Das große Fragezeichen

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Das große Fragezeichen
Foto: Archiv
»Nichts für ungut, Herr Minister! Sie werden einen guten Start
hinlegen, wenn Sie meine Hinweise berücksichtigen. Und
falls Sie mich aus Dankbarkeit fragen, was ich mir dafür
wünsche: Nehmen Sie uns Ärzte als das was wir sind – zur
Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit reife Mitbürger …«
PD Dr. med. Albert Zacher
Schriftleiter
Das große Fragezeichen
N
un ist es heraus, nun wissen wir’s, Einer an den niemand
gedacht, auf den keiner gewettet hatte, wird Gesundheitsminister. Wieder einmal hat es sich gezeigt, dass die gewöhnlich
gut unterrichteten Kreise oft ungewöhnlich schlecht unterrichtet sind und – ähnlich wie bei der Finanzkrise – sich Experten
in ihrem tatsächlichen Wissen von Stammtischbrüdern kaum
unterscheiden.
Der Neue
Aber wieder zurück zum frischgebackenen Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler, der mit 36 Jahren noch jünger ist als zu
Guttenberg und der, glaubt man der Franfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung, das Zeug dazu hat, Kult zu werden (warum
die das meinen, ist mir allerdings bei der Lektüre nicht klar
geworden).
Was sollte man über den Neuen unbedingt wissen? Verheiratet ist er, hat Zwillinge (zwei Töchter), war Stabsarzt bei
der Bundeswehr, Wirtschaftsminister in Niedersachsen und er
gehört dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an.
Wichtig mag noch sein, dass er einmal Freunden gegenüber
geäußert haben soll, er werde nur bis 45 in der Politik bleiben
– was ja immerhin zwei Legislaturperioden wären (wenn …).
Lässt sich daraus etwas schließen? Vielleicht aus der Bundeswehrzeit? Unsere Armee soll doch eher im Diskussionsstil
geführt werden und nicht mehr wie anno Dazumal mit Befehl
und Gehorsam. Das wäre ja klasse, wenn der Neue nicht, wie
einige seine Vorgängerinnen und Vorgänger meinten, die Ärzteschaft je nach Lust und Laune in Feldwebelmanier auf dem
Exerzierhof der Gesundheitsgesetzgebung herumkommandieren
zu müssen glaubt.
Und dass er ein Fan von Udo Jürgens ist, was könnte uns
das sagen? Es macht ihn zwar nicht gleich zu einem besseren
Menschen, aber ein Alleinstellungsmerkmal dürfte es schon in
seiner Altersgruppe sein, denken wir wieder an zu Guttenberg,
der sich lieber mit härteren Sachen musikalisch volldröhnen
lässt und jetzt vom Shooting-Star zum Verteidigungsminister
wurde – liegt ja nahe beieinander.
Gut gemeinte Ratschläge
Sicher nimmt mir der Neue vom Probsthof in Berlin nicht übel,
wenn ich ihm jetzt so von älterem zu jüngerem Kollegen politisch ein wenig unter die Arme greife, vor allem wegen seiner
NeuroTransmitter _ 11.2009
Vorliebe für Udo. Da rate ich ihm strikt, in der Öffentlichkeit
den MP3-Player leiser zu stellen, wenn gerade „17 Jahr, blondes
Haar, so stand sie vor mir“ gespielt wird. Andernfalls könnte
das schnell zu falschen Schlüssen führen und ihn womöglich in
die Nähe gewisser transalpiner Spitzenpolitiker rücken.
„Aber bitte mit Sahne“ darf ein Gesundheitsminister, der
sich für den Cholesterinspiegel der Nation verantwortlich fühlen muss, nicht vor sich hinträllern, vielmehr sollte er sein Sangesidol dazu ermuntern, den Text zum Beispiel in „Aber niemals
mit Sahne“ umzutexten. Und Gefahr lauert auch von Seiten
der deutschen Winzer. Sie werden es nicht zulassen, dass er
offen Schleichwerbung für „Griechischen Wein“ macht. Ihre
griechischen Konkurrenten könnten sonst eine Marketingkampagne „vom deutschen Gesundheitsminister empfohlen“ starten.
Ganz und gar ist davon abzuraten, die von Udo mit 70 im
Jahre 2004 erhobene Forderung „Es lebe das Laster!“ in den
Bundestag hineinzutragen. Das würde mit der Morallehre der
CSU und der katholischen Bischofskonferenz in keiner Weise
harmonieren.
Fallstricke über Fallstricke, Herr Rösler!
Wenn Sie nicht aufpassen, dann könnte sich Ihre Vorliebe für
Udo Jürgens, wie Sie gesehen haben, zu einer Dienstwagenaffaire entwickeln, es sei denn, Sie erklären „Mit 66 Jahren, da
fängt das Leben an!“ zu Ihrem Lieblingssong. Damit werden
Sie bei einer der treuesten Wählergruppierungen, den bundesrepublikanischen vergnügungsoffenen Seniorinnen punkten.
Also nichts für ungut, Herr Minister! Sie werden einen
guten Start hinlegen, wenn Sie meine Hinweise berücksichtigen.
Und falls Sie mich aus Dankbarkeit jetzt fragen, was ich mir
dafür wünsche: Nehmen Sie uns Ärzte als das was wir sind – zur
Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit reife Mitbürger und
nicht als das, wozu Ihre Vorgänger uns erklären wollten, indem
sie uns mithilfe der Ministerialbürokratie, der Krankenkassen
und KVen jede Lust an Eigeninitiative, außergewöhnlicher
Leistungsbereitschaft und Liebe zum Beruf systematisch ausregulieren wollten. Das haben die nicht geschafft. Aber mühsam
und der Arbeit mit den Patienten wenig förderlich war das
Ganze schon.
Ihr
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