Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock
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Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock
Geschiedenis van de Duitse literatuur Fragen, begleitende Texte und Lösungen zu Literaturvideos Erwin K. de Vries LVF2009002 - 1 Copyright ©2009 EK-Tekst, www.ektekst.nl, The Netherlands. Alle rechten voorbehouden. Niets uit deze uitgave mag worden verveelvoudigd, opgeslagen in een geautomatiseerd gegevensbestand, of openbaar gemaakt, in enige vorm of op enige wijze, hetzij elektronisch, mechanisch, door fotokopieën, opnamen, of op enige andere manier zonder voorafgaande schriftelijke toestemming van de copyright-houder. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without the prior written permission of the copyright-holder. Uitzondering op bovenstaande voor vermenigvuldiging ten behoeve van eigen gebruik ontstaat op grond van gebruik van de verkegen PDF-licentie, welke uniek gekenmerkt is. Bij de aankoop van deze licentie zijn licentienemer en licentiegever stilzwijgend overeengekomen dat die uitgave mag worden verveelvoudigd voor eigen gebruik, echter niet opgeslagen in een geautomatiseerd gegevensbestand, of openbaar gemaakt, in enige vorm of op enige wijze, hetzij elektronisch, mechanisch, door opnamen, of op enige andere manier zonder voorafgaande schriftelijke toestemming van de copyright-houder. LVF2009002 - 2 Woord vooraf In de loop van de jaren negentig verscheen een reeks van tien Duitstalige literatuurvideo’s waarin de literatuurgeschiedenis van Barock tot en met Trümmerliteratur wordt behandeld. In dit boek zijn bijbehorende vragen, begeleidende teksten en de antwoorden verzameld. Voor gebruik op school is een PDF-licentie verkrijgbaar die gebruikt kan worden voor vermenigvuldiging ten behoeve van eigen gebruik. Het materiaal is in de loop der jaren in de praktijk uitgeprobeerd maar het is uiteraard niet uitgesloten dat gebruikers op- of aanmerkingen hebben of dat bepaalde zaken aanvulling behoeven. De auteur is daarom benieuwd naar meningen van de gebruikers van dit boek. Groningen, januari 2009 Erwin K. de Vries Bestellingen U kunt dit boek en de PDF-licentie bestellen op www.ektekst.nl. Inhalt Seite Video 'Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock' Video 'Erziehung des Menschengeschlechts, Lessing und die deutsche Aufklärung' Video 'Kalkül und Leidenschaft, Die Epoche des Sturm und Drang' Video 'Die Weimarer Klassik, Das Land der Griechen mit der Seele suchend' Video 'Die Romantik, Immer wächst und blüht Verlangen' Video 'Dichtung und Freiheit, Die Literatur des Jungen Deutschland' Video 'Das ist ein weites Feld, Die Literatur des Realismus' Video 'Rilke, Kafka, Expressionismus, Deutsche Literatur der frühen Moderne' Video 'Wovon lebt der Mensch?, Die Literatur der Weimarer Republik' Video 'Gibt denn keiner Antwort?, Trümmerliteratur im Nachkriegsdeutschland' Lösungen 4 7 10 15 18 21 25 28 32 34 37 LVF2009002 - 3 Video 'Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock' Fragen zum Video 1 Welche Gegensätze prägen das Barock? 2 Wofür wurden Latein und Deutsch benutzt? 3 Wo studierte Andreas Gryphius? 4 Was war der Anlass des 30-jährigen Krieges? 5 Was wurde der 30-jährige Krieg schon schnell? 6 Wie heißt der Friede, der 1648 geschlossen wird? 7 Was war der 'Palmenorden'? 8 Was bedeutet das Pseudonym 'Angelus Silesius' von Johannes Scheffler? 9 Was ist mit 'Unio mystica' gemeint? 10 Wer war das Vorbild für die deutschen, absolutistischen Fürsten? 11 Wer war mit seinem Buch 'Buch von der Deutschen Poeterey' wichtig für die Entwicklung des Deutschen als Literatursprache? 12 Wie wurde der Umlaut gedruckt? 13 Schreibe das Reimschema des Sonnets 'Tränen des Vaterlandes' von Andreas Gryphius auf. LVF2009002 - 4 Begleitende Texte zum Video: 'Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock' Andreas Gryphius: Tränen des Vaterlandes Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret! Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret. Die Türme stehn in Glut, die Kirch' ist umgekehret. Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun, Die Jungfern sind geschänd't, und wo wir hin nur schaun Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret. Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut. Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen. Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod, Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot, Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen. Angelus Silesius: Zufall und Wesen Mensch, werde wesentlich; denn wann die Welt vergeht, So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht. Paul Fleming Herrn Pauli Flemingi der Med. Doct. Grabschrift, so er ihm selbst gemacht in Hamburg, den 28. Tag des Märzen 1640 auf seinem Todbette, drei Tage vor seinem seligen Absterben. Ich war an Kunst und Gut und Stande groß und reich, Des Glückes lieber Sohn, von Eltern guter Ehren, Frei, meine, kunnte mich aus meinen Mitteln nähren, Mein Schall floh überweit, kein Landsmann sang mir gleich, Von Reisen hochgepreist, für keiner Mühe bleich, Jung, wachsam, unbesorgt. Man wird mich nennen hören, Bis daß die letzte Glut dies alles wird verstören. Dies, deutsche Klarien, dies Ganze dank ich euch. Verzeiht mir, bin ichs wert, Gott, Vater, Liebste, Freunde. Ich sag euch gute Nacht und trete willig ab. Sonst alles ist getan bis an das schwarze Grab. LVF2009002 - 5 Was frei dem Tode steht, das tu er seinem Feinde. Was bin ich viel besorgt, den Otem aufzugeben? An mir ist minder nichts, das lebet, als mein Leben. Paul Fleming: Wie er wolle geküsset seyn Nirgends hin / als auff den Mund / da sinckts in deß Hertzens Grund. Nicht zu frey / nicht zu gezwungen / nicht mit gar zu fauler Zungen. Nicht zu wenig / nicht zu viel! Beydes wird sonst Kinder-spiel. Nicht zu laut / und nicht zu leise / Beyder Maß' ist rechte Weise. Nicht zu nahe / nicht zu weit. Diß macht Kummer / jenes Leid. Nicht zu trucken / nicht zu feuchte / wie Adonis Venus reichte. Nicht zu harte / nicht zu weich. Bald zugleich / bald nicht zugleich. Nicht zu langsam / nicht zu schnelle. Nicht ohn Unterscheid der Stelle. Halb gebissen / halb gehaucht. Halb die Lippen eingetaucht. Nicht ohn Unterscheid der Zeiten. Mehr alleine denn bei Leuten. Küsse nun ein Jedermann / wie er weiß / will / soll und kan. Ich nur und die Liebste wissen / wie wir uns recht sollen küssen. LVF2009002 - 6 Video 'Erziehung des Menschengeschlechts, Lessing und die deutsche Aufklärung' Fragen zum Video 1 Der Film stammt aus dem Anfang der neunziger Jahre, nach dem Mauerfall. Er blickt zurück auf das 18. Jahrhundert, die Zeit der Aufklärung. Welche Aufbruchstimmung (veranderingsgezindheid) gab es damals? 2 Wie lautet die wichtigste Maxime (grondregel) der Aufklärung? 3 Was war modern an Lessings Existenz? 4 Was ist der Unterschied zwischen den Theaterstücken von Gottsched und Lessing? 5 1767 geht Lessing als Dramaturg nach Hamburg und schreibt die 'Hamburger Dramaturgie'. Was schreibt er über die französischen Klassiker? 6 Welcher Bestseller wird 'in der Bibliothek' vorgestellt? 7 Warum schreibt Lessing auch Fabel? 8 Welches klassische, bürgerliche Dilemma wird in diesem Stück zum Ausdruck gebracht? Ergänze. Das Bürgertum empört sich gegen Rechtsverletzungen und Rechtsmissbrauch, aber die Gewalt … 9 Was war der Einsatz der Polemik zwischen Lessing und Johann Melchior Goeze? 10 Welche Provokation steckt in dem Theaterstück 'Nathan der Weise'? 11 Wie heißt die Strömung, die auf die Aufklärung folgt? LVF2009002 - 7 Begleitende Texte zum Video 'Erziehung des Menschengeschlechts, Lessing und die deutsche Auklärung' Lessing: Nathan der Weise Richter Mein Rat ist aber der: ihr nehmt Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. - Möglich; dass der Vater nun Die Tyrannei des einen Rings nicht länger In seinem Hause dulden wollen! - Und gewiss; Dass er euch alle drei geliebt, und gleich Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, Um einen zu begünstigen. - Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen Von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: So lad ich über tausend tausend Jahre Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen Als ich; und sprechen. Geht! - So sagte der Bescheidne Richter. Lessing: Minna von Barnhelm Tellheim (…) Der Brief ist an mich, an Ihren Tellheim, Minna. Er enthält - was Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch! Fräulein Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht, Herr Major - (Sie nimmt den Brief und lieset.) "Mein lieber Major von Tellheim! (…) und sein Zeugnis hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. Die Hofstaatskasse hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel wieder auszuliefern und die getanen Vorschüsse zu bezahlen; auch habe ich befohlen, daß alles, was die Feldkriegskassen wider Eure Rechnungen urgieren, niedergeschlagen werde. Meldet mir, ob Euch Eure Gesundheit erlaubet, wieder Dienste zu nehmen. Ich möchte nicht gern einen Mann von Eurer Bravour und Denkungsart entbehren. Ich bin Euer wohlaffektionierter König" etc. Tellheim Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein? Fräulein (indem sie den Brief wieder zusammenschlägt und zurückgibt). Ich? Nichts. Tellheim Nichts? LVF2009002 - 8 Fräulein Doch ja: daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann sein mag. - Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König. Tellheim Und sonst sagen Sie nichts? Nichts in Rücksicht auf uns selbst? Fräulein Sie treten wieder in seine Dienste; der Herr Major wird Oberstleutnant, Oberster vielleicht. Ich gratuliere von Herzen. Tellheim Und Sie kennen mich nicht besser? - (…) Ich ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sei, sich in diesem Stande eine Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Not hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun, da mich nichts mehr zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Mensch zu sein. Der werde ich mit Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. - Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt als ein glückliches Paar. Lessing: Die Sperlinge Eine alte Kirche, welche den Sperlingen (= de mussen) unzählige Nester gab, ward ausgebessert. Als sie nun in ihrem neuen Glanze dastand, kamen die Sperlinge wieder, ihre alten Wohnungen zu suchen. Allein sie fanden sie alle vermauert. »Zu was«, schrien sie, »taugt denn nun das große Gebäude? Kommt, verlaßt den unbrauchbaren Steinhaufen!« LVF2009002 - 9 Video 'Kalkül und Leidenschaft, Die Epoche des Sturm und Drang' Fragen zum Video 1 Warum interessiert sich der japanische Student für den Sturm und Drang? 2 Welche Jahreszahlen werden hier im Bezug auf den Sturm und Drang genannt? 3 Was wird über die Ideale der Aufklärung gesagt? 4 Wogegen – so der Sprecher im Video – protestieren die Sturm und Dränger? 5 Wonach sind die Autoren des Strum und Drangs auf der Suche? 6 Wozu diente Schloss 'Solitude'? 7 Was wird über die Geschichte des Schlosses gesagt? 8 Was hatte Friedrich Schiller mit 'Solitude' zu tun? 9 Was hatte 'Solitude' mit der Lehre von Rousseau zu tun? 10 Was wird in den Zitaten des Studenten über das Gesetz gesagt? 11 Wo hat der Sturm und Drang angefangen? 12 Was wird über die Rolle von Herder gesagt? 13 Was wird über das 'Genie' gesagt? 14 Welchen Baustil bevorzugen die Sturm und Dränger? 15 Worum handelt es sich in Goethes Gedicht 'Willkommen und Abschied'? 16 Worum handelt es sich im Lied 'Lenore' von Bürger? 17 Was wird alles über Goethes 'Werther' erzählt? 18 Was wird über den 'Hofmeister' von Jakob Lenz erzählt? 19 Was wird deutlich über die Rolle des Räuberhauptmanns Karl Moor in Schillers 'Räuber? 20 Wie reagierten die Franzosen auf dieses Theaterstück? 21 Ist die Rebellion des Sturm und Drangs in der Zeit und/oder später nach dem Sprecher ein Erfolg gewesen? LVF2009002 - 10 Begleitende Texte zum Video 'Kalkül und Leidenschaft, Die Epoche des Sturm und Drang' Goethe: Prometheus Bedecke deinen Himmel, Zeus, Mit Wolkendunst Und übe, dem Knaben gleich, Der Disteln köpft, An Eichen dich und Bergeshöhn; Mußt mir meine Erde Doch lassen stehn Und meine Hütte, die du nicht gebaut, Und meinen Herd, Um dessen Glut Du mich beneidest. Ich kenne nichts Ärmeres Unter der Sonn als euch, Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuern Und Gebetshauch Eure Majestät Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle Toren. Da ich ein Kind war, Nicht wußte, wo aus noch ein, Kehrt ich mein verirrtes Auge Zur Sonne, als wenn drüber wär Ein Ohr, zu hören meine Klage, Ein Herz wie meins, Sich des Bedrängten zu erbarmen. Wer half mir Wider der Titanen Übermut? Wer rettete vom Tode mich, Von Sklaverei? Hast du nicht alles selbst vollendet, Heilig glühend Herz? Und glühtest jung und gut, Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden da droben? Ich dich ehren? Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hast du die Tränen gestillet Je des Geängsteten? Hat nicht mich zum Manne geschmiedet Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal, Meine Herrn und deine? Wähntest du etwa, Ich sollte das Leben hassen, In Wüsten fliehen, Weil nicht alle Blütenträume reiften? Hier sitz ich, forme Menschen Nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Zu leiden, zu weinen, Zu genießen und zu freuen sich, Und dein nich zu achten, Wie ich! LVF2009002 - 11 Goethe: Willkommen und Abschied Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht; Schon stand im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgetürmter Riese, da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Dich sah ich, und die milde Freude Floß von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter! Ich hofft es, ich verdient es nicht! Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer, Doch frisch und fröhlich war mein Mut: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Glut! Doch ach, schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen welche Wonne! In deinem Auge welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! Schiller: Die Räuber Fragment 1; Aus: 1. Akt, zweite Szene Moor. Es ist unglaublich, es ist ein Traum, eine Täuschung - So eine rührende Bitte, so eine lebendige Schilderung des Elends und der zerfließenden Reue - die wilde Bestie wär' in Mitleid zerschmolzen! Steine hätten Thränen vergossen, und doch - man würde es für ein boshaftes Pasquill aufs Menschengeschlecht halten, wenn ich's aussagen wollte - und doch, doch - oh daß und durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte Fragment 2; Aus: 1. Akt, zweite Szene Moor. Warum ist dieser Geist nicht in einen Tiger gefahren, der sein wüthendes Gebiß in Menschenfleisch haut? Ist das Vatertreue? Ist das Liebe für Liebe? Ich möchte ein Bär sein und die Bären des Nordlands wider dies mörderische Geschlecht anhetzen - Reue und keine Gnade! Oh ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen saufen! Weg, weg von mir! Ist dein Name nicht Mensch! Hat dich das Weib nicht geboren? - Aus meinen Augen, du mit dem Menschengesicht! - Ich habe ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn; ich hätte tausend Leben für ihn - (Schäumend auf die Erde stampfend.) Ha! wer mir jetzt ein Schwert in die Hand gäb', dieser Otterbrut eine brennende Wunde zu versetzen! Fragment 3; Aus: Schlussszene Grimm. Du hast deine Schuld mit Wucher bezahlt. Du hast gethan, was kein Mann würde für seine Ehre thun. Komm jetzt weiter! Schwarz. Sei ruhig, Hauptmann! Komm mit uns, der Anblick ist nicht für dich. Führe uns weiter. Moor. Ich höre von diesem Nun an auf, euer Hauptmann zu sein - Mit Scham und Grauen leg' ich hier diesen blutigen Stab nieder, worunter zu freveln ihr euch berechtigt wähntet und mit LVF2009002 - 12 Werken der Finsterniß dies himmlische Licht zu besudeln - Gehet hin zur Rechten und Linken - Wir wollen ewig niemals gemeine Sache machen. Räuber. Ha, Muthloser! wo sind deine hochfliegenden Plane? Sind's Seifenblasen gewesen, die beim Hauch eines Weibes zerplatzen? Moor. O über mich Narren, der ich wähnete, die Welt durch Gräuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten! Ich nannte es Rache und Recht - Ich maßte mich an, o Vorsicht, die Scharten deines Schwerts auszuwetzen und deine Parteilichkeit gut zu machen - aber - o eitle Kinderei - da steh' ich am Rand eines entsetzlichen Lebens und erfahre nun mit Zähnklappern und Heulen, daß zwei Menschen, wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grund richten würden. Gnade - Gnade dem Knaben, der Dir vorgreifen wollte - Dein eigen allein ist die Rache. Du bedarfst nicht des Menschen Hand. Freilich steht's nun in meiner Macht nicht mehr, die Vergangenheit einzuholen - Schon bleibt verdorben, was verdorben ist - was ich gestürzt habe, steht ewig niemals mehr auf - Aber noch blieb mir etwas übrig, womit ich die beleidigten Gesetze versöhnen und die mißhandelte Ordnung wiederum heilen kann. Sie bedarf eines Opfers - eines Opfers, das ihr unverletzbare Majestät vor der ganzen Menschheit entfaltet - diese Opfer bin ich selbst. Moor.Aber noch blieb mir etwas übrig, womit ich die beleidigten Gesetze versöhnen und die mißhandelte Ordnung wiederum heilen kann. Sie bedarf eines Opfers - eines Opfers, das ihr unverletzbare Majestät vor der ganzen Menschheit entfaltet - diese Opfer bin ich selbst. Ich selbst muß für sie des Todes sterben. Räuber. Nehmt ihm den Degen weg - er will sich umbringen. Moor. Thoren ihr! zu ewiger Blindheit verdammt! Meinet ihr wohl gar: eine Todtsünde werde das Äquivalent gegen Todsünden sein? Meinet ihr, die Harmonie der Welt werde durch diesen gottlosen Mißlaut gewinnen? (Wirft ihnen seine Waffen verächtlich vor die Füße.) Er soll mich lebendig haben. Ich geh', mich selbst in die Hände der Justiz zu überliefern. Räuber. Legt ihn in Ketten! Er ist rasend worden. Moor. Nicht, als ob ich zweifelte, sie werde mich zeitig genug finden, wenn die obern Mächte es so wollen. Aber sie möchte mich im Schlaf überrumpeln, oder auf der Flucht ereilen, oder mit Zwang und Schwert umarmen; und dann wäre mir auch das einige Verdienst entwischt, daß ich mit Willen für sie gestorben bin. Was soll ich, gleich einem Diebe, ein Leben länger verheimlichen, das mir schon lang im Rath der himmlischen Wächter genommen ist? Räuber. Laßt ihn hinfahren! Es ist die Großmannsucht. Er will sein Leben an eitle Bewunderung setzen. Moor. Man könnte mich darum bewundern. (Nach einigem Nachsinnen.) Ich erinnere mich, einen armen Schelm gesprochen zu haben, als ich herüberkam, der im Taglohn arbeitet und eilf lebendige Kinder hat - Man hat tausend Louisd'ore geboten, wer den großen Räuber lebendig liefert. Dem Mann kann geholfen werden. (Er geht ab.) LVF2009002 - 13 Gottfried August Bürger (1747-1794): Lenore (Fragment) Was klang dort für Gesang und Klang? Was flatterten die Raben? - Horch Glockenklang! horch Totensang: »Laßt uns den Leib begraben!« Und näher zog ein Leichenzug, Der Sarg und Totenbahre trug. Das Lied war zu vergleichen Dem Unkenruf in Teichen. »Nach Mitternacht begrabt den Leib, Mit Klang und Sang und Klage! Jetzt führ ich heim mein junges Weib. Mit, mit zum Brautgelage! Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor, Und gurgle mir das Brautlied vor! Komm, Pfaff, und sprich den Segen, Eh wir zu Bett uns legen!« Nun tanzten wohl bei Mondenglanz, Rundum herum im Kreise, Die Geister einen Kettentanz, Und heulten diese Weise: »Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht! Mit Gott im Himmel hadre nicht! Des Leibes bist du ledig; Gott sei der Seele gnädig!« LVF2009002 - 14 Video 'Die Weimarer Klassik, Das Land der Griechen mit der Seele suchend' Fragen zum Video 1 Mit welchen zwei Namen ist die Weimarer Klassik verbunden? 2 War es logisch, dass ausgerechnet Weimar zum Mittelpunkt der Klassik wurde? Warum (nicht)? 3 Wann kam Goethe nach Weimar? 4 Aus wie viel Fürstentümern bestand Deutschland damals? 5 Welche offizielle Funktion bekam Goethe in Weimar? 6 Welche historische Periode hatte großen Einfluss auf die Klassik? 7 Womit beschäftigte Goethe sich sonst noch? 8 Was wird über die Beziehung zwischen den Göttern und den Menschen gesagt? 9 Was wird über das Drama 'Iphigenie auf Tauris' erzählt? 10 Was wird über den Nationalismus von Goethe und Schiller gesagt? 11 Was bedeutete Italien alles für Goethe? 12 Wann war er in Italien? 13 Wann kam Schiller nach Weimar? 14 Aus welchem Gedicht ergibt sich Schillers Verehrung der Antike? 15 Welche Rolle spielte Christiane Vulpius? 16 Womit beschäftigte Schiller sich? 17 Welchen Einfluss hatte Italien auf die Innenarchitektur in Goethes Wohnhaus? 18 Was für ein Werk ist Schillers 'Erziehung des Menschengeschlechts'? 19 Wie reagierten Goethe und Schiller auf die französische Revolution? 20 Was ist das Thema von Goethes 'Wilhelm Meisters Lehrjahre'? 21 Wie nennt man solche Romane im Deutschen? 22 Worum handelt es sich in 'Wallenstein' von Schiller? 23 Was wird über die Zusammenarbeit von Goethe und Schiller gesagt? 24 Was wird über die Uraufführung von 'Wallenstein' gesagt? 25 Mit welchem historischen Staatsmann vergleicht Wallenstein seine eigene Situation? 26 Wessen Theaterstücke hatten mehr Erfolg? Die von Goethe oder die von Schiller? 27 Was hat das Gartenhaus in Weimar mit Faust zu tun? 28 Durch welche(s) Ereignis(se) und in welchem Jahr endet die Klassik? 29 Welche Strömung folgt auf die Klassik? LVF2009002 - 15 Begleitende Texte zum Video 'Die Weimarer Klassik, Das Land der Griechen mit der Seele suchend' Goethe: Faust Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor; Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herumUnd sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel Dafür ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; Es möchte kein Hund so länger leben! Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis würde kund; Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß Zu sagen brauche, was ich nicht weiß; Daß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau alle Wirkenskraft und Samen, Und tu nicht mehr in Worten kramen. Goethe: Grenzen der Menschheit (…) Was unterscheidet Götter von Menschen? Daß viele Wellen Vor jenen wandeln, Ein ewiger Strom: Uns hebt die Welle, Verschlingt die Welle, Und wir versinken. Ein kleiner Ring Begrenzt unser Leben, Und viele Geschlechter Reihen sich dauernd An ihres Daseins Unendliche Kette. LVF2009002 - 16 Goethe: Iphigenie, Erster Aufzug, Erster Auftritt Iphigenie: (…) Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten, Und an dem Ufer steh ich lange Tage, Das Land der Griechen mit der Seele suchend; Und gegen meine Seufzer bringt die Welle Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. (…) Goethe: Römische Elegie V Froh empfind ich mich nun auf klassischem Boden begeistert; Vor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir. Hier befolg ich den Rat, durchblättre die Werke der Alten Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß. Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt; Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt beglückt. Und belehrt ich mich nicht, indem ich des lieblichen Busens Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab? (…) Schiller: Die Götter Griechenlands Und die Wagen donnerten zum Ziel. Schön geschlungne, seelenvolle Tänze Kreisten um den prangenden Altar, Eure Tempel lachten gleich Palästen, Euch verherrlichte das Heldenspiel An des Isthmus kronenreichen Festen, Eure Schläfe schmückten Siegeskränze, Kronen euer duftend Haar. Schiller: 'Über die ästhetische Erziehung des Menschen' (Fragment aus dem neunten Brief) Alle Verbesserung im Politischen soll von Veredlung des Charakters ausgehen; aber wie kann sich unter den Einflüssen einer barbarischen Staatsverfassung der Charakter veredeln? LVF2009002 - 17 Video 'Die Romantik, Immer wächst und blüht Verlangen' Fragen zum Video 1 Welches Ziel wurde in der Romantik verfolgt? 2 Was steht in der Romantik im Mittelpunkt? 3 Nach welchem 'goldenen Zeitalter' sehnen sich die Romantiker? 4 In welcher Stadt findet sich der erste Romantikerkreis zusammen? 5 Was bedeutet 'Universalpoesie'? 6 Was finden die Romantiker im Märchen, was sie in der Kunst der Aufklärung und der Klassik vermissen? 7 In welcher Stadt findet sich der zweite Romantikerkreis zusammen? 8 Erkläre, wieso E.T.A. Hoffmann das romantische Verschmelzungsideal schlechthin (bij uitstek) verkörpert. 9 Was ist das zentrale Motiv in Eichendorffs 'Aus dem Leben eines Taugenichts'? 10 Was ist das romantische Symbol schlechthin? 11 Was verkörpert dieses Symbol? 12 In Novalis' 'Heinrich von Ofterdingen' werden die Gattungsgrenzen aufgehoben. Was wird damit gemeint? 13 Welches Werk gilt als Höhepunkt der Frühromantik? 14 Welcher Konflikt steht im Zentrum von Heinrich von Kleists Werk? 15 Die nächste Generation von Dichtern wird den Idealismus der Romantik abschwören und sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit widmen. Wie heißt diese Generation? LVF2009002 - 18 Begleitende Texte zum Video 'Die Romantik, Immer wächst und blüht Verlangen' Heinrich von Kleist: Penthesilea, 24. Auftritt Denn jetzt steig' ich in meinen Busen nieder, Gleich einem Schacht, und grabe, kalt wie Erz, Mir ein vernichtendes Gefühl hervor. Dies Erz, dies läutr' ich in der Glut des Jammers Hart mir zu Stahl; tränk' es mit Gift sodann, Heißätzendem, der Reue, durch und durch; Trag' es der Hoffnung ew'gem Amboß zu, Und schärf' und spitz es mir zu einem Dolch; Und diesem Dolch jetzt reich' ich meine Brust: So! So! So! So! Und wieder! – Nun ist's gut. (sie fällt und stirbt) Eichendorff: Wem Gott will rechte Kunst erweisen (Aus: Aus dem Leben eines Taugenichts) Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl und frischer Brust? Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenrot, Sie wissen nur vom Kinderwiegen, Von Sorgen, Last und Not um Brot. Den lieben Gott laß ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd und Himmel will erhalten, Hat auch mein Sach aufs best bestellt! Joseph von Eichendorff: Mondnacht Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. LVF2009002 - 19 Novalis: Hymnen an die Nacht (2. Fragment) Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt? Unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. Hölderlin: kurze Reimstrophe Lerne im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben, Siehst du das eine recht, siehst du das andere auch. LVF2009002 - 20 Video 'Dichtung und Freiheit, Die Literatur des Jungen Deutschland' Fragen zum Video 1 Wie nennt man heute die Zeit nach dem Wiener Kongress 1815? 2 Welches Buch machte Heinrich Heine berühmt? 3 Welchen Gegensatz gibt es zwischen Goethe und Heine? 4 Was passierte im Jahre 1830? 5 Wofür wird auf dem Hambacher Fest 1832 demonstriert? 6 Wie reagieren die Fürsten in Deutschland auf dieses Fest? 7 Welche Empfehlung gibt Georg Büchner seinen Lesern im Bezug auf seinen 'Hessischen Landboten'? 8 Warum war 'Die Loreley' von Heine für die Nazis ein 'anonymes Volkslied'? 9 Welches Lied stammt von dem Autor Hoffmann von Fallersleben? 10 Was tagte 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main? 11 Hätte der König von Preußen die ihm angebotene Kaiserkrone 1848 angenommen, so wäre die deutsche Geschichte ganz anders verlaufen. Was wird im Film suggeriert? LVF2009002 - 21 Begleitende Texte zum Video 'Dichtung und Freiheit, Die Literatur des Jungen Deutschland' Heinrich Heine (1797-1856): aus 'Deutschland, ein Wintermärchen' Im traurigen Monat November war's, Die Tage wurden trüber, Der Wind riß von den Bäumen das Laub, Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und als ich an die Grenze kam, Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen In meiner Brust, ich glaube sogar Die Augen begunnen zu tropfen. Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Da ward mir seltsam zumute; Ich meinte nicht anders, als ob das Herz Recht angenehm verblute. Georg Büchner (1813-1837): aus 'Woyzeck' (1. Szene) HAUPTMANN: Moralisch ist, wenn man moralisch ist! Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht von mir. WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen. HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein' ich Ihn, Ihn WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen. HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet hat, und den weißen Strümpfen nachseh', wie sie über die Gassen springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch - gerührt: -, ein guter Mensch, ein guter Mensch. WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus. Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so die Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt' ein' Hut und eine Uhr und eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl! (Waldsaum am Teich) LVF2009002 - 22 WOYZECK : Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich! MARIE: Aber ich muß fort. WOYZECK: Du wirst dir die Füße nit wund laufe. MARIE : Wie bist du nur auch ! WOYZECK : Weißt du auch, wie lang es jetzt is, Marie? MARIE : Am Pfingsten zwei Jahr. WOYZECK : Weißt du auch, wie lang es noch sein wird? MARIE : Ich muß fort, das Nachtessen richten. WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heiße Lippen hast! Heiß, heißen Hurenatem ! Und doch möcht' ich den Himmel geben, sie noch einmal zu küssen. - Friert's dich? Wenn man kalt is, so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren. MARIE: Was sagst du? WOYZECK: Nix. MARIE : Was der Mond rot aufgeht! WOYZECK : Wie ein blutig Eisen. MARIE : Was hast du vor, Franz, du bist so blaß. - Er holt mit dem Messer aus. - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe ! WOYZECK sticht drauflos: Nimm das und das ! Kannst du nicht sterben? So! So ! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer noch. - Stößt nochmals zu. - Bist du tot! Tot! Tot! - Er läßt das Messer fallen und läuft weg. (Am Teich) WOYZECK allein: Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da gelassen. Es verrät mich ! Näher, noch näher! Was is das für ein Platz? Was hör' ich? Es rührt sich was. Still. - Da in der Nähe. Marie? Ha, Marie ! Still. Heinrich Heine: Die schlesischen Weber Im düstern Auge keine Träne, Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne: "Deutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem Götzen, zu dem wir gebeten In Winterskälte und Hungersnöten; Wir haben vergebens gehofft und geharrt, Er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem König, dem König der Reichen, Den unser Elend nicht konnte erweichen, Der den letzten Groschen von uns erpreßt Und uns wie Hunde erschießen läßt Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem falschen Vaterlande, Wo nur gedeihen Schmach und Schande, LVF2009002 - 23 Wo jede Blume früh geknickt, Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt Wir weben, wir weben! Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht, Wir weben emsig Tag und Nacht Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch Wir weben, wir weben!" Georg Herwegh (1817-1875): aus 'Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein' Mann der Arbeit, aufgewacht! Und erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still, Wenn dein starker Arm es will. Heinrich Heine: aus 'Deutschland, ein Wintermärchen' Ein kleines Harfenmädchen sang. Sie sang mit wahrem Gefühle Und falscher Stimme, doch ward ich sehr Gerühret von ihrem Spiele. Sie sang von Liebe und Liebesgram, Aufopfrung und Wiederfinden Dort oben, in jener besseren Welt, Wo alle Leiden schwinden. LVF2009002 - 24 Video 'Das ist ein weites Feld, Die Literatur des Realismus' Fragen zum Video 1 Wann erlebte Berlin seinen ersten Bau-Boom? 2 Aus welcher Stadt kommen Julia und ihr Lieblingsautor Theodor Fontane? 3 Was geschah 1848? 4 Der Adel behielt nach 1848 die politische Macht. Welche Schicht übernimmt die wirtschaftliche Macht? 5 Welche Stoffe und welches Milieu bevorzugen die deutschen Realisten? 6 Warum lassen die deutschen Realisten ihre Geschichten meistens auf dem Land oder in Kleinstädten abspielen? 7 Welchen Baustil findet man in der Fontane-Stadt? 8 Welche Welt nimmt Wilhelm Busch aufs Korn? 9 Wer schrieb 'Der Schimmelreiter'? 10 Welche drei Kriege führten letztendlich zur deutschen Einheit? 11 Wie nennt man die Zeit nach 1871 in Deutschland? 12 Wo landete Effi Briest, nachdem sie von ihrem Ehemann von Instetten verstoßen wurde? 13 Zitat: 'Der moderne Roman wurde für Deutschland erfunden, verwirklicht und auch gleich vollendet von […] Theodor Fontane.' Wer hat dies gesagt? LVF2009002 - 25 Begleitende Texte zum Video 'Das ist ein weites Feld, Die Literatur des Realismus' A.B.C. für Jungfrauen Wenn eine Jungfrau einmal liebt, Muß ewig treu sie sein Und wem ihr Herz sie einmal gibt, Dem muß sie's ewig weihn. Wilhelm Busch: Max und Moritz Schwupdiwupp! Da wird nach oben Schon ein Huhn hinaufgezogen (...) Zwar der Spitz sah es genau Und er bellt: “Rawau, Rawau”. (...) Alle Hühner waren fort "Spitz! !" das war ihr erstes Wort (...) Laut ertönt sein Wehgeschrei, Denn er fühlt sich schuldenfrei. Max und Moritz im Verstecke Schnarchen aber an der Hecke, Und vom ganzen Hühnerschmaus Guckt nur noch ein Bein heraus. Fontane in einer Rezension von Paul Lindaus Roman Der Zug nach dem Westen: “Der beste Roman”[ist der], der ein unverzerrtes Wiederspiel des Lebens ist, das wir führen [...], dessen Gestalten sich in die Gestalten des wirklichen Lebens einreihen, so daß wir [...] nicht mehr genau wissen, ob es gelebte oder gelesene Figuren waren [...], ähnlich wie manche Träume sich unserer [...] bemächtigen wie die Wirklichkeit.” LVF2009002 - 26 Theoder Storm: Oktoberlied Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Und geht es draußen noch so toll, Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt, So gänzlich unverwüstlich! Und wimmert auch einmal das Herz Stoß an und laß es klingen! Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist gar nicht umzubringen. Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Wohl ist es Herbst; doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es steht die Welt in Veilchen. Die blauen Tage brechen an, Und ehe sie verfließen, Wir wollen sie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen! Fontane zur 'Gartenlaube' in einem seiner Tagebücher: “Meine Gefangenschaft hat mich zu einer Sehenswürdigkeit [...] gemacht [...]; die 'Gartenlaube' ist sogar [...] entschlossen, mich mit Text und Holzschnitt, unter die berühmten Zeitgenossen aufzunehmen, besinnt sich aber [...] eines besseren, da sie erfährt, dass alle meine Glieder heil geblieben sind. “ Fontane über Bismarck: Der Kanzler ist ein Despot; aber er muß es sein. Ließe er sich durch Majoritäten bestimmen, so wäre er kein Kanzler und wir hätten kein Deutsches Reich. LVF2009002 - 27 Video 'Rilke, Kafka, Expressionismus, Deutsche Literatur der frühen Moderne' Fragen zum Video 1 Vielleicht erkennst du die Musik am Anfang und am Ende des Videos. Wer hat sie komponiert? 2 Was stellt der Philosoph Friedrich Nietzsche in den Mittelpunkt seines Denkens? 3 Zitat: 'Das Zauberwort heißt nun das Ich'. Wie macht sich das in der Literatur bemerkbar? 4 Ergänze: 'Der Expressionismus ist keine Mode, er ist eine Weltanschauung, und zwar ein Anschauung der ….. , nicht der ….. '. 5 Wie sieht Rilke seine Rolle als Dichter? 6 Warum war Kafka zu Lebzeiten unbekannt? 7 Warum war Kafka in Marienbad? 8 Welche drei Bücher/Fragmente von Kafka werden im Video behandelt? 9 Was ist modern an der Erzählperspektive von Kafka? 10 Zitat: 'Die Expressionisten glaubten an einen besseren Menschen in einer gerechteren Welt'. Wie wollten sie dies erreichen? 11 Durch welches Ereignis in der Weltgeschichte wurde die Hoffnung aus dem Zitat von der vorigen Frage zerschlagen? 12 In der darauffolgenden Literaturperiode zur Zeit der Weimarer Republik streben die Autoren nicht mehr nach Verinnerlichung. Wonach streben sie wohl? LVF2009002 - 28 Begleitende Texte zum Video 'Rilke, Kafka, Expressionismus, Deutsche Literatur der frühen Moderne' Rainer Maria Rilke (1875-1926) Herbsttag Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin, und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Der Panther Im Jardin des Plantes, Paris Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille und hört im Herzen auf zu sein. LVF2009002 - 29 Franz Kafka (1883-1924) Der Prozess (Anfang) Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Die Köchin der Frau Grubach, seiner Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen acht Uhr früh das Frühstück brachte, kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen. Gleichnis 'Vor dem Gesetz' aus 'Der Prozess' Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der Türhüter sagt, dass er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne. Der Mann überlegt und fragt dann, ob er also später werde eintreten dürfen. „Es ist möglich', sagt der Türhüter, „jetzt aber nicht.' Da das Tor zum Gesetz offensteht wie immer und der Türhüter beiseite tritt, bückt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehn. Als der Türhüter das merkt, lacht er und sagt: „Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehn. Merke aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Von Saal zu Saal stehn aber Türhüter, einer mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kam nicht einmal ich mehr ertragen.' Solche Schwierigkeiten hat der Mann vom Lande nicht erwartet; das Gesetz soll doch jedem und immer zugänglich sein, denkt er, aber als er jetzt den Türhüter in seinem Pelzmantel genauer ansieht, seine große Spitznase, den langen, dünnen, schwarzen tatarischen Bart, entschließt er sich, doch lieber zu warten, bis er die Erlaubnis zum Eintritt bekommt. Der Türhüter gibt ihm einen Schemel und läßt ihn seitwärts von der Tür sich niedersetzen. Dort sitzt er Tage und Jahre. Er macht viele Versuche, eingelassen zu werden, und ermüdet den Türhüter durch seine Bitten. Der Türhüter stellt öfters kleine Verhöre mit ihm an, fragt ihn über seine Heimat aus und nach vielem andern, es sind aber teilnahmslose Fragen, wie sie große Herren stellen, und zum Schlusse sagt er ihm immer wieder, dass er ihn noch nicht einlassen könne. Der Mann, der sich für seine Reise mit vielem ausgerüstet hat, verwendet alles, und sei es noch so wertvoll, um den Türhüter zu bestechen. Dieser nimmt zwar alles an, aber sagt dabei: „Ich nehme es nur an, damit du nicht glaubst, etwas versäumt zu haben.' Während der vielen Jahre beobachtet der Mann den Türhüter fast ununterbrochen. Er vergisst die andern Türhüter, und dieser erste scheint ihm das einzige Hindernis für den Eintritt in das Gesetz. Er verflucht den unglücklichen Zufall, in den ersten Jahren rücksichtslos und laut, später, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. Er wird kindisch, und, da er in dem jahrelangen Studium des Türhüters auch die Flöhe in seinem Pelzkragen erkannt hat, bittet er auch die Flöhe, ihm zu helfen und den Türhüter umzustimmen. Schließlich wird sein Augenlicht schwach, und er weiß nicht, ob es um ihn wirklich dunkler wird, oder ob ihn nur seine Augen täuschen. Wohl aber erkennt er jetzt im Dunkel einen Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht. Nun lebt er nicht mehr lange. Vor seinem Tode sammeln sich in seinem Kopfe alle Erfahrungen der ganzen Zeit zu einer Frage, die er bisher an den Türhüter noch nicht gestellt hat. Er winkt ihm zu, da er seinen erstarrenden Körper nicht mehr aufrichten kann. Der Türhüter muß sich tief zu ihm hinunterneigen, denn der Größenunterschied hat sich sehr zuungunsten des Mannes verändert. „Was willst du denn jetzt noch wissen?' fragt der Türhüter, „du bist unersättlich.' „Alle streben doch nach dem Gesetz', sagt der Mann, „wieso kommt es, dass in den vielen Jahren niemand außer mir Einlass verlangt hat?' Der Türhüter erkennt, dass der Mann schon an seinem Ende ist, und, um sein vergehendes Gehör noch zu erreichen, brüllt er ihn an: „Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.' LVF2009002 - 30 Die Verwandlung (Anfang) Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Beispieltext von Kafka für die Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit des Menschen in der modernen Welt (nicht im Video): Gib's auf! Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, dass es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich musste mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: 'Von mir willst Du den Weg erfahren?' 'Ja,' sagte ich, 'da ich ihn selbst nicht finden kann.' 'Gib's auf, gib's auf', sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen. Georg Trakl (1887-1914) Am Abend tönen die herbstlichen Wälder Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen Und blauen Seen, darüber die Sonne Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht Sterbende Krieger, die wilde Klage Ihrer zerbrochenen Münder. Doch stille sammelt im Weidengrund Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle; Alle Straßen münden in schwarze Verwesung. Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain, Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter; Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes. O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz, Die ungebornen Enkel. LVF2009002 - 31 Video 'Wovon lebt der Mensch?, Die Literatur der Weimarer Republik' Fragen zum Video 1 Wie beurteilt Thomas Mann die Position des Schriftstellers in der Weimarer Republik? 2 Wie heißt der Aufstand 1919 in Berlin? 3 Wie heißen die zwei wichtigsten Vorkämpfer dieses Aufstandes? 4 Wie versteht sich Brecht als Schriftsteller, obwohl er aus wohlhabenden, bürgerlichen Verhältnissen stammt? 5 Was kritisiert der Journalist und Autor Kurt Tucholsky an der Entstehung der Weimarer Republik? 6 Mit welchem Roman wurde Thomas Mann 1901 weltberühmt? 7 Thomas Mann hält sich weitgehend aus dem politischen Leben heraus. Was wird über ihn als Autor gesagt? 8 Wo spielt sich Thomas Manns Roman 'Der Zauberberg' ab? 9 Welchen Gegensatz enthält 'Der Zauberberg'? 10 Was wollte Brecht beim Zuschauer mit dem V-Effekt erreichen? 11 Wie heißt die Romantechnik, die in Alfred Döblins 'Berlin Alexanderplatz' zum Ausdruck kommt? 12 Welchen Einfluss hatte Hitlers 'Ermächtigungsgesetz' 1933 auf die Literatur? LVF2009002 - 32 Begleitende Texte zum Video 'Wovon lebt der Mensch?, Die Literatur der Weimarer Republik' Kurt Tucholsky: Das Lied vom Kompromiss (Fragment) Manche tanzen manchmal wohl ein Tänzchen immer um den heißen Brei herum, kleine Schweine mit dem Ringelschwänzchen, Bullen mit erschrecklichem Gebrumm. Freundlich schaun die Schwarzen und die Roten, die sich früher feindlich oft bedrohten. Jeder wartet, wer zuerst es wagt, bis der eine zu dem andern sagt: (Volles Orchester) "Schließen wir 'nen kleinen Kompromiss! Davon hat man keine Kümmernis. Einerseits - und andrerseits so ein Ding hat manchen Reiz... Sein Erfolg in Deutschland ist gewiss: Schließen wir 'nen kleinen Kompromiss!" (.) Und durch Deutschland geht ein tiefer Riss. Dafür gibt es keinen Kompromiss Bertolt Brecht: Ballade über die Frage: 'Wovon lebt der Mensch?' (Fragment aus der 'Dreigroschenoper') Ihr, die euren Wanst und unsre Bravheit liebt Das eine wisset ein für alle Mal: Wie ihr es immer dreht und wie ihr's immer schiebt Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Erst muss es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden. Thomas Mann: Zitate (…) nachdem man der Demokratie alles nachgesagt hat, was ihr nachgesagt werden kann, ist festzustellen, dass sie des Landes geistige Spitzen, nach Wegfall der dynastisch-feudalen, der Nation sichtbarer macht: das unmittelbare Ansehen des Schriftstellers steigt im republikanischen Staat, seine unmittelbare Verantwortlichkeit gleichermaßen, - ganz einerlei, ob er persönlich dies je zu Wünschbarkeiten zählte oder nicht. (…) (…) der Staat, ob wir wollen oder nicht, - er ist uns zugefallen. In unsere Hände ist er gelegt, in die jedes Einzelnen; er ist unsere Sache geworden, die wir gut zu machen haben, und das eben ist die Republik, - etwas anderes ist sie nicht. LVF2009002 - 33 Video 'Gibt denn keiner Antwort?, Trümmerliteratur im Nachkriegsdeutschland' Fragen zum Video 1 Im ganzen Video kommen folgende Autoren vor: Alfred Andersch, Heinrich Böll, Wolfgang Borchert, Bertolt Brecht, Günter Eich, Erich Kästner, Thomas Mann, Hans Werner Richter und Wolfdietrich Schnurre. Schreibe auf, wie jeder Autor den Krieg erlebt hat. Wähle aus: a im Exil; b in der inneren Emigration; c als Soldat. 2 Was ist mit dem Begriff 'Umerziehung' gemeint? 3 Erkläre den Begriff 'Trümmerliteratur'. 4 Was hat der Philosoph Theodor Adorno über das Schreiben von Lyrik gesagt? 5 Welche Bedeutung kommt der Zeitschrift 'Der Ruf' zu? 6 Warum erschienen Romane nach dem Krieg als Zeitung? 7 Warum erschien keine Trümmerliteratur in der Form einer Zeitung? 8 Welche Bedeutung hatte das Kabarett für den Autor Erich Kästner? 9 Einen Tag vor einem wichtigen Ereignis starb der Autor Wolfgang Borchert. Welches Ereignis ist gemeint? 10 Aus dem Theaterstück 'Draußen vor der Tür' siehst du einige Passagen. In der erstgezeigten Passage wird die Hauptfigur 'Fisch/Beckmann' von einem Mädchen aufgenommen. Warum hat Fisch kein Zuhause? 11 Was will Beckmann dem Oberst zurückgeben? 12 Am Ende des Stücks ruft Beckmann aus: 'Gibt denn keiner Antwort'? Was drückt er damit aus? 13 Was geschah 1947 zum letzten Mal? 14 Welche zwei geschichtlichen Ereignisse führten zum Kalten Krieg? 15 Was wollte die Gruppe 47? LVF2009002 - 34 Begleitende Texte zum Video 'Gibt denn keiner Antwort?, Trümmerliteratur im Nachkriegsdeutschland' Günter Eich: Inventur Dies ist meine Mütze, dies ist mein Mantel, hier mein Rasierzeug im Beutel aus Leinen. Konservenbüchse: Mein Teller, mein Becher, ich hab in das Weißblech den Namen geritzt. Geritzt hier mit diesem kostbaren Nagel, den vor begehrlichen Augen ich berge. Im Brotbeutel sind ein Paar wollene Socken und einiges, was ich niemand verrate, so dient es als Kissen nachts meinem Kopf. Die Pappe hier liegt zwischen mir und der Erde. Die Bleistiftmine lieb ich am meisten: Tags schreibt sie mir Verse, die nachts ich erdacht. Dies ist mein Notizbuch, dies meine Zeltbahn, dies ist mein Handtuch, dies ist mein Zwirn. Wolfdietrich Schnurre: aus An die Harfner (1948) zerschlagt eure Lieder verbrennt eure Verse sagt nackt was ihr müsst. LVF2009002 - 35 Erich Kästner: Marschlied 1945 In den letzten dreißig Wochen zog ich sehr durch Wald und Feld. Und mein Hemd ist so durchbrochen, dass man's kaum für möglich hält. Ich trag Schuhe ohne Sohlen, und der Rucksack ist mein Schrank. Meine Möbel hab'n die Polen und mein Geld die Dresdner Bank. Ohne Heimat und Verwandte, und die Stiefel ohne Glanz, ja, das wär nun der bekannte Untergang des Abendlands Ich trage Schuhe ohne Sohlen. Durch die Hose pfeift der Wind. Doch mich soll der Teufel holen, wenn ich nicht nach Hause find. In den Fenstern, die im Finstern lagen, zwinkert wieder Licht, Freilich nicht in allen Häusern. Nein, in allen wirklich nicht... Tausend Jahre sind vergangen samt der Schnurrbart Majestät. Und nun heißt's: Von vorn anfangen! Vorwärts marsch! Sonst wird's zu spät! Links, zwei, drei, vier, links, zwei, drei Hin ist hin! Was ich habe, ist allenfalls: links, zwei, drei, vier, links, zwei, drei Ich habe den Kopf, ich hab ja den Kopf noch fest auf dem Hals. Links, zwei, drei, vier, links, zwei, drei Vorwärts marsch, von der Memel bis zur Pfalz! Links, zwei, drei, vier, links, zwei, drei Denn wir haben ja den Kopf, denn wir haben ja den Kopf noch fest auf dem Hals! Wolfgang Borchert: aus Draußen vor der Tür (1947) Als ich jetzt nach Hause kam, da war mein Bett besetzt. Dass ich mir nicht das Leben nahm, das hat mich selbst entsetzt. Da hab ich mir um Mitternacht ein neues Mädchen angelacht. Von Deutschland hat sie nichts gesagt. Und Deutschland hat auch nicht nach uns gefragt. Die Nacht war kurz, der Morgen kam, Und da stand einer in der Tür. Der hatte nur ein Bein und das war ihr Mann. Und das war morgens um vier. Die Welt hat gelacht und ich hab gebrüllt. Und der Nebel der Nacht hat dann alles verhüllt. Nur der Mond grinst noch durch ein Loch in der Gardine! LVF2009002 - 36 Lösungen Video 'Tränen des Vaterlandes oder das literarische Barock' 1 Zerstörung/Pest - Prachtentfaltung des Absolutismus 2 Latein: Literatur; Deutsch: einfache Stände 3 Leiden 4 Religion 5 Machtkampf zwischen Städten, Fürsten und dem Kaiser 6 Westfälischer Friede, Friede von Münster 7 Sprachgesellschaft zur Befreiung von Fremdwörterei 8 Schlesischer Engelsbote 9 Einheit mit Gott 10 Ludwig XIV. 11 Martin Opitz 12 ein 'e' über dem u, a, o 13 abba, abba, ccd, eed Video 'Erziehung des Menschengeschlechts, Lessing und die deutsche Aufklärung' 1 Bürger: Glaube an die Macht der menschlichen Vernunft 2 Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen 3 Sein Beruf als freier Schriftsteller 4 Gottsched: klassizistisch, Könige, Adel; Lessing: bürgerlich 5 Unnatürlich (Einheit von Ort, Zeit, Handlung), fordert Furcht und Mitleid mit den Hauptpersonen 6 Encyclopedie des sciences, des arts et des metiers 7 Für den Pöbel, das einfache Volk 8 die Gewalt richtet sich gegen sich selbst (Emilia Galotti) 9 Orthodoxie, Religion versus Vernunft; innere Wahrheit; Gott versus mündiger Mensch 10 Nathan ist Jude und der Klügste 11 Sturm und Drang Video 'Kalkül und Leidenschaft, Die Epoche des Sturm und Drang' 1 Inbegriff des Deutschen 2 1770-1785 3 Freiheit und Humanität 4 Despotie, Konvention, Staat, Rationalismus 5 Freiheit, heroisches Leben 6 Ausbildung für die Verwaltung 78 Schüler, gegen seinen Willen 9 'Einsamkeit' 10 Gesetz hat keinen großen Menschen hervorgebracht 11 Straßburg 12 Lehrer, begeistert die anderen für Homer 13 keinem Gesetz unterworfen LVF2009002 - 37 14 Gotik 15 Liebe zu Frederike Brion 16 Mädchen, das aus Liebe stirbt 17 Liebe zu Lotte – Anderer (Albert) – begeht Selbstmord; literarischer Erfolg 18 Schlechte Lage der Hauslehrer bei Adligen 19 Verbannt, will mit Gewalt für Gerechtigkeit sorgen 20 Schiller wird zum Ehrenbürger der Republik 21 Die Rebellion scheitert, es bleibt Melancholie; Revolte auf dem Papier Video 'Die Weimarer Klassik, Das Land der Griechen mit der Seele suchend' 1 Goethe und Schiller 2 Nein, kleine Residenzstadt mit 6000 Einwohnern, ein Dorf 3 1775 4 Ungefähr 300 5 Berater des Herzogs 6 Antike, griechisch-römische Zeit 7 Bergbau, Hoforganisator 8 Grenzen annehmen 9 Aufbruch zu einer neuen Form 10 Kosmopoliten 11 Wiedergeburt als Künstler, Sehnsucht 12 1786-1788 13 Zur gleichen Zeit 14 Die Götter Griechenlands 15 Leidenschaft, 18 Jahre später Heirat 16 Historiker (Idealist, Philosoph) 17 Klassisches Aussehen 18 Politische Utopie, philosophisches Hauptwerk 19 Ablehnung wegen des Terrors 20 Wirken im engen Kreis 21 Bildungsroman 22 30-jährigen Krieg, Treue zum Kaiser und eigene Machtpolitik 23 eng 24 Höhepunkt 25 Caesar 26 Schiller 27 Bis 1832 zu Ende geschrieben 28 Schillers Tod 1805 29 Romantik LVF2009002 - 38 Video 'Die Romantik, Immer wächst und blüht Verlangen' 1 Einheit von Geist und Natur 2 Gefühl, subjektives Empfinden des Einzelnen 3 Mittelalter, Jugendzeit unserer Kultur 4 Jena 5 Vermischen aller Sinneswahrnehmungen, Genren, Musik, Dichtung 6 Fantasie den freien Lauf lassen, Gefühl, das Wunderbare, Geheimnisvolle 7 Heidelberg 8 Dichter, Musiker, Zeichner 9 Reise 10 Blaue Blume 11 Sehnsucht nach der Einheit der verlorenen Dinge, Einheit Natur, Musik und Mensch 12 Prosa, Gedichte, Märchen, Lieder durcheinander 13 Hymnen an die Nacht, Novalis 14 Suche nach dem Halt in der Existenz 15 Junges Deutschland Video 'Dichtung und Freiheit, Die Literatur des Jungen Deutschland' 1 Restauration 2 Buch der Lieder 3 Goethe: Gefühl – Heine: Wirklichkeit 4 Revolution in Frankreich, Aufstände in Europa 5 Einheit und Freiheit 6 Mehr Zensur 7 Außerhalb des Hauses aufbewahren 8 Heine war Jude 9 Nationalhymne 10 Erstes Parlament in Deutschland, Volksversammlung 11 Keine Kriege zur Einigung von Deutschland Video 'Das ist ein weites Feld, Die Literatur des Realismus' 1 1871 2 Neu-Ruppin 3 Revolution gegen die absolutistischen Herrscher 4 Bürgertum 5 Historische Stoffe, Bürgertum 6 Ideal einer überschaubaren Welt 7 Klassizismus 8 Enge Welt des Biedermanns 9 Theodor Storm 10 1864 Dänemark, 1866 Österreich, 1870/71 Frankreich 11 Gründerzeit 12 Innenhof, Mietskasernen 13 Heinrich Mann LVF2009002 - 39 Video 'Rilke, Kafka, Expressionismus, Deutsche Literatur der frühen Moderne' 1 Gutav Mahler 2 den Einzelnen, das Individuum 3 Überwindung der materiellen Sichtweise, Verinnerlichung 4 der Sinne, nicht der Begriffe 5 Von der Welt abgewandt, isoliert 6 kaum Veröffentlichungen 7 auf Kur, Tuberkulose 8 die Verwandlung, der Prozess, das Schloss 9 Erzähler, der es nicht durchschaut 10 Durch die Literatur 11 den Ersten Weltkrieg 12 Sachlich beschreiben, kritisch kommentieren Video 'Wovon lebt der Mensch?, Die Literatur der Weimarer Republik' 1 Ansehen, Verantwortlichkeit gestiegen 2 Spartakusaufstand 3 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 4 Proletariat, Dichter des Volkes 5 Kompromissbereitschaft 6 Buddenbrooks 7 Nichts erlebt, alles beschrieben 8 In den Schweizer Bergen 9 Aufklärung/Vernunft – totalitäres System 10 Keine Identifikation mit der Handlung, selber nachdenken 11 Montagetechnik 12 Exil Video 'Gibt denn keiner Antwort?, Trümmerliteratur im Nachkriegsdeutschland' 1 Soldat: Alfred Andersch, Heinrich Böll, Wolfgang Borchert, Günter Eich, Hans Werner Richter, Wolfdietrich Schnurre Innere Emigration: Erich Kästner Exil: Bertolt Brecht, Thomas Mann 2 'heropvoeding', Entnazifizierung, Bildungs- und Kulturpolitik 3 Radikaler Neuanfang 4 Nach Auschwitz kein Gedicht mehr möglich 5 Sammelbecken junger Autoren 6 Papiermangel 7 Man konnte wegen der Not kaum schreiben 8 Ort der Heilung, geistiges Lazarett 9 Uraufführung 10 Heimkehr aus der Gefangenschaft 11 Seine Verantwortung 12 Hilfeschrei nach Aufmerksamkeit LVF2009002 - 40 13 Gesamtdeutscher Schriftstellerkongress 14 D-Mark, Blockade Berlins 15 Unabhängige Kulturentwicklung LVF2009002 - 41