„Low-FODMAP“-Diät

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„Low-FODMAP“-Diät
GASTROENTEROLOGIE
REFERAT
Die „Low-FODMAP“-Diät –
wenn Zucker nicht nur süss ist
Die Low-FODMAP(Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides And Polyols)Diät hat sich in den letzten Jahren als effektive Strategie zur Reduktion von
Reizdarmsymptomen etabliert. Es konnte gezeigt werden, dass diese kurzkettigen Kohlenhydrate aufgrund schlechter intestinaler Absorption, Gasbildung
und osmotischen Wassereinstroms abdominale Symptome wie Durchfall,
Blähungen und Schmerzen hervorrufen beziehungsweise verstärken können.
FODMAP – Einführung und Hintergrund
Was sind FODMAPs?
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass verschiedenste Lebensmittel gastrointestinale Symptome verursachen können.
Postprandiale abdominelle Schmerzen,
Blähungen, Übelkeit, Flatulenz und
Diarrhö können bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (IBS; Irritable Bowel
Syndrome) oft nur unzureichend durch
eine medikamentöse Therapie oder eine
klassische Ernährungsberatung behandelt werden. In den 1980er- und 1990erJahren konnte in Studien ein Zusammenhang zwischen dem Genuss kurzkettiger Kohlenhydrate (insbesondere
Fruktose und Sorbitol) und einer Symptomexazerbation bei Patienten mit
Reizdarmsyndrom festgestellt werden.
Auf Basis dieser Einzelstudien wurden
in der Folge an der Monash University
die ersten strukturierten Untersuchungen zum Gehalt dieser Gruppe von
Kohlenhydraten und Polyolen in Nahrungsmitteln durchgeführt und 2005
wurde die FODMAP-Diät publiziert.1
FODMAP steht als Abkürzung für Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides
And Polyols.
Bei den FODMAPs handelt es sich
um fermentierbare Kohlenhydrate und
mehrwertige Alkohole. Der Hauptfokus
der Diät liegt auf den Monosacchariden (z.B. Fruktose), Disacchariden (z.B.
Laktose) und den Oligosacchariden
(z.B. Fruktane) sowie den mehrwertigen Alkoholen (Polyole; z.B. Sorbit)
(Abb. 1). Der überwiegende Anteil dieser Kohlenhydrate wird im proximalen
Dünndarm enzymatisch hydrolisiert,
um schliesslich als Monosaccharid absorbiert zu werden. Das Besondere an
den FODMAPs ist neben ihrer typischen Struktur mit maximal 10 Zuckermolekülen ihre begrenzte Absorptionskapazität im Dünndarm. Diese kann
durch die enzymatische Ausstattung bedingt sein (z.B. bei Laktose) oder durch
die Nahrungszusammensetzung modifiziert werden. So wird Fruktose über-
KeyPoints
• FODMAPs sind schwer absorbierbare, kurzkettige Kohlenhydrate, welche bei Reizdarmpatienten die Symptome verschlechtern können.
• Studien belegen die Verbesserung von abdominellen Schmerzen, Flatulenz, Blähungen und Diarrhö bei Einhaltung einer Low-FODMAP-Diät.
• Die Low-FODMAP-Diät gehört zu den Erstlinien-Therapiekonzepten einer modernen IBS-Behandlung.
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D. Pohl, Zürich
wiegend über einen Kotransporter mit
Glukose resorbiert, weshalb die Resorptionskapazität von Fruktose bei einem günstigen Verhältnis von Fruktose zu Glukose in der Nahrung deutlich
steigt.
Gastrointestinale Symptomentstehung
durch FODMAPs
FODMAPs sind nicht der einzige, aber
ein wichtiger Faktor in der Entstehung
abdominaler Symptome nach Nahrungsaufnahme bei Reizdarmpatienten. Diese Symptome werden dadurch
verursacht, dass FODMAPs im Dünndarm nur schlecht oder inkomplett resorbiert werden und so weiter in distaler gelegene Darmabschnitte, insbesondere das Kolon, geleitet werden. Bereits im Dünndarm sind die genannten
Kohlenhydrate und Polyole osmotisch
wirksam, was zu einem intraluminalen Wassereinstrom und einer Verkürzung der intestinalen Transitzeit führt.
Im Kolon werden die nicht absorbierten
FODMAPs schliesslich durch die mikrobielle Flora anaerob verstoffwechselt.2 Im Rahmen dieser Fermentierung
entstehen neben kurzkettigen Fettsäuren, die dem Stoffwechsel der kommensalen Flora dienen, insbesondere H2
(Hydrogen) und CH4 (Methan). Dieser Gärungsprozess mit Gasbildung sowie der osmotisch bedingte Wassereinstrom führen zu einer luminalen Distension. Ein Hauptunterschied zwischen
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Patienten, die aufgrund dieser Prozesse
über Symptome klagen, und Menschen,
bei denen ähnliche Phänomene, allerdings ohne relevanten Leidensdruck,
entstehen, scheint in der sogenannten
„viszeralen Hypersensibilität“ zu bestehen. Diese oberhalb der Norm liegende Empfindlichkeit gegenüber luminaler Distension ist bei Patienten mit
Reizdarmsyndrom wohlbekannt, wenn
auch nicht gänzlich verstanden.3 Neben lokalen Faktoren, wie Immunprozessen, einer möglichen unterliegenden
Mikroinflammation sowie Qualität und
Quantität der bakteriellen Flora, scheinen zentrale Prozesse, wie Schmerzverarbeitung, Erwartungshaltung und
Stress, aber auch Komorbiditäten, wie
Angststörungen oder Depressionen, von
Bedeutung zu sein (Abb. 2).4
Auch in dieser Arbeit konnte gezeigt
werden, dass die grössten Effekte der
FODMAP-Therapie bereits innerhalb
von ein bis zwei Wochen auftreten.
Neben Reizdarmpatienten leiden auch
andere Patienten an ähnlichen Darmbeschwerden. So werden von Patienten mit
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in
klinischer Remission in 33% bzw. 54%
der Fälle Reizdarmsymptome angegeben. In einer retrospektiven Pilotstudie
konnte eine positive Wirkung der FODMAP-Diät in Bezug auf IBS-Symptome
bei beiden Gruppen gezeigt werden.
Nach Durchführen einer FODMAP-armen Diät von mindestens drei Monaten
verbesserten sich Blähungen, Diarrhö,
Flatulenz und abdominelle Schmerzen
der IBD-Patienten signifikant.7
Eine weitere, stark wachsende Patientengruppe ist von ihrer Sensibilität gegenüber Gluten überzeugt und vermeidet daher eine Vielzahl von Nahrungsmitteln. Wenn diese Patienten nach aktuellem medizinischem Standard nachweisbar nicht an Zöliakie leiden (HLA
DQ2-, DQ8-negativ oder normale duodenale Biopsie und Antikörper-negativ), aber nach dem Genuss von glutenhaltigen Nahrungsmitteln dennoch
Symptome angeben, spricht man von
einer „(self-reported) non-celiac gluten
sensitivity“ (NCGS). In einer placebokontrollierten, prospektiven Cross-overStudie wurde bei Patienten mit NCGS
eine FODMAP-arme Diät eingeführt
und die Patienten wurden anschliessend,
doppelt verblindet mit Placebo, wieder
Datenlage bezüglich Wirksamkeit
der FODMAP-Diät
Zahlreiche wissenschaftliche Studien
belegen, dass eine FODMAP-arme
Diät (englisch „low-FODMAP diet“,
meist verkürzt als FODMAP-Diät bezeichnet) zur signifikanten Verbesserung von Symptomen bei Reizdarmpatienten beitragen kann. Eine wichtige
Studie, die die fehlende Spezifität von
Fruktose als alleinigem Symptomverursacher bei IBS-Patienten eindrücklich belegte, zeigte, dass bei verblindeter Reexposition mit Fruktose, Fruktanen oder einer Mischung kurzkettiger
fermentierbarer Kohlenhydrate unter
ansonsten FODMAP-armer Diät nur
noch 20–30% der Patienten eine gute
Symptomkontrolle angaben, während
unter verblindeter Zugabe von (nicht
fermentierbarer) Glukose die gute
Symptomkontrolle bei knapp 80% der
Patienten anhielt. Weiterhin konnte in
dieser Cross-over-Studie gezeigt werden, dass die erneute Symptomgeneration nach Exposition von FODMAPs
klar dosisabhängig verlief, wobei keine
spezifischen Effekte der einzelnen Untergruppen der FODMAPs demonstriert werden konnten.5
Eine kürzlich veröffentlichte prospektive, randomisierte, placebokontrollierte
Studie zum Effekt einer FODMAParmen Diät bestätigte die Wirksamkeit
dieser Intervention und die Ergebnisse
früherer mechanistischer Studien.6
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Abb. 1: Übersicht über die FODMAPs
Absorption
❍ Dosis
❍ Enzymatische Ausstattung
❍ Nahrungszusammensetzung
❍ Zustand der Darmmukosa
❍ Transitzeit
Symptommodulation
zentral
❍ Stress
❍ Angststörungen
❍ Depression
❍ Aufmerksamkeit
❍ Konditionierung
❍ Erwartung
Symptommodulation
peripher
❍ Viszerale Hypersensitivität
❍ Immunaktivität
❍ Endokrine Faktoren
❍ Barrieredefekte
❍ Mikroinflammation
Verstoffwechselung
❍ Mikrobiome
❍ Dosis
❍ Typ FODMAP
Intestinal distension
Abb. 2: Symptomentstehung durch FODMAPs (adaptiert nach
Simrén4)
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gegenüber niedrig dosiertem und hoch
dosiertem Gluten exponiert. Bereits
während der zweiwöchigen Run-inPhase der Studie, in der die FODMAPDiät eingeführt wurde (die aufgrund ihrer Zusammensetzung glutenarm, aber
nicht glutenfrei ist), konnte eine signifikante Symptomverbesserung bei den
vorher bereits glutenfrei oder glutenarm
ernährten Probanden beobachtet werden. Die verblindete Reexposition mit
Gluten nach dieser Run-in-Phase führte
dagegen nur bei 8% der Patienten zu
glutenspezifischen Auswirkungen.8
Klinische Umsetzung der FODMAP-Diät
beim Reizdarmsyndrom
Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms
richtet sich nach klinischen Kriterien
und stellt eine Ausschlussdiagnose nach
Abfragen/Untersuchung gewisser Alarmsignale und gezielter struktureller Abklärung dar. Die sowohl im wissenschaftlichen als auch primären Versorgungsbereich validierten ROM-Kriterien in ihrer aktuell dritten Iteration
sind hierzu hilfreich. Die ROM-III-Kriterien besagen, dass für die Diagnose
„Reizdarm“ Bauchschmerzen oder abdominelles Unwohlsein (Dauer ≥3 Monate; Beginn vor ≥6 Monaten) und mindestens zwei weitere Symptome (Beschwerden besser nach Defäkation, Beschwerden assoziiert mit Änderung der
Stuhlfrequenz, Beschwerden assoziiert
mit Änderung von Form/Aspekt des
Stuhlganges) vorhanden sein müssen.
Steht die Diagnose fest und war eine
Stuhlregulation (z.B. mit Sterculia, Normacol®) und eine antispasmodische
Therapie (z.B. mit dampfextrahiertem
Pfefferminzöl, Colpermin®) wenig erfolgreich, kann eine Low-FODMAPDiät unter der Leitung einer professionellen Ernährungsberatung begonnen
werden.
Zu Beginn der Ernährungsberatung
wird das Konzept der FODMAP-Diät
erklärt und individuelle Aspekte (z.B.
bekannte Unverträglichkeiten, Essgewohnheiten) werden besprochen. Als
Hilfsmittel werden den Patienten Positiv- und Negativlisten mitgegeben,
die die Auswahl der korrekten Nahrungsmittel erleichtern. Die Monash
University veröffentlichte im Dezember 2012 die erste Smartphone-AppliI Seite 64
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kation, welche die Patienten bei der
Einhaltung der FODMAP-Diät unterstützt.9 Initial wird nach einer ersten Beratung ein meist vierwöchiger
FODMAP-Diät-Versuch gestartet, während dessen sich eine Beschwerdebesserung einstellen sollte. Von den Autoren der FODMAP-Hypothese werden
Hydrogen(H2)-Atemtests empfohlen,
um die individuelle Verträglichkeit der
einzelnen FODMAPs (Laktose, Fruktose) festzustellen. Anhand der Atemtestergebnisse soll dann mit der Wiedereinführung der individuell gut vertragenen FODMAPs begonnen werden.
Wir halten dies für wenig praktikabel,
zumal der klinische Wert einer solchen
Testung, die nur für Fruktose und Laktose durchgeführt wird, hinsichtlich
Verträglichkeit bei Reexposition nicht
ausreichend untersucht ist und auch die
individuelle Verträglichkeit der FODMAPs unberücksichtigt lässt. So muss
dieser „Wiedereinstiegsversuch“ unspezifisch mit beispielsweise je einem Nahrungsmittel für jede FODMAP-Gruppe
gestartet werden (z.B. Honig, Apfel für
Fruktose; Joghurt, Milch für Laktose).
Jedes zusätzliche FODMAP sollte jeweils einzeln für ein paar Tage ausprobiert werden, bevor es entweder wieder
eliminiert oder mit weiteren Nahrungsmitteln ergänzt wird.
zuleiten sind, bleibt aktuell unbekannt.
Ebenso ist bislang nicht bekannt, wie
die Selektion der Patienten für diese
Therapie am besten durchgeführt wird;
auch hierzu sind aktuell Studien in
Planung, die sich mit Nahrungsmittelbelastungstests (ähnlich den HydrogenAtemtests, bei welchen Laktose oder
Fruktose verabreicht wird) vor Einleiten einer FODMAP-Therapie beschäftigen.
Die Reduktion von FODMAPs bedeutet nicht eine Heilung, bietet aber eine
erfolgreiche Strategie zur Behandlung
von Symptomen. Wir setzen die FODMAP-Diät nach adäquater Diagnostik,
Stuhlregulation (mit nicht fermentierbaren Substanzen) und antispasmodischer
Behandlung insbesondere bei Blähungen und abdominellen Schmerzen in
Zusammenarbeit mit unserem Team der
Ernährungsberatung erfolgreich ein. ■
Literatur:
1
Gibson PR, Shepherd SJ: Personal view: food for thoughtwestern lifestyle and susceptibility to Crohn’s disease.
The FODMAP hypothesis. Aliment Pharmacol Ther 2005;
21: 1399-1409
2
Barrett JS et al: Dietary poorly absorbed, short-chain carbohydrates increase delivery of water and fermentable
substrates to the proximal colon. Aliment Pharmacol Ther
2010; 31: 874-882
3
Mertz H et al: Altered rectal perception is a biological
marker of patients with irritable bowel syndrome. Gastroenterology 1995; 109: 40-52
4
Simrén M: Diet as a therapy for irritable bowel syndrome:
progress at last. Gastroenterology 2014; 146: 10-12
Limitationen und Chancen
der FODMAP-Diät
5
Shepherd SJ et al: Dietary triggers of abdominal symptoms in patients with irritable bowel syndrome: randomized placebo-controlled evidence. Clin Gastroenterol
Hepatol 2008; 6: 765-771
Ein Ziel jeder Ernährungsberatung ist
eine „ausgewogene“ Ernährung. So
wird nach einer initial fast vollständigen Abkehr von fermentierbaren Nahrungsmitteln mittel- und langfristig
eine Rückkehr zu einer weniger strikten Diät angestrebt. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die
FODMAP-Diät den Genuss vieler komplexer Kohlenhydrate und Ballaststoffe
einschränkt, welche für die Funktion
und Gesundheit des Darms als wichtig
erachtet werden. Die Langzeitfolgen einer FODMAP-armen Diät sind aufgrund dessen, dass das Konzept erst
wenige Jahre alt ist, unbekannt. Ein
Einfluss auf die Darmflora konnte in
einer kürzlich publizierten Studie demonstriert werden.10 Ob längerfristige
Veränderungen der Darmflora auftreten
und welche Konsequenzen daraus ab-
6
Halmos EP et al: A diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology
2014; 146: 67-75.e5
7
Gearry RB et al: Reduction of dietary poorly absorbed
short-chain carbohydrates (FODMAPs) improves abdominal symptoms in patients with inflammatory bowel
disease-a pilot study. J Crohns Colitis 2009; 3: 8-14
8
Biesiekierski JR et al: No effects of gluten in patients
with self-reported non-celiac gluten sensitivity after dietary reduction of fermentable, poorly absorbed, shortchain carbohydrates. Gastroenterology 2013; 145: 320328.e1-3
9
Barrett JS: Extending our knowledge of fermentable,
short-chain carbohydrates for managing gastrointestinal
symptoms. Nutr Clin Pract 2013; 28: 300-306
10
Halmos EP et al: Diets that differ in their FODMAP content alter the colonic luminal microenvironment. Gut
2014 [epub ahead of print]
Autor: Dr. med. Daniel Pohl
Leiter Sprechstunde funktionelle
Magen-Darm-Erkrankungen
Gastroenterologie und Hepatologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistr. 100, 8091 Zürich, Schweiz
E-Mail: [email protected], [email protected]
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