gleichen Trick am
Gegner hängen, wurde von den eigenen Fans ausgepfiffen, aber beim elften Mal kappte die
Nummer und drin war das Ding. Außerdem immer in Bewegung und immer den Kopf oben. Der
brauchte keinen Trainer, sagte der Doc, Elgard wusste immer was gespielt wurde. Wäre
vermutlich ein hervorragender Übungsleiter geworden. Hat sich leider für´s Management
entschieden.
Hätte diesen Elgard fast nicht wieder erkannt. Statt drahtig, schlank und lockig wie auf den Fotos
jetzt Schnitzelgrab mit Halbglatze. Spricht witziges Deutsch und lebt abwechselnd in Spanien
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oder hier. Schweden ist ihm zu frostig und außerdem am Arsch der Welt. Im Moment managt er
zwei brasilianische Ballartisten und einen Typen aus der spanischen Liga. Mit mir wäre er wieder
im deutschen Geschäft und ich wäre im Gegenzug international dabei. Und falls nichts Dummes
dazwischen kommt, wäre einiges möglich. Er hat mich zweimal spielen sehen, und Kuhnke hatte
einige Videos spendiert. Alles brauchbar. Er selbst wäre in meinem Alter noch nicht so weit
gewesen, vor allem körperlich nicht.
Sind eine Stunde lang durch den Stadtwald gelatscht mit folgendem Ergebnis: – sein Anwalt setzt
einen Managementvertrag auf und bringt die Sache ordnungsgemäß in trockene Tücher, ohne
Tricks und doppelte Böden. So was gäb´s bei ihm nicht. Na ja, mal sehen.
Wieder Unterschriften
Elgard und sein Anwalt haben einen kompletten Managementvertrag ausgetüftelt. Bin damit
direkt zu Kuhnke. Sein Anwalt hat alles gecheckt und abgenickt, keine Fußangeln oder linken
Dinger drin, alles absolut handelsüblich. Also, schon wieder unterschreiben, Elgard, sein Anwalt,
Mama und Papa und ich, damit alles seine Richtigkeit hätte. Ich hoffe, das war´s jetzt endlich.
Elgard darf ab sofort fast alles für mich abwickeln: Vertragsverhandlungen, Geldanlagen, meine
Vermarktung, Sponsoring, Pressearbeit und wahrscheinlich auch die Bettwäsche aussuchen. Das
Letztentscheidungsrecht liegt allerdings bei mir. Wichtig! Für seinen Job kassiert der alte
Schwede satte 20 Prozent aller Einnahmen. Das wäre bei Spitzenleuten wie Elgard absolut
üblich, sagt Kuhnke. Jetzt liegt es in erster Linie an meinen Leistungen, ob es viel oder wenig zu
managen gibt. Je besser, desto Cash. Den Rest erledigt mein neuer Manager.
August
Bin zu Hause. Mama hat sich drei Tage frei genommen, um mich zu bemuttern, Papa auch, um
was mit mir zu unternehmen. Alles knapp daneben. Mama fabriziert abwechselnd meine
Lieblingsessen, Papa schleift mich zu seinen Kumpels, um Propaganda zu machen. Ich werde
begafft wie ein Affe mit zwei Schwänzen, kriege 1000 tolle Tipps und Papa ist anschließend
genau so zugedröhnt wie seine Kumpels und wir fahren mit dem Taxi Richtung Heimat.
Von meinen alten Spezis ist keiner da, alle ausgeflogen oder auf Arbeit. Und mein alter Club hat
Sommerpause, der ausgetretene Kunstrasen bleicht vor sich hin und am Clubheim blättert die
Farbe ab. Tote Hose überall. Und ich war mal der Meinung, in diesem Kaff boxt der Papst im
Kettenhemd. Stimmt auch, aber nur so lange, wie man das Kaff nicht verlässt. Halte mich mit
Waldläufen und Radfahren fit. Will nicht rumschleichen wie ´ne Tüte Chips, wenn´s im Training
wieder zur Sache geht.
Spreewald??
Ab die Post. Trainingslager mit der Ersten, aber nix Algarve wie sonst immer. Hitzewelle in
Portugal mit schlaffen 45 Grad und die Wälder kokeln. Passiert jetzt immer häufiger, sagt Pinto,
unser linkes Mittelfeld, meistens Brandstiftung, damit man an frisches Bauland kommt. Kuhnke
hat umgebucht auf Spreewald, sonst war spontan nix mehr möglich. Jede Menge dumme
Gesichter. Spreewald? Kann man dat essen? Keine Ahnung, aber ist mit Bus erreichbar. Algarve
weniger.
Lecker warm im Spreewald, aber wahrscheinlich tausendmal angenehmer als in Portugal. Viel
Wasser in der Gegend und abends Mücken, Bremsen und Wespen. Kein Problem, wenn man sich
ins Hotel verzieht. Alter Schuppen von außen, aber innen drin erste Sahne. Wir haben einen
Flügel ganz für uns, direkt neben dem Trainingsgelände. Alter Rasenplatz mit Aschebahn und
sattem Baumbestand. Sondern unbezahlbaren Schatten ab.
Mertesacker und Jansen lassen uns hoppeln wie die Hasen. Lange Strecken, kurze Strecken,
Sprints, Intervalle – das volle Programm. Zum Glück sind keine Berge oder Dünen da, die man
uns raufjagen kann. Alles mit Steigung wäre die absolute Spezialität von Janzen, sagt Pinto. Der
würde uns auch das Empire State Building rauf jagen, wenn´s in der Nähe wäre.
Werden nach einer Woche mit drei komischen Flachbooten durch die Gegend geschippert.
Motorboote sind verboten. Die Flachdinger werden von ihren Piloten mit einer elend langen
Stange durch die Gegend geschubst. Zwei von uns haben´s gleich probiert und sind - paff - ab in
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die grüne Brühe. Ansonsten hängen wir abends schlaff ab, alle sind fix und foxi, selbst Wimmer,
unsere Laufratte. Hechelt rum wie ´n Lachs mit Asthma. Im Hotel ist auch eine gut sortierte
Muckibude, in der wir Frischlinge jede Menge Überstunden schieben dürfen, wegen ´allgemeiner
körperlicher Defizite´. Vier Tage lang auf den Brustwarzen ins Bett gekrochen, danach ging´s.
Liege mit Gringic, genannt ´Panzer´, auf einer Bude. Komische Figur - ist breiter als hoch und
räumt vor der Abwehr alles ab was kommt. Schon drei Jahr dabei, hat aber keinen Stammplatz,
kann sich gegen M´Etong nicht durchsetzen. Kommt nur rein, wenn wir uns einmauern wollen.
Kriegt die Zähne nicht auseinander und spricht kaum deutsch. Interessiert ihn auch nicht
sonderlich. Liegt abends in seiner Wiege und funkt stundenlang mit zu Hause, Kroatien oder so.
Wir drei Frischlinge haben uns zu einem Club zusammengeschlossen, aber Jansen scheucht uns
sofort auseinander, keine Clübchenbildung, keine ´Inzucht´. Die anderen Neuen, insgesamt noch
fünf, werden auch immer hübsch untergemischt. Der neue Star kommt direkt aus Rio: Renato
Diaz. Soll ab sofort den Karajan machen. Kann am Bällchen alles, kriegt aber kaum den Hintern
bewegt und diskutiert ständig herum. Ich glaube, Mertesacker und sein Team haben den Jungen
schon auf der schwarzen Liste. Nur beim Freistoßtraining ist die Quaktasche ganz vorne weg.
Kurzer Anlauf, leichte Rücklage, Innenrist und die Murmel hängt im Knick. Bingo. Unsere
Keeper stehen rum wie Mülltonnen und sammeln Bälle. Pinto sagt, das ist kein Können, sondern
ein genetischer Fehler.
Auf der rechten Außenbahn tobt eine flammneue schwarze Kampfkugel, Allimboha. Sieht aus als
hätte der Knabe 15 Kilo Übergewicht, ist aber ´ne Täuschung. Der Typ ist ein einziger Muskel.
Schnell wie Sau, und wer mit ihm zusammenknallt fühlt sich anschließend wie ´n Puzzle. Aber
das Tier ist total in Ordnung, lacht den ganzen Tag und hilft dir sogar wieder auf die Füße.
Nach einer Woche Freundschaftsspiel gegen ´Best of Spreewald´. Das ´Stadion´ ist rappelvoll
und wer von uns nicht gerade kickt, kritzelt Autogramme. Ergebnis 18:1. Habe auch getroffen,
Kopfball fast von der Strafraumgrenze. Der Mückenfänger im Tor hat nicht schlecht gestaunt.
Zweite Woche noch mühsamer. Kompression wie Stallkaninchen und die ersten Verletzten
kommen: einmal Kreuzband, einmal Mittelfuß, einmal Leiste. Mertesacker ist stinksauer. Kriegen
Anweisung, dosierter abzuräumen. Komische Gebrauchsanweisung, wie soll man sich als
Frischling ´vorsichtig´ in den Vordergrund spielen? Zweites Freundschaftsspiel in Cottbus.
Erhöhte Schlagzahl. Die Anderen haben die Vorbereitung abgeschlossen und sind ausgeruht, wir
total platt. Mit Mühe und Not 2:1 gewonnen. Musste eine ganze Halbzeit spielen. Mehr wäre
auch nicht drin gewesen.
Zurück
Wieder im Heim. Vor allem die Kleinen googeln mich an wie den Weihnachtsmann und zwei
Zwerge wollen sogar Autogramme von mir. Haben beide gekriegt, Vollspann in den Hintern. Die
Kleinen sind aber auch die Einzigen, die mich bewundern, für den Rest bin ich noch Schütze
Arsch. Vor allem für meinen Ausbildungsleiter in der clubinternen Verwaltung. Das Grauen hat
einen Namen: Müller. Habe nach drei Tagen den Eindruck, für diesen Müller sind angehende
Profis genau so wichtig wie Mülleimer, nur nicht ganz so nützlich.
September / Oktober
Vom Ernst des Lebens voll getroffen. Mist im Quadrat. Ich bin der einzige Azubi im Laden und
werde an einem von zehn Schreibtischen in der Verwaltung angekettet. Geht ab wie im
Hauptbahnhof. Jeder Hempel haut mir was auf die Tischplatte, sondert einen schlauen Auftrag ab
und hält mich in Bewegung. Hauptsächlich mit Idiotenkram - Ablage, Kontrolle, abheften,
abzählen, verschwundene Schriftstücke suchen. Arbeit für Leute, die Vater und Mutter
erschlagen haben. Einziger Lichtblick - um 12:30 fällt der Hammer und ich darf zum Training.
Erst kommt der Job, dann kommt das Runde, sagt Müller. Absoluter Workaholic. Spätes
Mittelalter, immer in Bewegung und immer am Rohr, 1000 Leute, die unbedingt ihn wollen.
Insgesamt sind acht Nasen in der Abteilung, ich bin Nummer 8,5. Müller meint, von meiner Sorte
haben sie schon einige durchgeschleppt, u.a. Charly Tränkel, bis zu seinem blöden
Achillessehnenriss bekanntlich Nationalspieler. Möglich ist alles, ich müsste mir halt Mühe
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geben, auf beiden Plätzen. Es gäbe allerdings keine Sonderbehandlung, außer nach Absprache
mit der Vereinsleitung, für Training und Spiele und so. Mit der Berufsschule wäre die Sache auch
geklärt. Völliger Quark. Würde gerne mal wissen, welche Ausbildung und Abschlüsse einige von
den Jungs aus der Ersten haben, zum Beispiel die Knaben aus Ghana, Togo, Moldawien oder
Pusemuckel. Ich würde nicht darauf wetten, dass jeder von den Knallern seinen eigenen Namen
schreiben kann.
Für den Augenblick kann ich noch im Heim wohnen bleiben, wahrscheinlich wegen der besseren
Kontrolle. Gut, wenn ich mir eine Wohnung nähme, könnte ich wahrscheinlich mehr
unternehmen, aber ich müsste auch allen Krempel selbst erledigen, Wäsche waschen, einkaufen
und den ganzen anderen Schnickschnack. Außerdem wäre ich nicht mehr mit den Jungs
zusammen. Ist so was wie meine Ersatzfamilie. Geht los ab 12 mit unseren Mikroben, die noch
absolut keine Peilung haben, dann unsere Halbgaren, von denen einige bestimmt noch aussortiert
werden, und die Großen, meinereiner und so, die auf dem Sprung nach oben sind.
Arbeitsplatz
Vier Wochen vorbei. Ziemlich öde alles. Man läuft rum wie der letzte Arsch und kriegt
Anweisungen und gute Ratschläge im Dutzend. Alle nerven irgendwie. Besonders unser
Oberbuchhalter Achtelik. Armleuchter im Quadrat. Hockt zwischen seinen Computern und hält
sich abwechselnd für Bill Gates und Einstein persönlich. Lässt mich ständig auflaufen. Hier was
falsch, da was verkehrt, hier zu viel gemacht, da zu wenig. Absolute Doofnuss. Möchte den
Fettsack im Training nur ein Mal vor die Flinte kriegen. Außerdem, eine Verkürzung der
Ausbildung kann ich mir von der Backe kratzten. ´Bei aller Liebe nicht´, sagt Müller, ´dazu
müsste es eine Leistungs- und Notenexplosion geben, und die sind wahrscheinlich nicht zu
erwarten´. Vollpfosten.
Top ist nur unser Pressesprecher Guido Gersch. Völlig abgespacter Typ. Immer irgendwelche
Sprüche auf Lager und immer Telescreen. Bildschirm (2m x 2m) an der Wand, Mikro am
Kragen. Der Mann kann drei Stunden reden, ohne einmal Luft zu holen. Fast alles, was
reinkommt geht über seinen Schreibtisch, Kartenanfragen, Pressetermine, Fanpost,
Autogrammwünsche. Und täglich schlägt mindestens ein halbes Dutzend Kamerateams auf mit
krassen Ideen – alle Spieler im Einzelinterview, dazu Trainer und Kuhnke, eine Kopie des
Vereinsarchivs, die genauen Baupläne des Stadions und irgendwas Originelles mit der ganzen
Mannschaft, z.B. Bungee-Jumping oder ähnlichen Müll. Das volle Programm und alles nur krass.
Aber Guido hat alles im Griff, locker und mit links. Ich glaube, wenn der alte Lautsprecher mal
einen Tag nicht zum Dienst erscheint, stehen alle auf dem Schlauch.
Training
Das einzig Senkrechte. Nachmittags auf dem Platz geht der Punk ab. Den Hintern am
Schreibtisch platt gesessen, die anderen haben bereits eine Einheit in den Knochen. Wer sich mit
mir anlegt muss ordentlich Gas geben. Jansen nickt mir hin und wieder zu, Mertesacker macht ´n
Gesicht wie ´ne Tüte Rindenmulch. Der Lange geht nur dann hoch, wenn irgendwer Amok läuft
oder ein Triefauge seine Kommandos nicht sofort auf seinen Schirm kriegt. Dann gibt´s Mecker
vom Chef, aber fett.
Berufsschule
Bruchbude vom Feinsten, miese Ausstattung, seniles Personal, total zugeparkte Klassen. Hocke
anfangs an zwei Vormittagen pro Woche ziemlich doof zwischen 32 Möchtegern-Bürohengsten
und Stuten. Komische Belegschaft. Einige Nullchecker, der Rest hat zum Teil mehr drauf als die
Vorturner. Und jede Menge neuer Fächer: Buchführung, Personal-, Steuer- u. Rechnungswesen,
Betriebswirtschaft, IT. Um mich herum eigentlich nur Computerfreaks, ich bin der Einzige am
ersten Tag ohne Elektronik am Mann. ´So sind halt unsere Fußballer´, föhnt der Chefkomiker
ganz vorne. Alles lacht, ich bin von jetzt an der Schwachmat vom Dienst. Reife pädagogische
Leistung. Einziger Trost: wenn´s einigermaßen läuft, verdiene ich in Kürze mehr Schotter als das
ganze Lehrerzimmer zusammen.
9
Leerlauf
Mertesacker lässt mich wirbeln wo ich will, gibt mir nie irgendwelche Anweisungen, meckert
nicht, lobt nicht. Komischer Fürst. Die meisten anderen nimmt er sich reihum zur Brust und fängt
an zu erklären, meistens dann mit Händen und Füßen. Bei mir Fehlanzeige. Keine Ahnung
warum. Macht leicht unsicher. Befürchte, ich spiele überhaupt keine Rolle in seinen
Überlegungen. Blöde Kiste.
November
Habe mit Müller gesprochen. An der Berufsschule geht kein Weg vorbei. Fällt nur dann für mich
flach, wenn die Vereinsleitung Ausfälle anordnet, Trainingslager, Sondertraining, Spiele, Reisen,
etc. Ansonsten herrscht Schulpflicht. Und ich soll hübsch drauf achten, dass ich den Anschluss
nicht verpasse, Kuhnke macht da kurze Fünfzehn, sagt Müller und grinst. Steigert wahrscheinlich
die Potenz, wenn man sein bisschen Macht ausspielen kann. Blödes Spiel – morgens
Galeerensklave, nachmittags Statist.
Dezember
Weihnachten. Zeitverschwendung pur. Hänge sinnlos zu Hause ab. Mama und Papa machen in
heile Welt mit Weihnachtsbaum, Engel und Entenbraten. Wäre am liebsten ganz weit weg, in der
Sonne unter Palmen, da, wo man den ganzen Tag kicken kann. Habe meinen Berufsschulkram
dabei, verzapfe zwei flache Referate und bohre mich in Stoffe, die für Fußballprofis genau so
interessant sind wie das Bruttosozialprodukt von Guatemala. Alles blanke Schikane. Ich will kein
Buchhalter werden oder irgendwas Ähnlich.
2028
Februar
Erster Einsatz mit Sondergenehmigung. War eigentlich nur als Ersatz dabei, zum dritten Mal.
Beim Warmmachen kippt Ekenga, unser rechtes Mittelfeld, aus den Latschen, Leistenzerrung
oder so und für sofort unbrauchbar. Vermutlich vier Wochen Pause. Plötzlich steht der große
Meister vor mir und sagt: „Mitte rechts und von Anfang an Vollgas. Kannst du schon, klar? Und
ich will sehen, dass du dir den Arsch aufreißt, sonst bist du schneller wieder draußen als du
denken kannst. Alles klar, Junge“? Völlig klar, nur ziemlich überraschend. Jansen hat mir
anschließend ausführlich die Ohren voll gescheppert, von wegen ´großer Chance´ und
´Verantwortung´ und so weiter. Ging bei mir links rein und rechts wieder raus. – Zum ersten Mal
im Stadion spielen, in der ausverkauften Hütte – total korrekt. Wer da noch einen Tritt in den
Hintern braucht, sollte Rente beantragen.
Bevor wir einlaufen greift mich Kuhnke ab. „Und keinen Respekt vor irgendwem, Junge, auch
die Großen kochen nur mit Wasser. Geh drauf und verschaff dir Respekt, damit keiner meint, du
bist noch grün hinter den Ohren. Vollgas und drauf!“
Kein Problem, im Gegenteil. Nach 30 Sekunden schon komplett überpowert. Die Murmel rauscht
quer vor mir her, ich steige mit beiden Beinen ein und erwische den Zehner von nebenan,
allerdings ohne Ball. Salto, Schienbeinschoner pulverisiert, satte Bremsspuren in der linken
Wade. Für Sekunden Totenstille im Laden, dann tobt der Mob. Meine allererste Aktion in der
Liga überhaupt. Versuche mich zu entschuldigen, aber der Zehner ist nicht ansprechbar. Sanitäter
und Mannschaftsarzt galoppieren an, vor mir baut sich der Schiri auf. Sieht nach dem schnellsten
Platzverweis der Ligageschichte aus. Jungnikel, unser Kapitän, kreuzt auf und bespricht den
Pfeifenmann, von wegen allererster Einsatz, total unerfahren, leicht übermotiviert und so, und
würde garantiert nicht wieder vorkommen. Ehrenwort. Danach spricht der Piepmatz. „Junger
Mann, ich weiß nicht, wo Sie bisher gespielt haben, aber in dieser Liga wird die Gesundheit des
Gegners respektiert. Noch eine Aktion dieser Art und Sie können duschen gehen. Alles klar“?
Völlig klar. Kriege kein Wort raus und nicke artig. Total Schwein gehabt, nur ´Gelb´. Später am
Fernseher und in Zeitlupe wird klar, dass ´Rot´ und sechs Wochen Sperre absolut in Ordnung
gewesen wären.
Überhaupt TV. Bin mit meinem Paradefoul schlagartig auf allen Kanälen vorhanden, gleich die
erste Szene in jeder Zusammenfassung. Werde mit vollem Namen vorgestellt und bin fett im Bild
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mit Zeitlupe und Zoom, beide Beine voraus und danach, wie der Schiri mir seine Predigt hält.
Trotzdem, ich komme einigermaßen gut weg in allen Berichten. Jage einem Gegner direkt am
Fünfer den Ball ab und kratze zwei Augenblicke vor Schluss mit dem dicken Zeh einen Kopfball
von der Linie. Der verhinderte Torschütze brüllt ´Scheiße´, unser Keeper klopft mir anerkennend
auf die Schultern, die Reservebank springt auf und applaudiert, inklusive Chef. Eigentlich keine
Heldentat, der Ball klatscht von ganz alleine auf den rechten Schlappen und fliegt dann weg.
Hätte Mama auch geschafft. Trotzdem, ist für alle die Nummer. Danach fällt der Hammer und
wir sind mit 2:1 vorne.
Presse
Sonntagmorgen. Ich stehe dick und fett in der Zeitung. Reufels, unser Hausmeister, hat auf eigene
Kosten sämtliche Blätter angeschleppt. Ist immer total stolz auf ´seine Jungs´. ´Der Newcomer
des Jahres´, ´Erste Chance und voll genutzt´, ´Baby gnadenlos´ und so weiter. Darunter ganze
Abschnitte nur über mich. Totales Geschnatter im Gemeinschaftsraum. Alle hängen in den Seiten
und buchstabieren sich die Artikel gegenseitig drei Mal vor. Danach wird diskutiert und alle sind
sicher, dass ich nächsten Samstag wieder auflaufe. Nach dem Einstand und den Kritiken kommt
Mertesacker nicht mehr an mir vorbei. Ich bin eine Stütze der Mannschaft, von jetzt an, sagt auch
Reufels.
Am Nachmittag kalte Dusche. Die Erste trainiert, aber ohne mich. Stattdessen muss ich mit den
Kids sinnlose Runden im Wald drehen. Völlig behämmert. Darf der Truppe zwei Punkte retten
und danach wieder im Sandkasten spielen. Arschgeigen.
Autogrammstunde
Elgard schlägt zu. Knapp zwei Tage nach meinem Einstand hat er vier Autogrammstunden an
Land gezogen, irgendwo in der Pampa, aber für richtig viel Schotter. Der Knabe scheint sein
Handwerk zu verstehen. Mal sehen, was sonst noch so kommt.
März / April
Ich hocke in einem nagelneuen Baumarkt mitten im organisierten Wahnsinn. Rappelvolle Hütte.
Kleine Jungs mit ihren Papas und ziemlich krasse Typen in meinem Alter stehen Schlange vor
meinem ´Schreibtisch´ für ein blödes Foto mit einer blöden Unterschrift. Völlig Banane das
Ganze. Einige Assis sind echt ätzend, palavern blöde rum und stellen saudoofe Fragen. ´Haste
schon ´ne Freundin, mit der du rummachst?´, ´Wie wär´s mit meiner Schwester?´, ´Was machst
du so mit deiner ganzen Knete?´, ´Kannste nich mal ´n Paar Fußballschuhe oder ´n
Trainingsanzug rüber wachsen lassen, hast doch bestimmt jede Menge von dem Zeug, oder?´
Wenn alle Autogrammstunden so abgehen, dann herzlichen Glühstrumpf. Einigen Knallfröschen
hätte ich echt was aufs Maul hauen können. Elgard sagt, da muss man durch, der Schwachsinn
gehört zum Geschäft.
Führerschein
Angemeldet. Komme mir echt dämlich vor, zum Unterricht in die Fahrschule zu eiern. Überall
dumme Gesichter, dummes Getuschel und immer die Presse vor der Tür, vorher und nachher.
Super Reklame für die Fahrschule, der Obermacker will mir sogar sämtliche Kosten erlassen,
falls ich für ihn noch mehr Reporter anschleppe. Dumpfbacke. Elgard besorgt mir einen
Privatlehrer für die Theorie, zweimal die Woche in seiner Hütte. Kostet einige Euros, aber ich bin
keine Schaufensterpuppe mehr.
Durchbruch
Zum ersten Mal in der Startelf. Kriegen in Hamburg zwar eins auf die Mütze (0:1), war aber nicht
meine Schuld, im Gegenteil. Alle schreiben, ich war der Einzige, der voll überzeugen konnte,
´Einsatz stimmt, Technik gut, erstaunliches Kopfballspiel´ und ´auch schon mit Übersicht´. Dafür
hatte unser Topkassierer Sendepause. Dieser Arsch von Renato trägt sein Trikot spazieren und
passt auf, dass seiner Wischmob-Frisur nichts passiert. Haut einen Freistoß an die Latte, das
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war´s. Von mir aus kann der Knabe wieder zum Bananenbiegen in seine Heimat. Stehgeier im
Team sind überflüssig.
Mai
Mucki-Bude wird reduziert. Statt viermal die Woche jetzt nur noch zwei Termine. Dafür gibt´s
Kopfballtraining. Jansen sagt, ich bin schon verdammt gut für mein Alter, aber da ist noch mehr
drin, vor allem im Timing. Fliege noch zu oft knapp unter den Flanken durch, muss mehr von
hinten kommen, - die Nerven behalten, abwarten und dann einschweben. Trainiere ´Timing´ mit
den Amateuren bis die Birne matschig ist.
Selbstfahrer
Die theoretische Prüfung war totaler Tralala. Hatte so ziemlich alle Bögen auswendig gelernt,
brauchte nur noch ankreuzen. 0 Fehler, kein Problem. - Am nächsten Tag die erste
Pilotenschulung, zuerst auf Automatik. Reine Formsache, hatte ja vorher genug auf dem
Vereinsparkplatz geübt, mit Genehmigung von Brenner. Ist kein öffentliches Gelände und abends
ohne Autos, die man demolieren könnte. Auch besser so. Mein Übungspanzer stammt von
Reufels, ein Opel-Asbach Caravan im Endstadium, angeblich unkaputtbar. Außerdem hockt
Reufels neben mir und passt auf. Als Entschädigung darf er die Karre auf meine Kosten
volltanken.
Position
Audienz beim Vorturner. Mertesacker erklärt, er hat mich probieren lassen im Training, weil er
sehen wollte, ob ich mir selbst eine Position aussuche oder ob ich einfach nur blind durch die
Gegend schwebe. Hat ihm gefallen, wie ich mich im defensiven Mittelfeld einsortiert habe.
Relativ wenige Spieler erkennen von selbst, wo ihre echten Stärken liegen und als Coach kann
man nicht alle Frischlinge auf allen möglichen Positionen testen. Für ihn wäre ich ab sofort als
Abfangjäger gesetzt, hinten abräumen mit gelegentlichen Ausflügen in die Spitze, inklusive
Kopfball. Komische Taktik.
Vier neue Reifen
Heute meinen ersten Wagen ausgesucht. Bekäme Promi-Rabatt bei fast allen Firmen, aber weil
bei uns alle Wolfsburg-Hybrid fahren, gibt´s eine Hybrid-Schleuder mit allen Extras: silbermetallic, tiefer, breiter, Leder, Park- und Bremsautomat, Night Vision und Pfadfindersystem, auf
Wunsch von Mama, damit der Junge auch immer sein Nest findet. Von 0 auf 100 braucht das
Geschoss unter 6 Sekunden und Spitze liegt bei 255 oder so. ´Fährt mit allem´, sagt Reufels,
Strom, Gas, Salatöl und notfalls kann man auch reinpinkeln. Kostet ordentlich Schotter, aber der
Preis wird gründlich entschärft. ´Wer hat, dem wird gegeben´, meint Reufels, der mit aussuchen
war, weil er was von Autos versteht. Ist gelernter Kfz-Betreuer. Das Teil steht im Geschäft und
wird sofort ausgeliefert, wenn ich mein Kärtchen habe.
Juni
Läuft wie geschmiert. Erstes richtiges Kopfballtor, genau wie geübt. Flanke von rechts auf den
langen Pfosten, alle segeln unten durch, ich starte mit Verzögerung und erwische die Murmel mit
maximalem Kawupp. Geht rein wie ´n Strich, absolut ungreifbar. Total geiles Gefühl. Jansen
grinst und klatscht ab. So wird´s gemacht. Bin ab sofort ein ´Kopfball-Ungeheuer´. Leicht
übertrieben, sagt Elgard, aber ich könnte eins werden.
Selten dämlich
Die Prüfung lief super. Anfahren am Berg, rückwärts einparken, Zebrastreifen, Tempolimit,
Spurwechsel, alles easy. Dann der volle Griff ins Klo, - Stoppschild, abgebremst, aber ohne mit
allen vier Reifen voll zu stehen. Und Tschüss. Doof, döfer, ich. Hätte mir am liebsten auf der
Stelle die Kugel gegeben. Am besten war das Gejohle im Heim. Tore machen ja, aber zu doof
zum Autofahren. Mein megageiles Hybrid-Geschoss de luxe stand startklar vor der Hütte und
durfte wieder abtransportiert werden. Super. Ich könnte mir stundenlang in den Arsch treten.
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Keine Gnade
Bin schon wieder in den Schlagzeilen, aber nicht im Sportteil, sondern auf den Witzseiten:
´Jungstar rasselt durch Fahrprüfung´, ´Rote Karte im Verkehr´ oder ´Zu schnell für die Straße´,
´Typisch Fußballer´? und ähnlicher Blödsinn. Du kannst keinen Furz lassen, ohne dass nicht
irgendwelche Idioten eine Meldung draus häkeln.
Das Gleiche in Grün
Noch ´n Kopfballtor. Ecke von links, die Murmel segelt ewig lang durch die Luft, meinereiner
schwebt von der Strafraumgrenze ein, Vollkontakt am Elfer. Der Flieger kriegt noch die
Fingerspitzen an den Ball, aber mehr auch nicht. Dieses Mal grinst selbst Mertesacker und zeigt
den erhobenen Daumen. So könnt´s weitergehen. Wir kommen allmählich in Schwung. Auch
Renato bewegt seinen Knackarsch und versenkt gleich zu Beginn von Halbzeit 2 einen Freistoß
aus 18 Metern. Ist sofort wieder der große Star. Mal sehen, wie lange. Blöd nur, dass die Saison
so ziemlich vorbei ist.
Juli
Im zweiten Anlauf den Lappen erlegt. Totale Düse am Anfang. Noch ´n Abgang und ich hätte
wegen Doofheit auswandern können. Habe die komplette Pressemeute an der Stoßstange und im
Kofferraum. Ist mehr Prozession als Fahrprüfung. Werde auf offener Strecke von drei Filmteams
überholt. Haben voll mit ihren Mühlen draufgehalten, diese verstrahlten Bildpräsidenten.
Oberkrass, aber der Prüfer war cool drauf. ´Lass dich nicht verrückt machen, fahr in Ruhe weiter,
den Rest mach ich´. Hat zweimal voll die Augen zugedrückt (Spurwechsel und Einparken), sonst
hätte es mich wieder zerlegt. Am Ende Jubelparteitag – 1000 Bilder von einer blöden,
stinknormalem Fahrerlaubnis. Halte trotzdem jede Wette, den meisten Pressefutzis wär´s lieber
gewesen, wenn ich noch mal den Abgang gemacht hätte. Habe Prüfer und Fahrlehrer zu den
nächsten zehn Heimspielen eingeladen.
Clubheim
Der Verein hat alles oder besorgt alles, nicht nur Rabatte. Jetzt, wo ich zur ersten Mannschaft
gehöre, sagt Kuhnke, hat das Heim seine Schuldigkeit getan. Zu eng für mich und für die Kleinen
entsteht zu viel Unruhe. Die Firma bietet mir eine eigene Unterkunft im Grünen an, in
angenehmer Umgebung und obendrein mietfrei. Unablehnbar. Bin mal gespannt auf den
Schuppen.
Hausbesichtigung
Coole Hütte. 160 m², fette Terrasse, Balkon, Einbauküche, Sauna, Badewanne plus Whirlpool,
Doppelgarage, Parkettböden und so weiter. Absolut krass und komplett Vereinseigentum.
Drumherum leben etliche andere aus der Ersten, unser Mann aus Ghana, zwei Marokkaner, ein
Japaner und drei Vertragsamateure. Bis gestern war meine Hütte noch bewohnt durch
irgendeinen Spielerbeobachter. Hat kurzfristig eine andere Bleibe bekommen. Harte Sitten?!
Kuhnke sagt, die Renovierung ist in 48 Stunden erledigt. Zu Hause hatten wir knapp 80 m²,
Etagenwohnung im 4-Parteienhaus. War für uns drei Nasen total okay. Kann in meiner neuen
Hütte mit mir selbst Fußball spielen, kein Problem.
Einkauf
Mit Elgard Möbel geordert. Auch kein Problem. Einer unserer Sponsoren hat ein korrektes
Möbelhaus am Stadtrand. Der meiste Krempel, der mir gefällt, kann innerhalb einer Woche
geliefert werden, heißt es, und es gibt ausschließlich Sonderpreise. Dafür werden zwei Millionen
Fotos geschossen – ich am Esstisch, auf dem Sofa, vor einer Schrankwand, im Küchenstudio und
ähnlicher Mumpitz. Die Schnappschüsse erscheinen dann im Hausprospekt. Minimiert die
Rechnung total.
Einzug
Alles, was mit mir einzieht, sind zwei Reisekoffer, eine Sporttasche und mein Tagebuch. Zum
Glück waren Bett, Sofa und Essecke schon da, sonst hätte das Ganze verdammt müde
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ausgesehen. Der Rest wird auch noch eintrudeln, sagt Elgard. Er hätte mit 18 wesentlich
schlechter gewohnt, in einer umgebauten Sauna am Stadtrand von Stockholm, in der er im Winter
fast erfroren wäre. Ne, Schweden kann ihm gestohlen bleiben. Immer noch vier bis sechs Monate
Winter, aber nicht so ´n schlapper und lauwarmer wie heute bei uns. Da oben friert das Huhn an
der Stange fest.
Am Abend vorher Abschied im Heim gefeiert. Kurzer Aufenthalt, aber intensiv. War schon ein
mulmiges Gefühl. Hätte fast geheult, als alle das Abschiedsständchen trällerten. ´For he´s a jolly
good fellow´. Ist Tradition. Anschließend improvisierte Doktor Brenner eine seiner gefürchteten
Reden, mindestens 10 Minuten am Stück und pädagogisch wertvoll. ´Wieder einer, der das
Klassenziel erreicht hat, in doppelter Hinsicht. Einer, dem man diese Entwicklung nicht
unbedingt ansehen konnte (Danke), einer, der hart an sich gearbeitet hat und für den es immer
dann einen leichten Anschub gab, wenn er ihn brauchte´ (Feine Umschreibung für Erpressung).
Als Entschädigung hatte sich Frau Meisel, unsere Küchenfee, mit dem Abschiedsessen selbst
übertroffen. T-Bone Steak plus Pommes. Zum Reinsetzen.
Und für meine alte Bude ist auch schon ein Nachmieter gefunden. Übermorgen wird ein neues
Pickelgesicht einrücken, in meinem Bett liegen, an meine Decke peilen und davon träumen, auch
mal Profi zu werden. Viel Glück.
Urlaub
Mit Mama und Papa 14 Tage Allgäu. Die absolute Geisterbahn. Die Hügel rauf (halbe Höhe,
versteht sich), Einkehrschwung in irgendeine Hütte, Aussicht bewundern und Papa füllt sich ab,
Bier und Enzian, Enzian und Bier. Mama versucht zu bremsen, aber Papa hat Urlaub, sagt er, und
da gehört er sich selbst und seine Leber auch. Eiert dann voll bedröhnt die Hügel wieder runter.
Verziehe mich nach zwei Ausflügen dieser Art an den hoteleigenen Fischteich mit Badelizenz.
Nennt sich ´Alpsee´. Saukalte, trübe Brühe und total verplemperte Zeit. Der allerletzte Urlaub in
Familie. Ehrenwort.
Aufmarsch 2028/29
Ich bin ab sofort Vollmitglied der Truppe, Amateurstatus beendet. Vollvertrag zu absolut
brauchbaren Konditionen (hat Elgard ausgehandelt). Im Training jede Menge neue Gesichter,
hauptsächlich aus Übersee. Vier Mohrenköpfe, zwei Marokkaner und zwei Chilenen, richtige
Indianer, Inkas oder so. Verständigung gleich Null, nur mit Händen und Füßen. Hecheln noch
mal durch den Spreewald bis die Hacken schief sind. Nach zwei Wochen erstes Ball- und
Spieltraining. Der Kampf um die Stammplätze kommt in seine heiße Phase. Vier Tage später sind
drei Mann krankenhausreif. Mertesacker titscht wie üblich im Dreieck. Verbietet jede Art von
Härte. Wer draufhaut, fliegt. Spielen nur noch Softball.
Test
Tingeln durch die Umgebung und lassen uns von irgendwelchen Dorfkickern vorführen. Völlig
Banane. Morgens und nachmittags Vollgaseinheiten, abends 90 Minuten Ernstfall. Super. Reine
Gleichgewichtsübungen. Stolpern über die eigenen Quanten, vor allem unsere Gruftis. Die
Seniorenriege hat satte Probleme mit der Beinarbeit. Ist längst nicht mehr so quirlig wie
unsereiner und versucht, die Defizite durch Routine und Fouls auszugleichen. Tut den
Hobbykickern weh, aber klappt nicht immer. Wir kassieren drei Klatschen in Serie und werden
von der Presse blöde angemacht. ´Gurkentruppe´, ´Rentnerverein´, ´Zweibeinige Bremsscheiben´,
´Abstiegskandidat´ und ähnlicher Blödsinn. Wird sich zeigen.
August
Erstes Ligamatch und mit Starterlaubnis von Anfang an. Wüstes Gebolze. Drei Augenblicke vor
Schluss wird Pancic im Strafraum gefällt, Elfer. Wir liegen 1:2 hinten. Pancic, der Dienst
habende Knipser, liegt röchelnd neben der Bande, der Rest der Truppe hat braune Streifen in den
Hosen. In Ballnähe stehen nur noch Jungnikel und ich. Jungnikel schnappt sich entschlossen die
Murmel, drückt sie mir in die Hände und murmelt: „Hau das Ding rein, Kleiner“. Feige Sau,
könnte doch selbst schließen, ist ja schließlich Käpt´n. Stehe ziemlich überrascht und doof mitten
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in der Schüssel. Der Schiri kommt angedackelt und macht auf witzig: „Soll ich schießen oder
möchten Sie ´s mal versuchen?“ Einsame Klasse. Wenn ich kneife, bin ich ab sofort die
Lacherbse der Nation, wenn ich nicht treffe auch. Einzige Chance: Augen zu, draufhalten und
treffen. Läuft alles irgendwie in Slomo. Lege das Flugzeug auf den Punkt und marschiere zurück.
Der Torwart zappelt auf der Linie ab und ein Arsch von gegenüber föhnt mir im Vorbeigehen ins
Ohr: „Den machst du nie im Leben rein, du Milchschnitte.“ Dumpfbacke. Jetzt erst recht. Unser
Anhang betet, der Rest jault wie Wolf. Anlauf, voller Hammer und mitten rein. Der Fänger reißt
die Arme hoch, die Murmel prallt zurück, direkt auf meinen rechten Stiefel und - paff – Loch im
Netz. Umständlich, aber zählt. Die komplette Truppe springt mir ins Kreuz und bügelt mich in
den Rasen. Beinahe Genickbruch für ein lumpiges Pünktchen.
Presse
Die Buchstabenzauberer machen einen kompletten Roman aus dem blöden Elfer. Alle tun so, als
hätte das Küken gezielt Verantwortung übernommen. Alle finden, ich bin nervenstark und
verantwortungsbewusst, ein Frischling, der sich innerhalb kürzester Zeit zum Leistungsträger und
Rückgrat der Mannschaft entwickelt hat. Direkt mit mir gesprochen hat nur ein Radiomensch,
und die einzige Frage war ´Wie fühlen Sie sich jetzt´? Ende, aus, kein Wort zum Elfer. Nichts
gegen Komplimente, aber keiner hat den Ablauf irgendwie gepeilt. Und Jungnikel erwähnt
natürlich mit keinem Wort, dass er mir die Murmel angedreht hat, weil ihm der Arsch auf
Grundeis ging. Irgendeine Reporterwurst schreibt sogar, ich hätte meinen Kapitän gebeten, den
Elfmeter exekutieren zu dürfen. Völlig Banane. Der Klappstuhl hat mir gnadenlos seine
Verantwortung in die Schuhe geschoben. Toller Käpt´n. Außerdem war ich weder kaltblütig noch
sonst was in dieser Richtung. Hatte absolute Gummibeine und Schwein sowieso. Zwei Zeitungen
meinen, ich bin inzwischen ein absolut heißer Kandidat für das Nationalteam. Neben meinen
spielerischen und mentalen Fähigkeiten, hätte ich noch einen ganz entscheidenden Vorteil – man
braucht mich nicht erst einzubürgern.
Aufwärts
Elgard will nachverhandeln. Ich habe meinen Stammplatz sicher, Mertesacker und Kuhnke
planen langfristig mit mir. Das sollte sich positiv auf meinen Kontostand auswirken (und auf
seinen, klar). Zum Glück haben wir eine Nachbesserungsklausel im Vertrag für ganz bestimmte
Fälle: Stammspieler, Angebote von außen, Nationalelf. Elgard sagt, wir sind in einer guten
Position und meldet sich bei Kuhnke an. Bin gespannt, was der alte Schwede so locker macht.
September
3:1 Heimsieg. Wieder einen Elfer verwandet, dieses Mal im ersten Versuch. Flach unten links
und tschüss. Abends mit der halben Mannschaft Überfall auf Nobeldisco. Pancic sagt, hier
hocken heiße Bräute im Dutzend und warten nur darauf abgeschleppt zu werden. Könnte mir
quasi aussuchen, wen ich wollte, wäre absolut üblich. Stand erst ziemlich dumm rum, dann kam
Pancic mit vier Mädels und die Party ging ab. Völlig verstrahlt, der Typ, und die Mädels auch.
Zwei haben gleich am Tisch die Schlüpfer ausgezogen und sich dabei halb tot gekichert, so als
wär´s ´ne Comedy Nummer. Die Maus neben mir war nicht ganz so wild. Heißt Betty. War aber
auch keine Nonne. Kannte mich aus dem Fernsehen, vor allem durch den ersten Elfer. Rein in die
Schlampenschleuder (Pancic) und ab in die Savanne. Kleiner Wald, kurzer Stopp und Betty legte
ab, unaufgefordert. Hatte sowieso nicht viel an, aber ganz viel drunter. Ging alles ziemlich
schnell und heftig. Wenn das alles war in Sachen Erotik und so, warum machen dann alle um den
Quatsch so ein Riesentheater?
Angebote
Elgard sagt, drei Clubs haben inzwischen angeklopft zwecks freundlicher Übernahme, zwei von
auswärts, einer von nebenan. Kuhnke darf vernünftig nachlegen, sonst kann er damit rechnen,
dass ich demnächst in England, Italien oder bei der direkten Konkurrenz kicke. Das bleibt aber
unter uns, sonst wird´s kompliziert, sagt Elgard. Auch nichts zu den Eltern. Selbstredend. Mama
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würde wahrscheinlich den Mund halten, aber Papa hätte wieder ordentlich Munition für seinen
Säuferstammtisch. Ne, nach Hause geht nix.
Betty
Zwei Mal mit Betty getroffen. War ganz nett so zum Üben, aber absolut nicht der Kracher.
Pancic sagt, die Broschen sind total scharf auf Typen wie uns, die machen alles, um einen von
uns abzuschießen, die können mit uns richtig Punkte machen. Wenn eine von denen erzählen
kann, mein Macker ist Profi, dann kippen die anderen Tussen voll aus den Latschen. Die machen
mit irgendwelchen Normalos rum, Bauarbeitern, Klempnern oder Banktypen. Für die ist
unsereiner der totale Jackpot. Deshalb, bloß nicht gleich auf eine versteifen, da steht noch jede
Menge Material auf der Weide.
Nachhilfe
Scheiß Berufsschule. Nervt total. Unterirdische Noten in allen Fächern außer Sport. Müller ist
stinkig und will mich bei Kuhnke verpetzen, falls sich innerhalb der nächsten vier Woche nichts
Wesentliches tut. Sollte ich hängen bleiben, könnte sich die Ausbildung um ein Jahr verlängern.
Der blanke Wahnsinn. Notbremse gezogen und meinen Klassenlehrer angeheuert, zwecks
Nachhilfe. Sind dreimal die Woche verabredet, abends nach 20 Uhr. Spaß sieht anders aus.
Forsbeck kann den Schotter gut gebrauchen, hat gerade gebaut und ist bei der letzten
Beförderung voll übergangen worden. Keine Ahnung warum. Erklärt gut, kann sich durchsetzen
und ist trotzdem locker drauf, so ziemlich als Einziger in der Anstalt. Allerdings kurze
Zündschnur. Wer Mist baut, landet im Betrieb. Deswegen baut auch so gut wie keiner Mist.
Eigentlich illegal das Ganze, Klassenlehrer sollten keine Nachhilfe geben, aber wen juckt´s, wenn
wir beide die Klappe halten? Es geht schließlich um Bildung, trotz Schule, sagt Elgard.
Die Vertragsverhandlungen hängen durch, meint der alte Schwede, Kuhnke klappert in geheimer
Mission durch Südamerika, ´Einkaufen´. Egal, mit jedem Spiel, das halbwegs läuft, steigen meine
Aktien und im Moment läuft´s abartig gut. Ich bin der Meinung, mein Ausstieg aus der Lehre
sollte Vertragsbedingung sein, aber Elgard winkt ab. Erstens kann eine Fußballkarriere
urplötzlich zu Ende sein und zweitens kann Wissen nie schaden, vor allem kaufmännisches nicht.
Elgard selbst ist gelernter Bänker und froh über sein Grundwissen. ´Da dreht einem keiner Dinge
an, die man nicht selbst durchgerechnet hat´.
Oktober
21.10., 20.18 Uhr, Handy rappelt. Am anderen Ende Klopp, Bundestrainer. Eigentlich keine
riesige Überraschung nach den Auftritten der letzten Zeit, aber trotzdem – Schwitzhändchenzum ersten Mal der große Chef persönlich. Bin eingeladen für den nächsten Länderkick gegen die
Schweiz. Natürlich steht damit nicht fest, dass ich spiele, aber ich bin mit im Bus. Kuhnke ist
informiert, das genaue Programm kommt schriftlich. Habe als erstes Papa angerufen. War beim
Kegeln. Hat spontan eine Runde spendiert. Super. - Fünf Minuten später ist Kuhnke im Rohr, 40
Prozent erfreut, 60 Prozent besorgt. Große Ehre, Blablabla, aber noch mehr Belastung. Wie´s mit
dem Vertrag wäre, hab ich gefragt, aber Kuhnke hat nur blöde gelacht. Elgard und er würden die
Sache schon regeln. Quaktasche. Wenn ich Nationalmannschaft spiele, kann ich mir die Clubs
aussuchen, und die dämliche Lehre kann er sich dann in die Haare schmieren.
10 Minuten später meldete sich Schwanke vom Zweiten Versehen. Die Pressefutzis werden
anscheinend genau so schnell informiert wie unsereiner. Wie man sich so fühlt als NeuNationalspieler, ob ich gegen die Schweiz zum Einsatz komme, wo ich nächste Saison spiele und
ähnlicher Schabernack, und ob ich nächsten Samstag in seine Sendung möchte? Von mir aus ´ja´,
aber er soll sich das ´Okay´ von Kuhnke holen. Kein Problem, sagt Schwanke.
Schlagzeilen
Die Zeitungen hauen mich raus wie Jesus persönlich, bin der Aufmacher auf allen Sportseiten,
Jungstar, neuer Hoffnungsträger, Weltmeister aller Klassen, der ganze Zukunftskäse. Nur in zwei
Blättern stehen schräge Kommentare. Kein Wunder, dass ich Nationalmannschaft spiele: - ´Wer
als Deutscher den Sprung in den Dunstkreis der Erste Liga schafft (Bankdrücken reicht), landete
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automatisch in der Nationalmannschaft, die Auswahl an brauchbaren, einheimischen Kickern ist
mehr als übersichtlich.´ Armleuchter. Sollten froh sein, dass überhaupt noch wer nachkommt, viel
tut sich auf dem hauseigenen Markt wirklich nicht. Was bleibt, sind einwanderungswillige
Afrikanesen oder so. Die gibt´s reichlich, und davon lebt das Land.
Die Vereinsleitung ist gegen einen Studiobesuch am Samstag, am nächsten Tag droht der
Ligaalltag gegen Finanzallianz Frankfurt. Wenn, dann müssten die Herrschaften vom Fernsehen
schon mit einem Übertragungsteam bei uns anrücken.
Peinlich
Betty ruft an und gratuliert zur Beförderung. Rumgesülze und Tralala. Würde sich gerne häufiger
mit mir treffen. Hat mir gerade noch gefehlt. Im Moment kochen andere Dinge. Pancic sagt, so
Mädels können zu Kletten werden, - wer lässt freiwillig einen echten Nationalkicker schießen?
Ich soll mich zusammenreißen und bloß nicht einwickeln lassen. Typen wie er und ich können
alle haben, nicht nur eine.
Spektakel
Seit Tagen steppt der Bär, total krass. In allen Knopflöchern Reporter, Inland und Ausland.
Unglaublich. Sogar aus Japan. Die Schweizer kamen im Dutzend angeschreddert.
Schwizerdeutsch ist allerdings keine Sprache, sondern mehr Halskrankheit. Die Alpenwillis
wollten alles wissen: Lieblingsposition, Einkommen, Freundin, Hobbys, schon mal in der
Schweiz gewesen, Skifahrer? und ähnlichen Quark. Elgard hat mit mir stundenlang Interviews
geübt: freundlich sein, geduldig sein, die Reporter ausreden lassen, langsam antworten, mit
Zurückhaltung und bloß nicht versuchen, auf lustig oder schlau zu machen (´schlau´ geht gar
nicht), eher auf schüchtern, höflich und bescheiden. Das kommt an und beruhigt die Leute, weil
sie dann glauben, man ist nicht irgendwas Besseres. Überhaupt, sagt Elgard, wenn Journalisten in
der Nähe sind, gibt´s nur eins: Schnauze halten. Reicht schon was diese Herrschaften melden,
auch wenn man nix sagt. Saugen sich ohnehin ihre eigenen Geschichten aus den Fingern, damit
Richtung und Auflage stimmen. Und wer redet, muss einkalkulieren, dass jede Silbe als
Bumerang zurückkommt, auf Knopfdruck und jahrelang. Und einmal verzapften Schwachsinn
wieder gerade zu rücken klappt nie, irgendwas bleibt immer hängen. Dafür gibt´s im Sport prima
Beispiele. Also, erst mal Schnauze halten. Super.
Sexualkunde
Habe Elgard nebenbei von Betty erzählt. Hat den alte Schweden fast vom Hocker gefegt. Voller
Pfefferminzschlag. Pancic ist ein Vollidiot, sagt Elgard, der denkt mit seinem Schwanz und nicht
mit seinem Hirn, hat auch gar keins. Ist gerade 26 und kann schon für drei Trabanten Unterhalt
zahlen. Und irgendwo in Kroatien oder Serbien laufen bestimmt noch mehr Ableger rum. Und
Alimente sollte ich mir nicht als Peanuts oder Taschengeld vorstellen, Unterhalt wird knallhart
berechnet und abgedrückt, und zwar nach Einkommen, so lange bis die Brut auf eigenen Beinen
stehen kann, im schlimmsten Fall bis 27 oder so, falls eins von den Früchtchen unbedingt Doktor
werden will. Für die glückliche Mutter darf separat geblecht werden, und zwar deutlich mehr als
Sozialhilfe. Jeder Profi mit vernünftigem Einkommen, sagt Elgard, kann für einen einzigen
Freistoß Millionen blechen, kein Problem. Es gibt Damen, die warten auf ihre Chance, wie
Zecken. Und es gibt genug Idioten, die sich diese Zecken fangen, auch dafür gibt´s prima
Beispiele im Dutzend. Entweder ab sofort alles mit Tüte oder ´n Knoten in das Ding.
Live und in Farbe
Mein erstes richtiges Live-Interview im Fernsehen. Das Team wuselt stundenlang vorher im
Clubheim rum, und Schwanke quatscht mir im Vorfeld einen Knopf an die Backe. Am Ende sind
wir per ´Du´, inoffiziell, vor der Kamera wird gesiezt, von wegen Objektivität und Distanz. Das
Interview dauerte dann zehn Minuten am Stück, drei Kameras und zwei Mikros. Anschließend
der Blick in die Aufzeichnung. Katastrophe, sehe total bescheuert aus und die eigene Stimme
klingt völlig schräg. Trotzdem, alle sind happy und wünschen mir einen guten Start bei Klopp.
Leichter Galgenhumor. Haben mit dem Team seit Jahren keinen Blumentopf mehr gewonnen.
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Okay, Giganten wie Andorra und Malta sind noch zu schaffen, aber gegen den Rest der Welt
gibt´s momentan ordentlich Haue.
Voraussetzungen
Treffpunkt Freiburg, drei Tage vor dem Match. Elgard fährt mich hin, möchte nicht, dass ich
selbst kutschiere. Soll mich voll auf meinen Job konzentrieren und nicht auf den Straßenverkehr.
Mimt den glasharten Erziehungsberechtigten. Schade, Papa hat mir selten irgendwas verboten.
1000 Pressefuzzis vor Ort, Foto-Shooting, fehlt nur noch der rote Teppich. Werde vom
Trainerstab mit Handschlag begrüßt, Klopp, Lahm und Holwegler. Bin der einzige Neuling.
Etliche in der Truppe sind für mich Leinwandhelden, spielen in Italien, Spanien, am Golf usw.
Rahmani und Wolter sind die Stars und ziehen die Pressemeute auf sich. Wir anderen sind
Statisten. Rahmani kickt in Moskau, hat afghanische Eltern, wurde in Hamburg geboren und mit
14 eingebürgert. Ziemlicher Arrogantarsch.
Klopp ist Berufsoptimist, hoch wie breit und ziemlich tief. ´Es gibt keine Probleme, nur
Lösungen´. Ich wäre so eine Lösung, sagt er, und müsste damit rechnen, gegen die Schweiz in der
Startelf zu sein. ´Mal ´n paar Löcher in den Käse hauen´. Gut gebrüllt, aber der Käse sind wir.
Die Alpendudler schimpfen sich Europameister, sind seit fast drei Jahren ungeschlagen. Haben
nur das WM-Endspiel gegen Russland vergeigt. Kein Wunder, bei den Wodka-Kickern waren
acht Brasilianer und drei Argentinier am Start, bei den Eidgenossen nur eigenes Gemüse, streng
nach Vorschrift. Die Berge sind für Fußballmigranten so gut wie dicht. Pro Club zwei Nasen von
auswärts und Feierabend. Die Club-Teams reißen deswegen auch keinen Hering vom Teller, aber
die Ländermannschaft funktioniert, anders als bei uns. Wir sind eine Nationalelf von
professionellen Bankdrückern, Fallobst, Nummer 36 in der FIFA Weltrangliste. Kloppo soll die
Talfahrt stoppen. Hat vor knapp einem halben Jahr den Job übernommen und bastelt rum.
Neues System
Fast drei Stunden Teamsitzung. War echt spannend. Klopp will mit zwei unterschiedlichen
Systemen spielen lassen. Die erste Halbzeit mit ´Libero´ (Steinzeit-Modell), die zweite mit
Doppelkette und Raute wie üblich. Die Libero Sache hört sich witzig an. Einer baut sich zentral
hinter der letzten Kette auf und haut weg was kommt. Klopp zeigt uns alte Filme mit
Beckenbauer und Schulz und ähnlichen Fossilen. Zeitlupenfußball, aber als System gar nicht so
doof. Klopp sagt, der Libero braucht Übersicht, Stellungsspiel, Kopfballstärke und
Antizipationsvermögen (stand an der Wand, bedeutet ungefähr ´Vorahnung´). Er würde sich noch
überlegen, wer den Ausputzer geben soll, da wären mehrere Möglichkeiten.
Geheimtraining
Wir probieren mit Libero, zwei Tage lang vormittags, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Soll
schließlich eine Überraschung werden. Klopp probiert vier Kandidaten, einer davon bin ich.
Prima Sache, macht Spaß. Man chillt im Rückraum ab, pfeift seine Vorderleute zusammen und
stürzt sich auf alles, was durchgesteckt wird. Leichte Übung, haue alles weg, was kommt, egal ob
flach, hoch oder sonstwie. Rahmani, die alte Meckerbacke, hat keinen Bock auf Libero, damit
geht das Spiel kaputt, denn der Mann fehlt im Aufbau oder ganz vorne. Stimmt, aber hinten
brennt absolut nix mehr an.
Aufstellung
Vor einer Stunde erfahren – ich bin von Anfang dabei und zwar als Libero. Absolut krass. Neuer
Mann, neues System, mutig. Wenn ich Mist baue wird Klopp gesteinigt, das steht fest. In der
zweiten Halbzeit wird dann umgestellt. Rahmani, beim Abendessen neben mir, hält das Ganze für
völligen Quatsch. Sind doch sowieso nur ein Hühnerhaufen, wozu dann noch diese blöden
Experimente? Alles nur Anti-Fußballer in der Truppe, sagt der große Crack.
Noch ´n Papa
Verdammt schlecht geschlafen. Fühle mich total zerknittert. Klopp nimmt mich nach dem
Frühstück auf die Seite. Habe im Training voll überzeugt, Naturtalent als Ausputzer. Müsste nur
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noch mehr mit den Vorderleuten reden und auch wesentlich energischer. Wir sind nicht im
Nonnenkloster. Die Knaben brauchen klare Ansagen, schön laut und deutlich, nur keine
Hemmungen. Und immer die Räume und Passwege zustellen. Das dürfte die Schweizer Garde
ordentlich nerven. - Betty ruft an und will wissen, ob ich spiele. Danke der Nachfrage, muss
unbedingt meine Handy-Nummer wechseln.
Seniorenfußball
Basel. Ausverkaufte Schüssel, Schweizer und Deutsche 50:50. Auf der einen Seite rote Fahnen
mit weißem Kreuz, auf der anderen alles in Schwarz, Rot, Senf. Shakehands, Wimpelübergabe,
Nationalhymnen. Unser Pressefutzi hatte mir mittags den Text in die Hand gedrückt, nur zur
Sicherheit. Sinnlos. Ich kann nicht singen und will nicht singen, weder Schlager noch
Nationalhymnen, bin Fußballer und kein Caruso.
Das Match selbst ist ultimativ doppelminus. Die Lederhosen greifen an und jeder zweite Ball
landet prompt bei mir, egal ob Pass oder Flanke. Muss nicht mal viel dafür tun. Aktionsradius
wie ´ne Notrufsäule, aber totale Peilung. Logenplatz. Kurze Bewegungen nach links, rechts oder
vorne und die Räume sind zu. Entweder brechen die Alpinisten ab oder die Murmel geht in
meinen Besitz über. Zwei oder dreimal wird ´s eng, aber meist kann ich das Spielgerät
kontrolliert nach vorne kicken. Ausflüge über die Mittellinie pfeift Klopp sofort zurück. Nach
vorne sollen die anderen machen. Machen sie aber nicht. Alles gurkt im Mittelfeld rum und die
beiden Spitzen hängen in der äußeren Galaxis. Rahmani macht Stunk in der Halbzeit. Scheiß
System. Klopp grinst und stellt um. Ich muss raus und wir bilden unsere normalen Ketten. Acht
Minuten später zappelt die Kugel in den Maschen. Pass in die Tiefe, Abfangjäger mit
Sekundenschlaf, Torwart ausgespielt, Bingo. Danach machen die Almdudler halblang. Zehn
Minuten vor Schluss trifft Rahmani aus 16 Metern per Fallrückzieher - 1:1. Sensationell, aber
reiner Glückstreffer. Das war´s.
Pressekonferenz
Klopp geht auf die erste Hälfte kaum ein, lobt meinen Einsatz, aber erklärt ´System Libero´ für
gescheitert. Zweite Hälfte hat mehr Druck nach vorne gebracht, moderner, attraktiver Fußball
und genau seine Philosophie. War einigermaßen enttäuscht. Alle anderen sind zufrieden, auch die
Meinungsmacher. Für die Lederhosen ein schlaffes Unentschieden, für uns fast ein Sieg.
Abends Bankett. Alles vom Feinsten. Rahmani sagt, das übliche Gelage für Funktionäre und
Sponsoren. Nix für mich, verziehe mich auf meine Bude. Klopp erscheint eine halbe Stunde
später mit Sekt. Sagt, hätte meine Sache hervorragend gemacht, noch besser als im Training und
das war schon super. Wird bei der EM mit mir als Libero antreten, zu den Qualifikationsspielen
nur im Notfall, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Das Ganze wäre aber eine Sache
zwischen ihm und mir, nicht mal Lahm und Holwegler wüssten Bescheid. Bei jedem anderen
hätte ich gesagt, der Typ verarscht dich, aber Kloppo trau ich die Nummer glatt zu.
Poker
Kuhnke wird sich wahrscheinlich in den Hintern beißen. Vor dem Länderspiel wäre die Sache
erheblich preiswerter gewesen, jetzt gibt´s Konjunkturzuschlag. Elgard sagt, jeden Tag trudeln
neue Angebote ein und die besten flattern direkt weiter auf Kuhnkes Tisch, nur mal so, als Info.
Macht richtig Laune, sagt Elgard, und Kuhnke flucht. Eigene Doofheit. Bin gespannt, wie die
Pokerrunde ausgeht und wo demnächst für mich die Murmel rollt. Das Ausland hat auch seine
Reize.
Dezember
Neue Disco, neues Glück. Das Modell heißt Sara, blond, mit ausgesprochen üppiger
Benutzeroberfläche und nicht schwerer zu kriegen als Betty. Ich bin ganz oben und vermutlich
Multimillionär für die Dame, da fallen Hemmungen und Hüllen. Promis sind sexy, selbst die mit
Triefaugen, Buckel und schiefen Zähnen. So weit liegt Pancic im grünen Bereich. Ansonsten gilt
Elgards Anweisung, nur keine Betriebsunfälle, würde dann ab sofort jede zweite Halbzeit für
Sara spielen.
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Arbeitsplatz
Unser Verwaltungs-Müller checkt absolut nicht, dass ich Nationalspieler bin. Geht dem Knaben
voll am Arsch vorbei. Müllt mir zweimal am Vormittag den Schreibtisch voll, mindestens, und
erwartet, dass ich den ganzen Schwachsinn zügig und ´fachlich korrekt´ bearbeite. Würde ihm
den ganzen Mist am liebsten sofort zurück in seine Kemenate krachen. Werde eine
Vertragsverlängerung nur unterschreiben, wenn dieser Büro-Dracula von Kuhnke gefeuert wird.
Vertrag
Alles unter Dach und Fach. Jahreseinkommen bleibt Geheimsache (liegt aber satt im grünen
Bereich, netto, versteht sich), keine Ablöse über 35 Mille und für jede Saison, die ich von jetzt ab
im Verein spiele gibt´s eine Extra Prämie von 800.000. Müller, der alte Drehstuhlpilot, bleibt im
Amt, leider. Kuhnke denkt nicht im Traum daran, den alten Sklaventreiber zu himmeln, hält
große Stücke auf den Spinner. Außerdem sind innerbetriebliche Vorgänge und Personalfragen
nicht mein Bier. Ende der Durchsage. Will Müller allerdings Anweisung geben, mich ab sofort
etwas pfleglicher zu behandeln. Wird mir die Aktenberge wahrscheinlich mit rosa Schleifchen
überreichen.
2029
Januar
Nationalmannschaft. Match gegen Korsika, erstes offizielle Länderspiel für die Insel nach der
Trennung von Frankreich. Die Arena in Bastia ist weiträumig abgeriegelt, weil irgendwelche
verstrahlten Franzmänner sich bei dieser Gelegenheit für die ´Verkleinerung´ ihres Landes
revanchieren wollen. Uns Spielern wird erklärt, alles völlig harmlos und sicherheitstechnisch
überschaubar. Pustekuchen. In der Nacht vor der Partie fliegt hinter unserem Hotel der
Mannschaftsbus weg, und in Berlin fetzt eine Granate das komplette Pferdegespann vom
Brandenburger Tor, weil wir es wagen, gegen Korsika zu kicken, steht im Bekennerschreiben.
Die franz. Regierung entschuldigt sich offiziell in Berlin und bei der Mannschaft. Die
weggeflogenen Pferde werden selbstverständlich originalgetreu wieder aufgebaut, den Bus zahlt
die Versicherung. Zum Glück keine Verletzten, weder durch die fliegenden Zugtiere noch durch
den Mannschaftstransporter. Trotzdem Schwachsinn. Die Unabhängigkeit ist fast ein Jahr alt,
kam durch Volksentscheid zustande und wurde von der UNO bestätigt, sagt Elgard, alles völlig
legal, aber Spinner mit Idealen gibt´s überall.
Das Match selbst ist tote Hose im Quadrat: Kann nix (Korsika) gegen geht nix (Wir). Elendes
Gewürge. Komme zur zweiten Halbzeit rein und spiele Brummkreisel im Mittelfeld. Wir
produzieren ein Eigentor und die Korsen revanchieren sich kurz vor Schluss. Rückgabe zum
Torwart aus 30 Metern links oben in den Giebel. Tor des Monats und die perfekten Gastgeber.
Die Korsaren werden trotzdem von ihren Leuten gefeiert wie doof, eigene Fahne, neue
Nationalhymne und so weiter. Fußballtechnisch wären die Herrschaften wahrscheinlich besser
bei Frankreich geblieben.
Rückrunde
Bescheidener Start, zwei Pleiten, ein Sieg, ein Unentschieden. Mertesacker arbeitet sich in die
Schlagzeilen. Schlecht präpariertes Team, falsche Taktik, verpeilte Personalpolitik, schräger
Führungsstil. Jeder haut drauf so gut er kann. Tipps vorher wären besser gewesen. Stattdessen
Komplettdemontage nachher. Noch zwei Pleiten am Stück und der Blödsinn wird Wahrheit.
Läuft aber nicht. Stattdessen drei Siege in Folge und wieder Ruhe im Katong. Versenke zwei
Dinger. Gegen Frankfurt mit der Schilddrüse aus drei Metern, Schwein gehabt, ein Netz in
Bremen aus 20 Metern, Vollspann ins lange Eck. Beruhigt alle Kritiker, die glauben, ich wäre
schusstechnisch noch in der C-Jugend.
Februar
Renato, unser brasilianischer Mittelfeldstratege der Sonderklasse, zickt rum. Ist kurzfristig
abgetaucht, weil er irgendwo in unserer Gegend eine Disco gekauft hat, heißt es. Inoffiziell
20
sickert durch, dass er die Kaschemme nur unvollständig bezahlt hat und von der Bildfläche
verschwinden musste, weil die Verkäufer, irgendwelche krassen Typen aus Bringdichum, dem
Artisten an die Wäsche wollen. Wahrscheinlich darf Kuhnke jetzt die Kuh vom Eis holen, damit
unser Ass nicht mit Beton an den Füßen im nächsten Baggersee verschwindet. Wäre hart, aber
fair. Okay, der Knabe hat heiße Dinge drauf, auch im Spiel, glänzt aber auch mit Schattenseiten:
Kopfballallergie und Alleskleber an den Laufwerkzeugen. Keine Ahnung, was Kuhnke & Co an
diesem Schokoriegel gefressen haben. Staubt für den Blödsinn wahrscheinlich auch noch
containerweise Kohle ab. Die Meisten im Team würden den Spinner gnadenlos und sofort an die
Luft setzen.
März
Abwärts. Kommen in echte Schwulitäten. Jungnikel fällt mit Bänderriß aus, Ekenga kriegt vier
Wochen Sperre verpasst für einen harmlosen Ellenbogencheck (internationale Härte), und ich
werde von meinem eigenen Schnappi massakriert. Islop rammt mir im Taining sein dämliches
Knie voll in den rechten Oberschenkel. Direkt Ende, komplettes Bein taub und gefühllos. Fetter
Bluterguss und zehn Tage Krücken, trotz Elektroschock, Wärmebehandlung, Massagen, UnterWasser Therapie und ähnlichem Schnickschnack. Mertesacker kann die Truppe total umbasteln.
Gelingt aber nur bedingt. Wir lassen jede Menge Punkte liegen und schmieren ab in Richtung
Gullydeckel.
Der verlorene Sohn
Nach 25 Tagen Sonderurlaub (?) erscheint unsere brasilianische Grinsekatze wieder am
Arbeitsplatz. Keine Erklärungen, nichts, war vermutlich Holundersaft naschen. Wird wegen
Personalknappheit sofort wieder aufs Eis geschickt und kackt nach 60 Minuten total ab, obwohl
er nur im Mittelkreis abhängt. Der Rest der Truppe darf für den großen Meister durch die Gegend
pfeifen, bis die Socken dampfen. Bin mindestens dreimal so fit wie die schlaffe Fluse aus
Brasilien, verdiene aber vermutlich nicht mal die Hälfte. Wird von mir keinen einzigen Ball mehr
aufgelegt bekommen, bin doch nicht bescheuert. Kann sich die Murmel selbst besorgen, wenn er
mitspielen will.
April
Aufsteigende Tendenz. Alle sind fit und einigermaßen motiviert, bis auf unsere braune
Primaballerina. Oxydiert im Mittelfeld und erwartet, dass man ihm das Bällchen optimal serviert,
damit Majestät einen seiner Zauberpässe zelebriert. Ansonsten warten auf Standardsituationen in
Strafraumnähe. Die werden vom großen Meister dann feierlich aufgeführt, allerdings mit
überschaubarem Erfolg. Trifft bei 20 Versuchen zweimal die Latte und einmal ins Schwarze.
Kann ich auch. Schnappe mir gegen München die Kugel, krache das Ding an den Außenpfosten
und werde prompt von unserem Ballversteher angemacht. Dumpfbacke.
Eiszeit
Die beleidigte Parkuhr hat sich bei Mertesacker gründlich ausgeheult. Ich würde ihn auf dem
Platz schneiden und außerdem die Bälle wegnehmen. Das wäre keine Kooperation und kein
Mannschaftsgeist, sondern Sabotage. Darf zum Appell antreten und werde einigermaßen gefaltet.
Mertesacker sagt, ich muss mich einfügen und gewisse Hierarchien akzeptieren. Wenn nicht,
geht´s ab auf die Tribüne. Halte anständig dagegen, bin schließlich Nationalspieler und jeder
kann sehen, der Schokoriegel hat Schub wie ´ne Möhre. Hocke beim nächsten Match prompt auf
der Tribüne, offiziell mit Adduktorenproblemen. Keine Ahnung, was Adduktoren sind. Reine
Schikane.
Retour
Elgard sagt, ich soll den Ball flach halten, im Training meine Leistung bringen und abwarten.
Renatos Tage sind eh gezählt, der Superstar demontiert sich selbst und dann werden die Karten
neu gemischt. Elgard redet trotzdem mit Kuhnke. Ich darf anschließend wieder auf der Bank
Platz nehmen und Teilzeitjobs erledigen. Wird offiziell als ´kreative Pause´ und ´vorsichtiger
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Aufbau´ und ´nicht zu früh verheizen´ verkauft. Schwachsinn. Werde abgeschoben, damit unsere
fußlahme Flachpfeife in voller Pracht strahlen kann. Muss man unter ´Erfahrung´ abhaken, sagt
Elgard.
Mai
Voller Schuss in den Ofen. Der Dribbelkönig gibt im Training Gas, legt freiwillige Fitness
Einheiten ein und wird täglich besser. Fabriziert am letzten Wochenende einen glatten
Doppelpack - versenkter Freistoß und anschließend Spaziergang mit Ball durch die halbe
Abwehr. Wird wahrscheinlich Tor des Monats. Momentan absolute Kultfigur, ich bin der Doof
vom Dienst und als Reservist Luft für alle, inkl. Nationalmannschaft. Wir kicken gegen Uruguay
und Tunesien, aber Klopp ruft nicht an. Elgard soll neuen Verein suchen. Ohne Brasilianer. Habe
keine Lust, mir den Hintern auf der Bank platt zu drücken.
Juni
Schlapper fünfter Platz. Dürfen am Döner-Cup teilnehmen und über die Dörfer tingeln. Kuhnke
sagt, besser als nichts, bringt Geld in die Kasse und für jeden Extra-Prämien, falls wir uns nicht
zu dämlich anstellen. Und mit jeder Runde werden die Zugaben fetter. Außerdem wird´s
allmählich Zeit für den nächsten Titel. Der letzte Erfolg stammt aus der Antike, Pokalsieger vor
fünfzehn Jahren, das war´s. Elgard redet von internationaler Erfahrung und von
Geographieunterricht live, den kriegt nicht jeder in seinem Leben geboten, vor allem nicht gegen
Bezahlung.
Jahreszeugnis
Nicht gerade der Kracher. In den Kernbereichen gerade so das rettende Ufer erreicht. Kopfnoten
unter aller Sau. Keine ´Problemlösungskompetenz´, ´mangelhafte Eigeninitiative´,
´eingeschränkte Zuverlässigkeit´, ´schwaches Sozialverhalten´. Kann leider mit Sport nichts
rausreißen, Sport läuft nur sechs Monate. Sieht man auf Anhieb. Die meisten in meiner Klasse
sind vom Format her ´2 Öltanks´, auch die Weiber. Jetzt schon prall wie Honka. Würde nicht eine
von denen anfassen. Hautenge Jeans und T-Shirts und drunter schwabbelt die Schwarte. Müller
macht mich rund wegen der Beurteilungen, und, weil ich maule, gibt´s Audienz bei Kuhnke.
Kennt keine Verwandten. Wenn sich bis zum nächsten Zeugnis die Kopfnoten nicht dramatisch
verbessern, gibt´s Feuer, das volle Programm, Gehaltskürzungen, Reservebank und Verlängerung
der Ausbildung um ein komplettes Jahr. Weise Kuhnke darauf hin, dass etliche im Team mit
Sicherheit keine Schule besucht haben und werde krass abgebügelt. Leute aus der Dritten Welt
sind kein Maßstab für mich, wir befinden uns in Mitteleuropa, verfügen über ein halbwegs
vernünftiges Bildungsangebot und Tschüss.
Urlaub
Scheiß Saison zu Ende. Mund abwischen und weg. Bin vor allem Müller für drei Wochen los.
Behandelt mich wie einen Lernbehinderten und lässt mich jeden Büroscheiß doppelt abspulen,
Ablage, Differenzen suchen, Lagerbestände prüfen, etc. Könnte dem Knaben pausenlos in den
Arsch treten. Elgard hat für uns beide Kanada gebucht, Vancouver und Vancouver Island. Mal
sehen. Frau Elgard bleibt zu Hause. Mama und Papa wollten zuerst mit, aber Elgard hat die
beiden erfolgreich abgewimmelt. Abenteuerurlaub mit Paragliding, Freeclimbing, Camping im
Dschungel mit Bären, Wölfen und Mücken, absolut nix für Papas Biergeschwür und Mamas
Krampfadern.
Juli
Vancouver ist okay, aber nicht der Knaller. Gastown, die Altstadt ist so groß wie ´n Bierdeckel,
der Rest sind Neu- und Hochbauten. Vancouver Island gleich gegenüber macht mehr Laune.
Victoria, die Hauptstadt, ist überschaubar, mit super Lokalen und einem krassen Museum für
Landesgeschichte, mit Totempfählen, nachgebauter Westernstadt und ähnlichem Schnickschnack.
Allerdings, jeder Zweite im Ort ist Chinese oder Koreaner oder Japaner, auf jeden Fall gelb. Wir
fliegen kreuz und quer über die Insel (100 km breit aber fast 500 km lang), segeln, fahren
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Motorboot, Paddeln, latschen mit Joe, einem Restindianer quer durch die Pampa und
irgendwelche Urwälder und kommen drei Tage später völlig versaut und platt wieder zurück.
Elgard pumpt wie ´n Maikäfer, aber der Alte ist zäh, trotz seines Speckgürtels. Fußball spielt in
dieser Gegend absolut keine Geige. Keiner kennt uns, man hält uns für Vater und Sohn, die
zusammen auf Tour sind. Alles sehr angenehm, vor allem ´Peking Ente scharf´. Saulecker.
2. Saison / 2029 /2030
Trainingslager / Einkäufe
Trainingslager in Oberstaufen. Kenne die Ecke von Papas Sauftouren, lerne aber jeden Tag neue
Hügel kennen, volle Höhe dieses Mal. Früher, als noch Schnee fiel, donnerten hier Skiprofis zu
Tal, wir Deppen eiern in umgekehrter Richtung Wolkendecke. Die Aussicht von oben ist toll,
wenn man nicht gerade Sternchen vor den Augen hat. Jungnikel und Pancic haben nicht mal mehr
Luft, um zu fluchen, unsere sechs Neuzugänge bleiben regelmäßig mit Kolbenfresser liegen.
Standgasfanatiker. Pinto und ich machen jede Bergwertung unter uns aus und Mertesacker sagt,
die Karten für die Saison werden komplett neu gemischt, nur wer sich durch Leistung aufdrängt,
kommt an den Start. Entsprechend geht es auf dem Spielplatz zur Sache. Zwei von den Neuen
sind technisch brauchbar, bei den anderen fragt man sich, warum hat der Blindenhund beim
Einkauf nicht angeschlagen? Alles, was die vier Hirnis können, ist anderen anständig auf die
Socken zu donnern. Nach sechs Tagen ist die halbe Truppe fußlahm und Pinto meckert bei
Mertesacker. Dieses Mal winkt der Alte ab. Einige von uns Ballettratten sollten sich zügig an
internationale Härte gewöhnen.
Senor Renato, unsere Mittelfeldperle, glänzt natürlich durch Abwesenheit. Angeblich sind in
Brasilien noch wichtige Familienangelegenheiten zu klären. Herrliche Umschreibung für
Bumsen, sagt Pancic, und ist sauer. Wir rennen uns Löcher in die Socken und der große Star
amüsiert sich quer durch die Heimat. Pancic sagt, er wird keinen Meter extra laufen für diesen
durchgeknallten Ballartisten und, wenn er ihn anspielt, dann stramm und direkt auf die
Schilddrüse, da haben auch Brasilianer Schwächen.
EM-Quali
Fette Gegner erwischt, Portugal, Schottland, Estland, Malta und Italien. ´Die Killergruppe´, laut
Presse. Start direkt mit Saisonbeginn und mir. Bin wieder im Kader. Alle haben dicke Beine,
wenig Rhythmus und noch weniger Spielpraxis. Zu Hause gegen Estland müdes 1:0 durch
Rahmani, zweite Partie in Schottland 0:0 mit unglaublich Dusel. Insgesamt sechsmal Aluminium
für die Schotten, aber kein Netz. Dafür landet Rahmani auf der Gipsstation: glatter
Wadenbeinbruch, mindestens sechs Wochen Aktivurlaub. Moskau titscht im Dreieck und kündigt
an, Rahmani in Zukunft nicht mehr an Nationalelf zu verleihen. Dummes Gerede, sagt Elgard, die
Freistellung ist vertraglich geregelt, Rahmani muss antreten, sonst können die Russen
Konventionalstrafe ohne Ende bezahlen. Portugal ist inzwischen Gruppenerster, hat Malta und
Italien geschlagen (in Rom!).
August
Mit 13 Tagen Verspätung trudelt unser Ballflüsterer ein, lächelnd, ausgeruht, mit mindestens 20
Prozent Übergewicht, hält sich aber selbst für topfit. Außerdem ist Senor Renato Fußballspieler
und kein Marathonmann. Prima Einstellung. Pancic, Jungnikel, etliche andere und ich sind auf
180, Tendenz steigend. Im Training kackt unser Schokoriegel total ab, spult bei den
Laufeinheiten nicht mal die halbe Distanz ab und mimt im Match den Gullydeckel. Kriegt keinen
Ball, und wenn, dann so schräge Dinger, dass er sich bei der Annahme beide Beine bricht. Sieht
ziemlich alt aus der Knabe und fängt nach zwei Tagen an zu stänkern. Geht uns allen voll am
Arsch vorbei. Bin gespannt, ob Mertesacker den Seniorenteller zum Saisonstart bringen wird.
Achterbahn
Pflichtsieg in Malta, 3:0. Ziemliches Gewürge gegen elf plattfüßige Inselkicker. Alle Tore in den
letzten fünfzehn Minuten, Kompressionsverlust in der Defensive. Wir flanken von der
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Grundlinie, zwei Mal auf meine Rübe und hinein ins Vergnügen. Treffer Nr. 3 geht auf Wolters
Konto, Vollspann mitten durch den Wachtmeister. Hätte das Ding auf der Zwölf gesessen, wäre
die Familienplanung vorläufig im Eimer gewesen.
Vier Tage später Klatsche in Genua. Werden nach zwei Minuten kalt erwischt. Querschläger im
Strafraum, Innenpfosten, 0:1. Das Dümmste, was dir gegen Italien passieren kann. Die
Pizzabäcker stellen jede Mitarbeit ein, versammeln sich vor der eigenen Hütte, koffern weg was
kommt und warten auf Konterchancen. Ende vom Lied 0:3. Echte Nachhilfestunde in Abdichten
und Abzocken. Gegen diese Betonmischer sind wir total grüne Jungs.
Bierdeckel-Fußball
Ligaalltag mit Renato. Unsere Diva läuft auf, chillt im Mittelkreis seine Basis und wartet auf
Bälle, kriegt aber keine, höchstens irgendwelche Querschläger. Seine Abspiele landen in der
Pampa, keine Abnehmer, und um alleine irgendwas zu reißen, fehlen die Körnchen. Muss sich
fühlen wie die Titanic. Auch die Presse schießt sich ein. ´Lahme Ente´, ´Spielverderber´, etc.
Trifft unseren Sonnyboy nur peripher, kann kaum Deutsch und liest keine Zeitung. Pancic
behauptet, der Typ kann überhaupt nicht lesen. Die ersten beiden Spiele gehen voll in die Hose,
dann gibt´s ein Unentschieden, aber auch nur, weil der Schiri hilft. Pancic fällt über seine eigenen
Pedale, ohne Fremdeinwirkung - Elfer. Hätte ich verballert, wäre Mertesacker wahrscheinlich
fällig gewesen. Trotzdem, der Hocker brennt.
Revolution
Molkerei auf der Bounty, oder so. Die Mannschaft meutert, nicht unbedingt gegen den Coach,
aber gegen unsere brasilianische Zahnpastareklame. Keiner hat mehr Bock, mit dem
´Schönwetterwichser´ (Copyright Pancic) aufzulaufen. Jungnikel und ich werden zu Kuhnke
abkommandiert, um die Sache zu klären. Habe im Vorfeld mit Elgard gesprochen. Soll mich
nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Die Perle war schweineteuer und kassiert monatlich viel zu
heftig, um ihn einfach so in den Vorruhestand zu schicken, der Wiederverkaufswert fiele ins
bodenlose. Für den Verein eine schräge Situation. Wir sollten Kuhnke nicht zu heftig aufs Dach
steigen, der Alte hat wenig bis keinen Spielraum.
September
Untergang de luxe gegen Portugal. Kicken munter mit, kriegen nix Zählbares auf die Reihe und
reiten uns freundlich lächelnd selbst in die Grütze. Die Jungs in Rot-Grün sind technisch perfekt
und total unkalkulierbar. Schieben sich im Mittelfeld minutenlang die Murmel in die Puschen,
ohne jeden Raumgewinn, aber plötzlich knallt der Korken. Ein trockener Zauberpass, kurz
abgelegt – Kingeling. Absolut chancenlos gegen die Paradekicker. Wir treffen einmal ins
Schwarze, die Westspanier dreimal. Werden von der Presse mit Genuss pulverisiert.
´Hampelmann-Truppe´, ´Arbeitsverweigerer´, oder, mit Abstand die beste Nummer:
´werbevertragdekorierte Hohlkörper´.
Verhandlung
Jungnikel als Mannschaftskapitän erklärt die Lage. Renato geht allen auf den Keks, Weichei mit
Plüschohren und Diplombremser. Kuhnke hält dagegen. Renato hängt erstens durch, weil er nicht
fit ist und, zweitens, weil wir alle gegen ihn spielen, das sieht jeder, der nicht völlig blind ist.
Tödliche Mischung auch für den besten Kicker. Renato ist nicht der ´beste Kicker´, kontert
Jungnikel. ´Immer noch besser als Sie Stolperfußballer´, schnauzt Kuhnke. Kragenweite 56.
Abgang Jungnikel, gleiche Kragenweite. Hat keine Lust sich den Arsch aufzureißen, während
andere in der Nase bohren. Kuhnke fängt sich wieder ein und erklärt mir, dass Renato ab sofort
ein spezielles Fitnesstraining an der Backe hat. Dafür lässt die Mannschaft ihn anschließend
wieder mitspielen. Wenn nicht, dann rollen Köpfe.
Bezahlter Urlaub
Renato fehlt, angeblich mit Jansen im Schwarzwald. Ist der Doppelbelastung durch erste und
zweite Halbzeit nicht mehr gewachsen, sagt Pancic. Trotzdem Totentanz im Team, alle hängen
24
durch. Mertesacker steht auf der Abschussrampe, erklären sämtliche Zentralorgane
übereinstimmend. Wenn wir den alten Strategen loswerden wollen, brauchen wir nur das nächste
Match zu vergeigen. Für etliche im Team ein magnetischer Gedanke, vor allem für unsere
Alterspräsidenten. Das neue Gemüse ist unentschieden. Bis eine Stunde vor Anpfiff gegen Köln
ist unklar, wohin die Kugel rollt. Urplötzlich steht Kuhnke in der Kabine und erklärt: „Wer heute
gegen den Trainer spielt, darf sich mit sofortiger Wirkung als Reservist betrachten, mit allen
Konsequenzen. Aktionen gegen clubinterne Funktionsträger werden nicht im Ansatz toleriert.
Über Trainerentlassungen bestimmt allein die Führungsriege. Kickende Angestellte sind bei der
Sache außen vor“. O-Ton Ende. Betretenes Schweigen in der Runde, keiner kriegt die Zähne
gelüftet. Anschließend 45 Minuten Verhüterli-Fußball ohne Höhepunkte auf beiden Seiten. Die
Karneval-Connection hatte mit einem echten Feuerwerk gerechnet. Absolute Fehlanzeige. Drei
Auswechselungen zur Pause, volles Risiko. Auch Jungnikel darf duschen gehen. Mertesacker
drückt mir (!) die Kapitänsbinde in die Hand, aber keiner mault, im Gegenteil, zum ersten Mal
dumme Kommentare und Gelächter seit Beginn der Saison. Wir räumen 2:0 ab, mit Glück und
meinem ersten Kopfballtor als Kapitän. ´Wachablösung´ und ´Nachwuchs nutzt seine Chance´
erklären die Medien. Es lebe die Leichtigkeit des Erklärens.
Oktober
Trotz voller Punktzahl keine Ruhe im Rudel. Kuhnke und Mertesacker sortieren fünf Mann aus,
auch Jungnikel. Rückversetzung zu den Amateuren, weniger Asche und Top-Platzierung auf der
Transferliste. Weihnachten für die Meinungsmacher. Einige fordern Ackers Rübe, von anderen
gibt´s Viagra. Sieht fast so aus, als hätten sich die Herrschaften auf ein 50:50 geeinigt, um die
Sache möglichst lange am Kochen zu halten. Der neue Kapitän soll den ganzen Quatsch
ausführlich kommentieren, aber der Verein verteilt Maulkörbe für alle, zum Glück. Kuhnke und
Gersch übernehmen die Meute. Kein Problem. Gersch plaudert den Herrschaften Knöpfe an die
Backe.
Beruhigung
Unser Schwarzwald-Mädel schlägt wieder auf, rank und schlank wie eine Tanne, beweglich,
handzahm und so, als hätte nie was gebrannt. Jansen sieht geknittert aus, gibt aber null
Kommentar zum Familienausflug. Dafür schwingt unsere Primadonna wacker die Hufe. Erster
Auftritt in München und zwei volle Assist-Punkte. Wir 3, Bayern 0. Fette Sensation. Alles wieder
Bienenstich. Sind allerdings gespannt, wie lange unser Schokoriegel dieses Mal ohne Filmriss
durchhält. Sind kurzfristig aus der Schusslinie, Mertesacker bleibt, und die Medien foltern zwei
Teams im Süden, die nicht da stehen, wo sie sollten. Gut für uns.
Döner-Cup
Ab nach Moldawien. Von wegen Geographieunterricht live. Hin- und Rückflug bei totalem
Sauwetter. 08/15 Hotel und außer der Route Flughafen – Hotel und zurück null Eindrücke von
Land und Leuten. Dafür geht´s im Stadion rustikal zur Sache. ´Die sind schlimmer als spanische
Kampfstiere zur Paarungszeit´, knurrt Pancic. Zur Halbzeit ein Jochbeinbruch plus Schädel-HirnTrauma. Sechsmal ´gelb´ und einmal ´rot´ für die Amokläufer, aber ohne jede erzieherische
Wirkung. Spielen auch im zweiten Durchgang weiter Kung-Fu. Renato wird direkt nach Anpfiff
vom Platz getragen, hat einen kompletten Schuhabdruck (Größe 47) mit 6 Stollen zwischen den
Schulterblättern. Gegen neun Totengräber am Ende ein blutiges 0:0. Döner-Cup, nee Danke. Bin
froh, dass ich überlebt habe.
Rückspiel
Die Bude ist rappelvoll. Unsere Leute kochen, 0:0 und zwei Langzeitverletzte. Keine gelungene
Dienstreise. Unsere brasilianische Perle hat sich vom Attentat leider super erholt. Die zwanzig
angereisten Fans aus Mittelost stecken unter Polizeiaufsicht in einem gesonderten Käfig auf der
Gegentribüne, zu ihrer eigenen Sicherheit. Jeder Moldawier, der den Ball berührt, wird gnadenlos
ausgepfiffen, rund um die Uhr. Die Rottweiler zeigen Nerven, treten nur halb so viel und fangen
sich gleich nach zehn Minuten ´rot´ für einen Kindergartenschubser, nur damit keine
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Unklarheiten aufkommen. Danach gehen die Kampfstiere auf Schmusekurs und total unter,
fangen sich sechs Einschläge und sind damit noch gut bedient. Renato mischt die Truppe fast im
Alleingang auf, und schlägt dreimal zu. Wenn der Knabe durchhält, gibt´s jede Menge
Gummipunkte.
November / Crashtest
Nasse Fahrbahn, Situation falsch eingeschätzt und schon liegt mein Führerscheinkiller, Achse
oben, in der Botanik. Hybridschrott, Prellungen, Gehirnerschütterung und zwei Tage
Krankenhaus. Die Typen von der Feuerwehr sagen, mit einem Billighobel säße ich jetzt auf
Wolke 7, und würde ´Hosianna´ singen. Die Bullerei stellt überhöhte Geschwindigkeit fest, ca.
140 (erlaubt 80), allerdings ohne Alkoholeinfluss und Personenschäden. Schwein gehabt. Den
Führerschein haben die Ordnungshüter gleich an Ort und Stelle abgegriffen.
Elgard erscheint als erster auf der Station und langt mit ohne Vorwarnung voll eine rein. Ist
mindestens auf 180. Ob ich noch ganz dicht wäre und so? Ich bin Fußballer und kein
Formeldoof-Pilot. Selbstmörder und Imagekiller sind absolut nicht sein Ding. Noch so einen
dämlichen Stunt und ich kann mir einen neuen Manager suchen.
Fußgänger
Darf tippeln. Elgard hat mit Taxiunternehmen Pauschale ausgehandelt, transportiert mich
zwischen Verein und Hütte hin und her. Die längeren Sachen erledigt Elgard persönlich oder
Reufels. Bus und Straßenbahn sind außen vor. Gäbe ein nettes Hallo mit mir an der Haltestelle.
Könnte am Ende ohne Unterhose dastehen. Fans haben inzwischen ihre eigenen Vorstellungen
von Kult. Und mit dem Tretesel durch die Pampa ist auch kein Hit. Die Taxileute kommen ganz
hübsch auf Kilometer.
Dezember
Meisterschaft läuft, wir mischen oben mit. Auswärts geht der Punk ab. Gewinnen in Berlin,
Nürnberg und Hamburg. In Bremen der absolute Hype. Kopfball fast von der Strafraumgrenze in
den linken oberen Knick. Keine Chance für den Segelflieger. Wird zwei Wochen später ´Tor des
Monats´, knapp vor einem doppelten Querschläger aus Liga 3. Kriege eine kleine Medaille in die
Hand gedrückt inklusive Interview mit dämlichen Fragen: ´ob man solche Kopfbälle üben kann´,
´wie man sich nach so einem Treffer fühlt´, ´ob ich noch mehr von solchen Toren auf Lager
hätte´, und ´ob solche Tore mit der Mannschaft einstudiert sind?´ - ´Ich grüße meine Eltern,
besonders meine Mama und meinen Papa.´ - habe ich mir zum Glück verkniffen. Elgard hätte mir
den Kopf abgerissen.
Lappen futsch
Die Verhandlung ist kurz und knackig. Der Henker vorne kennt kein Pardon, macht ihm
wahrscheinlich Spaß, im Namen des Volkes auch mal einen Promi verknacken zu dürfen.
Heizkekse wie ich haben auf öffentlichen Straßen nichts verloren: Führerscheinentzug für zwölf
Monate, 15.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation, Nachschulung inklusive Idiotentest.
Und falls innerhalb von zwei Jahren nach Wiederbelebung der Fahrerlaubnis der nächste Stunt
kommt, dann ist die Fleppe noch länger in Kur. Elgard grinst. Das Sackgesicht hätte am liebsten
Beifall geklatscht. Aber alles halb so wild, sagt der alte Schwede, ich hätte mir ja auch den Fuß
verstauchen können.
Nadelkissen
Statt Fuss, Probleme mit der Leiste, einfach so, von jetzt auf gleich, ohne jede Vorwarnung. Nicht
schlimm, aber Stiche bei jeder Bewegung. Blödes Gefühl. Unsere Physio-Leute sagen, kaum was
zu machen, Wärme, ruhig stellen und abwarten. Trotzdem, Professor Schneider perforiert meinen
Hintern. Training fällt flach und vor dem nächsten Match gibt´s noch mehr Nadeln.
Idiotenschule
Nackter Funktionsbau, Schulatmo, tolles Publikum. Jeder muss am Anfang direkt schildern, was
er versaubeutelt hat und wie. Hocke zwischen einigen verkehrstechnischen Schwerverbrechern,
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Dipl. Alkis und völlig verstrahlten Rasern. Die meisten sind Wiederholungstäter. Ich bin der
absolute Bagatellfall. Anschließend erklärt ein Seelendoktor den Ablauf der Veranstaltung. Wir
sollen unser Bewusstsein schärfen, unsere Fehler erkennen, Konsequenzen für uns und andere
einschätzen lernen und so weiter. Kommunionsunterricht für Heizkekse und Spriteulen, einsame
Klasse. Werde natürlich begafft wie ein bunter Affe, ein Fußballprofi in der offenen Klapsmühle,
die Herrschaften haben zu Hause ordentlich was zu erzählen. Leider ist die Teilnahme an der
Veranstaltung, inklusive Prüfung, Pflicht, sonst bleibt der Lappen auf Dauer in Urlaub.
Exitus
Döner-Cup, zweite Runde, Genua, nagelneues Station. Das alte war von sintflutartigen
Regenfällen ins Meer gespült worden. Einweihung durch den Papst, dann 1:2 vergeigt. Rückspiel
1:1. Hätte mehr Gas geben können aber die blöde Leiste macht gnadenlos Theater. Keine Chance
mehr, mich richtig zu bewegen, und die Spritzen wirken nur bedingt. Werde zu Hause
ausgewechselt. Danach ist Feierabend im Viereck. Renato dribbelt sich an den Eckfahnen fest
und Islop, unser 2-Meter-Rastamann, greift voll ins Klo und schaufelt sich eine bessere Rückgabe
selbst über die Linie. Applaus, Applaus. Acker und Kuhnke sind restlos begeistert.
OK, OP
Nichts geht mehr, absolute Leistungszerrung. Das Ding muss geflickt werden. Keine große
Sache, sagt der Operateur, reine Routine. Wenn alles glatt läuft, stehe ich in 14 Tagen wieder auf
dem Rasen und zwar ohne Zwicken. Mama rotiert, Operationen sind immer Risiko. Papa sieht die
Sache total entspannt. Von seinen Kumpels ist fast jeder Zweite an der Leiste operiert, und allen
geht´s besser als vorher.
Lockere OP. Spritze, Narkose, aufwachen und am Nachmittag schon wieder auf den Beinen. Die
Narbe links unten am Bauch ist kaum der Rede wert. Muss drei Tage zur Beobachtung bleiben,
falls sich Komplikationen einstellen sollten. Bekomme schubkarrenweise Post und könnte zwei
Blumengroßhandlungen eröffnen. Nett gemeint, aber die Hirnis hätten den Schotter für den
Schrebergarten besser dem Roten Kreuz oder so gespendet. Hier geht alles ans Personal und ab in
die Hauskapelle. Elgard inspiziert meine Schwestern der Reihe nach und ist zufrieden. Alle
ungefährlich, entweder hässlich oder zu alt, oder beides.
Freudenfest
Hänge abwechselnd zu Hause ab oder in der Reha. Viel ist nicht drin, darf die Leiste nicht
belasten, nur leichte Bewegungsübungen. Insgesamt vier minus. Zum Glück fällt auch der
Idiotenkurs flach, bin ja schließlich attestierter Invalide. Den nötigen Stoff darf ich zu Hause
nacharbeiten, genau so wie die ganze Berufsschulkacke.
Verpasse das EM Spiel gegen Malta (schlaffes 2:0 für uns) und drei Liga Spiele (nur fünf
Punkte). Bin der absolute Gewinner aller Partien. ´Ohne den etatmäßigen Staubsauger´, melden
die Zentralorgane, ´läuft wenig bis nichts´. Auch als Krüppel kann man seinen Marktwert
steigern, sagt Elgard.
Zwei Tage Weihnachten mit Mama und Papa an der Backe, kotz, würg. Sollte abgeschafft
werden, diese Familienfestspiele. Verschenke Gutscheine und kriege Fotoalbum mit
Familienbildchen geschenkt. Absolut prickelnd.
2030
Januar
Nach knapp 14 Tagen federleichtes Lauftraining. Der ganze Bewegungsapparat ist total
eingerostet, hat sich ans Chillen verdammt schnell gewöhnt. Ansonsten Heimtrainer und pro Tag
einmal rund um den Globus gestrampelt, um Muskelmasse aufzubauen. Soll auf keinen Fall zu
früh und schlecht vorbereitet auflaufen. Würde Körper und Image schaden, sagt Elgard. Werde
das Gefühl nicht los, dass der alte Knabe mich immer mehr an die Kette legt.
Mannschafts- und Spieltraining nach 21 Tagen. Sprünge sind okay, bei Landungen gibt´s miese
Stiche im OP-Bereich. Mertesacker hofft, dass ich am kommenden Samstag mit auflaufe, wenn
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möglich von Anfang an. Unsere Medizinmänner sind noch unschlüssig, Elgard winkt ab. Halb fit
ist fast kaputt.
Papa weg
Mama ruft an. Papa macht Stress. Liegt veilchenblau auf Intensiv, hochgradige
Alkoholvergiftung. War abzusehen, Papa und seine Freunde schädeln zu viel ab, auch ohne
Anlass, einfach so. Dr. Schlich, Papas Doc, empfiehlt Trockendock, ansonsten könnte es heikel
werden für meinen Erzeuger, alleine kommt die Flasche nicht mehr weg von der Flasche.
Wunderbare Nachrichten. Kriegen die Medien mit, dass mein Alter Diplom-Alki ist, gibt´s Spaß
im Quadrat. Mama will den Ball auf jeden flach halten, schon wegen der Nachbarschaft. Muss ja
nicht an die große Glocke, dass sie einen Getränkehandel geheiratet hat. Das einzig Positive: wir
putzen Schottland 1:0. Der Liebe Gott ist kein Highlander. Spielanteile 60:40 für die
Whiskeytruppe, 9:2 Ecken, 8:1 Torchancen aber 0:1 vergeigt, dämliches Eigentor fünf Minuten
vor Toreschluss. Spielergebnisse kommen nicht durch Statistik und Gerechtigkeit zustande. Die
Dudelsack-Fans verwandeln anschließend das frisch renovierte Hamburger Stadion in einen
Rohbau.
Februar
Mertesacker krempelt meinetwegen unser System um, falls wir in den letzten Wochen überhaupt
eins hatten. Ich mime den Libero, kann Pausen machen und muss nicht gleich in hohe
Drehzahlbereiche. Die Truppe zieht mit und Freiburg wird in der eigenen Laube abgekocht, 3:1
für uns. Mache keinen Schritt über die Mittellinie und darf kurz vor der Schlusssirene meinen
Arbeitsplatz verlassen. Kompression auf Zero, beweglich wie ´n Stück Dachpappe, aber die
Leiste hält. Hauptsache ich bin wieder dabei, sagt Mertesacker, gibt der Truppe Halt. Super,
komme mir vor wie ´n BH.
Tamtam
Mini-Trainingslager. Klopp trommelt seine Schäfchen zusammen und ich bin dabei. Soll in
Tallinn unbedingt auflaufen. Kuhnke probt den Aufstand, will auf keinen Fall, dass ich auch nur
einen einzigen Meter für den Bekloppten abspule. Werde vom Brötchengeber geschont und soll
quasi für lau und nationales Prestige meine vereinseigene Gesundheit riskieren. Geht die Sache
schief, will Kuhnke den Verband auf Schadenersatz verklagen. Im Gespräch sind glatte 100
Millionen. Bei meinem aktuellen Gewicht sind das knapp 1,2 Millionen pro Kilo.
Schweineschnitzel ist deutlich billiger. – Die Volksseele kocht, Kuhnke wird von den
Zentralorganen an die Wand getackert: ´Fehlgeleiteter Egoist´, ´Auswanderungskandidat´, etc.
Der Bundespräses persönlich tritt auf die Bremse und verhindert die zweite Deutsche Spaltung.
Klopp hat satten Rückenwind: ich muss ran, wenn wir den EM-Zug noch erwischen wollen.
Kuhnke legt sofort nach und erklärt Klopp für ´teilweise unzurechnungsfähig´. Die
Verbandsbosse winken mit einer fetten Beleidigungsklage, Klopp winkt locker ab. War lange
genug Vereinstrainer und weiß, wo die Sandale drückt. Allerdings, so lange das
Nationalensemble existiert, sind die Prioritäten klar verteilt. Wer als Clubmanager oder Trainer
keine Nationalmannschaft mehr will, sagt der Klopp, soll das laut und deutlich anmelden, ´falls er
den Arsch dazu in der Hose hat´. Ansonsten ist die ständige Kritik an der Nationalelf geistige
Kleingärtnerei. Basta.
Notnagel
Druck von allen Seiten. Kuhnke würde mich am liebsten in Frischhaltefolie einschweißen, Klopp
hetzt mir seine Medizinmänner auf den Hals und die Presse eiert rum: ´der Einsatz wäre
wünschenswert, aber letztendlich müssten die Heilkünstler und ich selbst über eine Starterlaubnis
entscheiden´. Alles Mumpitz, sagt Elgard, die Spielkritiken sind schon längst geschrieben. Wenn
wir gewinnen, war jede Maßnahme richtig, wenn wir vergeigen, lag´s entweder an meiner
mangelnden Fitness oder meiner Abwesenheit.
Einigen uns letztendlich auf einen Kompromiss. Bin als Stand-by-Player mit von der Partie, für
den absoluten Notfall. Hocke mit zwei satten Spritzen im Hintern auf der Reservebank, direkt
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neben Klopp, d.h. ich habe im Prinzip zwei Plätze, denn der Wahnsinnige spielt in seiner
Coaching-Zone voll mit, tritt um sich, springt hoch und grätscht. Bewegt sich mehr als die Hälfte
der Truppe vor ihm auf dem Rasen. Absolut müdes Gekicke, - von wegen Schicksalsspiel. Sieht
aus wie ein Meeting von Schlafwagenkontrolleuren. 0:0 zur Halbzeit, nur Rahmanis Frisur ist in
Unordnung. Kein Wunder, Querschläger aus drei Metern voll an die Omme gekriegt.
Anschließend fünf Minuten Wiederbelebungsversuche. Klopp macht den Lautsprecher im
Kabinentrakt und tritt seinen Volksvertretern gehörig in den Arsch. Sollen daran denken, dass zu
Hause knapp 50 Millionen vor der Glotze hängen, die alle zur EM wollen. Wolter, heute völlig
neben der Kappe, muss in die Badewanne, ich aufs Feld. Herzlichen Glühstrumpf. Geht genau 20
Minuten gut, dann zwickt die Leiste. Muss zwei Gänge zurückschalten und durchhalten, Klopp
hat sein Auswechselkontingent voll verbraten. Schöne Scheiße. Hänge als Statist im Mittelkreis
ab. Kann mir lebhaft vorstellen, wie Kuhnke in seinem Fernsehsessel rotiert. Die Krönung kommt
vier Minuten vor Schluss: Abseitsfalle geht schief, Reckermann semmelt den Neuner um, aber
der Zehner schiebt die Murmel im Nachfassen lässig über die Linie. Nachträglich roter Katong
für Reckermann und 0:1. Glückwunsch.
Kommen als Team komplett in den Reißwolf. Klopp spielt den Blitzableiter und nimmt die
Verantwortung für meinen Einsatz voll auf seine Kappe. Noch mal zwei Wochen Pause und
Reha. Kuhnke und Acker laufen vor Begeisterung 800 Meter Amok, und unser brauner
Ballzauberer fragt im Interview mit einer bekannten Fachzeitschrift lässig: ´Wer baut mehr
Scheiße für Mannschaft, die große kranke Mann oder Renato´? Könnte den Arrogantarsch mit
einem nassen Topflappen erschlagen.
März / April
Papa wird für glatte drei Monate weggeschlossen. Darf in den ersten vier Woche nicht nach
Hause, dann nach Maßgabe der Ärzte, sagt Mama. Wer danach mit Sprit im Kopp im Heim
aufschlägt, fliegt sofort raus, auch jeder, der zwischendurch einen abtankt. Jeden Abend wird
gepustet und morgens auch, im Verdachtsfall Blutspende. Habe mit Papa telefoniert. Geht ihm
gut, die Leute sind konsequent, aber nett, und er will durchhalten. Hat mir hoch und heilig
versprochen, nach der Trockenlegung clean zu bleiben, alleine schon Mama zuliebe. Super, aber
zuerst mal muss der alte Spritvernichter abgestillt werden.
Teilzeit
Einstand mit Kurzeinsätzen. Nur keine Rückfälle. Schnuppern an den Champions-League Plätzen
2 oder 3. Könnte klappen, wenn wir in Tritt bleiben. 13 Punkte aus den letzten sechs Spielen,
aber die dicken Brocken kommen noch, München (H), Gladbach (A), Hoffenheim (H). Die
zusätzlichen Euros wären dringend nötig, behauptet Kuhnke und verkündet fetten Bonus für die
Quali. Wie viel das genau wäre will Pancic wissen, in Euro und Cent. Kuhnke weicht aus.
Darüber müsste letztendlich der Aufsichtsrat entscheiden. Soll er, sagt Pancic, aber, bitteschön
noch vor Saisonende.
April
Die Schweden-Quali liegt in den letzten Zuckungen. Portugal ist durch, Italien und wir dümpeln
punktgleich dahinter. Die Spagettis haben das bessere Torverhältnis und kicken in Turin gegen
Malta, wir dürfen nach Porto. Anschließend wir gegen Italien in München. High Noon, falls wir
nicht schon vorher in Portugal die Grätsche machen. Die Wetten in England stehen 18:1 gegen
uns. Wir proben Standardsituationen bis zum Erbrechen, Abwehr von Ecken und Freistöße und
Abseitsfalle. Die Standards müssen stimmen, spielerisch sind wir gegen beide Teams eigentlich
nur Fallobst.
Porto
Bin von Anfang an dabei, als Räumpanzer im defensiven Mittelfeld. Alter Hut aber gnadenlos
effektiv. Dabei - sämtliche Zentralorgane zu Hause hatten uns vorsichtshalber tot kommentiert.
´Mannschaft ohne Charakter´, ´Trainer ohne Plan´, ´Spieler ohne Ambitionen, abgesehen von
Mädels, fetten Schlitten, Feten und Kohle´ - das volle Programm. Zum Glück sind die
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Portugiesen satt und freundlich. Spielen Rasenschach und produzieren jede Menge
Kabinettstückchen, auch der Keeper. Versucht mich am Elfmeterpunkt auszuspielen. Geht voll in
die Hose, brauche die Kugel nur noch zu versenken. Das Publikum brüllt geschlossen ´Olé´ und
klatscht heftig Beifall. Verneige mich wie ein Torero und der Laden tobt. Absolut schräge
Nummer. Nach einer Stunde drehen die Halbspanier auf und zeigen, warum sie die Gruppe
jederzeit im Griff hatten. Zehn Minuten Ballzauber, 1:1, und dann drei Gänge zurück. Die
Spagettis versenken Malta 5:1, und rangieren mit zwei Punkten und acht Toren vor uns in der
Tabelle. ´Brauchen für die Quali mindestens ein Unentschieden mit 8 Toren Unterschied´,
schreibt ein Spaßvogel von der enttäuschten Heimatfront.
Mai
Drei Tage vor der Schicksalsschlacht zum Idiotentest. Das Prüfpersonal ist bemüht, meine
Nerven zu schonen. Mit einem Sieg fahren wir zu EM, jedes andere Ergebnis würde die Nation
auf den Stand von 300 vor Chr. zurückwerfen. Deswegen dominieren an der Heimatfront die
Berufsoptimisten, Kloppo wird das Kind schon schaukeln. Vollspinner. Die Pizzabäcker sind
klare Favoriten, fast auf jeder Position besser besetzt als wir, insgesamt variabler, cooler und
brutaler, vor allem in der Abwehr. Die Stiefelkicker haben in neun Spielen nur zwei Dinger
kassiert, wir haben den Schnitt pro Spiel eingefahren. Und die Vorwärtsabteilung ist
Sonderklasse. Lucca, die Neun, (Europas aktueller ´Kicker des Jahres´) macht aus jedem Dreck
Tore. Den Knaben stoppt auf Dauer nur ein Beinbruch. Allerdings hatten die Jungs zwei derbe
Aussetzer gegen Portugal, haben sich zweimal durch ihre eigene Überheblichkeit selbst
abserviert.
Der Idiotentest läuft glatt durch. Die Fragen sind zum Glück bekannt, die Antworten auch, mir
jedenfalls. Einige von den Spritis haben trotzdem satte Probleme, geben auf und bleiben
Fußgänger. Vielleicht auch besser so.
Italien
Echtes Finale, wir müssen gewinnen, den alten Römer reicht jedes Unentschieden. Entsprechende
Spielanlage: sechs Mann hinten auf einer Linie als lebende Mauer, drei Mann davor als
Flüssigbeton und Lucca als Alleinunterhalter vorne drin. Macht totalen Spaß. Operieren mit
´kontrollierter Offensive´, um keine dämlichen Konter zu fangen. Ich murkse hinter den Spitzen
mit allen Freiheiten, theoretisch gesehen. Praktisch steht überall, wo ich auftauche, mindestens
eine Maccaroni mit auf der Piste. Total abgekochte Typen. Wolter neben mir geht auf
Tauchstation und Rahmani als Knipser wird systematisch geplättet. Jeder Abwehritaliener schlägt
ein Mal zu, im Minutentakt. Nach einer Stunde schleicht Rahmani weich geklopft vom Acker.
Hat die Mafia-Kicker vier gelbe Karten und uns zehn Minuten reale Spielzeit gekostet,
mindestens. Alles Schauspieler und Alleinunterhalter.
Klopp wechselt, bringt einen Mittelfeldmann, stellt mich auf den Elfmeterpunkt und ordert lange
Bälle. Schönheitspreise werden nicht vergeben. Bin ständig umringt von mindestens zwei
Totschlägern, die eher ein Kapitalverbrechen begehen als sich ins Kino schicken zu lassen.
Verzichte auf alle Schnörkel und befördere jeden Ball, den ich erwische, direkt Richtung Tor.
Sechsmal mit Tendenz Eckfahne, aber Versuch Nummer sieben hat Erfolg, genau zwei Minuten
vor Ultimo. Die Murmel pfeift über meinem Haaransatz, kullert dem Sicherheitschef durch die
Hosenträger und bleibt drei Zentimeter hinter der Torlinie liegen. Die Mafia-Truppe kesselt den
Schiri ein, verlangt Berufung und Revision und verliert ihren Kapitän. Danach spielen die Irren
für knapp fünf Minuten richtigen Fußball. Zwei Kracher landen am Aluminium, Wolter grätscht
ein Ding von der Linie, zwei Pizzabäcker heben im Sechzehner ab, um Elfer zu schinden. Der
Schiri ist total angefressen und schickt beide Herrschaften duschen. Starke Leistung. Danach
nacktes Survival-Training. Wir, komplett, gegen acht überhitzte Maccaronis, außen stabil, innen
hohl. Trotzdem knallhart. Zum Glück kommt der Gong bevor es Tote gibt. Qualifiziert, im
Namen des Volkes, Amen. Wir fahren nach Schweden, im Mutterland der Pizza brennt die Hütte.
Der Coach wird noch vor der Pressekonferenz offiziell gefeuert, fünf Spieler erklären ihren
sofortigen Rücktritt von allen Ehrenämtern, die Umkleide kann von Grund auf renoviert werden.
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Der Rücktransport nach Bella Italia findet bei Nacht und Nebel statt, vier Maschinen fliegen zu
vier verschiedenen Zielen, um zu verhindern, dass Kicker und Trainer in die Hände ihrer Fans
fallen. Luccas Anwesen in der Toscana geht eine Stunde nach Abpfiff in Flammen auf. Frau und
zwei kleine Kinder können von Feuerwehr und Polizei in letzter Sekunde gerettet werden.
Wir sind augenblicklich Helden, typisch deutsche Helden - immer dann voll da, wenn´s ernst
wird. Klopp, der Planlose, steigt in den engeren Kreis der heimischen Fußball-Götter auf, in
Sichtweite zu Herberger, Beckenbauer und Yogi. Aus mir wird kein Gott, aber immerhin ´der
Retter einer gebeutelten Nation´ (Süßdeutsche Zeitung). Den Spruch hat auch nicht jeder in
seinem Partykeller hängen.
Werbung
Begeisterung auch in der Wirtschaft. Elgard macht zwei stramme Werbeverträge klar, a) für
Milch, Joghurt und Käse aus ´Bio-Land´ (keine Ahnung wo das liegt), b) für einen fetten
Paketdienst. Ich flitze in Firmenklamotten durch irgendwelche Hochhausschluchten in Frankfurt
und kicke Pakete durch offene Türen und Fenster, bis in den 30. Stock, genau auf den richtigen
Schreibtisch. Ein Schuss geht daneben und knickt eine Vase voll mit Rosen. Die hübsche
Sekretärin ist den Tränen nahe, aber ich kicke dieselbe Vase mit einem noch schöneren Strauß
direkt hinterher. Das Mädel strahlt. ´Express-Service mit dem besonderen Kick´. Die Leute
finden das Ganze witzig. Ich kriege ein Schweinegeld für zwei Drehtage und muss nicht mal nach
Frankfurt, alles Studioklamotte in Hamburg. Die flotte Sekretärin war leider drei Tage vor mir am
Set.
Juni
Vereinsmäßig alles noch knapp im grünen Bereich. Unsere Kokosnuss hält durch, der Rest zieht
mit, wir laden punktgenau auf Platz 4. Treffe als Mittelfeldheini achtzehn Mal ins Schwarze,
einmal zu wenig für die Torjäger-Kanone. Dürfen durch die Champions-League-Quali. Noch
mehr Spiele, noch mehr auf die Socken. Außerdem droht Schweden. Wird mit Sicherheit kein
Zuckerschlecken. Drei Wochen Sonne, Strand und Meer ohne das Runde kämen wesentlich
besser. Augen zu und durch, sagt Elgard. Die Veranstaltung könnte meinen Marktwert erheblich
steigern.
Juli / August
Geballter Wahnsinn von Flensburg bis Oberammergau. Wir gehören zum engsten Favoritenkreis,
sind quasi schon Europameister, alles reine Formsache, laut Presse. Überall weht Schwarz-RotSenf, Autos ohne Wimpel kriegen keinen TÜV und der Bundespräsident tippt auf ein Endspiel
Deutschland gegen England, dabei sind die Inselaffen gar nicht mit von der Partie. Egal.
Berichtet wird über jeden Dreck: Mannschaftsaufstellungen, taktische Varianten,
Stammpositionen und Prämien, Spielerfrauen, Frisörtermine, das Klima in Schweden, unser
Quartier und die beiden Trainingsplätze, die angeblich Rumpeläcker sein sollen. Fußball ist
wieder voll da, eine Witznummer gegen Italien hat gereicht. Kollektiver Realitätsverlust in den
Medien, sagt Elgard, wie immer, wenn irgendein Germane, egal ob im Stabhochsprung oder
Biathlon, halbwegs brauchbare Leistungen abliefert. Dabei ist Fußball mehr Lotterie als sonst
was, sollte sich allmählich rumgesprochen haben. Wäre mein letzter Ball in den
Maccaronifingern hängen geblieben, wäre jetzt landesweit Totentanz. Traue mich im Moment
nicht mal Brötchen zu kaufen, würde die Bäckerei nicht lebend verlassen.
Smörebröd
Das Quartier ist erste Sahne und die Trainingsplätze auch, feinster schwedischer Rasen, ohne
Löcher und Furchen. Von der Hotelterrasse hat man einen absolut geilen Blick auf die Ostsee.
Wind pfeift um alle Ecken und macht die Sache erträglich. Die Wetterfrösche sprechen vom
heißesten Sommer in Europa seit Beginn der Temperaturmessungen. Zu Hause schleichen
Hitzschlag und Sonnenstich durchs Land. Mama sagt, in unserer Nachbarschaft viermal
Kreislaufkollaps in drei Tagen, alles nicht mehr normal. Die Jungs im Straßen- und Hochbau
haben offiziell hitzefrei und kassieren Schlechtwettergeld (!). In den Krankenhäusern stapeln sich
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die Heißgekochten und der halbe Bayerische Wald fackelt ab wegen einer weggeworfenen Kippe.
Mehrere Etappen der Tour de France werden geknickt, nicht wegen der Piloten, sondern weil der
Asphalt auf den Straßen flüssig geworden ist. Und in Wimbledon toben Flutlichtspiele, weil der
heilige Rasen tagsüber versiegelt wird, damit er nicht verkokelt. - Unsere Vorrundengruppe ist
nicht ´ohne´: Türkei, Frankreich und die Treter aus Moldawien, herzlichen Glühstrumpf.
Taktik
Übernehme den Liberopart, wie abgemacht. Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit
fetten Kommentaren von Rahmani. Steinzeitfußball, Amateurniveau, alles nur destruktiv,
Rahmanis alte Platte. Bringt miese Stimmung ins Team, denn der Knabe ist Leithammel.
Werde im übrigen von einer Zimmerdame de luxe betreut. Heißt Lisa und kommt direkt aus dem
Schwedenkatalog: blonde Haare, blaue Augen, heiße Benutzeroberfläche und ziemlich locker
drauf. Würde ich nicht unbedingt von der Bettkante schubsen.
Am Abend Klopp-Audienz für Rahmani, dem alten Stinkstiefel. Über eine Stunde Palaver. Am
nächsten Morgen ist alles Friede, Freude, Eierkuchen. Rahmani macht auf lustig und zieht im
Training voll mit, ohne irgendwelche blöden Sprüche über Neandertaler und Fußball abzulassen.
Würde gerne wissen, was Klopp dem alten Selbstdarsteller in den Kaffee gekippt hat.
Showtime
Anpfiff, die Türken kommen, schnell, kombinationssicher, bissig, aber nur bis zum Sechzehner,
dann weht heiße Luft. Irgendwer muss denen erzählt haben: ´Strafraum betreten verboten´. Und
bei Schüssen aus der zweiten Reihe wackelt nur die Stadionbeleuchtung. Erlebe einen stressfreien
Abend, kann marschieren und Klopp pfeift mich nicht zurück. Bingo nach der dritten Ecke. Bin
der Längste im Getümmel und wuchte die Murmel per Kopf locker in die Maschen. Zwei
Minuten nach Wiederanpfiff mogelt Wolter den Ball über die Kreide und die Vorstellung ist
gelaufen. Leichte Hysterie, bin der ´Man of the Match´ (trotz meines Rentnerpostens) und unsere
Reporterblase verkündet jedem, der es hören will, man hätte den kommenden Europameister
gesehen. Wenn dem so ist, her mit dem Pott und ab in die Ferien.
Roomservice
Lisa erscheint zum täglichen Großreinemachen. Studiert in Malmö Kunstgeschichte und
Sinologie (Chinesisch) und verdient hier im Hotel das nötige Kleingeld fürs nächste Semester.
Kein billiger Spaß, sagt Lisa. Wie man´s nimmt. Mit der ausgehandelten Prämie für den EM-Titel
könnte ich in Schweden die nächsten dreißig Jahre sorgenfrei studieren. Könnte, wäre aber nicht
mein Fall. Für Lisa absolut normal, kein Problem, nur mächtig teuer. Verabreden uns für 22 Uhr
am Hintereingang. Hoffe, dass wir Kloppo und seinen Schergen irgendwie entwischen können.
Abgang
Verabschiede mich mit Lisas Schlüssel durch den Lieferanteneingang. Heiße Kiste, aber weit und
breit keine Menschenseele, außer Lisa mit ihrem uralten Volvo. Knattern nach außerhalb in
irgendeine obertote Kneipe mit abgetrennten Sitzplätzen, vielen Pflanzen und einheimischem
Publikum. Anschließend runter zum Strand. Sternefunkeln, Strandgeplätscher und so weiter.
Leider haben mindestens 500 andere Romantiker die gleiche Idee gehabt. Mittendrin zehn
Hardcore Typen in unseren Trikots, die mich trotz Dunkelheit und Suff sofort identifizieren.
Können mit Mühe und Not entwischen. Schwein gehabt, aber Ende im Katong. Hoffentlich hat
mich keiner von den Hirnis mit seiner Handycam erwischt. Wäre die absolute Krönung.
Verabreden, bis zum nächsten Match in Deckung zu gehen.
Frankreich
Die Franzosen sind kohlrabenschwarz, kein Bleichgesicht mehr in der Startelf. Nur auf der
Reservebank lungern noch zwei Milchnasen rum. In der amtierenden Regierung, sagt Elgard, ist
kein einziger Farbiger, im Parlament gerade mal vier Prozent. Die nachgedunkelten Gallier
mischen uns lecker auf, kommen über die Flügel und übernehmen die Lufthoheit. Reckermann,
unser Abdichter, hat alle Hände voll zu tun, mir brummt die Rübe. Bis zur Halbzeit geht alles gut.
32
einmal Alu, ein Abseitstreffer, das war´s. Nach 70 Minuten rutscht der Fisch ins Netz. Flanke von
links, Reckermann, ansonsten Mister Zuverlässig, verschläft seinen Auftritt und der kleinste
Mann im Stadion, gerade mal Parkuhrniveau, schafft das erste Kopfballtor seines Lebens.
Glückwunsch. Die Froschmänner machen anschließend hinten dicht und wir bleiben an der
Mittellinie hängen. Klopp wechselt dreimal aus, aber unsere Sturmvögel ziehen keinen Hering
vom Teller. Der Kandidat hat null Punkte. Dumm gelaufen.
Die Medien berichten uneinheitlich. Die Schwarz-Weiß Fraktion schlägt kerzengerade zu:
´Überhebliche Kollektivfußballer´, ´Rückwärtskicker´, etc. Klopp wird gesondert in die Pfanne
gehauen: ´Steinzeitrevoluzzer´, ´Taktik-Opa´. Auf der anderen Seite faseln die ewigen
Titelträumer von ´einem Dämpfer zur rechten Zeit´ und einer ´pädagogisch heilsamen
Niederlage´. Jeder saugt sich das aus den Fingern, was er braucht, sagt Elgard.
Roomservice 2
Lisa ist plötzlich schlappe 40 Jahre älter, 30 Kilo schwerer und so hübsch wie ´ne Klobürste.
Außerdem versteht die Dame weder Englisch noch Deutsch, stammt aus irgendeiner Steppe und
heißt Ludmilla. Schichtwechsel? Wenn ich nach Lisa frage, deutet die Granate konsequent auf
die neuen Handtücher. Wahrscheinlich heißt ´Lisa´ in ihrer Sprache ´Handtuch´, oder so. Schöne
Scheiße. Beschwere mich über die Programmänderung bei der Hotelleitung. Ernte ein
freundliches Lächeln und den Hinweis, dass Fräulein Sörensen wegen eines plötzlichen
Trauerfalles in der Familie den Dienst quittieren musste. Schöner Trauerfall. Im Übrigen, fährt
der Management-Fuzzi ungefragt fort, sei der gesamte Hotelkomplex diskret und in drei Kreisen
durch Infrarotkameras gesichert, selbstverständlich auch nachts und besonders in den
rückwärtigen Bereichen. Arschgesicht. Trotzdem, danke für den Hinweis.
Moldawien
Match für Mathematiker. Wenn die Türken Frankreich abledern, haben beide Teams sechs
Punkte. In diesem Fall bräuchten wir einen satten Sieg gegen Moldawien. Vergeigen die Türken,
reicht ein Unentschieden. Für uns also Endspiel, für die Schwarzmeer-Trampeltiere
Totensonntag. Haben beide Spiele vorher glatt verstolpert und kicken um die silberne Ananas.
Spielerisch keine runde Truppe und gegen die Camemberts zwei Verteidiger mit ´rot´ innerhalb
von zwei Minuten losgeworden. Neuer EM Rekord.
Klopp erklärt vor dem Match klar und deutlich was uns blüht, wenn wir heute den Abgang
machen. Wäre ungefähr so, als würde der Papst im ´Club Cherie´ erwischt. Wenn wir in der
K.O.-Runde baden gehen, okay, kann passieren, aber in der Vorrunde gegen diese Schmalfilm
King-Kongs aus Moldawien einzuknicken, dürfte der Nation total die Suppe verhageln. Dafür
kassiert jeder von uns zu viel Knete pro Saison, und diese Knete-Debatte hätten wir dann alle an
der Backe, bis zum Abwinken.
Das Referat zeigt Wirkung. Die Jungs in der Frontline setzen ihre Ärsche in Bewegung, machen
einigermaßen Betrieb und nach 20 Minuten ist das Gröbste erledigt, 2:0 für uns. Wolter ist gut
drauf und tanzt die Holzfäller im Alleingang aus. Hat leider nur selten solche Tage. Alte Mimose.
Der Rest ist Formsache. Das Parallelmatch endet 0:0, die Herrschaften vom Bosporus können
ihre Urlaubspläne verwirklichen.
Zur Belohnung gibt´s Nachricht von Lisa, überbracht durch Klopp. Erscheint auf meiner Bude,
grinst noch breiter als sonst und verkündet: ´Überraschung´. Die Sache mit Lisa hätte sich
erledigt. Der BND hätte bei Routinechecks festgestellt, dass man Rahmani, Reckermann und mir
ausgesuchte Edelnutten untergejubelt hat, wahrscheinlich mit der Absicht, uns mental-emotional
intensiv zu beschäftigen und der Mannschaft insgesamt einen fetten Skandal an die Hacken zu
nageln. Egal, wie und weshalb, sagt Klopp, die manipulierten Damen wurden unbürokratisch
entsorgt, bevor die Sache richtig aufkochen konnte. Wäre ja wohl auch in meinem Sinne, meint
Klopp. Schwein gehabt und gute Überwachungskameras. Ganz ehrlich, außer dem Alten hätte ich
keinem die Geschichte abgekauft, nicht mal Elgard.
8tel Finale
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Spanien. Kein günstiger Zeitpunkt für ein Treffen mit den Toreros. In den letzten Jahren immer
ganz vorne mit dabei und im Moment besonders steil drauf. Drei Siege in Folge, 10:1 Tore, die
Abteilung Attacke funktioniert. Bei uns funktioniert alles nur manchmal und dann auch nur halb.
Das Ganze wird dementsprechend nichts für Feinschmecker. Die Sangriafront marschiert, wir
igeln uns ein und treten auf alles, was sich bewegt. Kassieren fünf Mal ´gelb´, aber kein
Gegentor, auch nicht in der Verlängerung. Eckenverhältnis 2:14. Im letzten Durchgang werden
wir bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Waren zum Glück nicht viele.
Das Elfmeterschießen stellt die ganze Sache auf den Kopf. Reckermann hat seine Zimmerdame
vergessen, legt sich quer in die Bude und entschärft gleich die ersten beiden spanischen Granaten,
der dritte Böller kracht unters Tribünendach und Spanien ist keine Turniermannschaft mehr. Die
Toreros verstehen die Welt nicht mehr, einer spuckt mir ins Gesicht und Holwegler fängt sich an
der Bande einen satten Tritt in die 12.
Die auswärtigen Zentralorgane putzen uns total runter: ´Deutsche Panzer zerstören Kunstwerk´,
´Ein Sieger zum Kotzen´ und das größte Schmierenblatt kommt mit der flotten Titelzeile ´Scheiß
Deutschland´. Wird ein klassisches Eigentor. Riesige Stornowelle: schlapp 300.000 Deutsche
knicken ihren Spanienurlaub. Leicht verspekuliert. Und warum der ganze Aufstand? Wer die
Hütte nicht mal aus elf Metern trifft, kann nicht gewinnen und sollte die Klappe halten. An der
Heimatfront steppt natürlich der Bär. Man bescheinigt uns eine ´taktisch einwandfreie Leistung´,
´Diszipliniertes Verhalten´ und Klopp kommt wieder zurück auf seinen Sockel im Olymp der
Fußballscheinheiligen.
4tel Finale
Schweden. Die nächste dankbare Aufgabe. Nichts ist so prickelnd wie ein Alles-oder-Nichts
Match gegen den Veranstalter. 80.000 Wahnsinnige brüllen dich bei jedem Ballkontakt in Grund
und Boden, Fehlpässe der eigenen Leute werden sinnlos bejubelt. Spirek und Rduch, unseren
Babys, geht der Arsch ziemlich auf Grundeis. Klopp macht auf Superbeton, würde am liebsten
zwei Wachtmeister aufstellen, um die Knäckebrots zu nerven. Hinten muss die ´0´ stehen.
Ansonsten bleiben 90 Minuten für einen Sonntagsschuss.
Merkwürdiger Kick. Die Schweden weigern sich, das Spiel zu machen, wir auch. Absoluter
Nichtangriffspakt. Ab der Mittellinie Rückwärtsgang. Nur kein Risiko, reines Pokerspiel ohne
Glücksmomente. Einziger Höhepunkt, eine kurze Catcheinlage zwischen Spirek und einem
Wikinger. Zwei Mal ´rot´, Gong und Unentschieden. Zur Belohnung fetter Wolkenbruch in der
Verlängerung. Wasser fällt am Stück vom Himmel. Innerhalb von fünf Minuten rödeln wir über
eine geschlossene Wasserfläche. Der liebe Gott ist auf unserer Seite, denn wir haben Schuhe mit
Schraubstollen im Gepäck, die Knäckebrots nicht. Künstlerpech. Torkeln rum wie abgefüllte
Maikäfer, für uns Schaulaufen der Meister. Der blau-gelbe Superschnappi verliert jede
Bodenhaftung und spielt Krabbelgruppe. Kassiert innerhalb von 30 Minuten sage und schreibe
vier absolut schräge Dinger, hätten auch zehn sein können. Der patschnasse Mob reißt die
Tribünen ab und fordert Spielabbruch, aber Mister Craig aus Schottland bringt die Partie
gnadenlos zu Ende, trotz Wasser in der Pfeife. Ist bei den Schotten total normal. Der Mann wird
anschließend unter Polizeischutz außer Landes gebracht.
Rendite
Liege flach (Schienbeinprellung kurz vor Schluss, nichts Ernstes, aber zieht wie Sau) und kann in
aller Ruhe die Zentralorgane studieren. Die schwedische Offiziellenriege wird pulverisiert. Zu
dämlich, um den eigenen Wetterbericht zu verfolgen, zu dämlich, um den Löffel in der eigenen
Kaffeetasse zu finden, Schwachmaten, Sonderschüler, Fehlbesetzung und ähnliches. Trainerstab
und Verbandschef treten 24 Stunden nach der Pleite völlig zerbröselt zurück und buchen drei
Monate Grönland. Wir sind selbstverständlich die Übergrößten – Regengötter, Kunstturner und
Ballettratten, und für Klopp gibt´s Lorbeer um den Sockel. Hat nicht nur an Taktik gedacht,
sondern auch an Fußbekleidung, Hut ab. Besonders fett grinst unser Schuhlieferant. Ist
selbstverständlich mit seinen Gehhilfen überall auf Seite eins, rund um den Globus – die
Siegerstiefel! Auch von Katastrophen kann man leben, sagt Elgard.
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Halbfinale
Schweiz. Die Lederhosen haben alles locker vom Hocker gehauen, zuletzt Portugal. Die
schwarzen Perlen und Mitfavoriten wurden flockig mit 4:1 eingetütet. 8:1 wäre auch möglich
gewesen. Auf ihr Nationalteam können sich die Heidis jede Menge einbilden.
Wir erwischen einen Traumstart. Dritte Minute, Flanke von links, die Murmel kullert quer durch
den Strafraum, direkt vor meine Stiefel, man trifft sich, paff – 1:0. Mit die Dummen ist Gott. Das
Lederhosenvolk legt sofort den Schalter um und macht Betrieb. Wir kommen nur noch mit
Abschlägen über die Mittellinie, dahinter beginnt Schweizer Sperrgebiet. Die Jungs vor mir
rotieren, kassieren dreimal ´gelb´, aber die Kiste bleibt sauber. Müssen uns regulär aus der Affäre
ziehen, Unwetter und Schneefall sind nicht angesagt, und wenn – die Bergbewohner haben mit
Sicherheit ihre Bretter dabei. Die Lottofee ist auf unserer Seite, bis zur 82. Minute, dann schaufelt
uns Zurbriggen, ihr Bester, einen Freistoß aus 25 Meter halbhoch in die Maschen. Null Chance
für Reckermann. Verlängerung. Zwei Mal tanzt die Murmel auf unserer Linie Tango, geht aber
nicht rein. Schwein gehabt. Wir schaffen in 30 Minuten einen ganzen Eckball.
Shoot-Out. Wir grinsen, die Alpinisten sind stocksauer, man ahnt, was kommt. Reckermann
kriegt von Lahm einen Spickzettel und marschiert hoch informiert ab in seine Kiste. Der erste
Almöhi läuft an, Reckermann bleibt stehen und hält mit der Nasenwurzel. 8, 9, aus. Gehalten,
aber glatter K.O. inkl. Nasenbeinbruch. Zazai, unser Ersatzverhüterli darf ran. Wir verwandeln
drei Elfer, die Heidis auch, dann lappt Rahmani, unser krankes Häschen, voll daneben, fast wäre
die Eckfahne gefallen. Völliger Aussetzer. Im Gegenzug dreht Zazai das letzte Schweizer
Bällchen mit den Fingernägeln um den linken Pfosten. Klopp jubelt und feuert vor Begeisterung
seine Wasserflasche (voll) ins Publikum. Geht meine Murmel rein, haben die Lederhosen mit
dem Finale keine Last mehr. Der Schweizer Grabscher meckert über die Lage des Balles, kommt
aus seinem Kasten und rollt die Kugel 1,4 Zentimeter nach rechts. Zur Belohnung gibt´s ´gelb´.
Tierische Randale während ich anlaufe, die halben Alpen und halb Skandinavien gegen eine
einzige Pappnase. Nett gemeint, aber die Kugel sitzt hoch oben im linken Eck, der Schnappi liegt
zwei Meter tiefer. Kollektiver Wahnsinn auf der Bank. Rahmani küsst mir den rechten Stiefel.
Die Schweizer Welt ist um einen Gipfel ärmer.
Stillgelegt
Klopps Flasche hat einen Tribünen-Wikinger voll am Schädel erwischt, Platzwunde, leichte
Gehirnerschütterung, zwei Tage Krankenhaus. Die ganz große Nummer in Smörebrödland, fast
wichtiger als unser Gekicke. Klopp läuft überall unter ´aggressiver deutscher Panzer´ oder
´verantwortungsloser Derwisch´. Echt originell. Von Reckermanns zertrümmerter Nase redet
kein Schwein. Berufsrisiko. Etliche Offizielle und Klopp besuchen das Flaschenopfer, laden den
Mann auf Verbandskosten für vier Wochen nach Deutschland ein (plus Familie) und zahlen
präventiv jede Menge Schmerzensgeld. Trotzdem, die Medien hacken weiter auf Klopp rum –
Schwerverbrecher, der lächelnd im Alleingang und vorsätzlich den 3. Weltkrieg starten würde.
Schwachsinn. Eine EM-Disziplinarkommission wird zusammengewürfelt und sperrt den Alten
wegen grob unsportlichen Verhaltens für drei Spiele, d.h. Klopp erlebt das Finale als Zuschauer
in der VIP-Lounge. Der Einspruch gegen das Urteil landet in der Tonne und Lahm darf den Chef
mimen. Kontaktaufnahmen, mündlich, schriftlich, per Rauchzeichen oder reitende Boten
zwischen ihm und Klopp während des Endspiels sind untersagt. Der Alte kann sein Glück kaum
fassen. Obendrauf gibt´s eine Strafanzeige der schwedischen Staatsanwaltschaft wegen
Körperverletzung und es steht auf der Kippe, ob unser Spielleiter nach der EM ausreisen darf
oder eingelocht wird. Super.
Der Oberhammer
Unser Schwerkrimineller hockt oben auf der Tribüne, bewacht von zwei Schergen, die vorher
sogar seine Hosentaschen gefilzt haben. (Ursprünglich sollte der Alte an einen der
Flutlichtmasten gekettet werden) Die Bluthunde haben Anweisung mit Klopp pinkeln zu gehen,
falls nötig. Vor dem Spiel sind außerdem Kabine, Gänge und Dusche auf versteckte
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´Kommunikationsmöglichkeiten´ hin überprüft worden. Alles, was gefunden wurde waren drei
Zigarrenstummel unter meinem Spind. Punktabzug für Schweden.
Lahm macht total auf cool, ganz anders als Klopp. Der Alte wäre direkt vor dem Spiel als
Rumpelstilzchen durch die Kabine gejoggt und hätte alle heiß gemacht. Lahm geht in der Kabine
unter und sein Pepp-Talk auch. Egal. Wir haben keine Chance, aber wir werden sie nutzen. Ist für
die meisten von uns wahrscheinlich die erste und letzte Möglichkeit, im Geschichtsbuch zu
landen. Reckermann hockt auf der Bank mit frisch gerichteter Nase und ist stinkig. Einsatz
unmöglich, sonst fällt der Zinken ab.
Die Russen laufen mit sieben Brasilianern, drei Argentiniern und einem Japaner auf. Das Ganze
hat System. Die Wodka-Leute kaufen weltweit junges Volk ein, 10 bis 14jähriges Gemüse,
stecken es in Fußballinternate und bürgern die halbwegs brauchbaren Früchtchen bei Bedarf
einfach ein. Die FIFA-Spitze verspricht seit Jahren den Trick zu knicken, aber da alle
entscheidenden Verbände ähnlich verfahren, nur nicht so konsequent wie Moskau, bleibt der
Sumpf feucht.
Wer Hammer und wer Amboss spielt, ist von Anfang an klar. Einbahnstraßenfußball, wir halten
mit allen Gräten dagegen, aber sind angriffstechnisch nicht existent. Das Ganze läuft ab wie
gegen die Schweiz, nur noch kaputter. Lahm und der Rest hockt schockgefrostet in der
Bushaltestelle. Auf dem Feld läuft die Nummer ´Hase und Igel´. Wir machen den Hasen, rennen
wie doof und gewinnen keinen Blumenpott. Zum Glück brauchen die Gashändler 40 Minuten für
das 1:0. Getümmel am Elfer, wir kriegen den Ball nicht weg, Zarzai taucht zu spät, Bingo. Sind
trotzdem noch gut bedient. Das 2:0 geht schneller, 50 Sekunden nach Wiederanpfiff. Flanke von
links, irgendwer steigt mir von hinten auf die Nackenwirbel, komme nicht hoch, paff, Tor.
Anschließend schalten die Beherrscher des Ostens um auf Arbeitsverweigerung. Schön blöd.
Zuerst fangen sich die Hirnis einen abgefälschten Freistoß von Wolter, dann wechselt Lahm auf
einen Schlag dreimal Mittelfeld gegen dreimal Sturm und hat Schwein. Simic (zweites
Länderspiel), gerade im Spiel, trifft aus 18 Zentimetern Entfernung, weil dem Wodka-Schnappi
der Fisch durch die Finger flutscht. Die Brasilianer-Russen motzen sich gegenseitig an und
fangen an zu treten. Quittung: ein Mal ´rot´ für eine große Blutgrätsche von hinten. Bringt uns
allerdings nicht weiter, denn Firek, unser Flügelzäpfchen, verabschiedet sich mit Notarzt und
Knöchelbruch. 10 gegen 10. Die Schwarzrussen machen Dampf, nur keine Verlängerung mit
Elfmeterschießen. Fällt aus, denn vier Minuten vor Schichtende genehmigen sich die
Sambakosaken den dritten satten Schluck aus der Pulle. Rahmani stümpert die Murmel mit seiner
schwachen linken Haxe Richtung Eckfahne, aber die japanische Ameise in russischen Diensten
scheppert das Spielgerät mit Kawupp ins eigene Netz. Eins vor für die Hasen. Botwidenkow, der
Chaoten-Coach, kriegt einen Blutrausch, demoliert seine Bushaltestelle, tritt seinem Siebener
volle Möhre in die Klöten (tolles Action-Foto / auch als Video in Zeitlupe empfehlenswert) und
darf sich neben Klopp unter´s Tribünendach hocken. Sekunden später sind wir Europameister.
Botwidenkow dreht total ab, haut seinem Keeper eins hinter die Löffel, hat aber den falschen
angespitzt, denn der Flattermann langt kurz und trocken zurück. Anschließend Ruhe im Katong
und der Vize-Europameister hat einen Trainer mit doppeltem Kieferbruch. Mindestens sechs
Wochen Wodka aus der Schnabeltasse. Nastrowje, oder so.
Abfeiern
Medaillen abholen, Ehrenrunde, Interviews, duschen, verarzten und ab die Post. Der Verband hat
Spendierhosen an, wir verschwinden in einer Edel Disco zusammen mit ausgewählten Sponsoren
und handverlesenen Gästen. Dazu live-Musik und ab Mitternacht schlapp 30 Go-Go Girls, alles
rattenscharfe Bräute. Später wird behauptet, die Damen sollen ausgesprochen leicht bekleidet
gewesen sein. Komisch, habe von der leichten Bekleidung nix gesehen, Ehrenwort. Anschließend
fünf Std. Komaschnarchen, dann zum Luftbahnhof und ab Richtung Heimat. Noch bevor das
letzte Rad die Rollbahn verlassen hat, ratzt alles. Klopp liegt hackevoll im Mittelgang, die Schale
auf seiner Wampe. (Hat leider keiner gefilmt). Der alte Flaschenwerfer kann mit einer
Sondergenehmigung des Justizministeriums ausreisen, um den offiziellen Empfang erleben zu
dürfen.
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Empfang
´Kanaldeckel-Fußballer inthronisiert´ schreiben die Spagettis, die Heidis frotzeln: ´Ball verkehrt
– Kongo gewinnt Biathlon-Staffel´, und die Toreros meinen: ´Halb so gut wie die Auswahl der
Friedhofsgärtner von Toledo, aber Europameister. Scheiß Fußball´. Stimmt genau, geht uns aber
allen am Arsch vorbei. Halte jede Wette – alle Teams hätten den gleichen Müll gespielt, wenn am
Ende der Titel dabei rausgesprungen wäre. Scheinheiliges Rattenpack.
Werden am Flughafen platt gefeiert, aber die dicke Fete steigt am Brandenburger Tor. Abartig.
Der Tanzabend hatte direkt nach dem Abpfiff begonnen und alle sind geblieben. Abzappeln und
Komafeiern rund um die Uhr. Überall elektronische Leinwände, auf denen wir winken, grinsen,
singen und tanzen. Klopp erhält Prophetenstatus. Hat das Potential der Mannschaft erkannt und
genau richtig eingesetzt, vermelden die Zentralorgane. Besser geht nicht. Auch politisches
Personal hat sich eingeklinkt und lässt sich feiern, der Kanzler und drei abgespacte Minister in
unseren Trikots. Und überall Deutschland-Fähnchen, Fahnen und Wimpel, kein Mensch, kein
Laternenpfahl, kein Kinderwagen ohne.
Jeder von uns wird interviewt. Wir labern totalen Brack, aber jeder Satz wird beklatscht und
bejubelt. Ich hätte auch ´Hänschen klein´ rückwärts aufsagen können, wäre mit Sicherheit der Hit
gewesen. Klopp faselt wie der letzte Heckenpenner und wird Wort für Wort gefeiert.
Reckermann kippt während seines Interviews hintenüber von der Bühne mitten in die Fans und
erntet zehn Minuten Applaus.
Urlaub
Elgard hat für uns Kenia gebucht, knappe zwei Wochen. Hängen zehn Tage unter Palmen ab,
werden vom Hotelpersonal mit ´Vitamine Drinks´ abgefüllt (alkoholfrei, ehrlich) und planschen
im Ozean. Herrlich warme Brühe, totaler Komfort für die Knochen. Der Strand ist schneeweiß,
bei Ebbe ziemlich breit und nachmittags ist ´Football-Time´. Einheimische traben am Wasserrand
auf und ab und fordern die Bleichgesichter zum Match, Afrika gegen den Rest der Welt. Zehn
Minuten später geht die Post ab. Selbst Elgard bolzt mit, trotz seiner Tropfenfigur. Läuft auf
Raten und erledigt seinen Part mit Auge und internationaler Härte. Die Schwarzen kippen wie
Slalomstangen. Und wenn der Alte durchlädt und auf die Kiste ballert, landet die Kugel in
Madagaskar. Neben Elgard wirken vier Profis aus Glasgow, Florenz, Athen und Belgrad mit.
Ansonsten ist der niedrigste Dienstgrad Oberliga. Die Lockenköpfe werden im 24-StundenRhythmus aufgemischt, obwohl sie täglich mit neuem Personal auftauchen, das Afrikas Ehre
retten soll. Elgard hält dagegen, gräbt am Strand einen Keeper von Steaua Bukarest aus, zwei
holländische Halbprofis und einen japanischen Ex-Internationalen. Die meisten Schwarzen sind
mindestens doppelt so hoch und breit wie der gelbe Stoppelhopser, trotzdem macht Mr.
Kamikaze fette Beute. Baut sich anschließend vor einen handgefällten Riesen auf, knickt eine
kurze Verbeugung ab, brüllt auf Japanisch ´Entschuldigung´ und zischt weiter.
Von mir nimmt keiner Notiz, bin selbst als Zuschauer nur zweite Klasse. Die Fachkommentare
liefert ein Trio aus Österreich. Könnte mich wegschmeißen vor Lachen. Die drei Klappstühle
sollten Bundesliga und Nationalmannschaft kommentieren und nicht die üblichen Flachpfeifen.
Nach jedem Match spendiert Elgard für die rasierten Schwarzen Vitamine Drinks (1 Pint frisch
gepresster Fruchtsaft). Zum Dank erhält der den Kriegernamen ´Papa Vitamine´.
Nach dem dritten Match platziert unser Hotelmanagement rund um die Anlage jede Menge
Schilder in vier Sprachen: ´Offene Afrikanische Fußballmeisterschaft, täglich nachmittags, bei
Ebbe. Fans willkommen.´ Haben anschließend mehrere 100 Zuschauer pro Match, hauptsächlich
Touris aus den umliegenden Anlagen. Und immer mehr Hirnis wollen unbedingt mitkicken.
Elgard hat echte Probleme, seine Truppe aufzustellen.
Am letzten Abend B-B-Q mit dem Kernteam und den Schwarzen am Strand. Elgards Idee. Die
Hotelleitung ist leicht verschnupft und erlaubt für die All-Blacks nur eine Büchse Bier pro Nase.
Trotzdem witzige Fete. Elgard kriegt von den Schwarzen einen handgeschnitzten Elefanten
geschenkt, wahrscheinlich ein mittleres Vermögen für die ganze Bande. Im Gegenzug spendieren
wir den Jungs den besten Hotelfußball.
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Anschließend vier Tage Hilton-Safari durch die Serengeti. Sieht alles exakt so aus wie im
Fernsehen, aber die Unterkünfte sind der absolute Hammer. Fette, grüne Zelte mit üppiger
Ausstattung, Marmor Waschbecken, Badezimmer mit vergoldeten Armaturen, Mahagoni-Möbel,
Perser Teppiche, Himmelbetten und jeden Abend ein 10-Sterne B-B-Q. Hinterher erklärt der
Obergriller, was wir hatten: Antilope, Büffel, Kroko, Schlange (schmeckt wie Hühnchen) und
Fledermaus (Angabe, glatt gelogen).
Ansonsten jeden Tag raus mit dem Jeep und ab durch die Pampa. Löwen gesehen und gefilmt,
Leoparden, Geparden, Elefanten, Giraffen, Nashörner. Dazu Antilopen, Gnus und Zebras im
Quadrat. Büffel gibt´s wie Kieselsteine, werden aber nicht besichtigt, denn die Biester haben
unserem Guide innerhalb von sechs Monaten zwei nagelneue Toyota Busse komplett demoliert.
´Buffalo nix gut, zu viel Sonne auf Schädel´. Obendrauf gibt´s einen Victoria-Bootstrip plus
Rundflug. Satter Tümpel und voll mit Krokos, Flusspferden und giftigen Würmern. Einziger
Haken bei der Sache, wir müssen ständig die totalen Malaria-Blocker schlucken, denn das blöde
Mückenzeugs hat inzwischen auch höher gelegene Gebiete erreicht. Ständig Flitzekacke von den
blöden Pillen. Die Einheimischen haben inzwischen total schlechte Karten, denn keiner hat genug
Schotter, um vernünftige Prophylaxe betreiben zu können. Ich würde da abhauen.
Saison 2030/31
August
Steige brasilianisch ins Training ein, mit vierzehn Tagen Verspätung, ist aber mit Kuhnke
abgesprochen. Die Saison startet für uns extra früh, wegen der Champions-League Quali.
Knochen sind okay, Birne ist klar, habe wieder Lust auf Fußball. Eine Handvoll Neuer läuft auf,
alles namenloses, grünes Gemüse. Keiner der Knaben spricht deutsch. Insgesamt 26 Mann im
Kader aus 18 Nationen. Wörterbücher für Fußballer müssten eigentlich Konjunktur haben. Einer
der Frischlinge, Akele Sowieso, läuft die 100 m angeblich in 10,5. Kann hinkommen, gegen den
Knaben bewegen sich die meisten von uns wie angeschraubte Kanaldeckel.
Quali
Reiseziel: Amsterdam. Die oder wir. Kuhnke persönlich hält die Rede zur Lage im Stadion.
Große Chance für den Verein, große Chance für jeden, der spielt und so weiter. Hat sich für das
Referat extra einen Dolmetscher besorgt, der nacheinander ins Englische, Portugiesische,
Französische und Russische übersetzt. Hut ab. Die Übersetzungen müssen witziger sein als der
Originalton, denn bei jeder Wiedergabe wird gefeixt und gelacht. Am Ende gibt es Beifall für den
Übersetzer und selbst Kuhnke muss grinsen.
Nachhilfe de luxe
Meine Kaufmannsprüfung wirft schwere Schatten, noch schlappe acht Monate. Schlage Forsbeck
vor, unsere eingeschlafene Zusammenarbeit zu reaktivieren, sonst kommt Abschuss statt
Abschluss. Wir verabreden zwei Abende die Woche und büffeln alte Prüfungsunterlagen mit
großem Realitätsbezug, sagt Forsbeck. Wir pauken Kalkulationen, Betriebsabläufe, gesetzlichen
Quark, Vertragsgrundlagen und ähnliche Kracher. Dazu kommen Qualitätsmanagement,
Evaluation, europäisches Recht, Fachenglisch und als besonderer Knüller: Corporate Identity und
Zertifizierungen. Zweimal die Woche mindestens zwei Stunden Schwachsinn und das als
Europameister. Völlig krank das Ganze. Im Gegenzug müssten alle Nobelreisträger täglich
Fußball spielen.
Dolmetscher
Monsieur Hulot, der Chefdolmetscher, wird vom Verein fest angeheuert. Macht die Sache für alle
leichter, sagt Kuhnke. Toll, diese glorreiche Idee hätte man eventuell schon ein paar Jahrzehnte
früher haben können. Hulot stammt aus dem Elsass - halb Deutscher, halb Franzose, Mutter aus
dem Iran, Vater Spanier - und macht ab sofort den Vereinsdackel. Kein Training, keine
Mannschaftssitzung und kein Ausflug mehr, ohne unser Sprachgenie. Der Junge hat ordentlich
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Stress, jeder will gedolmetscht werden, vor allem Mertesacker. Entdeckt plötzlich die Macht des
Wortes. Kann jetzt fast jedem in seiner Muttersprache den Marsch geigen. Erhöht den Spaßfaktor
beim Alten um 100 Prozent. Trainingsarbeit läuft wesentlich direkter und entspannter und ohne
Missverständnisse. Und die Übersetzungen sind immer knackiger als das Original, sagen alle.
Hulot ist die beste Vereinsinvestition seit Jahren, sagen auch alle.
Amsterdam hin
Die Holländer sind voll motiviert. Statt Tulpen gibt´s zwei Kracher innerhalb von fünfzehn
Minuten. Keine Sonne für Islop. Danach gehen die Käsköppe vom Gas. Eigene Dummheit, zur
Halbzeit steht´s zwei beide, und am Ende auch. Erinnert ungeheuer an Schweden.
Den Kracher des Tages liefert Akele, unser neuer Sprinterkönig. Die Rakete rast plus Murmel
quer durch den Strafraum, am gesamten holländischen Personal vorbei und wird erst vom Tornetz
gestoppt. Ohne den Käfig wäre der Wahnsinnige wahrscheinlich bis in die Nordsee gehechelt.
Amsterdam rück
Die erste halbe Stunde Holzauktion. Islop, unser Mückenfänger, liegt nach zwanzig Minuten mit
ausgekugelter Schulter im Hospital, und Akele landet mit pulverisierten Schienbeinen im
Reklamewald, dann endlich greift die Oberpfeife ein und schickt den Obervernichter duschen.
Internationale Härte steht am nächsten Tag im Blätterwald. Arschgeigen. Möchte mal sehen, was
übrig bleibt, wenn ich so einem Wortspieler voll beschleunigte 80 Kilo und ein gestrecktes Bein
direkt in die Weichteile pfeife. Rangiert dann mindestens unter Terrorismus und Angriff auf die
Pressefreiheit. - Ansonsten Modell ´blaues Auge´. Die Holländer liegen zur Halbzeit 1:0 zurück,
kommen nach 60 Minuten auf 1:1 ran, kassieren aber im direkten Gegenzug den Fangschuss.
Wüstes Gebolze vor der Kiste, kriege die Murmel direkt in die Füße, ein kurzer Tritt, dann beide
Beine ganz hoch und Ende im Gelände. Kuhnke flippt aus und verkündet zwei Tage trainingsfrei,
selbstverständlich nur für die Stammelf.
Oktober
Forsbeck gibt Gas, dosiert, aber hartnäckig und behält vor allem die Nerven, anders als
meinereiner. Verpeile ständig irgendwelche Aufgabenstellungen und klatsche das ein oder andere
Fachbuch an die Wand. ´Bringt uns auch nicht weiter´, murmelt Forsbeck mit seiner Bierruhe und
sammelt die Reste der Flugeinlagen wieder ein. Bin mit Sicherheit kein leichter Kandidat.
Trotzdem, Forsbeck ist sicher, dass ich locker durch die Prüfung marschiere. Kann sein. Hätte
trotzdem lieber Zahnschmerzen.
Frankreich
Elgard schneit vorbei, mitten in unsere Prüfungsvorbereitungen, mit einem Angebot aus
Marseille, absolut seriös und interessant. Zwei Franzosen sind in der Stadt, um mit Kuhnke zu
verhandeln, falls ich grünes Licht gebe. Forsbeck fliegt raus und Elgard erläutert die Einzelheiten.
Knapp das 1,8fache Jahresgehalt, spezielles Prämiensystem für internationale Wettbewerbe
(Marseille kickt zum dritten Mal in Folge Champions-League), kostenlose Unterkunft in fünf
Millionen-Objekt direkt am Mittelmeer, Dienstwagen nach Wahl, Freigabe für die
Nationalmannschaft und ein einmaliges ´steuerfreies´ Handgeld in Höhe von fünf Mijo.
Annehmbar, sagt Elgard. Das halbe Handgeld käme im Übrigen vor Vertragsabschluss.
20 Minuten später steht Kuhnke auf der Matte, live und in Farbe. Die Herren aus Marseille hatten
präventiv mit ihm Kontakt aufgenommen. Kuhnke mimt den väterlich Besorgten. Hält die Offerte
aus Marseilles für passabel, bis auf das Schwarzgeld, damit haben einige Hirnis kapitale
Eigentore geschossen. Ohne Not sollte man sich die Finanzfahndung nicht ins Haus holen.
Obendrein sei der gesamte Club alles andere als seriös. Am Mittelmeer herrschen andere Sitten
und Spielregeln als bei uns, gute Leute haben sich da unten einen satten Karriereknick
eingefangen, auch Deutsche. Die Liste ist beachtlich: Köpke, Littbarski, Völler, Mantey und
kürzlich erst Jendreny, nur zur Erinnerung. Er würde mir unbedingt von diesem Deal abraten und
im Gegenzug mein momentanes Gehalt fühlbar aufstocken. Eventuell eine Alternative, sagt
Elgard, hakt Kuhnke unter und beide schieben ab. Kurz vor Mitternacht Anruf von Elgard.
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Bezüge steigen ab sofort um 25 Prozent, netto, versteht sich. Dazu kommt eine Einmalzahlung
von 500.000, steuerfrei. Besuche aus Marseille oder so könnten häufiger kommen,
finanztechnisch gesehen.
November
Vom Platz geflogen, wegen Meckerns und ´gelb´ für einen minimalen Körperkontakt aus der
Anfangsphase. Absoluter Schwachsinn. Habe dem Rasenjuristen nur erklärt, dass Brillenträger
deutlich im Vorteil sind. Sensibler Sonnenkönig, legt den Satz als ´Schiedsrichterbeleidigung´
aus. ´Ich bin der Staat und ihr seid alle kleine Würstchen´. Keinen Hintern in der Hose, zu Hause
nix zu melden, aber im Viereck lieber Gott und Henker gleichzeitig. Reiner Selbstdarsteller.
Fuchtelt wie blöd mit seinen dämlichen Katongs rum und verteilt pädagogische Belehrungen.
Hätte gleich Pauker werden sollen. – Wie kommen derartige Nullchecker in ein ausgewachsenes
Stadion? Vitamin B oder Fehler in der Casting-Show? Für alles ist in den Arenen gesorgt, VIPLounge, Sessel für alle, Großbildschirme, Torkameras, aber einen Reserveschiri kriegt keiner auf
die Reihe. Hätte dem Spinner fast eins auf die Kauleiste getickt. Aufgeblasener Windbeutel. Hat
seine Daseinsberechtigung doch nur durch uns Spieler.
Strafe
Drei Spieltage Sperre und 10.000 Euro Strafe wegen ´grober verbaler Entgleisung´ entscheidet
das Sportgericht. Musste an mich halten, um dem verkrampften Richter nicht auch noch den
Marsch zu geigen. Zusätzlich pädagogische Nachhilfe. ´Sollte mir meiner Vorbildfunktion als
Profi-Fußballer, Jung-Nationalspieler und Europameister bewusst werden. Unzählige Menschen,
vor allem Kinder und Jugendliche, würden Spieltag für Spieltag ganz besonders auf mein
Benehmen achten und als Maßstab für ihr eigenes Verhalten nehmen. Alle Profis stünden unter
ständiger Beobachtung durch eine breite Öffentlichkeit, und die Medien und wir hätten
Leitbildfunktion. Die meisten Aktiven wären sich dieser Verantwortung bewusst, einige müssten
hin und wieder an ihre Rolle und Pflichten erinnert werden. Insgesamt hätte man meine Jugend
und Unerfahrenheit berücksichtigt und den Vorfall als einmalige Entgleisung gewertet. Im
Wiederholungsfall´, so der verstrahlte Vorsitzende, ´würde das Strafmaß allerdings wesentlich
höher ausfallen. Amen´. – Kann wahrscheinlich keinen Fußball von einem Stück Würfelzucker
unterscheiden, aber ansonsten perfekt informiert und die Weisheit mit Löffeln gefressen. Spinner.
Habe während der gesamten Veranstaltung auf Anraten meines Winkeladvokaten keinen Ton
abgesondert, außer Namen, Geburtsdatum und Verein. Viel mehr kam von diesem Juristentünnes
allerdings auch nicht, kein Protest, keine Rede, nix, niente, nada. Hat alles abgenickt und dem
´Hohen Gericht´ ordentlich Honig um den Bart geschmiert. Wofür werden diese Rechtsverdreher
eigentlich bezahlt? Meiner hat überhaupt kein Recht verdreht, im Gegenteil. Könnte platzen vor
Wut. Drei Wochen Tribüne und Däumchen drehen, für weniger als fünf Sekunden Gerede.
Lächerlich.
Konsequenzen
Mertesacker ist stinksauer auf das Urteil und auf mich. Soll in Zukunft einfach die Klappe halten.
Wenn es nach ihm ginge, könnte der Verein mir für die Dauer der Sperre mein Gehalt streichen,
das minimiert die Lust, ständig den Lautsprecher zu spielen. Haben eh schon genug Ausfälle. Das
komplette Mittelfeld befindet sich entweder im Krankenhaus oder in Reha, da kann er so Hirnis
wie mich wunderbar gebrauchen. Ich baue Mist und sein Stuhl brennt. Super. Wird mit der
Geistertruppe wahrscheinlich total abschmieren, denn ausgerechnet in den nächsten Wochen
kommen die allerdicksten Brocken. Herzlichen Glückwunsch. Elgard sagt, er kann Mertesacker
verstehen, der Mann ist tatsächlich echt in den Arsch gekniffen. Wenn wir die nächsten zwei oder
drei Spiele wirklich vergeigen, dann ist Hochdruck angesagt. Und dann fragt keiner, ob die
zweite Garnitur am Start war oder wer Acker den Quark eingerührt hat.
40
C-League / Rudelphase
International bin ich mit von der Partie, zum Glück. In der Liga besagte zwei Spiele in Folge
versemmelt und ordentlich Spaß an der Backe, vor allen Mertesacker. Der Mann kitzelt das
Allerletzte aus der Truppe, aber mit sechs Mann Ersatz ist Zucker im Tank.
Auch gegen Krakau Sand im Getriebe. Unser Afrikaturbo Akele wäre besser Leichtathlet
geworden. Rennt alles in Grund und Boden, vergisst aber ständig die Murmel und 90 Prozent
seiner Abspiele landen in der Pampa. Stauben trotzdem in Polen drei Punkte ab. Islop, zum ersten
Mal wieder dabei nach seiner Schulterverletzung, macht das Tor des Jahrhunderts. Abschlag bis
an den anderen Sechzehner, der Ball titscht auf, hüpft über den polnischen Mückenfänger und
landet im Käfig. Die absolute Lachnummer.
Rückspiel. Die Polen laufen mit dem gleichen Verhüterli auf, aber dieses Mal greift der Knabe
fast alles. Nur Pancic kann ihm eins laden, aus acht Millimetern Entfernung, Vollspann, 1:0.
Saubere sechs Punkte für uns. Kurz vor Schluss wird Renato ausgewechselt, irgendwelche
Schmerzen in der Leistengegend.
Ligamäßig ein schlaffes Remis gegen Frankfurt. Nix geht. Renato fehlt wegen Verletzung und
Kollege Akele glaubt immer noch, er nimmt an einem Volkslauf teil. Pancic dreht hohl, hängt
völlig in der Luft, keine Anspiele, keine Unterstützung. Und wenn Bälle kommen, dann
verwuselt Freund Akele problemlos jede Aktion im Ansatz. Wir sollten der schwarzen Granate
einen Kursus in Feinmotorik verpassen, ein Navi und vor jedem Spiel zwei Tassen Baldrian,
mindestens.
Madrid / Atletico
´Egal ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien´, Elgard kann sich über den blöden Spruch
drei Mal am Tag abrollen. Soll irgendwann einer seiner alten Kollegen abgesondert haben, auf
die Frage, wo die nächste Saison für ihn steigt. Wären auch besser nach Italien gefahren, in
Madrid gibt´s 3:0 was auf die Mütze. Keine Chance, nicht mal im Ansatz. Sind mit drei Dingern
sogar noch gut bedient. Pancic wird zubetoniert, Akele kommt auf fünf Ball- und 20
Bodenkontakte in 90 Minuten, Renato glänzt durch Abwesenheit (offiziell: Virusinfektion), Islop
und ich stehen mitten in der Einflugschneise. Alle Toreros sind mindestens einen Kopf kleiner als
ich, aber man kriegt die Zwerge nicht zu fassen. Husch, husch und weg, und meist mit Ball. Der
Ober-Dribbelguru, Gurrichaga, ist eigentlich schon Pensionär, aber M´Etong, unser
Kampfpanzer, sieht keine Sonne gegen den Großvater. Spielt in einer Telefonzelle drei Mann
schwindelig und telefoniert noch dabei. Kurz vor Schluss knallt Betong durch und räumt ab,
schräg von hinten in beide Waden und direkt vor der Nase des Schiris. Gurrichaga geht getragen
vom Platz, Betong duschen. Mertesacker antwortet während der Pressekonferenz auf die Frage,
ob er sein Team für Champions-League tauglich hält mit einem klaren ´Nein´.
Dicke Luft
Krisensitzung. Kuhnke, Mertesacker, Jansen, Islop, Pancic und ich. Die Personaldecke ist
angeknabbert, und unsere schwarze Perle hat sich nach Informationen der Bundespolizei in
Richtung Brasilien verdrückt. Sein Manager hat Kuhnke per SMS mitgeteilt, dass sich sein
Schützling lieber von Leuten seines Vertrauens behandeln lassen möchte als von unseren
Quacksalbern. Absolut super. Islop sagt, die Mannschaft ist ein Trümmerhaufen und schlägt
Neueinkäufe vor, sonst geht´s national und international den Bach runter. Kuhnke winkt ab,
längst durchgespielt. Nichts Brauchbares auf dem Markt, und wenn, dann absolut unbezahlbar.
Müsste doch einiges in der Kasse sein, sagt Islop, mit dem Schotter aus der Champions-League,
da könnte man doch investieren. Es gibt auch ungesunde Investitionen, erklärt Kuhnke. Stimmt,
sagt Islop, zum Beispiel die vier Frischlinge, alles Personal für die Mülltonne, besonders Akele,
unsere Turboschokolade. Pancic nickt, ´Da ist jede Ballannahme im Mittelfeld ein Torschuss´.
Kuhnke erzählt irgendwas von ´Geduld haben´ und wird sauer. ´Wir Spieler könnten uns ja mal
an die eigenen Nasen fassen. Das letzte Stürmertor liegt Lichtjahre zurück, und unsere viel
gelobte Defensive ist ein prima Schweizer Käse´. ´Kein Wunder´, antwortet Islop, ´wenn das
komplette Mittelfeld fehlt. Hier hätte man eine bessere Einkaufspolitik betreiben müssen, damit
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solche Engpässe erst gar nicht entstehen´. Kuhnke kocht und Mertesacker greift ein.
Systemwechsel, ab sofort mit Libero, wie in der Nationalmannschaft. Und unser Sprinterkönig
tobt in Zukunft im defensiven Mittelfeld, als Spielverderber; Ballbehandlung und Spiel nach
vorne sind da Nebensache, Hauptsache hinten steht die Null, egal wie. Islop und Pancic sind
wenig begeistert und zittern wortlos ab. Mertesacker und ich liegen einigermaßen parallel. Wir
haben genau drei Tage Zeit, um das neue Ballett einzustudieren.
Dipl. Beton
Sind in Bremen die totalen Spielverderber. Absolut kein Durchkommen für die Fischköppe.
Akele hat seine neue Rolle auf Anhieb kapiert. Erstaunlich. Fetzt wie ein angeschossenes
Nashorn über den grünen Klee und schleicht nach 80 Minuten ausgewrungen Richtung
Warmwasser. Hatte überall seine langen Haxen drin. Klasse Nummer. Zum ersten Mal kein
Pfeifkonzert für unsere schwarze Rakete, sondern satter Beifall vom Anhang. Hinter Akele steht
eine kompakte 4er Kette und dahinter ich. Die Weserkapitäne werden lebendig eingemauert und
können von Glück reden, dass Pancic zwei saugute Konter jämmerlich versiebt. 0:0, die meisten
sind happy über das Pünktchen, nur Kuhnke raucht. Pancic kriegt kurz und heftig zu hören, was
die Vereinsführung von seiner abgeschlafften Vorstellung hält. Knipser werden für ihre Tore
bezahlt und nicht für Geschwafel und Getriebeschäden. Pancic kriegt rote Ohren und geht im
Entmüdungsbecken auf Tauchstation.
Madrid rück
Von Renato keine Spur, auch in Brasilien nicht. Irgendwo im Dschungel verschwunden?!
Mertesacker kriegt inzwischen Pickel, wenn man ihn auf den Knallfrosch anspricht. Pancic hockt
auf der Bank und kocht. ´Schöpferische Pause´ frotzelt die Presse. Ansonsten läuft die gleiche
Truppe auf wie gegen Bremen, mit gleichem Erfolg. Die Spanier behalten das Bällchen für sich,
wir versuchen möglichst nicht zu stören. Nur Akele läuft Amok. Toreros, die glauben zaubern zu
können, haben sofort Spaß an der Backe. Der Rest landet bei mir. Zwanzig Minuten vor Schluss
kommt Pancic, stinksauer und übermotiviert auf die Spielfläche. 30 Sekunden später Feierabend gestrecktes Bein, Ball verpasst, Schienbein getroffen, ´rot´ und Tschüss. Glasklare Sache.
Kuhnke und Mertesacker machen Gesichter wie Leichenbestatter. Möchte nicht wissen, welche
Mordpläne durch diese beiden Köpfe huschen. 0:0, gefühlt drei Punkte.
Dezember
Der Spinner ist zurück. Steht mit seinem Zahnpastalächeln auf der Wiese und jongliert die
Murmel. Die Sonne scheint, Gott hat ihn wieder gesund gemacht und er freut sich auf das nächste
Spiel, übersetzt Hulot. Würde dem Knaben sehr gerne mal in seiner Muttersprache verklickern,
was die Mannschaft von ihm, seinen Extratouren, seinen Leistungen und seinem dämlichen
Gefasel hält. Mertesacker baut den Verstrahlten wieder ein, aber ich denke, im Grunde würde er
die Kokosnuss lieber in einen Brückenpfeiler gießen. Renatos Manager, eine Senor Oliveira,
erklärt der Presse, dass ein Wunderheiler seinen Schützling von großen Schmerzen befreit habe,
ohne Operation, Chemie und Geräte. Das sei für Renato sehr wichtig, denn nur wenn er sich gut
fühlt, kann er auch gut Fußball spielen. Absolut super. Meine nächste Zerrung werde ich von
einen gallischen Druiden behandeln lassen, bei Vollmond und im Beisein von 18 Jungfrauen
(falls möglich). Und vor dem nächsten Match werde ich ein blaues Nilpferd an die gegnerische
Kabinentür nageln. Das bringt Glück. Dann hauen wir auch Madrid weg.
Grashopser Zürich
Original Schweizer Fallobst, keine Ausländer, nur eigenes Gemüse und international auf
Vereinsebene nicht konkurrenzfähig. Aber die Heidis stehen zu ihrem Konzept und lassen sich
ohne Jammern die Kiste voll zimmern. In den Bergen gibt’s drei Dinger, bei uns vier, aber kein
Zentralorgan bei den Jodelkönigen rastet aus. Die Jungs haben ihr Bestes gegeben, es hat für
einige nette Szenen gereicht, der Gegner war besser und durch diese Niederlagen wird das
Matterhorn auch nicht flacher. Glückliche Alpen.
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Tags drauf Auslosung. Dürfen gegen Chelsea ran. Titelverteidiger und seit 15 Spielen in der
Champions-League ungeschlagen. Reines Starensemble. Die Ersatzbank kostet mehr als unser
ganzer Kader zusammen. Nach außen machen alle in Optimismus, irgendwann reißt jede Serie,
aber innerlich hat jeder von uns die Sache abgehakt, nur Kuhnke nicht. Er bietet 300.000 extra
pro Nase, falls wir die Jungs von der Insel rauskegeln.
Tor des Monats
Stolpern mit unserem Notfallprogramm in Richtung Winterpause, unser Brasilien-Turbo schmiert
nach einer Halbzeit ab, Null Kompression, aber ansonsten gesund. Prima. Hängen im Mittelfeld,
mit leichter Tendenz nach oben. Sind vorne bissig wie Kunsthonig, nur hinten steht die ´0´.
Außerdem kommt unsere direkte Konkurrenz auch nicht sonderlich aus dem Knick. Mertesacker
wird zum Trainer der Hin-Serie gewählt, weil er aus seinem Trümmerhaufen, nach Meinung der
Experten, das Maximum herausholt. Möchte wissen, was wir den ´Experten´ für diese goldene
Ananas hingeblättert haben. Experten, sagt Elgard, sind Klavierspieler mit einer Taste. Staube im
November das ´Tor des Monats´ ab, Verzweifelungsschuss mit links (!) aus gut 25 Metern
klatscht an den Innenpfosten, von da der Flugente an den Hinterkopf und dann ab in die Maschen.
Für seinen Assist hätte der Schnappi mindestens die halbe Medaille verdient, will aber nicht.
Weihnachten
Drei tote Tage zu Hause. Mama kocht und nervt, Papa verzichtet demonstrativ auf Alkohol,
selbst auf Rumaroma im Kuchen und nervt auch. Die gesamte Verwandt- und Bekanntschaft trabt
an und nervt erst recht. Ich bin der fünfohrige Pandabär im Flohzirkus. Abartig. Mein eigener
Onkel will ein Autogramm auf sein bestes Oberhemd. Früher hat mich der Knallkopp nicht mit
dem Arsch angeguckt (ist schließlich Prokurist), jetzt bin ich sein Lieblingsneffe und er hätte
immer schon gewusst, dass aus mir mal ein ganz Großer wird. Hat mir schließlich meine ersten
Fußballschuhe vermacht. Schwafelbacke. Papa scheppert alle voll und zeigt endlose
Zusammenschnitte aus TV und Internet mit meinen besten Szenen. Jeder, der bei uns aufschlägt,
kriegt den Quark serviert, zusammen mit Papas Kommentaren, und die ziehen dir die Socken aus,
spätestens beim zweiten Mal. Gegen Papa sind die schlimmsten Profischwätzer reines Gold.
Meine Erzeuger schenken mir ein Album mit richtigen Photos, die sie aus Filmen gezogen haben,
meine ganze Karriere als Profi, vom ersten Tag bis quasi heute. Was Besseres wäre ihnen nicht
eingefallen, habe ja schließlich schon alles. Stimmt, leider. Für Mama und Papa gibt´s eine Reise
nach Grand Canaria, 14 Tage all inclusive. Posten für die Portokasse. Beide machen ordentlich
Betrieb um den Ausflug, damit der restliche Clans auch ordentlich lange Nasen bekommt. War
definitiv mein letztes Weihnachten zu Hause. Affenzirkus.
2031
Jaguar / Februar
Unser Sambatänzer dreht hohl. Ist aus den Winterferien nicht zurückgekehrt. Soll angeblich eine
Krankmeldung an den Verein geschickt haben. Rückkehr in drei Wochen, genau zum
Rückrundenstart, keine Minute eher. Fliegen ohne den Spinner ins Trainingslager nach
Fuerteventura. Vor Ort Mannschaftssitzung. Kuhnke erklärt dem Kader, dass Renato eine
Abmahnung erhält und eine satte Gehaltskürzung. Sich irgendwo im Ausland oder Inland mit
Attesten zu versorgen, sagt Kuhnke, ist laut Vertrag nicht statthaft. Der Verein verfügt über eine
hervorragende und sauteure medizinische Abteilung, die eingerichtet wurde, damit kein Aktiver
bei irgendwelchen Dilettanten oder Wunderheilern landet. Im Gegenzug verlangt der Verein, dass
dieses Angebot in Anspruch genommen wird. Wer diese Regelung missachtet, muss die
Konsequenzen tragen, egal ob Bankdrücker oder Stammkraft. Unprofessionelles Verhalten wird
vom Verein nicht toleriert. Um Unklarheiten vorzubeugen, sagt Kuhnke, erhält jeder Spieler ein
gesondertes Schriftstück in Muttersprache, für die Spielregeln im Krankheitsfall. Lesen, signieren
und wieder abliefern.
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Dumm gelaufen
Keine besonderen Vorkommnisse. Wir trainieren die Dominowürfel ab und versorgen uns mit
Kondition. Dazwischen Koordination und Gymnastik als Tröpfcheninfusion. Keiner im Team mit
Hang zum Ballett. Kommen alle gerade noch so mit den Fingerspitzen auf den Rasen. Nur Akele
kriegt seine Haxen noch hinter seiner Rübe verschränkt. Phänomenaler Typ. Nach einer Woche
plötzlich Flitzekacke in der ganzen Truppe. Drei Notärzte traben an und verpassen uns Einläufe.
Pancic und Islop kriegen den Magen ausgepumpt. Wahrscheinlich Fischvergiftung. Kuhnke will
Hoteldirektion und Chefkoch umbringen, kommt aber nicht von seiner Toilettenschüssel runter.
Vier Tage totaler Trainingsstopp. Alles hängt in der Keramikabteilung, nur Akele nicht. Bei ihm
zu Hause, sagt er, gab´s nur vergammeltes Zeugs zu essen, aus irgendwelchen Mülltonnen, wenn
überhaupt. Außerdem lauerten 13 Geschwister mit am Tisch. Wer da Vorurteile und Ansprüche
bezüglich der Verpflegung hatte, war ein Auslaufmodell.
Bei der Ankunft zu Hause fast 20 Grad. Zwei Tage später geschlossene Schneedecke von
Helsinki bis Palermo. Athen und Rom ersticken in der weißen Soße. Überall erfrieren Menschen,
selbst bei uns. Turnhallen werden Notunterkünfte und die Spendenmaschinerie läuft an, für
Schneeopfer in ganz Europa. Die Klimapäpste erklären, dass Ganze hätte überhaupt nicht
stattfinden dürfen und dass wir uns über kurz oder lang an solche Wetterkapriolen gewöhnen
müssen. Alles Treibhauseffekt, weil wir gnadenlos zu viel Dreck und Hitze in die Umwelt jagen,
vor allem die Amis, Russen, Inder und Chinesen, ohne Rücksicht auf Verluste. Uns trifft die
Sache nicht ganz so hart, sagt Kuhnke, wir haben Rasenheizung, selbst auf den Trainingsplätzen,
die garantiert astreinen Spielbetrieb bis minus zehn Grad. Beruhigend.
Heimkehrer
Renato zurück, auf die Sekunde genau zum Rückrundenstart. Trainerteam und wir lassen den
Traumtänzer links liegen. Kein Erbarmen mit dem Armen. Gleich im ersten Trainingsspielchen
zeigt ihm ´Betong´, wo die Glocken hängen, Grätsche von vorne, ein Mal das Schienbein rauf
und runter, Feierabend. Kein Pfiff, kein Mitleid, nur ein erstauntes ´Hoppla´. Die Koksnuss ist
vorerst Invalide. Mertesacker, der sonst bei jedem Trainingscrash sofort aus der Hose springt,
verzieht keine Miene. Könnte mir vorstellen, dass ´Betong´ auf Anweisung gehandelt hat. Dürfte
dem alten Knochenbrecher ein Vergnügen gewesen sein.
Totensonntag
Nix geht mehr. Die Wüstensöhne im fernen Arabien drehen konzentriert den Ölhahn zu, um ihre
Vorräte zu strecken und die Preise himmelhoch zu treiben. Für das nächste halbe Jahr, beschließt
die EU, ist jeder zweite Sonntag autofrei, in ganz Europa. Nur Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen
und Busse dürfen fahren, der Rest braucht Sondergenehmigungen, kriegt aber so gut wie keine,
nicht mal Profimannschaften. Sieht eigentlich witzig aus, Autobahnen ohne Autos. Hat es um
1970 schon mal gegeben, sagt Elgard. Viele meutern natürlich und reden vom Ende der
zivilisierten Welt. Weiß nicht, endlich mal entspannte Sonntage, kein Stress, keine Hektik.
Sämtliche Spiele fallen flach, inklusive Training.
Die Erdölstaaten haben die Amis im Übrigen davor gewarnt, sich den Sprit mit Gewalt zu
besorgen. Wer ein Erdölland attackiert, heißt es, der attackiert alle Erdölländer und etliche
verfügen über Atombomben, Chemiewaffen und ähnliche Schweinerein.
Februar
Der Zirkus geht weiter. Renato ist mit Manager und Krücken bei Kuhnke aufgekreuzt, sagt
Elgard, und wollte sich über Mannschaft und Trainer beschweren. Kuhnke hat sich das Gesülze
eine Minute lang angehört und dann beide an die Luft gesetzt. Renato bekam als Zugabe seine
zweite Abmahnung an die Krücken genagelt, auf Deutsch und Portugiesisch. Außerdem, sagt
Elgard, sind sämtliche Zahlungen eingestellt. Wenn der Sambatänzer Geld sehen will, muss er
entweder topfit auf dem Rasen stehen oder vor Gericht klagen, einem von hier, versteht sich. War
´n Rausschmiss erster Klasse. Darf ab sofort seinen Knackarsch kostenlos auf der Tribüne parken
und auf Angebote von auswärts warten. Elgard sagt, könnte eine längere Sitzung werden, denn
Kuhnke will krasses Geld für den Spinner. Temporäre Genialität auf dem Platz ist eben nicht
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alles, sagt Elgard. Clubs wollen Planungssicherheit und Typen wie Renato sind glatte
Risikofaktoren. Und nur dumme Clubs machen sich von den Launen ihrer Stars abhängig.
Rückrunde
Stochern uns ein Unentschieden nach dem anderen zusammen, volle Punktzahl gibt´s, wenn
überhaupt, nur auswärts. Der Tiefpunkt kommt in München. Böser Absturz mit freundlicher
Unterstützung des Schiris. Zwei astreine Abseitstore für die Lederhosen, uns wird ein regulärer
Treffer gestrichen und einmal Hand auf der Münchener Linie bleibt ohne Folgen. Eigentlich 3:2
für uns, uneigentlich 4:1 für die Lederhosen. ´Souveräner Sieg für die Bayern´ tönen die Gazetten
und wir hängen wieder voll in der Schusslinie.
März
Sechs Augen Gespräch im Chefbüro, Kuhnke, Mertesacker und ich. Der Alte will mich
umfunktionieren, von zentral defensiv auf zentral Mitte, quasi Nummer 10. K & M meinen, ich
hätte das Zeug dazu, wäre lediglich eine mentale Umstellung. Nicht mehr voll drauf und
abräumen, sondern Kopf hoch, Überblick verschaffen und dirigieren. Müsste mit entsprechender
Übung auch kurzfristig machbar sein. Ab sofort flammneues Trainingsprogramm und Testspiele
gegen Aufbaugegner. Könnte mich in der neuen Rolle noch gründlicher in den Vordergrund
spielen, sagte Kuhnke. Eigentlich kein Bedarf, habe schon genug Vordergrund aber K & M sehen
keine andere Chance, um den Abmarsch in den Tabellenkeller zu stoppen. Von morgen an wird´s
brasilianisch.
Maradonna für Arme
Völlig neues Spielerlebnis. Trabe ohne Zerstörerfunktion durchs Mittelfeld und soll ´gestalten´.
Ziemlich schräg, wenn man ewig drauf fixiert war, anderen auf die Knochen zu steigen und die
eroberten Bälle nach Brasilien zu rollen. Ab sofort kullert jede Murmel in meine Richtung. Sind
feine Unterschiede. Mertesacker will sehen, dass ich den Kopf hoch nehme und Pässe zelebriere,
lange oder schnelle, oder beides, nur keine Alibigurken über zweifuffzich. Habe absoluten
Idiotenstatus. Selbst wenn fünf Anspiele in Serie quer schlagen, Acker bleibt locker. Mecker
gibt´s nur bei Einheitsquark. Der große Meister will Risiko sehen und Ideen. Kriegt beides
geliefert, allerdings in überschaubarer Qualität.
Drei Tage Chaos. Pancic meckert, Jungnikel (aus Not wieder im Kader) fasst sich an die Rübe,
Allimboha grinst blöde, nur Akele wieselt auch hinter den dümmsten Dingern her. Danke. Am
vierten Tag kommen die Bälle präziser. Ali schnallt als erster, was gespielt wird. Sobald ich die
Murmel habe, fetzt die Granate los und krallt sich den Ball. Und was der Dicke hat, gibt er selten
wieder her. So könnt´s gehen.
Testspiele
Wir tingeln über die Dörfer und probieren unsere neue Masche aus. Ali und Pancic gehen steil
und die Kugel kommt hinterher. Der Schrottwert sinkt, einiges landet verbraucherfreundlich und
schon brennt die Hütte. Fußball kann auch einfach sein. Mein größtes Problem: das Spiel schnell
genug und richtig ´zu lesen´. Den Bruchteil einer Sekunde zu spät begriffen was läuft, und die
nette Chance von gerade eben ist futsch. Mertesacker genießt meine Grobmotorik weiterhin
schweigend.
April
Ligapremiere als Taktgeber. Bin nervös und produziere Serienschrott. Die ersten zehn Anspiele
landen voll in der Botanik. Pancic tritt vor Wut Löcher in die Spielebene, Ali friert das blöde
Grinsen ein und von den Rängen kommen gepfiffene Kommentare. Plötzlich steht Mertesacker
an der Seitenlinie, winkt mich ran und knurrt: ´Keine Angsthasenpässe, volles Risiko, der
Nächste kommt an´. Kuhnke hinter ihm nickt und zeigt mit beiden Daumen nach oben. Noch nie
so viel Unterstützung von außen bekommen, nicht mal von Klopp & Co. Verpeile noch drei
Dinger, dann landet die erste Murmel messerscharf da, wo sie hin soll. Ali geht ab wie Zäpfchen
und hämmert das Geschenk in die Maschen. 1:0 zum Pausentee. Danach kommt die Post zweimal
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an, beide Male verwandelt Pancic und wir sind wieder dicke Freunde. Acker nickt, Kuhnke klopft
mir auf die Schulter und die Meinungsleute basteln an ihrer nächste Sensation: ´Genie auf
Anfrage´, ´Die Rückkehr der 10´, ´Spielmacher aus Verzweiflung´, ´Der Mann für alle Fälle´,
´Brasilianer auf Bestellung´. Und ein Oberspinner kommt sogar mit dem Spruch: ´Der Einstein
des Fußballs´. Die Fahrkarten scheint keiner gezählt zu haben, außer mir. Waren genau 29.
Chelsea
Der Einlauf kommt vier Tage später. Rappelvolle Hütte und für die Fans sehen wir aus wie ein
gleichwertiger Gegner. Kein Wunder, jeder von uns funktioniert am Limit, es grüßen 200.000
Extrataler pro Nase. Was nicht rüberkommt ist die Leichtigkeit, mit der die Inselaffen
dagegenhalten. Jeder ist einen Tick schneller und robuster als wir, technisch besser und taktisch
disziplinierter. Fehlpässe und Stockfehler absolute Fehlanzeige. Wir rennen wie die Blöden, der
neue ´brasilianische Einstein´ gibt sein Bestes und die Tommies schieben sich trotzdem das
Bällchen zu wie im Training. 0:1 nach zehn Minuten. Ping-Pong im Mittelfeld, ein Pass auf
Halbrechts, mit dem Rücken zum Tor butterweich weitergeleitet in die Mitte, direkt abgenommen
und Feierabend. Einfach mal so. Wir sind nichts weiter als mobile Eckfähnchen.
Nach dem Pausengespräch wird´s noch krasser. Wir strampeln im roten Bereich, Chelsea läuft
auf Standgas. Auch Härte bringt nichts. Betong legt sich mit Lavender an, dem Zehner und bricht
sich beinahe die Füße. Akele springt auf alles, was sich bewegt, kassiert ´gelb´ und eine satte
Gehirnerschütterung. Sein Opfer steht auf, schüttelt sich kurz und rödelt weiter. Unsere
Sturmabteilung existiert nur im Spielbericht, Pancic und Allimboha sind unanspielbar und hätten
besser 90 Minuten Autogramme geschrieben. Kurz vor Schluss kommt Überraschung Nr. 2:
langer Ball von Lavender drei Millimeter über meinen Schädel, auf den Schlappen von Mulham
und Bingo. Präziser geht nicht. Zur Belohung gibt´s Beifall von unseren Fans.
Mai
Nehme auf Anfrage unseres Ministerpräsidenten Dr. Vettel (flottes Kerlchen, aber wegen
Fahrfehler momentan Fußgänger / 22 Tacken zu schnell im Kindergartenbereich, hätte ihn fast
die Rübe gekostet) freiwillig und ohne Entschädigung an einer Imagekampagne für unser
Bundesland teil, um Firmen und gut ausgebildetes Menschen in unserer Region zu halten, bevor
wir von anderen Landschaften abgehängt werden. Immer mehr Industrie und Fachpersonal
schleichen massiv in Richtung Osten ab, Bulgarien und so wegen massiver Standortvorteile.
Hungerlöhne, Alibisteuern und die Umwelt spielt da immer noch keine Geige. Bei uns gehen
allmählich die Lichter aus. Promis aus Kunst und Sport sollen retten, was Promis aus der
Wirtschaft vor die Wand fahren, sagt Elgard. Komisches Spiel. Geplant sind fette Anzeigen mit
dem Slogan: ´Hier bei uns kommen Sie ganz groß raus´. Nett gemeint, aber ich kann mir nicht
vorstellen, dass sich auch nur eine einzige Company meinetwegen in unserer Gegend ansiedelt.
Dr. Vettel und seine Leute sind von ihrer Kampagne total überzeugt und hauen jede Menge Geld
auf den Kopf. Klar, ist ja nicht ihres.
Intensivstation
Hätte ohne Forsbeck die Angelegenheit schon längst geknickt. Der Mann ist Gold wert, macht
und tut was er kann, ohne Nerven und Geduld zu verlieren, auch wenn ich die Aufgaben zum xten Mal nicht peile. Treffen uns jetzt dreimal die Woche, um Lagerhaltungskosten, Staffelzinsen
und ähnliche Kracher zu berechnen. Sonntagstraining entfällt bis zur Prüfung, Kuhnke ist die
Großzügigkeit in Person. Mir platzt die Birne, aber Forsbeck gibt Gas, freundlich und ohne
Gnade.
Ende im Gelände
Eigentlich unsere beste Saisonleistung. Selbst Mertesacker ist zufrieden und Kuhnke verzichtet
auf seine ätzenden Sprüche, die er fast nach jeder Klatsche ablässt. Waren diszipliniert, haben uns
total reingehängt, trotz der miesen Ausgangslage. Zwei saubere Hütten gemacht, aber vier
kassiert, exakt im 20-Minuten-Takt, wie bestellt. Gnadenlos gut, diese Inselaffen. Ball erobern,
Ball verwalten und urplötzlich zuschlagen. Ging selbst für Akele zu schnell. 200.000 Mäuse
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komplett außer Reichweite. Kriege allerdings gute Kritiken von den Tommies. Das erste Ding
selbst gemacht, aus 25 Metern, das andere punktgenau für Pancic aufgelegt. Kam mir trotzdem
vor wie Pinocchios großer Bruder. Wäre ´ne Maßnahme, auch mal in so einem Starensemble wie
Chelsea kicken zu dürfen.
Lachnummer
Die gesamte Prüfung ist der totale Witz, von Anfang bis Ende. Ewiger Formularkram, Laufzettel,
Leistungsprotokolle und ständig drei Prüfonkels an den Hacken, Ankreuzverfahren und
mündliche Abfragen als Quiz, für die ganz Doofen. Super für mich. Warum wandeln
Einzelunternehmer ihren Betrieb in eine GmbH um? (Wie oft wurden die Faroer-Inseln Fußball
Weltmeister, 3 Mal, 18 Mal, oder null Mal?) Absoluter Idioten-Test. Außerdem wurde gleich zu
Beginn verkündet, Mathe ist komplett raus und Deutsch wird nicht mehr bewertet, weil Mathe
und Deutsch sowieso keiner mehr peilt. Forsbeck zuckte entschuldigend mit den Schultern, ganz
neue Vorschriften. Alles geht glatter als glatt, nur Buchführung war knapp, 51 Prozent, dank
Forsbecks gezielter Hilfestellung. Werde dem Knaben eine Terrasse für seine neue Hütte
spendieren.
Finale
Müller und seine gesamte Geisterbahn sind zum Gratulieren angetreten. Haben die Rückenlehne
meiner Sitzgelegenheit mit meinem Trikot verziert, verschweißen und an eine Bürowand tackern
lassen, als ewiges Andenken. Nicht jede Buchhaltung hatte schließlich einen aktuellen
Europameister als Azubi, sagt Müller und drückt mir mein innerbetriebliches Ausbildungszeugnis
in die Hand. Nicht der unbedingte Knaller. Ich hätte mich ´im Rahmen meiner Möglichkeiten
stets bemüht´. Der Typ kennt keine Verwandten.
Am nächsten Tag kriegt jeder in der Abteilung ein Autogramm mit einer Kiste Sekt drunter, nicht
wegen der tollen Zeit, sondern mehr aus Erleichterung. Gut, gebissen hat keiner, außer Müller,
aber die Freunde für´s Leben waren auch nicht dabei. Kann man auch nicht mit rechnen, sagt
Elgard, in einer Zeit, wo Leute mit härteren Bandagen um ihre Jobs kämpfen als wir Profis um
die Murmel. Die echten Klimakatastrophen finden am Arbeitsplatz statt. Kann sein. Hauptsache
ich bin weg und für Müller nicht mehr greifbar.
Scherzartikel
Offizielle Post vom Verein bekommen. Kuhnke gratuliert zur bestandenen Prüfung und bietet mir
eine Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter in der Buchhaltung an, zwei Jahre Probezeit, 18 Tage
Urlaub pro Jahr, Gehalt nach Tarif, vermögenswirksame Leistungen, ein halber Tag
Bildungsurlaub pro Jahr. Mit freundlichen Grüßen. Habe den Brief sofort an Forsbeck
weitergeleitet. Soll einen geeigneten Ersatzmann für mich finden und zur Vereinsleitung
schicken. Bin gespannt wie Kuhnke reagiert.
Juni
Zum Ende ging´s. Einigermaßen auf der neuen Position angekommen. Selbst Klopp lässt mich
als Spielmacher auflaufen, mit der ´10´ im Kreuz und einigermaßen Erfolg. In Tschechien 2:2
(war mehr drin), gegen Südafrika ein sauber zelebriertes 4:1. Die Pässe finden Abnehmer und
selbst Rahmani, der alte Stinkstiefel, findet lobende Worte. Findet er sonst nur für sich selbst.
Klopp grinst und meint, wenn irgendwann die Kompression nachlässt, stellt er mich ins Tor.
In der Meisterschaft haarscharf auf Platz 5 gestrandet, Döner-Cup berechtigt, dank
schwächelnder Konkurrenz. Überall verletztes Spitzenpersonal und jede Menge Knatsch, drei
Trainerentlassungen in den letzten zwei Wochen. Spielen demnächst gegen Traumteams aus
Mittel-Mazedonien, Nord-Norwegen oder der hinteren Ukraine. Nicht unbedingt der Bringer,
aber die Clubkasse freut sich, sagt Kuhnke.
Damenbesuch
Der Ersatzmann, den Forsbeck schickt, ist eine Dame, und Kuhnke lässt sich tatsächlich nicht
lumpen. Spendiert der molligen Lady (Prüfungsbeste aus meiner Parallelklasse) einen
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kompletten, unbefristeten Arbeitsplatz ohne vorheriges unbezahltes Praktikum und überweist mir
prompt 100 Euro Vermittlungsprovision. Macht einen halben Stuhl für Forsbecks halbfertige
Terrasse.
Ausverkauf
Elgard sagt, Renato ist nach Sevilla verscherbelt worden. Irgendein russischer Ölprinz hat den
Club eingesackt und kauft alles, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt. Wenn der
Ölonkel nicht plötzlich einen Rückzieher macht, dann kann Sevilla in zwei bis drei Jahren ganz
oben bei den Großen mitheulen, wird sich bei dem Budget nicht vermeiden lassen. Der Clubvize,
sagt Elgard, hat bereits meinetwegen unverbindlich angeklopft. Junge, unverbrauchte
Spielmacher mit Torjägerqualitäten und internationalem Niveau sind übersichtlich gesät. Könnte
eine lukrative Sache werden und Sevilla als Wohnort hat seine Reize.
Werbeverträge
´Haben uns werbestrategisch neu aufgestellt´ (Elgard). Mache weniger Kleinkram, dafür gezielt
Reklame für Top-Adressen. Imagemäßig besser, weniger zeitintensiv und deutlich mehr Asche.
Sind bei Opel-Maserati und der Nürnberg/Vancouver gelandet. Die Produktionen der Spots
steigen in Rom, den Rockies und Köln-Knappsack (Studio). Ich darf jeweils einen ganzen Satz
sagen, in 50 Varianten, bevor die Filmleute happy sind. Vor jedem ´Take´ wird nachgeschminkt
und nachgestylt, geht fürchterlich auf die Nüsse. Schauspieler wäre auf Dauer nicht mein Ding,
zu viel verplemperte Zeit für nix. Die Gagen könnte man auch als Schmerzensgeld bezeichnen.
Die Resultate sind allerdings brauchbar, optisch okay und sogar witzig, sagt selbst die
Sportpresse.
2031 / 2032
August
Vierzehn Tage Koh Samui, Mini-Insel vor Thailand, aber total okay, mit absolut heißer Go-Cart
Bahn. Pfeifen täglich im Zickzack um fette Palmen rum. Elgard verliert immer, weil sein
Schnitzelgürtel die Endgeschwindigkeit massiv senkt. Anschließend wieder Spreewald. Hat sich
bewährt, sagt Kuhnke, können uns ungestört vorbereiten. Außerdem fliegen hier um spätestens 8
Uhr die Bürgersteige weg und jede Extratour landet nach zehn Schritten im Sumpf. Sechs
Neueinkäufe, fünf Nobodys und einen Nationalspieler aus Irland, O´Leary, 24, Linksaußen mit
Parkuhrformat, aber kompakt, bissig und schnell wie Sau. Trabt ohne Bällchen keinen Meter
mehr als unbedingt nötig, aber sobald die Murmel in Reichweite kommt, zündet der Stöpsel
seinen Nachbrenner. Hat krasse Körpertäuschungen drauf und kurvt mit Top-Speed und Ball am
Fuß durch jeden Lattenzaun. Betong & Co kriegen den Irren nur auf die ganz harte Tour gestoppt.
Mal sehen, was der Knallfrosch unter Druck leistet.
Liege mit Allimboha auf einer Bude. Verstehen uns prima. Ali plappert wie ein TV-Reporter, mit
1000 Fehlern, aber witziger. Die Knalltüte spielt Weltklasse-Schach. War außer Fußball der
einzige Spaß in seinem Dorf. Irgendwelche Besatzungstruppen hatten bei ihrer plötzlichen
Abreise jede Menge Schachspiele zurückgelassen und seit dieser Zeit wurde im Kaff entweder
gepölt oder ´geschacht´. Das Brikett kann nicht schreiben und lesen, aber zockt mich ab wie nix.
Acht bis zwölf Züge und ich bin matt.
Ansonsten Leithammelstatus. Bin ganz vorne bei den Laufeinheiten, der Karajan (?) der Truppe,
Hauptautogrammschreiber, Fotomodell und Interviewpartner, immer mitten in der dicksten Tinte,
keine ruhige Sekunde mehr. Für einen Tag mal ganz hübsch, nach einer Woche wird man ganz
allmählich aggressiv.
Surprise, Surprise
Freistellung zur Sportgala in Baden-Baden. Elgards Minimalziel: ich werde Fußballer des Jahres.
Blitzlichtgewitter, roter Teppich, laufende Kameras und Prominenz ohne Ende und Politiker im
Rudel. Top-Sportler im Handgepäck bringen wahrscheinlich mehr Quote als durchgeweichte
48
Parteiprogramme und der tägliche Mikromarathon. Sieht insgesamt aus wie bei einer
geschrumpften Oscar-Verleihung. Stecke in maßgeschneidertem Outfit, Zweireiher mit Weste
und hauchfeinen Streifen, durchgestylte Matte und staubfreie Lackschühchen, der Schwarm aller
ledigen Schwiegermütter. Fettes Programm mit Musik von ´Rotten Fish´ und tonnenweise
Geschwafel von Verbands- und Medienhäuptlingen, kotz, würg. Dann kommt der Showdown, ich
tippe auf Platz drei, aber der alte Schwede gewinnt.
Gehe mit zehn Prozent Vorsprung über die Ziellinie, Rahmani, der alte Stinkstiefel, ist der erste
Verlierer. Tätä, Tätä, Schneffzäng. Ich muss auf die Bühne, darf in drei bis vier Sätze stammeln,
wie glücklich ich bin und werde anschließend von den Medien durch den Wolf gedreht. Der
Einzige, der sich wirklich freut ist Elgard. Unsere Tarife ziehen an. Bin inzwischen ein richtig
teures Kerlchen.
Empfang
Das Spreewaldcamp bietet auf, was geht. Werde von drei Bürgermeistern (Schwergewicht &
Sumoringer), einer Gurkenkönigin (?) und einem Gemischten Chor (Gehörlose & Erkältete)
begrüßt, der abschmettert wie Carusos Rache. Zwei Spanferkel kokeln auf dem Grill und Acker
spendiert einen halben Tag ohne Laufeinheiten. Nur Akele macht ein bedröppeltes Gesicht,
umarmt mich zehnmal und schenkt mir seine Halskette als Talisman. Allimboha und Pancic, die
beiden Vollidioten, haben den armen Jungen verklickert, der Verein hätte mich für einen neuen
Mannschaftsbus nach China verkauft und heute wäre meine Abschiedsfete. Zur Feier des Tages
sind für jeden drei Glas Bier erlaubt. Am Ende ist die halbe Truppe voll angedröhnt, besonders
Pancic und Jungnikel. Muss Starkbier gewesen sein, erklären die beiden Pappnasen beim
Frühstück.
Angebot
Seit einer Wochen zu Hause, Testspielphase und platt wie ´n Bierdeckel. Werden von unserer
eigenen Reserve und zwei Regionalligisten gnadenlos vorgeführt. Nur O´Leary hält dagegen.
Komischer Kunde. Sieht immer aus wie gerade von der Matratze gefallen, kriegt im Lauftraining
seine Babyschuhe kaum bewegt (Größe 39!), aber sobald der Gong kommt, tobt Rumpelstilzchen
los. Einziger Haken: die Knallerbse hat da, wo bei anderen das Hirn sitzt, selbstzündende
Feuerwerkskörper. Fliegt in drei Spielen zweimal vom Platz. Rastet leichter aus als ein Pavian
mit Zahnschmerzen und verwechselt dann Fußball mit Catchen. Mittendrin erscheint Elgard mit
Eurozeichen in den Augen. Der russische Zar aus Sevilla macht ernst. Auf dem Tisch liegt ein 4Jahresvertrag mit beeindruckenden Konditionen. Eigentlich unablehnbar.
Sevilla
Mit einer Chartermaschine und Kuhnkes Okay Richtung Süden. Auf dem Airport schlappe 45
Grad im Schatten und Windstille, Open-Air Sauna. Stadtrundfahrt in abgedunkelter
Promischaukel. Alles beeindruckend, quasi ein bewohntes Museum. Hier war mal der Nabel der
Welt, erklärt Elgard. Kann sein, aber für unsereinen sind Spielorte quasi absolute No-Go Area.
Clubhaus und Trainingsgelände sind flammneu. Sieht aus, als wäre ein Ufo gelandet und liegen
geblieben. Die Büro- und Mannschaftsräume sind voll klimatisiert, auf die Plätze knallt der
Lorenz. Mindestens 50 Grad an der Grasnarbe. Trainiert wird später am Abend, erklärt der
Vereinsvize, ein molliger Eingeborener mit zwei Literflaschen Olivenöl im Haar, alles kein
Problem. Elgard und der Ölscheich palavern knapp eine Stunde, dann geht´s retour. Bei uns nur
schlaffe 30 Grad, leichter Wind und morgen soll´s sogar regnen. Außerdem, sagt Elgard, sind bei
den Spaniern alle Positionen doppelt besetzt, und als Spielmacher ist Pelinho vorgesehen, anstelle
von Renato, den die Russen gleich nach Moskau umgeleitet haben. Künstlerpech. Und Pelinho ist
der absolut kommende Mann im Mittelfeld. Ich wäre wahrscheinlich nur zweite Wahl oder würde
als Staubsauger vor der Abwehr verbraten. Das Angebot könnte aber helfen, um Kuhnke wieder
ein paar Extrascheine aus den Rippen zu leiern. Soll mir recht sein.
49
Umzug
Im ganzen Trubel fast untergegangen – die Einweihung unserer neuen ´Kaserne´. Jugendherberge
de luxe, noch fetter als das Ensemble in Sevilla. Alles nur allererste Sahne, damit die Herren
Profis vier Stunden pro Tag gepflegt abhängen können zwischen ihren Trainingseinheiten,
Behandlungen, Massagen und Presseterminen. Offizieller Name ´Recreation Centre´. ´Ein
Nonplusultra von Funktionalität und Architektur´, schreiben die Medien. Für mich sieht das Ding
einfach nur schräg aus. Keine geraden Linien, alles rund und bunt und innen drin tausend
versetzte Ebenen. Nur eine Frage der Zeit, bis sich irgendwer aus der Profiabteilung die Haxen
bricht. Hat insgesamt 35 Mille gekostet, offiziell. In Wirklichkeit, wird gemunkelt, einiges mehr,
genau weiß das wahrscheinlich nur Kuhnke. Glas, Marmor, Leder, fünf ganze Bäume mittendrin,
Beleuchtungskunst und alles gigantisch. Gegen unser neues Herrenhaus ist jedes Hilton eine
Gartenlaube, sagt Jansen, Luxus pur. Schwimmbad (mit Whirlpool und Sprungbrett), Sauna,
Snooker, Tischtennis, Tennishalle, Kino, etc. Der Hit ist das neue Communication-Centre. Für
jeden Kicker eine direkte Ton- und Bildleitung nach Hause, Kinderzimmer oder Kühlschrank,
kein Problem, selbst wenn der Kühlschrank in Nigeria steht. Okay, für mich nicht der Kracher,
aber für unsere Familienväter der absolute Hype. Hängen jede Minute am Screen und googlen
sich die Augen aus dem Kopf. Silbermedaille für die ´Kantine´. Mediterrane Atmosphäre und ein
5-Sterne Koch, Verpflegung zu jeder Tages- und Nachtzeit, Karte Fehlanzeige, Sonderwünsche
erwünscht. Alles nur, damit keiner von uns Vollpfosten merkt, dass wir eigentlich rund um die
Uhr im Dienst sind, sagt Pancic. Das einzige was fehlt ist ein anständiger Club Chérie. Schade.
Besonderheit: auf Wunsch des Trainers im Eingangsbereich und im Ruheraum jeweils ein dicker,
fetter Buddha. Die freundlichen Möpse aus Marmor oder so sollen Ruhe und Gelassenheit
ausstrahlen und uns inspirieren. Funktioniert prima, einige im Team bewegen sich tatsächlich wie
diese beiden Marmoronkels, leider auch im Match.
Angebot und Nachfrage
Schlechte Karten für Kuhnke. Wenn ich nach Sevilla verdufte, kann Mertesacker seine
Saisonplanung vermutlich voll in die Tonne klopfen. Brauchbarer Ersatz dürfte bis zum Ligastart
und zu vertretbaren Konditionen kaum zu beschaffen sein. Der Alte faselt drei Tage lang von
Erpressung und Ausbeutung und davon, dass man Reisende nicht aufhalten soll, dann liegt das
Friedensangebot auf dem Tisch. Weniger als in Sevilla, aber deutlich mehr als vorher. Die
spanischen Russen sind stinksauer über die Absage und bessern nicht nach. Egal, Etappenziel
voll erreicht, sagt Elgard, trotzdem sollten wir uns allmählich Gedanken über eine
Luftveränderung machen.
September
Saisonstart in Hamburg. Ordentlich Sand im Getriebe. Islop packt kurz nach Anpfiff voll ins Klo
und die Truppe schwimmt. Meine Pässe landen in Timbuktu, Ali dribbelt sich die Schuhe eckig,
Pancic hat seinen Kompass vergessen, Jungnikel verschwindet mit ´rot´ in den Katakomben und
Akele ballert sich selbst den Ball vor die Birne. Klassischer Knock Out. Die Fischköppe johlen
vor Vergnügen. O´Leary ist der Einzige ohne Nerven. Wuselt wie Harry, fordert jeden Ball und
haut in der 40. Minute zwei (!) Dinger in die Maschen. Führung zur Halbzeit, völlig unverdient,
die Fischköppe schnappen nach Luft. Acker wechselt zweimal aus, aber ohne jede Wirkung.
Hamburg macht Druck, O´Leary legt noch einmal nach. Ende vom Lied: 3:0 für die Schlechteren.
Akele packt sich den Zwerg und trägt ihn zehn Minuten lang um´s Viereck. Der Anhang tobt.
Irland wird morgen eingemeindet.
Buddha Tourismus
Das gesamte ´Recreation Centre´ wird über Nacht ausgeräumt, alles futsch, was nicht niet- und
nagelfest war, Monitore, Möbel, Sportgeräte, die komplette Küche, inklusive Buddhas. Keine
Spuren von Gewaltanwendung. Das Überwachungssystem war entweder defekt oder gezielt
deaktiviert. Wahrscheinlich Profiarbeit, erklärt die Polizei, eventuell mit Unterstützung von
Insidern. Außerdem Teamwork. Bei der Menge und Schwere der abgestaubten Sachen muss
davon ausgegangen werden, dass jede Menge Räumpersonal am Werk war. Alleine die beiden
50
Buddhas wiegen zusammen knapp 300 Kilo. Über die Höhe des Schadens gibt es keine
offiziellen Angaben, gemunkelt wird von glatten sechs Millionen.
WM Quali
Klopp und der Rest der Nation ist zufrieden. Wieder mal Schwein gehabt bei der Auslosung. In
unserer Gruppe sind Giganten wie Malta, Montenegro und Moldawien. Dazu kommen Bulgarien,
Finnland und Spanien. Der Erste kommt direkt zur WM, der Zweite muss in den Hoffnungslauf.
Sollte zu packen sein, denke ich, zumindest der zweite Platz. Die Zentralorgane sind natürlich
schon einen Schritt weiter. Als amtierender Europameister dürfte uns der WM-Titel kaum noch
zu nehmen sein, besonders nicht nach so einer Lotterie. Völlig verstrahlte Bande.
Rückvergütung
Mit Elgard gesprochen, werde Mama und Papa ein Häuschen spendieren. Finanziell kein
Problem, wir müssen allerdings aufpassen, dass Papa nicht abdreht, sagt Mama. Je fetter meine
Schlagzeilen werden, desto mehr flippt mein Erzeuger aus. Rennt im ganzen Ort rum und
verklickert jedem, welchen Helden er in die Welt gesetzt hat, selbst seiner Kundschaft am
Schalter. Wenn der Trieb noch stärker wird, sagt Mama, kommen bald die Jungs mit dem weißen
Jäckchen oder sie lässt sich scheiden. Wenn überhaupt, dann bitte nur eine ganz kleine Hütte.
Habe die Sache an einen Makler abgegeben.
Schicksal
Neuer Werbespot. Ich stehe vor meinem neuen Premium Sport Coupé und kriege die
Chromschleuder nicht gestartet. Eine flotte junge Dame kommt mit ihrem Rädchen vorbei, hält
an und zeigt mir wie kinderleicht die neue Elektronik funktioniert. Schnitt. Das Fahrrad steckt
halb im Kofferraum, die flotte junge Dame und ich fahren aus dem Bild, sie am Steuer, ich
bewundernd daneben. Schwachsinn das Ganze, aber die junge Dame ist magnetisch, irgendwie
witzig und heißt Victoria. Deutsch-Amerikanerin. Das könnte was werden, Volltreffer.
Eingesammelt
Ein Buddha ist aufgetaucht, irgendwo in Norddeutschland. Wurde einem Sammler angeboten, der
zuerst auf den Deal einging, dann aber kalte Füße bekam und die Bullerei informierte. Der
Lieferant wird bei der Übergabe einkassiert, eingelocht und abgefragt. Bisher ohne Erfolg.
Trotzdem schlechte Karten, denn der Dicke stammt definitiv aus unserer Hütte. Frage Elgard, wie
viel Jahre Knast auf Buddhamopsen stehen. Drei Jahre Cheeseburger bei McDoof, erklärt der alte
Schwede, und zwar vier Mal täglich.
Vicky
Unentschieden zu Hause gegen Mainz. Unterirdische Vorstellung. Nur unser Irrer trifft ein Mal.
Einziger echter Lichtblick am Wochenende ist Vicky. Treffen uns nach dem Gekrampfe in
unserer Mannschaftsdisco. Pancic hat sofort Interesse, Vicky aber nicht. Stammt aus Kalifornien,
ihre Mutter ist Deutsche, Daddy Amerikaner. Die Kleine lebt seit acht Monaten in Hamburg, um
ein paar Filme zu machen, Werbung, aber auch richtige, zum Beispiel ´Tatort´. Von mir weiß sie
nur, dass ich Fußball spiele. War ihr erstes Match heute Nachmittag und kann den ganzen Hype
nicht verstehen. Nur unsere Parkuhr fand sie total witzig. Erscheine am nächsten Morgen lecker
verspätet im Training. Macht 500 Euro Strafe. Hätte auch das Dreifache bezahlt.
Plaudertasche
Der Buddhaspezialist hat doch ausgepackt. War eine organisierte Angelegenheit mit zwei
Möbelwagen und sechs handwerklich geschulten Leuten aus unterschiedlichen
Himmelsrichtungen. Dürfte schwierig sein, die Herrschaften zu fassen, alle in den Tiefen des
Raumes verschwunden. Der Drahtzieher kommt allerdings von innen, ein Clubangestellter mit
Nachschlüsseln und detaillierten Kenntnissen, Name: Reufels. Kaum zu glauben, haut mich total
vom Hocker. Ausgerechnet Reufels. War doch einer der wenigen Normalen im Club, komplett in
Ordnung und für jeden Quatsch zu haben. Wenn ich irgendwem meine Mastercard anvertraut
hätte, dann Reufels.
51
Oktober
Haus gefunden, alleinstehend, knapp 100 m², Terrasse, Fußbodenheizung, Doppelgarage, kleiner
Garten mit alten Bäumen, uneinsehbar wegen fetter Hecke. Nicht ganz billig, aber Mama und
Papa sind happy, endlich raus aus der alten Etage. Dazu gibt´s für Mama eigene vier Reifen,
damit sie zügig zur Arbeit kommt. Papa macht große Pläne zwecks Renovierung, dabei ist die
Hütte total in Schuss. Mama versucht zu bremsen, denn der Umbau geht auf eigene Kappe. Was
die beiden von jetzt an machen, ist ihr Bier. Ich denke, Mamas Einsicht und seine eigene
Bequemlichkeit werden den großen Meister locker ausbremsen.
Abrechnung
Reufels sitzt und packt aus, aber nicht nur bei der Bullerei. Verkauft seine Geschichte an den
´Star´ und wird der fette Aufmacher. Haut lecker um sich, der alte Knabe. – Hat als Insider den
Bruch organisiert, aber nicht nur wegen der Knete, sondern mehr aus Überzeugung. Konnte es
nicht mehr ertragen, wie abgedrehte, total überbezahlte Torfnasen alles reingeblasen bekommen,
während drum herum das normale Volk für Peanuts ackern darf. Auch er. Über 20 Jahre
Clubangestellter mit Minigehalt und 21 Tagen Urlaub. Ständig Überstunden, fast jedes
Wochenende im Eimer, Maloche ohne Ende und trotzdem nichts Vernünftiges im Kühlschrank.
Urlaub auf Balkonien, Klapperkisten aus dritter Hand und für Extrawünsche null Spielraum.
Abendessen und 15 rote Rosen zur Silbernen Hochzeit, mehr war nicht drin. Und den Herren
Profis wird der Arsch nachgetragen. Plüschsofa hier, 1000 PS da, 5-Sterne Leckerchen und alles
auf lau. Ganz schön heftiger Kommentar. Und der Knabe hat mir Autofahren beigebracht.
Vicky
Kommt und bleibt eine Woche, probehalber. Endlich mal Leben in der Hütte. Immer nur Elgard,
irgendwelche Pressefutzis oder Pancic sind nicht wirklich die Bringer. Absolut pfiffig die Kleine,
kein Vergleich mit den üblichen hirnlosen Hühnern. Daddy ist irgendein höheres Tier bei der
UNO in New York, Mutter lebt die meiste Zeit in Kalifornien. Skypen jeden Tag miteinander und
ich darf mich gleich vorstellen, zum Glück auf Deutsch.
O´Leary
Unsere Dampfnudel knallt komplett durch. Halb so hoch wie´n Kanaldeckel aber frech wie
Stacheldraht. Wird in Berlin dreimal hintereinander krass von den Beinen geholt und läuft danach
Amok, obwohl sein Gegenspieler zwei Köpfe größer ist. Ende vom Lied: sechs Wochen Sperre,
30.000 Euro ans Rote Kreuz und zwei Zähne weg, aber nicht bei O´Leary. Ziemlich
unausgeglichen der Knabe. Außerhalb der Manege ´n Tasse Baldrian, innerhalb blankes Dynamit.
Kuhnke für seinen Teil zieht sofort die Notbremse, schnappt sich den Giftzwerg und liefert ihn
beim Psychiater ab, bevor der Knilch noch irgendwen umbringt.
Umzug
Vicky bricht in Hamburg ihre Zelte ab und kommt rüber. Ihr Gepäck besteht aus drei Koffern,
ungefähr 200 Papier- und Plastiktüten und einem satten Kuschelkrokodil. Das, was an
Filmaufnahmen anfällt, kann man auch von meiner Hütte aus erledigen. Ist durch den Wechsel
allerdings nicht mehr nah genug am Ball, sagt Vicky, könnte sie die ein oder andere Rolle kosten.
Als Entschädigung gibt´s mich und ein neues Cabrio, ihre Rostlaube ist Futter für die
Schrottpresse. Neben ihrem Rollenstudium bringt die Dame ´aktuelles Niveau´ in meine
Junggesellenbude. Vier angesagte Innenausstatter und Maler sind eine Woche lang rund um die
Uhr mit Dekorationskram beschäftigt, exakt nach Vickys Vorgaben. Bewohnen währenddessen
eine fette Hotelsuite. Das Ergebnis ist gewöhungsbedürftig, krasse Farbwechsel von Raum zu
Raum, durchgehend schwarze Fußböden und zwei komplett verspiegelte Wände im Bad und
Schlafzimmer. Elgard weigert sich kategorisch, unsere Gruft zu betreten. Pancic findet die Hütte
rattenscharf und verpflichtet unser Deko-Quartett auch für seinen Tempel.
52
November
Murksen uns langsam aber stetig nach oben, auch ohne O´Leary. Die Parkuhr hängt im Training
voll durch, trabt rum wie ein Treibanker und gibt keinen Ton von sich. Alles die reine
Energieverschwendung solange kein Spiel anliegt, antwortet unsere irische Sprengkapsel auf
Nachfrage. Bin gespannt, ob der Psycho-Onkel den Wahnsinnigen umpolen kann. Trotzdem
läuft´s einigermaßen. Akele stolpert sein erstes Saisontor zusammen (mit der Milz), Pancic staubt
regelmäßig ab, Islop greift sechs Spiele hintereinander nicht ins Klo und ich bin dabei ein
brauchbarer Zehner zu werden, sagt Elgard und klopft sich selbst auf die Schulter. Unser Glück,
dass wir nicht in Sevilla angeheuert haben, um die Reservebank zu verstärken. Wenn die Saison
so weiterläuft, bieten sich bessere und lukrativere Alternativen.
No Justice
O´Learys Berufungsverfahren geht voll in die Hose, statt sechs darf der Irre acht Spiele absitzen,
der Hinweis auf die laufende psychologische Behandlung hat keine Sau interessiert. Die Henker
vom Sportgericht halten den Schrumpfkrieger für absolut unsportlich und gemeingefährlich.
Kuhnke springt im Dreieck und unser Rechtsverdreher gibt den Deppen vom Dienst, klassisches
Eigentor. Nur O´Leary verzieht keine Mine. Zuckt mit den Schultern und betrachtet interessiert
die Spinnweben an seinen Fußballschuhen.
Pokal
Gewinnen locker und z. T. spektakulär. Delmenhorst 8:0, Wuppertal 6:1, Saarbrücken 5:0,
obwohl keiner von uns Vollgas gibt. Wir sind kickende Notstromaggregate. Nur noch englische
Wochen. Training ist reine Beschäftigungstherapie, taktisches Palaver und aktive Reha. Jede
Menge Teilzeit-Invaliden. Betong eiert mit dicken Sprunggelenken über die Wiese, Islop hat im
Saarland Alu geküsst, Pintos Rückennerven glühen, Ekengas Leiste zwiebelt und Gringic, unser
zweiter Abräumer, liegt mit abgebrochenen Rippen in Watte. Husten oder Lachen zerreißen den
Knaben. Mein linkes Knie sticht und der rechte Trapezius blockiert. Nichts gravierendes, aber
unangenehm. Prof. Schneider verordnet Wärme, Unterwasserjogging und Spritzen, bevor es ernst
wird, rein präventiv, wie der große Medizinmann immer sagt.
Gen Technik
Die echten ´Sensationen´ finden zurzeit nicht im Fußball statt, sondern in Belgien. Auf einem
Mastbetrieb in der Nähe von Brügge sind total abartige Ferkel zur Welt gekommen, vier Ohren,
drei Augen, zwei Schwänze und so weiter, absolut krass. Durch genmanipulierten Futtermais
mutierte Tiere, sagen einige Wissenschaftler. Völliger Quatsch, meinen die Konkurrenzexperten,
eine normale Laune der Natur, Mutationen hat´s immer gegeben, kein Grund zur Panik, alles im
grünen Bereich. Nur keine Hysterie. Leider kommen nach und nach immer mehr ´Mutationen´
aus der Versenkung. England hat drei Kälbchen mit zwei Köpfen (sieht pervers aus) und auf einer
Fischfarm in Norwegen dümpeln extra breite und lange Lachse mit der doppelten Anzahl von
Kiemen vor sich hin. Gesundheitlich alles unbedenklich, sagt der Züchter und verspachtelt das
schräge Schuppenvieh gebraten und roh vor laufenden Kameras. Mahlzeit.
Dienst nach Vorschrift
Fußball ist weniger spektakulär. Bukarest, Trondheim, Trabsonspor, nicht gerade die Traumlose
im Looser Cup. Bis auf Bukarest insgesamt knappe Angelegenheiten, aber wir mogeln uns durch.
Spiele für die Statistik, nix für die Titelseiten. Einzige Erkenntnis: wir können uns punktgenau
auf unsere Aufgaben konzentrieren und den gerade notwenigen Gang zielgenau einlegen. War
auch schon mal anders. Haben trotz Dauerstress einigermaßen Ruhe und Zeit, um durchzuatmen.
Wird sich mit der ersten Pleite schlagartig ändern.
Stimmung
Fußball bzw. Sport geht momentan allen am Arsch vorbei. Die Welt teilt sich in zwei Lager, für
und gegen Gen-Technik. Die Ökos sprechen vom Ende der natürlichen Welt, Industrie und einige
Gelehrte reden von der größten Chance aller Zeiten überhaupt. Hunger ist in absehbarer Zeit
53
Schnee von gestern und das ewige Leben ist keine Utopie mehr. Wunderbar, sagt Elgard, aber
wohin mit dem ganzen Leben? Wer bringt die vollgemampften, unsterblichen Horden unter? Wie
beschäftigen und wie finanzieren?
Brüssel reagiert zackig. Man verspricht die Schaffung einer Behörde zur zentralen Überwachung
von Gen-Technik und Gen-Produkten. Verstöße gegen bestehende Vorschriften sollen in Zukunft
mit anständig Knast bestraft werden. In Südengland, stellt sich nebenbei heraus, hat man
inzwischen Mastrinder gezüchtet, die fast eine Tonne wiegen. Sehen aus wie aufgepumpt oder
wie verkleinerte Dinos. Etliche hundert von den Monstern sollen sich bereits in Wurst und
Schnitzel verwandelt haben. Ohne Reklamationen. Super. Im Prinzip feine Sache, diese
Genforschung, sagt Elgard. Aber was passiert, wenn das erste menschliche Baby mit vier Armen
und zwei Nasen auftaucht oder mit Kiemen? Auch ´ne Laune der Natur?
Dezember
Überwintern auf Platz drei, mit Kontakt zu Berlin und München. Bin total platt, Akku alle.
Bänder, Sehnen, Muskeln und Gelenke jubeln, trotz intensiver Betreuung. Zu viele Schritte, zu
viele Tritte. Meisterschaft, Pokal, Döner-Cup und WM Quali und jeder Kick ein Endspiel, alles
mit Konzentration und Vollgas. Elgard hatte für mich einen Fünf-Sterne-Reha-Schuppen in
Kärnten ausgeguckt (auf Vereinskosten!), zwecks großer Inspektion. Hat die Rechnung ohne
Vicky gemacht. Die Lady will nach Kalifornien. Hat seit mehr als einem Jahr Mom und Dad
nicht mehr erlebt, außer über Screen. Keine Chance für Elgard und sein Rehateil in Pusemuckel.
Verschwindet samt Gattin, ohne uns ´Frohe Weihnachten´ zu wünschen.
´Hier scheint Tag und Nacht die Sonne´
Schwachsinniger Werbeslogan, aber irgendwie zutreffend. Knatschheiß, ohne Klimaanlage geht
nix. Ansonsten kein schlechtes Plätzchen, wenn man sich im klimatisierten Schatten aufhält.
Vickys Mutter bewohnt einen flotten Bungalow in Santa Barbara. Nicht der absolute HighSociety Distrikt, aber trotzdem erste Sahne, Panorama-Balkon mit Blick rüber nach Japan, dazu
Palmen und Pool. Zwei Meilen weiter beginnt die 3.Welt, Wohncontainer, Autowracks und
mittendrin total krasse Typen, von unterernährt bis XXXL. Vicky kann sich über Dreck und
Leute ziemlich aufregen. Kein Funken Anstand und Stolz im Leib. Antriebsloses Pack,
drogenabhängig und kriminell und meistens irgendwelches illegales Gesocks aus Mexiko oder
Bimbos. Zweibeinige Vorstrafenregister. Müssten entweder sofort abgeschoben werden oder alle
in irgendwelchen Boot-Camps verschwinden, ohne Aussicht auf Wiederkehr. Aber keine
Regierung greift durch und die lieben Cops bleiben fein auf Distanz. Weicheier. Greifen lieber
betuchtes Volk wegen ´Speeding´. Da klingeln die Kassen und man bleibt gesund.
Vicky flitzt die meiste Zeit durch die Gegend und besucht alte Freunde, mal mit, mal ohne
Mummy. Ich liege im Schatten am Pool, dampfe vor mich hin und schone die Knochen.
Unten im Yachthafen hat Mummy ein mittelfeines Motorboot, mit dem wir die Küste entlang
schrubben. Daddy kann nicht kommen, auch nicht Weihnachten, hängt in Sierra Leone fest. Für
Vicky und Mom nichts Neues. Daddy leitet irgendeine Stelle für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und rettet im Auftrag der UN die Welt. Muss einigermaßen wichtig sein, denn die ganze Hütte ist
voll mit handsignierten Photos, Daddy und sämtliche Staatspräsidenten der Welt. Auch unser
Präses ist vertreten. Mutter macht auf grüne Witwe, Ende vierzig, gut erhalten, braungebrannt,
leicht überdonnert, leicht überdreht und wahrscheinlich scharf wie ´ne Rasierklinge. Möchte nicht
wissen, was hier so alles abgeht. Verglichen mit Vicky-Mama ist meine Mutter eine beige
Teppichfliese.
Januar
Der alte Schwede und Vicky werden kein Team. ´Cleveres Luder´ ist noch seine freundlichste
Umschreibung für meine bessere Hälfte. Kriegt Sprechrolle in einer Margarinewerbung. Wird
leider nie gesendet der Spot, weil die Company vorher abschmiert. Zusammen verbrät uns dafür
die Klatschpresse im Dutzend als moderne Musterpartnerschaft: er als Fußballhero, sie als
erfolgreiches Modell und angehender Leinwandstar. Haben ständig irgendwelche Film– und
Fototeams in der Hütte und geben beknackte Interviews. Alles, was nicht reinkommt, hängt in
54
den Bäumen rund um unsere Gemarkung und wartet Tag und Nacht darauf, dass einer von uns
beiden seine Nasenspitze zeigt. Völlig Banane. Einmal täglich erscheint die Polizei und holt die
Kanaken aus dem Geäst, unter Protest.
Anmerkung am Rande: das neue Jahr beginnt auch für andere schlecht. Reufels kassiert für
Buddhamopsen glatte drei Jahre am Stück und ohne Bewährung. Dumm gelaufen. War eigentlich
ein prima Typ.
Februar
Die Murmel rollt wieder, trotz Klimaquerschläger. Arschkalt in Deutschland und überall liegt
Schnee, nicht viel, aber trotzdem Chaos. Welche Gemeinde hat noch Schneeschieber? Nicht mal
München. O´Leary, unser Durstprofi, schleppt satte 5 Kilo plus, hauptsächlich Guiness. Hat mit
einigen Kumpels zu Hause auf der Insel für drei Wochen seine Stammkneipe gechartert und
durchgesoffen, rund um die Uhr, bis zum Verlust der Muttersprache, sagt die Parkuhr. Wäre
absolut üblich in seiner Ecke. Gäbe nichts anderes, entweder Fußball, saufen, oder Kinder
machen. Ihm persönlich macht Saufen am meisten Spaß. Allimboha hat Mama und Papa im
Handgepäck mitgebracht und drei Geschwister. Kuhnke kann jetzt zusehen, wo er die
Herrschaften unterbringt. 160 m² sind zu wenig Grundfläche für einen Zulukral.
Akele steckt in Thermo-Unterwäsche und gefütterten Trainingsanzügen und friert sich trotzdem
noch den Arsch ab. In seiner Sprache gibt es kein Wort für ´Schnee´. Pancic, unser Himbeertoni
vom Dienst, verklickert dem Sonnenkind, dass man statt ´Schnee´ auch ´Langnese´ sagen kann.
Also schliddert Akele über den Trainingsacker und brüllt alle zehn Sekunden: ´Scheiße
Langnese´. Mertesacker steht am Rand, schüttelt den Kopf und schreibt mit. Hat wahrscheinlich
zu Weihnachten ein neues Notizbuch bekommen.
WM Quali
Erster Job auf Malta. Saumäßige Leistung, knüppelharter Acker, ehemalige Panzerstraße. Keine
normale Ballbehandlung möglich. Das ist kein Fußballfeld, sondern ein Zufallsgenerator, sagt
Elgard, bei uns ein glatter Fall für die Glücksspielverordnung. Die Murmel kullert wie ein
Rugby-Ei, und jeder im Team hat Angst um seine Haxen. Das Inselpersonal kennt nichts anderes
und steigt voll ein, trittsicher wie Gämsen. Mime statt Spielmacher den zweiten Abfangjäger vor
der Abwehr, ohne nennenswerten Erfolg, Bälle und Gegner hüpfen munter an mir vorbei. Bin reif
für den Optiker. Trete ohne Absicht ein Inselkind halb bewusstlos, kassiere ´tiefgelb´ und werde
nach 60 Minuten präventiv ausgewechselt, zusammen mit Rahmani. Haben beide einen
gebrauchten Tag erwischt. 0:0 bis zur 85. Minute, dann schießen sich die Kreuzritter-Enkel selbst
ab. Die Murmel verspringt im Fünfer, klatscht der Nummer 4 an den Unterkiefer und von da in
die Maschen. Ausgleichende Gerechtigkeit. In der Kabine trotzdem dicke Luft. Für Klopp sind
einige von uns verdammt schlaffe Flusen, die Flusen nörgeln an seiner Taktik, besonders
Rahmani. Dreht wegen seiner Auswechselung total hohl. Geht mir am Arsch vorbei, drei Punkte
mitgenommen und fertig. Auf diesem Truppenübungsplatz werden noch andere Federn lassen.
Und überhaupt, Hauptsache die Knochen sind noch okay.
Interview Rahmani
Rahmani, der alte Stinkstiefel, lässt zu Hause in Moskau ordentlich Dampf ab. Falsche Taktik,
falsche Spieler, Klopp ist nicht mehr nah genug am Ball. Glatte Majestätsbeleidigung. Der alte
Knipser hält sich mit Abstand für den wichtigsten Mann im Team, hat schließlich in 68 Spielen
36 Mal zugeschlagen, häufiger als jeder andere im Kader. Ihn aus der Partie zu nehmen war ein
totaler Aussetzer. Mit solchen taktischen Eigentoren und Rückwärtsfußball können wir uns die
WM in die Haare schmieren. Wenn Klopp weiter mit ihm planen will, dann nur in Verbindung
mit einer Stammplatzgarantie. Ende und Gong. Ziemlich dicke Lippe für reichlich dünne
Leistung.
Antrittsbesuch
Vicky will unbedingt Mama und Papa kennen lernen. War auf Dauer nicht zu verhindern.
Insgesamt die absolute Peinlichkeit. Hocken in Papas selbst gezimmerter Kellerbar, Modell
55
´Baumarkt-Barock´, Mama kommt mit Kartoffelsalat, kalten Schnitzeln und Ketchup, Papa
schleppt ´deutsches´ Bier an (´Amerika ist groß, aber unser Bier ist besser´) und erklärt
stundenlang, was für ein toller Hecht sein Sohn ist. Als absolute Krönung erscheinen drei von
seinen Spritvernichtern, die sich sofort an Vicky ranschmeißen, ´weil Puppen wie die laufen in
unserem Kaff nicht rum´. Unglaublich, was Gehirne in Verbindung mit Bier und
Doppelwacholder produzieren. Vicky-Baby sitzt mittendrin und strahlt, als würden gerade die
Oscars verteilt. Großartige schauspielerische Leistung. Papa ist total begeistert und tankt
zusammen mit den drei Klappstühlen vor lauter Entzücken noch eine Flasche Doppelfusel ab,
nach ihrem Schützenfestmotto: Gott danken und Sprit tanken.
Abgang
Die Wogen des Frohsinns schlagen Purzelbaum. Rahmanis Interview für ein östliches
Aufklärungsmagazin wird bei uns ganz hoch aufgehängt. Alle geben der Ratte Zunder. Die DFBSpitze reagiert nach 48 Stunden, deutlich und furztrocken. ´Der Spieler Rahmani wird wegen
seiner unqualifizierten Angriffe auf die Mannschaftsführung, insbesondere den Cheftrainer, mit
sofortiger Wirkung und bis auf weiteres aus dem Kader der Nationalelf gestrichen´. Aus die
Maus. Für die meisten kein Verlust, weder menschlich noch spielerisch. War ein aufgeblasener
Fatzke und Alleinunterhalter, kein Team-Player.
Obendrauf verhängt die Chefetage mit sofortiger Wirkung und für die Zeit der gesamten Quali
ein Verbot von Einzelinterviews. Wenn Audienzen gewünscht werden, dann nur unter Aufsicht
von Fachleuten und mit handverlesenen Reportern. Soll kein Maulkorb für uns sein, erklärt Özil,
der DFB Pressemann, sondern mehr Selbstschutz, siehe Rahmani. Wer weiß, welchen Blödsinn
uns die clevere Pressemeute im Verlauf von schlappen fünf Minuten aus den Rippen leiert, sagte
Özil. Und anschließend müssen die Führungsriege und er tagelang palavern, um die Kuh wieder
vom Eis zu kriegen. Dann besser mit Gouvernante. Ein Fall Rahmani reicht. Hinterher sind keine
Nationalspieler mehr übrig.
März
Malta rück. Hauen den Kartoffelkriegern ordentlich die Hütte voll, auch ohne Rahmani, oder
vielleicht gerade deswegen. Bis zur Halbzeit gibt´s vier Volltreffer, dann noch mal fünf.
Wagenblast, Rahmanis Erbe, schlägt bei seiner Premiere dreimal zu. Echter Schnellspanner.
Hätte der große Meister auch nicht besser gemacht, wenn überhaupt. Kapitel beendet. Führen
nach zwei Spielen unsere Quali-Gruppe deutlich an.
Return of the Monster
Unser Knallfrosch darf wieder ran. Zum ersten Mal sehe ich den laufenden Meter vor
Spielbeginn grinsen. Passt mit leichter Hilfe wieder in sein Trikot, hat drei Tage keinen Tropfen
angerührt (sagt er) und fühlt sich topfit. Stimmt. Nach zehn Minuten durchschlagen Ball und
O´Leary das gegnerische Tornetz. Flugeinlage an zwei Mann vorbei und dem Keeper durch die
Fäuste. Hätte meine Birne nie im Leben da reingehalten. Müssten für den Irren eigentlich einen
Waffenschein beantragen. Ende vom Lied: Volkswagen eins wir drei. Graben uns in den oberen
Tabellenregionen ein.
No Go Area
Bannmeile um unsere Hütte herum. Wer in der Nähe des Grundstücks mit Film- oder
Fotoequipment erwischt wird ist fällig, Polizei, Anzeige und satte Geldstrafe. Schreckt trotzdem
nicht alle ab. Lassen die Grundstücksmauer erhöhen, Sichtschutzfenster im Haus einbauen und
über dem Pool ein fettes Dach installieren. Nervt total. Nur mal so zusammen durch die City ist
der totale Wahnsinn. Und wenn Vicky alleine losdackelt, tobt mindestens ein Body Guard an
ihrer Seite, der die Grabscher wegbeißt. Zweimal steigt der gleiche Spinner über unseren
´Westwall´, dann kassiert ihn die Bullerei, leider nur kurzfristig. Irgendwann lege ich Strom in
die Steine.
56
April
Montenegro. Der Geheimfavorit entpuppt sich als Chaotenhaufen. Alles meckert, alles brüllt,
aber keiner bewegt freiwillig seinen Hintern. Und fällt irgendeinem der Akrobaten die Murmel
nicht 100 Prozent genau auf den dicken Onkel, geht das Geschwafel gleich wieder los. Reine
Talk-Show, mehr nicht. Gut für uns. Außerdem hat Wolter seine Zauberpuschen an, schnibbelt
zwei Dinger in die Maschen und Wagenblast macht das 3:0. Der Geheimfavorit wird ein ´Gehheim-Favorit´.
Pläne
Hochzeit nach Saisonende, Termin steht noch nicht genau fest, alles andere schon. Bleibt vorerst
streng vertraulich. Mama und Papa würden mit Sicherheit nicht dicht halten, Elgard würde der
Schlag treffen und die berichtenden Zünfte würden garantiert den Nachbrenner zünden, Stories,
Bilder und Belagerung rund um die Uhr. Vicky übernimmt die gesamte Organisation, ich tanze
bis zur eigenen noch auf vier anderen Hochzeiten.
Monte rück
Arbeitssieg. Die Balkanesen liegen bis kurz vor Schluss 1:0 vorne, dann vermasseln Wagenblast
und ich die Show. Fliege zum Tor des Monats. Flanke von links, knapp über die Grasnarbe.
Schwebe vorwärts und wische die Murmel per Kopf nach hinten, quer durch den Strafraum hoch
ab in´s lange Eck, passgenau in den Knick. Musste mir anschließend eine Hand voll Rasen aus
der Nase pulen. Trotzdem, sehenswert.
Moldawien hin
Schlachtplatte à la maison, sagt Elgard. Mittlerer Blutrausch. Nach neun Minuten ist Wolter parat
für die Notarztkutsche, nach 16 Minuten kann der erste Schwarzmeerbüffel baden gehen, die
restlichen Plattmacher fangen sich fünfmal ´gelb´ bis zur Halbzeit. Reines Survival Training für
uns. Der Risikofaktor sinkt mit Beginn der zweiten Hälfte. Doppelpack in vier Minuten und die
Sache ist erledigt. 30 Minuten gebremster Schaum, dann brutales Frustfoul an Wagenblast. Der
Oberbüffel bricht dem Jungen mit einem einzigen Hieb das rechte Schien- und Wadenbein.
Anschließend plärrt der Knochenbrecher fünf Minuten lang: ´I don´t touch him, I don´t touch
him´. Der Mob auf den Rängen klatscht Beifall, während die Sanis Wagenblast und seine
Gebeine einsammeln. Die halbe Reservebank muss Klopp massiv davon abhalten, dem
verstrahlten Knochenbrecher die Figur zu demolieren. Sieht verdächtig nach Karriereende aus,
berichtet der Presseclub, obwohl man den Jungen zwecks Operation sofort in die Staaten fliegt.
Splitterbruch mit allem Mist, den man sich medizinisch vorstellen kann. Tragisch für den Jungen
und uns gehen die Knipser aus. Hoffentlich kommt keiner auf die Idee, Rahmani zu beleben.
Dann lieber ohne Spitze.
Moldawien rück
Die Schwarzmeerbüffel werden am Flughafen mit Eiern, Tomaten und Pflastersteinen
empfangen. Drei Hundertschaften Bundespolizei sichern Hotel und Trainingsgelände.
Wagenblast ist knapp an einer Amputation vorbeigeschrammt und entsprechend kocht die
Volkseele. In der Nacht vor dem Match bauen sich Tausenden von ´Fans´ mit diversen
´Instrumenten´ vor dem Mannschaftshotel auf und halten die Trampeltiere wach, bis die
Bundespolizei mit Wasserwerfern und Tränengas antrabt. Wird dadurch auch nicht viel leiser.
Im Stadion geht der Tanz weiter. Pfeifkonzerte bei jeder Aktion der Knochenbrecher. Macht die
Herrschaften auf Dauer mürbe und aggressiv. Werde nach 30 Minuten von hinten kalt
weggegrätscht. Nichts gravierendes, gelbe Karte, aber der Typ knallt komplett durch, föhnt den
Schiri zu und fliegt. Bis zur Halbzeit steht die Partie mehrfach kurz vor dem Abbruch. Nach dem
Pausentee wird dann Fußball gespielt, vor allem von den Stieren. Fangen uns trotz Überzahl nach
60 Minuten einen trockenen Konter, 0:1. Geben Vollgas bis zum Ende, um nicht als
Kompletttrottel dazustehen. Erwische kurz vorm Abwinken die Murmel am Fünfer, Vollspann an
die Latte, der Abpraller schlägt dem Keeper ins Kreuz, Unentschieden.
57
Die Dampfmaschinen verabschieden sich grußlos, verzichten auf unsere Trikots, wir werden von
der eigenen Presse geplättet, ´Weicheier & Warmduscher´ und ähnliches. Wenn wir das nächste
Mal gegen diese durchgeknallten Bulldozer kicken, bin ich krank und zwar vorher. Garantiert!
Mai
Unser Lilliput-Rasenmäher aus Irland ist der neue Local Hero. Absoluter Heizkeks. In der
Berichterstattung läuft der Stoppelhopser als ´Baby-Turbo´. Kommt ungefähr hin. - Gibt sein
Gehirn beim Platzwart ab und fetzt los. Spielt am liebsten bei Regenwetter und gegen Typen,
denen er mit ausgestreckten Armen nicht mal an die Gurgel kommt. Zum Glück. Einziges
Problem: fehlende Übersicht. Rennt notfalls kerzengerade vor einen Flugzeugträger. Naturblond,
sagt Elgard, und daran wird sich vermutlich auch nichts mehr ändern. Tönungsmittel wirken nur
äußerlich. Trotzdem, wir sind froh, dass wir die rasende Parkuhr haben. Dribbelt an guten Tagen
schneller als sein eigener Schatten.
Türkenkriege
Döner Cup im wahrsten Sinne des Wortes. Schlaffes 1:1 gegen elf ausgeschlafene Herren vom
Bosporus. Knallharte Deckung und flotter Kombinationsfußball bei denen, Baldriangeschiebe bei
uns. Nicht mal O´Leary kriegt seinen Turbo gezündet, Pancic und Ekenga haben Treibanker
geworfen, und auf meinen Füßen steht ein albanischer Schwerverbrecher, wahrscheinlich der
uneheliche Sohn des Schiris, sonst hätte der Knabe mindestens dreimal ´rot´ gesehen. Erlebe das
gesamte Match eigentlich nur aus der Froschperspektive. Nach 60 Minuten hat Mertesacker
Erbarmen und bringt mich in Sicherheit. Prompt wechseln die Türken ihren Schwerverbrecher
aus und kommen mit einem Fußballer, der uns sofort den Ausgleich in die Maschen haut.
Bekanntgabe
Verkünden intern unseren Plan, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Mama und Papa ticken aus,
Elgard und Frau winken dezent ab, Pancic grinst und Kuhnke ist einverstanden, wenn es mein
seelisches Gleichgewicht erhält und meine Leistungen fördert. Ich glaube, Kuhnke würde Mutter,
Frau und Tochter verscherbeln, wenn er dafür drei Punkte abstauben könnte. Die Festivität soll
direkt nach Saisonende starten, im kleinen Kreis, ohne Öffentlichkeit und Presseblase. Sollte
doch möglich sein, wenigstens seine Hochzeit in aller Stille, ohne Gaffer, Paparazzi und andere
Idioten zu feiern. Mama und Papa wollen mit vorbereiten. Mama macht die Schnittchen und Papa
besorgt den Stoff. Ne, Danke!
Türkenkriege, 2. Teil
Istanbul – fast alles wieder im Lot. Komplett neu aufgebaut nach den beiden Erdbeben von 2024
und 2025. Hat ganze Stadtteile geplättet und knapp 53.000 Einwohner, trotz Vorwarnung und
Evakuierung. Die neuen Häuser sollen erdbebensicher sein, wie in Japan. Hätte man eher so
konstruieren sollen, denn die Katastrophe war absolut vorhersehbar.
Absolut schräges Match. Das große Schlachtfest fällt aus, der selbsternannte Favorit stirbt an
Überheblichkeit. Wir, die krassen Außenseiter, kontern wie im Bilderbuch. Drei Dinger zwischen
der 34. und 42. Minute. Regenguss am Bosporus. Einmal O´Leary, einmal Ekenga und einmal
ich. Der Holzhacker aus Albanien hat die Handbremse drin und fliegt trotzdem kurz nach der
Pause vom Platz, weil er Pancic mit angewinkelten Knien in die Bandscheiben springt. Tat schon
beim Zusehen weh.
Richtig zur Sache geht´s nach Dienstschluss. Christenverfolgung oder so. Der Mob hat
Hackebeile in den Pupillen und feuert alles, was sich feuern lässt: - Teile der Absperrgitter,
Steine, Regenschirme, Schuhe. Dazu jede Menge Handys und Kameras, alles Attrappen aus
solidem Material, die extra für derartige Zwecke gebaut und vertrieben werden. Der SchiriAssistent direkt neben mir kriegt eine Eisenstange an den Schädel und kippt aus den Latschen,
Islop hat die halbe Reservebank am Hals. Flüchte quer über das Schlachtfeld in die Katakomben.
Endlich in Sicherheit - denkste! Treffe auf zwei einheimische Ordner, aber statt Ordnung gibt´s
Prügel mit knallharten Schlagstöcken. Räume die beiden auf einen Rutsch ab und verschwinde in
der Kabine. Nach und nach tröpfeln die anderen ein. Sieht aus wie 14/18, absolut unglaublich.
58
Jeden hat´s irgendwie erwischt. Mertesacker ist halb nackt, Islop blutet am Schädel wie Sau,
Betong fehlt ein halbes Ohr und Pancic hat Bekanntschaft mit einem Tigerrudel gemacht,
Kratzspuren am ganzen Körper und am Oberarm eine original Bisswunde. Genial. Der Einzige,
der noch grinsen kann ist O´Leary. Ein Zahn ist futsch, aber zwei oder drei Türken fehlt noch
einiges mehr, sagt er, und geht duschen.
Crash
Vicky baut Mist. Rauscht mit ihrem nagelneuen Porsche über eine ultraviolette Kreuzung und
räumt zweimal voll ab. Drei Leichtverletzte, dreimal Totalschaden. Die Dame kann sich
anschließend an nichts mehr erinnern, dafür etliche Zeugen umso besser. Obendrein hatte
Vickylein keinen gültigen Führerschein, ihre amerikanische Pappe ist bei uns Altpapier.
Klassisches Eigentor. Sie selbst hat keinen Kratzer abbekommen, das ´Pre-Accident System´ hat
einwandfrei funktioniert, Full-Impact-Protection, Crash-Cam, aktivierter Fahrerkäfig, Airbags,
automatische Vollbremsung, Gurtstraffung, Sitzkorrektur, Splitterschutz, das volle Programm.
Die Karre sieht lecker aus, nur noch halb so lang und breit wie normal. Zum Glück Vollkasko
ohne Selbstbeteiligung. Geschickter Weise hatte mein Schatz direkt vorher noch ein oder zwei
Gläschen Sekt zu sich genommen, um ihre neue Mini-Rolle als Tatort-Leiche gebührend zu
feiern. Unser Anwalt ist total begeistert und die Klatschpresse verdoppelt ihre Auflage. Vicky
und ihre Trümmerkiste verzieren jede Titelseite. Beste Werbung für Porsche, absolut positiv und
kostenlos. Müsste anstandshalber einen neuen Tiefflieger für lau rausrücken. Im Prinzip
allerdings überflüssig, denn Vicky wird langfristig Bahnkunde, sagt der Anwalt.
Nachspiel
Das Verfahren dauert insgesamt 12 Stunden, ohne Videoauswertung und Beweisaufnahme. Wir
haben insgesamt sechs Rechtsverdreher ins Rennen geschickt, ohne jeden Erfolg. Absolut
verstrahltes Urteil. Nicht nur die Türken fliegen aus dem laufenden Wettbewerb, wir auch, dabei
hat jeder Einzelne von uns nur sein Leben verteidigt. Kuhnke kocht, der Spaß kostet Millionen.
Die Türken, mit dem Patent auf die ganze Schweinerei, werden zusätzlich für vier Jahre von allen
internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Mega-Geheul am Mittelmeer. Die Medien
erfinden eine ´totale internationale Verschwörung´ und einen ´weltweiten Anschlag auf den
türkischen Fußball, weil die Mannschaften inzwischen eine echte Gefahr für die europäische
Konkurrenz sind´. Super. Erst die Massen anföhnen und dann die Schuld am ganzen Tamtam
anderen in die Schuhe schieben. Klasse Leistung. Und ´internationale Verschwörungen´, sagt
Elgard, machen sich immer gut. Die lassen sich leicht aufstellen, sind mit nichts zu widerlegen
und gehen direkt in die dümmste Birne. Einzelstrafen gibt´s als Zuschlag: O´Leary wird für sechs
internationale Spiele weggesperrt. Kann man vertreten, die Kampfratte hat drei ausgewachsene
Muselmanen voll zerlegt. Mertesacker darf unsere nächsten vier internationalen Auftritte aus der
VIP Lounge betrachten, weil er im Nahkampf angeblich ein Nasenbein geknickt hat. Mir
brummen sie dreimal Pause auf, weil die beiden Schergen vor unserer Kabine ausgesagt haben,
ich hätte sie vorsätzlich, hinterhältig und extrem brutal geplättet. Klar, ist ´n Hobby von mir - im
Alleingang bewaffnete Ordner vermöbeln, am liebsten zwei gleichzeitig. Ekenga, Betong und
Islop drehen sie zweimal Tribüne an. Legaler Sondermüll, sagt Elgard.
Die Brandstifter kriegen kaum mehr. Für zwölf von den Durchgeknallten und das Bankpersonal
gibt´s jeweils fünfmal Tribüne. Ausgesprochen witzig.
Noch mehr Sondermüll
Auch für Vicky keine Gnade. Alle sind fett in den Medien, die Anwälte, die Zeugen, die Kläger,
jeder hat seinen Auftritt und alle dummsülzen auf Teufel komm raus. Der Staatsanwalt fordert
quasi lebenslänglich inklusive Einzelhaft und das Gericht will sich natürlich nicht nachsagen
lassen, es würde Promi-Rabatte verteilen. Entsprechend heftig fällt der Hammer, da helfen auch
Vickys Tränen nichts. Zum Glück kann die Kleine kein ständiges, eigenes und nennenswertes
Einkommen nachweisen. Macht trotzdem noch tutti completti satte 25.000 Euro Schmerzensgeld
und eine Zahlung von 15.000 Euro an das Rote Kreuz. Staatliches Raubrittertum. Außerdem
spendiert der Vorsitzende 24 Monate Fahrverbot, einen Idiotentest und fette 50 Sozialstunden in
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einem Altenheim oder Kindergarten, oder so. Vicky kriegt die Krise. Unsere Anwälte sind für
Berufung, die Kleine winkt ab. Ist absolut keine tolle Publicity für ihre Karriere, dieser Mist.
Spielt ernsthaft mit dem Gedanken, sich nach Kalifornien abzuseilen.
Juni
Eilverfahren wegen Dringlichkeit und voll vergeigt. Die UEFA bestätigt sich selbst ihr eigenes
Urteil aus der ersten Instanz. Der Döner-Cup steigt ohne uns, O´Leary, Mertesacker, Ekenga,
Betong, Islop und ich bleiben Sportkriminelle. War eigentlich vorauszusehen, nachprophezeit die
Presse. Geiler Kommentar. Sollten uns stattdessen besser die Lottozahlen für die nächsten vier
Wochen rüberwachsen lassen.
Halbfinale
Zwischen den Gerichtsterminen Fußball. In der Meisterschaft mit bei der Musike, im Pokal hauen
wir uns selbst weg. Exitus in Hamburg. O´Leary fehlt wegen Blinddarmreizung, Ekenga spielt
Super Mist, Islop greift ganz tief in die Schüssel (lässt eine Rückgabe von Betong durch die
Hosenträger flutschen) und ich rolle ratlos durch die Savanne. Einzige Glanztat: drei Minuten vor
Schluss holen mich die Fischköppe im Fünfer von den Stelzen. Auch nicht unbedingt intelligent.
Will eigentlich selbst schießen, aber Pancic schnappt sich die Murmel, langer Anlauf, kurzer
Blick nach links und der Egotrip rauscht ab in Richtung rechte Eckfahne. Verlängerung futsch,
Prämie im Arsch. Starkes Solo, der Rest der Truppe ist total begeistert. Die Schüssel tobt vor
lachen und unser Held fährt beide Stinkefinger aus. Roter Katong. Klasse Einzelleistung. Müsste
wegen Blödheit in der Nordsee verklappt werden, sagt Elgard.
Zugaben
Die Sache wird monumental. Halb Europa und Nordamerika drohen mit Erscheinen und man
kann nicht alle einfach vor die Tür setzen, sagt Vicky, nicht bei einer Hochzeit. Die ursprünglich
georderte Standardkapelle für 300 Nasen reicht nicht, wir bräuchten im Prinzip den Petersdom.
Das ganze Konzept ist im Eimer. Mir würde ein stinknormales Standesamt reichen, aber
Rückzieher sind nicht mehr drin. Die Kleine winkt ab und beruhigt. Hat alles im Griff und wird
das Kind schon schaukeln, ich soll einfach weiter vor die Murmel treten. Mir recht. Hauptsache,
die Termine werden eingehalten. Verschiebungen sind so gut wie ausgeschlossen.
Saisonende
Am letzten Spieltag auf Platz zwei geklettert, Vizemeister und Champions-League. Nach drei
Siegen in Folge, Berlin, Köln und Schalke. Ende besser als erwartet. Fans, Vorstand und Kuhnke
tanzen Rumba, wir sind die großen Helden. Keiner von den Denkzwergen rafft, was Vize für das
nächste Jahr bedeutet - lockere Dreifachbelastung: Meisterschaft, Pokal und Bargeld Walzer. Und
nebenher tobt diese dämliche WM Quali. Einzige Hoffnung: wir machen irgendwo frühzeitig die
Biege.
Juli
Das volle Programm, Standesamt, umziehen, Kirche, umziehen, die Kleine will alles. Seit vier
Wochen titschen sie und der Schwiegerdrachen im Dreieck, alles dreht sich um Klamotten,
Verpflegung, Dekoration und Abwicklung. Nur keine Zufälle und keine Pannen, es gibt keinen
Hochzeits-ADAC. Mama und Papa wollen sich auch ´einbringen´, werden aber mangels
Geschmack ausrangiert. Sind stinksauer, vor allem auf das kalifornische Alpha-Weibchen. Papa
sagt, die Dame erinnert ihn an einen gepuderten Brüllaffen und seinen Spieß bei der Bundeswehr,
nur dass der nicht so durchgeknallte Klamotten trug und keine grünen Haare hatte. Bei Papa hat
die Sonnendame gründlich verschissen. Umgekehrt genau so. Biervernichter und kleine
Postbüttel sind unter Niveau. Mama spielt den Trouble-Dimmer, mit schlaffem Erfolg. Auf dem
Standesamt und in der Kirche sitzen unsere Erzeuger auf verschiedenen Bänken.
Schwiegervater landet 30 Minuten vor dem Staatsakt. War bis auf den letzten Drücker noch
irgendwo in Pusemuckel, um die Welt besser und gerechter zu machen. Modell: Supermanns
großer Bruder, Werbeträger für Zahnpasta oder Rentenfonds, aber umgänglich. Hängt allerdings
60
dauernd an seinem Wichtigknochen. Klar, wie soll man sonst den Globus sanieren? Vicky wird
zwei Tage lang aufgebrezelt, von Typen direkt aus Las Vegas. Für die Klatschpresse ist das
Outfit die Nummer des Jahres. Muss sein, sagt die Kleine. Schwiegermutter ist begeistert.
Der Zeremonienmeister kommt aus Paris (woher sonst?) und schlägt sechs Tage vor der
Veranstaltung mit seinem gesamten Stab auf, zwölf Knallchargen, die aussehen wie die letzten
Heckenpenner. Sollen allerdings anerkannte Größen im Eventbusiness sein. Im Standesamt
werden tragende Wände versetzt und gegen unseren verblumifizierten Dom ist der Garten Eden
eine Laubenkolonie. Der Hammer ist die Location für die anschließende Fete, ein
ausgewachsenes Wasserschloss mit englischem Park und Golfanlage. Der Park wird Parkplatz,
die Golfer fliegen raus, der Rittersaal wird entrümpelt und auf ´schrill´ gebrasselt, mit LaserShow, Space-Feeling und Oscar Bühne.
Elgard hat knallhart abgesagt, will bei meinem Durchmarsch ins Unglück nicht anwesend sein.
Kuhnke und Mertesacker haben ihre Urlaube unterbrochen und fünf Mann vom Team
mitgeschleppt, allen voran O´Leary, in Frack und mit Zylinder. Echte Schockmeise.
Alles in allem traben 800 Nasen an, weniger war unmöglich, murmelt die Kleine. Auf meine
Kappe gehen höchsten 50. Essen und Trinken hätte auch für 3000 gereicht, alles vom Oberbesten
natürlich. Ein glattes Dutzend Sterneköche verbrutzelen eine komplette Zooausstattung, von
Krokodil bis Antilope. Der Star des Abends – neben Vicky – ist Elena Reid!!! z. Z. die Nummer
eins in fast allen Chards weltweit (alte Freundin von Vicky – ansonsten wirklich unbezahlbar).
Gesamtkosten der Party schlappe 3,2 Millionen. Ziemlich heftig für nicht mal 24 Stunden Tralala,
aber kein Problem. Die Vermarktung der Angelegenheit, Übertragungs-, Photo- und
Reportagerechte belaufen sich nach Aussage des obersten französischen Eventgenies tutti
completti auf zackige 4,5 Millionen. Keine Ahnung, welche Idioten derartig scharf auf diesen
Zirkus sind, aber für die Familienkasse fallen schlappe 1,3 Millionen ab, vor Steuer, leider.
PS. Waren erst exakt um 7 Uhr im Bettchen, ratzkaputt. Sechs Stunden später im Flieger
Richtung Süden. Echter Härtetest.
Sychellen
Palmen, Strand, Meer, Hotel, alles sechs Sterne und besser. Brauchen zwei Tage, um wieder auf
die Beine zu kommen. Alles vom Feinsten, nur die dämlichen Mücken nerven. Zum Dinner
kommen die Biester aus ihren Löchern und versauen den Abend. Viktoria dreht voll ab, denn die
Flieger verursachen Malaria, und Malariapillen hauen die Kleine voll aus den Latschen,
Schwindelanfälle und Bröckelhusten. Hängt fast rund um die Uhr in unserem Bungalow ab mit
laufender Klimaanlage und Temperaturen um die zwanzig Grad. Kälte, sagt sie, ist der einzige
wirksame Schutz gegen die Stechprofis. Wenn ich mich draußen infizieren möchte ist das mein
Bier, sie hat genug über die Folgen von Malaria gelesen und gehört.
Nach drei Tagen geht die Kleine wegen akuter Unterkühlung ab ins Hospital. Alles meine
Schuld. Hätte mich mehr um sie kümmern sollen, anstatt den ganzen Tag am Strand
abzugammeln. Brechen den Urlaub am achten Tag sang- und klanglos ab. Vicky will zurück in
die gekachelte Zivilisation. Eine Hochzeitsreise hätte sie sich ganz anders vorgestellt. Ich mir
auch.
2032/2033
August / September
Trainingsauftakt und Kiebitztag. 20.000 Fans latschen sich auf unseren Übungswiesen
gegenseitig die Füße platt, um uns im Strampelanzug zu erleben. Das neue Gemüse wird
präsentiert und alle zusammen hocken wir auf der Tribüne und kritzeln eimerweise Autogramme,
machen freundliche Gesichter und reden flaches Zeug. Für die kommenden Aufgaben hat
Kuhnke zwei gute Leute ergattert, Österby, eine echte Wikinger-Kante aus Schweden als
Innenaufräumer und Timonschuk, Ukraine, für die Kreativabteilung. Waren angeblich die bisher
teuersten Einkäufe der Vereinsgeschichte, abgesehen von unserer Kokosnuss aus Brasilien.
61
Florida Training
Haben viel vor dieses Jahr, verkündet Mertesacker, müssen uns deswegen noch intensiver, und
gezielter vorbereiten. Im Döner-Cup tummelt sich Fallobst aus dem Kellerregal, in der C-League
schwimmen die dicken Fische. Da werden Defizite knallhart aufgedeckt und bestraft. Also,
Socken hoch und Gas geben. Und je weiter wir kommen, föhnt Kuhnke hintendrauf, desto mehr
Sesterzen wachsen rüber, im Klartext Döner Cup hoch drei. Hulot übersetzt die Feldherrenreden,
und durch die Kabine schwebt ein Hauch von Weihnachten und Steuerrückzahlung. Pancic hat
vor, Kroatien mit Hotels zu bepflastern, O´Leary will seine Stammkneipe in Cork kaufen und
Islop kann mit der Kohle auf Jamaika ganz groß in den Drogenhandel einsteigen. Und davon
ließe sich später ganz gut leben.
Unser Trainingslager liegt ausnahmsweise im Harz, keine Ahnung warum. Der Komplex heißt
´Berghof´ und nach der ersten Begehung weiß jeder warum. Außer den beiden Bolzplätzen gibt
es in der Gegend keinen geraden Meter, nur Berg oder Tal, hauptsächlich Berg. Dazu gibt es zwei
neue Fitness-Trainer aus Florida, die uns sogar Rock ´n Roll tanzen lassen. Hätte Elvis gerne mal
bei uns im Mittelfeld erlebt. Zu den beiden Sunnyboys kommen zwei mentale Betreuer, die uns
jeden Tag vollmüllen, mittags und abends. Wir sind die Größten, wir können mehr als wir
glauben, vor allem wenn wir alle zusammen als Team auftreten, von der Nr. 1 bis zur letzten
Pfeife im Aufgebot. Dummes Gewäsch. Die Hälfte der Truppe peilt eh nichts, trotz Hulot. Pancic
hat die beiden Faselheinis total gefressen. Sind für ihn Wanderprediger, Windbeutel und
Fachverkäufer für geistigen Sondermüll. Möchte genau wie ich zwischendurch einfach mal
abschalten, nach dem elenden Gerenne durch die Berge. Einfach auf die Pritsche legen, Augen zu
und weg. Falle abends scheintot hintenüber wenn ich mit Vicky telefoniere. Nörgelt wie
Weltmeister, die Kleine. Kommt sich ziemlich überflüssig vor, frisch verheiratet und trotzdem
solo in der eigenen Hütte, alles irgendwie witwenmäßig.
Pole Position
Vier Spiele, zwölf Punkte, noch nie besser aus den Blöcken gekommen. Ösi, unser
Innendienstmann aus Schweden, läuft noch leicht auf Standgas, aber Timi bringt genau das, was
Kuhnke und Acker von ihm erwarten, quirlt mit und ohne Ball im Mittelfeld, macht die Leute
wuschig und zieht viel Aufmerksamkeit von mir ab. Sind zusammen wesentlich schwerer
auszurechnen und auszuschalten. Bin ich kaltgestellt übernimmt Timi und umgekehrt. Mit
unserem Knallfrosch zusammen Alarmstufe Rot am und im Sechzehner. Pancic hängt als einziger
noch durch, trifft aus drei Metern keinen Möbelwagen.
Oktober
Das Leben ist eine Wäschetrommel, schleudert dich ganz schön durch und nicht immer im
Schonwaschgang. Ehe ist kein Ponyhof. Stimmt, alles läuft komplexer und komplizierter ab als
vorher. Die Herzdame ist äußerlich ein Schmuckstück, aber ansonsten ein Nervpaket. Echter
Problemgenerator und immer in Schwulität, mit dem Hauspersonal, ihren Klamotten, ihrer
Karriere, der Presse, mit Deutschland, dem Wetter, meiner Unordentlichkeit und lässigen Art.
Hat das Gefühl, für mich ist das ganze Leben nur ein großes Spiel, wie Fußball, und sie ist eins
von meinen Spielzeugen. Habe gefragt, was ich ändern sollte. Antwort: Achselzucken. Müsste
ich mir schon selbst überlegen, sie sei schließlich nicht für meine Erziehung zuständig, die hätten
andere schon viel früher in die Hand nehmen sollen, anstatt mich in ein Heim für minderjährige
Fußballhelden abzuschieben.
Diskutieren ist zwecklos, bin Vicky und ihren Allüren nicht gewachsen. Habe mit Elgard
gesprochen. Hat mir empfohlen, Vicky eine Therapie nahe zu legen. Ging voll in die Hose. Wenn
hier jemand eine Therapie braucht, dann ich. Basta. Mit irgendwelchen Freundinnen vor zwei
Tagen auf die Bahamas geflogen, zum Ausspannen vom ewigen Ehealltag. Super.
Pokal
Wir müssen aufs Dorf. Westerburg, Truppe aus der fünften Liga. Junges Volk und abgehalfterte
Altprofis. Haben den Rasen vorher mit Traktoren behandelt, um technische Unterschiede
auszugleichen und unseren Bewegungsdrang zu minimieren. Plan geht voll auf. Stümpern 80
62
Minuten mit gebremstem Schaum über den Kartoffelacker und fangen uns dann einen beknackten
Aufsetzer. Routineball, geht aber nicht flach ab, sondern schlägt hoch ein. Keine Chance für
Islop. Danach zehn Minuten Volldampf, aber keine zählbaren Erfolge, außer einem Bänderanriss
für Pancic. Kuhnke verzichtet auf den Mannschaftsbus und chartert ein Taxi. Wahrscheinlich auf
Vereinskosten.
Dummes Gesülze
Die heiße Phase beginnt, erklären die Zentralorgane, jetzt kommen Bulgarien, Finnland und
Spanien, da könnte unsere Tabellenführung in der WM-Quali flott im Eimer sein. Klar, man kann
sechs Spiele in Serie vergeigen, alles schon passiert, aber die Ausgangslage ist einwandfrei. Was
uns fehlt ist ein echter Knipser, Wagenblast kann schon wieder ohne Krücken atmen, aber der
Weg zurück in die kurze Hose kann dauern. Etliche Hirnis versuchen, Rahmani zurück ins Team
zu kommentieren, aber Klopp & Co schalten auf stur. Keine Chance für den Spinner, auch wenn
der angeblich mit geschnürten Stiefeln in Moskau hockt und auf ´grün´ wartet.
November
Bulgarien, und die Natur spinnt. 90 Minuten Schneetreiben und angefrorene Grasnarbe, trotz
Bodenheizung. Die Spielwiese ist glatt wie Arsch. Wir kicken mit knatschroten Bällen und die
Linien sind ebenfalls rot eingefärbt, damit keiner aus Versehen bis auf die Tribüne trabt.
Absolutes Lotteriespiel. Wenn du glaubst, du hast die Murmel sicher am Fuß, dann verspringt das
Ei und du machst die Lawine. Reckermann mit seinen knapp zwei Metern veranstaltet ´Holiday
on Ice´ und versucht erst gar nicht das Flugzeug zu greifen, schlägt und tritt um sich wie ein
Kickboxer. Die Grasnarbe ist nach dem Match erledigt und alle Rückennummern sind
verschwunden, obwohl wir zur Halbzeit die Oberhemden gewechselt haben. Wagenblast hockt
eingepackt auf der Bank als Maskottchen. Will in zwei bis drei Wochen wieder mit Lauftraining
beginnen. Hoffentlich hält die Gräte. Müsste eigentlich. Ist genug Eisen und Draht drin, um einen
Fußballplatz zu umzäunen. Die Heilkünstler sind optimistisch, ob sich Knochen an Prognosen
halten, ist eine andere Sache. Der Pfeifenheini hat den dümmsten Job. Laufend krachen
irgendwelche Leute ineinander, meist ohne Absicht und Bodenhaftung. Auf den Rängen
absoluter Blindflug, mehr als 50 Meter durchwachsene Sicht ist nicht drin. Im Prinzip auch egal,
es passiert so gut wie nix. Falls ich nicht irgendwas übersehen habe, endete die Partie 0:0. Ein
Punkt für uns, zwei für Frau Holle.
Absolute Flaute
Seit der Hochzeit, sagt die Kleine, kommen überhaupt keine Angebote mehr, alle halten sie für
das Heimchen am Herd, das langsam ihre erste Mutterschaft anpeilt. Keine unbedingt schlechte
Idee, sage ich, aber Vicky winkt ab, wäre momentan die totale Anti-Rolle. Jetzt ist die Zeit für
Karriere, aber ihr Status als glückliche Gattin verschreckt jeden Produzenten. Ehefrauen sind in
der Rolle als Jugendidol oder Liebhaberin total unglaubwürdig. Absolut beknackte Situation.
Selbst ihre besten Freundinnen machen inzwischen ohne sie. Wenn die Sache so weiter läuft,
kann sie bald Kontaktanzeigen aufgeben. Super. Wer sonst keine Probleme hat, macht sich
welche.
Bulgarien normal
Schneefreies Geläuf, Sonnenschein, fast zehn Grad. Die Jungs aus dem Winterparadies kriegen
trotzdem kein Bein an die Erde, total falsch gewachst. Bis zur Halbzeit hat´s schon dreimal
geklingelt, die zweite Hälfte wird zur Nullnummer. Keiner hat Bock, sich die Knochen für die
Galerie zu ramponieren, Fleißkärtchen werden heute nicht mehr verteilt und Wagenblast schmort
als lebende Warnung in der Bushaltestelle. Klopp nimmt mich nach 60 Minuten vom Acker und
verordnet Massage. Das einzig Senkrechte. In drei Tagen hat uns die Liga wieder und da wird das
Geld verdient, sagt Kuhnke. Nationalmannschaft ist absolut okay für ihn, aber wenn´s geht, bitte,
ohne seine Leute. Alles zur Ehre der Nation, an die Vereine denkt keine Sau. - Und an uns
Spieler erst recht keiner, weder Kuhnke noch der Rest der Nation. Hauptsache wir funktionieren.
Wenn nicht, gibt´s was auf die Nuss, wir kassieren schließlich genug Schotter für den Job. Als ob
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Muskeln, Bänder und Sehnen durch erhöhte Gagen strapazierfähiger würden. Leider absolute
Fehlkalkulation.
Liga
Pole-Position. Hätte uns zu Saisonbeginn keiner zugetraut. Läuft über-optimal. Ösi hat
inzwischen brauchbare Beschleunigungswerte und räumt gnadenlos ab, Timi wirbelt weiter,
O´Leary spielt Wiesel im Blutrausch, Islop greift ab was kommt. Und für Akele, unsere Gazelle,
wird der Ball allmählich ein beherrschbares Objekt. Das Brikett kriegt die Murmel locker von A
nach B geschoben, ohne sich selbst oder andere dabei zu verletzen. Für Mertesacker ist Platz 1
eine Frischzellenkur, keiner zweifelt mehr an seinen Fähigkeiten oder geht ihm sonstwie an die
Wäsche. Nur Pancic hängt voll durch, kickt seit Wochen mit einer absoluten ´Haut-allesdaneben-Garantie´. Die Kommentare sind entsprechend: ´Chancentod´, ´Punktevernichter´,
´Fahrkartenschaffner´ und ähnliches. Nervt den Knaben gewaltig, auch wenn er nach außen den
Coolen mimt.
Dezember
Die Kleine nörgelt weiter. Keine Lust mehr auf die ewigen Telefonarien mit mir, hat schon
Schlappohren von der Sache. Unsere Beziehung würde sich nicht so entwickeln wie geplant, sagt
sie, im Gegenteil. Kommt sich vor wie ein Hausmütterchen, das am heimischen Herd wartet, bis
der große Heldendarsteller von seinen Beutezügen zurückkehrt und seine Mitbringsel verteilt.
Moderne Partnerschaft wäre für sie mehr als die ewigen Bildkonferenzen. Kann das Genöle
langsam nicht mehr hören. War doch von Anfang an klar, was ich beruflich mache, warum jetzt
das ganze Theater?
C-League
Amsterdam. Glücklicher Auftakt gegen die Käsköppe. Der Schiri hat unsere Brille auf, schickt
nach zwanzig Minuten einen Rastamann duschen und lässt kurz vor Halbzeit weiterspielen,
obwohl die Murmel klar hinter unserer Torlinie aufschlägt. Schwein gehabt. Das 1:0 fällt dann in
allerletzter Minute durch unseren irischen Rasenmäher, Murmeltor aus drei Metern mit der linken
Kniescheibe. Krasse Jubelarien auf den Rängen, aber wer das Spiel richtig gelesen hat, weiß
Bescheid. Wir stochern rum, die Deichbauer führen uns vor, stolpern zum Glück über den Schiri
und ihre eigene Arroganz.
Rahmanis Rache
Neuigkeiten aus Moskau. Rahmani kommt mit einem fetten Schmöker aus der Versenkung,
angeblich selbst geschrieben. Ich lach mich tot. Wenn dieser Sondermülldenker in der Lage ist,
selbstständig einen zusammenhängenden Satz zu verfassen, bin ich der Schreiner von Pisa.
Elgard schleppt das Machwerk an, Titel: ´Hinter den Kulissen´. Hat gleich die entscheidenden
Stellen markiert. Laut Rahmani sind 90 Prozent aller Nationalspieler gedopt, wir veranstalten auf
allen Reisen wüste Orgien, mit Alkohol und Weibern, und nebenher wird gezockt, zum Teil um
sechsstellige Summen. Klopp und sein trauriger Stab hätten uns nie im Griff gehabt und
sämtliche Mannschaftsaufstellungen sind hauptsächlich im Suff und auf Bierdeckeln entstanden.
Voll verstrahlt, der Typ. Außerdem haben wir Aktive bei den ewigen Prämienverhandlungen dem
Verband immer wieder die Pistole auf die Brust gesetzt. Bargeld statt Patriotismus, ohne
Rücksicht auf Verluste. Stimmt einigermaßen. Allerdings, den Verhandlungsführer für unsere
Seite mimte immer Kollege Rahmani. Wenn einer den Hals nie voll bekam, dann unser
Bestseller-Autor. Als Appetitanreger schildert unser Neu-Goethe erotische Ausritte von
Mitspielern und Funktionären, z.B. eine fette Party mit zwei Dutzend Nackttänzerinnen in
Istanbul. Ist mir persönlich total durch die Lappen gegangen. Schade eigentlich. Aus der Sache
sollen sich zwei Vaterschaftsklagen entwickelt haben, die von unseren Fußballvätern mit Cash
aus der Welt geräumt wurden, verdeckt natürlich. Alimente für die Volltreffer laufen mindestens
noch 20 Jahre. Namen bleiben außen vor.
Reporter werden nicht in die Pfanne gehauen, echter Nichtangriffspakt, sagt Elgard, und kein
dummer Schachzug. Wird ihm allerdings nichts nützen. Wer als Redakteur das Machwerk nicht
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gründlich verreißt, wird Nationalspieler und Funktionäre nur noch mit Teleobjektiv sichten
können. Bin gespannt, wie viele Prozesse sich der Spinner wegen übler Nachrede und
Verleumdung einfangen wird. Mich hat die Pfeife merkwürdigerweise total ausgespart.
Amsterdam rück
Rappelvolle Hutschachtel in Amsterdam. Das Volk tobt und johlt, und dieses Mal ist der Ref.
nicht auf beiden Augen blind. Nach fünfzehn Minuten hat Islop zwei satte Dinger im Käfig.
Mertesacker sortiert die Abwehr um, ohne großen Erfolg. 0:3 zur Pause. Ekenga fliegt wegen
Hilflosigkeit raus, dafür kommt Gringic als zweiter Abräumer neben Betong. Läuft etwas
weniger beschissen. Wir verminen unsere Hälfte, die Käsköppe schalten einen Gang zurück. 60.
Minute 1:3, vier Minuten später 2:3, versenke zwei Flanken locker per Kopf. Totenstille in der
Hutschachtel. Kriege einen Meuchelmörder auf die Füße gestellt und lerne Amsterdam aus der
Dackelperspektive kennen. Werde in der Nachspielzeit im Strafraum wie eine Eiche gefällt, aber
der Spielleiter winkt ´weiterspielen´. Krasse Fehlentscheidung. De Jong, der Käseschnappi, hilft
mir auf die Beine und grinst: ´Swein chehabt´.
Weihnachten
Der Zirkus zu Hause nimmt Formen an. Von wegen Fest der Liebe. Kaum durch die Tür, geht das
Gezeter los. ´Bist nie da, wenn man dich braucht, nur Anrufe für dich, nur irgendwelche blöden
Fußballtermine, goldener Käfig ohne Inhalt´, und so weiter. Komme mir inzwischen vor wie die
Klagemauer persönlich. Katastrophe. Kann die ewigen Debatten nicht mehr ab. Besuche Mama
und Papa für zwei Tage und übernachte ansonsten bei Elgards. Bin froh, dass direkt nach Neujahr
unser Trainingslager beginnt. Keine Ahnung, wie der Schwachsinn weitergehen soll. Auf jeden
Fall nicht ´bis dass der Tod uns scheidet,´ oder vielleicht doch?
2033
Januar
Rahmanis Machwerk verkauft sich wie doof, obwohl die Schwarte überall voll verrissen wird.
Vielleicht gerade deswegen? Anzeigen wegen Verleumdung oder Doofheit sind noch keine
eingetrudelt, wahrscheinlich, um die Sache nicht weiter anzuheizen, oder vielleicht auch nur, weil
der große Dichter eine Fortsetzung seiner schriftstellerischen Tätigkeit angekündigt hat.
Nebenher versucht der Vollpfosten eine Spielerlaubnis für Dubai zu ergattern, um an der WM
teilnehmen zu können. Würde dem Arsch mit Sicherheit einige Millionen Öl-Dollar bringen.
Hoffentlich haut die FIFA ordentlich dazwischen. Nationalitäten wechselt man schließlich nicht
wie Unterhosen.
Februar
Wie heißt ´Sonnenuntergang´ auf Finnisch? Genau, Helsinki. WM-Quali und der wärmste
Februar aller Zeiten am Polarkreis, mittags schlappe achtzehn Grad. Im Prinzip angenehm,
allerdings haben die Finnen ihre gesammelten Mückenbestände dressiert und konzentriert auf uns
gehetzt. Tierisch. Die Attacken fangen am Airport an und hören selbst in der Kabine nicht auf,
trotz Spray und Räucherkerzen. Reckermann hat zwei Volltreffer am linken Auge, sieht aus wie
vor ´n Bus gelaufen. Mit ihren eigenen Leuten haben die Blutsauger nix am Helm, gehen nur auf
Touris. Selbst im Gebiss hat man die Viecher kleben. Die einzige Rettung ist laufen, laufen,
laufen. Wer stehen bleibt, wird zerbombt. Bringt tatsächlich Bewegung in unser Spiel. Wolter
versemmelt zwei saugute Freistoßmöglichkeiten, die dritte sitzt. Dazu mein Hammer aus 23
Metern, 2:0 zum Seitenwechsel. Anschließend kommen die Mückenbändiger, aber alles nur
warme Luft, sind in der Endgeschwindigkeit deutlich langsamer als ihre Flieger. Kann kurz vorm
Gong noch Mal aus knapp 20 Metern frei durchladen. Keine Chance für den Wachtmeister auf
der Linie. 3:0. Und fünftausend Blutsauger kleben am Ball, mindestens.
Pancic
Der alte Kroate fährt Talbahn, hat total die Seuche an den Hacken. Seh- und gehbehindert. Tritt
sich selbst auf die Füße, schwebt an astreinen Flanken vorbei, trifft aus zwölf cm Entfernung
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keine Staumauer und schleift mit den Nerven durchs Gemüsebeet. Mertesacker wechselt den
Akrobaten dreimal zur Halbzeit aus, dann ist Feierabend, Pancic darf seine Kollegen von der
Tribüne aus bewundern. Schöpferische Pause mit Aussicht auf einen neuen Sponsor. Hängt
zweimal bei mir ab und dröhnt sich zusammen mit Vicky und Campari ziemlich die Rübe zu.
Hantiert auf Anweisung von Kuhnke mit einem Gehirnklempner, der ihm die Peilung
wiedergeben soll. Hämmert trotzdem immer noch alles Richtung Eckfahne.
Finnland rück
Keine Mücken, keine Bewegung. Die lockere Vorstellung in Helsinki hat uns ins Koma versetzt
und die Finnen scharf gemacht. Retten uns mit ganz viel Massel gerade noch jungfräulich in die
Pause. Klopp spielt Rumpelstilzchen und lässt einige Mannschaftskoffer fliegen. Den Clou hat er
in einer Milchflasche versteckt, mindestens zehntausend Mücken aus dem hohen Norden,
lebendig und hoch aggressiv. Und was macht der Idiot? Öffnet die Pulle und lässt die Monster
auf uns los. Entkommen unmöglich, die Kabinentür ist verrammelt. Und falls wir unsere Ärsche
nicht sofort in Bewegung setzen, sagt der Alte, bleibt das auch noch zehn lange Minuten so. Und
zwei von den Pullen hätte er auch noch in Reserve, für nachher. Klares Geschäft. Wir gehen raus
und hauen die Finnen innerhalb von fünfzehn Minuten weg, einmal Simic, einmal ich. Einzige
Frage nach Spielschluss: sind solche Methoden laut Genfer Konvention überhaupt erlaubt?
Elgard nickt. Der Erfolg vergoldet jedes Mittel.
Barcelona hin
Jeder weiß, was kommt. Wir operieren vorsichtig und konzentriert von Anfang an. Geht 20
Minuten lang gut, dann rappelts im Katong, zweimal hintereinander. Islop macht kurzfristig auf
Spastiker, das zweite Ding scheppert Ösi in die eigene Kiste. Zu viel Druck auf jeden
Mannschaftsteil, Fehler kommen automatisch. Renne rum wie ein angeschossenes Häschen, Timi
trägt Tarnkappe, und O´Leary kassiert nach einer halben Stunde ´gelb-rot´. Im zweiten
Durchgang steigern wir uns um 50 Prozent, statistisch gesehen. Kassieren nur noch eine Gurke
und dampfen mit 0:3 ab.
Das ultimative Ding
Tor des Monats für meine Flugshow gegen Montenegro, mehr als 55 Prozent aller Anrufe und
Zuschriften gehen auf den Rasen-Nasentest. Wie gesagt, Berlin, 76. Minute, Flanke von links,
hechte vorwärts und lenke den Ball mit dem Kopf nach hinten, quer durch den Strafraum hoch
ins lange Eck, genau in den Knick. War nicht schlecht, aber andere Dinger hätten´s auch verdient
gehabt - der übliche Fallrückzieher, zweimal Hacke und ein Querschläger, der beide Pfosten und
die Latte küsst, bevor er in die Maschen eiert. Wäre, ehrlich gesagt, mein Favorit gewesen, denn
zwei Komiker versuchen, die Murmel von der Linie zu kratzen. Klappt nicht, aber total witzig.
Landet leider nur auf Platz drei, hinter dem Fallrückzieher.
Barca rück
Sang- und klangloses Begräbnis. Blasen zur Attacke und zerschellen bereits an der Mittellinie.
Nix fluppt. Könnten auch noch zehn Stunden so weiter kicken, würden an der Sangria-Front
keinen Strohhalm abstauben. Taktik- und Personalwechsel verpuffen ohne jede Wirkung. Die
Toreros lassen sich durch nichts beeindrucken. Total coole Truppe. Laufwege sind genau
einstudiert, das Bällchen klebt am Fuß, Pässe kommen wie bestellt, Zweikämpfe werden
grundsätzlich nicht verloren. Vergeigen 1:0 und sind damit noch verdammt gut bedient. Wären
mit Sicherheit drei oder vier Dinger mehr gewesen hätte Isolp nicht einen Feiertag erwischt.
Werden von den Wortspielern nicht pulverisiert, sondern mit feiner Klinge zerhackt:
´Grobmotoriker gegen Artisten´.
Abgemeldet
Wagenblast gibt auf. Dreimal angefangen, dreimal satt gescheitert. Ständige Entzündungen im
zertrümmerten Bein, trotz spezieller Spezialbehandlung. Nix hilft. Sportinvalide und Frührentner
mit knapp 21, quasi Feierabend vor der Frühstückspause. Okay, die Versicherungen drücken
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anständig ab, kommt mehr bei rum als in jedem normalen Job, aber als Spätjugendlicher das
Beste schon hinter sich zu haben, hat absolut keinen Prickelfaktor, trotz der Kohle. Wie kriegt
man die nächsten 60 Jahre eingetütet?
Auferstehung
Pancic trifft wieder, zumindest im Training. Hängt sich voll rein und schiebt ein Ding nach dem
anderen locker in die Maschen. Läuft probeweise in der Reserve auf und zeigt den Frischlingen,
wo der Frosch die Locken hat. Landet in 45 Minuten drei Volltreffer trotz Sonderbewachung,
erzählt Jansen. Abends schlägt Pancic bei mir auf, total happy und föhnt rum. Hätte da einen
hundertprozentigen Tipp bekommen und legt ein Röhrchen mit Pillen auf den Tisch. Entspannt
total das Zeug, reduziert Stress und erhöht die Konzentration, ohne jede Nebenwirkung. Sollte
mir das Wundermittelchen auch rein pfeifen, könnte mir jede Menge davon besorgen, zu
anständigen Konditionen und völlig legal, sein Onkel hat drei Apotheken in Kroatien. Außerdem
steht der Stoff auf keiner Dopingliste. Soll nur mein Maul halten, unbedingt, sonst müsste er mir
den Hals umdrehen lassen. Könnte sein Onkel auch besorgen. Lässt das Röhrchen liegen, grinst
und macht die Biege.
März
Habe inzwischen völlig die Orientierung verloren. Gut, dass mir Klopp, Mertesacker und Elgard
regelmäßig die Koordinaten stecken und erklären, gegen wen wir kicken und auf welches Tor.
Abartige Reiserei. Wer jeden Tag am Fließband steht, denkt wahrscheinlich ´tolle Kiste´, ich
kriege inzwischen Pickel, wenn ich Koffer oder kofferähnliche Gegenstände nur sehe. Bin kein
Fußballer mehr, sondern Vielflieger in kurzen Hosen. Macht Stress zu Hause und Stress
unterwegs.
Manchester hat gegen Barca zwei Unentschieden abgestaubt, wir sind gewarnt. Mertesacker lässt
intensiv-defensiv beginnen, die Inselaffen sind bekannt für ihren Blitzstart. Eine knappe
Viertelstunde läuft Zeitlupenfußball, dann landet ein dämlicher Querschläger hinter Islop.
Anschließend Straßenfußball, jeder macht was er will, viel Einsatz, wenig Gehirn. Kriegen nix
auf den Schirm, dafür O´Leary einiges auf die Socken. Die Jungs von der Insel kennen den
Knallkorken.
Mertesacker nimmt den Kleinen in Schutzhaft und bringt Pancic in Durchgang 2. Der Alte grinst,
O´Leary zerdeppert zwei Panoramaspiegel in der Kabine. Manchester verzichtet auf zweiten
Blitzstart und überlässt uns den Acker. Nach vorne geht mehr. Pancic ist für die Panzersperren
unberechenbarer als unsere Parkuhr. Zehn Minuten vor Ende kommt sein erster Auftritt. Kurze
Körpertäuschung am Elfer, zwei Leuten den Ball durch die Beine geschoben und drin ist die
Murmel. Schweigen im Walde. Extra-Time mit Nachschlag. Flanke an den kurzen Pfosten,
extrem spitzer Winkel. Das Schlitzohr taucht unter den Ball, hält ganz kurz sein linkes Ohr hin
und das Bällchen hängt wie gemahlen im Knick. Absolut genial, genauer geht nicht. Das
Verhüterli klebt mit leeren Händen am Aluminium. Die Fachwelt staunt und Pancic lässt sich
feiern.
Bye, bye
Victoria ist seit zwei Tagen in Kalifornien, alte Freunde besuchen. Komisch, fehlt mir nicht die
Bohne. Im Gegenteil, endlich Ruhe im Dom, kein blödes Genöle, kein Zirkus. Affengeil. Kann
tun und lassen, was ich will, durch die Glotze zappen, Billard spielen oder einfach nur abhängen.
Und Viktorias Schlaffdudelmusik schwebt auch nicht mehr durch die Hütte, nirgendwo liegt
Modekrams, Kosmetikpampe und ähnlicher Schnickschnack rum. Irgendwie alles in Butter.
Lieber alleine 3 minus als zusammen 5 plus, sagt Elgard. Nur die Pressetanten standen sofort auf
der Matte, von wegen Ehekrise und so, am liebsten exklusiv und mit Bildern. Ziehe seit Monaten
mal wieder mit Pancic ums Eck, nur so, muss mir nicht gleich die nächste Dame in die Bude
holen.
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Comeback, zweiter Teil
Zu Hause gegen Bremen. Unangenehme Truppe, jung, ohne Hemmungen, Tendenz steil nach
oben. Zuletzt drei Siege in Folge. Munteres Spiel, ohne Schnörkel und offensiv. Erwischen die
Friesen allerdings ziemlich kalt. Pancic trifft nach sechs Minuten, O´Leary legt zwei Atemzüge
später nach. Dann schlucken wir Staub. Halbzeit 2:1. Anschließend rollen die Bremer. 2:2 nach
75 Minuten, die Deichbauer kriegt Oberwasser, das 2:3 liegt in der Luft, aber Pancic dreht die
Sache im Alleingang. Ballannahme mit dem Rücken zum Tor, links die Murmel am Gegner
vorbei, rechts gelaufen und dann ab ins Gehäuse. Gnadenlos geiles Tor. Der alte Knipser ist
wieder da.
Geständnis
Die Fachwelt staunt, Elgard ist misstrauisch, findet Pancics Formexplosion ´ausgesprochen
seltsam´. Stecke ihm die Sache mit den Pillen. Der alte Schwede rastet komplett aus. Sagt, ich
soll bloß meine Griffel von dem Zeug lassen, auch wenn der Kram auf keiner Dopingliste steht.
Erstens haben alle diese Mittelchen unerwünschte Nebenwirkungen, zweitens kann man süchtig
werden, drittens habe ich den Quatsch nicht nötig und viertens bleibt immer was hängen, wenn
die Bombe hochgeht. Elgard will unbedingt wissen, woher das Zaubermittel stammt.
Schulterzucken. Könnte mir glatt vorstellen, dass der alte Schwede direkt nach Kroatien düst und
den Apothekeronkel an den nächsten Laternenpfahl tackert. Von mir kein Wort. Elgard schnappt
sich das Röhrchen und zittert ab. Wenn ich irgendwas in dieser Richtung anfasse, sind wir
geschiedene Leute. Kein Thema, habe nicht im Traum dran gedacht, das Zeug zu probieren. Ohne
Vicky ist Doping genug.
Manchester rück
Unsere Schnellstarter sind gewarnt. Laufen mit verstärkter Abwehr auf und Sonderbewachung für
Pancic. Leicht verzockt, unser Knipser schmort auf der Bank. Die Galerie hat kein Verständnis
für den Schachzug und fordert ihren neuen Liebling. Mertesacker verzieht keine Miene, alles
Taktik. Absolut schräges Gekicke. Manchester mauert trotzdem, keine Ahnung warum. Falls die
Attacke doch kommt, bringen wir Pancic. Vor dem alten Kroaten haben die Tommies totales
Fracksausen. 0:0 zum Pausentee. Mitte Durchgang 2 reagieren die Tommies, ihr Coach schickt
drei Mann für ganz vorne zum Aufwärmen. Sofort erscheint Pancic an der Seitenlinie und macht
den Hampelmann. Die Schüssel tobt, die Insel-Verantwortlichen lassen ihre Jungs weiter dehnen
und strechen, wechseln aber nicht aus. Pancic glüht ohne Ende vor, bleibt aber auch draußen.
Zehn Minuten vor Schluss machen die Tommies ernst und bringen zwei Rammböcke für die erste
Linie. Mertesacker bringt Gringic als zusätzliches Aufräumkommando und schickt mich ganz
nach hinten. Pancic nimmt gut aufgewärmt auf seinem Sofa Platz. Ende vom Lied: totale
gegenseitige Neutralisation und ein taktisch wertvolles 0:0, das die Tommies ärgert und unser
Anhang nicht begreift. Pech, war Taktik für Fortgeschrittene.
Kontroletti
Überraschung. Direkt am nächsten Morgen kompletter interner medizinischer Rundumcheck für
das gesamte Team. Elgard hat gepetzt, jede Wette. Hätte ich mir eigentlich denken können. Reine
Routineaktion, verkündet Mertesacker. Entkommen unmöglich, auch für Pancic. Jeder spendet
einen Eimer Blut, drückt eine Urinprobe ab und lässt ein Büschel Haare. Keiner weiß, was der
Klamauk soll, außer mir und Pancic wahrscheinlich. Und der denkt mit Sicherheit, ich habe ihn
verpfiffen.
California Mail
Viktoria schreibt, dass sie für einige Zeit Kalifornien beglücken wird, wie lange genau, steht noch
nicht fest. Ich soll, bitte schön, monatlich 50.000 Euro auf ihr Konto überweisen, das müsste für
den Anfang reichen. Sie ist dabei, wieder im Film Business Fuß zu fassen, sähe insgesamt
brauchbar aus. Da wären einige Leute, die ihr einiges zutrauen. Denk ich mal. Mit 50.000 netto
pro Monat im Rücken und der richtigen Besetzungscouch dürfte einiges machbar sein, auch in
Hollywood. Ohne mich.
68
April
War abzusehen, sagt Elgard. Die Dame hat ein korrektes Sprungbrett für den Einstieg in ein
sorgenfreies Leben gesucht und gefunden. Entweder es schleudert sie karrieremäßig nach oben
oder finanziell, oder beides. Knallharter Pragmatismus und ein ziemlich einseitiges
Rechtsgeschäft. Gefühle und dergl. wäre reiner Bonus gewesen, aber keine zwingende
Voraussetzung. Seine Anwälte, sagt der alte Schwede, stehen schon in den Startlöchern, reine
Routine. Lieber jetzt gleich ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Wenn wir
Glück haben, geht der Schwachsinn als Kurzehe durch und wird nicht der finanzielle Hypergau.
Auf jeden Fall besteht im Moment keine Veranlassung, irgendwelche Zahlungen zu leisten, vor
allem nicht 50.000 pro Monat. Wofür? Schmerzensgeld für den Trauring oder was? Lächerlich.
Und tschüss
Die Untersuchungsergebnisse sind okay. Nur unsere irische Parkuhr fällt unangenehm auf, mit
1,2 Promille. Auch nicht schlecht, Alkohol am Ball. Kriegt eine fette schriftliche Abmahnung
von Kuhnke. Noch mal besoffen im Dienst kostet sechs Monatsgagen Strafe, steht so im
Kleingedruckten. Alle anderen sind sauber, auch Pancic. Offiziell zumindest. Inoffiziell hat der
Knipser massive Rückenprobleme und verabschiedet sich kommentarlos Richtung Reha,
irgendwo in Moselnähe, oder so. War nicht anders zu machen, sagt Elgard, der Knabe war bis
obenhin voll mit Koks, eindeutig und ohne jeden Zweifel. Kuhnke war kurz davor, den
Wahnsinnigen zu vierteilen. Klar, mit der Dröhnung in einer offizielle Kontrolle, und die
komplette Saison wäre in der Tonne gelandet und zwar für alle, dafür hätte die liebe Konkurrenz
garantiert gesorgt, Punktabzüge in der laufenden Meisterschaft und Exitus in allen
Pokalwettbewerben. Wird mindestens ein halbes Jahr dauern bis alle Spuren verschwunden sind,
falls der Irre nicht rückfällig wird, sagt Elgard. Offiziell bleibt es bei massiven Rückenproblemen.
Und noch mal tschüss
Kleine Änderung am Rande, der heilige Sonntag ist futsch, wird regulärer Arbeitstag, Wirtschaft
und Regierung haben sich durchgesetzt. Firmen und Geschäfte können zur Arbeit bitten und der
Güterverkehr rollt ungebremst durch die Lande, europaweit. Wird von Wirtschaft und Politik als
ultimativer und alternativloser Fortschritt verkauft, bringt mehr Arbeitsplätze, mehr Wettbewerb,
mehr Verbraucherfreiheit, hält Europa konkurrenzfähig und belebt den Umsatz. Von der
Maßnahme profitieren alle, heißt es. Fast alle. Kirchen, Linke, Grüne und der DFB sind gegen
den geknickten Sonntag, macht die Familien kaputt, die Vereine und beschleunigt unnötig unser
Leben, insgesamt der größte Schwachsinn seit Erfindung des Wasserballetts. Gut, trifft
unsereinen nicht sonderlich, sind sowieso immer im Dienst, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die
Woche, manchmal sogar mehr. Kommt mir wenigstens so vor.
Elgard erklärt Europa für total behämmert, es diktiert und regiert die Wirtschaft. Gibt ab sofort
keine Rückzugsmöglichkeiten mehr, keine Ruhe, keine Tempoverlangsamung, immer nur
Vollgas, immer nur Alltag, die absolute Katastrophe. Wird aus uns ein Volk von
Wirtschaftssklaven machen, hirnlose Workaholics. Effizienz kann nicht alles sein, auch wenn
Aktionäre und Hedge-Fonds Typen so denken. Und der liebe Gott ist ganz nebenbei auch
erledigt; von wegen, am siebten Tag sollst du ruhen. – Für uns Profis wird sich nicht viel ändern,
nur die Sonnntagsspiele steigen ab sofort erst um 21 Uhr, oder noch später.
Volle Breitseite
Vicky rührt die Pressetrommel, mit krassem Erfolg. Vor allem die Frauenblätter steigen ein –
volle Attacke gegen den bösen Jungen, der nur Bällchen im Kopf hat. Da bleibt für eine junge,
liebende Gattin kein Platz. Könnte kotzen. Jede Story komplett aus den Fingern gesaugt, aber
total authentisch. Alles in unserer Beziehung wird breit gelatscht, mehr als je gelaufen ist. Zwei
Gegendarstellungen meinerseits gehen völlig den Bach runter, die schlichte Wahrheit ist total
schrottegal. Keine Sau interessiert sich mehr fürs Sportliche, ich bin nur noch der böse ´MonsterGatte´. Elgard lässt eine Pressemitteilung vom Stapel, in der steht, dass es von mir keine
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Kommentare mehr zur Sache gibt, und dass ab sofort die Gerichte das Sagen haben. Verdoppelt
natürlich das Geheul.
Und Vickylein liefert aus Kalifornien immer neue Munition. Kein Wunder, die kleine Ratte hat
inzwischen einen Exklusivvertrag mit einer fetten Verlagsgruppe an Land gezogen, die ordentlich
Schotter für den ganzen Schlamm abdrückt. Sagenhaft, was ich in unserer Mini-Ehe alles
verbrochen habe, besonders im Bereich ´seelische Grausamkeiten´. Neben mir sind King Kong,
Frankenstein und Jack the Ripper echte Kuscheltiere. Meine Anwälte sammeln vorsorglich
sämtliche Beiträge, Interviews und Quittungen, die Vickylein täglich produziert. Irgendwann,
sagen sie, kommt der Moment, wo wir den Müll als Bumerang benutzen können, dann wird die
Sache richtig teuer für die Dame, von wegen übler Nachrede, Verleumdung und finanzieller
Forderungen. Nett gemeint, aber hilft im Moment nicht viel weiter. Die Lebensfreude knickt
massiv. Hätte gerne einfach nur Ruhe.
Quali Espania
Stehen super da mit unserer Trümmertruppe, noch drei Pünktchen aus den letzten beiden Spielen
und mindestens drei Auftritte bei der WM sind sicher. Hätten die Sonnenanbeter auch gerne. Ihr
neuer Superknipser heißt Pancho, Rakete mit doppeltem Turbo. Geils und Baliu hinter mir haben
alle Füße voll zu tun und Reckermann liegt ständig quer, um Einschläge zu verhindern. Der
zehnte Versuch sitzt. Annahme mit der Brust, Geils verzichtet auf den Tritt zwischen die
Schulterblätter und Drop Kick in die Maschen. Wir selbst finden kaum statt, abgesehen von einer
einzigen Ecke, die Geils direkt hinters Tor schaufelt. Halbzeit. Geils fliegt raus, Simic kommt als
zweite Spitze, ich gebe den Knipser. Nach 60 Minuten Zusammenprall im Mittelfeld. Mir
brummt der Schädel, kleine Platzwunde (wird sofort geklammert) und weiter. Pancho hat die
weichere Birne und landet auf Intensiv. Werde anschließend bei jeder Aktion weggebrüllt. Egal,
ohne den Chefmatador läuft bei den Toreros weniger als ein Drittel. Die Quittung kommt sechs
Minuten vor Ultimo. Wolter schnibbelt einen Kunstschuss ins lange Eck, der Schnappi fängt,
flattert aber mit seiner Beute ungebremst ins Netz. Trotzdem, starke Flugeinlage.
Monsterstatus
Viktoria sorgt für tägliche Schlagzeilen. Die Sportblätter sind auf meiner Seite, die
Emanzenpaper verwandeln mich in Godzilla. Habe dem Mädel psychische Schäden in
Steinbruchformat zugefügt. Völliger Schwachsinn. Ende vom Lied: bei jedem Match erscheinen
irgendwelche verstrahlten Weiber mit Null Ahnung vom Spiel und rollen fette Transparente aus:
´Machoschwein´, ´Schwanzdenker´ usw. Total beknackt. Und nach Spielschluss dann diese
Interviews. Wir gewinnen 3:0, ich mache zwei sensationelle Hütten, und was fragt der
Mikrohalter? „Kam es in Ihrer Ehe zu Vergewaltigungen?“ Alles vor laufender Kamera. Super.
Dank Elgard bekommt der Futzi keinen auf die Backe. Darf besorgt meinen Kopf schütteln, mich
über die Mannschaftsleistung freuen und verschwinde dann in den Katakomben.
Mai
Mein dickster Werbepartner kündigt nach knapp zwölf Monaten wegen Imageverlust. ´Wir haben
Grund zu der Annahme, dass meine ungeklärte persönliche Lage massive negative Auswirkungen
auf das Renommee der Firma und ihre Produkte hat´. Sämtliche Zahlungen werden per sofort
eingestellt, Ende aus, das war´s. Elgard sagt, die Company darf das, steht im Vertrag. Mir stünde
umgekehrt die gleiche Möglichkeit zu, allerdings müsste dann die Firma Regress zahlen. Käme
umgekehrt nur bei vorsätzlicher Rufschädigung in Betracht. Ist bei Scheidungen allerdings nicht
nachweisbar.
Pokal Halbfinale
Gestern Madrid, heute Aachen. Neuer Tivoli, totale Sintflut und Wasserspiele. Trotzdem 50.000
Wahnsinnige auf den Rängen. Auf der Seenplatte zehn Geisteskranke, die erst dann aufhören zu
rennen, wenn sie das komplette Stadion im Rücken haben. Ansonsten Schlammringen und
Catchen, mit krassen Pannen im Dutzend. Islop wirft ab, die Murmel flutscht ihm aus der Pranke
und rauscht nach hinten in die eigenen Maschen. 1:0 für die Kartoffelkäfer. Im Gegenzug scheppt
70
der Fünfer eine Rückgabe aus 20 Metern kerzengerade ins linke Lattenkreuz. Als regulärer
Treffer Weltklasse. Insgesamt Katastrophenkick, nur O´Leary zahlt Vergnügungssteuer. Irische
Verhältnisse erklärt unsere Parkuhr und fetzt los. Versenkt im Alleingang drei Murmeln, die
Printenköppe allerdings auch. Insgesamt 4 beide. Verlängerung, absolute Höchststrafe. Knapp 15
Grad, Seitenwind und neue Schauer. Träume von einem warmen Palmenstrand, Hängematte und
Bar, die hauptsächlich Pina Colada vertreibt. Stattdessen in klatschnasser Kluft auf einem
gefluteten Fußballacker. Hagel hämmert auf meine Birne, ich lutsche an einer Gummiflasche mit
frostigem Elektrolytgesöff und irgendwer erzählt, wir hätten ziemlich gute Karten, die
Printenmänner wären ratsch am Arsch. Super, ich auch.
Wir beginnen mit einem Volltreffer. Ösi flankt hoch vor die Kiste, die Aachener Eins lässt
flutschen, mir schlägt die Murmel an den Kopf, 5:4. Irgendwer bricht mir vor lauter Begeisterung
fast das Genick. Verteidigen unsere Führung bis genau zwei Sekunden vor Schluss. Indirekter
Freistoß aus zehn Metern. Tumult unterm Querbalken, dreimal gelber Katong, und am Ende
zappelt die Murmel irgendwie im Netz. Liege halb ertrunken im Matsch, ganz Aachen trampelt
über mich weg und die Anzeigetafel zeigt 5 alle. Von mir aus könnte jetzt das Flutlicht ausfallen
und nie wieder angehen. Passiert aber nicht. Stattdessen Elfmeterschießen. Jeder Schuss ein
Treffer. Islop hat dreimal die Krallen dran, aber die Murmel durchschlägt inzwischen
Panzerplatten. Unseren letzten Elfer hämmert Jungnikel an die Latte. Aachen verwandelt und wir
sind zweiter Sieger. In meinem nächsten Leben werde ich Rosenzüchter.
Spanien Rück
Mit Pancho. Shakehands vor Spielbeginn und die Kopfnuss ist vom Tisch. Die Konstellation ist
klar. Wenn wir gewinnen, sind die Spanier raus, spielen wir unentschieden, fahren beide zur
WM. Sollten wir verlieren, darf gerechnet werden. Unglückliche Ausgangslage für ein
prickelndes Spiel. Die Toreros versuchen uns nicht zu reizen, wir verwalten, was wir haben.
Klopp reißt in der Halbzeit unsere Umkleide ab. Auf 0:0 zu spielen ist der blanke Wahnsinn und
Geheimverträge mit Nichtangriffspakt zwischen uns und Spanien existieren definitiv nicht.
Auch die Toreros haben ihren Einlauf bekommen. Paff, nach drei Minuten klebt die Murmel
rechts oben bei uns im Knick, hüpft aber wieder raus. Schwein gehabt. Eine Viertelstunde lang
findet Fußball statt, mit Halbchancen auf beiden Seiten, danach Tiefschlaf. Der Ref macht zum
Glück pünktlich Schluss. Klassenziel erreicht, Ende. Montenegro darf Urlaub buchen. Kriegen
natürlich ätzende Kommentare von außerhalb. ´Schiebung´, ´Fußballmafia´ und ähnlich dummes
Gewäsch. Jeder Teilnehmer an der Quali hatte die gleichen Chancen, von Anfang an.
C-League
Der nächste Tanz. K.O.-Runde, im wahrsten Sinne des Wortes. Kriegen von Mailand fett den
Arsch versohlt. In Italien 0:3, zu Hause 1:2. Sind zu dämlich für die abgespacte Bande. Wir
rackern wie doof, die Spaghettis machen die Tore, auch ohne echte Chancen, Standardsituationen
reichen völlig. Die ultimativen Präzisionskicker. Und im Rückraum stehen keine Verteidiger,
sondern flexible Personenminen. Wer aufläuft, geht hoch. Der Nachschlag kommt per
Ellenbogen, absolute italienische Spezialität und der Schiri lässt weiterspielen, trotz Veilchen und
Schleudertrauma. Zwei fette Pleiten innerhalb von sieben Tagen. Mertesacker hakt´s ab, Kuhnke
ist eine Woche stocksauer und ätzt rum.
Tantiemen
Viktorias Forderungen kommen prompt und heftig. Scheidung kein Problem, als Abfindung
wären 15 Millionen Dollar angemessen, schließlich hat die Dame meinetwegen eine
aussichtsreiche Filmkarriere beendet, ein unverzeihlicher Fehler. Vom Affen gebissen, das
Püppchen. Welche Filmkarriere? Drei oder vier Minirollen in achtklassigen Schülerproduktionen.
Lächerlich. Meine Anwälte winken ab. 15 Mille sind absolut utopisch. Allerdings, billig wird die
Sache nicht, der ein oder andere Euro dürfte mit Sicherheit Richtung Kalifornien wandern. Super.
Planänderung: im nächsten Leben werde ich garantiert Spielerfrau.
71
Liga
Blechpokal, dritter Platz, wieder kein Titel. Immer in Reichweite, haben die Schale aber nie
richtig zu fassen gekriegt. Waren der Esel hinter der Möhre. Auch im Pokal wäre mehr drin
gewesen, aber wer auf allen Hochzeiten tanzt, braucht viele Anzüge. War keine Flop-Saison, aber
um ganz vorne zu landen, fehlen Qualität und Quantität. Wenige Positionen mit
Doppelbesetzung, vor allem nicht in der Vorwärtsabteilung. Kein echter Knipser neben Pancic,
nur junge Nachwuchshähne. Lautes Gegacker, bunte Federn, das war´s. Und selbst meinereiner
schlafft am Ende durch. Muskel, Sehnen und Bänder sind keine wartungsfreien Aggregate.
Juni
Champions-League Finale, Mailand gegen Moskau in Paris. Sollte eigentlich eine kapitale
Fußballfete werden, aber die Hooligans haben dazu gelernt. Irgendwie ist es den Spinnern
gelungen, sich in den Zentralcomputer der Pariser Polizei zu hacken und die Maschine mit
vorbereiteten Fehlinformationen zu füttern. Sämtliche Ordnungskräfte werden zu
Fanatsieeinsätzen in diverse Vororte abkommandiert, während das verstrahlte Chaotenpack
generalstabsmäßig und fast ungehindert zum ´Stade de France´ pilgert, schlapp 10.000 Mann in
Weltkriegsstimmung und voll bewaffnet. Fußball findet nicht statt. Die Teams verbarrikadieren
sich in ihren Kabinen und warten, bis sie von Polizei und Armee befreit werden. Dauert glatte
sechs Stunden. In der Zwischenzeit zerlegen die Wahnsinnigen alles, was sich zerlegen lässt, zum
Glück auch sich selbst. Resultat: 40 bis 60 Mijo. Schaden, einige Tausend Verletzte, 14 Tote,
darunter zwei Polizisten. Drei Tage Staatstrauer in Frankreich und der Präses kündigt an, dass auf
französischem Boden bis auf weiteres alle sportlichen Großveranstaltungen abgeblasen sind.
Krasse Entscheidung, vor allem für die Proficlubs. Anschließend rollen Köpfe in den Behörden.
Sämtliche Verantwortlichen für die Computerpleite (inkl. Innenministerin) dürfen ab sofort
irgendwelche Fahrradkeller bewachen.
Das Endspiel steigt zwei Tage später unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Tschechien. Die
Arena wird von 5.000 Mann Militär und zehn Hundertschaften Polizei abgeriegelt. Moskau
gewinnt den Totentanz 3:1 dank seiner Brasilianer. Keine Massakrierten und Verletzten, nur der
Mannschaftsbus der Italiener verschwindet spurlos.
Juli
Überall Spielpause, wir fahren zur WM. Die Republik im kollektiven Fußballwahn. Kein
Wunder, die Medien haben auf 220 Grad und Umluft geschaltet. Wir sind die Glückspilze und
Stars, haben die Ehre, unsere Knochen für die Nation hinhalten zu dürfen, auch wenn die
Knochen gar nicht mehr hingehalten werden wollen. Bekomme von Klopp & Co genau sieben
Tage fußballfreie Zeit bewilligt, mit der Auflage, mich medizinisch aufmöbeln zu lassen. Von
wegen Urlaub. Buche zusammen mit Elgard einmal Schwarzwald-Klinik und schleife pro Tag
sechs bis acht Stunden durch therapeutische Wiederbelebungsmaßnahmen. Die Jungs und Mädels
sind Vollprofis, freundlich und bemüht, der Bewegungsapparat wird generalüberholt, nur die
Birne tickt immer weiter, auch nach drei Weizen: Fußball, Fußball, Fußball.
Testspiel
Vor dem Abflug nach Argentinien der obligatorische Abschiedskick gegen eine hauseigene
Amateurtruppe. Dieses Mal wurde aus sieben Wäschesäcken ein Eifelclub gezogen, vierte Liga,
aber ganz unten. Glückwunsch.
Ausnahmezustand in der gesamten Region. Unser Hauptsponor braut seine Brühe gleich nebenan,
netter Ort mit großartiger Fernsicht. Viele reden von Schiebung, die Leute vor Ort pfeifen drauf.
Wir schreiben 40.000 Autogramme und dürfen anschließend auf dem Platz noch den Himbeertoni
geben. Die Eiflis sind nett, aber heiß wie Bügeleisen. Jede Pappnase will uns Starkickern zeigen,
wo der Hammer hängt. Gefangene, plappert der Mannschaftskapitän fröhlich in die Mikros,
werden in seinem Stadion grundsätzlich nicht gemacht. Klopp hat präventiv mit den Hirnis
geredet, aber anscheinend nicht deutlich genug, es hagelt derbe Schläge auf die Socken. Wolter
verabschiedet sich mit einem satten Hieb auf die Kniescheibe (fetter Bluterguss), mir hüpft ein
72
Eifelhirsch ungebremst von hinten in die Gräten. Sechs muntere Schraubstollen auf der linken
Wade, wie eingebrannt. Freundschaftsspiel, wie der Name schon sagt.
August
Über meinen zertrümmerten Wadenmuskel wird mehr berichtet als über sämtliche Anschläge in
Palästina und Umgebung. Jeder Schritt, jede medizinische Anwendung landet auf den Titelseiten.
Macht die Sache keinen Tick besser. Eine Woche Reha und keine erkennbaren Fortschritte. Vier
Wochen Südsee wären besser gekommen. Stattdessen täglich zweimal Training, dosiert und mit
Unterbrechungen. Nach drei Tagen Südamerika ist Ende im Gelände, vom linken Knie an
abwärts geht nichts mehr. Kaputte Wade, Schade. Aufschrei in allen Zentralorganen. Zuerst
Besorgnis (was wird, wenn der Junge schlapp macht?), dann kommt der Abschuss: ´Unsere
Jungmillionäre können viel einstecken, aber nur, wenn es um Gehälter, Handgeld und Prämien
geht´. Absolut treffend. Über den Vollidioten, der meine Wade demoliert hat, beschwert sich
keine Sau.
Auftakt
Nordirland, angeblich unser schwächster Gegner. Um der Presse das Maul zu stopfen wird
aufgelaufen, gegen jede Vernunft, gegen die Empfehlung der Ärzte, auf eigene Kappe. Alles ist
gut, bis zur 20. Minute. Zweikampf im Mittelfeld, Beinschere von hinten, bleibe mit der lädierten
Gräte kurz aber heftig hängen. Optisch belanglos, intern kompletter Muskelbündelriss.
Glückwunsch. Einziger Vorteil: ´Simulant´ hat sich erledigt, ´Simulant´ verschönert Krankenhaus
und fährt Patienten-Porsche. Die Schichtaufnahmen wandern um die Welt und sämtliche
Korrespondenten zerlegen mit Genuss Trainerstab und Medizinmännern, die offensichtlich ihre
Hausaufgaben nicht gemacht haben. Unfähiges und fahrlässiges Pack. Taktisch clever von der
Journalistenblase. Sich selbst aus der Schusslinie bringen und andere in die Pfanne hauen. Schafft
man locker, wenn man genug Druckerschwärze hat.
Schichtende
Falle locker drei bis vier Wochen aus, sagen die Knochenflicker. Spielt aber keine Geige. Nach
drei schlappen Unentschieden in der Gruppenphase (Irland 0:0 / Türkei 1:1 / Frankreich 0:0)
haben wir mit dem WM Titel keine Last mehr. Dumm gelaufen. Die Türkei und Frankreich
werden aufgerundet, wir zu Hause und international auf Erbsengröße geschrumpft. Der Einzige,
der beim Nachkarten keine Vollrasur bekommt, bin ich. Alle anderen sind Fußballschwuchteln
und verwöhnte Inkassobüros. Nur mir dichtet man ´Charakter´ an, Einsatz bis zur Selbstaufgabe.
Von wegen ´Charakter´ – bin jämmerlich vor der Presseblase eingeknickt. Lieber spielen und die
Knochen kaputt machen lassen, als kaputt geschrieben werden. Alles völlig ´out of proportion´,
sagt Elgard. Denke über meinen sofortigen Rücktritt als Nationalspieler nach. Geht aber nicht,
sagt der alte Schwede, an der Sache hängen zu viele Werbeverträge, mein Marktwert und seine
Prozente.
Saison 2033/ 2034
Knapp elf Monate nichts auf die Reihe gekriegt, auch schriftlich nicht. Kein großer Verlust, hätte
sowieso nur irgendwelchen Quadratmüll eintragen können. Abhaken, Mund abwischen,
weitermachen, sagt Elgard. Leicht gesagt, absolutes Katastrophenjahr. Nur Mist auf den
Ventilator gekriegt. Glatte drei Monate Pause wegen der geplatzten Wade. Zog wie Honka und
brach immer wieder auf. Fast vier Wochen im Gruftichopper, danach Reha und Aufbautraining,
Schweiß und Tränen, Muskelmasse quasi bei Null. Zwischendurch Scheidung. Schlammschlacht
de luxe und Goldgräberstimmung in Kalifornien. Einziges Ziel der Dame: maximalen Schotter
abstauben. Erste Phase: Scheidung nach unserem oder amerikanischem Recht? Nach Ablauf von
vier Monaten finden die Rechtsgelehrten heraus: unsere Ehe wurde nach deutschem Recht
geschlossen und wird dementsprechend auch wieder beendet. Super! Alleine für diese Nummer
gehen schlappe 200.000 Euro über den Tisch. Der Rest, nach deutschem Recht, gestaltet sich
einigermaßen human. Eine Million in Cash als Einmalzahlung an den Raffzahn und Finito. Im
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Land des unbegrenzten Wahnsinns hätte mich die Dame mit hoher Wahrscheinlichkeit bis auf die
Unterhosen ausgezogen. Top Thema in allen Zentralorganen, von Anfang bis Ende. Zuerst gab´s
mächtig Hiebe für mich, nur als rüber kommt, wie geil unsere Greta Garbo für Arme auf jeden
Euro ist, kippt allmählich die Stimmung. Auf unserer Seite des Atlantiks wird die Dame
höchstens noch in einer Geisterbahn auftreten dürfen, sagt Elgard.
Bin während der Verletzung ´journalistisch´ tätig gewesen. Wöchentlich eine Kolumne in ´Sport
direkt´ abgeliefert, Thema beliebig, den Rest checkt die Redaktion. Alles ging, selbst die Story
um meinen plötzlich verschwundenen Lieblingspullover. Flache Geschichte mit wolligen
Konsequenzen: innerhalb von vier Wochen flattern mir exakt 4581 Pullover ins Haus. Basteln
daraus einen satten Wohltätigkeitsbasar fürs Rote Kreuz. Die drei besten handgestrickten Modelle
werden prämiert und müssen abwechselnd von mir getragen werden, einmal pro Stück.
Comeback kurz vor Weihnachten. Ging so. Anschluss im neuen Jahr, Stammplatz zurück erobert,
auch im Nationalteam. Muskelmasse und Grundschnelligkeit insgesamt leicht verbessert. Wer
mit mir kollidiert, hat ernste Probleme. Technisch und taktisch war eh alles im grünen Bereich.
Bin auf dem besten Weg zur persönlichen Perfektion, sagt Elgard.
Saisonverlauf trotzdem nicht hitverdächtig. Verpassen sogar den Döner Cup. Mertesacker wird
ans Kreuz genagelt und abserviert. Normaler Prozess, sagt Elgard. Nach knapp acht Jahren im
gleichen Verein beginnt man sich zu wiederholen, trotz aller Fluktuation im Kader. Und nicht
einer weinte dem Langen eine Träne nach, auch nicht die Pappnasen, die er einigermaßen ins
Geschäft gebracht hat. Änderte sich mit der neuen Saison schlagartig.
Saison 2034/2035
Unser neuer Übungsleiter ist Ernesto Fernando Gomez, Portugiese und Diplom-Oberarsch,
Spitzname ´Sonnenkönig´. Erster Auftritt, erster Kracher. Als Rollkommando traben drei
Wehrwölfe an, offizieller Titel: Assistenztrainer. Danach erscheint der große Meister, nickt kurz
in die Runde und verschwindet tonlos. In seinem Schlepptau hängen zwei neue Balltreter,
Robredo und Gabiano, portugiesische Brasilianer oder umgekehrt. Ist auch egal. Kommen beide
total mies rüber.
Erstes Opfer der neuen Ära: Hulot. Übersetzer überflüssig. Klar, seine Majestät reden überhaupt
nicht mit dem unterbelichteten Fußvolk. Wenn Ansagen kommen, dann nur von den drei
Wehrwölfen. Die Galeerenkapitäne sprechen Englisch mit uns, bzw. das, was sie dafür halten.
Gut neun Zehntel aller Anweisungen gehen den Bach runter und der Rest ergibt keinen Sinn. Jede
Trainingseinheit endet im Chaos und zieht sich wie Kaugummi. Bälle verwandeln sich in
unbekannte Flugobjekte, dafür flitzen wir wie angeschossene Hasen quer durch die Pampa. Fühle
mich nach einer Woche wie der ´Traber des Jahres´. Habe im Namen der Mannschaft bei Kuhnke
nachgefragt, ob wir nicht Hulot wiederbekommen könnten. Keine Chance. Unser Dompteur will
keinen Papagei, und außerdem hat sich Hamburg den Jungen sofort unter den Nagel gerissen.
Dürfte eine heitere Saison werden. Bin gespannt, wie lange es dauert, bis die Bounty meutert oder
untergeht.
Der Sonnenkönig hat die Truppe allerdings voll im Griff, schlägt an Überheblichkeit sogar
Krasinic, unsere Neuerwerbung aus Kroatien. Arroganter Oberarmleuchter. Krasi glaubt fest,
Fußball ist seine Erfindung. Taktischer Fehler. Senor Gomez setzt den Halbgescheiten für einen
Monat auf die Tribüne und kürzt die Bezüge um ein Drittel. Krasi meckert bei Kuhnke und kriegt
zwei Wochen Nachschlag. Der Rest rennt wie die Coyoten. Fußball ist in erster Linie ein
Bewegungssport wird uns verklickert. Dass wir am Ball alles können setzt der große Meister
voraus, dass wir uns freiwillig bewegen nicht. Profis sind von Natur aus faule, antriebslose
Ärsche. Wer sich nicht anpasst und genau nach Anweisung handelt, steht automatisch auf der
Abschussliste. Fühle mich wie in einer Sträflingskolonie. Ist wohl auch so beabsichtigt von
unserer Trainerprothese. Presst an jeder Wirkungsstätte den letzten Saft aus seiner Truppe, holt
einen fetten Titel, wirft nach zwei Jahren die Brocken hin und verschwindet. Verluste spielen
keine Geige, wegen eingebauter Erfolgsgarantie. Nichtsdestoweniger hat Madrid die Kanaille vor
drei Monaten in den Orbit geschossen, aus unbekannten Gründen, trotz Meisterschaft und
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Pokalsieg. Dürfte sich einige Todsünden gelappt haben, der große Meister. Jetzt haben wir den
Spinner am Hals. - Elgard und ich beschließen, zügig auszuwandern. Typen wie Gomez kennen
nur zwei Standpunkte – ihren eigenen und einen falschen. Wie konnte Kuhnke so einen
Schweißbrenner verpflichten?
August
Mokhtadi, unser neuer Dribbelkönig aus Marokko muckt als zweiter. Mokka hat in einem
Schuhkarton Fußball gelernt, technisch erste Sahne, aber der Mann leidet an einer extremen
Schweißallergie. Verlangt mehr Balltraining und weniger Kilometer. Wird auf der Stelle
aussortiert, ab in die Reserve zu halbierten Bezügen. Leute wie Mokka frisst Gomez zum
Frühstück. Danach Schweigen im Wald. Kein lautes Wort mehr in den Übungsphasen, kein
Lachen, kein Späßchen, Sport nach Vorschrift und mit Peitsche. Elgard rotiert hinter den
Kulissen, um mir das Krematorium zu ersparen. Wird knapp, alle vernünftigen Clubs haben die
Saisonplanung abgeschlossen und ihr Budget verballert. Neben mir ist mindestens die Hälfte der
Truppe auch auf der Suche. Es soll Clubs und Trainer geben, bei denen Menschenrechte und die
Genfer Konvention noch beachtet werden. Gomez kann sich und seine Pappenheimer allerdings
hervorragend einschätzen. Über seine Wehrwölfe teilt er mit, dass jeder, der seinen Ansprüchen
genügt, umgehend 30 Prozent mehr Gage einfährt. Die meisten Abwanderungspläne landen im
Müll.
EM Quali
Das Einzige, was einigermaßen rausreißt ist die Nationalmannschaft. Drei Siege hintereinander
auf dem Weg zur nächsten EM, sind Gruppenzweiter hinter Schweden, vor Dänemark, Belgien,
Schottland, der Ukraine und den Faroer Inseln. Die ersten beiden qualifizieren sich direkt. Klopp
und seine Bande sind der Kontrapunkt zu unseren Arschgeigen im Club. Der Dicke ist auch kein
Kind von Traurigkeit, aber trotzdem irgendwie Ansprechpartner und Kumpel. Gomez ist für die
Meisten eine Kreuzung zwischen Klapperschlange und Darmausgang.
Treffpunkt Wadenbein
Herzlichen Glühstrumpf. München. Gerade noch das 1:0 gemacht, drei Minuten später
Notarztkontakt und Schmerzen. Kernspindiagnose: Wadenbeinbruch, zum Glück glatt, ohne
Komplikationen und ohne OP. Schiene, Schnallenverband und abwarten. Vier bis sechs Wochen
Pause meinte der Medizinmann, wenn alles normal läuft. Vor der Ambulanz stapeln sich die
Fernseh-Teams, wären am liebsten mit in der Röhre. Elgard transportiert mich nach Hause, von
Gomez und seinen Helfershelfern keine Reaktion. Arschgeigen in allen Belangen. Vor der
Haustür schichten sich die Fans und wünschen gute Besserung. Wenigstens etwas.
Klimakatastrophe
Kuhnke erscheint nach zwei Tagen. Stramme Leistung, zeigt rege Anteilnahme. War schon mal
wesentlich dichter an der Mannschaft. Bringt außerdem nur verstrahltes Zeug mit. Wird während
der Ausfallzeit meine Bezüge um zwanzig Prozent reduzieren, rechtlich ist so eine Schweinerei
seit einigen Monaten möglich. Notwendige Sparmaßnahme, das Team kostet insgesamt 30
Prozent mehr, dank Gomez. Super. Der Armleuchter hat Kuhnke voll im Griff. Sofortige
Vertragsüberprüfung durch Anwalt. Schlechte Karten. Die Kürzung ist nach neuem EUArbeitsrecht gültig, jeder Betrieb darf bei kranken Mitarbeitern vom ersten Fehltag an 20 Prozent
einkassieren. Klagen sinnlos. Elgard ist doppelt sauer. Will mit Kuhnke verhandeln und wird mit
drei Worten abserviert, nach schlapp zwanzig Jahren Zusammenarbeit. Kein vernünftiges
Gespräch mehr möglich mit dem großen Macher. Gomez sitzt am Joystick und wird den Verein
innerhalb von 24 Monaten vor die Wand fahren. Jede Wette. Nix wie weg hier.
September
Europaliga, Kuhnkes Lieblingskind kriegt Füße, ab der übernächsten Saison. Alles geklärt, bis in
die letzte Kleinigkeit. Gigantisches Palaver im Vorfeld. Die meisten Clubs sind gegen die neue
Hyperliga, klar, weil nur achtzehn oder vielleicht zwanzig Teams mit von der Partie sind, der
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Rest kickt im Hintergrund um die ´Goldene Ananas´. Außerdem, nur die stärksten Verbände
dürfen ihre Super-Teams schicken, strikt nach UEFA Bestenliste: England, Frankreich, Italien,
Spanien, wir, Portugal, Russland, Holland, Schweden, Türkei und Griechenland. Pro Verband ein
bzw. zwei Teams, und wir sind haarscharf dabei, neben München, auf Grund aller Platzierungen
der letzten zehn Jahre. Der Rest aus Europa wird Sondermüll und in den nationalen Ligen
einbetoniert.
Die Hyper-Erfinder haben unschlagbare Argumente. Keine unnötigen Wettbewerbs- und
Synergieverluste, die beteiligten Clubs erhalten optimale Planungsunsicherheit, von der
besonders die Fans profitieren, es gibt nur noch Top-Spiele. In sich ist das System absolut
wasserdicht:
- Aufstieg und Abstieg entfallen
- Einnahmen werden nach Tabellenstand verteilt
- feindliche Übernahmen sind verboten
- kein Verein / kein Besitzer darf sich mehrfach in der Liga engagieren
- der Jahresetat für Spieler inklusive Ablöse wird auf 1 Milliarde Euro eingefroren
- Verletzungen des Reglements (Verfolgung durch verbandsinternes Sondergericht) kann mit
Ausschluss vom Spielbetrieb und Eignerwechsel bestraft werden, etc, pp. - In 50 Jahren, sagt
Elgard, sind auch die Top-Mannschaften Schnee von gestern und sämtliche Ergebnisse werden in
einer Lotterie ermittelt. Das gibt für die Clubs noch mehr Planungssicherung und minimiert die
Kosten total.
Griff ins Klo
Knapp verkalkuliert, Senor Gomez, der erste Titel ist futsch. Pokal in Sandbergen, sechste Liga,
oberes Mittelfeld, Routinesache. Gomez schickt die Reserve los, sollte trotzdem kein Problem
sein. Konjunktiv irrealis, sagt Elgard. Der Platz ist ein Kartoffelacker, die Wadenbeißer sind
motiviert bis in die Ohrläppchen, im Gegensatz zu uns. Keine Siegprämie, kein Ruhm, nichts,
nada, reines Pflichtprogramm. Und der große Meister hockt in seiner Bushaltestelle und verzieht
keine Mine.
0:0 zur Halbzeit, Goliath kriegt David nicht geplättet. Gomez lässt kommentarlos weiterbolzen.
Die kalte Dusche kommt prompt. Pancic fliegt wegen Tätlichkeit (Tiefschlag voll auf die 12),
und Betong geht fünf Minuten später wegen Schiedsrichterbeleidigung, dabei kann der Knabe
weniger als zwei Worte Deutsch. Anschließend erscheinen die Sandberge zum ersten Besuch in
unserem Strafraum. Lala, unser Reservefunkturm, schwebt blind am Ball vorbei und irgendein
Schlossergeselle schiebt im Liegen die Murmel mitten ins Vergnügen. Minuten später ist die
Sensation perfekt. Gomez reagiert: eine Woche Trainingslager inklusive Sondertraining und
Streichung aller Außentermine für einen Monat: keine Autogrammstunden, keine Werbeauftritte,
nix, null, niente. Dabei war von der ersten Garnitur überhaupt niemand am Trauerspiel beteiligt.
Der Spaß kostet mich, trotz Verletzung, knapp 50.000. Leider hat sich der Club die Schikanen
von allen Aktiven schriftlich garantieren lassen, irgendwo im Kleingedruckten. Hätte nie gedacht,
dass Kuhnke mit diesem Paragraph zuschlagen würde. Im nächsten Vertrag wird der Blödsinn
ersatzlos gestrichen oder der Abschluss landet in der Tonne. Im Übrigen, so sickert durch, denkt
die Vereinsführung darüber nach, in Zukunft den Pokal sausen zu lassen. Zu hohe Belastung, zu
wenig Profit, finanziell und sportlich.
Rückfall
Mama ruft an. Papa im Delirium Clemens, wieder ab ins Trockendock, offiziell wegen ´Burn
Out´. Kann die Griffel nicht vom Sprit lassen. Auch kaum möglich, bei den Freunden, sagt
Mama, die Herrschaften schlucken wie Gullys. Eigentlich müsste die ganze Truppe mit, sonst ist
der nächste Rückfall vorprogrammiert. Schöne Scheiße. Warum muss man saufen? Gomez als
Entziehungshelfer würde Papa die Faxen locker austreiben, so wie O´Leary. Die Spriteule ist seit
Saisonbeginn staubtrocken. Kein Wunder, kriegt in unregelmäßigen Abständen und ohne
Vorwarnung Blut abgezapft. Und einmal Sprit im Tank kostet eine glatte Million vereinsschädigendes Verhalten. Ohne Sprit gibt´s 10 Prozent mehr Kohle. Weiß ich von Elgard.
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Verzichte darauf, Papa zu besuchen, wäre ein Reichsparteitag für alle Zentralorgane. Kann mir
die Schlagzeile lebhaft vorstellen: ´Fußballstar in Trinker Heilanstalt´. Da muss der Alte alleine
durch.
Oktober
Acht Siege in Folge, dann das erste Remis. Knapp den Vereinsrekord verpasst (10 Siege am
Stück). Trotzdem zur Halbzeit auf dem Platz an der Sonne, mit sattem Torverhältnis, 56:12. Wir
sind die Helden und Gomez der Heldenvater. O´Leary ist aus Kostengründen in der Form seines
Lebens, Jungnikel unser Alterspräsident mimt das Häschen, Islops hat Magnete in seinen
Handschuhen und Akele entwickelt sich in Richtung Maradonna. Robredo und Gabiano, Papas
Lieblinge, sind ein Team im Team, aber bringen ihre Leistung. Ansonsten arrogante Arschgeigen.
Und für mich errechnet das Sadistische Bundesamt: 0,68 Treffer pro Spiel, absolut krass. Liege
als Mittelfeldstratege in der Torschützenliste auf Rang 1, trotz fehlender Spiele. Dreimal knapp
am ´Tor des Monats´ vorbei geschrammt, einmal gewonnen, Volltreffer mit der Hacke aus zehn
Metern Entfernung.
Rückfall
Papa ist seinen Folterknechten entwischt und hat sich in der nächsten Kneipe voll die Kante
gegeben, ohne einen einzigen Cent in der Tasche. Gibt sich am Ende als mein Erzeuger zu
erkennen, kübelt den Saal voll und weckt den Notarzt. Super. Der Kneiper, nicht dumm, mailt
sämtliche Rechnungen an den Verein, zur Weiterleitung an mich und informiert die Presse: 17
Pils, 8 Doppelkorn, 3 Frikadellen, eine Packung Glimmstengel plus 450 Euro Reinigungskosten.
Stehe ab sofort auch unter Spritverdacht, frei nach dem Motto: ein Apfelkorn fällt nicht weit vom
Stamm.
Kurzschluss
Werde auswärts freudig begrüßt mit Transparenten wie: ´Hallo Spriteule´, ´Heute schon getankt´?
und so weiter. Und bei jeder Aktion, die in die Hose geht, brüllt die ganze Meute: ´Ziiiielwasser´.
O´Leary lacht sich scheckig und selbst Gomez sondert einen hochphilosophischen Kommentar
zur Situation ab: ´Remember, young man, any mistake is deadly´. Flachwichser! Welcher Fehler?
Dass ich bei der Auswahl meiner Eltern nicht vorsichtig genug war, oder was?
Höhepunkt in Köln. Die Jungs treten mir ohne Ende in die Hacken und stänkern rum: ´Du stinkst
nach Doppelwacholder´, ´Dein Papa hat dich doch im Suff gemacht´ und ähnlich nettes Zeugs.
Nach 60 Minuten knallt die Sicherung. Kurzer Tritt in die Weichteile, der größte Schwätzer
knickt weg, ´rot´ und einen Monat Tiefkühltruhe. Bin damit noch gut bedient. Kuhnke kürzt
lächelnd und sofort meine Bezüge. Könnte meinen Alten umbringen.
November
Krasse Neuigkeiten aus dem geschmeidigen Süden. Italienische Zentralorgane berichten über
jede Menge gekaufte und verkaufte Spiele. Irgendwelche Herrschaften aus Turin sollen durch
massive Einflussnahme zweimal die Meisterschaft und einmal den Pokal ergattert haben.
Knackige Vorwürfe. Als Beweis gibt es abgehörte Telefonate, abgefangene E-Mails, fette
Überweisungen und mehrere Kronzeugen. Wenn die Sache stimmt, fliegt die Kuh und Turin geht
ab in die Kreisliga.
Nachschlag
Die Angelegenheit in Bella Italia zieht Kreise. Zwei Clubs haben in der Serie A mit großem Geld
etliche Spiele manipuliert, um dem winkenden Abstieg zu vermeiden. Stattdessen durften andere
in Grass beißen, ohne Schnörkel und viel Tamtam, auf dem ganz kurzen Dienstweg. Drahtzieher
hinter den Kulissen ist anscheinend eine fette Spielervermittlung namens FAI in Neapel. Der
Laden managt knapp ein Drittel aller italienischen Profis und kann Spiele quasi vom Schreibtisch
aus entscheiden, meistbietend, versteht sich. Und einer der beiden Geschäftsführer ist zufällig der
Sohn des Nationaltrainers. Sattes Ding.
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Spritfront
Papa liegt auf Nummer sicher, mit seinem vollen Einverständnis. Ziemlich geschlossene
Abteilung, sagt Mama, bleibt selbst an Wochenenden dicht. Kein Freigang, keine Gnade, nur
gesiebte Luft. Amerikanisches Modell, mit viel Bewegung, wenig Ruhe, ´charmantem´ Personal
und noch weniger Zeit, um dumme Gedanken zu produzieren. Arbeitslager pur, nur für die ganz
krassen Fälle, wird aber komplett von der Kasse bezahlt. Dauert mindestens drei Monate,
Abbruch unmöglich. Wer drin ist, bleibt drin, bis die Sache wieder im Lot ist, es sei denn, der
Patient macht die Grätsche.
Zusammenspiel
Stündlich Neues von den alten Römern. Nationaltrainer gefeuert. Hat über Jahre mit Vorliebe
Spieler in seinem Starensemble auftraben lassen, die bei Sohnemann unter Vertrag standen.
Erhöhte den Marktwert der Typen erheblich und der pfiffige Stammhalter kassierte anschließend
bei jedem Transfers munter mit ab. Papa selbstverständlich nicht. Privat und geschäftlich sind
ganz klar getrennt, sagen Papa und Sohn. Außerdem sickert durch, Dutzende von Spielern
wurden knallhart in die FAI genötigt, Spiele auf Anweisung zu vergeigen, ansonsten
Reservebank oder Vertragsauflösungen. Drei Clubtrainer sitzen inzwischen wegen Mithilfe,
Nötigung und Erpressung in U-Haft. Gnadenlos gut, was Polizei, Justiz und Zentralorgane über
Jahre so alles verschlafen können. Pizza auf den Augen?
Dezember
Post von Forsbeck bekommen, meinem alten Berufsschulpauker. Sein Sohn Marco (11) hat
Knochenkrebs im Endstadium, die Ärzte geben dem Jungen noch sechs bis zwölf Monate. Sein
Weihnachtswunsch (wahrscheinlich sein letztes Weihnachten) wäre noch einmal ein
Meisterschaftsspiel live zu erleben. Leider problematisch, weil der Junge durchgehend bettlägrig
ist. Ob ich da, ohne großen Aufwand, was machen könnte? Sämtliche Kosten würde Forsbeck
natürlich übernehmen. Bin direkt zu Kuhnke. Der Alte war nicht begeistert, aber beim nächsten
Match liegt der Junge direkt neben unserer Bushaltestelle. Die Transportkosten gehen auf meine
Kappe.
Mafia live
Ein gewisser Spinelli, Erstliga Schiri und seit Tagen verschwunden, taucht im Hafenbecken von
Neapel wieder auf, sauber erwürgt und dann mit einem Bleigürtel versenkt. Dummerweise saugt
ihn ein Reinigungsbagger wieder nach oben. Der doppelt Gekillte soll etliche Ligaspiele
auftragsgemäß verpfiffen und dafür satt kassiert haben. Seine Witwe legt der Staatsanwaltschaft
prompt entsprechende Dokumente vor, Quittungen, Bankauszüge, Telefonmitschnitte. Herr
Spinelli war offensichtlich ein sehr gewissenhafter Betrüger. Sechs Clubpräsidenten stehen ab
sofort nackt in den Erbsen. Sollten die Unterlagen korrekt sein, sind die Herrschaften nicht mehr
zu retten. Obendrauf präsentiert ein Privatsender original Telefongespräche von Valbusa, dem
zweiten Gesellschafter der FAI. Der Wahnsinnige gibt aktiven Polizisten die Anweisung, einem
Referee mal eben so für ein Jahr den Führerschein abzuköpfen, um klar zu machen, mit wem es
der Herr zu tun hat. Allem Anschein nach war ein Match nicht ganz nach Plan gelaufen.
Zusätzlich ordnet Herr Valbusa an, einem Schnappi zwei Finger zu brechen, damit er sich nach
seiner Genesung genauer an getroffene Abmachungen hält. Total verstrahlt. Wie kommt man auf
derartige Ideen, und wie Banane muss man sein, um derartigen Schwachsinn telefonisch zu
verbreiten? Wenn man schon die kriminelle Laufbahn einschlagen will, sagt Elgard, sollte man
auf jeden Fall versuchen, beide Hirnhälften einzuschalten.
Schuss i.d. Ofen
Die Presseheinis schlagen sich fast um Forsbeck-Junior. Der Kleine bekommt mehr
Aufmerksamkeit als beide Teams zusammen. Wird zusammen mit seinen Eltern von den Medien
total überrollt. Live-Interviews, Fragenkataloge, Sonderwünsche für jeden Sender. Das Kind
bekommt von der ersten Halbzeit so gut wie nichts mit. Danach bugsieren wir Marco in unsere
VIP-Lounge, die VIPs machen mit und der Kleine kann in Ruhe sein Spiel sehen. Kriegt nach
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dem Match mein Trikot und einen Spielball mit 30 Unterschriften. Trotzdem, die drei Forsbecks
sind platt. Kann nicht das Gelbe vom Ei für die Truppe gewesen sein. Schade. Werde die arme
Socke in seiner Klinik besuchen, ohne Vorankündigung und Pressegeschwader.
Rollkommando
Anklage durch die Staatsanwaltschaft. Tonbänder, Quittungen und Kontoauszüge tauchen im
Dutzend auf, ein einziger Sumpf. Eigentlich ist in Spagettiland keiner mehr sauber, der seine
Nase im Profigeschäft hat. Hauptsächliches Ziel, neben Meisterschaft und Abstieg, satte
Wettgewinne einfahren! Muss einige Jahre supergut funktioniert haben, jetzt hocken 36 Kicker
(neun Nationalspieler!), fünf Trainer, sieben Clubpräsidenten und sechs Rasenjuristen in U-Haft.
Alle behaupten einheitlich, sie wäre gezwungen worden Spiele zu verpfeifen oder zu verlieren,
anderenfalls hätte man sich an ihren Frauen oder Kindern vergriffen. Tatsache oder faule
Ausrede? Valbusa, der wahrscheinliche Strippenzieher hinter den Kulissen, ist unauffindbar
abgetaucht. Freiwillig oder auch in Richtung Hafenbecken?
2035
Januar
Oslo, 50. Länderspiel. Kein großer Bahnhof, ein wüster Strauß Blumen, dreimal feuchtes
Händeschütteln und anschließend ordentlich was auf die Socken. Die Herren vom Polarkreis
pflegen einen rustikalen Stil, erst die Gräten, dann den Ball. Und die Oberpfeife hat ihren Spaß an
der Sache. Der Mann weiß, was wir verdienen und möchte uns dafür schreien hören.
Jubiläumsbonus Fehlanzeige. Lande mit verbogenen Rippen in den Reklamebanden und krieche
nach 70 Minuten vom Acker. Endstand 1:1 und vier Tage trainingsfrei wegen massiver Atemnot.
Das einzig Positive: Elgard verhandelt mit interessierten Clubs in Italien (ganz schön mutig),
England und Spanien.
Lösungsversuch?
Der nächste Hype aus dem verstrahlten Süden. Valbusa ist gefunden, mausetot in einer Mailänder
Hotelbadewanne. Offiziell Selbstmord, Zyankali und fertig. Sein ellenlanger Abschiedsbrief (mit
Maschine geschrieben) geistert gnadenlos und voll kommentiert durch alle Medien. Kompletter
Roman, total krass und nobelpreisverdächtig. Gegen Valbusa sind Al Capone & Co. barmherzige
Samariter. Der Mann war ein kriminelles Universalgenie, hat Schiris, Spieler, Trainer und
Clubpräsidenten angeworben und erpresst, Gelder parat gestellt und verschoben, Glücksspiele
organisiert und als Betonbauer höchstpersönlich den Pfeifenmann in Neapel erwürgt und im Golf
versenkt. Ganz schön dick geschnitten. Valbusa war knapp 1.60 m hoch, 55 Kilo schwer und 72
Jahre alt, der Versenkte 1.90 m lang, 93 Kilo schwer und gerade mal 40. Das ideale Täter-undOpfer-Verhältnis berichten die Korrespondenten. Für die Staatsanwaltschaft ist nach diesem
Schreiben der Fall zum großen Teil erledigt. Gegen Tote kann keine Anklage mehr erhoben
werden, basta. Der verbliebene Müll wird höchstens für eine Tralala Veranstaltung gegen eine
Handvoll Pappnasen reichen, die anschließend mit Bewährungsstrafen und Geldbußen dem
Fußball auch in Zukunft erhalten bleiben. Clever gemacht, sagt Elgard, den Alterspräsidenten
gnadenlos geopfert, der Nachwuchs demoliert weiter.
Februar
Rippen okay, aber fabrikneuen Ärger an der Backe. Robredo und Gabiano spielen sich in den
Vordergrund, leider voll auf meine Kosten. Kriege nur noch unbrauchbare Pässe untergejubelt, zu
hoch, zu steil, zu lang oder direkt ins Kreuz. Sieht jeder Idiot, nur Gomez nicht. Umgekehrt
kommen meine Vorschläge bei den zwei Halbaffen grundsätzlich nicht an. Beschwerden sind
zwecklos, die Hirnis reagieren nur auf ihren Sonnenkönig. Konsequenz: hocke urplötzlich auf der
Bank, einfach so, ohne jede Vorwarnung. Begründung: mangelnde Bindung zum Team und
kreative Pause. Arschgeige. Bin sicher, dass die beiden Zecken Anweisung hatten, mich dumm
aussehen zu lassen. Möglich, dass Gomez von Elgards Aktivitäten weiß und meinen Marktwert
knicken will.
79
Entlassen
Papa ist zurück und absolut sauber, sagt Mama, Zehn Kilo weniger, fit wie ´n Rollschuh und isst
nicht mal Rumkugeln. War ´ne harte Sache, die Kur, sagt Papa, aber hat sich gelohnt. Zum
Schluss hat man ihm zu jeder Mahlzeit irgendwelchen Sprit andrehen wollen, Null Reaktion.
Versteht gar nicht mehr, wie man sich mit dem elenden Zeug so voll dröhnen und systematisch
abschießen kann. Außerdem, Alkohol und Alkoholwerbung gehören gnadenlos verboten.
Wirtschaftet nur der Abfüllindustrie und Vater Staat in die Taschen und ruiniert die Menschen.
Noch einen Monat länger in dieser Anstalt, sagt Mama, und Papa hätte einen Bibelkreis
gegründet.
März
Elgard hat Fratelli getroffen, Präses in Mailand. Fratelli sagt, war niemals Selbstmord. Valbusa
hat zwei Tage vor seinem Abgang die Scheidung von seiner Frau in Gang gesetzt, ungewöhnlich
für jemanden, der vorhat die Notbremse zu ziehen. Außerdem waren Valbusa (72) und seine neue
Flamme (39) erst vor knapp vier Wochen in eine grundrenovierte Villa umgesiedelt. Ne, sagt
Fratelli, Selbstmord hat andere Vorgeschichten. Jeder weiß die Sache ist nicht koscher, jeder,
außer der Staatsanwaltschaft. Elgard knickt die Verhandlungen. Wechsel nach Italien
uninteressant, keine saubere Perspektive, da unten hängt alles in der Schwebe. Kann sein, dass
einige der Top-Clubs morgen weg sind vom Fenster und zukünftig in der Chianti-Liga kicken.
Bankangestellter
Gomez knüppelt die Truppe zum Erfolg, auch ohne mich. Darf den Edeljoker geben für die
letzten zehn Minuten, aber nur wenn´s brennt. Mache prompt mein Tor und Gomez, der
Schwachmat, verkauft den Mist auch noch als seine persönliche Meisterleistung. Ich bin, erklärt
die Arschgeige, der geborene Einwechselspieler, hat außer ihm nur keiner erkannt. - Würde den
Spinner gerne widerlegen und überhaupt nicht treffen, hätte dann aber schlechtere Karten im
Wechselpoker. Die Aktien sind eh schon gefallen. Weiß der Halbaffe natürlich. Will mich als
unverkäufliches Kasperle behalten. Und Kuhnke wird natürlich sofort an meiner Gage sägen,
todsicher, bin ja nur noch Zeitarbeiter. Nicht mit mir. Und wenn ich demnächst als Amateur für
Eierlikör Erfurt kicke.
April
Elgard flucht und rödelt, von ursprünglich fünf Interessenten sind nur noch zwei ernsthaft im
Geschäft. Ich soll auf jeden Fall treffen, sagt der alte Schwede, sonst winkt der Rest auch noch ab
und die Preise fallen bis nach Australien. Mir egal, Hauptsache weg, egal wohin, von mir aus
auch zum Nulltarif. Bin topfit und kann mich überall durchsetzen, unter fairen Bedingungen.
Herrgottdarsteller wie Gomez & Co können mir die Schuhe aufblasen. Werde dem Knaben nicht
aus der Hand fressen wie Pancic, Jungnikel und die anderen Charakterprothesen. Gomez, ne
Danke.
Finito
Die Taktik, von welchem Schwerverbrecher auch immer, geht voll auf. Die Staatsanwaltschaft in
Rom stellt alle wesentlichen Untersuchungen ein, der Hauptangeklagte zupft auf Wolke sieben
die Harfe. Die übrigen Finstermänner werden ohne Auflagen aus der U-Haft entlassen. Kastrierte
Anklagen im nächsten Jahrzehnt. Bis dahin, sagt Elgard, ist das ganze Rattenpack haftunfähig
oder tot, sämtliche Zeugen haben Alzheimer und alle belastenden Unterlagen sind spurlos
beseitigt. Die Aufarbeitung der Schweinerei erfolgt hauptsächlich intern, kommentieren die
Gazetten, man vertraut auf die Selbstreinigungskraft von Wirtschaft und Sport. Super. Der
Notzuchtverbrecher wird Hausmeister im Schwesternwohnheim. Elegant gelöst.
England
Sieht gut aus, sagt Elgard, trotz allem. London ist von meinen Qualitäten überzeugt und
zahlungswillig. Wäre der Sprung in ein absolutes Top Team. Nur Kuhnke zickt rum. Klar, will
mich entweder behalten oder das Maximum aus der Sache herausschinden. Rooney, der Anführer
80
in London, kontert mit meinem Status als Saisonarbeiter. Kuhnke steht auf dem Standpunkt: egal,
der Mann ist der Top-Scorer der Saison, gefährlicher geht nicht. Alles Erbsenzählerei. Wenn
Kuhnke mir diese Tour vermasselt und meint, ich würde für seinen Startrainer weiterhin das
Kaninchen spielen, das man jederzeit aus dem Zylinder zaubern kann, hat er sich krass
verkalkuliert. Werde mich notfalls reamateurisieren oder zum Sportinvaliden erklären lassen.
Mai
Und noch ´ne Reform, heftig und doppelt. Bundesliga, Serie A, Premier-League usw. werden
geknickt, vielleicht schon im nächsten Jahr. Stattdessen Euro-League. Die besten zwanzig Clubs
aus Euroland kicken in einer gemeinsamen Runde, der Rest bleibt draußen und spielt mehr so
zum Spaß. Genaueres folgt in Kürze aus Lausanne. Eins sickert aber schon im Vorfeld durch:
infolge der Kompostierung aller nationalen Spitzenligen, wird überall der alte Pokal höher
gehängt. Wer das Endspiel um den Pott gewinnt, ist in Zukunft offizieller Landesmeister. ´Back
to the roots´, erklären die Erfinder. Alles viel fairer so, jeder einheimische Club kann jetzt z.B.
Deutscher Meister werden, auch einer aus der fünften Liga. Die Bundesliga war eigentlich nur ein
Übergangsstadium, gute Sache, aber jetzt kommt in der ´Meisterschaft´ wieder echte Spannung
auf, mit Hin- und Rückspiele aus Marketinggründen. Verringert außerdem für die Großen das
Risiko, frühzeitig gekegelt zu werden. Die Kleinen meckern gewaltig, weil Sensationen damit
flambiert werden. Auf der anderen Seite verdient man mit zwei Garantiespielen natürlich mehr
als mit einer lumpigen Partie. Damit ist der Zwergenaufstand einigermaßen geknickt. Nur das
Endspiel ist einmalig. That´s progress, sagt Elgard.
Juni
Kuhnke backt kleine Brötchen und trabt mit verbessertem Angebot an. Abgelehnt, solange
Gomez den Finger am Abzug hat. Alles nur Missverständnisse, sagt Kuhnke, im nächsten Jahr
läuft die Chose besser. Gomez und ich sind Erfolgsmenschen mit Ecken und Kanten, man muss
sich gegenseitig Chancen einräumen. Und schließlich sind wir so gut wie Meister und ich zum
ersten Mal Torschützenkönig, trotz Teilzeit. Gomez bringt uns alle groß raus, sagt Kuhnke,
besonders mich, gerade wegen seiner forschen Methoden. Und außerdem England?! Sollte bloß
nicht meinen, dass mich der Wechsel in eine sorgenfreie Zukunft beamen würde. Rooney säuft
wie zwei Männergesangvereine, ist anerkannter Choleriker und tritt seinen Spielern
höchstpersönlich in den Hintern, wenn nicht alles so abläuft wie geplant. Mister Dynamite hat im
laufenden Geschäftsjahr drei Stiefelträger fristlos gehimmelt, wegen nix. Außerdem, ich käme in
einen total zusammengekauften Haufen mit zwei absoluten Top-Knipsern, die sich jetzt schon
gegenseitig auf den Puschen stehen. Gomez wäre, seiner Meinung nach, mit Sicherheit die
bessere Alternative.
Sack zu
Rooney toppt Kuhnkes Angebot locker. Unnötig, aber angenehm. Hätte auch für das halbe Geld
gespielt. Nur weg hier. Die Verträge werden in Amsterdam unterschrieben. Kuhnke macht auf
enttäuscht und stocksauer. Hätte nicht mit so einem billigen und feigen Abgang gerechnet, bin
schließlich immer wie im Schaufenster behandelt worden. Stimmt, bis auf die letzte Saison, und
der letzte Eindruck zählt. Wenn ein Motor plötzlich verreckt, machen ihn die zehn einwandfreien
Jahre vorher auch nicht wieder lebendig. Geteiltes Echo im Presseclub. Das schreibende England
freut sich, zumindest halbwegs, hält mich für eine Verstärkung. Bei uns gibt´s Feuer aus allen
Rohren.
Bye, bye
Die Zentralorgane kriegen nicht auf den Schirm, dass ich in den Sack haue, gerade jetzt, wo wir
satte Erfolge feiern. Endlich wieder Meister, nach knapp zwei Lichtjahren. Alles im grünen
Bereich, warum auswandern? Die Erklärungen werden sofort und ohne jede Rückfrage
nachgeschoben. Erstens: Silberrückensyndrom. Kann mich nicht zurücknehmen, ein- oder
unterordnen und andere ´Götter´ neben mir akzeptieren. Lachhaft. Zweitens: Geldgier. Bin ab
sofort ´Heuschrecke´, einer von den Armleuchtern, die ausschließlich kicken, um optimal
81
abzusahnen. Als Beweis werden völlig beknackte Zahlen in die Welt posaunt. Bin mit einem
Schlag genau so beliebt wie Haarausfall. Werde im letzten Match gnadenlos ausgepfiffen, trotz
Meisterschale und Torjägerkanone. Auf tausend Bettlaken steht groß und breit ´Verräter´. Dass
man absolut keinen Bock mehr hat von Gomez und seinen drei Schleifsteinen pulverisiert zu
werden, interessiert kein Schwein. Der Arrogantarsch ist momentan Halbgott. Kuhnke trägt
seinen Teil zur Desinformation bei. Erzählt jedem, dass ich sein ultimatives Top Angebot quasi
ungeprüft in die Tonne geklopft habe. Stimmt nur halb, das Angebot war ultimativ, aber nicht
top. Und Typen wie Gomez und seine Schergen würden selbst durch Spitzenbezüge nicht
erträglicher.
2035 /2036
Juli
Abgang als echte Nacht- und Nebelaktion. Pusemuckel Airport, Privatjet und ab, um den
Zentralorganen zu entkommen und dämliche Kollisionen mit fundamentalen ´Fans´ zu
vermeiden, die aufgrund von Internet-Shit dreimal den falschen Flughafen besetzt hatten, um mir
einen ´unvergesslichen´ Abschied zu bereiten. Jedes Mal Niete, aber die Luftbahnhöfe sahen
nachher lecker aus. Schrott de luxe.
Empfang
Der komplette Vorstand inkl. Aufsichtsrat, schlapp zwanzig Nasen, begrüßt mich in meiner
neuen Behausung in Kensington (die absolute Nobelecke in der City) mit Champagner, Kaviar,
Hallo und Helau. Anfang locker, Ende Orgie. Rooney als Zeremonienmeister schlägt voll zu.
Betonung liegt auf voll. Düse morgens um drei Uhr per Taxi ins nächste Hotel, weil die halbe
Bande granatenhagelvoll mit irgendwelchen Halbdamen in meiner neuen Bude abhängt. Satter
Auftakt. Gomez hätte die Truppe mit Sicherheit vierteilen, rösten und dann erschießen lassen.
Neustart
Renovierung einer frisch renovierten Hütte. Starker Auftakt. Etliches nach der berauschenden
Nacht ist voll gekübelt, versifft oder abbruchreif. Rooney entschuldigt sich im Namen aller für
den heißen Empfang. Auch auf der Insel wird gefeiert und außerdem wäre man froh, mich im
Club zu haben. Die Instandsetzung der Bude geht selbstverständlich auf seine Kappe, kein
Problem, und die Hotelkosten auch. Wer Scheiße baut, muss auch dafür gerade stehen, sein
Motto, sagt er. Ansonsten, alles schick und erste Sahne. Residiere in Parknähe und fast fußläufig
zu allen Attraktionen der City, Buckingham Palace, Trafalgar Square, Parlament, Big Ben und so
weiter. Und man kann tatsächlich noch vor die Tür gehen, ohne von johlenden Fans platt gemacht
zu werden. Noch.
August
Oktoberfest im Stadion. Knapp 60.000 Augen traben an, nur um den neuen Kader zu begaffen.
Wir lassen uns brav ablichten, kritzeln Autogramme und drehen ein paar Runden im Stadion,
damit die Leute sehen, dass wir tatsächlich laufen können, trotz unserer Gagen. Erste Neuerung:
Amtssprache Englisch. Hätte im Unterricht besser aufpassen sollen. Das Gröbste kommt an, den
Rest wird man lernen, hoffentlich. Unser Head Coach ist nicht zu übersehen, Crouch mit Namen
und locker zwei Meter hoch, mit Armen und Beinen wie Mikadostäbchen. Nuschelt leider
ziemlich, macht aber auf freundlich, zumindest im ersten Moment. Nicht zu vergleichen mit
Gomez und seinen Kopfjägern. Läuft und kickt auch selbst noch mit, die verhungerte
Bohnenstange. Bin im Übrigen mitten in einer Weltauswahl gelandet, die Elite aus Kamerun,
Nigeria, Brasilien, Argentinien, Spanien, Schweden, Frankreich, Sierra Leone, Paraguay, usw.
Dazu eine Handvoll Engländer für die Reservebank and one German.
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Audienz
Nach zwei Tagen Rapport beim Übungsleiter. Hat seine Bude zwischen Mannschaftskabine und
medizinischer Abteilung. Kurze Wege für den Funkturm. Imposante Kemenate. Büro mit
Holztäfelung, voll gestopften Bücherregalen und Mini-Theater mit fetter Leinwand für
Videoanalysen. Mischung aus Professorenstube und Programmkino. Empfang mit Tee und
Gebäck, vom Meister selbst serviert. Fehlt nur noch die Queen. Ist absolut zufrieden mit mir und
meiner Einstellung, könnte mittelfristig groß rauskommen. Will mich direkt hinter den Spitzen
haben, in den Lücken, für Rückpässe und Abpraller, allerdings immer mit Rückwärtsgang, total
wichtig, Rückwärtsgang. Nach vorne sprinten, nach hinten fliegen. Soll mich vom ganzen
Drumherum nicht verrückt machen lassen, vor allem nicht von den Pressefutzis. Sind in England
wesentlich direkter und knalliger als anderswo auf dem Planeten. Da werden aus Gerüchten satte
H-Bomben, kein Problem. Und falls irgendwann mal zu viel auf meinem Teller sein sollte, auch
kein Problem, Anruf beim Meister reicht und die Sache wird erledigt. Drückt mir seine MobileNummer in die Hand und schüttet Tee nach. Ungewöhnlich. Auch Trainer können Menschen
sein.
Einstand
Besser geht nicht. Heimpremiere, Hütte voll bis unters Dach, Arsenal und wir erscheinen in
Bestbesetzung. Darf von Anfang an mitmischen und sage Danke. Zweimal per Kopf am Elfer
durchgesetzt und knallhart ab in die Maschen. Dazu vor der Abwehr gnadenlos abgeräumt und
eine todsichere Klamotte mit der Kniescheibe von der Linie gefischt. Am Ende glattes 3:1 für
uns. Hätten auch vier oder fünf sein können. Standing Ovation für das Team und für den German.
Crouch persönlich holt mich kurz vor Schluss vom Feld und schlägt mir freundlich das Kreuz
kaputt.
Nickname
Die Jungs von der Inselpresse sind hyperfix. Das größte Revolverblatt hat mich am nächsten
Morgen in voller Größe auf der Titelseite, komplett in rot und einen ganzen Kopf über den Jungs
von Arsenal. Überschrift: ´Red Baron back´. Darunter steht: ´German Lufthoheit in England´. Na
ja. Werde clubintern sofort und ohne große Zeremonie geadelt. Alles im Club brüllt nur noch
´Hey, Baron, you old Nazi´. Dauert einen Vormittag bis die Herrschaften gerafft haben, dass ich
auf den ´old Nazi´ keinen Wert lege, absolut keinen. Wird ohne Meckern respektiert. Aber ´The
Baron´ bleibt.
Kontaktanzeige
Drei Spiele, vier Kopfballtore. ´The Match´, das Ober-Zentralorgan, ernennt mich zum ´besten
Kopfballmonster der Welt´ und verlangt meine sofortige Einbürgerung. Das war die nette
Nummer. Plan zwei ist ein super Wettbewerb. Um mich kurzfristig einwurzeln zu können, starten
die Durchgeknallten eine landesweite Brautschau. Alle heiratswilligen, einheimischen Gewächse
sollen sich pronto um den Platz an meiner Seite bewerben. Kurzer Lebenslauf und Photo
genügen, am besten unbekleidet. Für den Fall einer Hochzeit, spendiert das Blatt die
Hochzeitsfeier und einen Ehestandzuschuss von einer glatten Million Pfund. Dachte zuerst an
einen blöden Scherz, aber nach schlapp 20.000 Zuschriften an die Clubzentrale innerhalb von 48
Stunden. War schlagartig Schluss mit lustig.
Dementi
Auf einer offiziellen Pressekonferenz verkündet Rooney, dass die Aktion von ´The Match´ in
keiner Weise mit mir oder dem Verein abgesprochen ist und auch in keiner Weise mit meinen
Intentionen in Einklang steht. Ich bin als Fußballer auf die Insel gekommen und nicht als
Heiratskandidat. ´Ehe´ wäre momentan absolut kein Thema für mich. Meine Konzentration gälte
ausschließlich dem Verein und dem nächsten Match. Außerdem betrachte man die gesamte Idee
als ausgemachten Blödsinn und moralisch eher bedenklich. Eine Dame, die sich mit einem
Aktfoto öffentlich um den Posten einer treu sorgenden Ehefrau bewirbt, hätte sich als solche
gnadenlos diskreditiert, erklärt der Boss stocknüchtern. Ende der Durchsage.
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Zuschriften
Unser Dementi geht total fliegen. ´The Match´ wird mit Post zugeschüttet. Insgesamt, so die
Redaktion, sind innerhalb von sieben Tagen exakt 513,576 Bewerbungen angeschwemmt worden
mit 1,314,233 Nacktfotos, etliche davon absolut brauchbar, sagte der Editor in Chief. Unser
Clubjurist teilt dem Revolverblatt präventiv mit, dass Verein und ich die Annahme jeglicher
Zuschrift verweigern werden. Nur Rooney grinst. Prima Publicity für den Club, die nächsten
sechs Heimspiele sind total ausverkauft, neue Sponsoren stehen Schlange und der Preis für
Werbeflächen steigt. Von ihm aus, sagt Rooney, könnte ich die Brautwahl durchaus intensiver
betreiben. In Ruhe alle Angebote sondieren und dann könnte man weiter sehen. Müsste mich ja
nicht sofort auf eine Kandidatin versteifen. Flippe kurzfristig aus und erkläre dem Klappstuhl,
was ich von seinen Ideen halte. Bin am nächsten Tag schon wieder die Titelgeschichte. ´Der erste
Angestellte, der seinem Manager voll in den Hintern getreten und überlebt hat. Respekt´.
September
Auswärtsspiel in Newcastle. Fußball ist absolute Nebensache. Die Bude platzt, überall
kreischende Teenies und beknackte Transparente: ´I love you, Baron´, ´Marry me, Darling´,
´Fuck me, please´. Hilf Himmel. Nach zwanzig Minuten müssen die Bobbys und Ordner vier
splitternackte Damen vom Spielfeld greifen, die mir an die Wäsche wollen. Bilder für die Welt.
Fußballprofi wird von hüllenlosen Furien verfolgt. Rooney mutiert zum Lachsack und Crouch
bricht auf der Reservebank in Stücke. Im Sudan frisst die Wüste das letzte fruchtbare Land auf,
im Nahen Osten massakrieren sich Araber gegenseitig und bei uns jagen 20 Polizisten
unbekleidete Elfen durch ein Fußballstadion und die Nation rollt sich vor ihren Mattscheiben ab.
Die 60.000 Freaks im Stadion sowieso, selbst die Ultras. Kein einziger Bengalo fliegt, die
Nummer muss man gesehen haben. Super! Wir gewinnen 2:1 durch meinen Elfer kurz vor
Schluss. Ist aber eigentlich totale Nebensache.
Rückfall
Anruf Mama. Papa hat sich wieder total zugeschüttet, zusammen mit zwei Typen aus seinem
Flaschenregal. Mama hat die Truppe nur einen Moment aus den Augen gelassen und schon waren
die Veilchen wieder blau. Jetzt kommen Nägel in die Kiste. Noch Mal amerikanische Therapie,
aber für sechs Monate. Die Kasse blecht zur Hälfte, von mir kommt der Rest. Wenn Papa sich
nach dieser Kur noch einen lappt, ist absolut Feierabend, sagt sein Arbeitgeber, dann bleiben nur
noch ´n Schlafsack und ´ne warme Brücke. Und Mama hat auch die Nase voll.
Polizeifestspiele
Heimatabend. Der Club hat durch einstweilige Verfügung jede weitere Hochzeitsaktion von ´The
Match´ präventiv unterbinden lassen. Die Redaktion faselt von einem Anschlag auf die
Pressefreiheit und droht mit Einspruch. Kommt aber nicht, dafür Polizei im Quadrat, um
Überraschungsaktionen im Keim zu ersticken. Angereiste Damen werden auf vollständige
Bekleidung hin überprüft und sauber im Stadion eingetütet. Der Laden ist rappelvoll, aber außer
Fußball läuft nix. Wir gewinnen klar und sauber 3:1, sind Ligaprimus, aber die Fans ziehen
stinkig und pfeifend nach Hause, zerlegen zwei U-Bahn Stationen, eine Geschäftszeile, drei Pubs
und einen Doppeldecker. Da haben die nackten Mädels gefehlt, sagt der offizielle Fanbeauftragte.
Überfall
Bekleidete Damen schlagen zu. Mehrere Dutzend klimmen kurz nach Mitternacht über die solide
Grundstücksmauer, zerdeppern Scheiben und Türen und versuchen meine Hütte zu stürmen.
Polizei trabt an und schnappt 30 Bräute ziemlich humorlos weg. Fernsehteams und Fotografen
sind zeitnah mit von der Partie und klettern hinterher. Sturm auf die Bastille, oder so. Rooney
erscheint per Taxi auf der Bildfläche und versucht die Revolution zu stoppen. Geht natürlich voll
in die Hose. Der Wutstöpsel knallt nach fünfzehn Sekunden komplett durch und zerlegt jede
Menge Material und Mensch. Kann austeilen und einstecken wie Tier. Krankenwagen rollen an
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und transportieren die Zerlegten ab. Die Bullerei kassiert Rooney ein und einige andere
Kickboxer. Die Tatsachenverdreher haben genug Sensation für mindestens eine Woche.
Nachschlag
´Friedensrichter´ Rooney erntet vier dicke, fette Anzeigen wegen massiver Körperverletzung,
Beamtenbeleidigung, Verprügelung der Staatsgewalt und Selbstjustiz. Wir sind in allen
Zentralorganen der Aufmacher, quasi weltweit. Toppt locker zwei Selbstmordattentate im
Gazastreifen und die Queen, trotz ihres Unfalls im Rollstuhl. Unsere Bilder bringen mehr Quote.
Rooney würgt einen Reporter, Rooney plättet einen Bobby, Rooney schrottet eine Kamera, eine
Batterie gerupfter Mädels wird von der Polizei in Bereitschaftsfahrzeuge komplimentiert. Sieht
alles aus wie vom anderen Stern.
Mist
Post von den Forsbecks. Marco ist gestorben, gerade mal zwölf Jahre alt. Keine Chance gehabt,
kaum was vom Leben gesehen. Hat jede Nacht in meinem Trikot geschlafen, schreibt Forsbeck,
und wird auch damit beerdigt. Foto liegt bei. Absolut unfair. Sterben im Kindesalter sollte
verboten werden. Der Brief kommt leider zwei Tage nach der Beisetzung. Lade die beiden
Forsbecks für die nächsten Ferien nach London ein. Meine Hütte ist groß genug; vielleicht kann
ein Tapetenwechsel ablenken. Möchte nicht in ihrer Haut stecken. Kinder sollten nie vor ihren
Eltern sterben, sagt Elgard.
Oktober
Nächster Schwachsinn. Everton, ´The Match´ hat sämtliche Reklamebanden im Stadion
gechartert und pflastert das Viereck mit elektronischen Heiratsanträgen zu (inkl. Bild und
Steckbrief), die sich alle 90 Sekunden ändern. Das Spiel interessiert keine Sau, die meisten
Kamerateams haben Anweisung, auf die Banden zu halten. Zweiter Knaller in der Halbzeit.
Während der gesamten Pause laufen 100 ausgesuchte Kandidatinnen in ziemlich wenig
Klamotten über einen Laufsteg quer durchs Stadion und bilden zu Beginn der 2. Hälfte einen
´Tunnel of Love´, durch den alle Spieler traben müssen. Will eigentlich nicht mehr raus, aber
Rooney meint, Auswechslung kommt nicht in die Tüte. Betrete die Arena via Haupttribüne, hätte
ansonsten wahrscheinlich ohne Dress auf dem Rasen gestanden. Den Verantwortlichen von ´The
Match´ sollte man das Hirn frittieren. Aber ganz langsam.
Festung
Meine Hütte wird umgebaut, auf Vereinskosten. Alle Fenster erhalten schlagfestes Glas, massive
Stahlgitter inklusive Panzer-Rolläden. Der Briefkasten wird abmontiert und die Klagemauer um
Fort Knox auf 2,50 erhöht. Obendrauf, aber nach hinten abgeknickt, damit´s nicht so auffällt,
sitzen vier Reihen Stacheldraht und achtzehn Kameras, die jeden Zentimeter Mauerkrone
ablichten. Die Bilder laufen in einem professionellen Sicherheitscenter auf, das sofort die
Kavallerie in Bewegung setzt, wenn irgendeine Mücke die nächste Invasion startet.
Taktische Verletzung
Leichtes Heimspiel gegen Leeds, dann eine Woche Spielpause. Der Vorstand beschließt Notaus
für zehn Tage und verfrachtet mich in die Schweiz. Offiziell: Leistenzerrung und Behandlung im
Ausland. Die heiratswilligen Damen sind sauer, ´The Match´ palavert von einem billigen
Ausweichmanöver. Andere spekulieren über einen spontanen Transfer – Ende der Inselkarriere,
noch bevor sie richtig begonnen hat. Als Beweis zitiert man Kuhnke, der auf Anfrage prompt
mitteilt, sein Verein hätte absolut nichts gegen meine vorzeitige Rückkehr. Rooney winkt ab,
alles völliger Blödsinn, mein Vertrag gilt, aber keiner glaubt dem Dicken, vor allem, weil er
meinen Aufenthaltsort für sich behält: ´Somewhere in Europe´. Bringt die Pressefutzis natürlich
ganz hoch auf der nach oben offenen Palmenskala.
Hocke oberhalb des Genfer Sees auf Schweizer Seite in einer exklusiven Promi-Siedlung. Alles
vom Feinsten. Nebenan wohnen Filmstars, zwei Formel-1-Piloten und jede Menge
Wirtschaftsbosse, die in Ruhe ihren Schotter zählen wollen. Werde von einer kugelrunden
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portugiesischen Hausdame versorgt und strample täglich stundenlang und voll verkleidet durch
die Gegend, um nicht zu rosten. Außerdem hat mein Asyl einen total korrekten Fitnessraum mit
allem Schnickschnack, inklusive Pool. Keine Ahnung, wem der Protzschuppen gehört, kann aber
nicht am Hungertuch nagen.
Schluss mit lustig
Nach sechs Tagen Knick in der Idylle. Schlagartig erscheinen draußen TV-Teams und belagern
die Herberge. Zum Glück sind die Schweizer Landjäger knallhart drauf. Wer nicht sofort die
Anker lichtet, ist seine Karre los, inklusive Ausrüstung. Als Zugabe Anzeige wegen Haus- und
Landfriedensbruch und so weiter. Die Herren in grau sind bewaffnet und absolut humorlos.
Werde trotzdem abends eingesammelt, per Hubschrauber nach Lausanne verfrachtet und dann
Richtung London geflogen, erstmal ins Vereinsheim.
Bannmeile
Rooney kommt mit Etappensieg. Haben die gerichtliche Verfügung, dass sich kein Filmteam und
ähnliches Kroppzeug meiner Hütte auf mehr als eine Meile nähern darf, Luftlinie, versteht sich.
Wer gegen die Auflage verstößt, riskiert satte Bußgelder, ein Strafverfahren und seine
Akkreditierung als Journalist oder Techniker. ´The Match´ und einige andere Revolverblätter
spucken Feuer, aber die Kommentare gehen mir inzwischen, wissenschaftlich ausgedrückt, voll
am Arsch vorbei. Ich bin Fußballer und nicht der Himbeertoni.
Feierabend
Back to normal. ´The Match´ gibt auf, die Luft ist raus, von jetzt auf gleich. Auswärtskick in
Southhampton, absolut tote Hose. Keine kreischenden Mädels mehr, keine Liebesbriefe, keine
nackten Flitzer, nur Fußball (und Langeweile?). Läuft bei mir wie doof. Kann machen, was ich
will, jeder Versuch ein Treffer, wenn´s sein muss mit Ohrläppchen oder Schilddrüse. Unsere
beiden Diplom-Knipser M´Seto und Chapman laufen sich den Wolf und treffen keinen
Flugzeugträger, mich erwischt die Murmel an der Augenbraue und klebt im Netz. Die
Küstenaffen kriegen gleich drei Stück von mir, trotz versuchter Sonderbewachung. Gründlich
versautes Wochenende für meinen persönlichen Kettenhund. Wird nach 70 Minuten
ausgewechselt und bekommt anschließend von seinem Coach ein Video geschenkt, alles in
Zeitlupe, damit er weiß, was abgegangen ist. Crouch nickt und läd zum Tee.
Saison
Zwei Unentschieden nach zehn Spielen, den Rest gewonnen. Wir rangieren auf Platz 1, hinter uns
Life Insurance Liverpool und Play Station Manchester, der Rest der Liga ist momentan
Dekoration. Champions-League läuft ähnlich. Drei Spiele: 9 Punkte, 7:1 Tore. Werden aber von
der eigenen Presse noch nicht als Top Favorit gehandelt, ganz anders als in Germany. ´The
Match´ und Konsorten kommentieren mehr von Spiel zu Spiel, dann aber krass. Deutsche Teams
sind Nazis, Italiener Mafiosi, Höllander Holzschuhtänzer und Russen Wodkavernichter, auch
wenn die meisten Russen aus Südamerika kommen.
Forsbeck 1
Forsbecks fragen an, ob mein Angebot noch steht und sie einige Tage erscheinen könnten.
Absolut kein Problem, jede Menge ungenutzter Platz in meiner Hütte. Möchte im Leben nicht mit
den Beiden tauschen. Würde ich selbst Gomez nicht wünschen, den einzigen Nachwuchs zu
verlieren und Gomez bleibt für mich das Allerhinterletzte. Hat andererseits seine Jungs schon
wieder auf den Platz an der Sonne bugsiert. Und in der C-League läuft´s auch. Geht alles nach
Plan, sieht mich der alte Schleifstein im Halbfinale wieder.
Kurzer Prozess
Rooney fängt sich sechs Monate auf Bewährung wegen seiner Catcheinlagen vor meiner Hütte
und 20.000 Pfund Geldstrafe. Der Richter wertet mildernd, dass der Dicke sich ursprünglich
schlichtend einsetzen wollte, dabei aber massive verdunkelt war (2,7 Promille). Das
Zivilverfahren könnte teurer werden. Einer der Verkloppten lag glatte vier Wochen im
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Krankenhaus, Gehirnerschütterung, die halbe Kauleiste weg, Schleudertrauma, Schädelprellung
und so weiter. Rooney sagt, alles getürkt, um bei ihm richtig abzukassieren.
Forsbeck 2
Tony, unser Mann für alle Fälle, hat die Forsbecks am Flughafen eingesammelt und bei mir
abgeliefert. Beide sehen aus, wie durch die Zeitmaschine gejagt, um Jahre gealtert, graue Haare
und geknickt. Drücken mir Marcos letzten Brief in die Hand. Der Junge bedankt sich artig für die
Einladung ins Stadion und das tolle Trikot, das er nur zum Waschen auszieht. Er sieht jedes
meiner Spiele im Fernsehen und wünscht mir und der Mannschaft viel Erfolg. ´Für mich bist du
der beste Fußballer der Welt´ lautet der letzte Satz. Darunter hat er einen großen Fußball mit noch
einem größeren Herz drum herum gemalt. Wir sitzen zu dritt im feudalen Wohnzimmer und
heulen. Leben hat mit Gerechtigkeit absolut nichts zu tun.
Hallo / Goodbye
Sightseeing mit Tony, Sonderurlaub gibt´s nicht mal bei Crouch. Später gemeinsames
Abendessen im Hilton, oberste Etage, mit Blick über die gesamte City. Trotzdem keine
Stimmung. Beide Forsbecks sind fix und foxi, obwohl ewig feststand, dass der Kleine keine
Chance hatte. Vorbereitung bringt hier nicht viel, sagt sie, man beginnt auf Wunder zu hoffen.
Und das Schlimmste war, dass man nichts tun konnte, nur zusehen, wie der Junge immer weniger
wurde. Wir drei müssen einen verdammt schrägen Eindruck hinterlassen haben im Hilton.
Am nächsten Abend sind die Forsbecks weg. Kurzes Schreiben auf dem Küchentisch. Sie
möchten nicht, dass durch ihre Seelenlage meine Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit negativ
beeinflusst wird. ´Wir haben uns ohnehin schon viel zu sehr in Ihr Leben gedrängt. Herzlichen
Dank und weiterhin große Erfolge.´
November
One big step ahead. Gipfeltreffen in Liverpool. Zwei Volltreffer, wie bestellt - ein Abstauber aus
neun Zentimetern und der obligatorische Kopfballkracher aus zehn Metern, fast wie
ferngesteuert. Seit Wochen die gleiche Nummer - aus Dreck werden Tore. Die Enkel der Beatles
pflastern alles in die Reklamebanden und treffen zweimal die Flutlichtmasten. Verabschieden
sich damit aus der ersten Reihe. Wir liegen voll im Soll und alle haben sich lieb. Echter
Kuschelverein.
Dezember
Nächstes Top-Match. Manchester hängt uns dicht auf der Pelle, schlappe vier Punkte Abstand.
Marschieren ähnlich wie wir, aber schlechtere Torquote. Solide Abwehr, schlaffe Attacke. Gegen
uns genau umgekehrt. Versenken drei Dinger, kassieren aber auch 3. Total schräges Match.
Liegen 0:2 hinten, führen 3:2 und lassen uns kurze vor Ende der Veranstaltung einen dämlichen
Elfer andrehen. Barthod, unser französischer Chaotenschnappi, räumt mit einer komplett
verstrahlten Flugeinlage gleich zwei Mann ab und kann duschen gehen. Der fällige Elfer sitzt im
Nachschuss. Hätte das Unglück fast noch verhindert, aber die Murmel rauscht über meinen
Scheitel in die Maschen. Shit happens. Trotzdem klarer Herbstmeister und eindeutiges
Presseecho. Bin wertvollster Teamplayer, Top-Scorer und bester Neueinkauf auf der Insel.
Rooney, die alte Spriteule, heißt es, hat mal wieder die richtige Nase gehabt.
Merry Christmas
Mama und Papa trudeln ein, war nicht zu verhindern. Mama macht sofort klar Schiff, obwohl
alles in Schuss ist, Papa schleicht um den Kühlschrank. Bis auf zwei Tüten Kakao nichts
Trinkbares gefunden. Nach zehn Minuten ist der erste Gesprächsstoff erschöpft. Zum Glück
befindet sich an der Ecke ein vernünftiger Pub. Papa sagt, kann er ab, macht ihm nix, wenn
andere saufen, die letzte Kur war der Durchbruch. Selters oder Milch tun´s auch. Mama zuckt mit
den Schultern und wir dackeln ab. Papa haut der Pub aus den Latschen, die original Einrichtung
von 1849 und Sherlock Holmes war Stammgast. Schlägt deutsche Etablissements um Längen.
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Nur die Preise sind gewaltig, auch für Wasser und Milch, absolut nix für Briefträger und so. Und
auf Kredit gibt´s in England keinen Tropfen. Nur Bares ist wahres.
Home News
Pancic meldet sich und gratuliert zum durchschlagenden Erfolg. Wäre auch in der alten Heimat
angekommen, mein Einstand auf der Insel. Kuhnke beißt sich jeden Tag in den Arsch, weil er
mich weggeekelt hat. Erzähle ihm von Crouch und unseren Teestunden. Der alte Knipser glaubt
kein Wort. Trainer sind keine Menschen, sondern zweibeinige Wehrwölfe. Gomez auf jeden Fall.
Läuft zwar alles wieder in Richtung Meisterschaft, aber die Stimmung ist von Bofrost. Der große
Meister und seine Finstermänner lassen immer mehr die Sau raus. Und wer muckt, kriegt was auf
die Glocke. Macht absolut keine Laune. Momentan steht Freund O´Leary ganz oben auf der
Abschussliste. Soll angeblich veilchenblau im Training erschienen sein. Hockt zu halben
Bezügen auf der Tribüne. Irgendwann, sagt Pancic, dreht der Kleine unserem Sonnenkönig den
hässlichen Hals um.
Schreckschuss
Alarm auf der Insel. Die Queen ist zusammengeklappt, ohne Vorwarnung, einfach so. Liegt auf
Intensiv und wird von ihren Leibärzten und einem Dutzend Spezialisten gepampert. Sofort das
einzige Thema in sämtlichen Medien. Im Minutenabstand neue Verlautbarungen im Internet,
stündlich Sondersendungen in Radio und TV, täglich Extrablätter. Medizinisch erfährt man Null,
nur dass der Zustand der alten Dame stabil ist. Die Nation rechnet mit dem Schlimmsten. Klar,
die Queen ist keine 90 mehr.
Auszug
Drei Tage mit Mama und Papa und die Nerven liegen blank. Gesprächsthemen außer Fußball und
irgendwelchem Kleingartenmüll Fehlanzeige. Onkel Kevin, Tante Jessica und Schwager Torsten
sind für mich absolut unerheblich, haben mich auch früher nie interessiert. Und die gesamten
Erbfolgekriege wegen fünf Euro mehr oder weniger sind zum Kotzen. Außerdem ist Onkel Dieter
noch lange nicht unter der Erde. Absolut krass, wie dünn Beziehungen sein können, und wie
wenig bleibt, wenn der tägliche Firlefanz fehlt, den man gemeinsam regeln muss. Ohne
Kleinkram Endstation. Habe mich kurzfristig im Vereinsheim einquartiert, von wegen
Trainingslager und so.
Das Herz der Nation
Die Queen liegt im künstlichen Koma. Herzprobleme, heißt es offiziell. Vor dem Hospital
schichten sich Menschen, Blumenspenden und Genesungswünsche, selbst der Papst betet für die
alte Lady. Die Zentralorgane machen nur noch in Mitleid und Besorgnis, ganz dick an Position 1.
Dahinter, auf 2, läuft der Nahkampf um die Nachfolge. Kommt Sohnemann auf den Fahrersitz
oder wird der alte Knabe wegen Altersschwäche übersprungen? Hält die Nation voll in Atem und
die Auflagen hoch.
Abflug
Mama und Papa am Flieger abgeliefert. London als Stadt ist gigantisch, aber man versteht die
Leute ganz schlecht und die meisten Sachen sind total teuer. Besuchshalber ganz nett, aber zum
Leben, ne Danke. Aber als Profi kann man sich eben nicht immer aussuchen, wo man sein Geld
verdient, sagt Papa. Nur die Kneipen sind einmalig, da können unsere Tankstellen zu Hause nicht
mit, auf keinen Fall. Wer was anderes behauptet, der hat keine Ahnung, der sollte unbedingt mal
nach England. Schönes Schlusswort und genug Gesprächsstoff mit seinen Spritnasen für das
nächste halbe Jahr. Beide haben mit Wiederkommen gedroht.
Januar
Vor dem Match in Birmingham kurzer Bittgottesdienst für die Queen im Stadion mit einem
echten Bischof. Anschließend Nationalhymne. Am Ende der Partie noch mal Hymne mit echten
Tränen, selbst bei notorischen Hooligans. Dazwischen, mit Glück und Rückenwind, ein dünnes
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2:1, unsere mieseste Saisonleistung, mit einem Sonntagsschuss aus 25 Metern in der
Schlussminute. Kann machen was ich will, ein Ding passt immer.
Ende Gruppenphase
Formsache. fünf Siege, eine Niederlage. Crouch lässt im letzten Match in Lyon die komplette
Reserve ran. 1:3 Klatsche. War zu erwarten, aber die Frogs sind trotzdem draußen. Nur noch die
ganz Dicken befinden sich im Rennen, wie jedes Jahr. Auch Gomez und seine Sklaventruppe.
Können frühestens in der übernächsten Runde auf den Armleuchter treffen, falls seine Jungs
Moskau rauskegeln und wir Madrid. Kommt gleich ziemlich dick, aber kleine Fische sind am
Ende nicht mehr im Becken.
Februar
Noch mal Kadi und noch mal teuer. Keine Gnade für den Dicken. Die ehrenwerte Vorsitzende
toppt sogar die Forderungen der Staatsanwaltschaft. Hat anscheinend eine Allergie gegen
zupackende Männer, schreibt zumindest die Fachpresse. Rooneys Kooperation und Reue
bewirken null. Für die Prügelarie sind 30.000 Pfund Schmerzensgeld fällig plus 12.000 Pfund
Verdienstausfall. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 10.000 Pfund ans Rote Kreuz. Die
Truppe kassiert überall mit ab, - von wegen Verbrechen lohnt nicht. Außerdem hat die
Krankenkasse des Verkloppten angekündigt, sich von Rooney sämtliche Behandlungskosten
erstatten zu lassen, alles in allem 45.000. Nicht schlecht für knapp drei Minuten Supermann. Als
Sahnehäubchen gibt´s 30 Sozialstunden im Altenheim. Regt den Dicken am meisten auf. Er als
Krankenpfleger. ´Der erste Alte, der aufmuckt, geht ohne Pudding ins Bett´.
März
Madrid. Ausverkaufte Bude und Stierkampfatmosphäre. Werden von Anfang an in Grund und
Boden gebrüllt, echte Hörspiele. Regt keinen von uns auf, im Gegenteil, M´Seto und Chapman
brauchen Feuer untern Hintern. Kulisse und Randale geben den Knaben echte Kicks. Haben die
Sangria Front voll im Griff. Rechnet sich aber nicht, weil der Mann an der Pfeife, ein Mister van
der Craft aus Amsterdam, in der ersten Hälfte zwei astreine Treffer wegtrillert und gleich nach
Neustart Tschikischwili, unseren Staubsauger vor der Abwehr, für eine Lappalie in die Kabine
schickt. Unsere Fans reagieren auf ihre Art: ´Hey Ref, we know where your car is parked´.
Möchte nicht wissen, was der nette Herr van der Craft für diese Showeinlagen abgestaubt hat.
Hoffentlich genug, um sich einen Gesichtschirurgen plus neue Identität leisten zu können. Wir
vergeigen 0:1, klares Abseitstor, was sonst? Rooneys Protest beim Verband wird eingestampft.
Wir können nur hoffen, dass im Rückspiel kein Tulpenzüchter pfeift.
Queen
England wird ein Volk von Herzspezialisten. Fachleute spekulieren über eine By-Pass Operation
inklusive Stents und Herzschrittmacher. Jedes Medium engagiert eigene Experten, die der
Öffentlichkeit Operationstechniken, Vorteile und Risiken en detail verklickern, mit Graphiken,
bewegten Bildern und frisch Operierten. Im Grunde könnte jeder Tommy die OP auf seinem
Küchentisch durchführen, die Montageanleitungen und Tricks gibt´s für kleines Geld an jeder
Straßenecke. Kommt an, der Quatsch, schließlich stammt ´Do-it-yourself´ von der Insel.
Madrid zum Zweiten
Der Verband hat reagiert. Das Schiedsrichtergespann wird ab sofort erst einen Tag vor
Spielbeginn bestimmt. Rooney hat keine Chance, den Herren vorab ein halbes Jahr Hawaii, eine
lebenslange Rente und Bentleys zu offerieren. Madrid zum Glück auch nicht. Seit Tagen
Völkerkriegsatmosphäre auf der Insel. Von englischer Fairness keine Spur. Wer sich als
Holländer outet, spielt mit seinem Leben. Spanische Fans landen an geheimen Orten, werden in
gesicherten Konvois zum Spiel gekarrt und anschließend geht´s im Konvoi retour. Hätte auch für
lau diesen Höllentrip nicht mitgemacht. Nur was für Lebensmüde.
Im Stadion schwappt die Sangria Front in Plexiglaskäfigen. Sieht aus wie im Tierpark. Auf dem
Rasen hat jeder Torero, der sich zum Ball bewegt, tausend Dezibel am Ohr. Für jeden, den wir
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abräumen, gibt ´s zweitausend Dezibel Applaus. Besonderen Spaß haben die Schiris. Jede
Entscheidung gegen uns wird zum akustischen Hypergau, selbst wenn wir die Murmel klar und
deutlich in die Pampa befördern und das Seitenlinien-Aschenputtel pflichtschuldig Einwurf für
Madrid winkt. Mir ginge als Schiri der Arsch auf Grundeis. 1:0 zur Pause. Chapman hat als
Einmann Torpedo die Murmel über die Linie gerammt, mitten durch den spanischen Schutzmann.
Wäre regulär nie anerkannt worden. Egal. Crouch will dosierte Offensive, sollen nicht
überdrehen und uns irgendeinen dämlichen Konter fangen. Kaum gesagt, schon passiert. 50.
Minute, Ball läuft vom Keeper über zwei Stationen, Querpass Richtung Elfer, voll abgezogen,
eins beide. Die Toreros grinsen und Gomez wahrscheinlich auch. Hockt irgendwo auf der
Tribüne, um seinen nächsten Gegner zu studieren. Gibt mir irgendwie die zweite Luft. Komme
noch höher mit der Rübe als sonst und drücke zwei absolut krasse Dinger über die Linie, den
letzten Ball quasi mit der Schlusssirene. Anstoß findet nicht mehr statt. Die Stierkämpfer liegen
am Boden wie erdrosselte Maikäfer, die Arena dreht komplett hohl und Gomez weiß, was auf ihn
zukommt. Bin ich ab sofort ´everbody´s darling´ und ähnlich populär wie Robin Hood, Richard
Löwenherz oder Sir Francis Drake. Es hagelt neue Heiratsanträge und eine mittelnahe Verwandte
der Queen könnte sich vorstellen, mich höchstpersönlich zu ehelichen. Deutsche Männer im
Britischen Königshaus haben Tradition. Zum Glück hat die Prinzessin die 80 bereits deutlich
hinter sich.
April
Es heißt, die Mutter der Nation ist wieder bei Bewusstsein. Die Presse jubelt vor, die Nation
jubelt nach. Alle warten auf Interviews oder eine Ansprache und die hohen Kreise hoffen, dass
Lizzy endlich ihre Nachfolge regelt. Pustekuchen, die alte Dame lässt die Katze hübsch im Sack.
Trotzdem, Blaskapellen, Bands und Chöre bauen sich vor dem Hospital auf und dröhnen, was das
Zeug hält. Zum Glück ist die gute Queen inzwischen stocktaub.
Halbfinale hin
Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Kein Offizieller begrüßt mich, abgesehen vom Platzwart.
Kuhnke nickt mir im Vorbeigehen in den Katakomben zu, O´Leary steht am Ende des Tunnels in
Zivil und boxt mir in die Rippen. Die fetten Jahre sind vorbei. Gomez lässt den Knallfrosch auf
der Tribüne vermodern. Gut für uns. Wenn der Kleine halbwegs drauf ist, egal ob nüchtern oder
nicht, brennt der Strafraum. Islop und Pancic klopfen lässige Sprüche vor dem Einmarsch, aber
die Jungs wirken insgesamt nervös. Gomez hockt auf seiner Trainersofa-Sonderanfertigung und
gibt den Unberührbaren. Trotzdem, die Truppe ist topfit, läuferisch, aber nicht im Kopf.
Fehlpässe und Stolperbälle im Dutzend. Betong und Akele hängen mir abwechselnd in den
Gräten, und jeder Versuch, nach oben zu steigen, endet in irgendeinem Ellenbogen. Tut richtig
weh. Ansonsten Ballgeschiebe im Niemandsland mit kompletter Neutralisation. Spielen unseren
Stiefel runter und warten auf Fehler und Zufälle. Rechnet sich spät, aber rechnet sich. M´Seto
feuert, Islop spielt Volleyball und Chapman staubt ab. Alles im Lot, nur Pancic macht den
Spielverderber, schnibbelt Barthod in der Nachspielzeit eine absolute Gurke ins Netz.
Bogenlampe aus 25 Metern, ewig unterwegs, Unterkante Latte und fertig. Barthod grinst und
zuckt mit den Schultern. Alter Schlafwagenschaffner. Insgesamt kein Traumergebnis, aber
Gomez kann im Rückspiel keinen Beton anrühren. Treffen seine Galeerensklaven nicht, ist
Schluss im Katong.
Mai
Aussicht auf Extremjubeln oder Intensivtrauern. Drei fette Endspiele in zehn Tagen, nur noch
Titelseiten, die Sponsoren freut´s. Je nach Beute werden sich die Gebührensätze kräftig erhöhen,
sagt Elgard. Erfolg macht sexy und teuer, nicht nur in Film und Politik. Bin inzwischen ein
mittelständiges Wirtschaftsunternehmen, allerdings ohne Überblick und Interesse an meinem
Finanzkrempel. Der alte Schwede plus Gattin (im Hintergrund) schaukeln das Kind. Wir machen
in Immobilien, Aktien, Firmenbeteiligungen, Fonds, Termingeschäften und so weiter. Nehme mir
jeden zweiten Tag vor, die Geschäfte gründlicher zu verfolgen, ist schließlich mein Schotter,
bleibt aber jedes Mal bei der Absicht. Papierkram war nie mein Ding, trotz bestandener
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Ausbildung. Addiert strömt monatlich ein ziemlich sattes fünfstelliges Zusatzeinkommen in
meine Schatulle, sagt Elgard, ohne viel Action. Okay, der alte Schwede zweigt fünfzehn Prozent
für sich und seine Herzdame ab, satter Anteil, trägt mir dafür aber auch den Arsch nach. Geht
absolut in Ordnung. Außerdem, habe jetzt schon mehr im Sparstrumpf als ich bis ans Ende
meiner Tage verbraten kann, falls mich nicht der Höhenrausch packt. Steht momentan nicht zu
befürchten. Mittelmeeryachten, Flugzeugträger und Stealth Bomber sind nicht mein Ding. Und
teure Mädels kommen mir sowieso nicht mehr in die Hütte.
Rückspiel
Kuhnke nach dem Aufwärmen getroffen. Stand leicht verloren im Gelände. Faselt von unseren
guten, alten Zeiten. Sind gerade mal zehn Monate her und war am Ende alles andere als gut.
Spreche ihn auf Gomez an. Kommt nicht viel, Kuhnke macht zu. Hat Erfolg und ist wieder auf
Meisterkurs. Was will man mehr?
Crouch will Kontrolle und Slow-Motion, keinen Hurra-Fußball in der eigenen Laube. Geduld
haben, warten und irgendwann zuschlagen. Spielen wie bestellt, müde, quer und rückwärts.
Gomez hat seinen Jungs die gleiche Nummer verordnet, hätten wahrscheinlich die Ansagen
austauschen können. Nach 30 Minuten klebt uns Pancic das erste Ding an die Latte, allgemeiner
Weckruf. Die Fans werden unruhig, wir aktiver. M´Seto schlägt zu, wird aber nicht gezählt
wegen Abseits. Ganz knappe Kiste. Anschließend rasseln Betong und Chapman aufeinander.
Überschlag, zwei Tritte mit internationaler Härte, doppelter Platzverweis. Crouch springt aus der
Hose. Wenn alles gut geht, hockt Chappy im Finale auf der Tribüne.
Zweiter Durchgang. Habe mehr Platz nach vorne, obwohl Akele an mir hängt wie Hosenträger.
Nützt wenig. Kann richtig Anlauf nehmen und Haken schlagen. Zwei Granaten rauschen an der
Kiste vorbei, die dritte schlägt ein. Null Chance für Islop, halbhoch, linker Innenpfosten, 1:0.
Danach Kontrolle in allen Abteilungen. Gomez reagiert, mottet Akele ein und hetzt mir
abwechselnd seine beiden Schergen, Robredo und Gabiano auf den Hals. Klare Taktik: treten bis
ins Krankenhaus. Crouch macht das Massaker zehn Minuten lang mit, bringt mich dann in
Sicherheit und lässt Malumal von der Leine, unseren hauseigenen Räumpanzer. Robredo wird
unwesentlich später vom Grün geschleppt und Gabiano tritt an der Mittellinie in die Eisen. Keine
Lust in ein zweibeiniges Minenfeld zu laufen. Gomez und seine Schäfchen sind gründlich
entzaubert und kassieren den Fangschuss fünf Minuten vor Feierabend durch M´Seto. Klasse
Solo und dann Islop eiskalt durch die Stelzen. Gomez gratuliert Crouch. Ich klopfe dem
Sonnenkönig auf die Schultern und stecke ihm auf Portugiesisch einige Nettigkeiten, die mir
Pereira, unser Abwehrchef, grinsend zur Verfügung gestellt hat. Gomez verzieht keine Miene und
trabt ab.
Nebensache - Hauptsache
Schlappes Presseecho. Herzlichen Glückwunsch, ihr seid die Größten, schade, dass Chapman
zum Finale in der Nase popeln darf. Das war´s, abgehakt und weiter. Alle warten auf die
hauseigene Partie gegen Manchester, lokal bewegt die Leute mehr als Europa. Wer hier gewinnt,
ist Ein-Drittel-Inselmeister, Schottland und Wales haben schließlich ihre eigenen Champs. Die
Propaganda vor dem Match ist gewaltig. Alles wird verwurstet, Aufstellungen, Taktik,
Seitenwindgefahr, Stimmung bei den Platzwarten, Tsunami-Wahrscheinlichkeit, Schuhgrößen
und Haarstyling. Alles ist wichtig. Über den Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde nicht halb so
viel berichtet, sagt Elgard.
Kleines Finale
Manchester könnte sich auch vorstellen, Meister zu werden. Wir sind drei Zähler vor, haben die
bessere Tordifferenz und Heimvorteil. Ein Sieg und wir sind einen Spieltag vor Saisonende
Champion. Crouch will dieses Mal keine Rechenspielchen, verordnet Attacke und glatten Sieg,
nur kein Verwaltungsfußball oder pokern auf Unentschieden. Auf den Rängen liefern sich die
Fans Stunden vorher einen Meistersinger-Wettbewerb. Wir gewinnen. Klar, sind auch 50.000
mehr auf unserer Seite.
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Trotzdem, Sand im Getriebe, oder Hosen voll? Keine Ahnung. Nach drei Minuten kann Barthod
die erste Kugel aus dem Netz fischen. Flanke unterlaufen, leere Hände und Bingo. Manchester
singt, aber nicht lange. 15. Minute, Ljungström flankt genau meinen Schädel, 1:1, wir singen.
Kurz vor Teatime dummer Crash im Mittelfeld und Schiedsrichterball. Drop Kick aus 40 Metern,
Barthod hampelt im Gelände rum, 1:2. Manchester singt. Teabreak. Crouch lässt unseren
Reserveschnappi warm schießen. Wink mit dem Zaunpfahl für Barthod. Alle leicht verunsichert,
nur kein 1:3 direkt nach Wiederanpfiff. Der Lange verordnet mauern im eigenen Stadion. 30
Minuten Fußball ohne Fußball. Manchester grölt, unsere Leute pfeifen. Einziges Lebenszeichen
sind lange Bälle in die Spitze. Leichte Beute für Manchester. Elf Panzerschränke stehen in und an
der Penalty Box und koffern weg, was kommt, mit wachsender Begeisterung. Wäre ein Scheißtag
geworden, hätte Chapman nicht drei Minuten vor Schluss direkt am Fünfer einen Querpass
durchflutschen lassen. Zwei Mann blocken Chappy ergebnislos ab, die Murmel zischt weiter,
genau auf meinen rechten Schlappen. Paff, das Netz fliegt weg, 2:2, wir singen. Entscheidung
vertagt.
Juni
Eine Woche lang Zwei-Felder-Wirtschaft. Entweder die Queen inklusive Grabenkrieg um die
Thronfolge oder wir. Lähmungserscheinungen auf der Insel. Nichts bewegt sich, alle warten.
Vater und Sohn, die beiden Thronjäger sollen in Schottland ein Geheimtreffen absolviert haben,
in guter Atmosphäre, unter vier Augen, ohne Dolmetscher. Wir trainieren angeblich auch geheim,
um nicht im letzten Moment gegen eine geschlossene Tür zu rennen. Völliger Blödsinn. Wir
trainieren null, alles Regeneration und Feng Shui. Noch zweimal die Knochen hinhalten und die
Saison kann abgespeichert werden.
Sudden Death
Alles im Kasten, total unspektakulär und deutlich. Sind Britischer Ein-Drittel-Meister.
Manchester versemmelt im eigenen Laden gegen Newcastle 0:1 (total Banane!!), wir hauen
Ipswich 6:1 weg. 3:0 nach zwanzig Minuten, zwei Beiträge von mir. Bin damit endgültig Top
Scorer der Saison, knapp vor M´Seto. 50 Pflichtspiele überlebt, aber nach Spielende plus
Gratulationsfolter durch den eigenen Anhang reif für den Notarzt. Barthod liegt mit Rippenbruch
flach, Malumal muss die linke Schulter eingerenkt werden, Chapman hat ein sattes Veilchen.
Was der Gegner nicht auf die Reihe kriegt, schaffen die ´Fans´ locker. Rooney verkündet 48
Stunden trainingsfrei und legt die offizielle Meisterschaftsfeier auf den Tag nach dem C-League
Finale. Habe mich kurzfristig in die Provinz abgesetzt. Hocke in einem ehemaligen Schmugglerund Piratennest namens Polperro/Cornwall und genieße die Gegend. In der Dorfkneipe, 20 Yards
vorm Ende der Welt, hängen nur Einheimische ab mit null Plan von Football. Das Bier ist okay
und mit George, dem Landlord, kann man über alles quatschen, außer Sport und Queen. Pack
mich am zweiten Tag auf seinen Kutter und knattert die Küste lang. Absolute Filmkulisse und
total unübersichtlich. Kein Wunder, dass hier im Akkord geschmuggelt wurde. Alles vorbei, sagt
George. Der Markt für Alkohol, Tabak und handliche Waffen ist lange tot und Rauschgift wird
nicht über Cornwall ins Land geschleppt. Zumindest nicht, dass er wüsste. Und wenn, würde er
diese Brüder glatt ans Messer liefern. Alkohol, okay, aber nicht das andere Mistzeug. Drogen
sind Killer. Na ja, man kann sich auch mit Alkohol kaputt machen, siehe Papa.
Grabenkriege
Hauen und Stechen um die Krone, behaupten sämtliche Zentralorgane. Wird natürlich im
Kaminzimmer ausgetragen und nicht vor versammelter Nation. Soll ganz hübsch fetzen. Papa hat
sein Gebiss rein geschoben und schnappt zu, möchte auch mal ans Steuer, hat schließlich lange
genug in der Warteschleife gehangen. Historisch-moralisch okay, aber der alte Knabe ist quasi
scheintot, so populär wie die nächste Steuererhöhung und protokollarisch ein Risiko, wie aus gut
informierten Kreisen verlautet. Sohnemann ist auch schon im Rentenalter, hat aber immer noch
Weibergeschichten am Laufen. Wir als C-Leage Finalisten sind absolute Nebensache.
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Großer Zapfenstreich
Berlin. Zum letzten Mal C-League Finale. Wird trotz ihrer Demontage insgesamt als
Erfolgsmodell gesehen, von den Großen, versteht sich. Die No-Name Verbände und Clubs in
Euroland haben X Jahre beim Geldzählen zugeschaut. War insgesamt von den Großen geschickt
eingestielt. Die Verteilung von Titeln, Ruhm und Finanzen wird sich auch mit neuen der EuroLeague nicht ändern, im Gegenteil. Keine Chance mehr für irgendwen, den Großen ans Bein zu
pinkeln, die haben sich in der neuen Eliteklasse sauber und luftdicht gegen den Rest des
kickenden Kontinents abgeschottet. Von jetzt an bleibt garantiert jeder Cent immer bei den
gleichen Clubs und erhöht die Planungssicherheit. Glückwunsch.
Pancic ruft an und wünscht viel Glück. Nur Vize-Meister geworden, kurz vor Ende noch mächtig
abgekackt. Es rumpelt im Vereinshaus. Gomez ist nicht mehr unfehlbar. Gut, dass Pause ist, sonst
hätte irgendwer den Sonnengott an die Kabinentür geschweißt. Kuhnke ist momentan abgetaucht
und lässt die Sache laufen. O´Leary hat sich in Richtung England verabschiedet, wird
wahrscheinlich demnächst gegen mich kicken.
Moskau kommt mit der Cremè de la Cremè, inklusive Rahmani. Wir müssen auf Chappy
verzichten, zwei Spiele Tribüne. Rahmani, der Armleuchter, begrüßt mich, wie seinen besten
Kumpel und föhnt, wie gut er und seine Leute drauf sind. Keine Chance für uns, höchstens am
kalten Buffet. Rattenarsch. Knurre ´Hallo´ und schalte auf Durchzug. Erkläre Malumal zum
fünften Mal in aller Deutlichkeit, welche Arschgeige da gegen ihn aufläuft. Der schwarze Mann
nickt. Rahmanis Beine werden keinen freundlichen und schmerzfreien Abend erleben. Die 70.000
im Stadion auch nicht. Absoluter Baldriankick. Neutralisation im Mittelfeld, Gewürge, Treterei
und Freistoßfestival. Viermal gelber Katong in zehn Minuten. Hätte auch zweimal ´rot´ sein
können. Strafraumszenen Fehlanzeige, die Rambos auf beiden Seiten sorgen für ein
geschrumpftes Spielfeld. Würde als Zuschauer Schmerzensgeld verlangen.
Crouch kommt zur Halbzeit mit einem hauseigenen Pep-Talk. Seine größte Schwäche, macht
nicht mal ´ne Krabbelgruppe wach. M´Seto popelt, Barthod taped sich zum x-ten Mal die
wertvollen Finger, Malu übt Schleife binden. Nach drei Minuten platzt Rooney mit
Schlaganfallgesicht in den Vortrag, erklärt die Veranstaltung zum wichtigsten Match der
Vereinsgeschichte, erhöht die Siegprämie pro Nase um satte 50 Prozent und verspricht eine
komplette Woche Zusatzurlaub auf Vereinskosten. Die Augen werden größer und blinken. So
motiviert man Leute.
Die Jungs von der Wodka-Fraktion, vier Brasilianer, zwei Urus, zwei Argentinier und zwei echte
Russen plus Rahmani kriegen ab sofort kein Bein mehr an die Erde. Barthod ist noch arbeitsloser
als in Durchgang eins. Das Match verlagert sich komplett in Richtung Osten. Erster zählbarer
Erfolg: Kollege Rahmani verlässt nach 60 Minuten angefressen und verbeult den Acker.
Totalausfall, nur frische Luft geschnappt und dicke Füße geholt. Malumal grinst und begrüßt
Rahmanis Nachfolger mit einem freundlichen Frontalcrash. Unser Rammbock schüttelt sich, der
brasilianische Russe muss fünf Minuten lang beatmet werden. Dumm gelaufen. Zweiter Erfolg:
Alonso, der Wodka Coach darf auf die Tribüne. Handgreifliche Attacke gegen den
Fahnenschwinger vor seiner Nase, der einen flotten Russenkonter mit seinem Arbeitsgerät
zunichte macht. Dritter Erfolg: Moskaus argentinischer Abwehrchef kann sich nach 80 Minuten
den Kabinenschlüssel holen, weil er M´Seto mit Ansagen in die Weichteile semmelt. Dreifacher
Überschlag, doppelter Aufschrei, Rührei und Dienstschluss. Stürmermangel. Crouch schickt mich
in die erste Reihe und verordnet hohe Bälle. Ausgesprochen originell, aber schon der erste
Versuch sitzt. Ohne Anlauf aus spitzem Winkel über den Scheitel mit ganz viel Gefühl innen an
den kurzen Pfosten und ab ins Vergnügen. Das Verhüterli liegt am Boden, der Rest seiner Truppe
auch. Laufe vorsichtshalber Amok durchs halbe Stadion, um nicht in die Grasnarbe gebügelt zu
werden. Acht Fouls später ist der Kuchen verteilt. Scheiß Spiel, aber statistisch wertvoll.
Nach dem C-League Dinner sofort retour. Rooney hat in Soho eine Nobel Disco gechartert, um
den Triumph angemessen zu ertränken. Schlecht getimt. Nach dem Champagner Flug fehlt fast
allen die Muttersprache, Ausnahme Rooney. Schlürft im Alleingang zwei Brauereien trocken.
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Beachtliche Karriere, wenn man bedenkt, dass der Knabe zu seiner Zeit einer der gefährlichsten
und teuersten Knipser überhaupt war.
Victory
Trafalgar Square bebt, Menschen, Fahnen, Alkohol. Die meisten Anwesenden halten den ollen
Nelson oben auf seiner Säule für Miss Marple, und wir tragen fette Sonnenbrillen. In meiner
Birne hämmern die sieben Zwerge, Malu und Barthod hängen transportunfähig zu Hause.
´Leistungszerrung´ verkündet Rooney offiziell als Entschuldigung und Trafalgar Square tobt.
Würden heute gegen die freiwillige Feuerwehr von Jericho glatt vergeigen. Einfach
verdünnisieren läuft allerdings nicht, unser Ruhm muss verteilt werden. Frau Bürgermeisterin
trabt an, improvisiert ein paar Worte und hakt anschließend ihre 100 Kilo plus X bei mir ein.
Werden mit Sicherheit brauchbare Schnappschüsse. Der Premierminister höchstpersönlich
dackelt zu Fuß von Downing Street herüber, schüttelt unsere Hände und verkündet ´We are the
Champions´. ´Endlich mal ´ne Aussage der Regierung, die zutrifft´, föhnt Rooney zurück und
staubt fünf Minuten Sonderapplaus ab. Der Premier lässt sich nicht lumpen und präsentiert zwei
Wettscheine. Jeweils tausend Pfund auf unsere beiden Meisterschaften. Die Gewinne stiftet er in
voller Höhe zwei Waisenhäusern in London und Preston (sein Wahlkreis). Bin mir absolut sicher,
dass der Knabe auch Wetten auf Manchester und Moskau laufen hatte. Egal, dürfte bei der
nächsten Wahl einige Pluspunkte bringen.
Juli
Vier verplemperte Tage für Sponsorentermine, home and away. Foto Shootings, TV-Termine,
Autogrammstunden, Gala Auftritte, Produktpräsentationen, Ehrengast. Werde rumgereicht wie ´n
Wanderpokal. Gesicht hinhalten und lächeln. Fortbewegungsmittel: Hubschrauber und Jet. Elgard
organisiert wie Blücher, duldet weder Verspätungen noch Überziehen. Bin für drei Stunden in der
alten Heimat, Eröffnung eines Shopping Centers mit Fun Park und Cinema Dome. Kuhnke ist mit
von der Partie, irgendwie hat der Verein Aktien in der Sache. ´Glückwunsch zum doppelten Titel
und danke für den Abschuss´, murmelt mein Ex-Boss. ´Gern geschehen´, sage ich. ´Für Trainer
wie Gomez gibt man als Spieler sein Letztes´.
Chillen
Eine Woche mehr, Rooney sei Dank, aber vier Tage sind schon futsch. Abstecher nach Südafrika,
zusammen mit Elgard und Frau. Krüger Nationalpark, mit dem Rumpeltaxi über Stock und Stein,
Löwen, Elefanten und Büffel gaffen und Zebras. Überall Zebras. Eine Woche reicht völlig. Dann
per Blue Train nach Kapstadt. Drei Tage Englische Kolonialherrlichkeit auf Rädern durch
endloses Land. Streckenweise unikal, sagt Elgard, nur schon ganz lecker trocken. Winterzeit am
Kap. Fette Weingüter überall, allerdings total nackt und abgeerntet. Tafelberg zwei Tage im
Nebel, Null Aussicht und original Zulu Markt - krasser Reinfall. Schilde, Speere, Klamotten,
Schnitzwerk in rauen Mengen, alles Made in Taiwan. Einziger Aufreger: Kobra Alarm. Der
Giftwurm hatte sich aus seinem Glashaus geschlichen und dann rasant verkrümelt. Panik am Kap.
Schlangenfänger ortet das verschreckte Reptil mit Hilfe von zwei putzigen Erdmännchen.
Absolut schräge Nummer. Der Giftzahn steckte leicht übersehbar mitten in einer halboffenen und
halbwarmen Geschirrspülmaschine, lecker mollig für ´ne Kobra.
Zum Abschluss Namibia. Geröll, Sand und unheimlich viel Gegend. Die einzige ´richtige´
deutsche Kolonie. Klar, den ollen Sandkasten wollte damals kein Schwein haben, nicht mal die
Holländer. Prima Gegend für Skorpione und ähnliches Kroppzeugs. Staubtrockene Luft. Haut
beginnt sofort zu reißen, wenn man nicht dreimal täglich nachfettet, besonders die Hornhaut.
Unangenehm, juckt wie doof, steht aber in keinem Fremdenführer. Letzter Ausflug, Etoscha
Pfanne. Noch mehr Giraffen, Elefanten, Büffel und Zebras. Und natürlich Löwen. Sind das
faulste Pack auf Gottes Erde. Lümmeln einfach nur so im Schatten rum, 24 Stunden Siesta.
Zucken höchstens Mal mit der Schwanzspitze. Unsere Zirkuslöwen können wenigstens durch
brennende Reifen hopsen. Die hier können gar nix.
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Ehrungen
Football Awards im neuen Kongresszentrum an der Themse. Gigantischer Auftrieb an Promis.
Wir räumen total ab. Alle anderen sind Zuckerguss. Crouch wird Trainer des Jahres, Rooney
Manager des Jahres, wir das Team des Jahres und ich Kicker des Jahre, alle vier mit sattem
Vorsprung. Nur Barthod kriegt den Abdichter von Manchester vor die Nase gesetzt. Starke
Leistung, verkündet Rooney, wo wir sind ist oben und ich wäre das Sahnehäubchen. Hätte in
seiner Auftaktsaison noch keiner geschafft. Draußen im Land gehen die Wahlen in Ordnung.
´The Match´ setzt natürlich noch eins oben drauf, verlangt ultimativ meine Einbürgerung
inklusive Ritterschlag. Bin momentan der englischste Spieler aller englischen Spieler. Außerdem:
besser im Inselteam als anderswo.
Zugabe
European Football Gala in Barcelona, Fußball als Staatsakt. Alles, was Rang und Namen hat wird
angekarrt, auch im Rollstuhl. Beckenbauer bekommt den großen Ehrenpreis für sein Lebenswerk.
Ohne ihn wäre Fußball um eine Persönlichkeit ärmer und weltweit nicht da, wo er jetzt steht. Für
uns kommt der zweite Goldregen. Crouch wird Coach des Jahres (Gomez landet auf Platz 128,
oder so), wir sind das Team des Jahres und meinereiner zischt in der Einzelwertung auf Rang 1.
War zu befürchten, sagt Rooney, und drückt mich an sein Getränkeendlager. Für ihn gibt´s leere
Gläser, der ´European Manager of the Year´ ist noch nicht erfunden. Anschließend das gleiche
Theater wie vor Tagen. Foto Shootings, Fernsehtermine, Gala Auftritte, Produktpräsentationen,
Ehrengast, Panda mit fünf Beinen. Der Oberhammer kommt schriftlich, per Kurier: beide
Königskandidaten laden mich zum Tee.
Nachschlag
Rooney war auf den Besuch vorbereitet, sagt Elgard, hatte sein Portemonnaie schon in Griffnähe.
Als Euro-Fighter Nr.1 zieht man mehr Presse, mehr Zuschauer, mehr Sponsoren. 15 Prozent
Gagenerhöhung netto und fertig. Gesprächsdauer: eine halbe Flasche Whiskey. Mit Profis und
Alkoholikern lässt sich eben flüssig verhandeln, murmelt der alte Schwede. Und der Schnaps war
erste Sahne.
August
Buenos Aires. Die absolute Krönung. Riesiges Vergnügungszentrum in total abgewrackter
Umgebung. Kreischende Massen mit Fahnen und Trikots außen, innen Glitzerbühne mit Treppe
wie bei Oscars. FIFA-Präses Zidane hält seine übliche Minirede, 12-18 Worte und fertig.
Anschließend der Wahlakt. Favoriten für Elgard und mich sind Morhinio, Brasilien, Elongo,
Kamerun und Asahara, Japan, alles Knipser der Extraklasse, Morhinio und Elongo seit Jahren,
Asahara seit dieser Saison. 30 Einsätze für Mailand mit 28 Einschlägen. Aber Pustekuchen, die
Krone kommt auf meine Rübe. Nach neunmal Brasilien und viermal Afrika hat die Europa
Connection wieder zugeschlagen. Rooney beamt sich vor Begeisterung total weg und Elgard
macht auf Pokerface. Kalkuliert wahrscheinlich, was drei Königskronen in Landeswährung wert
sind.
Irgendeine Schönheitskönigin drückt mir den Sport-Oscar in die Finger und ich muss 30 bis 25
Sekunden frei reden. Wird der totale Stuss. Fällt aber überhaupt nicht auf, weil alle Stuss erzählen
und die Dolmetscher Anweisung haben, den Stuss zu begradigen.
Danach geschlossene Gesellschaft, die Worthelden und Kamerakameraden schieben draußen vor
verrammelten Türen Überstunden. Innen Gelage vom Allerfeinsten für Funktionäre und
Sponsoren, Sekt, Kaviar und Mädels, das volle Programm, no limits. Wir von der aktiven
Fraktion sind eigentlich nur Garnitur. Die alten Säcke amüsieren sich auf Teufel komm raus.
Möchte gerne wissen, was die fidelen Herren anschließend zu Hause vortragen, - mit Sicherheit
weniger als die Hälfte. Elgard schwirrt um mich herum wie eine Glucke, damit mich nur keine
von diesen Edeldamen abschleppt.
95
König Senior
Buckingham Palace. Privatgemächer seiner Königlichen Hoheit. Gediegene Atmosphäre. Bin
vorab eingenordet worden: keine persönlichen Fragen, keine Erkundigungen zur Thronfolge. Der
alte Möchtegern-King ist Fußballexperte und Geschichtsbuch. Bekomme gratis Nachhilfe –
Deutsches Kaiserreich und Nazis. Hat mehr Daten und Fakten auf dem Schirm als mein ganzer
Clan zu Hause. Gut, ist kein großes Kunststück. Allerdings keine Silbe über Mama und seine
Chancen auf den Fahrersitz. Anschließend die königlichen Aquarelle. Nicht mal unflott.
Hauptsächlich Natur, zarte Farben, weiche Konturen, deutlich über Volkshochschulniveau. Über
das Gespräch ist absolutes Stillschweigen zu bewahren, erklärt der Oberhofzeremonienminister.
Zum Abschluss kurze Fotosession fürs Familienalbum. Ich bekomme Kopien. Der vitalste
Schnappschuss landet in sämtlichen Medien auf Seite 1.
Nachschlag 2
Weltfußballer sind teuer als normales Personal, in Anschaffung und Unterhalt. Rooney knirscht
mit den Zähnen und mault, aber erhöht, ohne die Geschichte vom nackten Neger zu erzählen.
Über Sponsoren, Werbung, Übertragungsrechte und Ticketverkauf schaufelt der Dicke den
Schotter ohnehin wieder zurück. Elgard mag die alte Spriteule. Kein einfacher Typ, aber er kennt
die Spielregeln und Preise.
König Junior
Ebenfalls gediegene Atmosphäre, im anderen Flügel von Buckingham, aber total andere
Nummer. Der Prinz hat ein Bällchen organisieren lassen und will Tricks sehen, live und in Farbe.
Versucht selbst Übersteiger und landet im Sofa. Lacht sich schlapp über seinen Abgang. Sieht
TV-mäßig total einfach aus der Trick, meint Nummer 2. Bombardiert mich mit Fragen. Ob ich
schon zu Hause bin in England? Wie lange ich bleiben werde? Was ich von englischen Mädels
halte, wie die Familienplanung aussieht, was ich an England nicht leiden kann und was ich über
die Thronfolge und seine Chancen denke? Stottere ziemlich dummes Zeug in die hohle Tüte, vor
allem zu den letzten Fragen. Das müsste er mit seinem Dad oder der Oma ausmachen, als
einfacher Torjäger wäre man da gründlich überfragt. Wohl wahr, knurrt seine königliche
Ballgewandtheit und donnert die Murmel in den offenen Kamin. Staubt königlich.
Saison 2036 / 2037
Zuwachs
Neuer Brasilianer, sagt Rooney, kurz vor Moskau abgefangen. Viel zu kalt im Osten für
Sonnenkinder aus Rio. Name Cato. Auf den ersten Blick okay. Lässiger Knabe, leicht
unterernährt und seitenwindempfindlich. Fette optische Täuschung. Zäh wie Leder, trittfest und
am Ball die absolute Grante. Macht aus der Socke Dinge, die mir im Traum nicht einfallen
würden. Kann rechtwinklige Freistöße treten und Eckbälle direkt verwandeln, mit ordentlich
kawupp. Außerdem immer gut drauf, Teamplayer und kein durchgeknallter Selbstdarsteller. Mal
sehen, wo dieser Strahlemann aus Südwest seine Macken hat.
Fehlstart
Nothing´s going. Drei Stunden vor Ligastart tritt die Queen ab. Sämtliche Spiele werden um vier
Tage verschoben. In allen Stadien ´Good save the Queen´, dann schleichen die Fans nach Hause.
Keine Krawalle, keine Demontagen. Selbst die Nebelbombenwerfer bleiben fast friedlich. Aus
Trauer werden ein paar ´Take Aways´ und Busse zerlegt, das war´s. Stimmungstief auch in der
Kabine. Rooney ist so gut wie nüchtern und heult. Ist mit der Queen groß geworden, war quasi
seine Ersatzmama. Egal was anlag, Terror, Energiekrise, Regierungspleiten, Arbeitslosigkeit,
Familiendramen, rote Karten, die Queen blieb Queen, unaufgeregt, berechenbar, britisch bis zum
Kompotthut. Die Insel hängt auf Halbmast. Fünftägige Staatstrauer, Schulen und Stadien bleiben
dicht, Banken und Hospitäler richten Notdienste ein.
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Junior vs Senior
Die Wogen des Frohsinns schlagen hoch. Die Royals kriegen die Kurve nicht, und die Monarchie
wackelt, verkündet der Blätterwald. Der neue King könnte eventuell gar keiner mehr werden.
Absoluter Quotenbringer. Eigentlich müsste Methusalem ran, aber besser wäre sein Bengel. Die
Gründe liegen klar auf der Hand. Trotzdem keine Entscheidung ad hoc. Könnte sogar sein, dass
Sohnemann 2 den Job übernimmt. Im Mittelalter hatte man jetzt einen ausgewachsenen
Erbfolgekrieg an der Backe gehabt, sagt Elgard, mit allen Finessen, bis einer der Kampfhähne
gerupft war oder beide. Heute entscheidet der Blutzuckerspiegel oder es wird gewürfelt. Das ist
Fortschritt.
Weltpokal
Blitzbesuch in Japan, Endspiel gegen FC Santos. Sind mehr als 20 Stunden auf den Beinen, kaum
geschlafen und ab ins heiße Wasser. Die Original-Brasilianer sind zwei Tage vor uns
aufgeschlagen und voll akklimatisiert, wir nicht im Ansatz. Knapp 35 Grad im Schatten und 200
Prozent Luftfeuchtigkeit. Alle total neben der Kappe. Chappy muss mit Kreislaufkollaps vom
Acker, ich ertrinke in meinen eigenen Latschen und Rooney verknackt den zweiten Durchgang
komplett in seinem Sessel, mit schlapp 100.000 kreischenden Japanern im Kreuz. Starke
Einzelleistung. Gehen 5:2 baden. Barthod hat eine seiner wenigen Sternstunden, sonst wären wir
zweistellig abgegrätscht. Keiner regt sich ernsthaft auf, selbst Rooney nicht, obwohl der Dicke
obergeil ist auf Pokale und Titel. Nächstes Jahr, knurrt er, wird die Sache professioneller
angepackt. Werden zum Airport gekarrt und dämmern schlappe 12 Stunden bis London vor uns
hin. Völlig beknackter Ausflug. Rhythmus total im Eimer. Kriegen im Training die Pedale kaum
synchronisiert. Selbst die Presseheinis haben Verständnis für uns. Klar, drei Dutzend von den
Kanallien waren mit von der Partie und sind an ihren Diktiergeräten abgeblubbert.
First comes First
Fußball ist Nebensache. Die Saisoneröffnung findet mit Trauerflor statt und die Nation zelebriert
einen epochalen Ruhetag. Absoluter Ausnahmezustand. Die Banken sind dicht, die Pubs offen.
Schlappe vier Millionen Trauergäste reisen an, nur um einen Sarg zu sehen. Die City platzt aus
allen Nähten, Hoteliers tanzen Cha-Cha-Cha und überflüssige Billigpilger werden zu Tausenden
in Fußballstadien untergebracht. Die entscheidenden Momente, Trauergottesdienst, Grablegung,
etc. werden weltweit live übertragen. Der neue King soll nach Ende der Feierlichkeiten
ausgekaspert werden.
Euro-League
Wir starten gut, ich starte schlecht. Kein Wunder. Jeder möchte dem Weltfußballer des Jahres
zeigen, wo die Glocken hängen. Nach 60 Minuten im Krankenhaus, dicker Fuß und satte
Schmerzen. ´Routinefoul´ im Mittelfeld, Volltreffer am rechten Knöchel. Schwein gehabt, nichts
pulverisiert, nur brutal geplättet. Mindestens drei Tage Pause. Hätte auch mehr sein können,
Knochenabsplitterung, Bänderriss usw. Cato darf alleine wirbeln. Weniger Kawupp, weniger
Brechstange, weniger Kopf-durch-die-Wand, mehr Eleganz, mehr Technik, mehr Hirn(?). Sieht
alles ungeheuer locker und flockig aus. Eine Körpertäuschung, ein Pass und die Wadenbeißer
stehen im Regen, M´Seto und Chappy braucht nur noch einzulochen. Klasse.
Neuer Chef
Endlich weißer Rauch. Habemus Rex. Der Alte hat versemmelt. Wahrscheinlich besser so, für
ihn selbst und das Fußvolk. Nicht mehr genug Kompression, der Herr, sagen selbst seine Fans.
Der Berufsnachwuchs erscheint auf dem Paradebalkon und strahlt wie der kleine Lord an
Heiligabend. Ist deutlich beliebter als sein Erzeuger, trotz seiner Vorliebe für drastisch jüngere
Damen. Hatten seine Vorgänger auch, sagt Rooney und grinst dämlich. Könnte mir ohne Ende
Material verschaffen, müsste ihm nur sagen, welcher Typ und wann. Kein Problem. Von wegen,
das dickste Problem überhaupt. - Nicht nur im Rechteck hängen alle wie Kletten an mir,
außerhalb auch. Quasi keine Möglichkeit mehr, Leute im Normalzustand kennen zu lernen,
Mädels schon gar nicht. Als Weltkicker Nr. 1 lebt man im Belagerungszustand, und alle wollen
97
das Gleiche, möglichst viel vom Ruhm und noch mehr vom Geld, sagt Elgard. Besonders
kompliziert wird´s bei Damen im heiratsfähigen Alter. Eine Einladung zum Essen oder in die
Disco und die Hochzeitsglocken läuten. No way! Ein Griff ins Klo sollte reichen.
September
Ausnahmezustand Nummer 2. Die Krönungsfete macht aus der Beerdigung einen missglückten
Oberstufenball. Robin Hoods Erben drehen am Rad. Es gibt Krönungs-Bier, KrönungsBettwäsche, Krönungs-Kreuzfahrten, Krönungs-Partys mit Krönungs-Tarifen, selbst im
horizontalen Gewerbe. In London toben zusätzlich geschätzte acht Millionen Wahnsinnige, die
alle irgendwie dabei sein wollen, wenn der Neue in seiner offenen Kalesche quer durch die City
brettert. Weltfußballer des Jahres ist dagegen Spatzenschiss.
Promotion für die Monarchie, sagt Rooney, nicht Kleckern, sondern Klotzen. Beherrschen die
Royals aus dem Effeff, könnte sich mancher Konzern ´ne Scheibe von abschneiden. Man muss
nur zusehen, dass die Investivkosten wieder reinkommen. Hat dann spontan die Idee ´eine
vereinsinterne Krönung mit Außenwirkung´ abzuhalten, hat ja schließlich den Weltkicker des
Jahres im eigenen Team, und das ist mehr als King, sagt der Dicke und taucht für einige Tage
total ab.
Gomez
Pancic ruft an. Mächtig Stunk im Laden. Drei Spiele in Serie vergeigt und Gomez revanchiert
sich auf seine Weise. Sortiert jeden aus, der seiner Meinung nach nicht richtig funktioniert. Wenn
er die Nummer durchzieht, sagt Pancic, gehen die nächsten drei Spiele erst recht in die Hose,
dann kann der Verstrahlte alle aussortieren, dann bleiben nur noch seine Bluthunde. Kuhnke hätte
den Napoleon für Arme längst feuern müssen, achtkantig, hat aber wahrscheinlich die Hosen voll.
Kann aber nicht mehr lange verzögern, sonst ist sein feines Team bald ein einziger
Trümmerhaufen.
Fete
Rooney hat zugeschlagen. Vier Wochen nach der Krönung bebt unsere Laube. Habe tagelang
versucht, ihm den Blödsinn auszureden. Keine Chance. Rooneys Tierkreiszeichen: Maulesel. Ist
von seiner eigenen Idee total besoffen. Hat alles geladen was an Musikergrößen nicht schnell
genug auf die andere Seite des Atlantiks kam, ´Night of the Proms´, einschließlich der örtlichen
Philharmoniker, Robbie Williams, Shawny Miles und anderer Cracks. Der besondere Clou: Sir
Elton John wird im Rollstuhl auf die Bühne gestellt und haut in die Tasten, cool wie eh und je,
mit leicht bröselnder Stimme, aber den Fans scheißegal. Der alte Rhythmuspräsident kriegt zehn
Minuten Beifall am Stück und überreicht mir dann zusammen mit Rooney und Fifa Präsident
Zidane ´offiziell´ meine Trophäe. ´Was ich jetzt noch für Ziele hätte´? fragt der Moderator.
Antwort: ´Vernünftiges Englisch lernen´. War natürlich abgesprochen, aber die Manege tobt. Am
Ende der Show singen alle gemeinsam ´God save the King´ und Rooney strahlt wie eine von
innen beleuchtete Schnapsflasche. Knackiger Heimatabend und mehrere Mijo Gewinn.
Oktober
War zu erwarten. Abräumkommando von hinten in die Knochen, Wadenprellung und Wadenbein
Anbruch. Sechs Wochen Hängematte. Rooney titscht im Dreieck und drischt auf die
Pfeifenmänner ein. Professionelle Blindfische, bestochenes Lumpenpack, das nicht zwischen
Fußballern und zweibeinigen Bulldozern unterscheiden kann. Voll ins Hornissennest gelappt.
20.000 Pfund wegen Beleidigung. Super. Treten ist erlaubt, drüber reden kostet. Auch Crouch ist
´not amused´, kann seine Taktik voll schreddern. Cato darf wieder solo zaubern. Knickt viel
Kreativität und gibt mächtig viel auf die Socken, weil der zweite Sandsack fehlt. Vergeigen
zweimal in Folge. Rooney lässt sich alle Kataloge kommen und sucht nach Verstärkung.
Schutz
Elgard erscheint mit Schweizer Flugzeugingenieur. Der Mann hat von meinem Crash gehört und,
seiner Meinung nach, ultimative Schienbein- und Knöchel-Protektoren entwickelt.
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Millimeterdünnes, unscheinbares Zeug, ohne Gewicht. Lässt sich haargenau und individuell um
gefährdete Körperteile pappen. Absoluter Strumpfcharakter, total leicht und flexibel, aber härter
als Stahl. Absorbiert brutalste Schläge und Tritte. Sagenhaftes Zeug, Nanotechnik auf
Kohlefaserbasis. Aufbau: Membranstruktur mit winzigen Zellen, die platzen, jede Menge Druck
schlucken und sich danach selbstständig wieder aufbauen und schließen. Total genial. Mit den
Gerätschaften am Mann wäre ich nach dem letzten Attentat einfach wieder aufgestanden, hätte
weiter gekickt und mir sechs Wochen Leerlauf inklusive Reha erspart. Weiterere Vorteile: quasi
unkaputtbar und herstellungstechnisch weniger aufwendig als ein Holzbein, sagt der Erfinder.
Könnte auch in der Medizin appliziert werden, als Substitut für Gips, Schienen, Nägel und
ähnliches Material. Was dem Flugzeugmenschen, einem Herrn Halberstädter aus der Schweiz,
fehlt, ist das nötige Startkapital zur Serienherstellung und Vermarktung der geschmeidigen
Panzerplatten. Verdient ganz gut als Ingenieur, aber zu wenig, um Unternehmer zu werden oder
ein Patent anzumelden. Elgard hat den Knaben komplett durchleuchten lassen. Kerngesunder
Alpenbewohner, verheiratet, ein Sohn, brillante akademische Abschlüsse, Abteilungsleiter in
gesicherter Stellung. Absolut sauber und kein Kandidat für die Lala-Ranch. Der alte Schwede
schlägt gemeinsame Operation vor. Er und ich finanzieren Patent und Erstausstattung der Firma
und sind dadurch prozentual ganz dick mit an Bord. Der Flugkapitän ist happy. Könnte ein echter
Knaller werden, von der Sache her und finanziell. Erhalte den allerersten Prototyp.
Vorausgesetzt, wir kriegen das Patent, sagt Elgard, werde ich in Kürze für mein eigenes Produkt
Reklame laufen.
November
Pancic ruft an. Revolution, die Hütte brennt. Gomez hat verschissen. Das Team steht auf den
Hinterbeinen und beißt, nicht jeder im Alleingang, sondern alle gemeinsam und nicht mehr hinter
den Kulissen. Entweder Gomez und seine Galeerenkapitäne machen die Fliege, oder die Truppe
verweigert am nächsten Samstag den Arbeitseinsatz. Kuhnke macht den Bulldozer und droht mit
juristischen Schritten und Konventionalstrafen. Seine absolute Paradenummer seitdem Gomez
regiert. Offener Strafvollzug für jeden Blödsinn. Geht der Truppe inzwischen voll am Arsch
vorbei. Ende mit der Prügelpolitik. Gomez muss weg, sonst kann Kuhnke im Stadion Tulpen
pflanzen.
Werbung
Werde mit Angeboten zugedröhnt. Als Nr. 1 Kicker ist man populärer als Lassie, zumindest
vorübergehend, sagt Elgard. Hecheln von Termin zu Termin, von Studio zu Studio. Halte mein
Gesicht hin für Bier, Milch, Autos und Versicherungen, nur Top Produkte, versteht sich. Der
Rubel rollt in Lichtgeschwindigkeit. Auf Arbeit wird´s härter, allgemeine Jagdsaison. Jeder gibt
110 Prozent gegen mich. Klar, wer vernünftige Kritiken hamstert wird 20 cm größer und 50
Prozent teurer. Nur die neuen Stützstrümpfe verhindern weitere Rollstuhlwochen. Ohne die
hauchdünnen Geräte dauerte kein Match länger als zwanzig Minuten. Und das Wachpersonal mit
Trillerpfeife steht daneben und grinst, wenn irgendein Saftarsch mir mit allen Hufen voran in die
Fortbewegung kracht. Berufsrisiko.
Doppeltest
Schweizer Amateurteam wird mit der neuen Wunderwaffe ausgerüstete. Uni Bern bietet an den
Test statistisch-medizinisch zu begleiten, um wissenschaftlich fundiert zu ermitteln, ob die
Dinger tatsächlich Schienbeine erhalten. Kein Problem. Elgard vereinbart lediglich, dass die
Veröffentlichung sämtlicher Ergebnisse durch uns erfolgt. Safety first. Es hat Experten gegeben,
die 100 Prozent sicher waren, dass Eisenbahnfahren ab einer Geschwindigkeit von 20 Km/h
lebensgefährlich ist.
Dezember
Wieder auf Kurs. Fünf Siege in Folge, ein Unentschieden, dann böse Pleite in München. Cato
lernt nordalpine Zielstrebigkeit kennen. Muss nach zehn Minuten abgeschossen vom Platz:
Gehirnerschütterung und böse Platzwunde. Glatter K.O. Fangen uns drei heiße Waffeln und
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kriegen selbst nichts auf die Reihe. Der Oktoberfest Rundgang fällt trotzdem nicht aus, schon
wegen Rooney. Hopst in Lederhose rum und spielt den Kasper. Ende: Ausnüchterungszelle und
mit 24 Stunden Verspätung zu Hause, immer noch in Lederhose und mit Maßkrug. Dazu vom
Schnellrichter 3.000 Euro Strafe plus Besuchsverbot für die nächste Wies´n. Feiern in Bayern
muss gelernt sein.
Wasserstand
Pancic bimmelt durch. Gomez und seine drei Schergen sind nicht mehr in der Spielleitung,
Kuhnke hat endlich die rote Karte gefunden. Robredo und Gabiano als aktive Stinkstiefel sind
mit in der Konkursmasse. Hat in der Kabine zu überwältigenden Abschiedsszenen geführt, sagt
Pancic. Ohne den Sicherheitsdienst wären Gomez und seine Prügelknaben jetzt Dekoration an
den Flutlichtmasten. Keine Ahnung, wer in Zukunft die Trikots verteilt, aber selbst der Platzwart
wäre eine Verbesserung. Könnte unbeschwert wieder zurück in die alte Heimat, jetzt, wo der
Sonnenkönig nicht mehr strahlt. Im Prinzip kein Problem, falls Kuhnke bereit ist, tief genug nach
Gold zu schürfen.
Februar / März
Knüller zum Jahresbeginn. Straff organisierte Banden aus Afrika, einige Zentralorgane sprechen
von einer ausgewachsenen Armee, haben Sizilien gestürmt und quasi überrannt. Straff
organisierte Invasion, kein lokaler Piratenüberfall. Tausende der schwarzen Kreuzritter waren
bereits illegal im Lande, der Rest schlug innerhalb von knapp zwei Stunden per Flugzeug und
Schiff auf. Sämtliche Polizei- und Armeeposten auf der Insel wurden überrant, besetzt und
kaltgestellt. Airports und Häfen waren sofort komplett dicht. Überall auf der Insel Randale und
Tote. Nachrichten kommen, wenn, nur noch per Skyfone. Alles was Beine hat flüchtet in
Richtung Festland. Totales Chaos, denn Rettungshubschrauber, Boote, Flugzeuge plus Personal
werden von den schwarzen Sturmtruppen perforiert. Italienische Armee, NATO und UNO
Truppen machen mobil. Man munkelt, dass die Pulverhuber von diversen afrikanischen Staaten
oder Warlords ferngesteuert werden. Spanien, Portugal, Frankreich, Malta, Italien, Griechenland
und die Türkei pflastern jeden Zentimeter Küsten präventiv mit Militär und Sprenggut voll.
Offiziell heißt es, zum Schutz der Bevölkerung, inoffiziell hat man keinen Bock auf bewaffnete
Einwanderer. Also wird auf alles geballert, was sich den Stränden nähert und nicht sofort
identifizierbar ist. Lässt einiges Material spurlos im Mittelmeer verschwinden. Die NATO denkt
an einen Blitzeinsatz, UN-Truppen postieren sich als Beobachter an strategisch günstigen
Punkten. Meist in Kneipennähe. Allgemeine Ratlosigkeit.
Film
Alles geht. Werde als Gaststar mit drei kurzen Takes im neuen James Bond eingebaut. Titel:
´Wonderball´. Es geht um eine Droge, die, einmal eingenommen, für den Rest des Lebens süchtig
macht. Bond kommt als Spaßverderber und ich spiele einen schmucken Leutnant, der ihn per
Stealth Bomber rund um den Globus dröhnt. Darf genau 47 Wörter sagen. Jede Szene mit
mindestens 125 Wiederholungen, völlig lala. Wäre auch mal was für die Meisterschaft. Jeder
Spielzug 125 Mal bis alles perfekt sitzt. Der große Meister dreht nicht gerne mit Amateuren, sagt
die Assistentin des Directors, die Profis sind ihm schon bekloppt genug.
Attacke 2
Sizilien im Kriegszustand. Die Herrschaften vom Schwarzen Kontinent lassen die Sau raus. Alles
Wesentliche ist kassiert, und ´sämtliche Spaghettis sitzen als Geiseln mit dem Arsch in der
Pfanne´ (Rooney). Hat selbst gestandene Mafia Bosse erwischt. Die italienische Regierung kratzt
Personal und Munition zusammen zwecks Gegenschlag. Die Heuschrecken warnen vor
Angriffen, drohen mit Exekution ganzer Ortschaften und präsentieren ihre Minimalforderungen: freier Zugang für alle Afrikaner nach Europa, Streichung sämtlicher Schulden afrikanischer
Länder weltweit, und 50 Milliarden Euro in Cash für die Rückgabe der Insel. So viel sollte die
Gegend wohl wert sein. Rom lehnt jeden Dialog mit den Wahnsinnigen ab, Gegen-Invasion läuft
an, Brüssel will verhandeln. Kleiner Scherz am Rande: der amerikanische Vize-Präsident
100
DiCaprio (Vorfahren stammen aus Sizilien) befindet sich irgendwo in Catania. Ultimatum der
Amis: ist der Vize nicht innerhalb von 48 Stunden unverletzt in Freiheit, rappelt´s im Katong. Die
Russen als führende Weltmacht, ihrer Meinung nach, verlangen, dass alle Maßnahmen mit dem
Kreml abgestimmt werden, sonst könnten in einigen Gegenden Gas und Öl knapp und teuer
werden.
Die Murmel rollt trotzdem
Doppelpacks. Gegen Porto zweimal mit dem Kopf, gegen Moskau zweimal aus der Distanz, trotz
Spezialbewachung. Mein russischer Bluthund macht nach 35 Minuten die Biege, tiefrot und
Tschüss. Trampelt ungebremst und munter auf meine Gräten, kleine Revanche fürs vergeigte
Finale. Wäre normal Reha-Aspirant, aber dank der Stützstümpfe nur leichte Prellungen am
rechten Schienbein. Dem Schweizer Flugzeugprofessor sei Dank. Von mir aus Patent erteilt. Der
Rest der Truppe verlangt anschließend Chancengleichheit und eigene Panzerplatten. Klappt nicht,
leichte Produktionsverzögerung, das Patentamt in Bern arbeitet auf Baldrianbasis. Die Presse
steigt ein und berichtet fantasievoll über die neue Wunderwaffe. Elgard macht in den Bergen
Dampf, damit wir patentmäßig aus den Puschen kommen. Bin ansonsten wieder ´everybody´s
darling´, zusammen mit Cato. Sind das neue Traumpaar, total unterschiedlich, aber gnadenlos
effektiv.
Verkauft
Halberstädter rüstet mit leichter Verspätung unser gesamtes Team aus. Mini-Serie und
Sonderanfertigungen. Kostenpunkt pro Schienbein satte 5.000 Steine. Rooney zahlt ohne mit der
Wimper zu zucken. Portokasse und absolut korrektes Geschäft, falls die Dinger funktionieren.
Malumal macht Praxistest im Training. Holt Tschikischwili mit Kawupp von den Beinen.
Notstopp mit doppeltem Überschlag. Wili rappelt sich auf, sortiert kurz seine Gräten (alles am
Stück) und haut Malu ordentlich eine aufs Maul. Dicke Lippe, ein Zahn weg, aber Socken und
Schienbeine sind unkaputtbar. Rooney ist total stinkig auf die Dinger. Wären die Panzersperren
schon zu seiner Zeit am Mann gewesen, hätte er locker fünf Jahre länger quirlen können, ohne
irgendwelche Eisenteile und Drähte in seinen Pedalen.
Eigentor
Die hauseigene Pizza-Invasion geht komplett in die Hose. Von absoluten Wasserpfeifen
vorbereitet und von Schiffschaukelbremsern durchgeführt, murmeln Experten von außerhalb.
Landungskommando geht total baden, Fallschirmspringer werden in der Luft weggebeamt. No
mercy. NATO kommt mit komplettem Fuhrpark, rahmt die Insel ein und setzt auf Verhandlung.
Die Amis sind stocksauer auf das Dilettantenvolk in Rom. Die schwarzen Conquistadoren setzen
Ultimatum: innerhalb von 48 Stunden positive Beantwortung ihrer Forderungen oder Einebnung
von Palermo. Ausreichend Material dazu ist bereits unterwegs, sagen die Amis.
Zirkus
Augenblicklicher Protest durch die geliebte Konkurrenz. Fetter Wettbewerbsvorteil für uns durch
die Stützstrümpfe. Absolut unfair. Einstweilige Verfügung aus Straßburg, müssen tatsächlich
wieder ohne die Dinger antreten. Rooney föhnt sofort zurück. Der Englische Verband genehmigt
die Socken im Eilverfahren. Das Festland lässt sich nicht lumpen und verbietet die Crashstopper
so lange, bis sie allen zur Verfügung stehen. Ansonsten klare Wettbewerbsverzerrung. Die FIFA
kommt mit Sondersitzung und Kompromis. Wir dürfen die Protektoren bei Heimspielen anlegen
und außerhalb nur mit Kopfnicken der Gastgeber. Dazu einmalig drei Punkte Abzug, wegen nicht
genehmigter technischer Neuerung. Wenn das Logik und Gerechtigkeit ist, sagt Elgard, dann
müssten weltweit sofort alle Medikamente verboten werden, weil Medikamente auch nur den
Wenigsten zur Verfügung stehen.
Sizilien
Ultimatum zurück. Das Pentagon knallt jede Menge Beweise für die Verwicklung von sechs
afrikanischen ´Staatsführungen´ in die Invasion auf den Tisch (Listen mit Namen, Material,
101
Kontobewegungen und Verantwortungsbereiche). Parallel dazu evakuieren die Amis ihre Leute
überall aus Afrika. Sollten die Terroreinheiten nicht binnen 48 Stunden Sizilien komplett und
absolut schonend geräumt haben und sollte der US-Vize Hundefutter oder Geisel sein, erfolgen
massive und gezielte Angriffe auf sechs Regierungssitze in Afrika. Bumm und weg. Zusätzlich
werden in den USA 13.000 afrikanische Konten eingefroren und weltweit die Steckbriefe aller
Verantwortlichen und Drahtzieher herausgegeben (87 Pappnasen), mit drei Millionen Dollar
Kopfgeld pro Mann, ´dead or alive´, wie im Wilden Westen. Das Angebot gilt nach Ablauf des
Ultimatums, sofort und unbefristet. Knapp zwei Dutzend ´Organisationen´ aus den USA,
Russland, Afghanistan, Syrien, Israel, etc. kündigen spontan an, sich die Abschussprämien zu
holen, bis auf den letzten Cent. Clever eingestielt.
Motivation
Wir sind die neuen ´Rolling Stones´, fußballtechnisch gesehen. Die Stützstrümpfe geben
Sicherheit und mehr Schwung. Zerbröselte Knochen Fehlanzeige. Warten allerdings noch immer
auf unser dämliches Patent. Zieht sich wie Kaugummi. Bedenkenträger meinen, wenn alle mit
Protektoren auflaufen, mutiert Fußball zu einer elenden Klopperei. Möglich. Wird davon
abhängen, ob Schiris Massaker zulassen oder nicht. Sind momentan in Pole Position, vor Madrid
und Moskau. Rooney ist auf den Titel heißer als auf die nächste Dröhnung. Wir wären der
allererste Euro-League Champ. Die Nummer wäre ähnlich monumental wie der erste Fußgänger
auf dem Mount Everest. Tausende haben sich danach auch bis nach oben gehangelt, interessiert
aber keine Sau mehr. Nur Mister Hillary, der erste Kletteraffe, steht in sämtlichen
Geschichtsbüchern. Der Zweite hätte sich die ganze Action schon schenken können. Also, sagt
Rooney, wer unsterblich werden will, soll jetzt gefälligst seinen Arsch bewegen. Viel mehr
Neuerungen wird es in den nächsten dreitausend Jahren Fußball nicht mehr geben, es sei denn,
irgendwo in der Milchstraße würde noch irgendwer rumkicken. Gäbe im Falle der Meisterschaft
auch eine galaktische Belohung.
Finito
Die verhinderten Eroberer ziehen tatsächlich den Schwanz ein und verpfeifen sich ohne den ganz
großen Krieg per Flieger und Schiff Richtung Heimat, begleitet von NATO, Amis und
Kopfgeldjägern. Sollen vorher ihren ´Frust´ gründlich abreagiert haben. Palermo und einige
andere Städte flackern und mit etlichen Einheimischen, insbesondere Frauen, soll man unschöne
Dinge durchgeführt haben. Überall auf dem europäischen Festlandsockel brennt die Luft.
Schwarzafrikaner, die ihre Nase vor die Tür stecken, spielen mit Gesundheit und Leben, auch
Diplomaten. Kurz hinter Gibraltar wird ein fetter Pott mit schwarzen Gladiatoren von den Amis
abgeschossen und versenkt, angeblich weil die vorgegebene Route zurück nach Afrika verlassen
wurde. Die Kursabweichung wird von der NATO nicht bestätigt, aber versenkt ist versenkt.
DiCaprio, der verschwundene Vize, taucht unbeschädigt wieder auf, war mit seinen Leuten in
irgendwelchen römischen Kanälen untergekrochen. Ansonsten einige Hundert Tote und etlicher
Materialschaden. Auf Druck der UNO knicken die Amis anschließend beleidigt ihre ´dead or
alive´ Aktion. Im Gegenzug müssen 87 Herrschaften aus Afrika mit Anklagen wegen Vergehen
gegen die Menschlichkeit rechnen. Gut gebrüllt, sagt Elgard, aber er bezweifelt stark, dass die
Kameraden zu ihren Gerichtsterminen erscheinen werden. Obendrein schließen sich die weltweit
angereisten Kopfgeldjäger zu einer GmbH zusammen und verklagen die UNO wegen
entgangener Einnahmen in Millionenhöhe.
April / Mai
Fußball wird auch gespielt. Die Meute hängt uns im Nacken, alle wollen ins Geschichtsbuch.
Klappt aber nicht. M´Seto trifft mit geschossenen Augen, Cato wirbelt, für mich bleiben die
wichtigen Dinger. Werde der absolute 1:0 Spezialist, - in Turin, Lissabon, Istanbul und Paris.
Halten den Rest auf Abstand. Wenn wir aus den letzten vier Spielen acht Punkte holen, hat
Rooney den nächsten Lorbeerkranz in seiner Vitrine und ein korrektes Motiv, voll abzutanken.
Und neben der historischen Meisterschaft wäre auch noch eine historische Prämie fällig.
102
Papa
Schlaganfall, allerdings der leichteren Sorte. Wenn alles gut geht ist der alte Spritvernichter in
einem halben Jahr wieder fit. Kann reden, sieht alles, erkennt jeden, keine Aussetzer, keine
Gedächtnislücken und bewegungsmäßig alles okay, nur der linke Arm inklusive Hand brauchen
Nachhilfe. War total nüchtern als die Attacke kam, sagt Mama, absolutes Ehrenwort. Hat seit der
letzten Kur tatsächlich keinen Tropfen mehr angefasst. Dreimal mit meinem Erzeuger telefoniert.
Erzählt den üblichen Quatsch und die Schwestern wären auch ganz hübsch. Drückt mir die
Daumen für das Saisonfinale und hofft, dass wir uns anschließend mal wieder sehen. Wäre ja
schon lange nicht mehr in der alten Heimat gewesen. Stimmt. Hat mir allerdings auch nicht
sonderlich gefehlt, die alte Heimat.
Gerüchte
Keine Ahnung, woher der Blödsinn stammt, aber irgendwie schwebt durch den Raum, dass
Crouch seinen Chefsessel los ist und Gomez kommt, wenn wir den Pott nicht holen. Crouch läuft
leicht vereist durch die Gegend, die Teestunden fallen flach und Rooney verweigert jeden
Kommentar zum Thema. Völlig unnötiger Stimmungsverlust, die Truppe funktioniert bestens.
Trotzdem, hauen sicherheitshalber alles weg, was kommt, nicht einer im Team hat Lust auf die
Edelarschgeige. Habe Elgard direkt Signal gegeben, neuen Arbeitgeber zu suchen, für den
Ernstfall. Egal, was kommt, steige für Gomez nicht mehr in den Ring, selbst bei zehnfacher Gage
nicht.
Finale
Alle geben Gas, keiner will Gomez, wäre wie Nacktbaden in der Gefriertruhe. Punktemäßig sind
wir daher am vorletzten Spieltag uneinholbar durch. Die Hallig bebt und Rooney strahlt
intensiver als jedes AKW. Er und sein Team landen in den Geschichtsbüchern, in Marmor
gemeißelt und mit Whiskey begossen. Affenzirkus in allen Zentralorganen und selbst seriöse
Blätter schlagen vor, die Väter des Triumphes zu adeln, Crouch und Rooney. Von den
Rasenverantwortlichen redet keiner. Wir dürfen uns in das Goldene Buch der City of London
eintragen. Hätte beinahe drei Kreuze gemacht.
Juni
Stauben nebenher noch den All-England-Cup ab, die offizielle Ein-Drittel-Inselmeisterschaft.
Endspielsieg in Wembley vor 120.000 Barzahlern. Gute Stimmung, Scheiß Spiel. Liverpool
macht Dampf, wir stricken Strümpfe. Liegen zur Halbzeit 1:0 zurück, Glasbausteine im Getriebe.
Cato träumt von Samba und Brasilien, Chapman und M´Seto finden nicht statt, Barthod, der
Bekloppte, haut sich mit der Hacke das Flugzeug selbst über die Linie und ich lappe zwei
Hundertprozentige übers Tribünendach. Rooney badet in Starkstrom. Man kann gegen jeden
Scheißverein verlieren, auch gegen Sansibar, kein Problem, kann passieren, aber nicht gegen
Liverpool und schon gar nicht im Finale. Wenn das Ding den Bach runter geht, kündigt er uns die
Freundschaft und es werden 14 Tage Urlaub gestrichen. Außerdem ist die Sache mit Gomez bei
einer Pleite gegen Liverpool sofort wieder auf dem Tisch. Glatte Erpressung. Crouch verlässt
beleidigt die Kabine. Erfolgreichster Trainer der Saison, aber Kollege Rooney ist zu allem fähig,
wenn die Sicherungen knallen. Also, komplett neues Spiel im zweiten Durchgang. Cato hört auf
zu träumen, Chappy und Seto setzen ihre Ärsche in Bewegung und treffen. Zusammen mit
meinen beiden Einlagen kassieren die Jungs vom Mersey River vier Blatschüsses in 30 Minuten.
´Geht doch´, knurrt der Dicke. Gomez bleibt, wo der Pfeffer wächst und der Mannschaftsrat
schindet eine Woche Zusatzurlaub. Wenn´s läuft, lässt sich unser Vorzeige-Choleriker nicht
lumpen.
Insgesamt vielleicht die bisher beste Saison überhaupt. Weniger Spiele als sonst, weniger
Belastung, maximale Ausbeute, keine ernsthaften Blessuren, finanziell überversorgt, null Zirkus
am Hals, abgesehen vom Anfang. Könnte sich so einpendeln. Drei Wochen Sri Lanka. Soll sich
lohnen, sagt Elgard.
103
Juli
Nach schlapp 10 Monaten das Patent endlich in trockenen Tüchern (echt zügig für Schweizer
Verhältnisse, sagt Halberstädter). Produktion und Versand laufen an, mehr als eine halbe Million
Vorbestellungen. Verkaufspreis pro Paar ca. 800 Dollar. Wird rapide purzeln, wenn der erste
Kaufrausch verpufft ist, wie bei allen technischen Neuerungen. Wenn´s einigermaßen läuft, sagt
Elgard, kann ich umgehend die kurzen Hosen ausziehen. (Scherzkeks, kann ich auch so.) Wird
eine echte Tankstelle ohne Gefahr für Meniskus und Leiste. Angenehme Perspektiven, Sozialamt
bleibt auf Distanz. Das Beste für den Moment ist allerdings, - ich kann die Panzerplatten endlich
auch auswärts verwenden.
Urlaub
Feines Fleckchen Erde, wuselige Menschen, aber immer noch leicht von unserem Standard
abgekoppelt. Ochsenkarren, Sand- und Geröllpisten, fließend Wasser am Bach oder von oben.
Trotzdem irgendwie außergewöhnlich. Elefantenprozession im Hochland erlebt, jede Menge
Tempel und Paläste besichtigt. Hier war vor tausend Jahren deutlich mehr gebacken als heute,
aber dann hat der Fortschritt eine deutliche Kurve hingelegt. Anschließend zehn Tage am Meer
abgehangen. Erbärmlich wärmlich, trotz Wind. Außerdem ist der komplette Ozean gesperrt
wegen gefährlicher Unterströmungen. Wer trotzdem vor Ort in die Badewanne hüpft, der taucht
am anderen Ende in Saudi Arabien wieder auf. Passiert jedes Jahre Dutzenden von Touris. Steht
aber in keinem Prospekt.
2037 / 2038
Fehlanzeige
2038 / 2039
Komplettes Jahr verschlabbert. Keine echten Knaller, an allen Fronten Routine. Routinesiege,
Routinebusiness, Routinemädels. Sind momentan das Top Team weltweit. Rooney hat sich extra
einen neuen Trophäenstadl spendiert, mit Lasershow, Hollywood-Kino, Kneipe, Café,
Restaurant, Andenkenladen (echte Shopping-Mall wie zu Viktorias Zeiten) und Hotel. Fetter
Komplex. Gerade fertig geworden und vom neuen King persönlich eingeweiht, denn wir sind
herausragende Inselbotschafter, - wir aus Sierra Leone, Georgien, Kamerun, Nigeria, Frankreich,
Paraguay, Argentinien, Spanien, Schweden, Deutschland und so weiter. Haben sämtliche
Trophäen abgegriffen: zum dritten Mal Euro-League, zweimal in Folge den Halligmeister und im
dritten Anlauf den Weltpokal gegen Foodhouse Peking. Glatte Sache wegen brauchbarer
Vorbereitung. Rechtzeitige Anreise nach Mexiko City, halbwegs akklimatisiert und die Chinks
abgezogen, 3:0, ohne große Gegenwehr. Quirlige Kerlchen, aber im Schnitt einen halben Kopf
kleiner als wir Langnasen. Macht sich schlecht bei hohen Flanken lang vor die Kiste. Zweimal
per Kopf erfolgreich. Fettes Sonderlob von allen Seiten. Erster ´Pro of the Year´, - neue
Auszeichnung durch alle Ligaspieler für den professionellsten Kicker der Liga. Crouch ist immer
noch Zeremonienmeister und kurz davor, heilig gesprochen zu werden. Den ´Sir´, heißt es, wird
ihm seine Majestät in Kürze spendieren.
Einziger echter Aufreger: unser neues Outfit. Angeblich absolutes Top-Design, aber mehr krasser
Ausreißer und Flop-Design. Statt ´rot-weiß´ - wie üblich – ´orange-grau´ mit Rallyestreifen, oben
schmal, unten breit. Sehen aus wie Monsterhamster mit Bratarsch. Das ganze Team meutert und
der Schrott wird eingestampft, von den Socken bis zum Strampelanzug. Der Herr Designer aus
Paris darf ab sofort Toilettenpapier entwerfen. Und unserem Dicken haben wir eine Brille
spendiert. Manchmal völlig verstrahlt. Kein Wunder bei dem, was der Knabe rund um die Uhr
abpumpt. Dürfte einige Promille pro Woche mehr sein als bei meinem Erzeuger. Neue
Chefsache: die Spriteule versucht pausenlos, mir irgendeine Dame auf die Bettkante zu schieben,
von wegen Bindung an die Nation. Keine schlechten Mädels, schlanke, dralle, blonde, schwarze,
brünette, die gesamte Palette, kein Problem für Rooney, aber nichts Hit verdächtiges im
Sortiment. Wird schwierig werden. Mein Englisch macht Fortschritte, aber auf Dauer immer nur
Englisch quatschen, ne Danke.
104
Nach dem Weltpokal mit der gesamten Truppe Audienz bei seiner Majestät, alle korrekt in
Schale, frisch rasiert und frisiert, richtig brave Jungs. Nur Malu behält seine Rasta-Matte. Würde
sich prima als Teppichboden machen. Insgesamt lockere Angelegenheit. Der King will Tricks
sehen (Cato darf vorturnen) und hat jede Menge flotte Sprüche auf Lager. ´Meine Großtante will
Sie immer noch ehelichen´, erklärt seine Majestät in astreinem Deutsch und lacht sich schlapp.
Trotzdem, alles in allem öde Zeit. Schotter und Ehre per Förderband, aber ansonst ziemlich
isoliert. Quirle in überschaubaren Kreisen. Einfach so mal durch den Distrikt latschen ist absolut
undenkbar. Würde als Abziehbildchen an der nächsten Hauswand kleben. Einziger Lichtblick,
mein Kaff in Cornwall. Kann mir stundenlang die Füße vertreten oder im Pub abhängen. Die
Fischköppe sind promiresistent.
August
Rollenwechsel. Cato und ich stauben abwechselnd sämtliche Titel ab. Im letzten Jahr Amerikaund Weltkicker für ihn, für mich nur den Europafuzi, dieses Mal Amerika für ihn und für mich
den Rest. Auf Platz 3, ziemlich abgeschlagen ein Dribbelkönig, aus Argentinien. ´The Match´
macht aus uns ´The Couple of the Year´ mit den entsprechenden Hochzeitsfotos. Dämliche
Montage, besonders Cato im Brautkleid. Fakt ist, wir liegen spielerisch total auf einer Welle.
Kann mich in Tornähe blind drauf verlassen, dass Cato den Ball punktgenau auflegt. Umgekehrt
genau so, allerdings weniger elegant in der Vorarbeit. Bewege mich im Vergleich zu unserem
Sonnenkind so grazil wie eine Bodenfliese.
Neuerung
Kaum auf den Beinen wird die Euro-League gründlich aufgepeppt, Play Offs kommen, wie im
Basketball und Eishockey. Der bisherige Modus, Meisterschaft mit flachem Ende, bedeutet
ökonomisch und dramaturgisch eine totale Verschwendung von Ressourcen und Income, erklärt
die UEFA. Hätte man auch früher peilen können. Die vier besten Teams knobeln am Ende den
Champion aus, Modus ´Best of 3´. Bringt garantiert sechs, eventuell auch neun satte Endspiele
von internationaler Tragweite mit entsprechendem Geldregen. Wer mit von der Partie ist, kann
anschließend der Clubzentrale goldene Türklinken spendieren, sagt Elgard. Wie witzig – haben
wir bei uns schon seit ewigen Zeiten.
Business
Die Panzerplatten sind der absolute Kracher. Kein Wunder. Gnadenlos gute Testergebnisse aus
Bern und von jedem TÜV auf diesem Planeten. Verletzungshäufigkeit um mehr als 70 Prozent
reduziert. Bagatellschäden (leichte bis mittlere Prellungen, etc.) tendieren gegen null. Und die
krassen Chosen werden gründlich entschärft, einfacher, glatter Knacks statt Trümmerbruch,
Schiene statt Mehrfachoperation und Karriereende. Alles wissenschaftlich einwandfrei belegt.
Hätte besser nicht kommen können. Stiften der Uni unauffällig dringend nötiges
Forschungsmaterial und Meublement.
Produzieren inzwischen rund um die Uhr an drei Standorten, Schweiz, Brasilien und
Deutschland. Insgesamt fast 300 Festangestellte, Tendenz täglich steigend. Neue Produkte sind
angedacht, - flexible, unzerbrechliche Transportbehälter, z.B. biegbare Flaschen. Wenn die
Nummer funktioniert, sind wir in absehbarer Zeit der größte Arbeitgeber im Hochgebirge, sagt
Halberstädter. Für den Knaben ist jeder Tag Weihnachten, freut sich wie Plätzchen über seinen
Erfolg und gibt einen vorbildlichen Chef. Ackert, rackert, forscht und leitet quasi rund um die
Uhr. Für Elgard und mich krasser Rubelregen, fast ohne jede Mitwirkung. Gut, ich bin der
Werbe-Toni. Halte meine kostbaren Schienbeine hin, erkläre ´Nie wieder ohne´, dazu ein paar
original Holzhacker-Szenen in Slomo, das war´s. Fahre über die kleinen schwarzen Strümpfe
inzwischen mehr ein als durch mein Gekicke. Will was heißen. Gehöre momentan zu den drei
teuersten Aktiven aller Zeiten.
Saisonbeginn
Starten als großer Favorit mit zwei fetten Klatschen in Folge. Barthod hat völligen Filmriss.
Drogen versagt?! Verpeilt alles, was kommt. Landet auf der Bank, macht Ärger und verbessert
105
sich auf die Tribüne. James, unser Reserveschnappi (Spitzname ´Calamity´ James), darf ran und
erweitert seinen Ruhm als Pannenkönig radikal. Entschärft drei Unhaltbare, anschließend kullert
ihm die Blase durch die Stutzen. Wäre Weltklasse ohne diese ewigen Totalaussetzer. Höhepunkt
87. Minute. Weite Rückgabe, Calamity rollt an, holt aus, rutscht mit dem Standbein weg und
grätscht das Leder mit Drall in die eigene Stube. 75.000 Mal Schweigen im Stadion. Komisches
Geräusch.
September
Crouch bringt unseren Kindergartenpräsidenten, Noel McDermont, genannt ´Babe´. Knapp 17,
inkontinent hinter den Ohren, noch im Wachstum, aber schon 1,94 hoch. Pickel im Gesicht,
Zahnspange, schottischer Jugendmeister im Hochsprung (2,13 m), Arme bis auf die Erde, knapp
75 Kilo, und keine Angst vor nix, zumindest im Training. Ernstfall noch nie erlebt, aber mehr
Mist als seine beiden Vorgesetzten fabrizieren höchstens einarmige Blinde. Sollte eigentlich
langsam aufgebaut werden, unser Kleiner, aber langsam ist manchmal schneller als man denkt,
sagt Rooney.
München
Werden als Tabellenletzter und Kanonenfutter angekündigt. Wird aber nichts mit dem
bayerischen Schützenfest. Babe holt alle Flugzeuge vom Himmel. Keine Spur von
Nervenflattern, kein Halbschlaf, kein Respekt vor internationalen Kapazitäten. Souveränes
Stellungsspiel, unglaubliche Reflexe und keine Aussetzer, nicht mal im Ansatz. Komplett andere
Liga als die Glücksritter vor ihm. Jede Menge Applaus in bayrischer Umgebung. Selten erlebt.
2:0 für uns. Einmal Ljungström, einmal Malu. Glatte Nebensache. Wir haben einen neuen
Wachmeister.
Hochsicherheitstrakt
´Babe´ hält uns dreimal die Null, bevor er die erste Gurke kassiert, abgefälschtes Ding aus sechs
Metern. Flucht wie Honka und faltet seine Abwehrriege. Barthod, die alte Meckerbacke, ist
überflüssig und wird kurzfristig für drei Flaschen Rotwein nach Australien verscherbelt. Kostet
Rooney keine Tränen. Calamity hockt auf der Bank und erlebt, dass man seinen Job machen
kann, ohne regelmäßig totalen Brack zu liefern. Völlig neue Erkenntnis für den alten
Mückenfänger. Medienmäßig kommt der Kleine voll durch den Wolf. Kein Welpenschutz, auch
für ihn das komplette Programm. Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Lehrer
und Trainer werden durch die Wort-Zentrifuge gejagt, Kinderphotos und Filmmaterial an Land
gezogen und verwurstet. Alles kommt ans Licht, privat ist tot. Passiert jedem, der im
Vordergrund auftaucht und läuft genau so lange, bis die nächste Sternschnuppe am Götterhimmel
eintrifft. Crouch, der Heldenvater, kriegt auch seinen Teil vom Ruhm ab, weil er den Mumm
hatte, ein frühreifes Pickelface aus dem Laufställchen zu holen. Tolle Leistung, bei absolut null
Alternative.
Auslosung
WM Quali. Gruppe zum Genießen: Kroatien, Schweden, Luxemburg, Tschechien, Belgien und
Ungarn. Obendrauf, als besondere Attraktion, England. Volltreffer und versenkt. Dämlicher war
kaum möglich. Zwei kommen durch, für den Rest wird die WM in Saudi Arabien ´no-go-area´.
Hoffentlich gibt´s früh genug Klarheit und kein Endspiel zwischen Insel und uns. Könnte kritisch
werden für mich, als ´Wanderer zwischen den Welten´. (Süßdeutsche Allgemeine)
Oktober
Rooney beendet seine Karriere als Autopilot. Wird für den Rest seiner Tage Fußgänger. Hat zum
dritten Mal im Suff einen satten Crash eingestielt (Ausfahrt im Parkhaus verpeilt, das
Kassenhäuschen geplättet, inkl. Ticketonkel) und den Lappen freiwillig abgeliefert. ´England is
safer now´, kommentieren die Zentralorgane und Great Britain lacht sich schlapp. Die alte
Spritnase nimmt´s gelassen. Hätte schon viel eher die Pappe einreichen sollen, wäre wesentlich
billiger gekommen. Für das, was er inzwischen in Vehikel und Renovierungen investiert hat,
106
wären locker 100 Jahre Taxi oder 5.000 Jahre U-Bahn drin gewesen, und zwar 26 Stunden am
Tag.
Prämiert
Halberstädter erbt den Titel ´Schweizer Unternehmer des Jahres´ und wird Ehrenbürger seiner
Gemeinde. Kein Wunder, die Kommune kann jede Viehweide komplett in Platin auslegen lassen,
seitdem im Kaff Protektoren gefertigt werden. Die ortsansässigen Kühe sind nur noch Dekoration
für unser Vorzeigeunternehmen, alles umweltfreundlich, der Landschaft und der örtlichen
Bausubstanz voll angepasst. Kein Quatsch, die Firma gleicht äußerlich einem Bauernhof XXL,
keine Außenwerbung, keine Schlote, keine Müllhalden, keine Parkplatzlandschaften, alles
aufgelockert, mit Baumbestand und Feuchtbiotopen. Und drum herum hält braunes Milchvieh die
Wiesen kurz: ländliche Idylle mit Lizenz zum Gelddrucken.
Aufholjagd
Koffern uns mühsam durch´s Mittelfeld nach oben. Gewinnen macht Probleme, noch zu viel
saudämliche Unentschieden. Babe ist als Einziger durchgehend Extraklasse. Auch mein
Heiligenschein bröselt, komme irgendwie nicht richtig auf die Hufe. Zauberpässe Fehlanzeige,
Kopfbälle haltbar, Distanzschüsse Fankurve, irgendwie die Seuche an den Hacken. Cato lässt
sich kurzfristig anstecken und dribbelt wie ´n Sack Nüsse. Crouch gibt den Seeelenklempner und
richtet eine zweite Teestunde ein. Cato will O-Saft. Wirkt nur bedingt, aber entschärft die
Atmosphäre.
WM-Quali
Läuft ebenfalls bescheiden. Remis gegen Ungarn, Totalpleite zu Hause gegen Schweden, ein
Pünktchen in Luxemburg. 50 Millionen Nationaltrainer machen aus uns Konfetti. Klar, wir sind
ein Schrotthaufen, keine Frage, aber auch kein Wunder. Die Republik hat keine Kicker mehr,
trotz pädagogischer Förderprogramme, UEFA gesponserter Bolzplätze, wissenschaftlicher
Betreuung, hervorragender Lactatwerte und ähnlichem Blödsinn. Das Problem ist - sämtliche
Schlüsselpositionen in sämtlichen Vereinen sind zu 150 Prozent von Ausländern besetzt, selbst
auf den Reservebänken schieben uns freundliche Migranten über den Rand. Ist seit Jahren
bekannt, wird immer wieder benörgelt, aber mehr auch nicht. Einkaufen ist einfacher, sicherer
und billiger als ausbilden. Änderung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Der Nachwuchs schlurft
regulär erst nach 16 Uhr in Richtung Heimat, danach noch Hausaufgaben. Für Sport und dergl.
bleibt da kaum noch Zeit. Die Quittung kommt jetzt in Raten. Sind qualimäßig eigentlich schon
weg vom Fenster. Allerdings, die Inselkicker bekleckern sich auch nicht mit Ruhm, auch zwei
Unentschieden, aber ein Sieg.
Angebote
Deutsch-Französischer Sportkonzern bietet Hilfe bei der Vermarktung unserer Panzerplatten an.
Selten dämliches Angebot. Die Knochenretter verkaufen sich selbstständig von Feuerland bis
Spitzbergen, Hilfe absolut unnötig, dankende Ablehnung. Die Deutsch-Franzosen sind stinkig
und drohen damit, ein ähnliches Produkt auf den Markt zu werfen, zu absoluten Dumpingpreisen.
Könnte teuer werden für die Herrschaften, sagen unsere Rechtsexperten. Patentverletzungen
lassen sich die Bergbewohner teuer bezahlen. - Zweiter Vorschlag aus Übersee. US Gigant will
Protektoren in Lizenz herstellen und den kompletten amerikanischen Markt bepflastern. Schon
besser. Minimiert Geschäftsrisiko und Arbeit erheblich. Standort Brasilien entfällt, dazu jede
Menge Verwaltung. Vertragsdauer, Einnahmenverteilung und Mindestumsatz werden durch
Elgard knallhart diktiert, Verträge nach Schweizer Recht eingetütet. Anschließend realisiert
Halberstädter seinen größten Kindheitstraum: man gönnt sich einen knallroten Porsche, Baujahr
1965 und Traktor. Absolut okay, hätte ja auch ein eigenes Alphorn sein können. Der Mann ist
genügsamer als jede Gämse.
107
November
Das Match gegen die Tommies steigt in Cottbus. Offiziell zur Belebung der Region, inoffiziell
wegen der zu erwartenden Völkerschlacht. Dürfte hier grazilere Dimensionen annehmen als in
München oder Hamburg. Cottbus ist wehrtechnisch kalkulierbar, schlecht zu erreichen und das
Stadion eine Nussschale.
Trotzdem, kein Kaffeeklatsch. Sechs Straßenbahnen werden auf ihren Schrottwert reduziert,
Tausende von Hoolifans werden in der Spree entsorgt, die harten Kerne zerlegen sich gegenseitig
als ´Joint Venture´ unter Polizeiaufsicht im Stadtpark. Mittlere Völkerschlacht. Das Match ist
eher schlaff. Keine Schwerverletzten, keiner geht baden, brüderliches 0:0 mit nur einem
Höhepunkt. Der Schiri fängt sich einen derben Querschläger und grätscht ab. Liegt abgeschossen
in der Rasenlandschaft, verschwindet mit der Notfallambulanz und muss durch den offiziellen
Ersatzmann gedoubelt werden. Das war´s. Kann ohne Personenschutz zurück auf die Insel.
Dezember
Crouch wird geschlagen, und zwar zum Ritter. Fette Zeremonie mit allem Brimborium. Seine
Majestät stochert mit dem Schwert um sich und unser langes Elend ist ab sofort ´Sir´ Peter.
Rooney hätte mit Sicherheit auch Spaß an der Sache, klappt aber vermutlich nie, wegen seiner
regelmäßigen Aussetzer. Ist tausend Jahre zu spät auf dem Planeten erschienen. Moderne Ritter
saufen und prügeln nicht, sagt Elgard. Freut mich für unsere Bohnestange. Immer Mensch, immer
fair. Manchmal irgendwie planlos, sagt Rooney, aber trotzdem der nützlichste und freundlichste
Trikotverteiler aller Zeiten. Kein Vergleich mit Gomez. Solche Arschgeigen dürften nicht mal in
der Kreisklasse vorturnen. Am Training und am Führungsstil ändert der Titel absolut nichts. Der
Lange stakst über den Platz wie Storch im Sumpf und gibt alle acht Minuten eine Anweisung.
Nur auf seinem Strampelanzug glänzt anstelle eines schlichten ´Crouch´ ab sofort ein
handgesticktes ´Sir Peter´.
Aufstieg
War zu erwarten, ´Babe´ fängt für die Insel. Ist den anderen Greifern mit britischem Pass trotz
seiner Milchzähne um Lichtjahre voraus. ´The Einstein of the Penalty Box´ erklärt ´The Match´.
Macht definitiv keine Fehler. Absolutes Naturtalent und der neue Messias für die Fish & Chips
People. Teeniehorden knallen total durch. 25.000 Zahnspangen bei jedem Heimspiel, Gekreische
wie seinerzeit bei den Beatles. Cato und ich sind Schnee von überhintervordergestern. Kommt
gut. Hält uns die Reporterblase halbwegs vom Hals. Müssen nicht mehr jeden Blödsinn
kommentieren und sind weg von den Titelseiten.
Januar
Katastrophenauftakt. Die Welt hat Husten. Treibhaus-Effekt lappt voll rein, Malaria beglückt
sämtliche Nord- und Ostseeküsten. Im Schwarzwald, Allgäu und Bayerischem Wald rafft das
Mückenzeugs die ersten Einheimischen weg. Man munkelt von schlapp 100.000 Infizierten.
Keine genauen Angaben wegen eventueller Panik. Herzlichen Glühstrumpf. Massenimpfungen
und Ausgabe von kostenlosen Medikamenten an allen Schulen. Erwachsene dürfen für
Prophylaxe und Behandlung blechen. Rappelt fett bei Apotheken und Pharmakonzernen.
Regierungsheinis versprechen die Bekämpfung der Biester zu intensivieren und fordern bessere
und preiswertere Heilmittel. Wirkung gleich null, Preise bleiben hoch und stabil. Im Gespräch
sind außerdem intensivere Maßnahmen gegen den Greenhouse Effect. Die würden sich allerdings
erst ab ungefähr 2120 bemerkbar machen. Wird sich einen Dreck bemerkbar machen, sagen die
Grünen und Greenpeace, weil die dicksten Staaten und Konzerne jedes Klimaabkommen mit
immer neuen Tricks umschiffen. Haben zwar Unmengen von Papier unterschrieben, pulvern aber
weiter ihren Mist fröhlich in alle Himmelsrichtungen. Einzige Neuerung: große Kampagnen, die
erklären, wie man sich auf Malaria, Hitze, Trockenheit, Orkane, Überschwemmungen und
ähnliche Scherze einrichtet. (Tolle Infos für Heimwerker: – ´Dem Taifun keine Chance´,
´Kellerauspumpen für Anfänger´, ´Katastrophenschutz für Linkshänder, etc.) Diverse
Versicherungen haben sich inzwischen ausgeklinkt. Wer rund ums Mittelmeer, in der Karibik,
Florida, Südostasien oder so wohnt, kriegt weder Haus, Boot noch Hundehütte versichert. Die
108
Wahrscheinlichkeit, dass alles irgendwann zerbombt wird, wegfliegt oder absäuft ist monatlich
gegeben.
Auf der Insel Alarmbereitschaft und mittlere Hysterie. Entlang der Küste werden stehende
Gewässer mit chemischen Keulen zugekippt, damit der Malaria Klapperstorch seine Brut
woanders absetzt. Und Schiffe, die britische Häfen anlaufen, werden auf See gestoppt und mit
dem gleichen Zeug eingenebelt. Safety First.
Februar
Die Kroaten räumen ab. Keine Niederlage, nur zwei Unentschieden, in Tschechien und England.
Hatte keiner so richtig auf der Rechnung, die Knaben. Wir hängen auf Platz 3, hinter den
Tommies. Murksen uns von Unentschieden zu Unentschieden. Halten die Kiste einigermaßen
sauber, das Problem sind unsere Knipser. Keiner mehr in der Republik, der die leere Hütte trifft,
nicht mal aus drei Metern. Klopp probiert alles durch, was laufen kann, ohne Ergebnis. Ab
Sechzehner Blindflug. Vier schlappe Tore in sieben Partien. Schlechte Aussichten auf eine
Mitfahrgelegenheit zur WM. Sind die Aschenbrödel der Nation. Wäre die allererste
Veranstaltung dieser Art seit 1954 ohne uns und ein fetter Schlag ins Kontor für unsere
Zentralorgane. Haben bei den Übertragungsrechten gnadenlos hoch gepokert und Milliarden
hingeblättert. Bleiben wir zu Hause, können alle ihre Verträge hinter die Klospülung nageln und
ihre Sender verklappen. Welche Company wird bei uns Werbung schalten, wenn Malawi gegen
Ecuador kickt? DFB Präses Ballack persönlich erscheint im Mannschaftsquartier und weist
deutlich auf die ökonomisch-emotionale Gemengelage hin. Verkündet eine Vervierfachung der
Sondervergütung für den Einzug in die Endrunde. Die Maßnahme schlägt voll durch: souveränes
2:1 gegen Luxemburg durch zwei verwandelte Elfmeter.
Abschuss
Kriegen alle unser Fett weg, ganz besonders meinereiner. ´Denkmal auf Abruf´, ´Zenit
überschritten´, ´Torfabrik im Ruhestand´, ´Arroganzfußballer´, ´Ideentod´, ´Fußballimitator´,
´Migrant ohne Bezug zur Heimat´ und so weiter. Mittlere Komplettdemontage. Einzige
Konsequenz: Brocken hinschmeißen und die Liga genießen. Klopp beißt um sich, mit sattem
Echo. Steht selbst voll in der Schußlinie. ´Einfaltsloser Hurra-Fußball ohne Konzept und Vision´,
´Ebbe in der Wundertüte´, ´Der hilflose Helfer´ und ähnliche Nettigkeiten, täglich und in
geballter Ladung. Entweder steigt der Blutdruck oder das Fell wird dicker, sagt Klopp. Seins ist
dicker als die Gelben Seiten. Kann ich von mir nicht behaupten. Komme mir vor wie die
Klagemauer persönlich.
März / April
Mit Glück in die Play Offs gemurkst. Schnappen den Bayern durch die bessere Tordifferenz den
letzten Spielplatz weg. Rendezvous mit Barca. Sind krasser Außenseiter. Trotzdem, in Spanien
1:1, zu Hause 1:1. Drittes Match wieder am Mittelmeer, sattes 0:0. Verlängerung. Chappy
versenkt die Murmel nach 97 Minuten, Schiri entscheidet auf Abseits. Voll daneben, absolut
regulärer Treffer. Zusatzgratifikation: rote Karte für Chappy wegen Meckerns. Super. Retten uns
tretend, beißend und kratzend ins Elfmeterschießen. ´Babe´ hat die Möglichkeit berühmt zu
werden. M´Seto versemmelt seinen Elfer, Babe hält, Cato verwandelt, Barca verwandelt, Malu
fetzt in die dritte Etage, Babe taucht und hält, Ljungström verwandelt, Babe hält, meine Murmel
bricht Barcas Schnappi die Hände, schlägt unters Gebälk und rutscht nach hinten durch, das
war´s. Schwein gehabt und Babe. ´Der Killer-Krake mit den goldenen Fingern´. (Sport´s World)
Mai
Panik auf der Titanic. Kroatien ist durch, die Tommies eigentlich auch. Nur noch zwei Spiele und
vier Punkte vor uns. Auswärts in Luxemburg, wir müssen in Schweden ran. Im Grunde alles
geregelt. Von wegen. Die Vollpfosten verlieren gegen die Giganten aus Benelux 0:1, wir fahren
gegen Pipi Langstrumpf & Co unseren zweiten Sieg ein, 1:0 in der Nachspielzeit. Kopfballtor der
alten Sorte aus zwölf Metern genau in den Knick. Albtraum perfekt – Endspiel in Wembley.
´God is a Nazi´ hetzen die Inselorgane, ´Fotofinish´ kommentieren unsere Meinungsmacher. 109
Den Tommies reicht jedes Unentschieden, wir haben zu gewinnen. Alles reine Formsache
scheppert ´The Match´, ´auf englischem Turf wird die SS-Senioreneinheit pulverisiert. Null
Chance für die deutschen Schlafwagenkontrolleure´. Der Hase hat das Rennen gegen den Igel
auch für eine reine Routine gehalten, sagt Elgard. Das Ergebnis ist Weltliteratur.
Taktik
Rooney schlägt vor, aus taktischen Gründen den Verletzten zu mimen. Nicht, dass er Angst um
seine Insel hätte, viel eher um meine Rübe. Würde mein junges Leben komplett ruinieren, falls
ich seinen Leuten in der eigenen Bude die Tour vermasseln würde, zum Beispiel mit einem
meiner dämlichen Kopfbälle, oder so. Käme mit Sicherheit bei seinen Landsleuten gar nicht gut
an. Das mit der Verletzung wäre leicht zu arrangieren. Mailand, zum Beispiel, ist bekannt für
seine rustikale Spielweise, mittelschwere Verletzungen wären quasi an der Tagesordnung. Super
Idee, würde jeder Blinde auf Anhieb erkennen. Trotzdem, echte Zwickmühle. Gewinnen wir das
WM-Ticket dank meiner Anwesenheit, kreuzigen mich die Insulaner, gebe ich den sterbenden
Schwan und wir vergeigen, vierteilt mich der eigene Mob. Elgard sagt, das Beste wäre eine
plötzliche Schwangerschaft.
Mailand
Ausverkaufte Veranstaltung in San Siro. Auf den Rängen wird gepfiffen, auf dem Rasen
gespuckt und getreten. Wir gewinnen die Seitenwahl und an Erfahrung, mehr auch nicht. Satte 30
Minuten läuft das Match völlig an mir vorbei, erlebe das Meiste als Maikäfer. Dann der erste
Einsatz im Strafraum. Steige hoch, gehe zum Ball, Ellenbogen und – Filmriss. Mittelschwere
Gehirnerschütterung plus Jochbeinfraktur. Dumm gelaufen und absolut nicht einstudiert. Und ist
nicht auf seinem Mist gewachsen, schwört Rooney auf dem Weg ins Hospital, großes IndianerEhrenwort. Hat mit keinem einzigen Mailänder Spieler irgendwelche Absprachen getroffen.
Dürfte den Tatsachen entsprechen, sagt Elgard. Der Dicke hat die Schweinerei knallhart an
irgendeinen Kumpel delegiert, 100 pro. Bei Rooneys Gefasel muss man auf die Feinheiten
achten, trotz der ständigen Blutvergiftung. Haben im übrigen 4:1 vergeigt. Zwei Stunden später
Anruf von Klopp. Wird morgen mit einem Ärzteteam aus der Heimat einfliegen. Das Re-Match
in fünf Tagen, sagen die italienischen Heilkünstler, findet definitiv ohne mich statt. Das Match
gegen die Insel steigt in neun Tagen.
Heilung
Klopp und seine drei Experten (ein HNO-Typ, zwei Chirurgen) haben mich nach Freiburg
verschleppt. Liege in einer Spezialklinik für zertrümmerte Schädel. Absolut beruhigend. Links,
rechts und gegenüber Motorradfreaks, gepurzelte Bergsteiger, Bauarbeiter und Hausfrauen. Bin
die absolute Lappalie zwischen diesen Puzzlespielen, behaupten die Knochenflicker. Bekomme
von innen mit einer Spezialtechnik das geknickte Jochbein aufgepumpt und eingerenkt. Wird
besser als neu, sagt der Chef, ohne Nachwirkungen und bleibende oder sichtbare Schäden.
Mailand ist gestorben, Wembley fraglich, die Chancen stehen 50:50. Vorsichtshalber schnitzt mir
eine Kapazität aus dem Schwarzwald eine hauchdünne Gesichtsmaske aus Halberstädters
Material, mit der man notfalls auflaufen kann. Ohne Prothese wäre der Einsatz völlig Banane, mit
Prothese wahrscheinlich auch. Wird sitzen wie eine zweite Haut, sagt der Maskenbildner.
Abends erscheint ein freundlicher Mensch aus der Ausrüsterbranche. Versorgt seit Jahrzehnten
unsere Elitetruppe mit Schuhen, Trikots und Socken. Fände es ausgesprochen gut, wenn ich in
voller Kluft gegen England auflaufen könnte. Wäre als Werbeschnappschuss unbezahlbar,
vorausgesetzt, wir versägen die Inselaffen. Geplant ist sogar Unterwäsche mit meinem
Namenszug. Würde sich bei einem Sieg wahrscheinlich gnadenlos gut absetzen lassen und wäre
sicherlich nicht mein Schaden. Netter Versuch. Repariert die kaputte Visage schlagartig.
Killer-News
Kommt knüppeldick. Die Inselnachrichten blasen zur Attacke. Absolut neue Strategie. ´The
Match´ behauptet, ich bin schwul bis in die Haarspitzen, der erste voll schwule Profi im Inselstaat
überhaupt, und alle anderen ziehen nach. Präsentiert werden eine Handvoll unscharfer Fotos, um
110
den Schwachsinn zu belegen. Wegen meiner Fehlpolung wäre damals auch die Heiratsaktion
gescheitert, Angebote waren ja genug da, Tausende von total Klasse Frauen. Die hätten statt
meiner auch einen Brückenpfeiler anmachen können. Jetzt wäre endlich amtlich warum. Die
Schnappschüsse zeigen ´mich´ so, wie man die Umgepolten gerne sieht, in herzlicher Umarmung
und knutschend mit anderen Schwuchteln. Sagenhaft. Außerdem gibt es inoffiziell seit einiger
Zeit Klagen von Teamkollegen, die sich über Annäherungsversuche bei der Vereinsleitung
beschwert haben. Alles total Banane, aber Rooney, der Armleuchter, lehnt jede Stellungnahme zu
den ´Enthüllungen´ ab. Arschgeige. Die beste Munition für jeden Schmierenkönig. Ein schlichtes
´alles Mumpitz´ hätte voll gereicht. Pustekuchen. Drei Jahre Top Leistung sind nach einer
Handvoll verstrahlter Zeitungsartikel absoluter Schnee von gestern. Und die Fish & Chips People
landauf landab schlucken den Köder ohne jede Check. So was nennt sich ´psychologische
Destabilisierung´, sagt Elgard. Benutzt man dann, wenn einem selbst der Arsch auf Grundeis
geht. Beruhigend.
Mailand rück
Hocke mit dicker Backe in Freiburg am Schirm. Die Spaghettis stellen sich hinten rein und wir
prallen ab wie Regen von der Windschutzscheibe. Mission impossible. Cato ackert, M´Seto hängt
sich rein, Malu läuft Amok, alles für die Katz. Zur Belohung kommt zehn Minuten vor Ultimo
der Fangschuss - 18 Meter, abgefälscht, Innenpfosten, 1:0. Drittes Match hinfällig, die Schale
geht nach Mailand. Shit happens. Glückwunsch.
Feuer
Meine Hütte in Kensington brennt, trotz Polizeischutz. Angeheizte ´Hoolifans´ verbauen der
Feuerwehr gründlich die Zufahrt. Das Meiste verkokelt, der Rest wird von den Wassermännern
ertränkt. Sieht lecker aus. Gut, Wertsachen, Unterlagen, Bargeld oder Verträge sind auswärts
unter Verschluss, aber auch so läppern sich die Verluste. Laut Versicherung drei bis vier
Millionen Pfund. Besonders der Abriss geht in die Vollen, alles Sondermüll.
Untersuchungsergebnis: klare Brandstiftung, das Freudenfeuer entwickelte sich an mehreren
Ecken der Festung gleichzeitig. Auch ein versierter Schutzengel wäre chancenlos gewesen.
Erhalte präventiv Personenschutz in Freiburg. Zwei Doggen von der Bundespolizei stehen sich
vor meiner Suite die Beine in den Bauch. Die Gesichtsexperten sagen, sie hätten mich deutlich
schöner gemacht und ich könnte mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent in Wembley
auflaufen, wenn mir danach ist. Is mir aber nich! Die Republik rechnet allerdings fest mit
meinem Einsatz, egal ob Bruch oder nicht. Dafür gibt´s Medizinmänner und Spritzen.
Verweigerung wäre Vaterlandsverrat. Es geht offiziell um ´nationale Identität´ und inoffiziell um
gnadenlos viel Schotter. Das Fußvolk fühlt sich als Versager, Industrie und Medien zittern um
ihre Einsätze. Die Islander schließen die Falle von der anderen Seite. ´The Match´ veröffentlicht
humorige Leserbriefe, die mich davor warnen, jemals englischen Boden in einem ausländischen
Nationaltrikot zu betreten. Die angedrohten Konsequenzen wurden von einer feinfühlenden
Redaktion durch schwarze Balken unwesentlich entschärft. Trotzdem, Galgen, Handgranaten und
Maschinengewehr sind noch deutlich zu erkennen. Klopp meint die Tommies sind verdammt
nervös. Ich auch.
Juni
´The Battle of the Millenium´, verkündet ´The Match´. Die Normannen 1066 und der Angriff der
Armada 1588 waren Kaffeekränzchen gegen das, was sich in Wembley abspielen wird. Für
unseren Blätterwald ist die Partie ´das wichtigste zeitgeschichtliche Ereignis seit dem Fall der
Mauer´. Auch kein schlechter Vergleich. Kein Wort mehr von Fußball als Wirtschaftszweig mit
hohem Spaß- und Risikofaktor und keine Chance mehr, mich zu verkrümeln. Die Medizinmänner
geben vor tausend Mikrofonen grünes Licht, die Maske ist TÜV, CE und Wollsiegel geprüft und
sitzt. Bin Kapitän und der (zertrümmerte) Kopf der Truppe, ohne mich tendieren sämtliche
Aussichten auf Weltmeisterschaftsfreuden gegen den Gefrierpunkt, erklären unsere
Zentralorgane. Nett, wenn man jemanden hat, dem man sämtliche Verantwortung vorsätzlich in
die Schuhe schieben kann. Macht später bei der Abrechnung weniger Arbeit.
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Am Besten drauf ist unser Sockenlieferant. Erscheint täglich und erklärt, dass Fotos mit mir und
seinem Outfit unerlässlich sind. Ansonsten kann die gesamte Kollektion eingestampft werden.
Würde Millionen und einige hundert Arbeitsplätze kosten (wahrscheinlich in Taiwan, oder so).
Habe neun Tage keine Gräte bewegt, keinen Ball am Fuß gehabt und beim ersten lockeren
Kopfball im Reha-Garten explodiert mir fast der Schädel. Werde vor Anpfiff viermal im Gesicht
gespritzt, um die Birne halbwegs schmerzfrei hinhalten zu können. Bin der einzig brauchbare
Kopfballspieler in der gesamten Vorwärtsabteilung. Tolles Gefühl. So, wie ich die Bulldoggen
kenne, wird´s gleich zu Anfang gewaltig was auf die Nuss geben, zufällig natürlich.
In der Laube steppt der Bär. 80.000 Tommies schmettern ihre Schlachtgesänge, 20.000 von uns
stehen en bloc unter Käseglocken aus bruchsicherem und feuerfestem Kunststoffglas, eingerahmt
von Bullerei und Stahlgittern und klammern sich an ihre Fähnchen. Geräusch-Tzunami beim
Betreten des Platzes, Feuerzeuge fliegen mir um die Ohren, mit Steinen gefüllte Sitzkissen und
ähnliche Scherze. Schiri droht mit Spielabbruch. Die offizielle Bagage hat alle Mühen den Mob
einzunorden. Gelingt erst, als der Stadionsprecher darauf hinweist, dass der Gegner die Partie 2:0
gewonnen hat, wenn nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten angepfiffen werden kann. Klare
Aussage, geht selbst den Idioten mit Knäckebrot-IQ in die Birne. Leider. Hätte auf der Stelle eine
kampflose Kapitulation akzeptiert.
Wembley
Alles seit 48 Stunden vorbei. Kein Match für Ästheten und Warmduscher. Non-Stop
Hochgeschwindigkeitsklopperei. Ohne Protektoren reines Massaker. Zweimal ´rot´, siebenmal
´tiefgelb´. Wäre von jeder normalen Berufsgenossenschaft abgeblasen worden. Werde
durchgehend mit Aufmerksamkeiten überhäuft. Erster Tritt in die Maske nach zehn Minuten (nur
´gelb´), Ellenbogencheck voll ins Gesicht Mitte Halbzeit 2 (endlich ´rot´). Das Volk johlt, aber
mein Visier hält. Zum Glück. Erinnert alles enorm an die alten römischen Metzgerspiele, so gut
wie keine Veränderungen in knapp 2000 Jahren. Nächster rote Katong vier Minuten später für
Wolter wegen Meckerns. Absolute Lachnummer. Hat sich nur über die sechs sauberen
Schraubstollen in seinem linken Oberschenkel beschwert. Geht duschen, muss aber vorher
zweimal genäht werden. Schiri mit Pixelfehler. Könnte ´n Bruder von Gomez sein.
80 Minuten Einbahnstraße in unsere Richtung, aber die Tommies sind zum Gewinnen zu
dämlich. Viermal Aluminium und einen Elfer obercool vergeigt. Reckermann bleibt einfach
stehen und fängt die Murmel mit der Mütze. Finale fünf Minuten vor Schluss. Ecke von rechts,
leicht abgefälscht und direkt auf meinen rechten Schlappen. Keine Chance für Babe. Drop Kick
aus 4,15 Metern hoch ins linke Ecke, knapp unter den Querbalken. 118 Km/h ermittelt die
Technik. Totenstille im Stadion, wir elf Pappnasen in weiß-grün können das Gras wachsen hören,
dann zirpt unser Anhang los. Zu Hause fünf Herzinfarkte und Schwankungen auf der Zugspitze.
Geschlagene sechs Minuten Nachspielzeit, Ewigkeiten im Sekundentakt. Gelbe Karte wegen
Unsportlichkeit kassiert. Slalom in der eigenen Hälfte gelaufen und die Pille anschließend ins
Aus gedroschen, wegen Beinlosigkeit. Kompression wie Hüttenquark. Nach dem Gong weder
Formalitäten noch Jubelarien, mit Vollgas ab in die Katakomben. Tür zu, Schlüssel rum, fertig.
Draußen werden Piratenflaggen gehisst und Macheten gezogen. Englische Sondereinheiten
schützen deutsche Fans. Werden kerzengerade zu ihren Transportmitteln bugsiert und ohne
Aufenthalt über den Kanal verschoben.
Verbringen die Nacht im Stadionhotel. Mannschaftsbus war zehn Minuten nach Abpfiff nur noch
Alteisen. Keine Chance, Wembley zu verlassen, wäre glatter Selbstmord geworden, trotz Eskorte.
14 einheimische Objektschützer landen stark verbeult in umliegenden Krankenhäusern. Wir,
Mannschaft und Offizielle, werden im Morgengrauen in kleinen Gruppen evakuiert, in
gepanzerten Armeefahrzeugen. Klopp hockt bis zum Schluss bei mir, zusammen mit Rooney.
Sieht draußen aus wie nach einem Staatsstreich irgendwo in Afrika. Der Dicke hat
zwischenzeitlich versucht, die Durchgeknallten draußen zu beruhigen. Ergebnis: Platzwunde am
Kopf, ein Schneidezahn weg. Eh nur Keramik, sagt Rooney und grinst. Mein Sockenlieferant mit
Sicherheit auch.
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Konsequenzen
Hocke in der Deutschen Botschaft, mitten in London. Bin momentan besser gesichert als die
Kronjuwelen, aber auf der Insel nicht mehr zu halten, absolut unerwünschte Person, Volksfeind
Nr. 1. Seit drei Tagen im bombensicheren Kellertrakt. Landflucht trotz MAD zu heiß. Der
Gebäudekomplex wird Tag und Nacht belagert, Ausfallstraßen sind von ´fliegenden FanKommandos´ blockiert. Totaler Wahnsinn. Selbst Rooney und der Club kriegen ihr Fett weg. Der
Dicke wird in seinem eigenen Pub an die Wand getackert und im Clubhaus landen drei Dutzend
Molotow-Cocktails. Elgard und die Spriteule vereinbaren Vertragsauflösung. Rooney ist
stinksauer auf jeden und droht seinem eigenen Verband mit einer satten Klage. Die Kameraden
geben klein bei und zahlen meine Gage bis zum Vertragsende (inoffiziell, versteht sich), nach
Verursacherprinzip. Fußball ist Religion, sagt Elgard, und Religionen bestehen zu 90 Prozent aus
Mord und Totschlag.
Überraschungsinsel
Verlasse die Botschaft in einem präparierten Taxi. Am Steuer sitzt James Bond, daneben 008, bis
an die Zähne bewaffnet, hinten 009, Rooney und ich. Echt mutig. Um uns herum schwirren
Sicherheitsfahrzeuge, unauffällig, aber im Dutzend. Der Dicke hofft, ich behalte den Club, meine
Zeit in England und ihn trotzdem in guter Erinnerung. Hatten schließlich zusammen jede Menge
Erfolg und Fun. Schade, dass die Sache so dämlich in die Hose gehen musste. - Vor allem die
Heiratsaktion am Anfang war der volle Kracher, hätte gewaltig Publicity gebracht. War im
Übrigen keine Idee von ´The Match´, sondern seine eigene, eine seiner besten. ´The Match´ hat
dabei nur ordentlich mitgespielt, von wegen Auflage. Hoch interessant. Greife mir seinen
geliebten Flachmann (Sterling Silber, angeblich ein Geschenk der Queen und immer am Mann)
und verteile den Inhalt gleichmäßig über die kahle Birne und sämtliche Designer-Klamotten.
´Absolut fair´, sagt der Dicke. Und da wir gerade unsere ehrliche Phase haben, - die Info, Crouch
würde durch Gomez abgelöst, wäre auch auf seinem Mist gewachsen, um alle für den Endspurt
zu motivieren, ganz besonders mich. Hätte ja auch prima funktioniert. Leider kein Whiskey mehr
in der Pulle. Dafür hat der Flachmann jetzt ´ne Delle.
Juli
Hocke im tiefsten Österreich, kurz vor der slowenischen Grenze. BND-Mauseloch für besonders
krasse Fälle. Absolute Kontaktsperre, keine Telefonate, keine Mails oder anderen elektronischen
Schnickschnack. Per Jet nach Klagenfurt, von da im Lieferwagen ab in die Pampa, dann zu Fuß
auf eine baufällige Almhütte. Absolut irres Ding. Sieht von außen aus wie bei Heidi persönlich,
innen drin High-Tech hinter jeder Ritze, Wohnstube, Küche und Plumpsklo inklusive. Reine
Fassade, für den Fall, dass sich irgendwer in die Gegend verirren sollte. Voll unterkellerte
Immobilie, atom- und chemiewaffensicher, mit genau einem Dutzend anständiger
Wohneinheiten. Hier können mehr als 100 Personen einen ausgewachsenen Atomkrieg
überleben, sagt Sepp. Sepp mimt den Almbauern, gehört aber zur ´Firma´, genau so wie Frau und
Sohn. Absolut schräge Situation, aber irgendwelche Inselspinner haben via Internet eine fette
Summe auf meinen Kopf ausgelobt. Und etliche Oberspinner sollen in Bewegung sein, um sich
den Schotter zu verdienen.
Aussichten
Jochbein verheilt und mit Höhentraining einigermaßen fit gehalten. Alles an Bergen abgelatscht,
was sich halbwegs unbemerkt erreichen lässt. Sepp, Mitte 50, Strichmännchen ohne sportliche
Vergangenheit, hängt mich an jedem Hügel lässig ab, trotz Rucksack und Dauerpredigt. Zäh wie
nix. Elgard stöbert im Flachland nach neuem Arbeitgeber. Momentan Fehlanzeige, bin sozusagen
´heiße Ware´. Haut mich nicht vom Hocker, bin platt genug, um die Pantoffeln einzumotten.
Fußball selbst ist okay, aber der Schwachsinn drum herum schnitzelt jede Lebensfreude. Und
Terroristenstatus muss auch nicht sein. Außerdem, habe als Kicker alles erreicht, bin finanziell
mehr als tausendmal saniert und unsere Protektoren laufen wie doof. Qutput & Profit steigen
täglich. Keinen Schnöff mehr auf kurze Hosen. Brauchbar wäre ein stinknormales Leben mit 99
Prozent weniger Zirkus.
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Besuch
Klopp trabt an. Höchstpersönlich, inkognito und per Pedes, neun Kilometer vom Talgrund bis auf
die Hütte, bei knackigen Temperaturen. Fertig wie Brötchen. Echtes Gipfeltreffen. Er sagt alle
rudern zurück und Scotland Yard hat die wesentlichen Internettypen gekrallt und entschärft.
Dürfte einige Jahre absitzen wegen massiver Anstiftung zu schwersten kriminellen Handlungen.
Nicht schlecht, aber ein einziger Durchgeknallter, der noch unterwegs ist, kann reichen. Wird
sich einrenken, sagt Klopp. Außerdem stellt das Innenministerium Body Guards zur Verfügung,
seine Allerbesten und unbefristet. Werden mir auf Schritt und Tritt an den Hacken kleben. Und
während der WM kommt sowieso keiner an mich ran, absolutes Hochsicherheits-Turnier. Gegen
die Mannschaftsquartiere ist Fort Knox ein offener Jugendtreff. Die offizielle WM Vorbereitung
startet umgehend und mit mir vorne weg, sagt Klopp, sonst können wir gleich zu Hause bleiben.
Auch keine schlechte Idee.
Die geheimen Eichkater
Sechsköpfiges Empfangskomitee unten im Tal. Übernehmen im Zweierpack rund um die Uhr
meinen Geleitschutz. Komische Typen, durchschnittliche Formate, Milchgesichter, nicht der
Hauch von Rambo, im Gegenteil. Zwei haben mit Sicherheit als Kinder ihre Haferflocken nicht
gegessen. Klopp murmelt: ´Vorsicht´! Alles totale Kampfmaschinen, die absoluten Ausknipser,
wenn´s sein muss, inklusive Lizenz. Wer sich mit den Herrschaften anlegt, greift voll in die
Steckdose. Außerdem Waffenexperten. Schleppen alles Mögliche mit sich rum, Messer, Pistolen,
Chemie und auch großes Gerät, für den Fall des Falles´. Beruhigt enorm.
Neuanfang
Nach 18 Tagen Zwangspause der erste Ballkontakt. Komisches Gefühl. Ausgeruht, gnadenlos
locker, aber null Power. Ausdauer wie ´ne Bodenfliese. Klopp und seine Jungs stecken mich in
die Muckibude und lassen mich pumpen wie drei Maikäfer. Keine Gnade. Im Hintergrund immer
zwei geheime Eichkater. Fitte Kerlchen. Hauen einiges an Eisen mehr weg als ich, ganz locker,
mit Armen und Beinen. Leicht blamabel. Die Zentralorgane gehen pfleglich mit mir um. Klopp
hat den Hirnis deutlich verklickert, dass ich momentan keinen Fisch vom Teller reiße. Ganz
normal nach meiner Glückssträhne. Öffentliche Trainingseinheiten ohne mich. Zu hohes Risiko.
Noch 15 Tage bis zur WM.
Poker
Mir steht der Schweiß in den Schuhen, Elgard pokert mit Kuhnke, Kuhnke spekuliert auf einen
Deal zum Nulltarif, aber Rooney will jede Menge Bares. Absolute Hängepartie. Dann klopfen
Moskau und Istanbul an, beide wittern leichte Beute. Pustekuchen. Mit Konkurrenz im Rücken
schaukelt Elgard die Preise lässig nach oben. Die Linie ist klar. Keinen großen Bock mehr auf
Ausland. Kuhnke soll gewinnen, aber zu marktgerechten Konditionen. Bin schließlich der Retter
der Nation und keine Ramschware.
Testspiel
Bochum, früher mal ganz oben, inzwischen nur noch ein regionaler Riese. Werde für eine
Halbzeit ins Wasser geworfen. Rette mich flügellahm und nur mit Routine über die Runden.
Kopfballtor zum 8:0. Sofort fließt die Tinte wieder in Strömen. ´Der Beherrscher der oberen
Etagen´, ´Phönix aus der Asche´, ´Der Adler unter den Krähen´ und ähnliches Gewäsch. Bin froh,
ohne fremde Hilfe die Umkleide erreicht zu haben. Normale Schwäche in meinem Alter, sagt
Klopp, in zehn Tagen hüpfe ich wieder wie ein Häschen. Na wunderbar. Seit wann haben
Häschen kleine Häuser auf dem Rücken?
Back to the Roots
Kuhnke zappelt da, wo Elgard ihn haben will. Knurrt wie ´n Steppenwolf, aber spielt mit und
zahlt. Dreijahresvertrag mit Ausstiegsklausel nach 24 Monaten. Leicht verringerte Bezüge, aber
London blecht im ersten Jahr die Differenz zum letzten Salär. Außerdem, sämtliche Sponsoren
bleiben an Bord, außer British Telecom und British Beef. Klar, war nicht anders zu erwarten.
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Dafür schlagen Geldgeber aus der Heimat zu, dank Elgard. Behauptet, er hat inzwischen mehr
Schotter durch meinen Vertrieb eingefahren als mit seinem eigenen Gekicke. Und der alte
Schwede war zu seiner Zeit echt gut und teuer.
Supergau
Testspiel, in Moskau gegen die abgemeldeten Russen. Kommen mit 1:3 fett unter die Räder.
Wäre noch krasser gekommen, hätte Reckermann nicht ständig seine Griffel im Spiel gehabt.
Anschließend Dopingkontrolle für alle, reine Routine. – Am nächsten Tag der Hammer: positive
A-Probe bei mir, soll bis oben hin voll sein mit ´Epo 8´. Mit dem Sprengstoff, heißt es, wird aus
jedem Kanaldeckel ein astreiner Stabhochspringer. Auf allen Ebenen brennt die Luft. Bin
medienmäßig das einzige Thema von Hammerfest bis Kapstadt. Verfahrensfehler oder
Verwechselung glauben einige nette Menschen, aber 90 Prozent sehen in der Sache den trostlosen
Versuch eines angeknockten Stars, irgendwie das Hauptfeld zu erreichen. Völliger Quark. Nie
Kontakt mit Doping gehabt, kenne weder Mittel noch entsprechende Ärzte. Kämen mir beide
nicht ins Haus. Muss ein Irrtum vom Amt sein. Elgard sagt Ruhe bewahren und die B-Probe
abwarten. Präventiv wird meine Nominierung für den Kader ausgesetzt.
Bingo
IDA(International Doping Agency) gibt in Lausanne vor versammelter Weltpresse das Ergebnis
der B-Probe bekannt: kein Irrtum vom Amt, auch die zweite Probe ist eindeutig positiv, ohne
wenn und aber. Getroffen und versenkt. Bin innerhalb von Sekunden undeklarierter Sondermüll.
´Falscher Ehrgeiz´ und ´Absprung verpasst´ sind noch die freundlichsten Kommentare. Die
restliche Bande ebnet mich ein. ´Der falsche Saubermann´, ´Vorbild ohne Gewissen´, ´Betrüger´.
Besonders die Herrschaften jenseits des Kanals geben Gas, klar. ´The Biggest Asshole ever´ etc.
Anschließend kommen die üblichen Vergleiche mit Hitler und Göbels. Beide sind gegen mich
reine Kuscheltiere. Wunderbar. Auch die Herrschaften vom Weltfußballverband sind
angefressen. Präses Zidane denkt laut darüber nach, mir sämtliche internationalen Ehrungen
aberkennen zu lassen. Mama und Papa rufen an. Glauben den ganzen Schwindel nicht. Irgendwer
will mir was anhängen. Prima, aber wer? Und wie beweisen?
Tauchstation
Kuhnke und Elgard wissen, dass ich immer ´clean´ war. Beide sind trotzdem für kommentarloses
Abtauchen, gegen positive A- und B-Proben hilft keine Verbalakrobatik. Kuhnkes Schwester
besitzt ein kleines Anwesen in der Normandie, auf dem ich mich unsichtbar machen kann, bis die
Hexenjäger ihr nächstes Opfer gefunden haben. DFB und FIFA schicken mich auf Grund der
Beweislage schnell und unbürokratisch für zwei Jahre in die Wüste. Totales Berufsverbot.
Karriere ist damit faktisch beendet, sang- und klanglos. Mieser Abgang, aber noch mehr ins
Kontor hauen die Fallrückzieher sämtlicher Sponsoren. Überführte Dopingsünder sind als
Reklamehelden untragbar, steht als Klausel in allen Kontrakten. Kostet uns Millionen.
Action
Elgard titscht im Dreieck, benimmt sich absolut unschwedisch. Knallhart abgekartetes Spiel,
seiner Meinung nach. Irgendwer hat mir das Zeug untergemischt, irgendwann in Moskau. Vor der
Abreise waren sämtliche Blutwerte okay (kann unsere med. Abteilung belastungsfest belegen),
nach dem Match hatte ich das Zeug intus, und zwar als Einziger. War ´ne genau organisierte
Sache, von A bis Z, sagt Elgard, durch Typen, die mir ordentlich ans Bein pinkeln wollen.
Kuhnke vermutet ähnliches. Hält die Stellung im Land und der alte Schwede düst nach Moskau,
zusammen mit einer Handvoll neuer ´Mitarbeiter´ aus der Detektiv- und Inkassobranche, alles
ehemalige Russen.
Chauteau Maladine
Sattes Anwesen, Art Herrenhaus, knapp drei Kilometer entfernt von der Kanalküste und
meilenweit weg vom nächsten Kaff. Absolut tote Hose mit 14 Zimmern, Türmchen, englischem
Garten und ehemaliger Remise als Swimming-Pool. Rustikal, aber vom Feinsten. Nichts für
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Sozialhilfeempfänger. Kuhnkes Schwester inkl. Mann spielen die Animateure: Spaziergänge,
Ausflüge, Reitstunden. Trotzdem alles noch töter als auf der Almhütte. Irgendwer hat mich voll
vor die Wand laufen lassen, mit Absicht, das steht fest. Rooney? Traue dem Dicken so ziemlich
alles zu, nüchtern und besoffen.
Sherlock Holmes für Arme
Meldung Elgard nach zwei Tagen. Die Sache läuft. Seine ´Mitarbeiter´ und einige einheimische
Kräfte haben das Hotelpersonal intensiv durchleuchtet, besonders solche Pappnasen, die
unmittelbar Kontakt zur Mannschaft hatten. Sind dabei auf einen windigen ´Quereinsteiger´
gestoßen. Hat schlappe zwölf Stunden gedauert den Knaben aufzutreiben. Momentan wird die
´Reinigungskraft´ gründlich verhört, inoffiziell und hauptsächlich nach ´einheimischen´
Methoden. Wenn wir auf der richtigen Spur sind, sagt Elgard, wird der Knabe in Kürze
auspacken. Schön wär´s.
Degradierung
Zidane und seine Leute machen ernst. Das Exekutivkomitee beschließt in kurzer Sondersitzung
meinen ´Weltfußballer des Jahres´ zu stornieren. Außerdem wird ernsthaft angedacht, die
Nationalmannschaft von der WM auszuschließen. Stattdessen kämen die Inselaffen zum Einsatz.
Super. Die Wogen des Frohsinns schlagen hoch zu Hause, bin der Depp der Nation. Blitzumfrage
ergibt: 79 Prozent aller Bundesbürger wären mit dem sofortigen Entzug meiner
Staatsbürgerschaft plus Ausweisung nach Grönland einverstanden. Selbst Godzilla und die
Regierung sind momentan populärer.
Sherlock Holmes continued
Elgard erscheint beim BKA mit einem russischen Wichtelmann im Gepäck, der erklären kann,
wie die Sache in Moskau gelaufen ist. Die Identität des Singvogels bleibt geheim, auch sein
Aufenthaltsort. Offiziell verkündet das BKA folgendes: ´Als Mitarbeiter der Hotelreinigung
erhielt Herr M., der sich auf die deutsche Kronzeugen Regelung beruft, ein Angebot, die
Zahnpastatube eines deutschen Spielers zu manipulieren. Zu diesem Zweck sei ihm eine
versiegelte, handelsübliche Spritze mit der zu verabreichenden Substanz übergeben worden. Herr
M. habe den Auftrag anweisungsgemäß durchgeführt und dafür 15.000 Dollar in bar erhalten. Er
habe sich zu dieser Tat allerdings erst überreden lassen, nachdem man ihm versichert hatte, dass
es sich hier nicht um ein gefährliches Gift, sondern lediglich um ein Potenzmittel handele, also
mehr um einen Scherz. Die Tragweite der Aktion sei ihm zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen.
(Vollidiot, oder was?) Er habe das Geld für die Abzahlung diverser Schulden und das Studium
seiner Tochter dringend benötigt. Sein Auftraggeber war ein Engländer oder Amerikaner mit
guten Russischkenntnissen. Die Zahlung sei in bar erfolgt, zu gleichen Teilen vor und nach der
Aktion´. Selten dämlich, aber aufschlussreich. Innerhalb von zwölf Stunden haben Elgard und
seine Schergen den russischen Engländer umzingelt, einen geschulten Sportjournalisten und
Inselbewohner, der zurzeit bereits von Scotland Yard durchgemangelt wird. Dem Stand der
Dinge nach zu urteilen, so das BKA, ´ist der gesamte Vorgang wahrscheinlich als privater
Rachefeldzug gegen die Person zu verstehen, die mit ihrem Einsatz ursächlich eine Teilnahme
der englischen Nationalmannschaft an der kommenden WM verhindert hat´. Saubere Arbeit, Herr
Elgard. Hut ab. Sherlock Holmes war gegen dich ein Maulwurf.
Totalkorrektur
Schnelles Ende. Scotland Yard braucht einen Tag, um den Landsmann ans Sprudeln zu bringen.
Alles, wie vermutet. Dieser nette Pressemensch hatte ein vorsätzliches Revanchefoul eingestielt
und durchgeführt und darf jetzt mit einigen öden Jahren im Knast rechnen. Seine russische
Hilfskraft geht als Kronzeuge straffrei aus und taucht gründlich ab.
Kuhnke und Elgard schlagen per Helikopter in Frankreich auf und strahlen wie
Honigkuchenpferdchen. Alles optimal gelaufen. Über seine Heldentaten hinter den Kulissen
schweigt sich der alte Schwede gründlich aus. Alles ´indirekt legal´ und kostenintensiv. Mein
Anteil an der Operation wird in Kürze vom Konto abgebucht. Kein Problem. Stehe im Gegenzug
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ab sofort offiziell und vorbehaltlos als Saubermann und Opfer da. Wer mir vorher das Fell
gegerbt hat, müsste sich jetzt eigentlich gründlich bei mir entschuldigen. Macht aber keiner,
weder schriftlich noch mündlich. Berichtet werden nur die Fakten. Verantwortung übernehmen
bringt keine Quote, deutet auf grobe handwerkliche Fehler hin und schadet dem Image. Also
knicken. - Ach so, meine zweijährige Spielsperre wird kurz vor WM Start aufgehoben und der
´Weltfußballer des Jahres´ kommt ohne jede Zeremonie per Postanweisung zurück. Lehne die
Zustellung dankend ab. Von mir aus können sich die Arschgeigen ihren Titel sonst wo
hinschieben. Die Führungsriege in Lausanne steht ziemlich doof da und ist stocksauer. Zu schnell
reagiert und ins Abseits gelaufen, würde ich sagen.
Abflug
Grandioser Trainingsrückstand, keine Spielpraxis, völlig leer in der Birne und absolut null Bock
auf den ganzen Zinnober. Aber Klopp, der Wahnsinnige, baut voll auf meine Präsenz. Wollen
gemeinsam mit unserem Kindergarten (Durchschnitt schlappe 23,9) die WM einigermaßen
positiv abwickeln. Die Nominierung der Teilnehmer verursacht heftige Hysterieanfälle. Drei
Platzhirsche werden nicht berücksichtigt, dafür drei absolute Frischlinge mit episodischer
Spielpraxis, Reservebankdekorationen und Breitärschen mit absolut null internationaler
Erfahrung. Heftiges Echo. Diverse Trainer, Aktive und Clubpräsidenten verkünden farbig, was
sie von Klopp als Reiseleiter halten: ´Glücksritter´, ´seniler Despot´, ´Kurzschlussfanatiker,
´Mister Unkalkulierbar´, ´Jugendstil Architekt´, etc. Dass er mit seiner Taktik den Gurkenverein
überhaupt Richtung WM bugsiert hat, interessiert keine Sau mehr. Unsere Titelchancen bei den
Buchmachern stehen 1:54. Damit rangieren wir auf Augenhöhe mit Giganten wie
Trinidad/Tobago und Burundi. Das gesamte Universum rechnet mit unserem Abflug am Ende der
Gruppenphase. Günstig für uns Spieler, - diese Erwartungshaltung ist erfüllbar.
Ankunft
Willkommen im Sandkasten. Zweiter Anlauf nach der Totalpleite von 2022. Wegen der
krematorialen Temperaturen, Bestechung bei der Vergabe, der unfertigen Stadien trotz
flächendeckender Sklavenarbeit mit hunderten von Toten und massiver Anschläge durch
Glaubenskrieger, wurde die WM damals kurzfristig von Quatar nach Benelux verlegt. Ist
seinerzeit ´ne ziemlich heiße Kiste gewesen, sagt Elgard, Betrug, Schmiergelder, Ausbeutung,
usw., da sind die Millionen und Köpfe nur so gerollt. Jetzt, bei den Saudis soll im Vorfeld alles
perfekt und koscher abgelaufen sein, ohne Schiebung und totes Baupersonal. Nur die
Temperaturen sind geblieben, 48 Grad im Schatten! Elgard, der noch zu Hause abhängt, sagt
selber Schuld, was gehst du auch in den Schatten? Okay, die Stadien sind affenscharf, komplett
dicht und voll klimatisiert, überall exakt 25 Grad, heißt es offiziell. Elgard sagt, so eine
Betonschüssel verbraucht bei Betrieb mehr Energie als jede deutsche Stadt mit 200.000
Einwohnern. Verschwendung pur, wird aber hauptsächlich mit Solarenergie realisiert. Ist ja
reichlich vorhanden.
Wir residieren in einer 7 Sterne Absteige außerhalb von Riad, - Neuschwanstein auf Arabisch,
tausend Türme, Torbögen und Kuppeln, an jeder Ecke drei dienstbare Geister
(Niedriglohngebiet?!). Statt Aufzügen gibt´s ´fliegende Teppiche´, echte Perser auf Magnetbasis,
die auf wählbaren Routen geräuschlos durch die Anlage schweben. Einfach aufspringen und ab
die Post. Unsere Kiddies fegen zwei Tage lang wie die Blöden auf diesen Dingern kreuz und quer
durch die Anlage. Dazwischen ein halbes Dutzend krasser Themen-Pools, Schweizer Bergsee mit
original Almhütte, Waikiki Beach mit halbnackten Hula-Mädels, und ´Lake Titanic´. In knapp
zehn Metern Tiefe kann man ein echtes Schiffswrack besichtigen, voll verschnorchelt und in
Begleitung von professionellen Planschlehrern.
Wir kicken abwechselnd auf zwei Kunstfaserplätzen, von unten klimatisiert, versteht sich.
Trotzdem finden die Trainingseinheiten zwischen 22 und 0 Uhr statt und vormittags von neun bis
elf. Bekommen vor jedem Training knackige Sauerstoffduschen verpasst. Hat Klopp von
irgendwelchen Himalaya Experten abgekupfert. Maske auf die Nase, kurze Dröhnung und alles
fit im Schritt, zwar nur kurz, aber gründlich. Ansonsten wird die Luft knapp.
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Fette Jeep Safari gleich zu Beginn. Sand, Schotter und Staub und mittendrin, nach knapp vier
Stunden Schüttelrutsche, eine künstliche Oase, ´Las Vegas im Quadrat´, mit allem Komfort und
zurück, Poollandschaft, Bauchtanz, Strip-Shows, Raubtier-Zoo (Löwen, Tiger, Leoparden, Pumas
und drei ´zahmen´ Geparden), Casino mit Roulette, Black Jack und ähnlichen Geldvernichtern.
Carrera-Mamor, Alabaster, Bleikristall, goldene Türklinken. Der ganz krasse Wahnsinn.
Normalerweise Sammelstelle für einheimische Größen, heißt es, die mit Allah eine
Spezialabmachung haben. Kriegen aber außer uns selbst keine anderen Gäste zu Gesicht.
Morgen, sagt eine der leicht verschleierten Vorzeigedamen an der Rezeption, kommen zuerst die
Tschechen und später die Brasilianer.
Opening
Thema 1001 Nacht, wie originell. Gestreifte Beduinenzelte im Stadion, dazwischen pralle
Bauchtanzgruppen, drum herum Kamel- und Pferderennen. Zweimal ruft der Muezzin zum
Gebet, alle rollen ihre Teppiche aus und fallen auf die Kniescheiben. Die FIFA wollte diesen Teil
vermeiden, aber die Mullahs haben sich irgendwie durchgesetzt. Zum Abschluss bunter Umzug
mit Elefanten, Giraffen, Büffeln und einem guten Dutzend Raubkatzen, allerdings in Käfigen.
Danach erklärt der Oberscheich die Sauna-Games für eröffnet und wünscht allen Teilnehmern
frohes Gelingen. Könnte nett werden, die Veranstaltung, mit 20 Grad weniger im Schnitt. Selbst
auf den klimatisierten Tribünen kleben Hemd und Hose patschnass in der Kimme.
Eröffnungsspiel
Frankreich ganz in schwarz gegen den Gastgeber. 110.000 Turbane im König Ali Stadion,
dazwischen 10.000 Franzosen. Anstoß 22 Uhr, Lufttemperatur 35 Grad. Typisch französisches
Wetter. Grausames Gekicke. Die Frogs wollen nicht und Saudis können nicht, absolut blinder
Hühnerhaufen. Nach zwanzig Minuten hämmern die Franzmänner einen Glücksschuss in die
arabischen Maschen, danach rundum Sand im Getriebe. Die Rotweinnasen machen 70 Minuten
lang den Spielverderber und die Wüstensöhne stolpern über den Acker wie nachtaktive
Promillesünder. Seine Majestät in der Edelsuite sind total angefressen. Direkt nach der Pleite
wird der gesamte Trainerstab in die Wüste geschickt und die Versagertruppe landet im BootCamp, wahrscheinlich mit Löwen und Skorpionen in einer Zelle. Landesweit brennen die Zelte.
Den Start hatte man sich eindrucksvoller vorgestellt. Das Quartier der Saudis wird von
´frustrierten Fans´ mit zwei Mörser-Granaten pulverisiert. Totalschaden und schlapp 30 Leute
landen im Krankenhaus.
Die FIFA springt im Dreieck und die obere Ölschicht reagiert knackig. Sämtliche
Mannschaftsquartiere werden vermint und weiträumig abgesperrt, sind quasi nur noch für
Mittelstreckenraketen erreichbar. Landesweit verbuddelt man präventiv einige Tausend
potentielle Randalierer in abgelegene Oasen, wahrscheinlich alles, was nicht schnell genug auf
die Palmen kam. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar. Lieber Gott, lass und nicht gegen die
Landeskinder spielen.
Wir müssen
Anstoß 22 Uhr. Offiziell 28 Grad im Stadion, Klopp misst 34, um später eventuell Protest
einlegen zu können. Gegner Kamerun, amtierender Afrikameister. Die Jungs sehen aus wie
Gorillas in kurzen Hosen und grinsen trocken, uns steht der Schweiß schon vor Anpfiff
knöcheltief in den Schuhen. ´Very hot for white man, he´? feixt der Silberrücken bei der
Seitenwahl. Selbst der Schiri aus Mexiko (auch kein Bofrost-Land) müffelt schon vor Beginn,
wie dreimal durch den Sumpf gezogen. Schwachsinn das Ganze. Die Gorillas machen von
Anfang an Betrieb, alles tobt durch unsere Hälfte. Nicht schlecht, die Räume werden eng und die
Langarmigen stehen sich gegenseitig auf den Füßen, zum Glück. Das 0:0 ist nie in Gefahr, in
Strafraumnähe sind die schwarzen Sportskameraden mit ihrem Voodoo-Zauber am Ende.
Torschüsse Mangelware, wenn, dann dritten Etage. Alles sehr merkwürdig. Halbzeit, Dusche,
Sauerstoffdröhnung, Klamotten- und Schuhwechsel. Hektik pur. Klopp bringt Michaelis und
Ryszkov. Sind zwar keine ausgemachten Fußballer, aber koffern beide die 100 m in knapp 10,6
Sekunden runter. Einziges Problem: der Ball. Beide sollen an der Mittellinie lungern und auf
118
Konter warten. Klappt wie gemahlen, der zweite Versuch sitzt. Bevor sich die Sportsfreunde aus
Kamerun richtig sortiert haben, schmettert Ryszkov samt Ball in die Maschen. Der Rest ist
flüssiges Vergnügen. Wir bleiben konzentriert destruktiv und vermiesen den Gorillas den Abend
gründlich. Letzter Höhepunkt: rote Karte für Schwarz nach rüder Notbremse an Weiß. 1:0
gewonnen und pro Mann glatte drei bis vier Kilo verloren, trotz ständiger Getränkezufuhr.
Schafft keine Brigitte-Diät.
Regeneration
Einfacher geht nicht. Wir transpirieren kollektiv unter Beduinenzelten mit Isofaktor und Palmen
(ohne Isofaktor) am Pool (auch überdacht, auf Wunsch von Prof. Schneider). Einzige Action ist
der Griff zur Pulle. Für Muskelbewegungen sorgen unsere Physiotherapeuten. Wer sich
ansonsten zuckt wird von Klopp und seinen Bluthunden sofort angeschissen, ´Mikado-Training´.
Trotzdem, zwei Stunden abhängen auf einer Hollywood Liege kostet einen Liter Flüssigkeit,
mindestens.
Irland
Die Jungs von der grünen Insel sind noch platter als wir, kein Wunder. Statt Island-Tief gibt´s
Saudi-Hoch, jeden Tag und immer höher. O´Leary sagt, ab 40 Grad kühlen selbst Guinness und
Whiskey nicht mehr. Dieses Mal sind wir der Hammer und die anderen der Amboss. Die
Kleeblätter stehen hinten drin und wanken, nur der kleine Knallfrosch hängt im Mittelkreis und
wartet. Kommt aber nix. Klopp drückt von außen mächtig auf die Bremse, nur nicht überpowern
und ins offene Messer rennen. Stehen uns gegenüber wie zwei angeknockte Boxer, die beim
nächsten Luftzug aus den Latschen kippen. Elendes Geschiebe. Showdown kurz vor Schluss.
Simic hämmert einen Freistoß in die Mauer, der Abpraller titscht quer durch den Fünfer, Baliu
vor die gequollenen Füße und drin ist die Murmel. Anschließend Powerplayansatz von O´Leary
und Co. Witzlos, Dachlawine im Sommer. Alles kriecht auf den Brustwarzen. In der
Nachspielzeit alberner Zusammenprall zwischen dem grünen Zehner und mir. Der Knabe muss
beatmet werden, ich sehe ´rot´, Schlusspfiff. Klopp in seiner Bushaltestelle rastet aus und muss
vom Team eingefangen werden. Bin gespannt, was mir die ´Chefjuristen´ für dieses
Kapitalverbrechen aufbrummen. Wahrscheinlich mehr als drei ´Vater Unser´.
Sperre
Kurze und schmerzhafte Verhandlung. Die Fernsehbilder geben keine Unsportlichkeit her, der
gefällte Ire sagt zu meinen Gunsten aus und der Schiri faselt von einer ´Art optischer Täuschung´.
Trotzdem, ´rot´ ist ´rot´. Nichts verbrochen, aber trotzdem schuldig, - einmal Tribüne. Es lebe das
Prinzip. Wir legen Einspruch gegen die ´Fata Morgana´ ein, aber nach 300 Sekunden ist die
Verhandlung geknickt. Das nächste Match läuft definitiv ohne mich. Im Kommunionsunterricht
hat man uns immer wieder eingetrichtert: ´Alles auf dieser Welt hat einen höheren Sinn´. – Was
sollen dann solche Urteile?
Vietnam
Die kleinen gelben Männchen laufen unter der Hitze durch, wir ertrinken in unseren eigenen
Stiefeln. Den Zwergen steht pro Mann eine Schweißperle auf der Nase. Haben gegen Kamerun
unglücklich vergeigt, aber Irland 2:0 weggehustet. Offenes Rennen, eine Klatsche gegen Fernost
wäre tödlich. Die Parkuhren haben zwei Lungen, sind absolut diszipliniert und lassen die Murmel
laufen. Einziger Haken, die Knilche sind im Schnitt nicht höher als Parkbänke. Klopp lässt
Flanken und Kopfbälle üben. Ärgert sich natürlich tierisch, dass ich nur als Ehrengast erscheine.
Die kleinen Wuselmänner machen satte Probleme, wie erwartet. Spielen schnell und flach und
knicken alle Versuche, hohe Flanken zu schlagen. Die Härte ist der Schnappi. Nach offiziellen
Angaben 1.72 lang, gefühlt höchstens 1.65. Trotzdem hat der Giftzwerg überall seine Krallen
dazwischen. Klopp setzt auf die zweite Halbzeit. So wie die Kerlchen wetzen, müssen die Akkus
irgendwann leer sein. Denkste, die Gartenzwerge wuseln weiter. Im Parallelspiel führt Kamerun
1:0 gegen Irland, uns reicht ein Remis. Kann man von außen deutlich sehen. Wir sind der
Sandsack und die Reismänner hauen drauf. Klopp reagiert, keinen Bock auf Zitterpartie und
119
Herzinfarkt. Bringt Weber und Tomscheck, zwei gelernte Abwehrhelden, zusammen knapp vier
Meter hoch, aber nicht für die Betonabteilung, sondern als Doppelspitze. Wir erhöhen das Niveau
und ballern ab der Mittellinie Flanken in den fernöstlichen Strafraum. Aufruhr im Hühnerhaufen.
Zehn Minuten später liegt Weber (Spitzname ´Tannenbaum´) flach gebügelt am Fünfer, mit drei
Reismännern im Kreuz, Penalty. Wolter, unser Alterspräsident, schnappt sich die Kugel, kurzer
Anlauf und Ruhe im Katong. Kamerun macht gleichzeitig das 3:0. Die Herren aus Fernost sind
geknickt und fangen sich zum Schluss noch einen original Tannenbaum-Kopfball. 9:0 Punkte, 4:0
Tore, saustark für unsere Babytruppe.
Echo
Die Heimat verbeugt sich und sämtliche Zentralorgane schleimen los. Aus der hässlichen Kröte
wird über Nacht ein lackierter Löwe. Sind ab sofort der WM Top Favorit. Total verstrahlt.
Entweder Sekt oder Selters, Augenmaß Nebensache. Klopp, mit seinen bekloppten Ideen, mutiert
vom attestierten Vollidioten zum Guru und Propheten. Aus voll behindert wird genial. Alle
erwarten jetzt den Durchmarsch, von Abgang redet keiner mehr. Dabei kommen in vier Tagen die
Jungs in blau-weiß. Heiße Turnierfavoriten.
Argentinien
Die Gauchos sitzen fest im Sattel, zwei glatte Siege gegen Uganda und Spanien, im letzten
Gruppenspiel mit der Reserve ein lockeres 0:0 gegen Dänemark. Uganda und Spanien sind weg
vom Fenster. Und wir können auch den Rückflug buchen, falls wir versuchen mitzuspielen, sagt
Elgard. Klopp rührt massiv Beton an, mit mir und Tannenbaum im destruktiven Mittelfeld. Das
offensive Mittelfeld wird ersatzlos gestrichen, in der ersten Hälfte soll Michaelis vorne den
Windhund geben, anschließend darf Ryszkov ran. Haben die Herren aus der Pampa genau so
vorhergesehen. Niemand im Schlafanzug überquert die Mittellinie ohne vorherige Abmeldung
und Michaelis hat eine argentinische Schrankwand auf den Füßen, die ungefähr sein Tempo
gehen kann. Totes Rennen, mit satten Einschlägen in den offiziellen Reklamebanden. Sämtliche
Sponsoren müssten eigentlich Sonderprämien zahlen. Trotzdem, Michaelis gibt keine Ruhe und
hetzt seinen Schlagmichtot kreuz und quer über den glühenden Acker.
Halbzeit 0:0. Sauerstoff tanken, Klamotten wechseln. Noch läuft alles nach Plan. Die neue
deutsche Mauer steht und die gestreiften Pyjamas halten sich vorzugsweise im gesicherten
Mittelfeld auf. Muss aussehen wie FC Valium gegen Borussia Baldrian.
Zweiter Durchgang. Micki legt noch vier sinnlose, aber satte Sprints hin und schleicht dann
ausgehöhlt zur Wiederbelebung. Ryszkov läuft auf, voll gepumpt mit Sauerstoff und hoch
explosiv. Die angemüdete Schrankwand klinkt sich ein und versucht auf gleicher Höhe zu
bleiben. Schwierig. Ryszkov fetzt quer durch die Penalty Box, der Pampastier kommt einen
halben Schritt zu spät, Kollision, Überschlag und Elfer. Klopp tritt vor Begeisterung ein Loch in
die nächste Reklameschrift und die Gauchos gehen dem Referee intensiv an die Wäsche. Macht
keinen guten Eindruck und zwei rote Karten. Dauert schlappe fünf Minuten, bis die
Spielfeldjuristen das Ganze wieder einigermaßen unter Kontrolle haben. Wolter schnappt sich
den Ball, grinst, drückt ihn mir in die Hände und murmelt: ´Deine Sache´. Na super. Der
Mückenfänger macht auf Psycho, kommt aus seiner Kiste, meckert wie Ziege und schiebt die
Murmel vom Punkt. Patsch, ´gelb´. Bringt den Knaben erst richtig auf die Palme. Zwei Sätze und
einen Scheibenwischer weiter ´rot´. Der Reserveschnappi wird von der Bank in den grünen
Bereich katapultiert. Pfiff, Anlauf, und das Flugzeug hebt ab, rauscht kerzengerade auf den
Neuen zu, kracht über ihm ins Aluminium, schlägt auf den Boden und springt ins Netz. Satte 122
Km/h nach offiziellen Angaben, die neuen Bälle sind verdammt schnell. Der Rest ist Beton,
unkaputtbar für die verbliebenen acht Gauchos. Spielen trotzdem jetzt besser als mit voller
Besetzung. Nur, wo ein Pyjama mit Ball auftaucht stehen ihm gleich zwei von uns auf den müden
Hufen. Am Ende winken die Pampahelden mit der weißen Fahne und Ryszkov darf einen
einsamen Konter über 60 Meter traben. 2:0. Wieder grottenschlecht, aber weiter.
120
Aufstieg
Zu Hause gibt´s Heiligenscheine und Klopp steht wieder im Olymp der Fußballgötter, neben den
bekannten Strategen. Mein Elfmeterschuh wird zu wohltätigen Zwecken versteigert (ist natürlich
der Reservelatschen, aber weiß ja keiner außer mir). Gesamterlös: glatte zwei Millionen Euro (für
eine einzige, ausgelatschte, stinkige und gefälschte Galosche! Beachtlich.)
Unsere Kontertaktik wird abgekupfert. Alle, die noch im Geschäft sind, graben sich an der
eigenen Box ein und schicken sporadisch irgendwelche Leichtfüße auf Fernreise. Dummerweise
stellen die meisten Verantwortlichen dabei fest, dass ihre Windhunde zu Hause vor der Glotze
hocken. Künstlerpech. Klopp hat zwei Raketen eingepackt, trotz fehlender Spielpraxis und
internationaler Erfahrung und aller Prügel im Presseclub. Wer planen kann ist klar im Vorteil,
sagt Elgard. Im Übrigen wieder vier Tage Mikado Training. Argentinien war kein Vergnügen und
der nächste Berg ist mindestens genau so hoch. Wir kicken gegen die einheimische Delegation.
Künstlerpech.
Im Backofen
Das ganz große Los. Die Wüste bebt. Das erste Match gegen die Franzmänner ging in die Hose,
aber danach laufen die Kamele. Mexiko wird 2:1 versenkt, genau wie China. Einen Vorteil hat
diese WM, sagt Klopp, man braucht sich nicht warm anzuziehen. Scherzkeks.
Wir spielen das erste komplette Zeitlupenmatch der Weltgeschichte, null Bewegung, null Aktion.
Jeder von uns befördert den Ball sofort weiter, kein Antritt, kein Dribbling, nur direktes Spiel.
Die Wüstensöhne titschen im Viereck und kriegen nichts gebacken. Seine klimatisierte Majestät
verfolgt das planlose Gehampel seiner Untertanen hinter seiner Wasserpfeife im Halbschlaf. Das
Beste, was man machen kann.
Doppelnull zur Pause, dann kommen die Saudis mit ihrer Geheimwaffe: Hitze. Aus
unerklärlichen Gründen fällt zu Beginn von Teil zwei die Rasen-Klimaanlage aus und kommt
auch nicht wieder in Gang. Das Gras hat fette 46 Grad (Messung durch Ballack persönlich).
Fußball in der Mikrowelle. Trikot, Hose, Stutzen sind in Millisekunden patschnass, der Kleber im
Schuh beginnt weich zu werden (kein Witz!). Obendrein hindern uns die offiziellen WM
Schergen rund um den Glutacker daran, Elektrolyte zu naschen. Wer tanken will, muss sich beim
Schiri abmelden, das Viereck verlassen, die Coachingzone betreten und anschließend darum
betteln, wieder mitkicken zu dürfen. Ist Vorschrift, wurde aber bisher nicht durchgezogen,
konnten süffeln wann und wo wir wollten. ´Raus´ geht schnell, ´rein´ dauert ewig. Die Oberpfeife
ignoriert uns total. Kassiere ´gelb´, weil ich angeblich ohne Erlaubnis das Feld betreten habe.
Kompletter Schwachsinn, Schiri Nr. 4 hat mich definitiv laufen lassen. Kann sich aber 35
Sekunden später an die erteilte Einreisegenehmigung nicht mehr erinnern. Möchte nicht wissen,
wie viele Ölquellen man diesem Fußballschergen für sein geknicktes Erinnerungsvermögen
geboten hat.
Die Wüstensöhne marschieren, keiner trinkt, uns glühen Füße und Lungen. Spielen Tipp-Kick.
Nur weg mit der Pille, so weit wie möglich. Die Einschläge kommen näher. Zum Glück hat
Reckermann einen Sonntag erwischt und kratzt alles von der Linie, was kommt. Muss kurz vor
Ende seine Handschuhe wechseln, weil sich das Material auflöst. Dreimal hüpfen wir den Teufel
von der Schippe, zweimal rettet der Innenposten, einmal kriegt Recke die Murmel aus 30 cm
Entfernung vor die Birne geknallt. Nicht lustig, aber gehalten.
Nach anderthalb Stunden Backofenfußball zur Belohung Verlängerung, absolute Höchststrafe. In
der Königsloge quirlen transportable Klimageräte, wir traben durch die Heißmangel. Wunderbar.
Klopp verlangt vom Schiedsrichter, dass wir unsere Trikots wechseln dürfen - wiegen inzwischen
vier Kilo das Stück - und wird wegen ´renitenten Verhaltens´ (laut Spielbericht) auf die Tribüne
geschickt. Super. Ryszkov und Tannenbaum kommen und Reckermann leiht sich von seinem
Stellvertreter ein drittes Paar Handschuhe, für alle Fälle.
Mit oder ohne Klopp, unsere Taktik bleibt. Windhundrennen in Zeitlupe. An der Mittellinie
beginnt der Horizont, denn selbst die Frischlinge sind ausgelutscht und groggy. Ryzskov
unternimmt zwei Alleingänge und wird beim letzten Versuch fast entmannt. Gibt nicht mal
121
´gelb´. Wie man Windhunde bändigt, ist in Arabien bekannt. Nach 120 Minuten Spielzeit lautet
das Eckenverhältnis 17:1 für die Sandmänner, ansonsten führen wir mit 0:0. Penalties.
Ich darf die Mitwirkenden bestimmen und weise meine Leute darauf hin, dass die kommende
Veranstaltung reine Formsache ist. Die Beherrscher der Wüste haben dicke, braune Streifen in
der Hose, jedem geht die Düse, denn wer jetzt verseppelt, frisst Sand bis ans Ende seiner Tage.
Keine gesunden Voraussetzungen für einen krönenden und lockeren Abschluss. Außerdem, der
Mückenfänger auf der anderen Seite hat inzwischen Wurzeln geschlagen und Kollege
Reckermann ist quasi voll auf Betriebstemperatur, trotz Kopfnuss. Fettes Gelächter. Außerdem
hat man uns lange genug verarscht und gebacken. Also, keine Verzierungen, Körper über den
Ball, draufhalten und Mund abputzen. Die Sandmänner legen vor. Der erste Ball segelt Richtung
Mekka, den zweiten fängt Reckermann mit der Kappe, wir verwandeln total cool viermal in
Folge. Ende im Gelände und Sand in der Hand. Im Stadion ist es derartig friedlich, dass man das
Anspringen der Klimaanlage hören kann. Na bitte, geht doch.
Road to Hell
Unser Mannschaftsbus wird auf offener Straße gerammt und beschossen. Soll kugelsicher sein,
das Gefährt, liegen aber trotzdem alle Mann gestapelt im Mittelgang. Schlauhelmtruppen und
einheimisches Militär beobachten aus sicherer Entfernung die Sachlage und schlagen zwei
Lichtjahre später volle Granate zurück. Kann man wörtlich nehmen. Brennende und zerbombte
Wracks am Straßenrand, metertiefe Krater in der Wüste. Ab sofort internationale Bewachung für
unser Camp, Tag und Nacht. Sollte sich die Lage nicht sofort normalisieren, so die
Mannschaftsleitung, ist die WM für uns gelaufen. Der Spruch kommt an. Um uns herum entsteht
eine ´No-Go-Area´ von 15 Quadratkilometern. Alles in dieser Region mit zwei Beinen wird von
Rollkommandos aufgegriffen und evakuiert. Wer dabei ohne gültigen Passierschein aufläuft, geht
unbürokratisch für komplette zwölf Monate ins Loch. Unklimatisierte Einzelzelle. Herzlichen
Glühstrumpf. Regieren kann manchmal ganz einfach sein, sagt Elgard.
Intern
Klar, wir hätten gerne den Titel, würden allerdings genau so gerne auf die letzten beiden Spiele
verzichten. Keiner hat mehr Bock, fühlen uns wie Backpflaumen. Zudem bröckelt der Kader.
Ryszkov liegt mit gequetschten Eiern im Krankenhaus, Reckermann laboriert mit Überbeinen an
beiden Handgelenken, Tannenbaum hat 41 Fieber, Spirek glänzt mit Sonnenallergie und
Ausschlag am ganzen Körper, Wolter lahmt wie ´n angeschossener Maulesel. Selbst Klopp, unser
Schlachtross, liegt zwei Tage auf der Nase mit verkorkstem Gedärm. Der Rest hängt am oder im
Pool und versucht sich kalte Gedanken zu machen. Selbst das Journalistenensemble tritt kürzer.
Die Streichung der morgendlichen Pressekonferenzen geht ohne Protest durch. Bleibt ja immer
noch die um 20 Uhr Ortszeit.
Halbfinale
Körpersprache ist alles. Weiße Fahnen auf beiden Seiten, von Anfang an. Stand-by Match. Die
Schweizer hängen genau so am Tropf wie wir, mindestens. Fünf Stammkräfte sind schon wieder
in Heidi-Country, und Sprüngli, ihr Goalgetter, liegt transportunfähig in Riad auf Intensiv,
Hitzeschock. Könnten von mir aus auch würfeln, ist aber in den FIFA Statuten nicht vorgesehen.
Echte Lücke. Wir sind die frühe Paarung um 21 Uhr, nach uns, um 23.30 Uhr, kicken die Russen
gegen Frankreich.
Nach 15 Minuten die ersten Reklamationen von den Rängen. War zu erwarten. Als Boxer hätten
wir Verwarnungen wegen Passivität kassiert. 0:0 zur Halbzeit, keine Torschüsse, keine
Strafraumszenen, keine Aufreger. 100.000 dampfende Augenzeugen pfeifen uns in die Kabine.
Klopp winkt ab, nur nicht verrückt machen lassen, von den klimatisierten Ärschen auf der
Tribüne erst recht nicht. Sollte eine Verlängerung drohen, kommt Plan B. Aufgabe des
Mittelfeldes und lange Bälle aus der Abwehr direkt in die Spitze, ´Kick and luck´. Nicht schön,
aber eventuell kann man sich zweimal fünfzehn Minuten Grillstation schenken.
Wir werden mit Gejohle, Spott, fliegenden Pappbechern und echtem Kamelmist beworfen.
Knallhartes Zeug und muss vom Reinigungsdienst beseitigt werden. Verzögert den Anpfiff
122
erheblich. Wir stehen dumm rum, schwitzen und quatschen. Cabinieri, der Schweizer Fünfer, hat
die Faxen dicke. Kann keinen blauen Himmel und keinen Sand mehr sehen. Taugt höchstens für
Skorpione und Giftschlangen. Wird anschließend drei Wochen nach Island fahren, absolute
Wolken- und Regengarantie, sagt sein Reisebüro. Und wenn wir unbedingt gewinnen wollen,
kein Problem, an ihm soll´s nicht liegen.
Anschließend 30 Minuten entspanntes Ballgeschiebe im Mittelfeld ohne Raumgewinn, dann
startet Plan B. Tannenbaum und ich schleichen vorwärts über zwei durchgezogene Linien und
warten auf Langholz. Cabinieri und seine Jungs sind kurzfristig von der Rolle, die Zuordnung
geht flöten und paff, Kopfball aus 5,21 m ins kurze Ecke, dem Abdichter in Zeitlupe durch die
Finger. Hätte nicht viel gefehlt und Cabinieri wäre mir um den Hals gefallen. Verhaltener Jubel
unsererseits. Ein Finale im Schongang dürfte Illusion sein. Der fette Hammer kommt zum
Schluss. 89. Minute, Zweikampf ohne Feindberührung, der Alpinist neben mir strauchelt über
seinen eigenen Kompressionsmangel, geht Parterre und bleibt erleichtert liegen. Kassiere für die
Lachnummer als unbeteiligter Nachbar sofort ´gelb´. Völliger Irrsinn! Damit findet die
Abschlussparty ohne mich statt. Cabinieri klopft mir auf die Schulter. ´Clever gemacht, alter
Junge´. Nix hab ich gemacht, weder clever noch sonst wie. Mit Abstand das dümmste Turnier
meines Lebens.
Presse
Finaleinzug fast Nebensache. Die Schlagzeilen gehören mir, nicht dem Kopfball zum 1:0,
sondern meinem Abgang. 5 Prozent haben Mitleid, 95 Prozent weisen darauf hin, dass sich unter
meiner Schädeldecke ein massives Vakuum befinden muss. Einem Elitekicker mit meiner
Erfahrung dürfte ein derartiger Anfängerfehler im belanglosen Mittelfeld nicht mehr unterlaufen,
es sei denn, er ist beabsichtigt. Meine ´plumpmotorische Dämlichkeit´ könnte uns glatt den Titel
kosten. Ganz fein beobachtet. Klopp übernimmt meine Verteidigung und lässt zwei
Oberschmierfinken aus der Pressekonferenz eliminieren, die mir anschließend noch krasser
einschenken. Hätte mich das gesamte Turnier über versteckt, Erwartungen nicht erfüllt, nur ein
müdes Tor gemacht und klar zurück entwickelt. Totaler Pixelfehler, sagt Elgard. Wir sind im
Finale gegen Russland, alle anderen Teams sind weg vom Fenster. Brasilien, Spanien, Italien und
alle anderen wären liebend gerne in unseren Schuhen und trotzdem reicht´s nicht für die
Heimatfront. Spinner, Dummsülzer und Arschgeigen.
Abgang
Das große Sportfest fällt aus, die Russen rücken mit ihrem kompletten Starensemble aus Brasilien
usw. an, wir kratzen mit Mühe elf Überlebend zusammen. Reckermann muss passen wegen
seiner Überbeine, Wolter hockt mit entzündetem Knie neben mir auf den Bank, Tannenbaum und
Ryszkov liegen auf Intensiv, Micki mit Fieberschüben im Hotelbett. Das Durchschnittsalter der
Truppe liegt ohne Wolter, Recke und meiner Nase bei exakt 21,8 Jahren.
Eine halbe Stunde lang spielt der Kindergarten munter mit, dann schlägt Ostbrasilianien kurz und
trocken zweimal zu. Keine Chance für Zarzai im Kasten. Die Russen vom Amazonas kochen
unsere Sprösslinge locker ab und für Klopps taktische Zaubertricks fehlt das nötige Personal.
Versuchen nur noch, die Totalklatsche zu vermeiden. Gelingt bedingt, denn die Schwarzrussen
schenken uns noch mal zwei Dinger ein. Einer flutscht Zarzai durch die Fänge und Nummer vier
ist ein doppelter Doppelpass, zu schnell für unsere Krabbelgruppe. Blöder Abgang. Nur die
Russilianer feiern. Wir greifen unsere Silbermedaillen ab und schleichen Richtung Kabine. Tür
zu, Schweiß abwischen und ab Richtung Norden.
Rückkehr
Die Begeisterung der Zentralorgane hält sich in Grenzen. Man spricht von einem insgesamt
erfolgreichen Turnier, aber wir sind keine ultimativen Heroen, höchstens Dreiviertelhelden. Auch
Klopp ist wieder raus aus seinem Olymp. Götter haben die entscheidenden Niederlagen
irgendwie vermieden, sagt Elgard. Die Finalpleite war der Hagelschauer mitten ins Rosenbeet, da
bleibt von den Blümchen nicht mehr viel übrig. Trotzdem großer Bahnhof in Berlin. Jede Fete
bringt Knete und Quote. Über dem Brandenburger Torbogen schwebt ein gigantisches Bierglas,
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und wir latschen auf einer fetten Bühne hin und her wie Mannequins mit Hüftschaden, zwischen
zwei fetten Bands, die abwechselnd abdröhnen. Später am Abend gibt´s vom Bundespräses zwei
Kilo Lorbeerblätter und die Sache hat sich. Trotzdem, für jeden von uns wird die Rückkehr
unvergesslich bleiben. 22 Grad und leichter Regen. Absolut geil.
August / September
Mit Elgard ab nach Schweden, 14 Tage ´chill out´ in erträglicher Umgebung. Hängen in einem
kleinen Hotel an der Südküste, Strand, Meer und Schärenlandschaft direkt vor der Nase.
Temperaturen maximal 25 Grad, nachts knappe 10. Endlich wieder geregelter Schlaf ohne
Klimaanlage. Schippern mit dem Postboot von Insel zu Insel, radeln durch die Hügel, besuchen
Museen. Fußball ist Lichtjahre entfernt, liegt irgendwo in Arabien ganz tief im Wüstensand
begraben. Nach einer Woche sind die Würfel gefallen – nie wieder kurze Hose, Abgang und
Ende. Sofort. Elgard nimmt die Sache eher gelassen, nickt meine Entscheidung ab. Schon die 90
Minuten auf der Wüstentribüne waren gnadenlos unerträglich. Nur Kuhnke wird ausrasten,
schließlich läuft mein Vertrag noch zwei glatte Jahre. Und einfach so die Biege machen, könnte
hässlich teuer werden.
Überraschung
Kuhnke steht sechs Stunden und zwölf Sekunden nach meiner Durchsage auf der Matte.
Stocksauer versteht sich, weil er noch jede Menge andere Baustellen an der Backe hat. Auf mich
als zusätzliche Katastrophe kann er gut verzichten. Immer der Vorzeigeprofi gewesen, einer ohne
Zicken und Allüren. Und für Substanzverluste und Burn Out gibt´s hoch dotierte Mediziner und
wirksame Mittel. Jeder andere im Team könnte sich von ihm aus verpfeifen, nur mein Abgang
wird ein fettes Loch in seine dünne Personaldecke fetzen. Der Leithammel wäre weg und die
Saison schon vor Beginn der absolute Flop. Natürlich kann mich keiner zwingen, wieder die
Stiefel anzuziehen, sagt Kuhnke, und die Strafen wegen Vertragsverletzung würden mich auch
nicht umbringen, aber meiner Karriere einen derart billigen Abgang zu verpassen, wäre glatte
Selbstdemontage. Schließlich hat man mich eindeutig ins ´World-Superteam´ gewählt, der
Einzige aus unseren Breiten neben Reckermann. Stundenlanges Geschwafel. Gegen Mitternacht
kommt Kuhnkes letzter Trumpf. Zuerst bewilligt er ungefragt eine Urlaubsverlängerung um 14
Tage, dann bietet er den Job als Sportdirektor, falls ich noch eine komplette Saison dranhänge.
Und, sollte ich mich als Sportdirektor entwickeln, könnte ich in absehbarer Zeit seinen Posten
erben. Wow, satte Überraschung! Irgendwann läuft jede Karriere aus, sagt der Alte, auch die von
Managern. Das Angebot wird schriftlich fixiert und gilt 48 Stunden. Im Falle meiner Absage
schlagen die Vereinsanwälte zu. Elgard grinst und hält die Klappe.
2039/2040
Vorruhestand
Zum letzten Mal Spreewald, Trainingslager der härteren Sorte. Jede Menge neue Gesichter außer
Islop, Österby und Allimboha. Jungnikel ist Sportinvalide, Pancic und Ekenga haben die Rente
eingereicht und der Rest ist weiß der Geier wo. Die Neuen heißen Larson, Malinenkov, Atuba
und so weiter. Einheimischer Nachwuchs bis auf eine Ausnahme Fehlanzeige. Und die
Ausnahme, Kempen mit Namen, macht einen extrem milchigen Eindruck. Frings, der neue
Coach, ist hauptsächlich Schleifer der alten Schule. Trifft mich nur peripher. Das Jungvolk stählt
Lunge und Muskulatur, ich kurve vormittags per Mountain Bike durch die Pampa, obwohl es
weit und breit keine Mountains gibt. Alles flach und extrem familien- und rentnerfreundlich.
Aktive Regeneration sagt der Fachmann, den Wüstensand aus den Gelenken schlackern. Meine
neuen Verträge sind unter Dach und Fach und Frings spielt mit. Wird keinen gestreckten Salto
mehr von mir bekommen, der alte Zauber ist futsch. Nachmittags Mannschaftsprogramm mit
gebremstem Schaum, scheuche den Nachwuchs von hinten. Bin trotzdem mehr Chef im Ring als
früher. Meine Anweisungen gelten, meutern verboten. Vielleicht auch weil der künftige
Sportdirektor an zukünftigen Vertragsverhandlungen beteiligt ist.
124
Kick Off
Freundschaftsspiel in Leverkusen. Werde kurz vor Ende eingewechselt, freundlicher Empfang,
Szenenapplaus. Gehe zum Ball, Grätsche von hinten, knicke weg. Spielunterbrechung, Notarzt,
mit Tatü und Blaulicht. Diagnose: linkes Kreuzband durch, einfach so. Zwei Tage später OP in
Köln. Routinesache, meint der Operateur. Von wegen. 48 Stunden später ist das Scharnier
dermaßen entzündet, dass nachgeschnibbelt werden muss. Passiert bei tausend Operationen
einmal, erklärt der Herr Professor. Beruhigend für die 999 nach mir.
Pause II
Eine Woche lang ständig Wasser im Knie. Werde punktiert. Echtes Vergnügen. Könnte durch die
Decke gehen. Anschließend Streckverband und absolute Ruhe. Werde verhätschelt wie ein
gestrandetes Seehundbaby. Selbst Kuhnke bimmelt täglich durch. Schlechtes Gewissen. Ohne
sein Gequassel läge ich jetzt nicht im Einzelzimmer mit Domblick. Die Pressefutzis machen auf
Artenschutz. Unverdientes Ende einer beeindruckenden Karriere, schluchz, heul. Heuchler.
Hauptsache es gibt was zu verkommentieren. Meine Quacksalber sagen, in sechs Wochen stehe
ich wieder voll bewegungsfähig im Rechteck. Berufsoptimisten für Privatpatienten.
Rendite
Abrechnung aus der Schweiz, das einzig Senkrechte dieser Tage. Der Protektor wirft
Millionenden ab, für jeden von uns, netto, versteht sich. Die Plastikdinger haben das Universum
erobert (ohne Quatsch). Astronauten tragen die Fasern in ihren Anzügen, Reiter wollen das Zeug
ihren Lieblingen und sich selbst um die Beine knoten, Antiquitätenhändler und Baubranche sind
ebenfalls interessiert. Wenn´s weiter so abgeht kann Halberstädter noch einige andere
Kommunen glücklich machen. Schwein gehabt. Wenn ich mir vorstelle, der alte Schweizer hätte
damals einen anderen angebettelt.
Ehrung
Antrag im Stadtrat, die Heimat will eine Straße nach mir benennen, besser gesagt, einen kurzen
Fußweg durch ein schmales Neubaugebiet. Ziemlich mutig, sagt Elgard, wäre ja noch jung und
könnte in meinem Leben noch genug Mist fabrizieren (Steuern hinterziehen, einen Schiri
klatschen, auswandern) und dann stünde die Stadt ganz schön doof da mit meiner Allee.
Außerdem will man im Stadtmuseum (muss neu sein) mein original Kinderzimmer aufbauen, mit
allem Drum und Dran. Papa und Mama haben sie das Inventar schon aus den Rippen geleiert,
Bett, Stuhl, Teppich, Schreibtisch plus Tapete. Echt peinlich, gehört im Prinzip alles auf den
Sperrmüll und nicht ins Museum. War eben nicht viel möglich, damals. Nicke die Sache trotzdem
ab. Einzige Bedingung: irgendwer räumt vorher die Bude auf. Soll den Tourismus in unserer
Gegend etwas ankurbeln. Wie? Meine Bruchbude? Lachhaft. Eventuell kommt sogar noch die
Ernennung zum Ehrenbürger.
Testspiele
Unsere Praktikanten beziehen heftig Prügel, keine Abstimmung, kein Einsatz. Kommen in
München, Manchester und Istanbul böse unter die Räder, 0:9 Punkte, 1:8 Tore, absolute
Trauerspiele. Alle Neueinkäufe sind totale Fehlinvestitionen, schlaffe Flusen und verstrahlte
Selbstdarsteller, kein einziger Dreckwegräumer. Außerdem ungeklärte Hackordnung. Jede
Menge Intellektuelle, sagt Elgard, viel Palaver, aber wenig Action. Kuhnke dampft, Frings steht
schon vor Saisonbeginn halbnackt auf der Abschussrampe. Will Pancic reaktivieren. Schwierig,
denn das alte Schlitzohr mimt bereits den Übungsleiter in Zagreb, betreibt zwei Hotelburgen an
der Adria und hat schlappe zehn Kilo Hüftgold zugelegt.
Anruf
Pancic klingelt durch. Hat keinen Bock mehr auf grüne Wiese und laufen, lässt lieber laufen.
Liegt mit seiner Truppe auf Platz 1 und ist auf direktem Weg zum Nationalhelden. Baut sein
drittes Hotel und übernimmt zwei Kneipen in Zagreb, die ordentlich brummen. Außerdem
würden ihm Antonia und seine Kids die Hölle heiß machen, wenn er noch mal im Ausland bolzen
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ginge. Soll runterkommen und mit ihm über alte Zeiten quatschen. Keine schlechte Idee, aber
völlig undurchführbar wegen Reha. Einzige Möglichkeit, Weihnachten, wir zwei unterm
Christbaum. Abgemacht, sagt Pancic. Wenn ich nicht komme, lässt er mir beide Beine brechen.
Hätte dafür jede Menge geschultes Personal an der Hand.
Start II
Leichtes Lauftraining nach vier Wochen. Knie hält, Muskulatur nicht mehr vorhanden. Präventiv
nach jeder Einheit ab in die Bäderabteilung damit nichts schief geht. Die Herrschaften behandeln
mich wie ein antikes Gemälde, mit Vorsicht und Liebe, trotzdem wüste Quälerei. Geist und
Körper waren voll auf Rente eingestellt, OP, Reha und anschließend Vollgas sind keine
Verbesserung. Mein persönliches olympisches Feuer passt in ein halbleeres Feuerzeug. Null Fun,
nur noch Maloche. Kein Wunder, nach mehr als 500 Pflichtspielen.
Durchgefallen
Werde vorläufig kein Ehrenbürger. Der Stadtrat winkt mehrheitlich ab. Zu hohes Risiko. Bin
noch zu jung und auch nur Vize-Weltmeister. Die Stichstraße mit meinem Namen soll allerdings
kommen, irgendwann, wenn das Neubaugebiet steht. Im Moment werden die ersten Parzellen
ausgemessen. Elgard präsentiert die Endabrechung für seine ´Russland-Mission´. Kostet mich
aufgerundet schlappe 250.000. Heftig, aber okay für eine komplett weiße Weste. Einzelposten
sind nicht spezifiziert. Möchte auch gar nicht wissen, in welchen Kanälen und wofür genau der
ganze Schotter versickert ist. Schneewittchenmäßig wird die Operation nicht über die Bühne
gegangen sein, nur erfolgreich. Säße ansonsten als überführter und gesperrter Dopingsünder und
mit geknülltem Image auf dem Altenteil, die totale ´Persona non grata´ (Frau Elgard). Investition
leider nicht steuerlich absetzbar, reines Privatvergnügen. Schade. Schweinereien von der Steuer
absetzen kann nur die Großindustrie, sagt der alte Schwede.
Schnupperkurs
Frings bringt mich in kleinen Dosen, als Joker, fünfzehn bis zwanzig Minuten vor Schluss.
Schwimme unauffällig mit, mehr nicht. Zu wenig Power, um viel zu reißen. War früher
verdammt schnell, jetzt muss schnell reichen. Was hilft ist der Bodensatz an Routine. Sehe heute
Dinge, die früher im dicken Nebel lagen. Kann löschen bevor es brennt und bin als erster genau
da, wo die Bälle einschlagen, besonders bei Flanken. Zwei brauchbare Kopfballtore bei Friendlys
in Freiburg und Kopenhagen.
Tulpen in Amsterdam
Die Hutschachtel ist ausverkauft. 90.000 Holländer wollen den Saisonauftakt live erleben und
schunkeln ihr Team nach vorn. Wir wackeln, trotz Bestbesetzung. Islop fliegt von einer Ecke in
die andere, Atuba springt jedem ins Kreuz, der sich bewegt und Malinenkov macht den
Wehrwolf. Ganz vorne hängt Kempen, unser mobiles Eckfähnchen, und wartet auf Bälle, die
nicht kommen. Die Käsköppe sind das kompaktere Team, kriegen aber nichts Zählbares auf die
Reihe. Frings wechselt nach 60 Minuten. Kempen, die Milchflasche raus, ich rein. Selten so
gestaunt. Werde mit Jubel und Tamtam empfangen wie im Heimspiel. Winke spontan in die
Haupttribüne und der ganze Block dreht ab. Total schräg. Alles was ich abliefere, wird
beklatscht, auch wenn der Ball in der Tiefgarage landet. Und dafür, dass ich zwei Minuten vor
Ende einen miesen Querschläger hinter Islop von der Linie kratze und Amsterdam den Sieg
versaue, gibt´s Sonderapplaus. Der Hit kommt zum Schluss. Man parkt mich mitten in der
Schachtel und ein leckeres Meisje drückt mir 100 Tulpen in die Hände und einen Fußball aus
Gouda damit ich die ´verrückten Holländer´ in guter Erinnerung behalte. Alles, was ich der Dame
anbieten kann, ist mein versautes Trikot. Das Meisje bekommt rote Ohren und die Menge tobt
vor Vergnügen.
Gute Medizin
Halberstädters Prognosen schlagen durch. Medizintechnische Konzerne wollen den Protektor.
Elgard verhandelt und sammelt brutal fette Abschlüsse ein, im Dutzend. Kein ´warmer Regen´,
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sondern ´sprudelnde, heiße Quellen´. Unser Schweizer Meisteringenieur könnte die ganze Welt
umarmen. Wir beschließen eine Stiftung zu gründen für Kinder, die in Europa unter der
Armutsgrenze leben. Ziemlich happige Zahlen, nicht nur im Osten. Geschätzt so um die 25
Millionen, Tendenz steigend. Jeder von uns drei Pappnasen spendet ein Prozent seiner jährlichen
Tantiemen. Kein Problem bei den Summen.
Oktober / November / Dezember
Keine normale Fußballsaison, sondern total krasse Abschiedstournee. Völlig Banane das Ganze.
Überall wo wir auftauchen die gleiche Nummer: Blumen, Wimpel, Ehrenteller, Händeschütteln,
Geschenke, vor und nach dem Match. In Madrid drücken sie mir ein original Torero-Kostüm in
die Hände, in Athen schleppen die Hirnis ein Eselbaby an, das zum Glück wegen fehlender
Impfungen im Land bleiben muss.
Spieltechnisch auch immer der gleiche Blödsinn. Manndeckung in Lissabon mit dem Hinweis,
das Denkmal nur ja nicht zu zerkratzen. Ähnlich in Glasgow. Mac Allister, der größte
Schwerverbrecher der Liga (ca. 2000 rote Karten in 10 Jahren), nagelt mich in den feinen
Rollrasen, entschuldigt sich anschließend (die erste Entschuldigung seines Lebens!), erkundigt
sich nach meinem Befinden, hilft mir auf und holt sich ohne zu Meckern ´gelb´ ab. Werde
behandelt wie eine ´Barbiegirl aus Porzellan´ kommentiert ´The Match´, mein Lieblingsorgan.
´Stehe unter Naturschutz, und jeder der mich antickt, geht automatisch ab nach Sibirien´.
Ausnahmsweise mal nicht gelogen. Total angeschrägte Nummer in Mailand. Drei Augenblicke
vor Ultimo, Flanke von rechts, ewig lang und hoch, kriege gerade noch die Haarspitzen dran, 1:0
für uns. Keine ganz astreine Sache im Fünfer, Schnappi und ich liegen verknotet im Tor mit
verbeulten Nasen. Aber Andretti, ansonsten mehr Dynamit als Torwart, grinst mich an, wischt
mir das Blut von der Backe, schlägt mir seine Gummihände auf beide Ohren, küsst mich auf die
Stirn und erklärt: „Multo bene.“ Noch so ein kaputtes Ding und es hätte wahrscheinlich Chianti
auf Vereinskosten gegeben. Am Ende der Show rollen die Irren auf der Haupttribüne eine riesige
Fahne aus mit ´Arrivederci et Mille Gracie´. Jahrelang haben mich diese Wahnsinnigen
ausgepfiffen, veralbert und bespuckt, jetzt wird applaudiert und gehuldigt. Auf Beerdigungen
läuft die Sache ähnlich ab, glaube ich.
Schlechte Medizin
Immer wieder Knieprobleme, Stiche und Bewegungshemmungen. Fühlt sich an, als hätte der
Operateur sein Skalpell im Gelenk vergessen. Werde durch alle möglichen Röhren gejagt, von
allen Seiten durchleuchtet, - Fehlanzeige. Optisch alles okay, aber die Nadelstiche bleiben. Darf
mehrfach die Woche zum Spritzen, vor jedem Spiel sowieso. Bin inzwischen von Anfang an
dabei und Kapitän. Alles hört auf mein Kommando und auf das von Frings. Genau in der
Reihenfolge. Macht aus dem Hühnerhaufen allmählich ein Team. Gurken im Mittelfeld rum, Luft
nach unten, aber noch mehr nach oben. Spiele für die Statistik. Könnten eigentlich auch zu Hause
bleiben. Nur die Zentralorgane schreiben und reden uns die Hütte voll. Jedes Match könnte mein
letztes sein wird verbreitet, das Knie wackelt bedenklich. Also strömen die Massen, um meinen
Abgang nicht zu verpassen, am Besten einen mit Bruch und Blaulicht.
2041
Januar / Februar
Zwei Wochen bis London. Sonderurlaub für mich, noch ist die Insel einige hundert Grad zu heiß.
Rooney bimmelt zuerst Kuhnke an und dann mich und föhnt uns beide zu. Wäre mit Sicherheit
das Spiel des Jahres, falls ich auflaufe. Könnte locker eine halbe Million Tickets und mehr
verscherbeln, trotz sattem Top-Zuschlag. Würden dann nach Wembley ausweichen. - Super
Gegend für eine Beerdigung. Quatsch mit Ketchup, kichert Rooney, Chips von gestern. Alles
wieder im normalen Drehzahlbereich auf der Insel, ´no hard feelings´, im Gegenteil. Sport ist
eben Sport, Emotionen schießen hoch und stürzen ab, wie Aktien. Und ´Fairness´ ist schließlich
eine englische Erfindung. Wir sollen die Sache positiv ventilieren, wenn´s geht zügig, wegen
Wembley.
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Motivationshilfe
´The Match´ kommt mit riesigem Aufmacher, eine komplette Seite: ´We apologize´. Dahinter,
von Seite 2 bis 4 ein Schleimscheißartikel mit Nobelpreischarakter. Wäre immer nur Sportsmann
gewesen, mit vollem Einsatz für Team und Nation, typisch englische Tugenden, und deswegen:
´Welcome back´. Wäre hochnobel, wenn ich als Aktiver ein letztes Mal in England aufschlagen
würde, alleine schon wegen meiner gigantischen Fangemeinde. Wie bitte? Die Ticketnachfrage
für die Partie ist exorbitant, selbst Wembley dürfte zu klein sein. ´The Match´ erteilt mir eine
´offizielle´ Einreiseerlaubnis, garantiert ´freies Geleit´, einen absolut herzlichen Empfang und
eine ´ungestörte Berufsausübung´. Im letzten Absatz wird verkündet, dass auch der Buckingham
Palast ´meine Rückkehr auf die Insel begrüßen würde´.
Planung
BKA und MAD raten dringend vom Inselbesuch ab. Könnte voll in die Hose gehen. Noch
erscheinen Einträge im Internet, in denen man Beinbrüche, Entführungen und ähnliche Scherze
im Dutzend ankündigt. Schwachsinn, aber absolut ernst zu nehmen, erklären die
Abwehrspezialisten. Um berühmt zu werden ist einigen Durchgeknallten jedes Mittel recht,
Hauptsache einmal im Leben in den Schlagzeilen, egal wie. Und Wembley absolut schussfest zu
machen, wird nie funktionieren, weder mit Personal noch mit Versprechungen. Wenn ich gehe,
dann auf eigene Kappe und ohne große Rückendeckung von offizieller Seite. Rooney ruft an. Auf
der Insel ist alles klar. Niemand wird sich auf mich stürzen, es gibt keine Entführungs- und
Rachepläne. Die Internetklamotten sind totaler Mumpitz. Alles sicher. Hält dafür
höchstpersönlich die Rübe hin. Wird keine Sekunde von meiner Seite weichen, wenn´s sein muss,
selbst im Viereck nicht. England ist heiß auf das Match, aber im positiven Sinne. Und die
Anfragen reichen inzwischen für fünf Spiele.
London
Anreise mit Vorsicht und gemischten Gefühlen, getrennt von der Mannschaft, damit es, im Fall
des Falles, nicht alle erwischt. Drei BKA Rambos schwirren bis zur Inselgrenze um mich herum,
dann übernehmen MI 5 und Rooney, eine Pfeife von ´The Match´ und ein halbes Dutzend
privater Body Guards. Eigentlich völlig überflüssig, erklärt der Dicke, die Herren dienen nur
meiner ganz persönlichen Beruhigung und als Dekoration.
Wembley kracht aus alle Nähten. Hochsicherheitstrakt mit ´Maximum Security Checks´ an allen
Eingängen. Der Aktivenbereich ist hermetisch abgeriegelt. Das Einzige, was hier noch
reinkommt, wäre maximal eine Interkontinentalrakete, sagt der Dicke. Klebt wie ein Schatten an
mir. Frings muss beinahe handgreiflich werden, um die Spritbombe aus unserer Kabine zu
bekommen, Rooney ist schließlich der Manager des Gegners.
Betrete erst im allerletzten Moment das Spielfeld zur Seitenwahl. Die Schüssel explodiert.
Standing Ovation, minutenlang, und hinten drauf die Nationalhymne. Der King ist verhindert,
Tochter am Vormittag vom Pferd geflogen, glatter Armbruch und satte Gehirnerschütterung.
Verfolgt das Match aber an der Flimmerkiste. Gute Besserung für die Dame, ist schließlich auch
kein Baby mehr.
Von Anfang an Tempo im Spiel. Kein taktisches Geplänkel, offenes Visier und Vollgas. Werde
abwechselnd von Malumal oder Tschikischwili besprungen, egal wohin die Kugel rollt. Beide
haben mit ´Pietät und Respekt vor dem Alter ´ keinen Vertrag, im Gegenteil. Malu betoniert mich
zweimal ein und übergibt dann an Willi. Wäre mehrfacher Frühinvalide ohne Protektoren. Frings
beschwert sich in der Halbzeit bei Crouch über die ewige Knüppelei, aber der Lange zuckt nur
mit den Achseln. ´That´s life´. Elgard fängt mich im Kabinengang ab. ´Mehr in den Sechzehner
und Action. Ein Elfer ist locker drin´.
Mitte Halbzeit erscheint Crouch in unserer Kabine mit Tee für mich und jeden der möchte, selbst
aufgebrüht, garantiert nicht vergiftet und ohne Dopingzusätze. Auf Wunsch auch Kekse.
Stimmung wie Weihnachten.
Zweiter Durchgang. Drei Minuten gespielt. Konter über rechts, lange Flanke, Kempen verpasst,
ich rausche von hinten ran, steige früher als Malu, werde von unten abgeräumt und Richtung
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Tribünendach katapultiert. Horizontale Landung in Pereiras Gesicht. Zweimal Notarzt, einmal
Elfer, einmal ´gelb´. Pereiras Nase muss außerhalb gerichtet werden, für meinen Rücken gibt´s
´Langnese´. Kempen übernimmt. 120.000 Pappnasen machen Randale, Ball trifft Eckfahne. Und
dafür die Schmerzen. Malu grinst, verzieht sich und Willi übernimmt, weniger brutal, dafür
direkter und schneller. Geordnete Ballannahme kaum noch möglich. 70. Minute 1:0, Islop
flutscht ein Aufgesetzter aus den Krallen, Chappy staubt ab. Typisch Isi. Ständiger Wechsel
zwischen Welt- und Kreisklasse. Ein Königreich für einen Abdichter, der nicht alle Nasen lang
Mist baut. Fünf Minuten bis zum Schlussgong. Wembley singt sie sich glücklich. Frings wechselt
zweimal defensive gegen zweimal offensiv, reichlich spät. Neue Taktik: keine Taktik, nur noch
hohe Dinger vor die Kiste, aber weg vom Schnappi, denn Babe greift alles bis zum Elfer. Krache
mich in jeden Ball, der kommt. Kassiere zweimal Stürmerfoul inklusive gelben Katong. Für ´rot´
hat der Pfeifenmann nicht genug Arsch in der Hose. Der dritte Versuch klappt. Pereira mit seiner
Knicknase hat keine Chance. Hake mich bei ihm ein, der alte Portugiese greift zu, gemeinsamer
Abflug, Elfer Nummer 2. Pereira ist mit der Ansage nicht einverstanden, föhnt den Ref. zu und
darf duschen gehen, eine Schuhlänge vor Schluss. Lege mir die Murmel auf den Punkt und
fixiere die Kiste. Nur noch Postkartenformat und direkt auf dem Weg zum Glück – unser
Milchgesicht, konzentriert, selbstbewusst und vermutlich der beste Schnappi aller Zeiten. High
Noon. Keine Pfiffe, keine Trubel, echte Gruftkulisse. Anlauf, locker durchgeschwungen und
halbhoch links ins Eck. Babe hebt ab, fährt die rechte Kralle aus, touchiert den Flieger, dreht ihn
weg, Innenpfosten, Netz, Bingo. 120.000 Tommies brüllen los, Fahnen werden geschwenkt und
der Stadionbesprecher scheppert los wie in alten Zeiten, so als hätte ich für seine Truppe
getroffen. Anstoß und direkt danach Feierabend.
Rooney und einige wichtig aussehende Herren erscheinen, im Hintergrund rollen
Bühnenelemente aufs Feld und der Wahnsinn beginnt. Zuerst wird mir, nachträglich, die
Auszeichnung ´Professional of the Year´ verliehen, danach die Ehrenmitgliedschaft im Club und
das lebenslange Recht, in Rooneys Kneipe kostenlos abschädeln zu dürfen. Als nächstes
überreicht mir der Dicke eine solide Urne, in der sich die Reste meiner Bleibe in Kensington
befinden. Als Finale und ganz besondere Anerkennung gibt es ein verlängertes Wochenende in
Cornwall mit der amtierenden Miss England (brüllendes Gelächter im Stadion), die in einem
Bentley-Cabrio ins Stadion transportiert wird. Danach explodiert die Bühne, die ´Simple
Cannibals´ erscheinen und legen los. Party für alle. Die Jungs vom MI 5 trifft der Schlag. Gehen
fluchend in der Feierlichkeit unter und dürfen sich um die Miss England kümmern. Islop & Co
hätten die Dame gerne mit unter der Dusche gehabt. Alles friedlich, laut und total Banane. Babe
erzählt, dass kein Kollege aus dem Three Lions Team angefressen darüber war, die verglühte
WM in Saunaland verpasst zu haben, im Gegenteil, hätte bei jedem noch eine fette Kiste
Champagner gut.
März
Hängen trotz aller Freundlichkeiten im Mittelfeld. Keine schlechte Truppe, stabilisierte
Mittelklasse, aber zu wenig für den Marsch nach oben. Knapper Durchschnitt auf den
entscheidenden Positionen, keine Ausnahmeleute, keine Durchschlagskraft. Knipser wie Pancic
wachsen nicht auf den Bäumen und auch in meiner Schuhgröße ist keiner an Bord. Frings steht
einen Millimeter neben der Schusslinie und hält an Kempen als Spitze fest, weiß der Geier
warum. Vielleicht sein unehelicher Sohn?! Im Showgeschäft ist alles möglich. Kuhnke rödelt vor
sich hin und sucht angeblich neues Personal. Bitte etwas mehr Klasse. Wenn mir was auf den
Keks geht, dann Mittelmaß. Ist die letzte Haltstelle vor dem Nichts, sagt Elgard.
Foto
Kleiner Scherz am Rande. Andrettis Knutscher auf meine Stirn wird Welt-Sportfoto des Jahres.
Sieht wirklich zum knutschen aus, der Schnappschuss. Habe Andrettis fette und bunte
Gummihandschuhe auf beiden Ohren, glubsche mit großen Augen in die Kamera und werde
lecker vollgesabbelt. Super. Sind beide zur Preisverleihung nach Tokio eingeladen.
129
April
Komme ganz allmählich wieder in die Gänge. Drei Spiele, vier Treffer. Fans jubeln, Presse
schwärmt, Knie hält. Die alte Spritzigkeit kommt zurück, auch ohne Sondertraining, ohne
Gewalt, einfach so. Kuhnke klopft bei Elgard an wegen Verlängerung und selbst von auswärts
flattern Angebote auf den Tisch. Vorne weg Istanbul. Hat die rote Laterne im Dauerabo und
kriegt absolut nichts gebacken, reines Kanonenfutter. Könnten sich gut vorstellen, mit mir aus der
Grütze zu rutschen. Würden sich die Sache mehrere goldene Kamele kosten lassen. Elgard
beginnt zu überlegen. Klar, wären wieder 15 Prozent für ihn von allem, Ablöse plus Gage.
Kuhnke sagt, bevor ich mir den Bosporus ans Bein hänge, wäre ein lockeres Jährchen zu Hause
doch wesentlich sinnvoller. Über die Konditionen könnte man reden. Soll mir die Sache noch mal
ordentlich durch den Kopf gehen lassen. Schon passiert. Muss deutlich schlechter spielen.
Mai / Juni
Pendeln zwischen Platz 10 und 12. Play Offs außer Reichweite, keine Notwendigkeit sich die
Figur unnötig zu verrenken. Karriere läuft in Raten aus, als Edelreservist. Erscheine zur zweiten
Halbzeit und darf machen, was ich will. Patentreife Methode. Fischen die meisten Punkte im
zweiten Durchgang. Kuhnke schleicht um mich rum wie die Glucke um ihr letztes Küken. In der
Verfassung aufgeben?! Kurzschluss, Ressourcenverschwendung und Barbarei. Viele haben ihre
Karriere viel zu früh beendet, unkt der alte Drahtzieher, und sich hinterher schwarz geärgert.
Kann sein, aber etliche haben den Absprung auch gründlich verpasst. Und außerdem, mich in
halb Europa verabschieden und dann doch wieder auftauchen, - ne, Danke, schlechter Stil.
Andretti & Co würde sich bedanken. Fettes Angebot aus Fernost ebenfalls in die Tonne
gedonnert. Satte Summen, aber zu hohe Luftfeuchtigkeit.
Letztes offizielles Match in Porto. Mit zehn Sondermaschinen kommen die Wahnsinnigsten
hinterher, um mich eine halbe Stunde lang oder so kicken zu sehen. Hat sich gelohnt. Liegen
nach 75 Minuten 1:2 hinten aber drehen dann die Sache. Meine Jungs geben Vollgas und die
West-Spanier knicken weg, aber nicht aus Freundlichkeit. Ausgleich durch Eigentor, 3:2 in der
Schlusssekunde durch den ultimativen Sonntagsschuss am Samstagabend. Kurzer Antritt, voll
durchgeladen und aus 25 Metern fetz ins Netz. Null Chance für das Verhüterli. Karriereende mit
Getöse. Direkt danach kommt der Gong. Die Hütte steht Kopf, unsere Leute stürmen den Acker,
packen mich in Vereinsfahnen und schleppen mich durch halb Portugal. Vom Gastgeber gibt’s
ein 100 Liter Fass Portwein, mein Jahrgang und eine VIP-Lounge mit meinem Namen. Zu Hause
Staatstrauer in sämtlichen Zentralorganen. Schmerzhafter Verlust, gewaltige Lücke, Ende einer
Ära, Jahrhunderttalent, überstürzter Abgang, großer Sportler, tadelloser Mensch. Klar,
rumhacken bringt jetzt absolut keine Punkte mehr. Heben sich die Brüder für später auf. Auch
diese Artikel sind mit Sicherheit schon geschrieben.
Game over
Offizieller Abgang. Rappelvolle Hütte, mein Dream-Team (mit Klopp als Coach) gegen den Rest
der Welt mit allen Stars, die zur Zeit laufen können, Andretti bzw. Babe im Tor, Allimboha,
rechte Außenbahn, Pancic in der Mitte, M´Seto und Chapman irgendwo dazwischen, Mac
Allister als Rammbock, Opa Wolter und Cato im Mittelfeld und so weiter, mit Rooney und
Crouch als Manager. Rooney wollte ursprünglich mit auflaufen, fiel aber kurz vor Anpiff beim
Stiefelschnüren voll aufs Gesicht. Der Klamauk endet unentschieden, sechs beide. Komme auf
drei satte Volltreffer. Eine Murmel flutscht per Hacke durch Meister Andrettis O-Beine. Lächelt
zwar, aber stinkt ihm gewaltig, war so nicht verabredet. Meint als Einziger, dass es Zeit ist,
Schluss zu machen. Anschließend das übliche Spektakel, Ehrenrunden, Musik, Reden,
Filmausschnitte aus der Steinzeit (mal knapp 10 Jahre her) und zum Abschluss tausend Fass
Freibier zu Sonderkonditionen vom Hauptsponsor. Reinerlös, nach Abzug aller Kosten, knapp
eine Million für zehn Fußballprojekte in der dritten Welt. Und Tschüss.
Nachschlag
Drei Tage später erhält Frings die Papiere, in beiderseitigem Einvernehmen. Stimmt aufs Wort.
Kuhnke hält Frings für einen mittelmäßigen Trainer, Frings hält uns für einen Scheiß Verein. War
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ziemlich laut am Ende, aber einvernehmlich. Der Neue heißt Tarantelli, erfolgreichster Coach in
Italien der letzten 15 Jahre. Gepflegte Erscheinung und total fußballverrückt, sagt Kuhnke, aber
ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Es kann nur noch aufwärts gehen, auch ohne mich im
grünen Bereich.
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