Welche Folien sind für die Überdachung im Obstbau geeignet
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Welche Folien sind für die Überdachung im Obstbau geeignet
Welche Folien sind für die Überdachung im Obstbau geeignet? - Materialeigenschaften, Kleinklima, Anwendung Burkhard von Elsner, Sachverständiger für Gartenbau, Hannover In den letzten 10 Jahren haben die Überdachungen von Obstplantagen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dabei wurde die Entwicklung im Wesentlichen von den Herstellern dieser Systeme vorgenommen, indem sie die Schwachstellen ständig behoben und verbessert haben. Die Auswahl der eingesetzten Folien geschah nach den auf dem Markt vorhandenen Produkten, die sich in der Verwendung als geeignet erwiesen. Hier soll versucht werden, die wesentlichen Eigenschaften der Überdachungsfolien und ihre Auswirkungen auf die Pflanzenkultur zu erklären, um die an solche Folien zu stellenden Anforderungen zu systematisieren. Ziel ist es, dass Hersteller und Anwender Kriterien haben, für jeden einzelnen Anwendungsfall die richtige Folie auswählen zu können. Konstruktionsprinzip der Überdachungen Die heute angebotenen Überdachungssysteme lassen sich hinsichtlich ihrer Bauweise in zwei Konstruktionslinien unterscheiden. Zum einen werden zeltähnliche Überdachungen konstruiert, die die Dachmembran durch Stangen, Seile und Drähte über der Kultur aufspannen und die auftretenden Einwirkungen durch Wind und Regen über Erdpfähle und Erdanker in den Boden abführen. Die Folie übernimmt dabei selbst die Windlast und übergibt sie über einen verstärkten Randstreifen punktuell mit Hilfe von elastischen Bändern oder Befestigungsplaketten (Klammern) an die Trag- und Spannseile. Bei diesen Folien ist eine hohe Zugfestigkeit erforderlich, damit sie an den punktförmigen Kraftübertragungsstellen zu den Seilen oder den Auflagestellen auf Drähten nicht reißen. Die zweite Konstruktionslinie orientiert sich an den bestehenden Bauweisen für Foliengewächshäuser und Tunnel. Dabei werden die Einwirkungen auf die Folie an den Auflagestellen und den Folienrändern linienförmig in Rohrauflagen oder Klemmprofile übergeleitet und von dem fixierten Rahmen in Ständer und Fundamente in den Boden übertragen. Die Lasten der Einwirkungen werden also über eine größere Fläche linienförmig übertragen, so dass geringere Anforderungen an die Reißfestigkeit der Folie gestellt werden müssen. Verwendete Überdachungsfolien Diesen konstruktiven Anforderungen werden die vorhandenen Folientypen gerecht. Zum einen werden hochfeste Gewebefolien oder Folien mit dickerem Randstreifen und höhere Foliendicke an Seil- oder Firstauflagen verwendet. Für die linienförmig eingespannten Folien werden Flachfolien, ähnlich oder gleich den gebräuchlichen Gewächshausfolien verwendet. Die typische Foliendicke beträgt für beide Typen 0,2 mm, wobei die Randstreifen durch Doppelt- oder Dreifachlegen, bzw. Materialdicke von 1,2 mm beim Folienblasen hergestellt werden. Die Gewebefäden der Gewebefolien werden aus PE-HD (Polyethylen hoher Dichte) hergestellt, wobei sie im Herstellungsprozess noch gereckt und verstreckt werden, damit sie eine höher Reißfestigkeit erhalten. Damit der Gewebeverbund stabilisiert ist und die einzelnen Fäden sich nicht gegeneinander verschieben können, wird das Gewebe mit einer dünnen PE-LD-Folie (Polyethylen niedriger Dichte) thermo-laminiert/kaschiert. Die Zugfestigkeit dieser PE-HD-Gewebefolien ist etwa hundertmal höher als die einer gleichdicken PE-LD-Gewächshausfolie. Die Bruchdehnung dieser Gewebefolien beträgt nur etwa ein zwanzigstel der Bruchdehnung der Gewächshausfolie. D.h., dass die Gewebefolie sich unter Last mehr oder minder starr verhält, wohingegen die Gewächshausfolie elastischer auf z.B. Windeinwirkungen reagiert und dadurch die Kräfte auf eine größere Fläche und die Linieneinspannung verteilt. Bild 1 zeigt eine Aufsicht auf eine Gewebe- und eine Gewächshausfolie. Bild 1: Gewebefolie (0,2 mm dick, PE-HD, laminiert mit PE-LD-Folie) und Gewächshausfolie (0,2 mm dick, PE-LD) (weißes Schreibpapier hinterlegt) Problem der Alterung – UV-Stabilisierungsadditive Grundsätzlich altern alle transparenten Kunststoffe. Unter dem Begriff „altern“ wird verstanden, dass sich die Materialeigenschaften wie Bruchfestigkeit und Lichttransmission mit der Zeit verschlechtern. Dabei hängt es von der Kunststoffart ab, wie schnell dieser Alterungsprozess abläuft. So hat Acrylglas von seinem Grundstoff her eine sehr gute Alterungsbeständigkeit, d.h., dass unter üblichen Einsatzbedingungen auf einem Gewächshausdach nach 20 Jahren die Nutzbarkeit nicht eingeschränkt ist. Anders verhält sich transparentes Polyethylen, wie es z.B. in einer Verpackungs- oder Baufolie vorliegt. Eine solche Folie wird nach einem halben Jahr unter normalen Witterungsbedingungen anfangen brüchig zu werden und seine Transparenz zu verlieren. Die Ursache der Alterung liegt in der UV-Strahlung des natürlichen Lichtes. Die Wellenlängen der UV-Strahlung sind energiereicher als die des sichtbaren Lichtes. Sie werden von den langen Kettenmolekülen des Polyethylens absorbiert, die Ketten brechen und an den Bruchstellen können freie Radikale aus der Umwelt oder dem Folienmaterial andocken. Dadurch geht einerseits die mechanische Festigkeit verloren und zum andern trübt das Material ein. Abhilfe kann nur durch eine UV-Stabilisierung mittels UV-Absorbern oder speziellen Lichtstabilisierungsadditiven in der Folie herbeigeführt werden. Die Wirkung der UV-Absorber beruht darauf, dass die UV-Strahlung in den obersten Molekülschichten mit Absorbern absorbiert wird, so dass die darunter liegenden Materialschichten der Folie geschützt sind. Andere Stabilisatoren löschen die Energie der UV-Strahlung und wandeln sie in Wärme um. Bei der Gruppe der HALSStabilisatoren (Hindered Amid Light Stabilisers) wird die zerstörende Wirkung der UV-Strahlung vermindert, indem die aggressiven Photooxidationsprodukte gebunden werden. Häufig wird eine Kombination aus unterschiedlich wirkenden Additiven zur UV-Stabilisierung verwendet, um einen preisgünstigen und wirksamen Folienschutz aufzubauen. Künstliche Bewitterung – Prognose der Alterungsbeständigkeit Da man bei neuen Produkten nicht warten kann, bis unter natürlichen Witterungsbedingungen ein Schaden aufgetreten ist, um dann anschließend eine Produktveränderung vorzunehmen, werden die Folien heute in Bewitterungsapparaten unter definierten, stärker belastenden künstlichen Bedingungen getestet. Diese Testbedingungen sind gegenüber den natürlichen Witterungsbedingungen definiert, so dass eine bestimmte Verweilzeit im Testapparat mittels Übertragungsfaktoren auf die Standzeit unter natürlichen Bedingungen umgerechnet werden kann. In den technischen Datenblättern der Folienhersteller wird die Alterungsbeständigkeit in unterschiedlicher Weise angegeben. Eine Möglichkeit ist die Angabe der aufsummierten Strahlungslast bis die Folie nur noch 50% der ursprünglichen Bruchfestigkeit aufweist. Die Strahlungsbelastung wird mit einer sonst nicht gebräuchlichen (amerikanischen) Strahlungseinheit Langley (Ly) bezeichnet. Für das Klima in Zentraleuropa bedeutet die Angabe von 5 kLy (Kilo-Langley) eine Beständigkeit gegen UV-Strahlung für etwa 4,5 bis 5 Jahre bis die Grenze von 50% der Bruchfestigkeit erreicht ist. Andere Datenblätter geben eine Gebrauchsklasse an, wobei die Klasse „E“ der Be-lastungsfähigkeit für etwa 5 Jahre entspricht. Wieder andere Angaben weisen die Bestrahlungszeit im Bewitterungsapparat aus, bis zu der die 50% Bruchfestigkeit-Schwelle erreicht ist. Dabei entspricht die Bewitterungszeit von mehr als 7.300 h in der Übertragung etwa 5 ganze Jahre Gebrauchszeit in unserem Freiland-Klima. Da die Überdachungsfolien im Obstbau in der Regel nicht als ständige Überdachung genutzt, sondern nach dem Frühjahr und Sommer gerafft unter schwarzer Folie aufbewahrt werden, kann also mit Folien der oben angeführten Klassifikationen für das Alterungsverhalten eine Einsatzdauer von 8 bis 10 Jahren auf der Obstanlage erwartet werden. Strahlungsdurchlässigkeit der Überdachungsfolien (PAR) Für Wachstum und Entwicklung der Kulturen ist es notwendig, dass das Sonnenlicht in auseichender Menge und in der richtigen Qualität unter der Folienüberdachung vorhanden ist. Daher wurden einige der auf dem Markt angebotenen Folien im Labor spektral vermessen. Bild 2 zeigt die Transmissionskurven der Gewebefolien der Firmen BayWa, Brändlin und Voen sowie die transparente Folie der Fa. Brändlin. Zusätzlich wurden zur Orientierung der relative Spektralverlauf der Sonnenstrahlung bei klarem Himmel und die Wellenlängenbereiche der UV- und der PAR-Strahlung dargestellt. PAR-Strahlung ist die photosynthetisch aktive Strahlung (engl.: Photosynthetically Active Radiation), also diejenige Strahlung, die zur Photosynthese in den Blättern und damit für den Stoffaufbau der Pflanzen erforderlich ist. Bild 2: Spektrale Materialdurchlässigkeit verschiedener Überdachungsfolien für den Obstbau und relativer Verlauf des Solarspektrums (Quantenspektrum) Betrachtet man die Durchlässigkeit im PAR-Bereich, so fällt auf, dass die 0,2 mm transparente Flachfolie (vergleichbar einer Gewächshausfolie) einen Wert von etwa 88% erreicht, wohin gegen die Gewebefolien in ihren Durchlässigkeitswerten niedriger liegen, zwischen 75 und 81%. Dies sind die Durchlässigkeitswerte für senkrecht einfallende Strahlung (Laborwerte). Für diffuse Strahlung vom Himmelsgewölbe kann mit einer PAR-Durchlässigkeit von etwa 70% gerechnet werden. Insgesamt bedeuten diese Werte, dass Pflanzen unter diesen Folien im Frühjahr und Sommer sicherlich genug photosynthetisch wirksame Strahlung erhalten werden. Bei der UV-Durchlässigkeit unterscheiden sich die Werte der einzelnen Folie stärker. Während die Gewebefolien eine UV-Durchlässigkeit von 65 bis 80% aufweisen, fällt die Flachfolie bei 400 nm beginnend zu den kürzeren UVLicht-Wellenlängen hin ab, so dass ab 350 nm kaum noch UV durchgelassen wird. Diese Unterschiede beruhen sicher auf den verwendeten Additiven zur UVStabilisierung. In der Flachfolie kommen wahrscheinlich UV-Absorber und in den Gewebefolien wahrscheinlich HALS-Stabilisatoren zum Einsatz. Eine Aussage über die Konzentration der Stabilisatoren oder die anzunehmende Beständigkeit gegen Alterung der Folie kann aus diesen Spektren nicht abgeleitet werden. Dazu bedarf es eines Bewitterungstests oder der weiteren chemischen Untersuchung. Durchlässigkeit für UV-Strahlung Die Bedeutung der Unterschiede für die UV-Strahlungsdurchlässigkeit kann nur aus Sicht der Pflanzen beurteilt werden. Während die (langwelligere) UV-A-Strahlung (315 bis 380 nm) nur geringe/keine zellzerstörende Wirkung hat, ist die UV-BStrahlung (280-315 nm), je kurzwelliger sie ist, zellschädigend. Die Pflanzen bauen einen eigenen Schutzmechanismus auf. Blätter und Blüten versuchen sich gegen die zerstörende Kraft der (kurzwelligen) UV-Strahlung durch verstärkte Pigmentierung, dickere Kutikula oder Wachsschichten auf den Blättern zu schützen. Infolge ist die Blatt- und Blütenfarbe intensiver, das Blattgewebe dicker, die Blätter kleiner, das Streckungswachstum geringer. Die im Blattgewebe absorbierte UV-Strahlung führt zu Zellschäden, die durch einen eigenen Biosynthesevorgang einen Reparatur/Heilungsmechanismus in Gang setzen. (Hier wird deutlich, dass die Mechanismen der UV-Stabilisierung der Folien ähnlich den Schutzmechanismen der Pflanzen ablaufen.) Diese Stressreaktion bei UV-Bestrahlung kommt dem Gärtner sehr entgegen, indem der Gemüsebauer sie nutzt, gedrungene feste Jungpflanzen in seinem Gewächshaus mit UV-durchlässiger Bedachung anzuziehen, der Zierpflanzengärtner sich über den kompakten Pflanzenaufbau und intensive, rote und blaue Blüten freut. Auch die Ausfärbung von Früchten wird durch UV-Strahlung intensiviert. Der Obstbauer benötigt, sofern er auf Bestäuber angewiesen ist, die UVDurchlässigkeit einer Folienüberdachung, damit sich Hummeln und Bienen orientieren können und die Blüten besser vom Blattgrün unterscheiden können. In Bild 3 ist dargestellt, dass die Bienen und Hummeln drei Farbrezeptoren besitzen und somit über einen Farbraum zur Farbunterscheidung in ihrer Umwelt verfügen. Insbesondere der UV-Rezeptor mit seinen Hauptwellenlängen um 340 nm ist für die Raum- und Zeitorientierung der Bestäuber wichtig. Die Bienen benötigen das polarisierte UV-Licht der Sonne, um zu ihrem Stock zurückzufinden. Umfangreiche Untersuchungen mit Bienen und Hummeln in Gewächshäusern mit UV-blockierender und UV-durchlässiger Bedachung haben diesen Sachverhalt aufgezeigt. Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass unter den hier gezeigten Gewebefolien sicher nicht mit Orientierungs- oder Sichtproblemen für die Bestäuber zu rechnen ist. Bei einer dichten Überspannung der Plantage mit der Flachfolie, die bei 350 nm so gut wie keine UV-Durchlässigkeit mehr aufweist, kann es zu Minderleistungen der Bestäuber führen. Nur wenn durch Seitenlicht oder offene Spalten zwischen den Folienbahnen genug UV-Licht einfällt, kann dieser Mangel kompensiert werden. Bild 3: Trichromatisches Sehen von Bestäubern: Relative Empfindlichkeit der Augenrezeptoren von Bienen und Darstellung unterschiedlicher Blütenfarben im Farbraum von Hummeln (Kevan et al., 2001; Raine et al., 2007) Verschmutzung der Folien Neben der Lichtdurchlässigkeit im Neuzustand und dem zu erwartenden Lichtverlust durch Alterung spielt die Verschmutzungsneigung von Kunststofffolien eine Rolle. Über das Foliendach streichender Wind führt zu statischer Aufladung der Folienoberfläche, was zu einer verstärkten Anhaftung von Staub aus der Umgebung führen kann. Daher ist es notwendig, dass die Folien mit Antistatika-Additiven ausgerüstet sind, die bewirken, dass die elektrischen Ladungen auf der Folienoberfläche abgeleitet werden können. Bei der Verwendung einer Gewebefolie ergibt sich auch die Frage, welche Seite nach außen weisen soll, da das Gewebe nur einseitig mit einer glatten PE-LD-Folie kaschiert ist. Hier ist zu empfehlen, dass die stärker strukturierte Gewebeseite nach unten weisen sollte, damit sich kein Staub und Schmutz in der Struktur ablagern kann. Problematisch sind auch ölhaltige Pflanzenspritzmittel, die an der Folieninnenseite anhaften und mit Staub und Pollen verkleben können. Bei der Anwendung von Spritzmitteln ist insbesondere bei halogen- oder fluorhaltigen Spritzmitteln Vorsicht geboten, da einige UVStabilisatoren in der Folie dadurch zerstört werden können. Die Alterung setzt dann verstärkt ein und die Folie trübt sich. Daher ist eine Nachfrage beim Folienhersteller anzuraten, ob die verwendeten/geplanten Spritzmittel mit den Stabilisatoren verträglich sind! Mikroklima unter Folienüberdachungen Der sogenannte Gewächshauseffekt kommt auch bei einer Folienüberdachung zum Tragen. Darunter versteht man, dass die kurzwellige Sonnenstrahlung durch die Bedachung in den Kulturraum einfällt, dort von Pflanzen und sonstigen Oberflächen absorbiert wird und dadurch die Oberflächentemperaturen ansteigen. Diese Oberflächen geben einen Teil ihrer Wärme durch Wärmestrahlung an kältere Oberflächen ab. Während Glas für Wärmestrahlung undurchlässig ist, lässt unbehandelte Polyethylen-Folie Wärmestrahlung zu 90% durch. Im Extremfall bedeutet dies, dass im Frühjahr bei Strahlungsfrost die Pflanzenteile ihre Wärme durch die Bedachung an den kalten Himmel (-50 bis -70 °C) abgeben. Es kann somit auch zu Frostschäden unter der Folie kommen. Für Gewächshausfolien werden deshalb besondere Additive verwendet, die das Strahlungsfenster in der Folie zum großen Teil (bis zu 90%) schließen können. Die im Obstbau verwendeten Gewebefolien sind daraufhin noch nicht getestet worden. Ein eigener Kleinversuch mit einem „Schwarzen Strahler“ von 50 °C ergab eine Wärmestrahlungsdurchlässigkeit von etwa 30%. D.h., dass 70% des Strahlungswärmeflusses verhindert werden und nur 30% als Strahlungswärmeverlust auftreten wird. Die Gewebefolien vermindern in dieser Hinsicht also die Gefahr von Strahlungsfrost für die außen liegenden Blüten und Blätter des Pflanzenbestandes. Zum realen Gewächshauseffekt gehört auch, dass durch die Gewächshaushülle der Luftaustausch mit der Umgebung behindert wird und dadurch aufgebaute oder geheizte Wärme in dem Gewächshausraum verbleibt. Es kommt zu einer Temperaturerhöhung gegenüber dem Freiland. Dies ist im Frühjahr durchaus erwünscht, da das Pflanzenwachstum und die Blütenentwicklung bei höheren Temperaturen schneller vonstatten gehen. Anders bei starker Sonneneinstrahlung im Hochsommer, dann kann es unter der Bedachung zu hohen Temperaturen kommen, die auch Verbrennungen und Wasserstress nach sich ziehen. Daher ist es erforderlich, dass der Pflanzenraum nicht vollständig abgeschlossen ist, sondern dass durch entsprechend große freie Lüftungsöffnungen der Luftaustausch gewährleistet bleibt. Schäfer (2007) hat in einer überdachten Süßkirschenanlage (System Brändlin) die Reduktion der Windgeschwindigkeit gegenüber dem Freiland auf 1/3 gefunden. Um auch bei Windstille noch einen minimalen Luftaustausch zu gewährleisten, besitzen deshalb einige Überdachungskonstruktionen spezielle Lüftungsöffnungen im Firstbereich. Durch thermischen Auftrieb zu diesen hoch liegenden Öffnungen kann sich so ein Luftstrom durch den Pflanzenraum auch bei Windstille aufbauen. In der Arbeit von Schäfer (2007) werden weitere mikroklimatische Beobachtungen mitgeteilt. So ist die Lufttemperatur unter der Folie generell um etwa 3 °C höher als im Freiland. Bei sehr hoher Zustrahlung und geringer Windgeschwindigkeit kam es in Ausnahmefällen zu Übertemperaturen von 6 °C, das wa r am Standort Berlin eine Temperatur von 34 °C. Die Blätter benötigen dann ei ne leistungsfähige eigene Verdunstungskühlung. Sie ist solange gewährleistet, wie ausreichend bewässert wurde. Hier ist beim Betrieb der üblichen Tropfbewässerungsanlagen unter Folie zu beachten, dass der Wasserverbrauch insgesamt höher liegt als im Freiland. Bei nicht ausreichender Bewässerung kommt es leicht zu Wasserstress und Folgeschäden. Obwohl unter der Folie die verfügbare PAR-Strahlung niedriger als im Freiland war, war die Photosyntheserate aufgrund höherer Temperaturen im Mittel um 19% höher als im Freiland. Der Saftfluss im Baum war im Freiland im Allgemeinen höher als unter Folie, was auch daran lag, dass im Freiland die Anzahl der Blätter je Baum annähernd doppelt so hoch lag wie unter Folie. Jedoch waren die Blätter unter Folie größer als im Freiland. – Hier zeigt sich, dass der Baumaufbau unter Folie von dem im Freiland abweichen kann. In diesem Fall lag sicherlich ein kombinierter Temperatur- und Strahlungseffekt vor. Die verwendete Überdachungsfolie (Orolene XC) ließ so gut wie kein UV-Licht durch, so dass die Blätter sich, insbesondere bei erhöhten Temperaturen, dünner und größer entwickelten. In mikroklimatischer Hinsicht ergaben die Arbeiten von Schäfer (2007) zusammenfassend, dass obwohl die verfügbare Strahlung unter der Folie verringert war, waren die Entwicklungsprozesse durch die höhere Mitteltemperatur beschleunigt. Die Folge war eine veränderte – aber nicht negativ zu beurteilende – Baumphysiologie. Die Folienüberdachung erwies sich als besonders effektiv bei meteorologischen Extremsituationen wie Frost oder ergiebigem Niederschlag und insbesondere in der Phase der Fruchtentwicklung. Damit werden die Folienüberdachungen ihrer Aufgabe des Schutzes der Blüten und Früchte gerecht. Literatur: Kevan, P.; Chittka, L.; Dyer, A. (2001): Limits to the Salience of Ultraviolet: Lessons from Colour Vision in Bees and Birds. - J.Exp.Biol. 204, S. 2571-2580 Raine, N.E.; Chittka, L. (2007): The Adaptive Significance of Sensory Bias in a Foraging Context: Floral Colour Preferences in the Bumblebee Bombus terrestris. PLoS ONE 2(6): e556. doi: 10.1371 / journal.pone.0000556 Schäfer, S. (2007): Überdachungssysteme im Obstbau – Auswirkungen auf das Mikroklima, Baumwachstum, Fruchtqualität sowie den Krankheits- und Schädlingsbefall von Süßkirschen. –Dissertation Humboldt-Universität Berlin, ISBN 978-3-86624-321-7