Steueroase Delaware?

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Steueroase Delaware?
Steueroase Delaware?
Warum Delaware mit Panama verglichen wird
Die Veröffentlichung der Panama Papers sorgte im Frühjahr für einen Skandal. Sie
deckte die Besitzer unzähliger Offshore-Firmen auf. Diese Briefkastenfirmen sind zwar nicht per
se illegal, wurden jedoch in vielen Fällen für illegale oder zumindest unmoralische Zwecke wie
Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Verstecken von Geldern oder Steuerminimierung genutzt. In
der Berichterstattung zu dem Skandal wurde der US Bundesstaat Delaware immer wieder in
einem Atemzug mit Panama als Steueroase genannt. Zu Recht? Immerhin werden besonders
viele US-Unternehmen in Delaware gegründet, u.a. über 50 % der börsennotierten USUnternehmen und fast zwei Drittel der Fortune 500, obwohl sie dort keinen Standort haben.
Delaware bietet in der Tat gewisse steuerliche Vorteile, die auch durchaus erheblich sein
können. Sie sind jedoch nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen relevant und für jedes
Unternehmen differenziert zu betrachten. Zum besseren Verständnis sei zunächst gesagt, dass in
den USA für Unternehmen sowohl auf Bundes- als auch auf einzelstaatlicher Ebene Steuern
erhoben werden. Die bundeseinheitliche Körperschaftssteuer beträgt je nach Umsatz und Gewinn
15-38 % und macht den wesentlichen Teil der zu zahlenden Körperschaftssteuern aus. Zusätzlich
erheben die einzelnen Staaten eine Steuer von maximal 12 % (Steuersatz derzeit in Iowa).
Delaware gehört mit 8,7 % indes nicht zu den günstigsten Staaten, insgesamt erheben nur 10 der
50 Staaten höhere Körperschaftssteuern. In den meisten anderen Bundesstaaten sind diese
Abgaben also geringer, in einigen Staaten (Wyoming, Washington, Texas, South Dakota, Ohio
und Nevada) fallen sogar gar keine Steuern auf das Unternehmenseinkommen an. Hinzu kommt
in Delaware eine Franchise Tax, die sich nach der Anzahl der genehmigten Aktien richtet.
Jedoch bietet Delaware einen anderen Vorteil: Gewinne aus Patenten, Lizenzen, Urheber- und
Markenrechten sind in Delaware steuerfrei. Zusätzlich müssen zudem Gewinne, die nicht in
Delaware erzielt werden, hier nicht versteuert werden. Dies eröffnet einen gewissen
Gestaltungsspielraum für größere Unternehmen. Stark vereinfacht dargestellt können
beispielsweise Holdings in Delaware gegründet werden, welchen die immateriellen Rechte
übertragen werden. Das operative, nicht in Delaware ansässige Unternehmen zahlt an diese
Holding im Folgenden Lizenzgebühren und ähnliche Kosten, um die eigenen Gewinne und damit
die Steuern in seinem Staat gering zu halten. Die Gestaltungsmöglichkeiten werden jedoch
immer geringer, da andere Staaten um die Unternehmen konkurrieren und mit ihrer
Steuergesetzgebung gegensteuern.
Der zweite Aspekt, warum Delaware mit Panama als Steuerparadies verglichen wird, ist
die Anonymität der Anteilseigner. Diese sind bei der Firmengründung nicht anzugeben. Die
Gründung erfolgt häufig durch externe Dienstleister oder Anwälte. Dies ist jedoch keine
Besonderheit Delawares, sondern in allen US Staaten üblich. Trotz des Aufschreis im Rahmen
des Panama Skandals ist nicht zu erwarten, dass sich an der Anonymität bald etwas ändert. Denn
hierbei handelt es sich nicht um Bundesrecht, sondern um staatliches Recht. Demzufolge will
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kein Staat der erste sein, der Unternehmen durch eine verpflichtende Angabe der Eigentümer bei
der Gründung vergrault. Zu beachten ist aber, dass Anteilseigner häufig nicht anonym bleiben,
nur weil sie nicht wie in Deutschland in einem Handelsregister einsehbar sind. So lassen sich
z.B. Geschäftspartner in erheblichen Transaktionen, Banken bei der Kontoeröffnung und in
verschiedenen Situationen die Steuerbehörden die Eigentümer offenlegen. Auch im
Beweiserhebungsverfahren eines Gerichtsstreits kommen die Eigentümer schnell ans Licht.
Delaware ist also bei näherer Betrachtung kein klassisches, mit Panama vergleichbares
Steuerparadies, das vollständige Steuerfreiheit und Anonymität bietet. Die steuerlichen
Gestaltungssmöglichkeiten sind begrenzt und die Beliebtheit Delawares hat noch andere legitime
Gründe. Dazu gehören ein sehr liberales, unternehmerfreundliches Gesellschaftsrecht, welches
durch eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Präzedenzfällen mehr Rechtssicherheit und einen
größeren Haftungsschutz für Aktionäre und Geschäftsführung bietet als manch anderer Staat.
Hinzu kommt das hervorragende Gerichtssystem. Insbesondere der Court of Chancery, welcher
ausschließlich für gesellschaftsrechtliche Streitfälle zuständig ist, sorgt für eine beschleunigte
Beschlussfassung und ein hohes Maß an Expertise. Die Administration funktioniert schneller und
zuverlässiger als in anderen Staaten, z.B. ist eine Unternehmensgründung i.d.R. innerhalb eines
Tages möglich,
Für kleine und mittelständische Unternehmen lohnt sich die Gründung eines DelawareUnternehmens dennoch häufig nicht, besonders wenn sie nur in einem anderen Bundesstaat
einen Firmensitz haben. Unabhängig vom Gründungsstaat müssen sich nämlich alle
Unternehmen, die Geschäfte lokal in einem Bundesstaat ausführen, dort beim Department of
State registrieren (sog. „Qualification as a Foreign Business") und Steuern zahlen. Hat man
beispielsweise in Delaware gegründet, ist aber nur in New York mit einem Standort tätig, so
werden vom Staat New York auf das in New York erwirtschaftete Einkommen Steuern erhoben.
Mit seiner unternehmensfreundlichen administrativen und gerichtlichen Infrastruktur,
Gesetzeslage
und
Rechtsprechung
sowie
der
beschriebenen
steuerlichen
Gestaltungsmöglichkeiten gibt es gute Gründe, in Delaware zu gründen. Dies sollte aber
keinesfalls zu dem häufig zu beobachtenden Automatismus führen, jedes neue U.S.
Unternehmen ohne sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile in Delaware zu gründen.
Viele Unternehmen werden ihren tatsächlichen Firmenstandort nicht in Delaware haben und
müssen ihren Sitz in dem anderen Staat anmelden. Nicht für alle Unternehmen lohnt sich in
diesem Fall der zusätzliche jährliche Zeit- und Kostenaufwand, der durch die Gründung in
Delaware entsteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn Delawares Steuervorteile nicht genutzt
werden, weil die erforderliche komplexe steuerrechtliche Struktur nicht passend ist. Aus
steuerlicher Sicht ist die Position Delawares nicht mehr so hervorgehoben wie sie einmal war
und insgesamt gesehen nicht mit Panama zu vergleichen. Auch andere Staaten wie z.B. New
York bieten Unternehmen gute rechtliche, gerichtliche und administrative Voraussetzungen, die
denen in Delaware kaum nachstehen. Es sollte daher stets nach rechtlichen, steuerlichen und
wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine genau auf die Bedürfnisse und Ziele des Unternehmens
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zugeschnittene Entscheidung über die Wahl des Gründungsstaates und des tatsächlichen
Firmenstandortes getroffen werden.
Als Tendenz kann festgehalten werden, dass Delaware eher für größere Unternehmen mit
Standorten in mehreren Staaten Vorteile bietet, die eine komplexe steuerliche Planung
vornehmen, als für kleinere Unternehmen mit nur einem Standort außerhalb Delawares.
Unternehmen sollten sich dabei auch die folgenden praktischen Fragen stellen: Ist Kundennähe
wichtig? Wo sind meine Kunden? Wo finde ich Fachkräfte? Wo finde ich die beste
Infrastruktur?
Welcher
Standort
bietet
mir
staatliche
Förderprogramme
und
Steuervergünstigungen (z.B. New York als „Silicon Alley“)? Bei der Entscheidung,
insbesondere zwischen East Coast und West Coast, sind schließlich auch die Entfernung und
Zeitverschiebung erhebliche Faktoren.
Der Autor hält unter anderem zu diesem Thema am 07.09.2016 ein Vortrag für die DeutschAmerikanische Juristenvereinigung in Hannover, nähere Informationen finden Sie hier.
Florian Freiherr von Eyb, LL.M.
Attorney at Law in New York
Rechtsanwalt (admitted in Germany)
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