Einsprache gegen den Windpark

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Einsprache gegen den Windpark
GRENCHEN 29
SOLOTHURNER ZEITUNG
DONNERSTAG, 6. NOVEMBER 2014
Einsprache gegen den Windpark
Gemeinderat Bettlach Knapper Entscheid wegen Befürchtungen bezüglich der Bettlacher Trinkwasserversorgung
VON OLIVER MENGE
In einer knappen Entscheidung (5:5 Stimmen mit Stichentscheid von Gemeindepräsidentin Barbara Leibundgut) beschloss der
Bettlacher Gemeinderat an seiner Sitzung,
im Nutzungsplanverfahren Projekt Windpark eine Einsprache einzureichen.
Der Gemeinderat hatte an seiner letzten
Sitzung im Oktober beschlossen, die zwei
Exponenten der aktuellen Diskussion zu einer Informations- und Fragerunde in den
Gemeinderat einzuladen, um Informationen aus erster Hand zu bekommen. Erst
danach wollte man entscheiden, ob die
Einwohnergemeinde Bettlach im Nutzungsplanverfahren, das bis zum 10. November in Grenchen aufliegt, eine Einsprache einreichen soll.
Emotionale Diskussion
Dramatik pur: «Der Berg kommt»
ProGrenchen Präsident Jürg Allemann
war in seiner Präsentation noch weiter gegangen: Anhand eines Satellitenbilds zeigte
er den Verlauf der Bruchkante, welche die
Bettleflueh im Zentrum hat und die westlich weiterverlaufe. Mindestens zwei, wenn
nicht drei der Windkraftwerke kämen genau auf einen Teil zu stehen, der seiner
Meinung nach abbruchgefährdet sei. Ein
dramatisches Szenario, welches so noch
nie zur Sprache gekommen war und einerseits zu Sorgenfalten und andererseits zu
Kopfschütteln im Gemeinderat führte.
Zwar sagte Allemann, er persönlich könne
nicht beurteilen, ob es zu einem Bergsturz
Visualisierung des geplanten Windparks vom Kreisel in Bettlach aus gesehen; die Entfernung beträgt rund 3,8 Kilometer Luftlinie.
komme oder nicht, aber dass die Gefahr
bestehe, stehe so in einem Expertenbericht.
Der Präsident von ProGrenchen hatte
noch andere Argumente ins Feld geführt,
auf die Just entsprechende Antworten gab.
So brachte Allemann die Problematik des
Infraschalls zur Sprache, der gesundheitliche Schädigungen hervorrufen könne. Just
entgegnete, dass die Wirkungen wissenschaftlich nicht nachweisbar seien und die
gesetzlichen Grenzwerte in jedem Fall eingehalten würden. Schallwahrnehmung sei
in erster Linie subjektiv und man habe ge-
naueste Modellberechnungen vorgenommen. Just betonte, dass man nicht erst seit
gestern Untersuchungen und Messungen
durchführe und die Bevölkerung davon
überzeugt sein könne, dass man das richtig
mache und auch richtig rechne. Denn
schliesslich falle es auf die SWG zurück,
wenn etwas schieflaufe. Er lud den Gemeinderat auch ein, zusammen mit Verantwortlichen der SWG die Anlagen auf
dem Mont Crosin im Jura zu besuchen und
dort mit Direktbetroffenen zu diskutieren.
Weiterer Diskussionspunkt war die Wirtschaftlichkeit der Anlage, die fragwürdig
sei und nur durch die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) garantiert werden
könne, was Just auch bejahte. Mit der vom
Bund für die nächsten 20 Jahre ausgesprochenen Garantie sei auch die Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Ohne diese quasi
Staatsgarantie würde man nicht bauen. Allemann plädierte zwar auch für eine dezentrale Energieversorgung, wie der Bund
das vorsieht. Er war aber der Meinung,
dass das Potenzial von Windkraft gegenüber von Sonnenenergie dermassen klein
sei, dass der Windpark auf dem Grenchenberg einfach keinen Sinn mache.
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Per Just, Direktor der SWG Grenchen,
welche das Projekt mit sechs Windanlagen
auf den Grenchenbergen plant und bauen
will, und Jürg Allemann, Präsident des Vereins ProGrenchen und erklärter Gegner
des Windparks, hatten beide je 15 Minuten
Zeit, das Projekt und ihre Argumente Pro
und Contra darzulegen. Bereits in der anschliessenden Fragerunde kam es zum Teil
zu ziemlich emotional geführten Diskussionen und fragwürdigen Aussagen einiger
Gemeinderäte: So meinte Aquil Briggen
von der FDP beispielsweise, die ganze Sache komme ihm vor wie «Globi baut ein
Windkraftwerk». Zuvor hatte er auf mögliche Gefahren für Bettlachs Trinkwasserversorgung hingewiesen. Eine Windturbine
wiege zusammen mit dem Fundament weit
über 3000 Tonnen und werde auf brüchiges Karst- und Mergelgestein gebaut. Das
erfordere Verankerungen und die Einspritzung von Zement in den Boden unter
Hochdruck. Er bezeichnete sich als fachkundigen Spezialisten, der in einer Firma
arbeite, die mit genau solchen Arbeiten viel
Geld verdiene. Es sei gut möglich, dass dadurch das Wasser verschmutzt werde, welches auch aus Quellen der Bettlacher
Trinkwasserversorgung sprudle, oder diese
Quellen würden unter Umständen ganz
versiegen.
Briggen war der Ansicht, die SWG beschönige seit Jahren die ganze Sache und
nehme die Gefahren nicht ernst genug. Per
Just versuchte, die Bedenken aus der Welt
zu räumen. Er betonte, dass die SWG als
Verantwortliche für die Wasserversorgung
kein Interesse habe, sich das eigene Grab
zu schaufeln, und diese Dinge seit Jahren
sehr genau abgeklärt und die Risiken weitgehend ausgeschlossen habe.
BUDGET 2015
RATSSTENOGRAMM
Defizit von 0,3 Millionen genehmigt
Ausserdem hat der Rat:
D
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ie laufende Rechnung 2015
weist einen prognostizierten
Aufwandüberschuss von
279 600 Franken aus. Die Steuereinnahmen werden mit 16,5 Mio.
Franken budgetiert bei gleichbleibendem Steuerfuss von 95%. Die Investitionen liegen mit 2,1 Mio. Franken unter
den Nettoinvestitionen des Voranschlags 2014. Der Cashflow von 782 800
Franken ergibt einen Selbstfinanzierungsgrad von 37% und führt zu einem
Finanzierungsfehlbetrag von 1,3 Mio.
Franken.
Das Ergebnis des Voranschlags zeigt in
der laufenden Rechnung einen Aufwand von 23,7 Mio. und einen Ertrag
von 23,4 Mio. Verglichen mit dem Voranschlag 2014 resultiert ein kleinerer
Aufwand, aber auch ein kleinerer Ertrag.
Das Budget 2015 lasse sich mit einem
Satz umschreiben, meinte Thomas Stei-
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ner, Sitzungsleiter des Finanzausschusses:
«Wir sind auf Kurs.» Das verbesserte Budget sei vor allem aufgrund der Budgetdisziplin und des Sparbewusstseins zustande
gekommen. Bis 2017 will man zu einer ausgeglichenen Rechnung gelangen.
In seiner Beurteilung meinte Steiner, man
habe nun ein Budget vorliegen, das deutlich besser sei als im Finanzplan vorgesehen – man rechnete mit einer Million Defizit, bei den Investitionen erreiche man die
Zielgrösse von 2 Millionen und beim Selbstfinanzierungsgrad den akzeptablen Wert
von 37%. Mit den nach wie vor guten Reserven im Eigenkapital sei es möglich, den
Steuerfuss von 95% zu halten. Der Aufwandüberschuss von 279 600 Franken sei
mässig, und er sei zuversichtlich, dass man
das Legislaturziel ausgeglichener Finanzen
erreichen werde.
Der Gemeinderat nahm das Budget zuhanden der Gemeindeversammlung mit einer
Gegenstimme an. (OM)
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Den Pensenantrag der Schulen
2015/16 und die Pensenplanung 16/17
bis 17/18 einstimmig genehmigt.
Mit 7 Stimmen für Nicht-Eintreten auf
die Vorlage «Beitrag an die Schuldenberatung und Vertragsgenehmigung»
votiert. Die Kommission für Gesellschafts- und Gesundheitsfragen soll
sich die Sache noch einmal anschauen.
Das Budget 2015 und die mittelfristige
Planung sowie den Abgeltungsbeitrag
für den Spitex-Verein Bettlach einstimmig genehmigt.
Die Traktandenliste GV bereinigt.
Aquil Briggen infolge der Demission
von Gaby Mathys als FDP-Gemeinderat
einstimmig gewählt. Ob Gabriela Mathys 2. Ersatzgemeinderätin werden
kann, wird abgeklärt.
Bauverwalter Titus Moser als Nachfolger von Gabriela Mathys im KEBAGVerwaltungsrat vorgeschlagen. (OM)
MONTAGE: SWG
Zentrale Bettlacher Anliegen
Die anschliessende ratsinterne Diskussion wurde emotional weitergeführt. Briggen
präsentierte einen fertigen Entwurf einer
Einsprache, welche die Trinkwassergefährdung durch die baulichen Massnahmen im
Boden zum Thema hatte, was zu einem
Unterbruch und der Beratung in den Fraktionen führte.
Bauverwalter Titus Moser erklärte, ein
unabhängiger Experte habe festgestellt,
dass die Quellen Bettlachs nicht im Einzugsgebiet der Grenchenberge liege und
nicht betroffen seien – was Briggen umgehend verneinte, man könne nicht wissen,
woher das Bettlacher Wasser stamme.
Patrick Gfeller von der SVP wies wiederholt auf die zu erwartende Lärmbelastung
bis in den Dorfkern hin. Thomas Steiner
von der CVP zeigte sich froh darüber, dass
man sich in der Diskussion nun auf Dinge
beschränke, die Bettlach beträfen. Thomas
Fessler, Fraktionschef der CVP, meinte,
man mache hier nicht europäische Energiepolitik und wolle auch nicht den Windpark per se verhindern. Aber doch müsse
man verhindern, dass für Bettlach negative
Folgen entstünden.
Der Rat entschied nach längerem Hin
und Her, darauf zu verzichten, noch andere Argumente in der Einsprache aufzuführen oder dem Vorschlag von Leonz Walker
von der SVP zu folgen und eine vorsorgliche Einsprache einzureichen. Er entschied
mit Stichentscheid der Gemeindepräsidentin, eine Einsprache ausformulieren zu lassen und einzureichen, welche die Gefährdung der Trinkwasserversorgung zum Thema hat und verlangt, dass auf sämtliche Injektions-, Pfählungs-, Anker- und Vernagelungsarbeiten verzichtet wird.
Aus dem Leben der Grenchner Patrons
VON DANIELA DECK
Ein mit Chintz bezogener Polsterstuhl
und eine Jugendstil-Ständerlampe: Das
Kultur-Historische Museum setzte Schauspielerin Sandra Sieber für ihre Lesung
über Grenchner Patrons zur Eröffnung
der Wohntage gekonnt in Szene.
Schade war hingegen, dass die Organisatoren das attraktive Setting mit alt
bekannten Texten aus den Lebenserinnerungen der Familien Girard und
Schild überluden. Erst nach einer Stunde Lesemarathon nahm Sieber die
Trouvaille des Abends zur Hand, Erinnerungen von Lina Maria Obrecht, die
erst vor kurzem in einem privaten Archiv aufgetaucht seien. In den «Memoiren einer alten Jungfer» schildert die
Verwandte des späteren Bundesrates
Hermann Obrecht ihr Leben zwischen
Grenchen, Olten, Mümliswil und diversen Schweizer Kurorten. Mit spitzer Feder, einer gehörigen Portion Selbstmitleid, aber auch scharfer Beobachtungsgabe erzählt Lina Maria Obrecht vom
Aufstieg und krisenbedingten Fall ihrer
Familie.
In Landwirtschaft eingebettet
«Geherrenbauert» hätten sie, ohne
dass viel dabei herausgekommen sei.
Parallel dazu engagierten sich der Vater und die Erzählerin selbst für den
Aufbau der Spar- und Leihkasse Grenchen. Die Söhne der Familie fanden ihr
Auskommen in der Uhrenfabrik des
Onkels, wo sie «in blauen Blousons wie
Arbeiter gehalten waren». Eine Beobachtung, die zeigt, dass die Grenchner
«Herren» ihren Reichtum im ausgehenden 19. Jahrhundert mit Sparsamkeit
und Fleiss erarbeitet hatten, ohne sich
äusserlich allzu weit von den Arbeitern
zu unterscheiden und ohne die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln – Sauerkraut, Kartoffeln, Würste – aufzugeben, die seit Jahrhunderten für ihre
Vorfahren entscheidend war. Selbst
Pauline Schild-Hugi bezeichnete sich
als «linkisches Dorfkind», und dass Ernest Baumgartner schliesslich seine «dicken Zigarren» zur Zähmung seiner
Bienen einsetzte, erscheint in diesem
Kontext stimmig.
Dank ihrer geschulten Stimme war
Sandra Sieber der Anstrengung des langen Lesens gewachsen. Die Texte waren gespickt mit vergnüglichen Details
und boten einen guten Einblick in die
Sozialgeschichte. Was sie nur am Rand
boten, war Information zu den Wohnverhältnissen der Patrons, dem eigentlichen Thema des Abends. Museumslei-
terin Angela Kummer erklärte die Programmänderung mit dem Zeitdruck,
der durch die Absage des vorgesehenen Referenten entstanden sei.
Angesichts der Tatsache, dass Unterlagen zu diversen Herrenhäusern wie
etwa der Lambert-Villa, dem Kunsthaus (Girard-Villa) und der abgerissenen Schild-Villa existieren, wäre es
möglich gewesen, den Abend ganz unwissenschaftlich und ebenso interessant zu gestalten, wie er war – zum Beispiel mit architektonischen Erklärungen zu diesen Häusern und einer Publikumsdiskussion über eigene Wohnerinnerungen.