Die dritte Dimension
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Die dritte Dimension
32 Publisher 2 · 2001 Web-Publishing QuickTime VR Die dritte Dimension Dreidimensionale Welten und Fotorealismus? – Verbunden mit einer relativ einfachen und schnellen Produktion. Was lange Zeit als unmöglich erschien, ist dank Apples QuickTime VR keine Zukunftsmusik mehr ... SASCHA ZÄCH QuickTime VR (Virtual Reality) ist von der Firma Apple als Erweiterung des bekannten QuickTimeVideostandards entwickelt worden. Die Softwaretechnologie ermöglicht es, schnell und einfach dreidimensionale Szenen oder Objekte zu erstellen. Im Unterschied zu Grafikformaten wie VRML (genauere Informationen zu diesem 3D-Grafikformat finden Sie in Publisher 5-2000) basieren die Szenen und Objekte aber nicht auf der Beschreibung geometrischer Formen, sondern sind aus digitalen Fotografien konstruiert. Aufgrund dieses Funktionsprinzips sind QuickTime-VR-Welten nicht völlig frei begehbar, zeigen dafür aber eine fotorealistische Umgebung – was mit herkömmlicher 3D-Software nur mit grossem Aufwand zu erreichen ist. Ursprünglich war QuickTime VR nicht für virtuelle Präsentationen, sondern für Vermessungs- und Planungsaufgaben gedacht. So werden beispielsweise in Italien und Dänemark ganze Strassennetze und Städte mit Apples VR-Technologie erfasst. Doch geringe Dateigrössen, einfache Produktion und fotorealistische Darstellung prädestinieren QuickTime VR geradezu für den Einsatz in multimedialen Produktionen. Deshalb wird diese Technologie besonders gerne von Museen und Bereichen wie Tourismus, Architektur oder Marketing verwendet, wo eine möglichst realitätsgetreue Wiedergabe im Vordergrund steht. Drei in einem Mit QuickTime VR lassen sich drei unterschiedliche Filmtypen erstellen: Panoramen, Objekte und Szenen. Panoramafilme bestehen aus einer 360-Grad-Endlosansicht der Umgebung. Sie entstehen entweder aus mehreren Aufnahmen, die von einem zentralen Standpunkt aus in regelmässigen Abständen gemacht und mit spezieller Software ineinander geblendet Mit dem Panoramamodul der VR-Worx-Software lassen sich QTVR-Filme in wenigen Arbeitsschritten erstellen. Zahlreiche nützliche Funktionen und Optionen erleichtern den Umgang mit dem Bildmaterial. werden, oder aber aus einem echten 360-Grad-Panoramabild. Im zylinderförmigen Abbild der Umgebung kann sich anschliessend der Anwender nach Belieben drehen und Details Heranzoomen. Kürzlich stellte Apple mit Cubic VR und Spherical VR zwei neue Panoramamodule vor. Diese sind aber erst ab QuickTime 5.0 lauffähig. Mit ihnen lassen sich würfelförmige oder kugelförmige Panoramen gestalten. Durch die Möglichkeit, nicht nur die Wände, sondern auch Boden und Decke darzustellen, kann so ein noch besseres Raumgefühl vermittelt werden. Fotorealistische Objekte Objektfilme sind für die Präsentation frei im Raum drehbarer Gegenstände entwickelt worden. Zur Erfassung eines Objektes muss mit einer Kamera um dieses herumgefahren oder muss das Objekt nach jeder Einzelaufnahme gedreht werden. Die Einzelfotografien werden anschliessend wiederum per Software aneinander gehängt und bilden ein realitätsgetreues, dreidimensionales Abbild des Objektes. Dieses kann vom Anwender frei im Raum gedreht und gezoomt werden. Virtuelle Rundgänge QTVR-Szenen kombinieren Panoramaund Objektfilme zu einem virtuellen Rundgang. Einige Softwarepakete erlauben sogar die Integration von Einzelbildern, Audiodateien und herkömmlichen QuickTime-Filmen. Die Navigation zwischen den verschiedenen VR-Filmen findet mit Hilfe von Links statt, die durch das Klicken auf so genannte «Hot Spots» ausgelöst werden. Somit können Benutzer innerhalb einer einzelnen Anwendung ganze Gebäude oder grössere Landschaften besuchen. Dank der Kombination von Objekt- und Panoramafilmen ist es sogar vorstellbar, Gegenstände in ein Panorama zu integrieren, die sich aus- Panoramafotografie der Stiftsbibliothek in St. Gallen. QuickTime VR erlaubt es, Gebäude dreidimensional darzustellen und virtuell zu erkunden. Dank der zu Grunde liegenden Filmtechnologie erscheint die Umgebung realitätsgetreu. wählen und anschliessend dreidimensional betrachten lassen. Geeignete Werkzeuge Für die Herstellung von QTVR-Filmen sind bereits verschiedenste Softwareprodukte verfügbar. Die professionellsten sind sicherlich Apples hauseigenes QuickTime VR Authoring Studio, Corels Photo Paint 8 (Macintosh) bzw. 9 (Windows) sowie VR Worx der Firma VR Toolbox. Das Authoring Studio ist nur für Mac-Plattformen erhältlich und leider seit 1996 nicht mehr gross verbessert worden. Problematisch sind vor allem die nicht immer intuitive Bedienung sowie die von der Software geforderten Teilungsverhältnisse der Bildpixel. VR Worx kann hingegen mit einer zeitgemässen Benutzerführung aufwarten. Zudem bietet es mehr Funktionen als die meisten anderen QTVRLösungen. Es kann wie auch Photo Paint auf Macintosh- und WindowsSystemen verwendet werden. Neben der vorgestellten Software gibt es ebenfalls Freewareprogramme zum Erstellen einfacher QTVR-Panoramafilme. Sie können im Downloadbereich von Publisher Online (siehe Seite 40) heruntergeladen werden. Die Fähigkeiten der einzelnen Softwarepakete differieren stark. So bietet Photo Paint nur die Möglichkeit zum Erstellen von Panorama- und Objektfilmen, QTVR-Szenen lassen sich hingegen nicht produzieren. Die Freewareprogramme von Apple lohnen sich ebenfalls nur für kleinere und einfachere Projekte. Für komplexere und qualitativ anspruchsvolle Produktionen ist neben Web-Publishing Das fotorealistische QuickTime VR eignet sich auch hervorragend zur dreidimensionalen Darstellung von kunsthistorischen Gegenständen oder Marketingprodukten. Apples QuickTime VR Authoring Studio vor allem die Crossplattform-Software VR Worx empfehlenswert. Beide Programme bieten nicht nur Basisfunktionen für die Erstellung von QTVRPanoramen, -Objekten und -Szenen, sondern auch Importfunktionen für eine Vielzahl von Bildformaten, diverse Videobearbeitungseffekte sowie zahlreiche zusätzliche Werkzeuge, um Audiodateien zu integrieren, Objektfilme vor einem Panoramahintergrund laufen zu lassen u.v.m. Für das Abspielen der fertigen Filme reicht der QuickTimePlayer. Dieses PlugIn kann für Macintosh- oder Windows-Plattformen gratis auf der Website von Apple herun- VR Worx Der Autor hatte die Gelegenheit, VR Worx von VR Toolbox eingehend zu testen. Die Software überzeugt durch intuitive Benutzerführung und zahlreiche nützliche Funktionen. Systemvoraussetzung Macintosh Power PC; Mac OS 8,5 (oder höher); 32 MB RAM. oder Pentium-Prozessor; Win 95, 98 oder NT; 32 MB RAM. Preis ca. Fr. 550.– Bezugsquelle SHOT media group, 9000 St. Gallen, Tel. 071 250 06 36, Fax 071 250 06 37, www.shotmedia.ch Publisher 2 · 2001 nach unten um das Objekt geschwenkt werden, während der Gegenstand selbst um die eigene Achse gedreht wird. Für ein völlig frei bewegbares Objekt sind somit 684 Bilder erforderlich. Glücklicherweise reicht in den meisten Fällen die Lösung mit den 36 Fotografien aus. Hier genügen als Ausrüstung ein Drehteller mit Gradeinteilung, Kamera und Stativ. Ist man stolzer Besitzer einer digitalen Videokamera, lässt sich bei der Objekterfassung noch einiges an Arbeitsaufwand ersparen. Auch entsprechend ausgerüstete Panoramakameras erlauben das Automatisieren des Erfassungsprozesses. Das anschliessende Einlesen der Bilder sowie das Erstellen des komprimierten Quick-Time-VR-Filmes gehen wieder ähnlich vonstatten wie im vorherigen Fall. Bei qualitativ hochwertigem Quellmaterial benötigt die Produktion eines QTVR-Objektfilmes deshalb nur noch wenig Zeit, da der grösste Teil von der Anwendung selbst erledigt werden kann. tergeladen werden und ist bereits in zahlreichen Browsern und Programmen standardmässig integriert. Einfacher, als man denkt Das Bildmaterial für Panoramen wird von einem zentralen Punkt aus aufgenommen. Um diesen lässt man eine Kamera in einem Winkel von 360 Grad rotieren. Die Einzelbilder sollten sich dabei mindestens um 50% überlappen. Die genaue Anzahl der Fotografien ist von der Brennweite des eingesetzten Kameraobjektivs und der Aufnahmedistanz abhängig. So sind bei einem 15-mm-Objektiv (auf Entfernung unendlich) etwa 12 Aufnahmen für einen Panoramafilm erforderlich. Die Erzeugung der Bilder ist nahezu mit jeder Kamera möglich. Notwendig sind lediglich ein präzise drehbarer Stativkopf mit Gradanzeige und eine Kamera mit Weitwinkeloptik. Die Einzelbilder müssen anschliessend zu einer einzigen Panoramafotografie zusammengefügt werden. Softwareprodukte wie das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop bieten hierzu spezielle PlugIns an. Ein weiteres Hilfsmittel zur Erstellung von Panoramafotografien sind spezielle Rotationskameras, die eine Aufnahme über 360 Grad an einem Stück erfassen können. Anschliessend müssen nur noch Anfang und Ende der Aufnahme aneinander gefügt werden. Das zeitintensive Anpassen von mehreren Einzelbildern entfällt somit. Solche Panoramasysteme sind im Fachhandel bereits ab Fr. 3000.– erhältlich und vereinfachen die Produktion beträchtlich. Spezielle QTVR-Erstellungsprogramme wie VR Worx erlauben es nicht nur, ganze Panoramaaufnahmen, sondern auch Einzelbilder einzulesen. In einem ersten Schritt werden dabei die Parameter für Linsengrösse, Anzahl der Bilder, Drehwinkel des Filmes, Bildgrösse sowie weitere grundlegende Angaben eingestellt. Nach dem Einlesen der Bilder werden diese von der Software ineinan- der geblendet und zu einem QTVR-Film komprimiert. Auch hier erlauben Programme wie VR Worx noch allfällige Korrekturen des Bildmaterials, das Hinzufügen von Effekten, die Bestimmung des Kompressionsfaktors usw. Die meisten Korrekturen sind jedoch nur notwendig, wenn das Quellmaterial eine schlechte Qualität besitzt. Deshalb sollte bereits beim Fotografieren darauf geachtet werden, dass die Bilder nicht verzittert sind und die Beleuchtung stimmt. Besitzt man gutes Ausgangsmaterial, nimmt die Erstellung eines QuickTime-VR-Filmes – genügend Rechenleistung vorausgesetzt – nur noch ca. 20–40 Minuten in Anspruch. Erfassen von Objekten Bei einem Objektfilm muss – wiederum abhängig von Abstand und Objektivbrennweite – für eine flüssige Wiedergabe ein Objekt rundum in 10-Grad-Schritten fotografiert werden. Bei einem frei auf einer Ebene drehbaren Gegenstand bedeutet dies bereits 36 Aufnahmen. Will man das Objekt nicht nur vertikal, sondern auch horizontal drehen können, muss die Kamera in einer 90-Grad-Drehung von oben Um ein ganzes Objekt fotografisch zu erfassen, sind bis zu 684 Aufnahmen erforderlich. Hier empfiehlt sich der Einsatz einer digitalen Videokamera. Gestalten einer QTVR-Szene Mit dem Szenenmodul hat Apple einen besonders interessanten Aspekt in das QTVR-Konzept gebracht. Die Verknüpfung von unterschiedlichsten Medientypen in einer einzigen Szene ermöglicht nicht mehr nur die Darstellung einzelner Panoramen oder Objekte, sondern das Gestalten grösserer Anwendungen. Diese sind sogar für professionelle CDROM-Produktionen geeignet. Deshalb erfordert die Herstellung einer QTVRSzene eine sehr sorgfältige Planungsphase. Bei komplexen Szenen ist das Skizzieren eines genauen «Verlinkungsschemas» unumgänglich. Nur so lässt sich in den späteren Produktionsphasen der Überblick über die verschiedenen Medientypen und ihre Beziehungen bewahren. Professionellere Softwaretools bieten hierzu sehr gute Hilfsfunktionen. So lassen sich zum Beispiel in VR Worx Übersichtspläne als Hintergrundbilder laden oder im Programm selbst gestalten. Anschliessend kann man das benötigte Quellmaterial importieren und exakt nach dem skizzierten Schema anordnen. Diverse Werkzeuge erlauben es, ein- oder bidirektionale Links zwischen den QTVR-Filmen zu setzen. Die «Hot Spots» werden zuerst automatisch von der Anwendung 33 Web-Publishing Publisher 2 · 2001 allem bei komplexeren Projekten von Vorteil, wenn man sich das QuickTime VR Authoring Studio oder VR Worx zulegt. Diese bieten zahlreiche Funktionen, die Dateiimport sowie Filmproduktion erleichtern. Adressen Eine kleine Auswahl an weiterführenden Links zum Thema QuickTime VR: http://www.apple.com/ quicktime/qtvr/ (die Referenzseite zu QTVR) http://www.letmedoit.com/qtvr/ qtvr_online/course_index.html (Tutorials zum Erstellen von QTVR-Filmen) http://developer.apple.com/ techpubs/quicktime/ qtdevdocs/RM/vrframe.htm (wichtige Entwicklerinformationen) Im Szenenmodul von VR Worx können die diversen Medientypen per Drag&Drop über einer Hintergrundskizze angeordnet und anschliessend «verlinkt» werden. eingefügt, können danach aber mit dem integrierten «Node Browser» manuell weiterbearbeitet werden. Nachdem alle Links gesetzt und die «Hot Spots» definiert sind, muss die ganze Szene nur noch als QTVR-Film komprimiert werden – schon kann man sich in einer virtuellen Welt auf Entdeckungsreise begeben. Desktopper www.publisher.ch/jobs 34 Layouter Grafiker Lithograf Polygraf WebPublisher Fazit Erste CD-ROM-Anwendungen, die vollständig auf der QTVR-Technologie beruhen, sind bereits erhältlich. Auch im World Wide Web findet man vermehrt Seiten mit QTVR-Inhalten. Dieser Trend wird sich in nächster Zeit sicher noch verstärken. Gerade in Bereichen, in denen es um eine möglichst wirk- lichkeitsgetreue Abbildung der realen Welt geht, besticht QuickTime VR. Es ist bisher die einzige Technologie, die eine einfache, schnelle sowie relativ kostengünstige – aber dennoch qualitativ hochwertige – Produktion erlaubt. Obwohl Apple selbst einige Freewareprogramme zum Produzieren von einfachen QTVR-Filmen anbietet, ist es vor http://developer.apple.com/ quicktime/quicktimeintro/tools/ (Gratissoftware zum Downloaden) http://www.iqtvra.org/ (International QuickTime VR Association; Tipps, Tricks und vieles mehr) http://www.shotmedia.ch/ (Anbieter von Pamoramasystemen, QTVR-Lösungen und Vertrieb von VR Worx)