Grundzüge des juristischen Expertensystems JUREX
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Grundzüge des juristischen Expertensystems JUREX
Expeiiensystem JUREX Grundzüge des juristischen Expertensystems JUREX Ingrid Bönninger, Karl Bönninger Zur computerunterstützten Entscheidungsfindung i m Recht wurden bisher i n der D D R die Beratungssysteme D I A L E X [ l ] und J U D I [2] entwickelt. I m System D I A L E X ist das Wissen i n Form von Prozeduren gespeichert, sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch die Methode der Fallösung. Das bedeutet, daß f ü r jedes neue Gebiet neue Prozeduren erstellt werden müssen. Das gilt auch für Veränderungen und Ergänzungen. J U D I : Wissen und Methode getrennt gespeichert Beim System J U D I ist das Wissen von der Methode getrennt, so daß es f ü r jedes Rechtsgebiet und auch bei Veränderungen und Ergänzungen des Wissens unverändert einsetzbar 'ist. Die logischen Verknüpfungen, die innerhalb eines Rechtsgebietes zwischen den einzelnen rechtlich relevanten Bestandteilen bestehen, sind i n einer Beziehungstabelle abgelegt. Diese Tabelle m u ß f ü r jedes Gebiet neu erstellt und bei Ergänzungen verändert werden. I n D I A L E X k ö n n e n bei Bedarf Berechnungsvorschriften (arithmetische und DatumsBerechnungen .z.B. zur Berechnung von H ö h e n von Vertragsstrafen, Verzugszinsen, Fristabläufen) eingebaut werden. I n J U D I ist das nicht möglich. Beide Systeme ermöglichen einen Zugriff auf Dateien m i t Begriffserklärungen i n Lexika und H a n d b ü c h e r n , m i t ausgewählten Gesetzestexten und Entscheidungen i n Entscheidungssammlungen. Aus der Sicht der Benutzer der fertigen Systeme f ü r ein bestimmtes Rechtsgebiet sind die Systeme nützlich und ziemlich komfortabel. Sie sind f ü r Studierende und juristische Laien (Schöffen, Mitglieder von Schieds- und Konfliktkommissionen) als Entscheidungshilfe geeignet, aber auch für Juristen, die sich auf dem betreffenden Rechtsgebiet der herkömmlichen Unterstützungsarten wie Beiziehung von Kommentaren, Entscheidungssammlungen, Gesetzeskarteien bedienen. Sehr aufwendig ist jedoch die Entwicklung, die Formalisierung des Wissens als sehr komplexen Entscheidungsbaum bzw. als eine Vielzahl miteinander verknüpfter Entscheidungstabellen. Die Wissensformalisierung beträgt f ü r so eingegrenzte Gebiete wie das Haushalt- und Haftpflichtversicherungsrecht der Bürger oder Garantie beim Kauf zwei bis drei Mannjahre. Kompliziert ist auch die Wartung eines solchen Systems bei »Änderung des Gesetzes, da i n die stark vernetzte Struktur eingegriffen werden m u ß . Die H i n z u f ü g u n g neuer Entscheidungen ist weniger aufwendig. Ein Vorteil der Systeme besteht darin, daß sie unterschiedliche Auslegungen und Lehrmeinungen aufnehmen k ö n n e n und es dem Nutzer überlassen, f ü r welche er sich entscheidet. Er kann die unterschiedlichen Meinungen auch durchspielen und sich über die daraus resultierenden unterschiedlichen Ergebnisse informieren. U m den hohen Entwicklungsaufwand, den die bisherigen Beratungssysteme erfordern, zu senken und ein allgemeines, flexibles Beratungssystem f ü r Juristen zu schaffen, ist von der Karl-Marx-Universität Leipzig, der Hochschule f ü r Ö k o n o m i e Berlin und dem Zentralinstitut f ü r Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften m i t der Entwicklung des Expertensystems JUREX begonnen worden. JUREX ist ein Diagnosesystem, das über die üblichen Komponenten eines Expertensystems (z.B. [3], [4], [5]) Wissensbasis, Wissenserwerbskomponente, Inferenzmaschine, Dialogkomponente und Erklärungskomponente verfügt. 1 Bisherige Entwicklungen: DIALEX und JUDI DIALEX: Berechnungsvorschriften implementiert Kompliziert: sierung und WissensformaliSystemwartung Hilfreich: Es können unterschiedliche Meinungen gespeichert und durchgespielt werden. JUREX:flexibles für Juristen Beratungssystem Wissensbasis Beim Aufbau der Wissensbasis und ihrer Struktur wurde von den Arten von Regeln und den Arten von Fakten ausgegangen, die es i m Recht gibt. Die Wissensbasis von JUREX enthält Symptome, Hypothesen und Regeln. Symptome sind die kleinsten juristisch relevanten Einheiten wie die Prämissenelemente einer Rechtsnorm (in der N o r m des § 348 Abs. 2 Z G B z.B. die Eigenschaft fähig, sich .pflichtgemäß zu verhalten) oder die intensionalen Merlanale eines Begriffs. Es gibt vier verschiedene Typen von Symptomen i n Abhängigkeit von den Werten, die sie annehmen k ö n n e n . 1 Die Ziffern in eckigen Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis am Ende des Beitrags, Dr. ine. Ingrid Bönninger ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitutfür Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der DDR; Dr. sc.jur. Karl Bönninger ist ordentlicher Professor an der Karl-Marx Universität Leipzig und hat dort in der Sektion Rechtswissenschaft den Lehrstuhlsfür Verwaltungsreqhf inne. 683 jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de Expertensystem JUREX Hypothesen: Rechtsfolgeteik Der Zusammenhang zwischen Symptomen und Hypothesen wird durch 7 Regeln dargestellt. Beispiel für eine Meta-Regel 1. Bool-Symptome k ö n n e n die Werte wahr und falsch annehmen, d.h. sie k ö n n e n vorliegen oder nicht (z.B. es handelt sich bei einem Garantieanspruch u m eine gebrauchte Ware oder nicht). 2. Symptome vom Typ real werden z.B. bei der Angabe von Fristen oder Schadensersatzhöhen verwendet. 3. Für Terminangaben gibt es den Typ date. 4. Symptome vom Typ string k ö n n e n f ü r nicht näher erklärbare Einheiten (wie z.B. erhebliche Minderung des Gebrauchswertes oder zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt) oder zur Bewertung von Handlungen (z.B. der Raffinesse oder der Skrupellosigkeit, mit der eine Funktion ausgenutzt wird) angewandt werden. Hypothesen k ö n n e n die Rechtsfolgeteile einer Rechtsnorm sein, die sich bei Vorliegen der Prämissen ergeben. Eine Hypothese kann die Rechtsfolge (z.B. Verpflichtung zum Schadensersatz oder Bestehen eines Garantieanspruchs) einer oder mehrerer Ketten von Rechtsnormen sein oder Rechtsfolgeteil einer einzelnen N o r m . Ist das Vorliegen eines Prämissenelementes einer Rechtsnorm ungewiß, kann das Prämissenelement selbst zu einer Hypothese werden. Des weiteren kann die Hypothese ein Begriff sein, dessen Prämissen die intensionalen oder extensionalen Merkmale sind. Auch ein Begriffsmerkmal kann wiederum zur Hypothese werden, soweit es selbst durch Merkmale bestimmt wird. Daraus ergibt sich, daß es auch Symptom-Hypothesen-Paare gibt. Regeln dienen der Darstellung des Zusammenhanges zwischen Symptomen und Hypothesen. Die Wahl der Arten von Regeln ergibt sich aus den Arten von Zusammenhängen, die es i m Recht zwischen den Symptomen und Hypothesen gibt. JUREX berücksichtigt sieben verschiedene Arten von Regeln. 1. Meta-Regeln werden zur Eingrenzung des Ziels oder zum Einlesen der benötigten (Teil-)Wissensbasis verwendet. Sie dienen der Steuerung des Gesamtablaufes einer Konsultation. Sie haben die Form von Teile-von-Aussagen. Uber die Bearbeitung dieser Regeln kann der Nutzer den Einstieg i n die Fallösung festlegen. Als Einstieg kann ein Rechtszweig, ein Gesetz, ein Gesetzeskapitel, ein Paragraph, ein Absatz oder ein Begriff gewählt werden. N i m m t man als Einstieg das 2. Kapitel des 5. Teils des Z G B , dann lautet die Regel: Verpflichtung zum S c h a d e n s e r s a t z u n d Umfang u n d A r t d e s S c h a d e n s e r s a t z e s und sind Gruppenregeln bei mehreren möglichen Zielhypothesen Standard-Regeln in Form von Wenn-dann-Aussagen Bewertungsregeln enthalten „ Gewißheitswert". Mitverantwortlichkeit Teile von Wiedergutmachung v o n Schäden. Hat man die Prämissen (z.B. für Verpflichtung zum Schadensersatz) abgearbeitet, gelangt man wieder i n die Meta-Regel zurück und kann weitere Prämissen (z.B. Mitverantwortlichkeit des Geschädigten) abarbeiten. I m System der Meta-Regeln kann man beliebig auf die unteren Ebenen hinab- oder auf die h ö h e r e n Ebenen hinaufsteigen. 2. Gruppen-Regeln benötigt man, wenn mehrere Zielhypothesen möglich sind, z.B. wenn ermittelt werden soll, wer gemäß § 296 Z G B Eigentümer einer auf einem Grundstück errichteten Baulichkeit ist (das kann sein: der Nutzungsberechtigte des Grundstücks, der Eigentümer des Grundstücks, der Rechtsträger des Grundstücks, der Eigentümer m i t Verpflichtung zum Wertersatz, der Eigentümer des Grundstücks m i t der Verpflichtung zum Erwerb der Baulichkeit durch Kauf). Sie haben die Form von Teile-von-Regeln. 3. Eine weitere A r t von Regeln sind die Standard-Regeln. Sie dienen der Bestätigung oder Ablehnung einer vermuteten Zielhypothese. Sie haben die Form von Wenn-dann¬ Aussagen. Sie k ö n n e n eine Vorbedingung enthalten. I n ihrem Bedingungsteil k ö n n e n beliebige arithmetische und boolesche Ausdrücke enthalten sein. Die Standard-Regeln sind geeignet, die Rechtsnorm des materiellen Rechts wiederzugeben. Sie sind i n der Wissensbasis i m Unterschied zu ihrer Anordnung in einer gesetzlichen Bestimmung i n einem System zusammengefaßt. So kann man z.B. über die Verpflichtung zum Schadensersatz drei Grundregeln aufstellen (materielle Verantwortlichkeit des Bürgers, materielle Verantwortlichkeit des Betriebes und erweiterte materielle Verantwortlichkeit), deren Prämissenelemente als Hypothesen gesetzt Unterregeln ergeben. Auch die Kommentierungen dazu werden in weiteren Unterregeln wiedergegeben, schließlich auch die Begriffe m i t ihren intensionalen Merkmalen und die Merkmale selbst. 4. I n Regeln m i t Bewertung werden die Hypothesen i m Schlußfolgerungsteil vom Experten entsprechend seiner Erfahrung oder anhand statistischer Auswertungen m i t einem den Juristen durch Einfuhren von Klammern zu verunsichern. 684 jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de Expertensystem JUREX Gewißheitswert versehen. Die Symptome i m Bedingungsteil k ö n n e n v o m Typ bool sein oder m i t Hilfe eines Menüs m i t Bewertungsvorschlägen v o m Nutzer bewertet werden. Die Regeln k ö n n e n eine Vorbedingung haben. Sie haben die Form von Wenn- dann¬ Aussagen. Regeln m i t Bewertung kommen zur Anwendung bei der Ermittlung eines Strafmaßes i m Straf-, Ordnungsstraf- und Disziplinarrecht, bei der Festlegung eines Schadensersatzes i n einem Von-bis-Rahmen, des Anteils mehrerer Schädiger bei Schadensverursachung oder der H ö h e der Schadensersatzminderung bei Mitverantwortlichkeit des Geschädigten. Als Vorbedingung einer Regel kann z.B. bei der Bewertung einer Arbeitspflichtverletzung Vorsatz oder Fahrlässigkeit i n Frage kommen. Z u bewertende Symptome für die A r t einer arbeitsrechtlichen Disziplinarmaßnahme sind z.B. die in § 253 A G B genannten U m s t ä n d e bzw. die zu jedem Umstand kommentierend aufgeführten spezifischen U m s t ä n d e . Regeln m i t Bewertung sind ebenfalls anwendbar'bei der Auflösung vager Begriffe. Hier macht das System i m Ergebnis einen Vorschlag, m i t welchem Gewißheitsgrad eine Erscheinung i n der Realität dem allgemeinen Gesetzesbegriff zugeordnet werden kann (z.B. ob ein Wohnraum i.S. der Wohnraumlenkungsverordnung als nicht zu Wohnzwecken genutzter zu betrachten ist). 5. Berechnungsregeln dienen der Berechnung beliebiger Ausdrücke reeller Werte und Werte v o m Typ date. Der berechnete Wert wird einem Symptom zugewiesen. Die Regeln haben die Form einer Zuweisung. 6. Taxonomie-Regeln sind Teile-von-Aussagen, die der Bestätigung von Hypothesen anhand von Unterbegriffen oder Beispielen dienen. Sie dienen auch der Feststellung der Zuständigkeit von Organen. M i t dieser Regelart k ö n n e n solche Normen des materiellen Rechts erfaßt werden, i n denen Zuordnungen oder Bestandteile erfaßt sind, so z.B. die Bestimmung des § 338 Z G B , i n der geregelt ist, welche Schäden der Gesundheitsschaden u m f a ß t . M i t Taxonomie-Regeln werden auch Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse staatlicher Organe wiedergegeben, so z.B. vier Entscheidungsbefugnisse gemäß § § 1 1 und 15 Wohnraumlenkungsverordnung, die zur Zuständigkeit des Rates der Stadt als Beschlußorgan i m Verfahren der Wohnraumverteilung (Abschnitt I V der W L V O ) gehören. Weiterhin werden diese Regeln angewandt, u m extensionale Begriffsbestimmungen wiederzugeben, z.B. welche Fahrzeuge zu den Kraftfahrzeugen i.S. des § 345 Z G B gehören, die nur m i t Zulassung oder Berechtigungsnachweis geführt werden dürfen. Schließlich spielen diese Regeln eine Rolle f ü r den Aufbau von Begriffshierarchien, für die Vererbung von Vatermerkmalen i n solchen und für den gegenseitigen Ausschluß von Begriffen. 7. Programmaufruf-Regeln werden zum Einbau komplexer Programme wie z.B. Anschluß an Datenbanken für prozeßrechtliche Vorgänge, Urteile, Literatur oder Programme f ü r statistische Berechnungen verwendet. Ü b e r die Programmaufruf-Regeln kann an einer beliebigen Stelle der Fallbearbeitung eine Recherche i n einer Literaturoder Entscheidungsdatei vorgenommen werden. Ein anderer Anwendungsbereich ist der, daß i m rechnergestützten Ablauf von Verfahren auf die Lösung materiell-rechtlicher Fragen übergegangen werden kann. So kann z.B. i m Wöhnraumlenkungsverfahren nach der Aktion Ablehnung eines weiteren Wohnungsangebots auf das materiell-rechtliche Problem übergegangen werden, ob eine Belassung i m Wohnraumvergabeplan, eine Streichung oder eine Ü b e r n a h m e i n den Vergabeplan des folgenden Jahres erfolgt, und i m Anschluß an die Entscheidung das Verfahren fortgeführt werden. Berechnungsregeln Taxonomie-Regeln zur Bestätigung von Hypothesen anhand von Unterbegriffen oder Beispielen Programmaufruf-Regeln zum Einbau komplexer Programme Wissenserwerb Der Wissenserwerb bei JUREX erfolgt i m Dialog. Der Experte wählt eine der Regelarten aus. Der Regelart entsprechend wird i h m eine Maske (z.B. Wenn..., dann...) angeboten, in die er Bedingungs-und Schlußfolgerungsteil hineinschreiben kann. Für die Symptome und Hypothesen werden Kurzbezeichnungen verwendet, u m den Schreibaufwand zu senken und unterschiedliche Schreibweisen bei zum Teil mehrzelligen Bezeichnungen zu vermeiden. Die Bildung von Symptomen und Hypothesen erfolgt durch das System. Beim ersten Auftreten einer Kurzbezeichnung wird der Experte nach dem exakten Rechtsbegriff und Füllwörtern zur Aussage- und Fragesatzbildung und zur Verneinung gefragt. U m syntaktische Fehler bei der Regeleingabe zu verhindern, werden außer der Maske über ein M e n ü die jeweils möglichen Operatoren (und, oder, * +,...) zur Auswahl angeboten. Die Klammerung boolescher Ausdrücke erfolgt durch Einrücken i n entsprechender Tiefe. Dadurch wird z.B. eine Gesetzesnorm, eine kommentierende Regel oder eine Begriffsbestimmung i n logisch übersichtlicher Form dargestellt, ohne Wissenserwerb im Dialog mit dem Experten ' Das System bildet Symptome und Hypothesen. 685 jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de Expertensystem JUREX Die Regeln erhalten zwei Kennzeichen ihrer Quellen - wer die Regeln eingegeben oder verändert hat (Experte, welcher Nutzer) und auf Grund welcher Quellen (z.B. Gesetzesstelle, Kommentar, eigener Fall), um genau nachvollziehen zu k ö n n e n , worauf eine veränderte Reaktion des Systems beruht, ob auf einer Gesetzesänderung oder einem vom Nutzer (eventuell falsch) gelösten Fall. Der Wissenserwerb bzw. die Wissensveränderung kann aber nicht ausschließlich nur über diese Schnittstelle erfolgen. Neue Regeln, die während der Fallbearbeitung durch das System gebildet werden, k ö n n e n bei Bedarf automatisch an die Wissensbasis angefügt werden. Diese neuen komplexen Regeln beschleunigen die Fallbearbeitung i m nächsten ähnlichen Fall, da sie zuerst abgearbeitet werden. Ist der Aufbau bzw. die Ergänzung der Wissensbasis abgeschlossen, erfolgt durch das System ein internes Verknüpfen der Regeln entsprechend ihrer Zielhypothesen und ein Verknüpfen der Symptome i m Taxonomiebaum, u m eine schnellere Abarbeitung zu gewährleisten. Inferenzmaschine Inferenzmaschine zur Steuerung und Navigation im Regelsystem Falleinstieg über Meta-Regeln Bei Standard-Regeln werden einzelne Prämissen erfragt. Taxonomie-Regeln werden durch Aufruf von Beispielen aktiviert. Bei nicht vordefiniertem Entscheidungszielgreifen Regeln mit Bewertung ein. Die Inferenzmaschine steuert den Nutzer über die Hierarchie der Meta-Regeln an den Einstieg zur Lösung seines Falles (z.B. zur vermuteten Zielhypothese oder zum auszulegenden Begriff) und navigiert i h n durch das Regelsystem bis zur Lösung. Die einzelnen angesprochenen Regeln werden i n Abhängigkeit von ihrem Typ i n unterschiedlicher Weise ausgewertet. Von Meta-Regeln aus k ö n n e n alle anderen Typen aufgerufen werden. Bei Weiß-nichtAntworten (in Meta- und Programmaufruf-Regeln nicht möglich) k ö n n e n wieder Regeln des gleichen oder eines anderen Typs außer Meta-Regeln aufgerufen werden. Der Hypothesenwert der Weiß-nicht-Antwort wird durch das System i m Dialog m i t dem Nutzer geschlußfolgert, außer wenn die Regeln einen Gewißheitswert ungleich -1 oder 1 besitzen oder keine Antwort liefern (nur bei Taxonomie-Regeln möglich oder wenn gar keine Regel existiert, die auf die gesuchte Hypothese zeigt). I n diesem Fall wird der Nutzer zu einer Entscheidung gezwungen. W i r d von einer beliebigen Regel aus die Ober-Hypothese einer Gruppen-Regel ausgewählt, werden alle Unterhypothesen der Regel zu zu bestätigenden Zielen. Bei Standard-Regeln wird der Nutzer nach den einzelnen Prämissen gefragt. Er kann das Vorliegen der Symptome m i t ja, nein oder weiß nicht beantworten. Der Nutzer kann sich auch Beispiele angeben lassen. Dabei werden die Taxonomie-Regeln aktiviert, die auf die Hypothese zum Symptom, zu dem Beispiele gesucht werden, zeigen. Dem Nutzer werden Beispiele angeboten, von denen er eins auswählen darf, u m es als vorliegend zu bestätigen oder zu dem er sich wiederum Beispiele angeben lassen kann. I m ersten Fall wird aus dem Vorliegen eines Beispiels auf das Zutreffen der Hypothese geschlußfolgert. I m zweiten Fall wird das Beispiel zur Hypothese zu der die TaxonomieRegeln aktiviert werden. Die Beispielsuche kann bis zu den Blättern des TaxonomieBaumes verfeinert werden. Bei Zutreffen eines Beispiels werden alle übergeordneten Hypothesen als zutreffend gesetzt. K o m m t kein Beispiel i n Frage, m u ß der Nutzer das ursprünglich unklare Symptom selbst beantworten oder die Weiß-nicht-Antwört geben. I m Fall der Weiß-nicht-Antwort wird die gesuchte Hypothese zum (Teil-)Ziel von Regeln, die auf sie zeigen. Sind diese Regeln Standardregeln, fragt das System nun die Fakten der Prämissen ab, die zu diesem Ziel fuhren. Sind Symptome dieser Prämissen unbekannt, k ö n n e n sie ebenfalls durch die dazugehörigen Regeln hergeleitet werden usw.. Die geschlußfolgerten Teilziele werden nacheinander i n die entsprechenden Prämissen eingesetzt und der Nutzer wird weiter durch das Regelsystem gesteuert, bis das ursprünglich gesetzte Ziel, z.B. ob Schadensersatzanspruch besteht oder nicht, erreicht ist und positiv oder negativ beantwortet wird. Bei einer Weiß-nicht-Antwort k ö n n e n aber auch Berechnungsregeln, Regeln m i t Bewertung oder Programmaufruf-Regeln aktiviert werden. Das Ergebnis von Berechnungs- und Programmaufruf-Regeln wird dem unbekannten Symptom zugewiesen. Regeln m i t Bewertung werden überall dort aufgerufen, wo das Ziel der Entscheidung nicht vordefiniert werden kann, z.B. bei der Auflösung vager Begriffe (allgemeiner Gesetzesbegriffe) i m Recht. Hier macht das System entsprechend dem Algorithmus i m Ergebnis einen Vorschlag, m i t welchem Gewißheitsgrad eine Erscheinung eines Lebensvorganges einem allgemeinen Gesetzesbegriff zugeordnet werden kann (z.B*.'hinsichtlich 686 jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de Expertensystem JUREX der Zuordnung zum Begriff wesentliche Verschlechterung einer Ware i m Sinne der Kaufrechtsgarantie (§ 351 Abs. 3 ZGB)). Regeln m i t Bewertung k ö n n e n jedoch auch von Meta-Regeln direkt angesprochen werden. Ist f ü r die Entscheidung eines Rechtsfalles nicht ein Ziel vorgegeben, werden mehrere mögliche Ziele angestrebt (so z.B. bei der Festlegung eines Strafmaßes). I n diesen Fällen sind nicht wie i n der klassischen Logik nur wahr oder falsch (bzw. ja oder nein) f ü r die Bewertung der Fakten zugelassen, sondern graduell unterschiedliche Werte. Dem Benutzer wird f ü r die Bewertung der Fakten eine Werteskala vorgegeben, innerhalb der er werten kann. Je nach der Bewertung wägt das System das Für und Wider hinsichtlich der möglichen Ziele ab und unterbreitet einen oder mehrere Entscheidungsvorschläge, die es m i t Gewißheitswerten versieht. A m Ende der Fallösung kehrt das System i n die aufrufende Meta-Regel zurück. Von dort aus k ö n n e n mit den vorhandenen Daten andere Zusatzprobleme (z.B. nach Feststellung des Bestehens eines Garantieanspruches das Verfahren der Geltendmachung dieses Anspruchs odef nach Feststellung des Schadens die Berechnung der Schadenshöhe) gelöst werden oder die Sitzung abgeschlossen werden. Am Ende der Fallösung: Rückkehr zur aufrufenden Meta-Regel 1 Dialogkomponente Die Dialogkomponente ist das Bindeglied zwischen System und Benutzer bzw. Experten. Die Funktionsweise ist zum Teil schon bei der Beschreibung der Inferenzmaschine und der Wissenserwerbskomponente erklärt worden. Der Dialog erfolgt i n einer der natürlichen Sprache angepaßten Form, ohne jedoch etwas mit natürlichsprachiger Eingabe (siehe z.B. [6]) zu tun zu haben. Die Bildung von verständlichen deutschen Frage- und Aussagesätzen ist durch die Verwendung von drei jedem Symptom bzw. jeder Hypothese zugeordneten Wörtern oder Wörtgruppen und der Verneinung möglich. Die Reihenfolge dieser zusätzlichen Wörter i m Satz liegt fest. Die Worte selbst legt der Experte bei der Entwicklung der Wissensbasis fest. A u ß e r d e m existiert eine Datei m i t allgemein verwendbaren Wörtern und Wendungen, die bei Bedarf vom Experten modifiziert werden kann. M i t diesen Hilfsmitteln werden vom System Frage- und Erklärungssätze generiert. I m System, das die Lösung von Fällen des 2. Kapitels des 5. Teils des Z G B , Wiedergutmachung von Schäden, betrifft, ist eine sprachliche Formalisierung gewählt worden, die i m Falle des § 330 Z G B so aussieht: Dialogkomponente: Systemschnittstelk zu Benutzern und Experten Dialog: der natürlichen Sprache angepaßt Ein Beispielfür die sprachliche Formalisierung: § 330 ZGB wenn / e i n / Bürger / g e h a n d e l t h a t oder / e i n / B e t r i e b / gehandelt h a t und / e i n / Schaden / v o r l i e g t und / d e r Schaden / v e r u r s a c h t und / d e r Schaden / r e c h t s w i d r i g / v e r u r s a c h t worden i s t und / e r den Schaden / u n t e r V e r l e t z u n g worden i s t ihm obliegender P f l i c h t e n / herbeigeführt h a t dann / b e s t e h t / eine / V e r p f l i c h t u n g zum S c h a d e n s e r s a t z gemäß § 5 5 0 Bei einer Verneinung eines Symptoms oder einer Hypothese tritt sprachlich an die Stelle von ein das Wort kein bzw. wird die Wortgruppe (der eigentliche Begriff) m i t dem Wort nicht verbunden. Die Eingabe von Nutzerantworten und die Auswahl von Systemfunktionen erfolgt i n den meisten Fällen über M e n ü s , u m Eingabefehler auszuschließen. Bei freier Eingabe erfolgt eine Ü b e r p r ü f u n g auf syntaktische Zulässigkeit der Antwort. Erklärungskomponente Die Aufgabe der Erklärungskomponente ist die Begründung von Fragen, die von der Inferenzkomponente an den Nutzer gestellt werden (Warum-Erklärung) und die Rechtfertigung der gefolgerten Fakten (Wie-Erklarung) (siehe z.B. [7],[8]). JUREX greift bei ,der Erklärung auf die während der Konsultation aufgebaute Argumentationskette zurück. Die Warum-Erklärung generiert f ü r die i m M o m e n t ausgewertete Regel m i t dem gerade verfolgten Ziel den entsprechenden Aussagesatz (Kausalsatz f ü r § 330 Z G B siehe Dialogkomponente). Durch wiederholte Anforderung der Warum-Erklärung verschiebt sich der Erklärungsausschnitt innerhalb der Argumentationskette und führt zur Erklärung übergeordneter Ziele (Generierung des Textes f ü r zuvor bearbeitete Regeln). Die Erklärungskomponente liefert „ Warum " und „ Wie "zu Fragen und Folgerungen. 687 jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de Expertensystem JUREX Die Generierung der Wie-Erklärung erfolgt analog. Bei dieser Erklärungsart werden sowohl i m Prämissen- als auch i m Schlußfolgerungsteil die vom Nutzer gegebenen oder die hergeleiteten Werte der Symptome und Hypothesen angegeben. Für die Regel für § 330 Z G B könnte eine Wie-Erklärung folgendermaßen aussehen: Weil e i nBetrieb gehandelth a t und zwar w e i l und und e i n Schaden e i n Staatsorgan gehandelth a t vorliegt noch unbekannt i s t , ob d e r Schaden rechtswidrig v e r u r s a c h t worden i s t und noch unbekannt i s t , ob e r d e n S c h a d e n Verletzung ihm obliegende P f l i c h t e n unter herbeigeführt hat d e s h a l b i s t noch unbekannt, Schadensersatz ob e i n e V e r p f l i c h t u n g zum gemäß § 330 b e s t e h t Bei Symptomen und Hypothesen i m Prämissenteil, die wegen einer Weiß-nicht-Antwort hergeleitet werden m u ß t e n , wird die (eventuell mehrfach verschachtelte) Herleitung sofort m i t angegeben (sie wird durch und zwar weil eingeleitet). Diese komplexe Erklärung macht die Logik der Argumentation durchschaubarer, als das beim einfachen Nachvollziehen der abgearbeiteten Regel der Fall ist. JUREX ist so angelegt, daß es für eine Vielzahl von Problemen, die bei der Rechtsanwendung auftreten, verwendet werden kann (Methode der Fallösung, Subsumtion, Begriffsbestimmung, Auflösung vager Begriffe, Fällen von Bewertungsurteilen, Berechnungen, Zuständigkeitsfeststellungen, Verfahrensunterstützung und Treffen von Verfahrensentscheidung, Anstellung von Recherchen). Es soll einerseits dem juristischen Experten, der über keinerlei oder nur wenige Informatikkenntnisse zu verfügen braucht, die Erstellung der Wissensbasis möglich machen. U n d andererseits verlangt es vom Anwender, der sich seiner zur Lösung juristischer Probleme bedient, derlei Kenntnisse überhaupt nicht. Literatur M l Kemper, M.; K o i t z , R. : DIALEX - Unterstützung j u r i s t i s c h e r E n t s c h e i d u n g e n d u r c h EDV. S t a a t u n d H e c h t , H.8, 1 9 8 1 . [ 2 ] Bönninger, I . ; Bönninger, K.; S c h r e i e r , JUDI - S y s t e m zum E i n s a t z v o n R e c h n e r n D.: z u rEntscheidung von Eechtsfällen. W i s s e n s c h a f t l i c h e Z e i t s c h r i f t d e r Karl-Marx-Universität, Leipzig, [3] G e s e l l s c h a f t s w i s s e n s c h a f t l i c h e R e i h e , 1 9 8 5 , H.4. W a t e r m a n , D. A.: A Guide t o Expert Addison-Wesley W Systems. P u b l i s h i n g Company, 1 9 8 6 . Beiträge z u r M i c r o c o m p u t e r t e c h n i k . Herausgeber: R o t h , M. VEB V e r l a g T e c h n i k , B e r l i n , 1 9 8 6 . [ 5 ] P e t e r s o n , U.; P i t s c h k e , J . ; R o h n e r , I . : N u t z u n g v o n PROLOG z u r I m p l e m e n t i e r u n g v o n E x p e r t e n s y s t e m e n . Messen S t e u e r n R e g e l n , H.12, 1 9 8 ? . [ 6 ] A l s c h w e e , B.: A n a l y s e natürlicher S p r a c h e i n einem juristischen Expertensystem. in: Neue M e t h o d e n i m R e c h t , Band 1 , Computergestützte juristische Herausgeber: Expertensysteme. Erdmann, U.; F i e d l e r , H.; H a f t , F.; Traunmüller, R. A t t e m p t o V e r l a g Tübingen GmbH, 1 9 8 6 . [7] W a t e r m a n , D. A.; P a u l , J . ; P e t e r s o n , M.: E x p e r t Systems f o r L e g a l D e c i s i o n E x p e r t Systems, [ 8 ] D u n g a n , C. W.; Oct. 1986, V o l . 3, Expert No.4. C h a n d l e r , J . S.: AUDITOR: a m i c r o c o m p u t e r - b a s e d their Making. system t o support a u d i t o r s i n field. Systems, O c t . 8 5 , V o l . 2, No. 4. ' * » jur-pc 7-8/90 JurPC-Archiv: http://www.jurpc.de