Die Doppelfunktion der legislativen Staatsgewalt
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Die Doppelfunktion der legislativen Staatsgewalt
1 Die Doppelfunktion der legislativen Staatsgewalt – Hayeks Diskurs und ein alternativer Lösungsansatz (Christopher Risch) 1. Einführung Nach dem kontrakttheoretischen Staatsverständnis der Konstitutionenökonomik wird das PrinzipalAgenten-Problem zwischen den Bürgern und den gewählten Volksvertretern über die verfassungsmäßige Beschränkung der Staatsgewalt gelöst. Dadurch werden die verfügbaren Verhaltensstrategien der politischen Akteure zur individuellen Nutzenmaximierung auf die Entscheidungsoptionen begrenzt, die das Kriterium der Förderung der gemeinsamen Bürgerinteressen erfüllen und demzufolge die Bürgersouveränität sichern. Der Public-Choice-Ansatz als ökonomische Theorie der Politik erklärt, wie in einer majoritätsabhängigen, repräsentativen Demokratie diskretionäre Handlungsspielräume entstehen, innerhalb der die Agenten ihre individuelle Machtposition über die privilegierte Sonderbehandlung einzelner Interessengruppen stärken. Folglich führt der Einfluss der Privilegiendynamik auf den politischen Entscheidungsprozess zu einem Auseinanderfallen individueller Politiker- und gemeinsamer Bürgerinteressen, da die konstituierten Regeln nicht dem Grundsatz der Universalisierbarkeit entsprechen. Ein potentieller Defekt in der konstitutionellen Regelordnung, der Privilegiensuche und -vergabe ermöglicht, liegt nach Hayek in der Doppelfunktion der legislativen Staatsgewalt – Gesetzgebung und Kontrolle des Gesetzesvollzugs. Da Legislative und Exekutive auf Basis derselben Mehrheitsverhältnisse gebildet werden, gestattet diese Kompetenzallokation der regierenden Mehrheit die Gestaltung des Regelsetzungs- und Regelausführungsprozesses im Einklang mit den Forderungen diverser Interessengruppen, um das nutzenoptimale Ziel der Machterhaltung zu erreichen. Die ausschließliche, universalisierbare Ausrichtung politischer Entscheidungen an den gemeinsamen Bürgerinteressen wird zugunsten der Bedienung einzelner Privilegieninteressen aufgegeben, wodurch die antizipierte Kongruenz individueller und gemeinsamer Entscheidungspräferenzen nicht realisiert werden kann. Hayeks Lösungskonzept beinhaltet die funktionale Differenzierung des Parlaments in zwei Kammern: Die gesetzgebende Versammlung gestaltet die Regelordnung gemäß allgemeingültiger Richtlinien gerechten Verhaltens, während die regierende Versammlung die Staatsleitung übernimmt. Anhand eines Vergleichs der Kontrollmechanismen in der staatlichen Ordnung und der Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft auf Basis der Analogie des Staates als Bürgergenossenschaft lässt sich ein alternativer Lösungsansatz deduzieren: In Anlehnung an die Funktionsprinzipien des privatwirtschaftlichen Aufsichtsrates wird durch eine konstitutionelle Reform der staatlichen Organstruktur der parlamentarische Kontrollauftrag aus dem Kompetenzbereich der legislativen Gewalt ausgegliedert und einem neben dem Verfassungsgericht separaten Organ der judikativen Staatsgewalt – dem Senat – übertragen. Die Abgrenzung beider Institutionen beruht auf der unterschiedlichen personellen Besetzung, Vorgehensweise und Kompetenz bezüglich der Prüfungsverfolgung: Während im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nach Antragsstellung politische Entscheidungen auf ihre Gesetzeskonformität juristisch geprüft werden, 2 untersuchen die interdisziplinär informierten Mitglieder des zusätzlichen judikativen Organs laufend die Vorteilhaftigkeit des parlamentarischen Prozesses und seiner Ergebnisse in Bezug auf die gemeinsamen Bürgerinteressen. Dementsprechend wird die privilegierte Sonderbehandlung einzelner Interessengruppen ausgeschlossen und die Staatsgewalt auf den Erlass und Vollzug von Regeln beschränkt, die auf konstitutioneller Ebene das Kriterium der Universalisierbarkeit erfüllen und auf subkonstitutioneller Ebene Resultate des einstimmig legitimierten Wahlverfahrens kollektiver Entscheidungsfindung darstellen.1 2. Kontrollkompetenz in der staatlichen Gewaltenteilung Als Implikation des konstituierenden Verfassungsgrundsatzes der Rechtsstaatlichkeit gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Prinzip der staatlichen Gewaltenteilung in gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt mit dem Ziel der verantwortlichen und effizienten Gestaltung der Machtausübung, ihrer Begrenzung, Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit (vgl. Degenhart, 2007, S. 94ff). Das wahlberechtigte Staatsvolk wählt in Ausübung des parlamentarischen Demokratieprinzips den Bundestag als seine direkte Vertretung.2 Als „alleiniges unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ des Staates“ (Degenhart, 2007, S. 13) ist deshalb der Bundestag in seiner Repräsentations- und Öffentlichkeitsfunktion das primäre Forum der politischen Auseinandersetzung und Willensbildung. Sein Aufgabenbereich beinhaltet in erster Linie die Gesetzgebungsfunktion als legislative Staatsgewalt sowie die Kreationsfunktion im Sinne der Bildung weiterer Verfassungsorgane. Da der Exekutiven die Staatsleitung obliegt, „regiert das Parlament nicht selbst mit Hilfe der Regierung, wie wenn diese ein Ausschuss wäre, sondern es kontrolliert die ihm verantwortliche Regierung“ (Badura, 2003, S. 456). Dementsprechend wird die Kontrollfunktion gegenüber der Exekutiven dem Kompetenzbereich des Parlamentes zugeordnet. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe eröffnet das Enquêterecht dem Bundestag die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse zur Bewertung politischer Akte und zur Klärung ihrer Hintergründe einzusetzen, um die Vorteilhaftigkeit der Entscheidungen für die Bürger festzustellen (vgl. Degenhart, 2007, S. 217ff und Art. 38 bis 49, GG). Die Überwachung der Regierung hat sich im Zeitablauf zu einem „kooperativen Parlamentarismus“ (Badura, 2003, S. 440) 1 Im Rahmen meiner Diplomarbeit „Der Staat als Bürgergenossenschaft – ein komparativer Ansatz und die Ableitung eines Reformvorschlags“ erfolgt ein ausführlicher Vergleich der staatlichen und genossenschaftlichen Ordnung, der einerseits den Entstehungshintergrund und den konstitutionellen Rahmen sowie andererseits die institutionelle Ausgestaltung beider Organisationsformen untersucht. Darin inbegriffen ist unter anderem eine präzise Gegenüberstellung der Organstrukturen. Vornehmlich auf Basis der Werke von Vanberg (1982) und Hayek (1969 und 1971) erfolgt eine extensive Legitimation des komparativen Ansatzes. Die Durchführung des Vergleichs gründet hauptsächlich auf dem Grundgesetz und dem Genossenschaftsgesetz sowie entsprechender Kommentare von unter anderen Degenhart (2007) und Pieroth/Schlink (2008) sowie Steding (2002) und Lang/Weidmüller (2005). Diesbezüglich spielt auch Buchanans „Die Grenzen der Freiheit – zwischen Anarchie und Leviathan“ (1984) eine herausragende Rolle. Die abschließende Ableitung des Reformvorschlags bezieht sich in erster Linie auf die Arbeiten von Vanberg (2008) und Hayek (2002 und 2003). Da der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrages auf der Deduktion des Reformansatzes aus den divergierenden Regelungen der Kontrolle der Entscheidungsträger liegt, werden in dieser Arbeit einzig die für die Intention relevanten Aspekte erwähnt. Jedoch wird an einigen Stellen auf die Ergebnisse des umfassenden Vergleichs verwiesen. 2 Das Staatsvolk umschließt die Gesamtheit der Staatsangehörigen, die „einem Staat kraft seines Rechts zugeordnet ist“ (Grawert, 2004, S. 117). 3 entwickelt, der dem Bundestag die Mitsprache bei staatsleitenden Entscheidungen gestattet. Infolgedessen besteht in „wesentlichen Fragen […] ein Parlamentsvorbehalt“ (Degenhart, 2007, S. 13), der sowohl im Rechtsstaatsgebot und in den Grundrechten, als auch im Demokratiegebot begründet ist.3 Artikel 67, GG, eröffnet dem Bundestag die Möglichkeit, eine Abberufung des Bundeskanzlers über ein konstruktives Misstrauensvotum zu erwirken (vgl. Degenhart, 2007, S. 259 und Art. 67, GG). Um die Interessen der einzelnen Länder auf bundesstaatlicher Ebene zu wahren, besitzt der Bundesrat, der sich aus Mitgliedern der Landesregierungen zusammensetzt, ein Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung. Dementsprechend hat er die Möglichkeit, gemäß dem Initiativrecht neue Gesetze vorzuschlagen, im Falle von zustimmungsbedürftigen Gesetzen diese zu verweigern sowie Einspruch zu erheben, wenn das spezifische Gesetz keine Ratifizierung durch den Bundesrat vorsieht. Sobald der Bund in die Verwaltungs- und Organisationshoheit der Länder eingreift, hat der Bundesrat laut Art. 84 und 85 einen Anspruch auf Beteiligung (vgl. Degenhart, 2007, S. 245ff und Art. 50 bis 53, GG). Das Parlament wählt mit Mehrheitsbeschluss den Bundeskanzler, der im Rahmen seiner Organisationsgewalt die Geschäftsbereiche der einzelnen Ministerien bestimmt und die Minister vorschlägt. Der Kanzler und sein Kabinett bilden das Verfassungsorgan der politischen Staatsleitung – die Bundesregierung – und üben damit die exekutive Staatsgewalt aus. Neben der Staatsleitung, die das Gesetzesinitiativrecht beinhaltet, und der Organisationsgewalt bezüglich der Bundesverwaltung zählen das Rederecht in Bundestags- und Bundesratsverhandlungen, Direktions- und Aufsichtsbefugnisse im Bund-Länder-Verhältnis sowie Informationsaufgaben im Verhältnis zur Öffentlichkeit zu den einzelnen Kompetenzen der Bundesregierung (vgl. Degenhart, 2007, S. 255ff und Art. 62 bis 69, GG). Obwohl das Grundgesetz den Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt zum obersten Verfassungsorgan erhebt, verbleiben ihm nur wenige unmittelbare, verfassungsrechtliche Befugnisse. Diese beschränken sich vornehmlich auf die Repräsentation des Staates nach außen, inklusive der Ratifizierung von Staatsverträgen, und auf staatsnotarielle Funktionen, die ihm „keine eigenständige Gewalt vermitteln“ (Rausch, 1984, S. 126). Entsprechend weist das Grundgesetz die Staatsleitung ausschließlich der Bundesregierung zu, so dass der Bundespräsident „nur beschränkt Teil der Exekutive“ (ebenda) ist. Deshalb wird er nicht in die schematische Darstellung der Organstruktur anhand der Gewaltenteilung einbezogen (vgl. Degenhart, 2006, S. 261ff und Art. 54 bis 61, GG). Das wichtigste Organ der judikativen Staatsgewalt ist das Bundesverfassungsgericht, das neben seiner rechtsprechenden Funktion in der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes die Aufgabe des Schutzes der Verfassung wahrnimmt. Unter der Anwendung offener, konkretisierungsbedürftiger Normen erfolgt die Überprüfung staatlicher Akte durch eindeutig definierte Verfahren, wie beispielsweise das Organstreitverfahren, die abstrakte und konkrete Normenkontrolle oder die Verfassungsbeschwerde. „Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist also nur zulässig […], wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eines der gesetzlich geregelten Verfahren erfüllt sind“ (Degenhart, 2007, S. 286).4 Die gefällten Entscheidungen haben Gesetzeskraft und zeichnen sich 3 Als „wesentliche Fragen“ definiert Degenhart Sachverhalte, „die für das Gemeinwesen von maßgeblicher Bedeutung sind“ (Degenhart, 2007, S. 13). 4 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen beziehen sich unter anderem auf die Beteiligtenfähigkeit der Antragsteller und –gegner, den eindeutig definierten Streitgegenstand, die Antragsbefugnis sowie auf die Einhaltung der Form– und Fristkonditionen des Antrags. Im Zuge einer Normenkontrolle entfällt die Prüfung der 4 durch ihre allgemeine Gültigkeit aus. So wird das Verfassungsrecht als politisches Recht charakterisiert, das die rechtlichen Rahmenbedingungen der Staatswillensbildung vorgibt, was Eingriffe in die politische Staatsleitung mit einschließt. Die Verfassungsrichter werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt, wobei nach einer 12-jährigen Amtsdauer die Wiederwahl ausgeschlossen ist, um die Unabhängigkeit der Amtsinhaber zu garantieren. Neben dem Verfassungsgericht wird die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt den einzelnen Bundes- und Landesgerichten vom Grundgesetz zugewiesen (vgl. Degenhart, 2007, S. 284ff und Art. 92 bis 104, GG). Abb. 1: Schematische Darstellung der Organstruktur und Kontrollkompetenz in der Bundesrepublik Deutschland (Quelle: eigene Erstellung):5 Legislative Bundesrat Exekutive Bundesregierung Bundestag Bundesverfassungsgericht Kontrolle der Gesetzmäßigkeit Judikative Kontrolle der Vorteilhaftigkeit 3. Die Doppelfunktion der legislativen Staatsgewalt – Hayeks Kritik und Lösungsansatz Die Darstellung der staatlichen Ordnung zeigt, dass der Legislativen eine Doppelfunktion obliegt, nämlich die Gesetzgebung und die Kontrolle der Gewalt, die diese Gesetze ausführt – die Exekutive. „Diese zwei verschiedenen Aufgaben ein und derselben Abgeordnetenversammlung anzuvertrauen“ (Hayek, 2002, S. 187f) deklariert Hayek als einen „verhängnisvollen […] Fehler“ (ebenda), weil dadurch die Grenzen zwischen legislativer und exekutiver Gewalt undeutlich werden und die Garantie der Verfassungsprinzipien nicht mehr gewährleistet werden kann (vgl. ebenda).6 Denn ein Antragsbefugnis zugunsten einer einfachen Darlegung eines Klarstellungsinteresses, beziehungsweise eines Nichtigkeitsgrundes (vgl. Degenhart, 2007, S. 286ff). 5 Eine präzise Differenzierung der Kontrolle auf Basis der Gesetzesmäßigkeit und der Vorteilhaftigkeit tritt im weiteren Verlauf dieser Arbeit hervor und wird im Anhang spezifiziert. 6 „Den entscheidenden institutionellen Defekt der herrschenden Form der Demokratie sieht Hayek darin, dass ein und dasselbe Vertretungsorgan, das Parlament, mit zwei grundverschiedenen Aufgaben betraut wurde, nämlich einerseits allgemeine Gesetze zu erlassen, die die Spielregeln für das Handeln der privaten Akteure und für den politischen Prozess festlegen, und andererseits die laufenden Geschäfte und Maßnahmen der jeweiligen Regierung zu überwachen und mit zu tragen“ (Vanberg, 2008, S. 113). Die Vermischung exekutiver und legislativer Gewalt wird insbesondere durch die Amtsvereinigung der Kanzlerschaft und des Vorsitzes der politischen Partei hervorgehoben, welche die Mehrheit der Wählerstimmen in der Bundestagswahl erhalten hat. Dadurch bestimmt der Kanzler/ die Kanzlerin einerseits die Richtlinien der Staatsleitung und andererseits auch den inhaltlichen Rahmen der Partei, die aufgrund der relativen Stimmenmehrheit einen bedeutenden Einfluss auf die Gesetzgebung hat. 5 Parlament, das die Regierung kontrolliert und aus dem diese Regierung auf Basis derselben Mehrheitsverhältnisse hervorgeht, tendiert zu einer Gestaltung der Regelordnung im Einklang mit den Interessen der Exekutiven, die in erster Linie auf die Sicherung ihrer Machtposition ausgerichtet sind (vgl. Vanberg, 2008, S. 114). Im Rahmen einer unbeschränkten Demokratie kann eine derartige Zielsetzung nur über eine Erhaltung der erforderlichen Mehrheitsverhältnisse erreicht werden. „[Der allmächtige Staat] wird gezwungen sein, eine Mehrheit zusammenzubringen und zusammenzuhalten, indem er die Forderung einer Vielzahl von Interessengruppen befriedigt, deren jede den Sondervorteilen, die anderen Gruppen gewährt werden, nur um den Preis zustimmt, dass ihre eigenen Sonderinteressen gleichermaßen Berücksichtigung finden“ (Hayek, 2003, S. 405). Aufgrund dessen wird der Staat zu einem „Spielball all der Sonderinteressen, denen er gerecht werden muss, wenn er sich die Unterstützung der Mehrheit sichern will“ (Hayek, 2003, S. 406). In Bezug auf diesen Sachverhalt wird der Einfluss der Privilegiendynamik deutlich, der die ausschließliche Orientierung politischer Entscheidungen an den gemeinsamen Bürgerinteressen zugunsten diverser Interessengruppen zurückstellt. Generell identifiziert Vanberg zwei Methoden, welche die Möglichkeiten einer erfolgreichen Privilegiensuche verringern können: die Förderung des institutionellen Wettbewerbes und die effektive verfassungsmäßige Beschränkung staatlicher Herrschaftsmacht (vgl. Vanberg, 2008, S. 44).7 Während die erste einen interessanten und komplexen Forschungsbereich darstellt, dessen Potential noch nicht endgültig ausgeschöpft ist, steht die zweite in diesem Beitrag im Mittelpunkt.8 Denn Hayek schlägt als Lösungsansatz eine Reform vor, welche die staatliche Herrschaftsmacht durch die Aufteilung der Doppelfunktion in zwei voneinander unabhängige Organe verfassungsmäßig begrenzt. Die gesetzgebende Versammlung erfüllt die Verantwortung, die Regelordnung anhand universalisierbarer Richtlinien gerechten Verhaltens zu gestalten (vgl. Hayek, 2003, S. 417). Dagegen führt die regierende Versammlung die laufenden Staatsgeschäfte aus, zu denen die Organisation des Staatsapparats und die Entscheidung über die Verwendung der bereitgestellten Mittel zählen (vgl. ebenda, S. 425). Um die Unabhängigkeit beider Organe zu garantieren, erfolgt die Wahl ihrer Mitglieder über unterschiedliche Verfahren und in voneinander abweichenden Perioden (vgl. ebenda, S. 418).9 Während Hayek für die Wahl der gesetzgebenden Versammlung konkrete und neuartige Konditionen entwirft, bildet er die regierende weitgehend nach Vorlage der derzeitigen Parlamente, wobei die Bundesregierung einen Exekutivausschuss der parlamentarischen Mehrheit darstellt (vgl. ebenda, S. 418ff und S. 424ff). Übertragen auf die aktuelle staatliche Ordnung übernimmt der Bundestag gemeinsam mit der Regierung die Staatsleitung, während die Aufgabe der Gesetzgebung einem separaten Organ anvertraut wird.10 Da eine kritische Auseinandersetzung mit 7 Neben der Begrenzung der Möglichkeiten der Privilegiensuche eröffnet sich eine alternative Lösung über eine spezifische Gestaltung des Wahlverfahrens auf konstitutioneller Ebene, die einen individuellen Anreiz zur Entscheidung für konsensfähige Regeln setzt. In den Konzeptionen der Regelwahl hinter einem Schleier der Ungewissheit beziehungsweise der Unwissenheit von Buchanan und Tullock sowie Rawls wird diese Methode angewendet (vgl. Vanberg, 2008, S. 43, Buchanan/Tullock, 1962 und Rawls, 1975). 8 Eine ausführliche und präzise Analyse des institutionellen Wettbewerbs erfolgt in Wohlgemuths Beitrag „Institutional Competition – Notes on an unfinished agenda“ (vgl. Wohlgemuth, 1995). 9 „Wären die zwei Versammlungen lediglich mit unterschiedlichen Aufgaben betraut, aber ungefähr in gleichem Verhältnis aus Vertretern derselben Gruppen und besonders Parteien zusammengesetzt, so würde die Legislative wahrscheinlich einfach jene Gesetze verabschieden, welche die regierende Versammlung für ihre Zwecke benötigte“ (Hayek, 2003, S. 418). 10 Die genaue Herleitung und Erklärung des Problems der unbeschränkten Demokratie sowie die Darstellung des modifizierten Verfassungsmodells finden sich in Hayeks Werk „Recht, Gesetz und Freiheit“ (vgl. Hayek, 2003). 6 diesem Reformvorschlag seine konkrete institutionelle Ausgestaltung involviert, wird an dieser Stelle darauf verzichtet. Denn der in diesem Beitrag entwickelte, alternative Lösungsansatz bezieht sich auf eine Reform der konstitutionellen Regelordnung und verbleibt somit auf einer abstrakten Ebene. 4. Kontrollkompetenz in der eingetragenen Genossenschaft Als Voraussetzung für den im folgenden Kapitel durchgeführten Vergleich, beinhaltet dieses Kapitel die Darstellung der Kontrollkompetenz innerhalb der Organstruktur der eingetragenen Genossenschaft auf der Grundlage des Genossenschaftsgesetzes (GenG).11 Die innere Verfassung beschreibt die Organe, in denen der genossenschaftliche Willensbildungs- und Entscheidungsprozess erfolgt. Ausgestattet mit durch Gesetz oder Statut festgelegten Kompetenzen ermöglichen diese eine demokratische Geschäftsführung nach dem Prinzip der Drei-Gewaltenteilung. Demnach wird die Leitungsmacht beschränkt durch die Differenzierung der Organe in Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung (vgl. Steding, 2002, S. 112).12 Die Generalversammlung, an der alle Mitglieder teilnehmen dürfen, übernimmt die Rolle des obersten Verfassungsorgans. Sie ist laut Beuthien „oberstes Willensbildungs- und Entscheidungsorgan der eingetragenen Genossenschaft“ (Beuthien, 2000, S. 492), da sie die Beschlussfassung über alle Angelegenheiten der Genossenschaft wahrnimmt, die nicht durch Gesetz oder Statut anderen Organen übertragen sind. Neben der ihr zugesprochenen Satzungshoheit besitzt sie auch Personalhoheit in Bezug auf die Wahl des Vorstandes (§ 24, Abs. 2, GenG) und des Aufsichtsrates (§ 36 Abs. 1, GenG) sowie auf die Kompetenz zur Entlastung beider Organe (§ 48, Abs. 1, GenG). Desweiteren übt die Generalversammlung ihre Finanzhoheit in Form der Feststellung des Jahresabschlusses und der Disposition des Jahresüberschusses beziehungsweise der Entscheidung über die Nachschusspflicht im Falle ungedeckter Forderungen aus (§ 48, Abs. 1, GenG). Zudem beschließt sie Beschränkungen der Kreditvergabe (§ 49, GenG) und bestimmt die Höhe der Einzahlungen auf den Geschäftsanteil (§ 50, GenG).13 Die Willenserklärungen treten nach der Abstimmung auf Basis des Mehrheitsprinzips in Kraft, das sich auf das Kopfstimmrecht in Unabhängigkeit vom Geschäftsanteil stützt (vgl. Steding, 2002, S. 123 und § 43, Abs. 1 bis 3, GenG). 11 Da der Fokus dieser Arbeit auf den konstruktiven Prinzipien der ursprünglichen Genossenschaftsidee liegt, wird von den jüngeren Reformen des Genossenschaftsgesetzes ab der Novellierung vom 9. Oktober 1973 abstrahiert. Die Begründung für die Wahl dieses Zeitpunkts liegt im Wesentlichen in der Zurückdrängung des demokratischen Konzeptionsgrundsatzes als konstitutive Prämisse für diese personalistische Unternehmensform. Denn seitdem gilt die Generalversammlung nicht mehr als das oberste Verfassungsorgan im genossenschaftlichen Willensbildungsprozess, da ihr – zugunsten des Vorstandes – wichtige Kompetenzen entzogen wurden (vgl. Steding, 2002, S. 114). Diesem ist die Leitungsmacht in eigener Verantwortung zugesprochen worden (§ 27 GenG), was bedeutet, dass seine Tätigkeit nicht mehr an die Willenserklärungen der Generalversammlung gebunden ist (vgl. Steding, 2002, S. 113). Steding spricht von einer „Vorstands(all)macht […] als das die genossenschaftliche Willensbildung dominierende und okkupierende Moment“ (Steding, 2002, S. 114). Diese Entwicklung impliziert einen „deutlichen Demokratieschwund“ (Blümle/Ringle, 1986, S. 175). Aus diesen Gründen wird sie in die folgenden Überlegungen nicht explizit mit einbezogen, da sie einem sinnvollen Vergleich mit einem demokratischen Staatsmodell widerspricht. 12 „Die Struktur der eingetragenen Genossenschaft entspricht demokratischen Grundsätzen. Dies gilt für jede Form der Entscheidungsfindung in der eingetragenen Genossenschaft sowie für die Gewaltenteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung“ (Lang/Weidmüller, 2005, S. 57). 13 Die Zuständigkeiten der Generalversammlung formuliert Steding im Kapitel 6.4. „Rolle und Aufgaben der Generalversammlung“ seines Buches über das Genossenschaftsrecht, wo er mitunter die Generalversammlung als das „verfassungsgebende“ Organ der Genossenschaft definiert (Steding, 2002, S. 121f). 7 Das Genossenschaftsgesetz eröffnet Verbänden ab einer Größe von 1500 Mitgliedern die Möglichkeit, eine Vertreterversammlung zu bilden (§ 43a, GenG). Diese ist „kein Fremdkörper, sondern die der mitgliederstarken Großgenossenschaft angemessene Form der mittelbaren Demokratie“ (Beuthien, 1984, S. 42). Juristisch gesehen übernimmt dieses Gremium die Kompetenzen der Generalversammlung, inklusive aller Rechte und Pflichten. Seinen weisungsunabhängigen, von der Generalversammlung gewählten Mitgliedern obliegt die Pflicht der Interessenwahrung stellvertretend für jeden einzelnen Genossen als Teil der zweckorientierten, assoziativen Kooperation (vgl. Glenk, 2007, S. XXIII und Steding, 2002, S. 123). Generell kann jeder Beschluss der General- oder Vertreterversammlung „infolge eines Mangels anfechtbar, nichtig oder unwirksam sein“ (Steding, 2002, S. 124). Im Falle eines Verstoßes gegen die gesetzlichen oder statuarischen Regelungen des Verfahrens der Beschlussfassung, gegen die genossenschaftlichen Prinzipien – wie dem Gleichbehandlungsgrundsatz – oder im Falle eines Überschreitens der Kompetenzen kann jeder Genossen Klage erheben und rechtliche Schritte einleiten (vgl. ebenda, S. 124ff und § 51, GenG). Nach § 9, GenG, ist die Bildung eines Vorstandes aus den Mitgliedern der Genossenschaft zwingend vorgeschrieben. In der Rolle der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Genossenschaft als juristische Person ist der Vorstand „befugt, alle notwendigen Rechtshandlungen vorzunehmen und die Genossenschaft gegenüber Dritten, beispielsweise bei einem Vertragsschluss, zu verpflichten“ (Glenk, 2007, S. XXVI und § 26, GenG). Diese nach außen gerichtete Kompetenz wird durch die interne Verantwortung der Geschäftsführung komplementiert, die sich als Managementtätigkeit definieren lässt (vgl. Glenk, 2007, S. XXVI). Falls die Handlungen des Vorstandes in der Ausübung seiner Pflichten nicht den Interessen der Genossen entsprechen, kann die Generaloder Vertreterversammlung seine Bestellung widerrufen (§ 24, Abs. 3, GenG). Das Kontrollorgan der eingetragenen Genossenschaft ist der Aufsichtsrat, für den ähnliche gesetzliche Regelungen wie für den Vorstand gelten. Demnach muss er im Zuge der Genossenschaftsgründung gebildet werden sowie entsprechend der genossenschaftlichen Selbstorganschaft aus Mitgliedern des Verbandes und aus natürlichen Personen bestehen (§ 9, GenG). Desweiteren setzt er sich aus zumindest drei Delegierten zusammen, die von der Generaloder Vertreterversammlung gewählt werden und die nicht in Abhängigkeit vom erzielten Geschäftsergebnis vergütet werden dürfen (§ 36, GenG).14 Auch diese Wahlhandlung kann analog zum Widerrufsrecht bezüglich der Vorstandswahl durch die Generalversammlung vor Ablauf der zuvor festgelegten Frist zurückgenommen werden (§ 36, Abs. 3, GenG). Weiterhin besagt der Grundsatz der Unvereinbarkeit von Ämtern, dass Aufsichtsratsmitglieder nicht gleichzeitig dem Vorstand angehören dürfen (§ 37, GenG). Der Aufgabenbereich dieses Gremiums beinhaltet die Kontrolle des Vorstandes „bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung“ (Steding, 2002, S. 119). Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, verfügt der Aufsichtsrat über weitreichende Informationspflichten und Informationsgenerierungsrechte. So kann er „von dem Vorstand jederzeit Auskünfte über alle Angelegenheiten der Genossenschaft verlangen“ (§ 38, Abs. 1, GenG) und ist befugt, jegliche in Schriftform verfasste Berichte einzusehen. Außerdem ist er zur Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und der vom Vorstand empfohlenen Disposition des Jahresüberschusses verpflichtet (§ 38, Abs. 1, GenG). Die Überwachung des Geschäftsführungsorgans basiert auf der Zielsetzung, eine verantwortungsbewusste, regelkonforme Pflichterfüllung des Vorstandes zu garantieren und eine unerwünschte Geschäftsentwicklung präventiv zu verhindern 14 Gemäß der Satzungshoheit kann die Personenzahl des Aufsichtsrates durch die Generalversammlung nach oben variiert werden (§ 36, Abs. 1, GenG). 8 (vgl. Geschwandter/Helios, 2006, S. 101). Dazu kontrolliert der Aufsichtsrat Umsatz, Rentabilität, Liquidität, Produktion, Lagerbestände sowie die Beschäftigtenzahl hinsichtlich einer vorteilhaften Entwicklung „mit Rücksicht auf die allgemeine Marktlage“ (Beuthien, 2000, S. 468). Er ist also „allein dem Unternehmenswohl verpflichtet“ (vgl. Geschwandter/Helios, 2006, S. 101). Zusätzliche Kompetenzen dieses Organs bestehen in der Einberufung der Generalversammlung (§ 38, Abs. 2, GenG), in der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Genossenschaft gegenüber dem Vorstand (§ 39, GenG) sowie in der vorläufigen Amtsenthebung von Vorstandsmitgliedern, inklusive der Übernahme ihrer Tätigkeiten, solange bis die Generalversammlung über eine potentielle Abberufung entschieden hat (§ 40, GenG). Infolge der Satzungshoheit können weitere Aufgabengebiete vereinbart werden (§ 38, Abs. 3, GenG), wie beispielsweise die Möglichkeit des Einsetzens von Ausschüssen zur genaueren Bearbeitung von konkreten Aufgabenstellungen durch Sachverständige (vgl. Steding, 2002, S. 120 und Geschwandtner, 2007, S. 92). Eine eingetragene Genossenschaft ist gesetzlich verpflichtet sich regelmäßig einer unabhängigen Prüfung durch eine externe Instanz zu unterziehen (§ 53, GenG). Im Gründungsstadium muss sie hierfür einem genossenschaftlichen Prüfungsverband beitreten (§ 11, Abs. 2 und § 54, GenG). Dieser stellt im Rahmen der Prüfung die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung auf Basis der gesetzlichen Richtlinien fest, indem er umfassend alle Einrichtungen, die Vermögenslage sowie die Tätigkeiten der Geschäftsführung begutachtet (vgl. Lang/Weidmüller, 2005, S. 649). Um die Objektivität des Prüfers zu bewahren, darf dieser weder ein Mitglied der zu prüfenden Genossenschaft sein, noch auf irgendeine Weise in einer Beziehung zu der Genossenschaft stehen, die ein Abhängigkeitsverhältnis begründen könnte.15 Die Intention dieser Prüfung bezieht sich in erster Linie auf den Schutz der Genossenschaftsmitglieder, wofür sie „seit jeher als wichtigstes Mittel angesehen [wurde], die Verwirklichung der genossenschaftlichen Zielsetzungen sicherzustellen“ (Lang/Weidmüller, 2005, S. 651). Demzufolge werden alle Zustände und Vorgänge in der Genossenschaft daraufhin untersucht, ob und inwieweit sie zur Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften beitragen, wie beispielsweise des genossenschaftlichen Förderzwecks (vgl. ebenda). Mit dem Ziel einer sorgfältigen und exakten Prüfung kann der Prüfer neben seinen Rechten auf Einsicht in alle relevanten Schriftstücke, auf Untersuchung der Bestände sowie auf Auskunft über alle benötigten Informationen, die Aufklärung von Sachverhalten mit Hilfe eines vom Registergericht erteilten Zwangsgeldbescheids einfordern (vgl. Lang/Weidmüller, 2005, S. 709 und § 57, Abs. 1, GenG). Die Ergebnisse beziehungsweise die wesentlichen Aussagen der Prüfung müssen der Generalversammlung mitgeteilt werden (§ 59, Abs. 2, GenG), wobei auch hier der Prüfungsverband in beratender Funktion anwesend sein darf (§ 59, Abs. 3, GenG). In Ergänzung zu der Möglichkeit, eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen (§ 60, GenG), stellt dieses Teilnahmerecht die gesetzliche Grundlage für die Prüfungsverfolgung dar, das heißt für die Kontrolle der Ausführung der zur Behebung der beanstandeten Mängel erforderlichen Maßnahmen (vgl. Lang/Weidmüller, 2005, S. 657). Jedoch besitzt der Prüfungsverband aufgrund des genossenschaftlichen Prinzips der Selbstorganschaft kein Weisungsrecht (vgl. ebenda, S. 726f). Werden die festgestellten Mängel nicht behoben, kann die Genossenschaft aus dem Verband ausgeschlossen werden, was eine gerichtliche Fristbestimmung zur Folge hat, innerhalb der die Genossenschaft einem anderen Verband beitreten muss (vgl. ebenda, 2005, S. 658 und § 54a, Abs. 1, GenG). Bleibt der Genossenschaft aufgrund von rechtskräftigen Ablehnungsgründen die Mitgliedschaft in einem anderen Verband verwehrt oder hält sie die gesetzte Frist nicht ein, spricht das zuständige Gericht die Auflösung der Genossenschaft aus (vgl. Lang/Weidmüller, 2005, S. 673f und § 54a, Abs. 2, GenG). 15 Diesbezügliche detaillierte Regelungen sind in § 55, GenG, verzeichnet. 9 Abb. 2: Schematische Darstellung der Organstruktur und Kontrollkompetenz in der eingetragenen Genossenschaft (Quelle: eigene Erstellung): Legislative Exekutive Generalversammlung Vorstand Aufsichtsrat Prüfungsverband Judikative Unabhängige Kontrollinstanz Kontrolle der Gesetzmäßigkeit Kontrolle der Vorteilhaftigkeit 5. Legitimation des Vergleichs der Organisationsformen Als Beispiele für soziale Gebilde – oder auch „Grundformen menschlichen Zusammenlebens“ (Sombart, 1959) – werden Wirtschaftsunternehmen und der Staat von Autoren, wie beispielsweise Vanberg, in einem Atemzug genannt.16 Die damit implizierte logisch-funktionale Verbindung zwischen diesen sozialen Strukturen wird über diverse Begriffe wie dem Verband, der Institution und der Organisation hergestellt (vgl. Vanberg, 1982, S. 23 bis 36). In Anlehnung an die Abgrenzung von spontaner und organisierter Ordnung nach Hayek basiert das Verhältnis der Kollektivgebilde auf deren Entstehung und Koordination durch die bewusste Anordnung und Lenkung eines Zentralorgans sowie deren Eigenschaft, dass sich ihre Mitglieder zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels zusammenschließen (vgl. Hayek, 1969, S. 111 und S. 151 und ders. 1971, S. 192).17 Dazu werden die individuellen Handlungen innerhalb dieser Organisationen über konkrete Anweisungen gesteuert, die es ermöglichen jedes Detail zweckgerichtet zu definieren (vgl. Hayek, 1969, S. 187 und ders. 2003, S. 51). Außerdem werden diese physisch wahrnehmbaren Ordnungen multilateraler Beziehungsgeflechte in ihrem Komplexitätsgrad durch die mit wachsender Größe steigenden Organisationskosten beschränkt (vgl. Hayek, 2003, S. 40). Ein wissenschaftlich sinnvoller Vergleich erfordert als Ausgangspunkt eine auf einer übergeordneten Abstraktionsebene angesiedelte Äquivalenz der Strukturen, die einer komparativen Analyse 16 So listet Vanberg „Vereine, Wirtschaftsunternehmen, politische Parteien oder Staaten“ (Vanberg, 1982, S. 1) als Formen sozialer Kollektivgebilde auf, während Gehlen von Institutionen wie „Familien, Berufsverbände, Gewerkschaften, Parteien“ (Gehlen, 1963, S. 205), wie „Ehe, Kirche, Staat“ (ebenda, S. 245) sowie „Hochschulen [und] Betriebe“ (ebenda, S. 334) spricht. Auch Albert verwendet die Organisationen Staat und Genossenschaft als Beispiele für „Kategorien für bestimmte Arten menschlichen Zusammenhandelns“ (Albert, 2008, S. 5). 17 Laut Mayntz werden als Organisationen „alle sozialen Gebilde bezeichnet, in denen eine Mehrzahl von Menschen zu einem spezifischen Zweck bewusst zusammenwirken“ (Mayntz, 1969, S. 762). 10 unterzogen werden sollen, denn „Äquivalenz ist die Voraussetzung für Vergleichbarkeit“ (Rippl/Seipel, 2008, S. 66). Weiterhin heißt es, dass „Sachverhalte dann als äquivalent angesehen werden, wenn sie in verschiedenen Kontexten dieselbe Funktion haben“ (ebenda).18 Diese Zusammenhänge ergeben sich aus den eben erwähnten Kriterien der Entstehung, Zielsetzung, Koordination und der dazu verwendeten Instrumente sowie der Steuerbarkeit und Komplexität. Bezüglich dieser Punkte lässt sich konstatieren, dass sowohl privatrechtliche Wirtschaftsunternehmen, als auch der Staat äquivalent und damit vergleichbar sind. Eine theoretische Fundierung der Äquivalenz dieser Organisationsformen bietet Colemans Modell der Ressourcenzusammenlegung. Einzelne Akteure schließen sich zusammen, um mit vereinten Mitteln ihren individuellen Nutzen zu steigern (vgl. Vanberg, 1982, S. 11ff). Die Gültigkeit dieses theoretischen Kalküls für den Staat, in dem die Bürger zum einen Abgaben leisten und diese einer gemeinsamen Disposition unterstellen sowie zum anderen ihren individuellen Handlungsspielraum durch die Bindung an eine allgemein akzeptierte Regelordnung einschränken, liegt auf der Hand. Ebenso offensichtlich werden auf der Basis dieses theoretischen Ansatzpunktes privatwirtschaftliche Firmen zur Nutzenoptimierung ihrer Eigentümer gegründet. Mit Hilfe einer geringeren Abstraktion der zu vergleichenden korporativen Akteure in Form einer Konkretisierung der spezifischen Unternehmensform bei weiterhin bestehender Äquivalenz lässt sich die Aussagekraft einer komparativen Untersuchung erhöhen. In Anbetracht der Differenzierung zwischen dem monokratisch-hierarchischen und dem genossenschaftlich-demokratischen Typ als die beiden Grundmuster zur Regelung der korporativen Probleme – die Organisation der Disposition über den Ressourcenpool sowie die soziale Verteilungsregel – fällt die Wahl der Unternehmensform auf die eingetragene Genossenschaft (vgl. Mayntz, 1968, S. 13). Denn sowohl der Staat, als auch die Genossenschaft fügen sich in das letztere Regelungsmuster ein, da über die Verwendung des Ressourcenpools und die Verteilung des Korporationsertrages in einem demokratischen Wahlprozess entschieden wird, während andere privatrechtliche Unternehmen durch eine monokratischhierarchische Struktur charakterisiert werden (vgl. Vanberg, 1982, S. 18ff). Zudem „gibt es keine Unternehmensform des Gesellschaftsrechts, die so wie die eingetragene Genossenschaft mit Solidarität, sozialem Denken und Demokratie verbunden wird“ (Steding, 2002, S. 28). Auch aus diesem Zitat wird die für die Vergleichbarkeit notwendige funktionale Ähnlichkeit zum Staat ersichtlich. Ein weiteres Argument für die Vergleichbarkeit beider sozialen Systeme bezieht sich auf die Einordnung von Colemans Modell in die Tradition des vertragstheoretischen Denkens (vgl. Vanberg, 1982, S. 37ff).19 Die Konstituierung der Regelungen des korporativen Handelns innerhalb einer Verfassung, der sich alle beteiligten Akteure verpflichten, gilt als notwendige Grundlage eines Staates, wie auch einer Genossenschaft. So kommt dem Genossenschaftsgesetz eine analoge Funktion zum Grundgesetz der staatlichen Ordnung zu, denn beide Gesetzbücher binden jegliche hoheitliche Koordinationsgewalt an das individualistisch fundierte Konsenskriterium (vgl. Gierke, 18 Diese Definition der Vergleichsmethodik ist aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich der komparativen Kulturforschung entnommen. Demnach ist es beispielsweise möglich, die oft zitierte Gegenüberstellung von Äpfeln und Birnen vorzunehmen, da sie auf einer übergeordneten Ebene dieselbe Funktion verbindet, denn sie tragen beide zur Nahrungsmittelaufnahme bei (vgl. Rippl/Seipel, 2008, S. 65). 19 Mit der Einbringung gewisser Ressourcen in einen gemeinschaftlichen Pool legen die Korporationsmitglieder „stillschweigend oder ausdrücklich eine Verfassung fest, die man durchaus als einen Gesellschaftsvertrag zwischen ihnen betrachten kann“ (Coleman, 1974, S. 758). 11 1954, Bd. 4, S. 524 und Buchanan, 1984, S. 95).20 Gierke leitet daraus die Einreihung des Staates und der Korporation in eine einheitliche Verbandstheorie ab (vgl. Gierke, 1954, Bd. 4, S. S. 178f).21 Die letzten Endes eindeutigste Bestätigung für eine bestehende Äquivalenz ergibt sich aus der von Vanberg aufgestellten Analogie des demokratischen Staates als Bürgergenossenschaft (vgl. Vanberg, 2008, S. 39ff, S. 106f und S. 118ff). Diese deduziert er aus Rawls Definition der Gesellschaft – im Rahmen der Theorie der Gerechtigkeit als Fairness – als einem „Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“ (Rawls, 1975, S. 105). Die Parallele zu Glasers Erläuterung der Genossenschaftsgesinnung als „Wille zur Zusammenarbeit, zur Erreichung gleichlaufender Individualinteressen“ (Glaser, 1992, S. 268) tritt klar hervor. Demnach ist ein demokratisches Gemeinwesen „ein genossenschaftlicher, mitgliederbestimmter Verband, der dem wechselseitigen Vorteil seiner Mitglieder, der Bürger dienen soll“ (Vanberg, 2008, S. 118). In diesem sind die Bürger „die Genossen dieses Verbandes, also seine Prinzipale oder Letztsouveräne“ (ebenda, S. 40), die als „die Eigentümer des politischen Gemeinwesens als eines Territorialverbandes“ (ebenda, S. 106) auftreten. Die herausgestellten Parallelen rechtfertigen den im Anschluss erfolgenden Vergleich. Dennoch muss den Grenzen des komparativen Ansatzes Beachtung geschenkt werden, indem betont wird, dass die privatrechtliche Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft in die konstitutionelle Regelordnung des Staates integriert ist. Dementsprechend findet das Genossenschaftsgesetz seine Existenzgrundlage in der deutschen Verfassung, während diese unabhängig von der eingetragenen Genossenschaft besteht. 6. Vergleich der Kontrollmechanismen innerhalb der Organstruktur Die komparative Analyse der Kontrollkompetenz, die auf ihrer Darstellung im zweiten und vierten Kapitel dieser Arbeit basiert, ist aus Gründen der Übersichtlichkeit nach dem in beiden Organisationen angewendeten Prinzip der Gewaltenteilung gegliedert. In der Genossenschaft findet der Willensbildungs- und Entscheidungsprozess in der Generalversammlung statt, an der die Gesamtheit aller Mitglieder teilnahmeberechtigt ist. Der Analogie des Staates als Bürgergenossenschaft folgend sind die Staatsangehörigen „die Genossen dieses Verbandes“ (Vanberg, 2008, S. 40), „von denen jegliche Autorität, über Verbandsangelegenheiten zu entscheiden, ausgeht“ (ebenda, S. 106). Deren beträchtliche Gesamtzahl begründet den Verfassungsgrundsatz der repräsentativen Demokratie, dementsprechend der Bundestag als Volksvertretung durch das Wahlverfahren unmittelbar demokratisch legitimiert ist. Wie zuvor dargelegt, kann die Genossenschaft ab einer gewissen Größe eine Vertreterversammlung bilden, die alle Aufgaben und Funktionen der Generalversammlung stellvertretend für die Gesamtheit der Genossen 20 In Glenks Einführung in das Genossenschaftsrecht wird „das Genossenschaftsgesetz, gleichsam das Grundgesetz des Genossenschaftswesens“ (Glenk, 2007, S. XIII) durch diese Apposition näher umschrieben. 21 In Bezug auf die Sozialvertragstheorie des Althusius erklärt Buchanan, dass innerhalb dieser „aus Vertragsprinzipien eine auf menschliche Verbände jeder Art anwendbare logische Grundlage für kollektive Organisation abgeleitet wird“ (Buchanan, 1962, S. 318). Ebenso spricht Vanberg von einer „gemeinsamen logischen Grundlage des öffentlichen und privaten Verbandswesens“ (Vanberg, 1982, S. 47). 12 übernimmt.22 Demnach wird die Vertreterversammlung analog zum Parlament zum primären Forum der kollektiven Auseinandersetzung und Willensbildung, dessen Entscheidungen – ebenfalls analog – über einen Mehrheitsbeschluss in Kraft treten. Diese sind grundsätzlich anfechtbar, sofern Rechtsfehler vorliegen.23 Vor diesem Hintergrund nehmen beide Organe nahezu ausschließlich die gleichen Kompetenzen wahr, denn in der Ausübung der legislativen Gewalt wird ihnen zunächst die Gesetzgebungsfunktion, beziehungsweise die Satzungshoheit, zur Regelung der staatlichen oder genossenschaftlichen Angelegenheiten zugesprochen. Desweiteren sind sie im Sinne der Kreationsfunktion dazu berechtigt, weitere Organe zu erschaffen, wie beispielsweise Untersuchungsausschüsse oder genossenschaftliche Beiräte (vgl. Steding, 2002, S. 114). Obwohl jedem Genossen ein individuelles Klagerecht zukommt, durch das er die getroffenen Entscheidungen aller Organe gerichtlich begutachten lassen kann, ist die konkrete Überwachung der Exekutiven dem Aufsichtsrat aufgetragen. Dagegen wird diese Kontrollfunktion in der staatlichen Ordnung explizit vom Parlament ausgeübt, das im Rahmen des Enquêterechts Untersuchungsausschüsse zur Überprüfung von Regierungshandlungen einberufen darf. Ein vergleichbares Pendant zum Bundesrat ist im Genossenschaftsgesetz nicht verankert. Da die hier entwickelte Verfassungsreform dieses Organ unverändert übernimmt und somit seine Funktion als Gegengewicht der Länder zur politischen Macht des Bundes im Sinne des föderalen Verfassungsprinzips der Bundesstaatlichkeit bewahrt bleibt, kann es in der Argumentation im Rahmen dieses Beitrages vernachlässigt werden. Als Träger der exekutiven Staatsgewalt entspricht die Bundesregierung dem Vorstand in der Genossenschaft, da ihre primäre Funktion jeweils in der Staatsleitung, beziehungsweise in der Geschäftsführung liegt. Die Kompetenzzuordnung verläuft entsprechend symmetrisch in beiden korporativen Akteuren. Neben der Organisationsleitung verpflichten sich beide Organe zu der Verwaltung des Verbandes sowie zu seiner gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung gegenüber Dritten, inklusive der Vertragsschlussberechtigung.24 Die bisherige komparative Untersuchung der Organe stellt sich in der Durchführung unproblematisch dar, weil das Grundgesetz und das Genossenschaftsgesetz das Prinzip der Gewaltenteilung analog anwenden, wodurch sich funktional äquivalente Organstrukturen gegenüberstellen lassen. Diese Möglichkeit ist in der Analyse der Judikativen nur begrenzt vorhanden. Als privatrechtliche Gesellschaft ist die Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft in die deutsche Rechtsordnung integriert und untersteht deshalb der deutschen Gerichtsbarkeit (vgl. Steding, 2002, S. 33). Somit obliegt die rechtsprechende Kompetenz im Staat und in der Genossenschaft denselben Gerichten, weshalb die für die Vergleichbarkeit erforderliche Äquivalenz aufgrund der übereinstimmenden Identität des Organs der Rechtsprechung in beiden Organisationen nicht mehr gegeben ist. Wenn jedoch die Annahme beibehalten wird, dass das Genossenschaftsgesetz die Verfassung dieser Unternehmensform symbolisiert, so gilt der „Aufsichtsrat als unabhängige Judikative“ (Lang/Weidmüller, 2005, S. 412), da er für die Kontrolle der exekutiven Gewalt und damit für den Schutz der Verfassung zuständig ist. Diese Kompetenz ist in der staatlichen Ordnung dem 22 Der Grundsatz des freien Mandats und die damit implizierte Weisungsunabhängigkeit gelten sowohl für die parlamentarischen Abgeordneten wie auch für die genossenschaftlichen Vertreter. 23 Die Anfechtung einzelner vom Bundestag verabschiedeter Gesetze erfolgt über eine Klage beim Bundesverfassungsgericht, das im Rahmen eines Verfahrens der konkreten oder abstrakten Normenkontrolle oder der Verfassungsbeschwerde deren Wirksamkeit überprüft (vgl. Degenhart, 2007, S. 293ff). 24 Unter der Bezeichnung einer dritten Partei ist in der staatlichen Ordnung beispielsweise ein anderer souveräner Staat oder ein Staatenverbund zu verstehen. 13 Verfassungsgericht zusätzlich zur konkreten Rechtsprechung übertragen. Auf Basis dieser funktionalen Überschneidung lässt sich eine komparative Gegenüberstellung beider Organe rechtfertigen. Allerdings zeigt sich, dass die Methoden voneinander abweichen, mit denen die identische Zielsetzung des Schutzes der Verfassung realisiert wird. Denn das Verfassungsgericht überprüft alle staatlichen Vorgänge auf ihre Konformität mit den durch das Grundgesetz bereitgestellten Rechtsnormen. Zudem setzen die Verfassungsrichter ihr juristisches Fachwissen erst dann ein, wenn die Antragsstellung bezüglich eines Untersuchungsgegenstandes die Zulässigkeitsbedingungen für die Eröffnung eines der detailliert definierten Verfahren erfüllt. Dagegen überwacht der Aufsichtsrat nur die Vorstandsaktivitäten, deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben sowie die resultierenden langfristigen Effekte auf die Wirtschaftlichkeit der Genossenschaft. Dabei prüft er die Entscheidungen nicht nur anhand ihrer Gesetzesmäßigkeit, sondern auch auf ihre Vorteilhaftigkeit für die Mitglieder anhand unternehmensspezifischer und betriebswirtschaftlicher Aspekte. Dazu benötigen die Aufsichtsratsmitglieder zu jeder Zeit einen Gesamtüberblick über die Unternehmenslage, um festzustellen, welche einzelnen Handlungen einer präzisen Prüfung bedürfen. Diese Stichprobenkontrolle erfolgt also nicht auf Antrag einer dritten Partei, sondern aus der Überzeugung der Aufsichtsratsmitglieder, dass ein konkretes Vorgehen dem Unternehmenswohl widerspricht. Voraussetzung dafür ist nicht nur die Kenntnis der Gesetze, sondern auch der betriebswirtschaftlichen und branchenspezifischen Regeln für eine auf die Mitgliederinteressen ausgerichtete, effiziente Geschäftspolitik (vgl. Lang/Weidmüller, 2005, S. 412 und S. 453). Für den weiteren Verlauf der komparativen Analyse der Judikativen ist die im Genossenschaftsgesetz fixierte Regelung der Pflichtmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband relevant. Diese unabhängige, externe Organisation ist aufgrund des Prinzips der Selbstorganschaft kein Bestandteil der Organstruktur, denn der vom Verband ermächtigte Prüfer darf laut Paragraph 55, GenG, nicht in einem Mitgliedschafts- oder Abhängigkeitsverhältnis zu der Genossenschaft stehen. Dennoch übernimmt sie – analog zum Verfassungsgericht – die Kontrolle aller Zustände und Vorgänge in der Gesellschaft und überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Richtlinien in regelmäßigen, vorab angekündigten Prüfungen. Dadurch dient sie den Interessen der Genossen, der Gläubiger sowie der Allgemeinheit und kann deshalb wie das Verfassungsgericht und der Aufsichtsrat als eine für den Schutz der Verfassung konzipierte Einrichtung interpretiert werden. Vor diesem Hintergrund wird an dieser Stelle der Prüfungsverband als zusätzliche Kontrollinstanz im Genossenschaftswesen in den Vergleich der judikativen Hoheitsgewalt integriert. Die Motivation für die Bedingung einer externen Prüfung bezieht sich auf die Forderung nach einer von der Genossenschaft unabhängigen Kontrolle. Auch das Verfassungsgericht und der Aufsichtsrat sind diesem Unabhängigkeitspostulat gemäß des Grundsatzes der strikten Gewaltentrennung unterstellt.25 Dementsprechend handeln alle drei Gremien weisungsunabhängig. Doch während der Aufsichtsrat und der Prüfungsverband auch nicht weisungsbefugt sind, haben die Entscheidungen des Verfassungsgerichts Gesetzeskraft und wirken sich somit nicht nur auf alle Staatsbürger aus, sondern auch auf die staatlichen Organe. So eröffnet sich den genossenschaftlichen Kontrolleinrichtungen im Gegensatz zum Verfassungsgericht keine Möglichkeit, über die Vorgabe des rechtlichen Rahmens der kollektiven Willensbildung direkt in die Geschäftsführung einzugreifen. 25 Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, werden verschiedene Maßnahmen in Anspruch genommen. So ist beispielsweise die Wiederwahl der Verfassungsrichter ausgeschlossen und die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder auf Basis des Geschäftsergebnisses ebenso unzulässig wie die gleichzeitige Berufung einer Person in den Vorstand und in den Aufsichtsrat (vgl. Kapitel 2 und 4). 14 Allerdings verfügen sie über eindrucksvolle Rechtsmittel, um ihren Kritikpunkten und vorgeschlagenen Korrekturmaßnahmen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Denn dem Aufsichtsrat ist es gestattet, eine vorläufige Amtsenthebung der Vorstandsmitglieder zu veranlassen, bis die General- oder Vertreterversammlung über eine potentielle Abberufung debattiert hat, und der Prüfungsverband kann die Genossenschaft aufgrund nicht behobener Mängel aus der Mitgliedschaft ausschließen, was unter Umständen zu ihrer Auflösung führen kann. Zur Verrichtung ihrer Kontrolltätigkeit besitzen alle drei Instanzen weitreichende Informationsgenerierungsrechte, die einen Anspruch auf Auskunft und Aufklärung prüfungsbedürftiger Sachverhalte sowie auf Einsicht in alle diesbezüglich benötigten Schriftstücke beinhaltet. Gleichsam sind sie verpflichtet, die Genossenschaft, beziehungsweise die Öffentlichkeit über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu unterrichten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass zwar alle drei Gremien die Einhaltung der Gesetze garantieren, aber nur der Aufsichtsrat eine ständige Kontrolle der Geschäftsführung in Bezug auf die Gesetzesmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit der Vorstandsentscheidungen für die Genossenschaft durchführt, während das Verfassungsgericht und der Prüfungsverband allein auf Basis der gesetzlichen Richtlinien urteilen und außerdem entweder erst nach Antragsstellung im Falle der ersteren Einrichtung, oder nach Ablauf einer Frist im Kontext der letzteren aktiv werden. Interessanterweise obliegt die ständige Überwachung der Regierungshandlungen in der staatlichen Ordnung dem Parlament, also dem Organ der gesetzgebenden Gewalt, das wie der Aufsichtsrat nicht nur die Konformität der exekutiven Entscheidungen mit den Gesetzesvorgaben, sondern auch deren Wünschbarkeit gemessen an den Bürgerinteressen begutachtet. Mit dem Gedanken im Hintergrund, dass an dieser Stelle zwei unterschiedliche Gewalten verglichen werden, zeigt sich, dass die Kontrollkompetenz des Parlaments Parallelen zur Aufgabe des genossenschaftlichen Aufsichtsrats aufweist, da sowohl der Adressat der Prüfung, als auch die Beurteilungskriterien übereinstimmen. Zudem ist es beiden Organen gestattet, Ausschüsse zur präzisen und informierten Untersuchung der beanstandeten Sachverhalte einzusetzen. Im Rahmen der Prüfungsverfolgung kann der Bundestag ähnlich wie das Recht des Aufsichtsrates zur Amtsenthebung von Vorstandsmitgliedern der Exekutiven das Vertrauen entziehen und so die Ablösung der Regierung über Neuwahlen einleiten. Allerdings verfügt er darüber hinaus als legislative Gewalt im Gegensatz zum Aufsichtsrat über die Alternative, den gesetzlichen Rahmen zu modifizieren, der die Leitungsmacht des Kanzlers und seiner Minister beschränkt. Da die Besetzung des Parlaments und der Regierung über Wahlprozesse geregelt ist, herrschen jeweils dieselben Mehrheitsverhältnisse. Deshalb ist es fraglich, ob eine Gesetzesänderung oder ein Misstrauensvotum gegen die Regierung die erforderliche Mehrheit im Parlament erhalten kann. Ist das nicht der Fall, bleibt der Minderheit der Verfahrensantrag zur Prüfung der Mängel beim Verfassungsgericht (vgl. Rausch, 1984, S. 124). 7. Der Reformvorschlag Die Ergebnisse der komparativen Analyse des Staates und der Genossenschaft schlagen eine zu Hayeks Lösungskonzept alternative Vorgehensweise vor. Im Genossenschaftswesen wird die Organstruktur in Bezug auf die Gewaltenteilung analog zur staatlichen Gliederung differenziert. Jedoch ist die Kompetenzzuordnung insofern unterschiedlich geregelt, dass die Kontrolle der Exekutiven dem Aufsichtsrat aufgetragen ist, also dem Organ der judikativen Gewalt. Dementsprechend ist das Problem der Doppelaufgabe des gesetzgebenden Organs dadurch gelöst, 15 dass die Kontrollfunktion aus seinem Kompetenzbereich ausgegliedert und der im Sinne der strikten Gewaltentrennung unabhängigen Judikativen zugeteilt ist. Infolge dessen verbleibt der General- oder Vertreterversammlung die Aufgabe der Gestaltung des Regelrahmens, innerhalb dessen der Vorstand seine Geschäftsführungspflicht ausübt, die wiederum durch den Aufsichtsrat auf ihre Gesetzesmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit für die Interessen der Genossen überprüft wird. Die Kontrolle der Gesetzgebung obliegt analog zum Verfassungsgericht dem genossenschaftlichen Prüfungsverband. Gemäß der genossenschaftlichen Vorlage beinhaltet das hier vorgeschlagene Reformkonzept die Bildung eines – neben dem Verfassungsgericht – zweiten Organs der judikativen Staatsgewalt, das im Folgenden als „Senat“ bezeichnet wird. Diesem obliegt die Kontrolle der Regierung, die bisher das Parlament ausführte. Im Unterschied zur genossenschaftlichen Regelordnung wird der Zuständigkeitsbereich des Senats auf die Kontrolle der Legislative ausgedehnt, was im weiteren Verlauf begründet wird. Abb. 3: Schematische Darstellung der Organstruktur und Kontrollkompetenz in der staatlichen Ordnung nach Reformeinführung (Quelle: eigene Erstellung): Legislative Bundesrat Exekutive Bundesregierung Bundestag Bundesverfassungsgericht Judikative Bundessenat Kontrolle der Gesetzmäßigkeit Kontrolle der Vorteilhaftigkeit Ein Vergleich des konstitutionellen Rahmens des Staates und der eingetragenen Genossenschaft sowie der Rechte und Pflichten offenbart weitreichende Parallelen, die zu nahezu identischen Regelordnungen führen.26 Die Tatsache, dass der genossenschaftliche Aufsichtsrat innerhalb eines Regelrahmens entstanden ist, der gleichsam der staatlichen Ordnung zugrunde liegt, lässt die Schlussfolgerung zu, dass seine Konstituierung als verfassungsrechtliches Organ des Grundgesetzes dem demokratischen und rechtsstaatlichen Verständnis der staatlichen Regelordnung entspricht. Zudem impliziert die Äquivalenz der Rechte und Pflichten in beiden Organisationen, dass ein solches Kontrollgremium im Staatsgefüge gleichermaßen die individuelle Privatsphäre der souveränen Bürger schützt. 26 Dieses Ergebnis ist der komparativen Untersuchung im Rahmen meiner Diplomarbeit entnommen (siehe Fn. 1). 16 Beide Aspekte sprechen zwar für die Gesetzmäßigkeit dieses Reformvorschlags, jedoch können sie die Bildung eines staatlichen Aufsichtsrates noch nicht legitimieren. „Betrachtet man demokratische Staaten beziehungsweise demokratische Gemeinwesen als genossenschaftliche Verbände, die den gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder, der Bürger, dienen sollen, so gibt es ein eindeutiges Kriterium, an dem mögliche alternative Organisationsformen und das Verhalten derjenigen gemessen werden können, die als Agenten der Bürger-Prinzipale politische Macht ausüben. Dieses Kriterium ist die Förderung der gemeinsamen Interessen der Bürger“ (Vanberg, 2008, S. 118). Dementsprechend kann das normative Grundprinzip der Demokratie, das in der konstitutionellen Ökonomik als Bürgersouveränität bezeichnet wird, so verstanden werden, dass der Staat die Interessen aller Bürger beachten muss und um so leistungsfähiger eingestuft werden kann, je eher er den politischen Prozess zur gemeinsamen Vorteilsrealisierung aller Bürger gestaltet (vgl. ebenda, S. 40 und S. 106f).27 Da die Betonung auf den gemeinsamen Interessen der Gesamtheit aller Bürger liegt, können staatliche Handlungen oder Entscheidungen nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie konsensfähig sind. Folglich kommt nur ein Wahlverfahren in Betracht, das auf der Einstimmigkeitsregel basiert. In ihrem Werk „The Calculus of Consent“ legen Buchanan und Tullock dar, warum diese auf der Ebene der Handelnsordnung nicht praktikabel ist (vgl. Buchanan/Tullock, 1962).28 Aufgrund dessen wird das Konsenskriterium auf die Ebene der Regelordnung verlagert, auf der ein auf dem Mehrheitsprinzip basierendes Wahlverfahren und die Delegation von Entscheidungsmacht zur Regelung politischer Einzelentscheidungen einstimmig von allen Bürgern ratifiziert wird (vgl. Vanberg, 2008, S. 42 und S. 107). Vor diesem Hintergrund kann der Fall eintreten, dass die Interessen einzelner Individuen – der Minderheit – verletzt werden, was nur zu rechtfertigen ist, wenn die getroffenen Mehrheitsentscheidungen tatsächlich aus dem einstimmig legitimierten Wahlverfahren resultieren. Um das zu gewährleisten, um also den Einfluss von Privilegieninteressen auf die kollektiven Beschlüsse zu reduzieren, muss die staatliche Handlungsmacht derart begrenzt werden, dass Verfassungsregeln die Vergabe von Privilegien unterbinden und nur allgemeingültige Entscheidungen zulassen (vgl. Vanberg, 2008, S. 143). Analog zu seinem genossenschaftlichen Vorbild untersucht der Senat die auf den Mehrheitsentscheidungen beruhenden exekutiven Handlungen der Staatsleitung auf ihre Gesetzesmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit für die Bürger. Seine Aufgabe liegt also in der Prüfung, ob die Regierungstätigkeit dem Kriterium der Förderung der gemeinsamen Bürgerinteressen entspricht. An dieser Stelle empfiehlt es sich, von der genossenschaftlichen Vorlage abzuweichen und den Kontrollbereich des Senats mit der zusätzlichen Überwachung der Gesetzgebung zu erweitern.29 Denn nicht nur die durch die Mehrheitsbeschlüsse bedingten Handlungen, sondern auch die Verfahren der kollektiven Willensbildung können durch Privilegieninteressen beeinflusst werden. Auf diese Weise dient der Senat der Sicherung der Bürgersouveränität, indem er die staatliche Handlungsmacht auf den Erlass nicht diskriminierender 27 Die Ableitung des Konzeptes der Bürgersouveränität aus der Analogie zur Konsumentensouveränität innerhalb wirtschaftlicher Austauschprozesse, beziehungsweise der dieser Analogie zugrundeliegende Zusammenhang zwischen den Paradigmen wechselseitiger Tauschvorteile auf dem Markt und wechselseitiger Vorteile gemeinsamer Bindung im Rahmen kollektiven oder staatlichen Handelns ist der Ausgangspunkt der vertragstheoretischen Verfassungsökonomik Buchanans (vgl. Vanberg, 2008, S. 119f). 28 Ihre Argumentation bezieht sich darauf, dass unter der Maxime der Gleichberechtigung aller Bürger im Rahmen der Einstimmigkeitsregel jeder über ein Vetorecht verfügt. Da der Bürger nur den Entscheidungen zustimmt, die in seinem Interesse liegen, während er alle anderen blockiert, wird die Entscheidungsfindung dermaßen erschwert, dass nur die Vereinbarung einer Mehrheitsregel die Durchführung von staatlichen Handlungen ermöglicht (vgl. Vanberg, 2008, S. 40ff). 29 Ein denkbarer Einwand ergibt sich aus der Überlegung, dass kein zusätzlicher Nutzen aus der Kontrolle generiert wird, wenn sowohl der Senat, als auch das Verfassungsgericht dieselben Organe überwacht. Auf diese Kritik wird in der im Anhang beigefügten Abgrenzung der beiden Organe eingegangen. 17 Regeln beschränkt und die Vergabe von Privilegien verhindert.30 Folglich ist die Annahme gerechtfertigt, dass die gemeinsamen Interessen der Bürger, die dieses Kontrollgremium schützt, seine Konstituierung legitimieren. Als Voraussetzung für die effektive Aufgabenerfüllung des Aufsichtsrates muss seine absolute Unabhängigkeit gegeben sein. Der vorliegende Reformvorschlag antizipiert, die Unabhängigkeit durch die Zuordnung der Kontrollfunktion in den Kompetenzbereich der judikativen Staatsgewalt zu gewährleisten. Allerdings bedeutet die Berufung auf das Verfassungsprinzip der strikten Gewaltentrennung nicht automatisch die Wahrung des Unabhängigkeitspostulats in der Realität. Da die Mitglieder des genossenschaftlichen Aufsichtsrates über dasselbe Majoritätsverfahren gewählt werden, das auch die Besetzung des Vorstandes bestimmt, ist davon auszugehen, dass es in beiden Organen zu einer Gleichverteilung der Machtverhältnisse kommt. Daraus resultiert eine Tendenz zur Kollusion zwischen exekutiver und judikativer Gewalt. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der Aufsichtsrat „nicht selten mehr auf der Seite des Managements steht, vermutlich infolge Vereinnahmung oder/und falschverstandener vertrauensvoller Zusammenarbeit“ (Blümle/Ringle, 1986, S. 174), anstatt sein Handeln auf die gemeinsamen Interessen aller Mitglieder auszurichten. Demnach scheinen auch die genossenschaftlichen Mechanismen zur Sicherung der Unabhängigkeit nicht die gewünschte Wirkung zu entfalten.31 Diese Erkenntnisse implizieren jedoch keine grundsätzlich mangelnde Funktionsfähigkeit des Reformvorschlags, sondern verweisen auf das Erfordernis einer bewussten und zielgerichteten institutionellen Gestaltung des Senats. Dafür dient das genossenschaftliche Pendant als Modellvorlage zur Orientierung, aber nicht zur identischen Konzipierung. Das konkrete Design des Senats stellt ein umfangreiches und spannendes Diskussionsthema dar, das eine präzise Analyse der einzelnen Teilaspekte verlangt. Die diesbezüglichen Fragestellungen werden in der abschließenden Diskussion angesprochen. 8. Diskussion Hayeks Werk „Die Verfassung der Freiheit“ (2005) beginnt mit einem Zitat von Algernon Sydney: „Wir suchen nicht nach Vollkommenheit, da wir nur zu gut wissen, dass diese in menschlichen Dingen nicht zu finden ist, sondern nach jener Verfassung, die von den geringsten und entschuldbarsten Unzulänglichkeiten begleitet ist.“ Vor diesem Hintergrund zielt der deduzierte Reformvorschlag auf eine Verbesserung des konstitutionellen Rahmens der staatlichen Ordnung, die unter der Voraussetzung einer effizienten und zielgerichteten institutionellen Ausgestaltung des Senats den Einfluss der Privilegieninteressen auf den politischen Entscheidungsprozess blockiert. Dadurch verbleiben den gewählten Volksvertreter nur jene Handlungsalternativen, die den gemeinsamen Bürgerinteressen entsprechen und somit das Kriterium der Bürgersouveränität erfüllen. 30 Entsprechend dieser Auffassung übernimmt der Senat die Rolle der Wissenschaft, die nach Eucken als ordnende Potenz die Funktion eines Korrektivs wahrnimmt, „wenn Interessengruppen zur Durchsetzung von Sonderwünschen Scheinargumente ins Feld führen, die auf falschen, das heißt wissenschaftlich nicht haltbaren Ideologien beruhen“ (Leschke, 2002, S. 92). Ob der Senat über das dafür notwendige Wissen verfügt, ist eine Frage seiner personellen Besetzung und bezieht sich somit auf seine institutionelle Ausgestaltung. 31 Im Genossenschaftsgesetz sind der Grundsatz der Unvereinbarkeit von Ämtern und das Gebot, die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder nicht anhand des Geschäftsergebnisses zu bemessen, zur Sicherung der Unabhängigkeit verankert. Außerdem wird diese Zielsetzung durch die Regelung verfolgt, dass der Aufsichtsrat weder weisungsbefugt noch weisungsgebunden ist. 18 Die erfolgreiche Aufgabenerfüllung des Senats gründet auf der zweckmäßigen Konstruktion eines konkreten Regelrahmens, der den Handlungsspielraum des Kontrollorgans definiert. Darin inbegriffen sind spezifische Maßnahmen, welche die Unabhängigkeit der Senatsmitglieder realisieren und opportunistische Verhaltensstrategien unterbinden. Die Analyse einer Modellverfassung für den Senat erfordert eine präzise Erörterung der folgenden Aspekte hinsichtlich ihrer ökonomischen und sozialen Effekte und beansprucht eine ausführliche wissenschaftliche Diskussion, um ihre Validität zu evaluieren und alternative Vorgehensweisen zu berücksichtigen. Dabei stellen die hier genannten Aspekte nur einen Teil des erforderlichen Forschungsbedarfs dar. In Bezug auf die Besetzung des Senats verlangt das notwendigerweise komplexe Wissen über die Ordnungszusammenhänge sowie über relevante aktuelle Themenbereiche fachspezifisch informierte Senatsmitglieder, die sich aus der „scientific community“ (Vanberg, 2008) rekrutieren lassen. Denn nach Eucken zeichnen sich Wissenschaftler durch ihre Fähigkeit als ordnende Potenz aus, denen gemäß Böhms Forderung ein berufliches Interesse auf die Einsicht in die Ordnungszusammenhänge unterstellt werden kann (vgl. Eucken, 2004 und Böhm, 1980). Neben der Besetzung spielt auch das Verfahren der Bestellung eine herausragende Rolle, für das sich verschiedene Alternativen anbieten. Diese beinhalten unter anderem ein ähnliches Vorgehen zu Hayeks Wahl der gesetzgebenden Versammlung (vgl. Hayek, 2003), zu der Bestellung der Verfassungsrichter (vgl. Degenhart, 2007) sowie zu der Berufung des Sachverständigenrats, bezüglich dessen Cassels Reformüberlegungen mit in die Analyse einbezogen werden sollten (vgl. Cassel, 2001). Insbesondere gilt es, die Auswirkungen einer Direktwahl der Senatsmitglieder durch die Bürger zu begutachten und die Anwendung dieser Option zu evaluieren. Die Überlegungen zum Wahlverfahren dienen der Sicherung der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates, die durch institutionelle Mechanismen unterstützt werden muss. Beispielsweise kann die Regelanwendung der Unvereinbarkeit der Ämter (§ 37, GenG), des Verbots der Wiederwahl, der Festlegung eine spezifische Berufsgruppe als Bewerbungsvoraussetzung – z.B. Universitätsprofessoren – sowie die gesetzlich verankerte Definition von Rechtsfolgen bei Amtsmissbrauch oder Pflichtverletzung geprüft werden. Im Rahmen der Aufgabendifferenzierung wird die Monitorfunktion des Senats durch die folgenden Kriterien näher spezifiziert. Als Adressat der Überwachung werden die Organe der exekutiven und legislativen Gewalt identifiziert, während sich der Kontrollumfang auf alle politischen Entscheidungsprozesse und ihre Ergebnisse beläuft, sobald ein begründeter Verdacht auf eine unrechtmäßige Beeinflussung durch Privilegieninteressen vorliegt. Dabei muss eruiert werden, ob allein die Bundespolitik im Fokus steht oder ob die Kontrollbefugnis auf die Länderebene ausgedehnt wird. Als Bemessungsreferenz der Kontrolle fungiert das Kriterium der Förderung der gemeinsamen Bürgerinteressen, so dass politische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit für die Bürger bewertet werden. Desweiteren müssen die einzelnen Kompetenzen bezüglich der Kontrollmethoden untersucht und geregelt werden. In Anbetracht des Unabhängigkeitspostulats empfiehlt sich die Übernahme der genossenschaftlichen Richtlinien, nach denen der Senat weder weisungsbefugt noch weisungsgebunden ist. Um dennoch den Kontrollergebnissen im Willensbildungs- und Regelausführungsprozess Nachdruck zu verleihen, besteht die Möglichkeit eines auf Einstimmigkeit basierenden Vetorechts bei nicht regelkonformen Entscheidungen der politischen Volksvertreter. Dessen Ausübung könnte zu einer Debatte im Bundestag und in einem weiteren Schritt zu einem Volksentscheid im Sinne einer direkten Demokratie führen. Außerdem sind die Einberufung einer außerordentlichen Bundestags- 19 sitzung, die Formulierung von Empfehlungen sowie die Bildung von Ausschüssen zur präzisen und umfassenden Prüfung konkreter Sachverhalte denkbar. Ein ebenfalls relevanter, klärungsbedürftiger Zusammenhang ergibt sich aus der Verfahrenswahl der Entscheidungsfindung im Senat. Voraussichtlich wird sich eine unmittelbare, offene Abstimmung als angemessen und praktikabel erweisen. Darüberhinaus gilt es zu überlegen, ob die Ausführung konkreter Maßnahmen auf der Grundlage einer Einstimmigkeitsregel oder einer qualifizierten, bzw. einfachen Mehrheitsregel ausgelöst wird. Neben der konkreten Formulierung einer Senatsverfassung erfordert ein vollständiges Reformdesign auch eine Analyse der Implementierbarkeit des Reformkonzepts, die eine Untersuchung der wirtschaftspolitischen Reformwirkungen auf die sozialen und ökonomischen Verhältnisse in der Gesellschaft mit einschließt. Da die Einführung des Vorschlags eine Begrenzung der Handlungsalternativen der politischen Entscheidungsträger manifestiert und damit ihre Machtposition schwächt, verzeichnen diejenigen Akteure einen individuellen Nutzenverlust, deren Zustimmung für die Reformeinführung erforderlich ist. Folglich ist das Zusammenkommen einer Mehrheit im Parlament zur Unterstützung der Implementierung unwahrscheinlich. Um dennoch Bedingungen für eine erfolgreiche Implementierung aufzustellen, empfiehlt es sich, die Prinzipal-Agenten-Beziehung als Konfliktsituation zu modellieren. Denn in einer repräsentativen Demokratie erhalten die Agenten ihre Entscheidungsmacht basierend auf den Wahlentscheidungen der Prinzipale, denen die Verfassung ein Partizipationsrecht am politischen Entscheidungsprozess gewährt. Darauf gründen die Signalisierungs- und die Disziplinierungsfunktion des demokratischen Wahlverfahrens. Im Rahmen der Analyse der Konflikterfolgsfunktionen gilt es, deren Wirksamkeit bezüglich der Reformimplementierung zu untersuchen, das heißt, inwiefern die Bürger mit Hilfe der Voice-Option in der Lage sind, das Reformkonzept gegen die Machterhaltungsinteressen der politischen Entscheidungsträger durchzusetzen. Entsprechende Strategien zur Unterstützung der Reformeinführung gilt es abzuleiten. Diesbezüglich steht insbesondere die Erörterung des Konfliktandrohungspotentials der Bürger im Forschungsinteresse. 20 Anhang: Gesetzesmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit Innerhalb dieses Beitrages wird die Überwachung des politischen Entscheidungsprozesses und seiner Ergebnisse differenziert in eine Kontrolle der Gesetzesmäßigkeit und der Vorteilhaftigkeit. Da jedoch eine gesetzesmäßige Entscheidung immer auf den Vorteil der Bürger abstellt und eine vorteilhafte Entscheidung zwingend im gesetzlichen Rahmen erfolgt, gilt es beide Bemessungsgrundlagen voneinander abzugrenzen. Die Prüfung der Gesetzesmäßigkeit bezieht sich ausnahmslos auf die Konformität des Kontrollgegenstands mit den rechtlichen Grundlagen. Entsprechend entscheidet das Verfassungsgericht „ausschließlich in Anwendung von Verfassungsrecht“ (Degenhart, 2007, S. 284). In diesem Sinne wird die Kontrolle der Gesetzesmäßigkeit als unpersönlich interpretiert, da sie allein auf Gesetze zurückgreift. Dagegen involviert die Prüfung der Vorteilhaftigkeit explizit den zu erwarteten Nutzen der durch die politischen Entscheidungen betroffenen Individuen. Dabei beachtet die Kontrolle nicht nur den Zeitpunkt der Entscheidungen, sondern auch ihre Auswirkungen auf die zukünftigen Generationen. Aufgrund des diskretionären Spielraumes im Rahmen des gesetzlichen Normengerüsts, ergeben sich für die Volksvertreter Entscheidungsalternativen, die nicht das gemeinsame Interesse der Bürger fördern und dennoch nicht im Konflikt mit dem geltenden Recht stehen. Die Begrenzung des Ausmaßes daraus resultierender Handlungen erfordert eine Bewertung ihrer Vorteilhaftigkeit oder Zweckmäßigkeit gemessen an den gemeinsamen Bürgerinteressen. Die Konstitutionenökonomik verwendet die Bezeichnung „Wünschbarkeit“ der politischen Entscheidungen, die anhand der freiwilligen Zustimmung der Individuen festgestellt wird (vgl. Vanberg, 2008, S. 39). Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe stehen den Verantwortlichen das gesammelte, verfügbare Wissen über die aktuellen Zustände und Wirkungszusammenhänge sowie die zu erwartenden zukünftigen Konsequenzen zur Verfügung. Die Betonung der Verfügbarkeit impliziert, dass die Prüfer nur eine subjektive Einschätzung der Vorteilhaftigkeit vornehmen können, da Ihnen der individuelle Nutzen jedes Bürgers nicht bekannt ist. Am Beispiel des Einflusses der Privilegiendynamik auf den politischen Entscheidungsprozess wird jedoch deutlich, dass die Kontrolle der Vorteilhaftigkeit auch auf Basis einer unterstellten freiwilligen Zustimmung die Bürgersouveränität stärken kann. 21 Der Senat und das Verfassungsgericht Zu einer eindeutigen Definition der Rechtsstellung des Senats im staatlichen Organgefüge gehört auch die präzise Abgrenzung zum Verfassungsgericht. Diese beruht auf der Gegenüberstellung der folgenden Unterscheidungsmerkmale, welche die institutionelle Ausgestaltung mit einbeziehen. Während in die verfassungsrechtliche Überwachung einzig juristisches Fachwissen einfließt, sind die Senatsmitglieder interdisziplinär informiert. Zudem wird das Verfassungsgericht nur auf Antrag aktiv und beurteilt im Anschluss an die Antragsprüfung die Rechtsstreitigkeiten zwischen Antragssteller und –gegner anhand der konstituierten Rechtsnormen. Dagegen erfolgt eine kontinuierliche Kontrolle der Vorteilhaftigkeit des politischen Entscheidungsprozesses durch den Senat. Dabei prüft er auf Basis der gemeinsamen Bürgerinteressen und in Unabhängigkeit von einem ‚Kläger‘. Weitere Unterscheidungsmerkmale ergeben sich nach einer konkreten Definition der zur Verfügung stehenden Mittel des Senats. Beispielsweise ist zu erwarten, dass das konkrete Design eine äquivalente Kompetenz der verfassungsrechtlichen Rechtssetzung nicht vorsieht, da diese eine zu starke Machtposition begründet und dementsprechend opportunistisches Verhalten der Senatsmitglieder begünstigt. Infolgedessen wird der Senat voraussichtlich nur zur Formulierung von Handlungsempfehlungen als hypothetische Imperative befugt sein sowie zur Anwendung eines Vetorechts, welches zur Neuaufnahme der parlamentarischen Debatte und in einem weiteren Schritt eventuell zu einer Volksabstimmung nach einer umfassender Informierung der Bürger führen könnte. Diese Überlegungen gilt es in weiterführenden Forschungsarbeiten zu validieren. 22 Literaturverzeichnis – Albert, Hans (2008): Viktor Vanberg und das sozialwissenschaftliche Erkenntnisprogramm, in: Goldschmidt, Nils und Wohlgemuth, Michael (Hrsg.), Wettbewerb und Regelordnung – Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Bd. 55, S. 1 – 20, Tübingen: Mohr Siebeck – Badura, Peter (2003): Staatsrecht – Systematische Erläuterung des Grundgesetzes, 3. Aufl., München: C. H. 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