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VO L L I M T R E N D … LO G I ST I K
Ein Berufszweig
in Bewegung
Optimale Lagerwirtschaft, Just-in-Time-Lieferung, globale Warenströme:
Die Logistik entwickelt sich rasant und bietet jede Menge spannende
Aufgaben. Doch im Wettbewerb sind immer neue Qualifikationsbündel
gefragt. Für Berufseinsteiger heißt das: viel Arbeit, viel Abwechslung,
viele Ausbildungswege. abi zeigt, welche Trends die Logistik prägen und
wie man sich darauf vorbereiten kann.
16 abi
12/2006
Schwerpunkt: Logistik
I N T E RV I E WS U N D B E T R I E B S B E F R AG U N G E N
Wie sagt man den Wandel vorher?
Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung lief 2000 bis 2002 im Sektor Logistik die Studie „Arbeitsnahe Dauerbeobachtung der Qualifikationsentwicklung mit
dem Ziel der Früherkennung von Veränderungen in der Arbeit und in den Betrieben“ –
ADeBar. Ziel war, Trends früh aufzuspüren, um Aus- und Weiterbildungsangebote darauf
abzustellen. Zuerst besuchten Forscher des Fraunhofer-Instituts IAO 25 Betriebe und stellten Thesen zu Qualifikationstrends auf. Ein Jahr später interviewten TNS Infratest Sozialforschung und Helmut Kuwan, Sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung München,
200 Unternehmen dazu, welche der vorgefundenen Entwicklungen sie besonders wichtig
fanden. Das Bundesinstitut für Berufsbildung griff das Thema in einer anderen Untersuchung 2004 auf und befragte mehrere Tausend Betriebe nach dem Stellenwert von
Logistik in ihrer Arbeit.
F RÜ H E R K E N N U N G VO N Q UA L I F I K AT I O N ST R E N D S
abi-Reihe „Voll im Trend“
Die Früherkennungsforschung des Netzwerks FreQueNz hat ihren Schwerpunkt bislang
auf besonders dynamische Branchen oder Tätigkeitsfelder gelegt. Dies sind neben der
Logistik zum Beispiel Tourismus, Gesundheit und Wellness, kaufmännische Bürotätigkeiten, IT und Multimedia sowie Finanzdienstleistungen. Außerdem werden forschungsintensive Bereiche wie Nano- und Biotechnologie oder Erneuerbare Energien untersucht.
Die abi-Reihe „Voll im Trend“ greift die Ergebnisse auf und zeigt, welche Qualifikationen
künftig gefragt sein werden.
Foto: Größer
abi 10/2005
Nanotechnologie – Kleinigkeiten mit großer Wirkung
http://www.abi-magazin.de/rubrik/schwerpunkt200510.jsp
➔ Thomas Zimmermann wollte „einen Beruf mit Zukunft“. Im Herbst
2005 startete der Abiturient die Ausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung bei der Horst Mosolf GmbH & Co. KG in
Kirchheim/Teck, die sich auf die Auslieferung von Neu- und Gebrauchtwagen spezialisiert hat. Zurzeit ist er in der Abteilung „Offerten“, die
Angebote für Sondertransporte kalkuliert. „Zum Beispiel fragt ein Autohersteller, was es kostet, ein Showcar zu mehreren Messeauftritten zu
bringen. Ich spreche unsere Kapazitäten mit der Disposition ab und erstelle ein Angebot. Die Kombination aus Tüftelei und Telefonaten macht
mir sehr viel Spaß.“
Die Theorie lernt der 22-Jährige in der Berufsschule. Viele Inhalte
erarbeiten die Azubis in Kleingruppen und präsentieren sie vor der
Klasse – Internetrecherche, Quellendokumentation und Powerpoint-Vorführung inklusive. „Seit die alte Ausbildung für Speditionskaufleute
2004 modernisiert wurde, enthält sie viel mehr Projekt- und Teamarbeit“, sagt Silke Berger, Personalreferentin bei Mosolf. „Die Auszubildenden lernen verstärkt, in Zusammenhängen zu denken und selbstständig zu arbeiten. Das können sie bei uns zum Beispiel auf einem
Fahrzeug-Lagerplatz üben, den die Azubis selbst managen.“ Ein weiterer wichtiger Trend: „Unsere Mitarbeiter müssen in globalen Strukturen
denken. Wir transportieren zum Beispiel Nutzfahrzeuge von Portugal bis
nach Osteuropa und sind auch in Brasilien aktiv.“
abi 2/2006
Tourismus – Wenn König Kunde reisen will
http://www.abi-magazin.de/rubrik/schwerpunkt200602.jsp
Weitere Informationen auf den Seiten des Forschungsnetzwerks FreQueNz:
http://www.frequenz.net
Kundenorientierung, IT-Nutzung, eigenständiges Arbeiten und Denken in Gesamtprozessen über nationale Grenzen hinweg: Das sind nur
einige Fähigkeiten, die in Logistik-Berufen gefragt sein werden. „Sowohl
fachliche als auch überfachliche Anforderungen steigen in den nächsten
Jahren“, weiß Simone Martinetz vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Das IAO ist Teil des Forschungsnetzwerkes zur Früherkennung von Qualifikationserfordernissen (FreQueNz) und
hat in den vergangenen Jahren die Veränderungen in der Logistik unter
die Lupe genommen. In detaillierten Befragungen von Berufstätigen und
Experten fanden die FreQueNz-Forscher heraus, welche Qualifikationen
schon jetzt gefragt sind und welche Trends sich abzeichnen.
Logistik als Schlüssel für viele Branchen
„Die Entwicklungen in der Logistik sind interessant, weil sie als Querschnittsfunktion viele Unternehmen betrifft“, erläutert Simone Martinetz. Eine gängige Definition zeigt den Umfang: „Logistik umfasst die
Konzeption, Planung und Durchführung des Transports, der Lagerung,
Bereitstellung und Verteilung von Material, Waren und Produkten sowie
die damit verbundenen Informationsleistungen.“ Neun Zehntel aller
Fahrzeugbau-Unternehmen finden Logistik wichtig für ihren Erfolg, acht
Zehntel aller Betriebe im Ernährungssektor und in der Metallverarbeitung, gut die Hälfte aller Baufirmen und Handelsunternehmen. Das hat
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Schwerpunkt: Logistik
das Bundesinstitut für Berufsbildung in einer Umfrage herausgefunden,
die im Rahmen der FreQueNz-Untersuchungen durchgeführt wurde.
„Je vernetzter man produziert, je mehr Rohmaterialien und Halbfertigerzeugnisse aus verschiedenen Ländern kommen und je mehr exportiert wird, desto höher ist der Bedarf an Planung und Transport“, erklärt
Dr. Thomas Wimmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesvereinigung Logistik. „Wenn es einer Wirtschaft schlecht geht und man
sparen muss, braucht man gute Logistik. Wenn die Wirtschaft boomt
und man die vielen Aufträge kaum erfüllen kann, braucht man sie ebenfalls.“ Gute Logistik kann den Wettbewerb entscheiden. „Viele Produkte
unterscheiden sich kaum noch in Qualität und Preis“, sagt Professor
Dr. Berend Denkena, der an der Universität Hannover Produktion und
Logistik lehrt. „Wer schnell und flexibel liefert, ist klar im Vorteil.“
Logistik gilt daher als Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft.
Nach dem Handel und der Automobilindustrie hat die Branche den größ-
Erwartete Veränderungen von Qualifikationsanforderungen
Durchschnittliche Veränderungen in den nächsten 3 Jahren
Derzeit
6,18
3,59
Kundenorientierung
Lösungsfindung gemeinsam
mit Kunden
5,92
3,15
Persönliches, nicht dokumentiertes Erfahrungswissen
5,51
3,12
5,85
3,08
Unternehmerisches Denken
Auf ein klares berufl. Profil
bezogene fachl. Anforderungen
5,05
2,61
Elektronische Kommunikation im Internet
6,04
2,51
Berücksichtigung der
ökologischen Nachhaltigkeit
5,51
2,49
5,77
2,20
Sicherheit im Internet
Umgang mit Datenbanken
(z.B. SQL)
5,61
2,19
2,15
5,89
E-Commerce, E-Business
1,69
5,27
Internetprogramme
(z.B. Java, HTML)
1,64
5,26
Web-Design
5
5,5
Derzeitiges Anforderungsniveau
4 = sehr hoch
1 = sehr niedrig
6
6,5
Künftig
Künftiges Anforderungsniveau
7 = nimmt sehr stark zu
1 = nimmt sehr stark ab
Quelle: Infratest Sozialforschung, ADeBar-Hauptstudie/Qualifizierungsoffensive, 26. Juni 2001
Organisatorische Veränderungen in den letzten 3 Jahren
Anteilswerte in Prozent
Verbesserung des
Qualitätsmanagements
76
Neue Beschaffungsund Vertriebswege
67
Reorganisation
von Abteilungen
60
Verlagerung von Verantwortung nach unten
57
45
Outsourcing
Eigenverantwortliche
Arbeitsgruppen
43
Einheiten mit eigener
Kosten-/Ergebnisermittlung
43
Umweltmaßnahmen,
z.B. Ökobilanzen, Öko-Audit
37
Mehr Eigenfertigung,
mehr Eigenleistung
37
Einführung eines
Call-Centers
11
0
20
40
60
Quelle: Infratest Sozialforschung, ADeBar-Hauptstudie/Qualifizierungsoffensive, 26. Juni 2001
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ten Umsatz, sie beschäftigt 2,6 Millionen Menschen. Und sie befindet
sich im Wandel: Immer mehr Betriebe lagern ihre Logistik-Aufgaben an
Spezialisten aus. Diese wachsen und bieten umfassende Dienstleistungen an. Fast alle Betriebe, bei denen Logistik eine wichtige Rolle spielt,
haben in den vergangenen Jahren ihre Arbeitsorganisation verbessert,
Verantwortung nach unten verlagert oder Aufgaben an Dienstleister abgegeben, fanden die FreQueNz-Forscher heraus.
Gerade Logistik-Spezialbetriebe setzen für die Zukunft auf Kundenorientierung. Die meisten befragten Experten sehen sie als Schlüsselqualifikation. Die Deutsche Post World Net zum Beispiel hat mit ihrem
Ableger DHL Exel Supply Chain einen weltweit tätigen Geschäftsbereich,
der Abläufe für andere Unternehmen optimiert. „Jeder Kunde braucht
eine individuelle Lösung, die wir gemeinsam mit ihm entwickeln“, berichtet Jens Schäfer, Director Business Development Industrial bei DHL.
„Oft steht man im Wettbewerb mit anderen Beratern. Deshalb gehen
wir früh auf mögliche Interessenten zu und bieten Lösungen an.“
Den Trend zum unternehmerischen Denken bestätigt die FreQueNzForschung ebenfalls. Wirtschaftliches Know-how zählt. „Wenn wir nur
für drei Jahre die Logistik eines Kunden übernehmen sollen, rechnet
sich zum Beispiel die Investition in ein automatisches Kommissioniersystem nicht“, erklärt Jens Schäfer. „Manchmal bauen und betreiben
wir aber ein komplettes Lager für den Kunden.“ Teilweise geht das Outsourcing noch weiter: „Die Tür-Innenverkleidung eines Audi A6 kommt
von einem Zulieferer, für den wiederum DHL die Montage übernimmt“,
erklärt Jens Schäfer. „Man muss ständig mitdenken, welchen Mehrwert
man anbieten kann. Wo Kosten nicht mehr sinken können, ist besserer Service gefragt.“
Globaler Waren- und Informationsfluss
Der Trend geht zum kompletten „Supply Chain Management“. Die FreQueNz-Forscher definieren dies als „logistische Betreuung der gesamten Kette von der Entstehung über die Auslieferung bis zur Entsorgung
von Produkten“ – teils sogar als Kreislauf (vergleiche dazu auch das
Porträt des Dienstleisters im Supply Chain Management). „Unsere Spezialisten denken Prozesse von Anfang bis Ende durch“, sagt Melanie
Jaklin, Referentin Personalmarketing und Nachwuchsförderung, Deutsche Post World Net. „Dabei arbeiten sie geschäftsbereichs- und produktübergreifend.“
Und natürlich macht Logistik nicht vor Landesgrenzen Halt. Ein gutes Beispiel ist Susanne Kramer: Die Schwedin hat an der Berufsakademie Lörrach Spedition, Transport und Logistik studiert, Praxisphasen in
der Schweiz und Frankreich absolviert und auch im Elsass studiert. Nun
soll die 31-Jährige in der Ukraine eine Niederlassung für den Logistikdienstleister Frans Maas mit aufbauen. „Russisch werde ich sicher bald
lernen“, meint sie. „So viel Flexibilität braucht man eben.“ Das sieht auch
Jens Schäfer von DHL so: „Reisebereitschaft ist eine Grundvoraussetzung, weil das Geschäft sich nicht nur auf Europa konzentriert.“
Wer gern mit anderen Ländern zu tun hat, kommt in der Logistik also
voll auf seine Kosten. Doch auch in der Heimat ist soziale Kompetenz
gefragt. „Logistiker sollten sich gut ausdrücken, Konzepte präsentieren
und verhandeln können und dabei auch Konflikte lösen“, sagt Professor
Dr.-Ing. Klaus Möller, Studiendekan an der Hochschule Pforzheim.
Neue Techniken ermöglichen noch mehr Informationsaustausch. Die
FreQueNz-Betriebsbefragung zeigt: Immer mehr Fachleute nutzen selbstverständlich Informations- und Kommunikationstechnologien. Und immer mehr Vorgänge werden automatisch per EDV dokumentiert. Datenströme begleiten Warenströme, virtuelle Systeme werden vernetzt (vergleiche dazu auch das Porträt des IT-Experten in der Lagerverwaltung).
15 Prozent der befragten Betriebe forschen selbst in der Logistik. Vier
Fünftel kooperieren dazu mit anderen Unternehmen, Hochschulen und
Schwerpunkt: Logistik
Entwicklungsbüros. „In Verbänden diskutiert man neue Anforderungen,
Produkte und Prozesse“, erzählt Jens Schäfer von DHL. „Die Automobilindustrie ist Vorreiter für ausgefeilte Logistik, deshalb besuche ich viele
Workshops dieser Branche.“
Logistik-Berufsbilder orientieren sich also zunehmend an den veränderten betrieblichen Abläufen. Simone Martinetz vom FraunhoferInstitut: „Unsere Fallstudien zeigen, dass die Anforderungen sich in der
Praxis stark verändern. Neue fachliche und überfachliche Kombinationen bilden sich heraus.“ Die „Supersoftskills“ umfassen auch die Fähigkeit, seine Arbeit selbst zu steuern, Prioritäten zu setzen und mit Überlastung zurechtzukommen.
Ausbildung, Studium, Berufseinstieg
Jens Schäfer,
Director Business Development
Industrial bei DHL.
Melanie Jaklin, Referentin Personalmarketing und Nachwuchsförderung,
Deutsche Post World Net.
Foto: Privat
Foto: DHL
Thomas Zimmermann hat schon in
der Ausbildung bei der Horst Mosolf
GmbH & Co. KG viel Kontakt zu Kunden.
Professor Dr. Armin Schwolgin lehrt im
Studiengang Spedition, Transport und
Logistik an der Berufsakademie Lörrach.
Foto: Privat
Simone Martinetz vom FraunhoferInstitut IAO hat Trends in der Logistik
untersucht.
Foto: Deutsche Post World Net
Foto: Martinetz
Foto: Berger
Wie können sich Einsteiger für all diese Aufgaben – und Chancen – qualifizieren? Eine Ausbildung ist ein guter Weg. Beispiel Lufthansa Cargo
AG: „Wir bilden Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung aus“,
informiert Brigitte Paschke, Referentin Berufsausbildung. „Wichtig ist,
dass man gern im Team arbeitet, bereit ist, selbstständig Probleme zu
lösen und Verantwortung zu übernehmen. Dies lernen die Azubis im
Rahmen eigenständiger Projektaufgaben und praktischer Einsätze im Inund Ausland. Auch technisches Verständnis, gutes Englisch und PCKenntnisse sind uns wichtig.“ Neben der Berufsschule bietet Lufthansa
Cargo ihren Auszubildenden Zusatzschulungen zum Beispiel zur Einführung in EDV-Tools, zur kundenorientierten Kommunikation oder zu
Fachthemen im internen Betriebsunterricht. „Je nach Engagement können sich dann Entwicklungsmöglichkeiten vom qualifizierten Sachbearbeiter bis zur Führungskraft im Schichtdienst ergeben.“
Wer studieren will, kann sich über Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwesen oder Informatik auf Logistik spezialisieren; sehr gefragt sind
auch Wirtschaftsingenieure. Viele spezielle Logistik-Studiengänge sind
in den letzten Jahren entstanden. Im Online-Dienst Studien- und Berufswahl finden Sie diese über das Stichwort „Logistik“. Eine Linkliste, auch
zu Logistik-Lehrstühlen in anderen Fakultäten, gibt es unter www.logistikstudium.de.
Fast ein Dutzend spezielle Logistik-Studiengänge gibt es zurzeit an
deutschen Berufsakademien. Sie kombinieren Theorie und Praxis, die
Professor Dr.-Ing. Klaus Möller lehrt im
Studiengang Betriebswirtschaft/Einkauf
und Logistik an der Hochschule Pforzheim.
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Schwerpunkt: Logistik
Ausbildungsberufe in der Logistik
Einige Berufe, die für Abiturienten interessant sind:
Kaufmann/-frau für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen
Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung
Kaufmann/-frau im Eisenbahn- und Straßenverkehr
!nfo
BERUFENET
Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen
der Bundesagentur für Arbeit (Suchwort: Logistik,
Themensuche: Verkehr/Transport/Logistik)
http://www.berufenet.arbeitsagentur.de
Luftverkehrskaufmann/-frau
Schifffahrtskaufmann/-frau
Hälfte des Studiums lernt man in einem Ausbildungsbetrieb. Der enge
Unternehmenskontakt zahlt sich meist aus: Im jüngsten Absolventenjahrgang der BA Lörrach zum Beispiel ist niemand arbeitslos. „Wir legen
besonderes Gewicht auf Logistik-Controlling“, informiert Professor Dr.
Armin Schwolgin, Studiengangsleiter Spedition, Transport und Logistik.
„Außerdem kooperieren wir mit Universitäten weltweit und bieten einen
China-Schwerpunkt.“
An Fachhochschulen gibt es zurzeit fast 40 Logistik-Angebote, darunter auch Masterprogramme. Die Auswahl reicht von wirtschaftlichen
bis zu technischen Schwerpunkten, von Einkauf über Materialfluss, Produktion und Vertrieb bis zum Verkehrswesen. Die Hochschule Pforzheim zum Beispiel startet gerade den neuen Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft/Einkauf und Logistik. „Wir bereiten die Studierenden
noch stärker auf Querschnittsfunktionen vor“, berichtet Studiendekan
Professor Dr.-Ing. Klaus Möller. „Dazu trainieren sie besonders Soft Skills
wie Verhandlungsführung oder Moderation und führen im Team Praxisprojekte durch.“ Aber natürlich ist es auch wichtig, dass die Studierenden über mathematisches Wissen verfügen und in der Regel auch Kenntnisse in verschiedenen Sprachen vorweisen können.
Ein halbes Dutzend Logistik-Studiengänge gibt es an Universitäten.
Einen Bachelor in Produktion und Logistik bietet zum Beispiel die Universität Hannover an. Professor Dr. Berend Denkena vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen erklärt: „Das Studium hat einen BWL-Anteil, der Fokus liegt jedoch auf der technischen Logistik,
samt mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen.“ Die Universität strebt nach einer engen Anbindung an die Industrie, betont aber
auch die Grundlagenforschung: „Prinzipien wie die Transponder-Technologie, die wir gerade erst erforschen, fließen schon in unsere Vorlesungen ein. Und die Studierenden können an praxisorientierten Forschungsprojekten mitmachen.“
Entwicklungsprogramme
Mit dem ersten Job hört das Lernen nicht auf. „Hochschulabsolventen
können per Direkteinstieg, über unser Start-up-Programm ‚GrOW‘ oder
als Junior Berater im Inhouse Consulting bei uns einsteigen“, verrät Melanie Jaklin von Deutsche Post World Net. Fachliche und überfachliche
Schulungen sind Programminhalt wie bei GrOW oder können individuell
gestaltet werden. Ähnlich sieht es bei der Lufthansa Cargo aus. „Unsere Mitarbeiter können sich in neun Monaten zum Certified Logistics
Manager weiterqualifizieren“, erklärt Anna Dreyer, Referentin Personalentwicklung. „Zusätzlich stehen ihnen Fachtrainings in vielen Logistikthemen offen sowie Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen im Bereich
persönlicher Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen.“ Beim Logistik-Dienstleister Dachser gibt es zahlreiche Schulungen und Entwicklungsprogramme. Fünf bis zehn Mitarbeiter pro Jahr machen auf Firmenkosten die Weiterbildung zum Verkehrsfachwirt an der Deutschen
Außenhandels- und Verkehrsakademie in Bremen. All dies entspricht den
Beobachtungen der FreQueNz-Forscher: Qualifikationen in der Logistik
werden sich auch in Zukunft wandeln, und Weiterbildung wird immer
wichtiger. Ú
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Studien- und Berufswahl
Im Online-Dienst der Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung
und der Bundesagentur für Arbeit können Sie nach
Studiengängen und Ausbildungsangeboten recherchieren.
http://www.studienwahl.de
http://www.berufswahl.de
Fraunhofer-Institut für Materialfluss
und Logistik IML
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2-4
44227 Dortmund
Tel. 02 31/97 43-0
http://www.iml.fraunhofer.de
Bundesvereinigung Logistik e. V.
Schlachte 31
28195 Bremen
Tel. 04 21/1 73 84-0
http://www.bvl.de
Deutsche Logistik Akademie
Schlachte 31
28195 Bremen
Tel. 04 21/94 99-1 00
http://www.dla.de
Bundesverband Materialwirtschaft,
Einkauf und Logistik e. V.
Bolongarostraße 82
65929 Frankfurt am Main
Tel. 0 69/3 08 38-0
http://portal.bme.de
Links und Literaturtipps
Logistik Heute
Fachzeitschrift mit zweimonatlich
aktualisiertem Online-Karriereführer
http://www.logistik-heute.de
Logistik Inside
Fachartikel und Newsletter
http://www.logistik-heute.de
Logistics.de
Wissenspool und Online-Marktplatz für
Logistik-Dienstleister und ihre Kunden,
betrieben von der Deutschen Gesellschaft
für Logistik mbH.
http://logistics.de
logistik-studium.de
Linkliste zu Logistik-Studienangeboten,
auch als einzelne Lehrstühle innerhalb
anderer Studiengänge.
http://www.logistik-studium.de
Logistik Lernen Hamburg
http://www.logistik-lernen-hamburg.de
Taschenlexikon Logistik
von Michael ten Homepl und Volker Heidenblut
Springer 2006; ISBN 3-540-28581-4
Foto: Wimmer
Schwerpunkt: Logistik
Dr. Thomas Wimmer,
Vorsitzender der
Geschäftsführung der
Bundesvereinigung
Logistik
Viele Wege führen ans Ziel
abi sprach mit Dr. Thomas Wimmer, dem Vorsitzenden der
Geschäftsführung der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Bremen.
abi: Herr Dr. Wimmer, was bewegt zurzeit die Logistik?
abi: Heißt das: beste Berufschancen?
Thomas Wimmer: Kunden haben immer individuellere Ansprüche.
Neue Produkte werden schneller entwickelt und müssen schneller
ausgeliefert werden. Wir erschließen weltweit neue Märkte, gleichzeitig kommen asiatische Produkte oder osteuropäische Dienstleistungen zu uns. Die Wirtschaft wird immer arbeitsteiliger, beispielsweise wird der Porsche Cayenne in Leipzig montiert, bekommt aber
Teile aus Bratislava zugeliefert. Das sind schwierige Herausforderungen für die Logistik.
Gleichzeitig gibt es neue Technologien, zum Beispiel RFID, radio
frequency identification: Diese Chips senden Informationen etwa zum
Bauprozess des Produkts, zum Kühlverlauf oder zum Inhalt eines Behälters. Wenn auf einem LKW noch Platz ist für eine Palette, könnte
die dringendste Palette im Lager über ihren Chip anregen, dass sie
mitgenommen wird.
Thomas Wimmer: Das Schöne an der Logistik ist ihr breites Spektrum.
Es gibt einfache Arbeiten, wie Packen oder Staplerfahren. Auf der mittleren Ebene findet man qualifizierte Sachbearbeitung, Disposition, Mengen- oder Transportplanung. Hier werden immer Speditions- oder Industriekaufleute gefragt sein, denn diese Tätigkeiten lassen sich nicht
vollständig automatisieren. Für Einkauf und Beschaffung braucht man
schon mehr Wissen, und Akademikern steht alles offen, einschließlich
Controlling, komplexe IT-Entwicklung oder Materialflussplanung.
abi: Und wie sieht es aus mit einer Existenzgründung?
Thomas Wimmer: Auch hier gibt es viele Möglichkeiten. Viele Speditionsunternehmer suchen händeringend Nachfolger. Software-Spezialisten
oder erfahrene Planer können gut als freie Berater arbeiten. Mit Ausbildung oder Studium und einiger Erfahrung hat man viele Möglichkeiten.
D I E N S T L E I S T E R I M S U P P LY C H A I N M A N A G E M E N T
Warenströme optimieren
Immer mehr Unternehmen lagern ihre Logistik an externe Dienstleister aus. Zum Beispiel an Dachser, ein
international operierendes Familienunternehmen mit Hauptsitz in Kempten. Wolfgang Reinel leitet dort den
Fachbereich Kontraktlogistikprojekte.
➔ „Viele Unternehmen fragen uns nur, wie sie ihren Versand besser organisieren können. Oft bringt es aber mehr, die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren.“ Wolfgang Reinel und sein Team sind Experten in der Analyse von Warenströmen. Große Unternehmen haben die
Möglichkeit, viele Logistikdaten durch Datenbankrecherchen bereit zu
stellen, bei kleineren durchleuchten die Berater die Prozesse direkt vor
Ort. „Dabei muss man mit Fahrern genauso wie mit Einkäufern oder
Logistikleitern umgehen können“, betont Wolfgang Reinel. Neben
Warenbewegungen untersuchen die Logistik-Experten auch Informationsströme: Wer bestellt bei wem, auf welches Signal wird neues Material ans Band geliefert?
Auf der Distributionsseite prüft Wolfgang Reinel zum Beispiel, in welche Märkte die Fertigwaren ausgeliefert werden und welche Serviceanforderungen der Kunden zu erfüllen sind. „Reicht es, einen Kunden
in Italien von Deutschland aus in 48 Stunden zu versorgen, oder brauche ich ein Regionallager vor Ort? Oder halte ich in Italien kritische Ware
vor und liefere den Rest in 72 Stunden aus meinem weltweiten Zentrallager?“ Auch die Art der Güter beeinflusst die Planung. „Bei Lebensmitteln müssen wir Kühlketten und Hygienevorschriften beachten und
alles lückenlos dokumentieren. Bei schweren Industriegütern braucht
man spezielle Stapelfahrzeuge, Handelsgüter fließen oft auf Paletten
durch die gesamte Logistikkette.“
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Schwerpunkt: Logistik
Supply Chain mit vielen Gliedern
Wenn alle Voraussetzungen geklärt sind, erarbeiten Wolfgang Reinel
und sein Team ein Logistikkonzept: von prinzipiellen Fragen wie Standorten, Lagerstufen und Transportsystemen bis zur Ausarbeitung einzelner Komponenten wie der Materialflussplanung für jeden Standort. Allein der Wareneingang in einem Zentrallager erfordert viele Überlegungen: „Wir sprechen mit jedem Zulieferer durch, wie er seine Lieferung
ankündigt, damit wir unseren Personaleinsatz und den Lagerraum planen können. Am effizientesten ist es, wenn alle Packstücke über einen
Strichcode klar identifiziert sind, damit man sie mit wenig Kontrollaufwand sofort einlagern kann“, erklärt Wolfgang Reinel. „Wir streben Standardverfahren an, aber ein gutes System ermöglicht fallweise Abweichungen.“
Am Ende steht idealerweise ein „Rundlauf von Warenströmen“.
Dachser-LKWs liefern zum Beispiel Halbfertigwaren in die Produktion
und nehmen auf dem Rückweg fertige Produkte mit ins Versandlager.
„So arbeiten wir nicht nur wirtschaftlich, sondern auch umweltgerecht.“
Auch Regeln zum Gefahrguttransport und andere Verkehrsvorschriften
müssen dabei berücksichtigt werden.
den Einstieg in die Logistik bei Robert Bosch in Karlsruhe. Nach Stationen in Deutschland und Singapur wechselte er zu Schenker Asia Pacific und schließlich wieder nach Deutschland und zu Dachser. Für seinen Beruf ein passender Hintergrund: „Logistik ist von ihrem Grundsatz
her international.“ Ú
Wolfgang Reinel diskutiert neue
Logistik-Konzepte mit Kunden und Partnern.
„Die Bandbreite an Anforderungen ist das Interessante an der LogistikBeratung“, findet Wolfgang Reinel. „Anderswo arbeiten Entwicklungsingenieure und Vertriebsspezialisten getrennt. Ich mache beides: Etwa
die Hälfte meiner Zeit verbringe ich im Büro mit Kommunikation und
Konzepterstellung; die andere Hälfte der Zeit bin ich beim Kunden, um
Informationen einzuholen, zu präsentieren oder Projekte umzusetzen.“
Zusätzlich diskutieren die Dachser-Experten laufend innovative Konzepte in Fachgremien mit anderen Unternehmen.
Die Vielfalt der Logistik spiegelt sich auch in Wolfgang Reinels
Werdegang: Sein Wirtschaftsingenieur-Studium an der TH Karlsruhe vermittelte ihm breite Grundlagen in Wirtschaft und Technik. Über seine
Diplomarbeit zur Optimierung der Eindeckung von Zentrallagern fand er
Lagern und Transportieren
sind komplexe Aufgaben,
die oft von spezialisierten
Logistik-Dienstleistern
übernommen werden.
Fotos: Dachser GmbH & Co. KG
Breites Können gefragt
I T - E X P E R T E I N D E R L A G E R V E R W A LT U N G
Datenschnittstellen designen
Moritz Montag passt das EDV-System der Metro Group Logistics für das Warenwirtschaftssystem in Russland an. Spezialkenntnisse in der IT, aber auch wirtschaftliches Verständnis und vor allem viel Sozialkompetenz sind hier gefragt.
➔ Die Metro Group kauft und verkauft Waren in aller Welt – in Deutschland zum Beispiel über die Vertriebslinien real, Metro Cash und Carry,
Extra, Galeria Kaufhof, Media Markt und Saturn. Dass ein Produkt beim
Käufer landet, hat ein ganzes Netzwerk an Dienstleistern bewerkstelligt. Transport und Verteilung der Waren sind in die Tochtergesellschaft
MGL, die Metro Group Logistics, ausgegliedert. Deren Läger werden in
Deutschland selbst und in vielen Ländern von externen Dienstleistern
wie zum Beispiel vom Logistik-Spezialisten Schenker betrieben. Und die
Datenverarbeitung und Programmierung übernimmt die MGI, die Metro
Group Information Technology.
Moritz Montag überblickt die Zusammenhänge. Er studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität Göttingen und weiß, wie man Unternehmensprozesse durch EDV-Systeme abbildet. „Einige logistische Pro-
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bleme haben wir schon im Studium behandelt, wie die Standortwahl
oder die Streckenoptimierung mit Algorithmen“, erklärt er. „Weil Logistik-Dienstleister wachsen und komplexe IT-Systeme einführen, habe ich
dann bei der Metro Group Logistics ein Traineeprogramm gemacht.“
Zunächst arbeitete er zwei Monate in einem Lager mit und lernte alle
Abläufe vom Wareneingang bis zur Disposition kennen. „Das ist sehr
wichtig, wenn man die EDV für solche Prozesse planen will“, betont der
29-Jährige.
Standardsoftware reicht nicht
Inzwischen ist er im IT-Zentralbereich der MGL zuständig für die Einführung von SAP als Warenwirtschaftssystem in Russland. „Diese Software soll Bestellungen anlegen, zum Beispiel für Ware aus Hongkong.
Schwerpunkt: Logistik
Sie soll die Verzollung vereinfachen, Aufträge aus den russischen Metro-Märkten konsolidieren, den Warenausgang und die Rechnungserstellung verwalten.“ All dies funktioniert in Deutschland bereits mit SAP.
Das zurzeit eingesetzte Programm in Russland ist nicht gut in die übrigen IT-Systeme integriert. „Aber es kann wiederum Dinge, die wir für
SAP erst programmieren müssen: zum Beispiel kyrillische Schrift verarbeiten, Euro in Rubel umrechnen oder die Zolltarifnummer auf allen
Formularen angeben – eine Anforderung des russischen Gesetzgebers.“
Die Währungsumrechnung muss konzernweit einheitlich gelöst werden,
etwa indem das System täglich Kurse bei Reuters abruft.
Moritz Montag und seine Kollegen definieren diese Anforderungen
gemeinsam mit vielen Abteilungen. „Ich rede häufig mit den Kollegen
aus Einkauf, Vertrieb, Controlling oder Rechnungsprüfung, während früher die IT eher allein gearbeitet hat“, sagt er. Zurzeit schreibt er Spezifikationen und gibt sie an die Informatiker der MGI weiter. „Anschließend
werde ich die Programmierung überprüfen – und dann geht es an die
Testphase und Umsetzung.“ Schon jetzt ist der IT-Spezialist eine oder
zwei Wochen pro Monat in Moskau, um sich mit den Kollegen dort abzustimmen. Konzernsprache ist Englisch. „Man braucht viel Fingerspitzengefühl, um den Leuten zu vermitteln, was bei einer so großen Umstellung auf sie zukommt“, verrät er.
gegen: „Zurzeit sind RFID-Chips ein heißes Thema. In ein paar Jahren werden diese Chips jeden einzelnen Jogurtbecher identifizieren können.
Dann muss für eine komplette Lagerinventur nur ein Mann mit Lesegerät durch die Regale laufen“, prognostiziert er. „Auch für so gesammelte
Daten müssen Schnittstellen programmiert werden. Eine gute Logistik
basiert darauf, dass Datenströme funktionieren und alle Systeme gut zusammenarbeiten. Deshalb sehe ich hier beste Berufschancen.“ Ú
Moritz Montag muss sich mit den Kollegen aus Einkauf, Vertrieb,
Controlling oder Rechnungsprüfung abstimmen.
Laufende Dokumentation und Verbesserung
Foto: Privat
Damit die Änderungen nachvollziehbar bleiben, dokumentiert Moritz
Montag jeden neu entwickelten Standard. „Und nach der SAP-Einführung
wird es richtig interessant, da die Prozesse laufend optimiert werden
müssen“, meint er. Auch anderen Fortschritten sieht er gespannt ent-
LO G I S T I K - I N G E N I E U R I N D E R P R O D U K T I O N S A N L A U F P L A N U N G
Materialflüsse durchorganisieren
Ein anstrengender Job, der Spaß macht: Robin Stricker steuert Abläufe in der Automobilproduktion.
Organisation, Kommunikation und viel Engagement sind seine Stärken.
Robin Stricker hat mitgeholfen,
ein neues Automodell bei
DaimlerChrysler in die
Serienproduktion zu bringen.
Foto: Stricker
➔ Das Berufsstart-Konzept ging auf. „Ich habe an der Hochschule Heilbronn Produktionstechnik und Logistik studiert, weil das Fach breit angelegt ist. Tatsächlich passen meine Qualifikationen auf jede Menge
Stellenausschreibungen“, erzählt Robin Stricker. Außerdem plante er
sein Studium so, dass am Ende Praxissemester und Diplomarbeit aufeinander folgten. „So hatte ich ein ganzes Jahr, um bei DaimlerChrysler
in Sindelfingen den Produktionsanlauf des neuen S-Klasse Coupés mit
zu organisieren und die Abläufe in meiner Diplomarbeit zu analysieren.“
Das gezeigte Engagement war so gut, dass er seit September 2006 die
Eröffnung eines neuen DaimlerChrysler-Werkes in Peking mit unterstützen darf. „Und ab März arbeite ich bei einem Produktionsanlauf in
Südafrika mit“, verrät der 25-Jährige.
An der Seite des Teilprojektleiters Logistik S-Klasse Coupé lernte
Robin Stricker in Sindelfingen, wie die Produktion einer neuen Baureihe
anläuft. Vorher war in der Halle das Vorgängermodell produziert worden, nun kam der neue Prototyp aus der Entwicklung und musste innerhalb eines Jahres in die Serienfertigung gehen. „Dazu haben wir zum
Beispiel das ganze Layout der Halle neu geplant, vom Wareneingang
über die Materialzonenbelegung in der Halle bis zur Anlieferung an den
Verbauort am Band“, erzählt der Diplom-Ingenieur.
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Schwerpunkt: Logistik
Hinzu kam ein neues Lagersystem: „Früher haben die Zulieferer ‚just
in time‘, ohne Zwischenlager direkt ans Band geliefert, dann sogar ‚just
in sequence‘, also in der richtigen Reihenfolge aller Teile. In Sindelfingen führten wir zu der Zeit ein neues Lagersystem ein, das Lieferantenlogistikzentrum.“ Die Teile werden außerdem nicht mehr per Gabelstapler, sondern auf Trolleys ans Band gefahren. „So kann eine Person
vier oder fünf Anhänger mit Paletten befördern.“
Fehler vermeiden, Prozesse abstimmen
Erst durch Produktionstests am Serienband lässt sich herausfinden, ob
ein Auto unter realen Bedingungen in der gewünschten Qualität gebaut
werden kann. Fehler mussten schnell behoben und neue Standards mit
Zulieferern geklärt werden. Eine weitere Herausforderung: Die Entwicklungsabteilung entwickelte den Prototypen laufend weiter. „Die Logistik
war eine Abteilung, die alle neuen Prozesse organisiert hat“, erklärt
Robin Stricker. „Manchmal habe ich am Computer Planungen und Auswertungen gemacht, meist saß ich aber in Besprechungen mit dem Qualitätsmanagement, der Entwicklung, der Fahrzeugsteuerung oder den
Zulieferern, um neue Prozesse abzustimmen.“
Frühe Feierabende waren natürlich nicht drin. „Mir hat die Arbeit
aber sehr viel Spaß gemacht, weil ich mit dem Studium richtig lag und
wirklich etwas bewegen konnte. Das Jahr ist wie im Flug vergangen.“
Sein Tipp für Studienanfänger: „Neben der Theorie viel an praktischen
Projekten mitarbeiten. Dadurch und durch Gespräche mit meinen Professoren habe ich erst den Weitblick bekommen, um meinen Weg zu
planen.“ Dass ihn dieser Weg nun nach China geführt hat, ist für den
Logistik-Ingenieur nichts Besonderes. „So flexibel muss man heute einfach sein!“ Ú
SPEDITIONSKAUFFRAU IN DER L ADEPL ANUNG
Frachtkapazitäten ausnutzen
➔ Wohin kommt das Nashorn? Welche Ware wird in Bombay dazugeladen? Passt kurzfristig eine Sendung mehr aufs Flugzeug? Fragen, mit
denen sich Karen Zille schon morgens um halb sieben beschäftigt.
Sechs Frachtflüge täglich sollte sie „optimal abschließen“.
„Die Luftfahrt hat mich schon früh interessiert“, erinnert sich die 22Jährige. „Am Beruf Speditionskauffrau reizt mich die Aufgabe, Dinge von
Anfang bis Ende durchzuplanen, mit immer wechselnden Anforderungen.“ Im Januar 2006 legte sie ihre Prüfung – noch nach der alten Ausbildungsordnung – bei der Lufthansa Cargo AG ab.
Deren Außenstationen bringen Fracht von Speditionskunden mit
LKWs oder Passagierflugzeugen nach Frankfurt. Hier wird die Ware auf
Paletten geladen und in die ganze Welt geflogen. Karen Zilles Aufgabe
ist es, das „Load Information Sheet“ zusammenzustellen, nach dem die
Kollegen im Lager die Paletten aufbauen. 26 Standardpaletten passen
in einen Frachter wie die MD-11.
Gute Planung – flexible Anpassung
24 Stunden vor Abflug ruft Karen Zille das Planungsprogramm „EasyBooking“ auf. Die Buchungsabteilung hat den Flügen schon Frachtstücke zugeteilt. „Ich sehe mir zunächst den Flugzeugtyp, Größe, Gewicht
und Besonderheiten der Frachtstücke an. Was ist Expressfracht, was
Standardfracht? Gibt es Güter mit speziellen Anforderungen, wie Tiere
oder Gefahrgut?“ Dann ordnet sie die Frachtstücke so an, dass möglichst alle Sendungen mitgehen und schnell ein- und abzuladen sind. In
45 Minuten hat sie eine Standard-Frachtplanung abgeschlossen.
Meist arbeitet Karen Zille am Computer. Doch manchmal muss sie
selbst auf den Palettierplatz gehen und ungewöhnliche Frachtstücke in
Augenschein nehmen. Zwei bis drei Stunden vor Abflug wird die Fracht
verladen. „Wenn dann zu viele Paletten am Flugzeug stehen, rufen die
Ramp Agents mich an, und ich entscheide, was hier bleibt“, sagt Karen
Zille. Diese Stücke kommen auf eine „Offload-Liste“ und werden auf einen der nächsten Flüge umgebucht. Frei bleibenden Laderaum können
aber auch Speditionskunden von außen über das Buchungssystem er-
24 abi
12/2006
Foto: Größer
Die Lufthansa Cargo AG fliegt Güter in die ganze Welt. Dass die Ladekapazitäten optimal genutzt
werden, dafür sorgt auch Karen Zille. Die Speditionskauffrau arbeitet im Asien-Team der Ladeplanung
am Frankfurter Flughafen.
Karen Zille ist über eine Berufsausbildung bei der Lufthansa Cargo AG
in die Logistik eingestiegen.
kennen und anfragen. Oft telefoniert Karen Zille außerdem mit den
Außenstationen der Lufthansa Cargo AG. „Für Dubai zum Beispiel ist
gutes Englisch natürlich Pflicht.“
Selbstständige Weiterbildung gefragt
Zu fernen Ländern hat Karen Zille auch rechtliches Spezialwissen. „Nach
China darf man zum Beispiel nur ein Tier einer Art von einem Absender
schicken. Sendungen nach Indien können nicht auf zwei Flüge aufgeteilt werden.“ Über Online-Informationsportale informiert sie sich regelmäßig über neue Bestimmungen, Embargos oder Flugzeugtypen.
„Mittelfristig möchte ich gern noch BWL studieren oder die Fortbildung zum Verkehrswirt machen“, überlegt Karen Zille. „Später kann ich
mir zum Beispiel vorstellen, in der Netzplanung zu arbeiten und ganze
Flugrouten festzulegen.“ Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine
Herausforderung: Oft sind die Frachtmaschinen von Asien nach Europa
ausgebucht, auf der umgekehrten Strecke bleiben Kapazitäten frei. „Solche immer neuen Aufgaben machen den Beruf für mich spannend.“ Ú