Das Chemische Gleichgewicht und seine Anwendungen
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Das Chemische Gleichgewicht und seine Anwendungen
Das Chemische Gleichgewicht und seine Anwendungen 1. und 2. Seminar des zweiten Blocks im Integrierten Praktikum “Praktische Einführung in die Chemie“ Dr. Ingo Hartenbach Institut für Anorganische Chemie, Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 55, D–70569 Stuttgart, Germany [email protected] 2 1 Das Chemische Gleichgewicht 1.1 Herleitung und allgemeine Betrachtungen Unter einer Stoffumwandlung versteht man eine Reaktion bzw. chemische Reaktion. Diese wird beschrieben durch die Reaktionsgleichung: A+B ⇌ C +D Hierbei werden A und B als die Ausgangsstoffe (die sog. Edukte) und C und D als die Produkte bezeichnet. Eine gezielte chemische Reaktion (die sog. Synthese bzw. Darstellung) führt dann zu den Zielverbindungen. Gesetz: Bei einer chemischen Reaktion bleibt sowohl die Teilchenzahl als auch die Masse erhalten (Massen- bzw. Teilchenerhaltungsgesetz; gilt nicht für Kernreaktionen). Eine Teilchensorte kann hierbei mehrfach vorkommen. Die Reaktionsteilnehmer können im gleichen (homogene Reaktion) oder in verschiedenen Aggregatszuständen (heterogene Reaktion) vorkommen.Die Anzahl der Einzelmoleküle einer Sorte, die zur korrekten Beschreibung der Reaktion, für einen Formelumsatz, benötigt werden, bezeichnet man als stöchiometrische Koeffizienten. Es wird der Anschein erweckt, dass die Reaktionen vollständig (quantitativ) ablaufen, aber: • das ist meist nicht der Fall, und • auf molekularer Ebene nie der Fall • allerdings erwünscht bei gezielten Synthesen In Wirklichkeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht zwischen Produkten und Edukten ein. Die Lage des Gleichgewichts wird durch die Gleichgewichtskonstante angegeben. Bei Erreichen des Gleichgewichts wird der Anschein erweckt, dass dies den völligen Stillstand der Reaktion bedeuten würde. Das stimmt zwar für den Nettoumsatz (bei konstanten äußeren Bedingungen), jedoch nicht für die Betrachtung der molekularen Ebene. Hier findet ständig fortschreitender Umsatz in beide Richtungen, eine ständige Umwandlung statt. Herleitung der Gleichgewichtskonstanten: Beispiel: N2 + 3 H2 ⇌ 2 NH3 Die Reaktionsgeschwindigkeit v ist proportional zum Produkt der Konzentrationen der Reaktionspartner, k ist der entsprechende Proportionalitätsfaktor. Dieser beschreibt den Zusammenhang zwischen der Entstehung des Produkts bzw. der Vernichtung der Edukte und der messbaren Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeitsgesetze lauten folgendermaßen: 3 Hinreaktion: Rückreaktion: v1 = k1 ⋅ c(N2 ) ⋅ c(H2 )3 v2 = k2 ⋅ c(NH3 )2 im Gleichgewicht gilt v1 = v2 , daraus folgt: k1 k2 = c(NH3 )2 c(N2 )⋅c(H2 )3 =K Dies ist das Massenwirkungsgesetz: • 1867 von Guldberg und Waage formuliert • 1873 von Bodenstein experimentell bewiesen • 1883 von van t’Hoff theoretisch abgeleitet Definition: Die Gleichgewichtskonstante ist das Verhältnis aus den Proportionalitätsfaktoren für die Hin- und Rückreaktion. Dieses ist definiert als: K= Produkt der Konzentrationen der Produkte Produkt der Konzentrationen der Edukte Die stöchiometrischen Koeffizienten gehen hierbei als Exponenten ein. Wird die Reaktionsrichtung vertauscht (Produkte ⇄ Edukte) wandelt sich die Gleichgewichtskonstante in ihren Kehrwert um (s. nachfolgendes Beispiel). H2 O + CO2 ⇌ H2 CO3 KAss = H2 CO3 ⇌ H2 O + CO2 [H2 CO3 ] [H2 O][CO2 ] −1 KAss = KDiss KDiss = [H2 O][CO2 ] [H2 CO3 ] −1 KDiss = KAss Schreibweise: [X] = c(X) Bei Gasreaktionen, wie bei der Ammoniaksynthese, wird anstelle der Konzentration des Stoffes sein Partialdruck verwendet. (Partialdruck = Druckanteil eines bestimmten Stoffes am Gesamtdruck der Gasmischung). Der Partialdruck hängt mit der Konzentration über das ideale Gasgesetz: p⋅V =n⋅R⋅T p zusammen. Mit c = Vn gilt hierfür: c = RT , das heißt für eine konstante Temperatur ist c ∼ p. Unterscheiden sich die Summen der stöchiometrischen Koeffizienten rechts und links vom Reaktionspfeil, so hat K eine Dimension. 1.2 Thermodynamische Betrachtungen Die Gleichgewichtskonstante K steht in direktem Zusammenhang mit einer wichtigen thermodynamischen Größe: der freien Reaktionsenthalpie G: ∆G = −R ⋅ T ⋅ ln K 4 Es werden zwei Typen von Reaktionen unterschieden: 1. Exergonische Reaktionen → diese Reaktionen laufen spontan ab: ∆G < 0 ⇒ ln K > 0 ⇒ K > 1, was bedeutet ΠP rodukte > ΠEdukte ⇒ das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Produkte 2. Endergonische Reaktionen → diese Reaktionen laufen nicht spontan ab, sondern nur unter Zugabe von Energie: ∆G > 0 ⇒ ln K < 0 ⇒ K < 1, was bedeutet ΠP rodukte < ΠEdukte ⇒ das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Edukte ∆G und damit auch ∆K sind sowohl temperatur- als auch druckabhängig. Die Abhängigkeit von ∆G wird durch der Gibbs-Helmholtz-Gleichung ∆G = ∆H − T ⋅ ∆S beschrieben: ∆G = ∆H − T ∆S = −R ⋅ T ⋅ ln K −∆H ∆S ↪ ln K = R + R⋅T ∆S −∆H ∆S ↪ K = e( R ) ⋅ e( R⋅T ) ; e( R ) ist temperaturunabhängig −∆H ↪ K ∼ e( R⋅T ) Ist eine Reaktion exotherm, d.h. ∆H < 0, so wird bei steigender Temperatur der obige Exponent und daher K kleiner, somit wird die Reaktion weniger exergonisch, weniger spontan. Ist eine Reaktion endotherm, d.h. ∆H > 0, so wird bei steigender Temperatur der obige Exponent und daher K größer, somit wird die Reaktion weniger endergonisch, spontaner. Anmerkung: Vorsicht mit dem Begriff ”spontane Reaktion”, darunter versteht man in der Thermodynamik alle exergonischen Reaktionen, also diejenigen, die keine Energiezufuhr benötigen. 1.3 Kinetische Betrachtungen K ≫ 1 (≡ ∆G ≪ 0) bedeutetet nicht zwingend, dass die entsprechenden Reaktionen sofort ablaufen, wenn die beiden Reaktanden sich begegnen (wenn dem so wäre gäbe es keine Leben auf der Erde, da alle Kohlenwasserstoffe eine negative Reaktionsenthalpie mit dem Reaktionspartner Sauerstoff (Verbrennungsenthalpie) besitzen). 5 Beispiel: Disproportionierungsreaktion von H2 O2 : 2 H2 O2 ⇌ 2 H2 O + O2 kJ ∆G = −195 mol J ↪ −R ⋅ T ⋅ ln K = 1, 95 ⋅ 105 mol 1,95⋅105 J⋅K⋅mol ↪ ln K = 8,314 J⋅298 K⋅mol = 78, 7 ↪ K = 1, 5 ⋅ 1034 Diese stark exergonische Reaktion läuft unter staubfreien, leicht sauren Bedingungen nicht ab, sondern startet erst in Gegenwart von Metallsalzen. Erklärung: Damit eine Reaktion zustande kommt, müssen Bindungen geknüpft, andere Bindungen gebrochen werden. Dazu ist zunächst eine Energiezufuhr, die sog. Aktivierungsenergie nötig. Genügt die Umgebungswärme zur Aktivierung, läuft die Reaktion sogleich nach Zusammengabe der Reaktionspartner ab. Ist die Energiebarriere (d.h. der Punkt höchster Energie auf dem energetisch günstigsten Weg vom Edukt zum Produkt) verhältnismäßig hoch, dann läuft auch eine stark exergonische Reaktion nicht von selbst ab (s. Abbildung, nachfolgende Seite). Bei einer bestimmten gegebenen Temperatur T liefert die Umgebung eine Wärmeenergie kJ von E = 12 ⋅ R ⋅ T mol (mit E = 12 ⋅ k ⋅ T und k = NRA ). Ist ∆G‡ wesentlich größer wird die Reaktion nicht ablaufen, auch wenn ∆G sehr negativ ist. Allerdings gibt es Stoffe, die als Aktivatoren dienen und eine solche Reaktion ermöglichen: die Katalysatoren. Ein Katalysator beschleunigt eine Reaktion, durch Öffnung von Reaktionswegen mit geringerer Aktivierungsenergie (s. Abbildung, gestrichelte Linie). Die relative Lage der Edukte und Produkte auf der Energieskala und damit die Lage des Gleichgewichts wird dadurch allerdings NICHT verändert. Umgekehrt gibt es auch Stoffe, die eine bei Raumtemperatur begünstigte Reaktion unterdrücken, indem Sie beispielsweise notwendige Zwischenprodukte abfangen etc. Diese Stoffe werden dann Inhibitoren genannt. 6 1.4 Veränderungen der Lage des Gleichgewichts Es ist möglich durch Modifizierung der äußeren Bedingungen, namentlich Konzentration, Temperatur und bei Gasreaktionen auch Druck, die Lage des Gleichgewichts in eine gewünschte Richtung zu verändern. 1.4.1 Abhängigkeit des Gleichgewichts von der Konzentration Für eine Reaktion des Typs a A + b B ⇌ c C + d D lautet das Massenwirkungsgesetz: K= [C]c ⋅[D]d [A]a ⋅[B]b = const. bei konstantem Druck und Temperatur Frage: Wie kann bei K < 1 (endergonische Reaktion) die Ausbeute (und damit die Konzentration) an C und D nur durch Konzentrationsänderungen erhöht werden? Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Erhöhung der Konzentration von A und/oder B, dadurch werden dann auch die Konzentrationen von C und D größer: [C]c ⋅ [D]d = K ⋅ [A]a ⋅ [B]b ; sog. ”Drücken des Gleichgewichts” 2. Die im Reaktionsraum bzw. -medium verbleibende (gelöste) Menge, sprich die Konzentration an C und D verringern; sog. ”Ziehen des Gleichgewichts” Diese Methode funktioniert fast automatisch, wenn C oder D leicht flüchtig sind und während der Reaktion (z. B. als Gase) entweichen, oder schwer löslich sind und aus dem Reaktionsmedium ausfallen. Beispiele für das ”Ziehen des Gleichgewichts”: K2 CO3 + 2 HCl Na2 SO3 + 2 HOAc NH4 Cl + NaOH KCN + HCl SO2 Cl2 + H2 O Na2 CO3 + BaCl2 ⇌ ⇌ ⇌ ⇌ ⇌ ⇌ 2 KCl + H2 O + CO2 ↑ 2 NaOAc + SO2 ↑ + H2 O NaCl + H2 O + NH3 ↑ KCl + HCN ↑ SO3 + 2 HCl ↑ 2 NaCl + BaCO3 ↓ Prinzip des CO2– 3 -Nachweises HOAc = Essigsäure, OAc = Acetat Prinzip des NH+ 4 -Nachweises sehr giftig Einsatz als Trocknungsmittel Prinzip des CO2– 3 -Nachweises Exergonische Reaktionen (∆G < 0 und daher K ≫ 1) werden eher durch niedrige Konzentrationen der Edukte erleichtert. Für Nachweisreaktionen später interessant, da diese überwiegend exergonische Reaktionen sind. Das Ziehen des Gleichgewichts funktioniert hierbei ebenso, ist aber nicht unbedingt nötig. 7 1.4.2 Abhängigkeit des Gleichgewichts von der Temperatur Exotherme Reaktionen setzen Energie in Form von Wärme frei, die wie ein Reaktionspartner aufgefasst werden muss: a A + b B ⇌ c C + d D + ∆Q mit ∆Q ≡ Wärmemenge, hier diejenige, die bei der Reaktion entsteht Das bedeutet durch Abgabe der Wärmeenergie an die Umgebung kann das Gleichgewicht ”gezogen” werden. Gibt man allerdings hierbei Wärmeenergie (durch Temperaturerhöhung) zu oder hindert die entstehende Reaktionswärme am Abfließen drückt man das Gleichgewicht auf die Seite der Edukte. Das Umgekehrte gilt für endergonische Reaktionen, da diese Energie benötigen, damit sie überhaupt ablaufen können: a A + b B + ∆Q ⇌ c C + d D mit ∆Q ≡ Wärmemenge, hier diejenige, die bei der Reaktion benötigt wird Erhöhung der Temperatur (und damit der Energie) verschiebt das Gleichgewicht in Richtung der Produkte; Energieentzug bewirkt das genaue Gegenteil. Temperaturerhöhung: Begünstigung endothermer Reaktionen (hier: ∆G wird verringert, Spontaneität wird erhöht), Benachteiligung exothermer Reaktionen (hier: ∆G wird erhöht, Spontaneität wird verringert). Temperaturverringerung: Begünstigung exothermer Reaktionen (hier: ∆G wird verringert, Spontaneität wird erhöht), Benachteiligung endothermer Reaktionen (hier: ∆G wird erhöht, Spontaneität wird verringert). Konvention: Ist der Energiewert einer beschriebenen Reaktion mit negativem Vorzeichen versehen, so wird diese Energie bei der Reaktion abgegeben, bei positivem Vorzeichen wird die entsprechende Energiemenge benötigt. Beispiel: kJ N2 O4 ⇌ 2 NO2 ∆H = 57, 2 mol für T = 373K(= 100○ C) ist [NO2 ] > 89% für T = 300K(= 27○ C) ist [NO2 ] ≈ 20% 1.4.3 Abhängigkeit des Gleichgewichts vom Druck Diese Abhängigkeit ist für Reaktionen wichtig, die mit einer starken Volumenänderung einhergehen, also hauptsächlich für Reaktionen in der Gasphase. Hierbei begünstigt ein hoher Druck Reaktionen, die mit der Verminderung der Teilchenzahl und damit der Verminderung des Volumens einhergehen, Druckverminderung bewirkt das genaue Gegenteil. [Zur Erinnerung: Eine bestimmte Teilchenanzahl eines Gases nimmt bei einem vorgegebenen Druck und einer vorgegebenen Temperatur immer das gleiche Volumen ein, z.B. 1 mol eines Gases nimmt bei Standardbedingungen (1013 HPa, 298 K) ein Volumen von 22,4 l ein.] 8 Beispiele: N2 + 3 H2 ⇌ 2 NH3 Reduktion von 4 auf 2 Teilchen wird durch Druckerhöhung begünstigt N2 O4 ⇌ 2 NO2 Erhöhung von 1 auf 2 Teilchen wird durch Druckverminderung begünstigt 1.4.4 Zusammenfassung Die Beeinflussung der Gleichgewichtskonzentrationen durch Druck-, Temperatur-, oder Konzentrationsänderung werden unter dem ”Prinzip des kleinsten Zwanges” von Le Châtelier zusammengefasst. Die Verschiebung des Gleichgewichts geht immer nach dem Weg des kleinsten Zwanges (geringsten Widerstands) vonstatten. 9 2 Säure-Base-Gleichgewichte 2.1 Eigendissoziation des Wassers H2 O ist ein schwach amphoterer Elektrolyt (Ampholyt) und kann daher sowohl als Säure, als auch als Base reagieren. Die Dissoziation erfolgt in hydratisierte H+ und OH– -Ionen. H2 O ⇌ H+ + OH– − + ] Für reinstes Wasser gilt bei 298 K (25°C): K = [H[H][OH O] 2 Das Gleichgewicht liegt hierbei so weit auf der Seite des Edukts, dass die Konzentration von H2 O durch die Autoprotolyse nicht beeinflusst wird. c(H2 O) ≡ [H2 O] = Vn (Einheit: mol l ) 1l H2 O ≈ 1000g; 1 mol H2 O ≈ 18g [H2 O] = 55, 52 mol ≈ const. K ⋅ [H2 O] = KW = [H+ ] ⋅ [OH− ] ⇒ ⇒ 1l H2 O = 1000g H2 O = 55, 52 mol H2 O − + ] K = [H[H]⋅[OH ⇒ K ⋅ [H2 O] = [H+ ] ⋅ [OH− ] O] KW = 10−14 2 mol2 l2 H+ - und OH– -Ionen entstehen hierbei immer im gleichen Verhältnis (⇒ [H+ ] = [OH– ]) woraus sich folgende Konzentrationen von H+ und OH– in Wasser ergeben: √ KW = [H+ ] ⋅ [OH− ] = [H+ ]2 = [OH− ]2 ⇒ [H+ ] = [OH− ] = KW = 10−7 mol l KW wird als das Ionenprodukt des Wassers bezeichnet. Vereinfachungen: 1. Für die Angabe der Konstanten werden die 10er Logarithmen verwendet, das heißt für KW = 10−14 ergibt sich log(KW ) = −14 2. In wässriger Lösung sind die Konzentrationen meist kleiner als 1 mol l , ebenso sind die Dissoziationskonstanten überwiegend < 1, daher ist der log(K) < 0, und deswegen wird auch das (−)-Zeichen abgekürzt. Schreibweise: − log(KW ) = 14 = pKW bzw. generell − log(Kx ) = pKx So gilt für reines Wasser (unabhängig von der Menge extern zugegebener H+ - und OH– -Ionen): KW = [H+ ] ⋅ [OH− ] ⇒ − log(KW ) = − log([H+ ] ⋅ [OH− ]) ⇒ − log(KW ) = − log[H+ ] − log[OH− ] ⇒ pKW = pH + pOH. analog: KW = [H+ ] ⋅ [OH− ] = [H+ ]2 = [OH− ]2 ⇒ − log(KW ) = − log[H + ]2 = − log[OH− ]2 ⇒ pKW = 2 pH = 2 pOH ⇒ pH = pOH = 21 pKW (= 7) Die Autoprotolyse ist ein endothermer Prozess, d.h. die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten ist dahingehend, dass KW bei steigender Temperatur größer wird. 10 T [°C] 0°C 20°C 50°C 100°C pKW pH = pOH 14, 89 14, 07 13, 26 12, 26 7, 45 7, 04 6, 63 6, 13 KW 0, 13 ⋅ 10−14 0, 86 ⋅ 10−14 5, 47 ⋅ 10−14 5, 45 ⋅ 10−13 Weitere Substanzen, die Autoprotolyse zeigen: H2 SO4 : H3 PO4 : HF: NH3 : HOAc: – 2 H2 SO4 ⇌ H3 SO+ 4 + HSO4 KAP = [H3 SO+4 ] ⋅ [HSO−4 ] = 2, 7 ⋅ 10−4 – 2 H3 PO4 ⇌ H4 PO+ 4 + H2 PO4 3 HF ⇌ H2 F+ + HF–2 – 2 NH3 ⇌ NH+ 4 + NH2 2 HOAc ⇌ H2 OAc+ + OAc– pKH2 SO4 = 3, 6 pKH3 PO4 = 2, 0 pKHF = 11, 1 pKNH3 = 33, 0 pKHOAc = 14, 5 2.2 Säuren, Basen, pH-Wert-Berechnung, pKS -, pKB -Wert 2.2.1 Säure-Base Definitionen - nach Arrhenius: Säuren sind H+ -Donatoren (oder Donoren) Basen sind OH– -Donatoren (oder Donoren) beschränkt auf die wäßrige Lösung - nach Brønstedt: Säuren sind H+ -Donatoren (oder Donoren) Basen sind H+ -Akzeptoren gilt auch in der Gasphase: HCl + NH3 ⇌ NH4 Cl - nach Lewis: Säuren sind Elektronenpaarakzeptoren Basen sind Elektronenpaardonatoren (bzw. -donoren) 2.2.2 Die Brønstedt-Theorie In wässriger Lösung wird als Säure diejenige Substanz bezeichnet, die die Konzentration an H+ -Ionen erhöht (und da [H+ ] ⋅ [OH− ] = 10−14 , automatisch die Konzentration an OH– -Ionen absenkt). Für die Base gilt das Umgekehrte. Konstitutionelles Merkmal von Brønstedt-Säuren bzw. -Basen: • Die Säure enthält mindestens 1 Proton (abzuspaltendes H-Atom) • Die Base enthält mindestens ein freies Elektronenpaar. − + In der sauren Lösung ist daher [H + ] > 10−7 mol l ; d.h. pH < 7([H ] > [OH ]) und − + in der alkalischen Lösung ist dann [H + ] < 10−7 mol l ; d.h. pH > 7([H ] < [OH ]) 11 Definition: Nach Hydrolyse einer Säure entsteht die deprotonierte Form, die potentiell selbst wieder ein Proton aufnehmen kann, also eine Base ist; man bezeichnet diese als die zur Säure HA konjugierte Base A− . Umgekehrt nennt man die aus einer Base B hervorgehende Säure HB + , die zur Base B konjugierte Säure. Es gilt: Je stärker die Säure, desto schwächer die konjugierte Base Je schwächer die Säure, desto stärker die konjugierte Base Eine Säure HA reagiert in H2 O wie folgt: Eine Base B reagiert in H2 O wie folgt: HA + H2 O ⇌ A− + H3 O+ B + H2 O ⇌ HB + + OH– Annahme: es ist immer sehr viel mehr Wasser als Säure bzw. Base vorhanden, daher wird sich die Konzentration des Wasser so gut wie nicht ändern. Aus diesem Grund wird [H2 O] in die Gleichgewichtskonstante mit einbezogen und diese dann KS bzw. KB genannt. K ⋅ [H2 O] = KS = K ⋅ [H2 O] = KB = [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] [HB + ]⋅[OH−] [B] In wässriger Lösung gilt: pKS + pKB = pKW . Dies ist folgendermaßen zu erklären: HA + H2 O ⇌ H3 O+ + A− A− + H2 O ⇌ HA + OH– KS = KB = [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] ⋅ [HA]⋅[OH [A− ] = [H3 O+ ][OH− ] ↪ KS ⋅ KB = ↪ KS ⋅ KB = KW bzw. pKS + pKB = pKW [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] − ] [HA]⋅[OH− ] [A− ] Je nach Lage des Gleichgewichts werde Säuren bzw. Basen in Kategorien unterteilt, jedoch nicht scharf voneinander abgegrenzt. 2.2.3 Sehr starke Säuren und Basen Bei diesen Säuren bzw. Basen findet ein vollständiger Übertrag des Protons (Protolyse) statt. Daraus ergibt sich: [H+ ] = c0 (HA) bzw. [OH− ] = c0 (B), mit c0 (X) = Ausgangskonzentration von X. − −7 mol + c (B). Allgemein gilt: [H + ] = 10−7 mol 0 l + c0 (HA) bzw. [OH ] = 10 l Wenn bei sehr starken Säuren oder allerdings gilt, dass c0 (HA) bzw. c0 (B) ≫ 10−7 mol l , − + kann folgende Vereinfachung getroffen werden: [H ] = c0 (HA) bzw. [OH ] = c0 (B). Daraus ergibt sich: pH = − log[H + ] = − log c0 (HA) für Säuren bzw. pH = − log[H + ] = 14 + log[OH− ] = 14 + log c0 (B) für Basen. Beispiele für sehr starke Säuren bzw. Basen: HCl, HBr, HI, HNO3 , H2 SO4 , HClO4 , HBF4 , HMnO4 , H2 CrO4 ; NaOH, KOH 12 2.2.4 Mäßig starke bzw. schwache Säuren und Basen Bei diesen Säuren/Basen findet weitgehende bis teilweise, aber immer unvollständige Protolyse statt. Für die Säure gilt: HA + H2 O ⇌ H3 O+ + A− mit KS = [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] Nach der Einstellung des Gleichgewichts liegt folgendes vor: [H3 O+ ] = [A− ] = α ⋅ c0 (HA) und [HA] = c0 (HA) − α ⋅ c0 (HA), mit α = Protolysegrad ↪ KS = α2 ⋅c20 (HA) (1−α)⋅c0 (HA) ↪ (1 − α) ⋅ KS = α2 ⋅ c0 (HA) ↪ α2 ⋅ c0 (HA) + α ⋅ K S − KS = 0 √ ↪α= −KS ± KS2 +4⋅KS ⋅c0 (HA) 2⋅c0 (HA) , wobei α nur Werte 0 < α < 1 annehmen kann. Diese exakte Ableitung gilt nur für Säuren mit bzw. für Basen mit KB c0 (B) > 10−2 . Für KS c0 (HA) KS c0 (HA) > 10−2 , z.B. HClO, H2 SO3 , H3 PO4 < 10−2 vereinfacht sich die Rechnung, da die Protolyse nur in sehr geringem Umfang stattfindet und dabei gilt: [HA] ≈ c0 (HA). Die gleiche Vereinfachung gilt für Basen mit Säure: HA + H2 O ⇌ A− + H3 O+ ↪ KS = [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] ≈ KB c0 (B) < 10−2 . [H3 O+ ]2 c0 (HA) ↪ [H3 O+ ]2 = KS ⋅ c0 (HA) √ ↪ [H3 O+ ] = KS ⋅ c0 (HA) ↪ − log[H3 O+ ] = − 21 log(KS ⋅ c0 (HA)) ↪ pH = 21 (pKS − log(c0 (HA))) Der Protolysegrad α (mit [H3 O+ ] = α ⋅ c0 (HA)) vereinfacht sich dadurch zu: 0 ↪ KS = c0 (HA) = α2 ⋅ c0 (HA) √ S ↪ α = c0 K (HA) α2 ⋅c2 (HA) Base: B + H2 O ⇌ HB + + OH− ↪ KB = [HB + ]⋅[OH− ] [B] ≈ [OH− ]2 c0 (B) ↪ analog zur obigen Rechnung für die Säure ergibt sich: [OH− ] = ↪ − 21 log(KB ⋅ c0 (B)) = − log[OH− ] ↪ pOH = 21 (pKB − log(c0 (B))) ↪ mit pH = 14 − pOH ergibt sich pH = 14 − 12 (pKB − log(c0 (B))) √ KB ⋅ c0 (B) 13 Beispiele für die pH-Wert-Berechnung: 1. Bestimmung des pH-Werts von 0,01 M Essigsäure: KS mit KS = 1, 75 ⋅ 10−5 ergibt sich c0 (HOAc) = 1, 75 ⋅ 10−3 < 10−2 ↪K≈ [H3 O+ ]2 c0 (HOAc) √ O+ ] = K −4 mol ↪ [H3 S ⋅ c0 (HOAc) = 4, 138 ⋅ 10 l daraus ergibt sich ein pH-Wert von pH = 3, 38. oder: pH = 12 (pKS − log(c0 (HOAc))) = 12 (4, 75 + 2) = 3, 38 2. Bestimmung des pH-Werts einer 0,2 M Lösung von Methylamin (H3 CNH2 = B) 10−14 −4 mit KS = 2, 3 ⋅ 10−11 ergibt sich für KB = 2,3⋅10 −11 = 4, 35 ⋅ 10 B und damit c0K(B) = 2, 1 ⋅ 10−3 < 10−2 ↪ KB = − [H3 CNH+ 3 ]⋅[OH ] [H3 CNH2 ] ≈ [OH− ]2 c0 (B) √ ↪ [OH− ] = KB ⋅ c0 (B) = 9, 33 ⋅ 10−3 mol l daraus ergibt sich ein pOH-Wert von pOH = 2, 03 und damit ein pH-Wert von pH = 14 − 2, 03 = 11, 97. oder: pH = 14 − 21 (pKB − log(c0 (B))) = 14 − 21 (3, 36 + 0, 70) = 11, 97 3. Bestimmung des pH-Werts einer 0,2 M HClO2 -Lösung KS mit KS = 1, 12 ⋅ 10−2 ergibt sich c0 (HClO = 0, 056 > 10−2 2) Berechnung des pH-Werts unter Verwendung des prozentualen Dissoziationsgrades α ↪ HClO2 + H2 O ⇌ ClO−2 + H3 O+ , mit c0 (HClO2 ) = c0 = [HClO2 ] + [ClO−2 ] + [ClO− 2 ]⋅[H3 O ] ↪ KS = [HClO ] 2 mit [ClO−2 ] = α ⋅ c0 und [HClO2 ] = c0 − α ⋅ c0 = (1 − α) ⋅ c0 2 ⋅c (α⋅c0 )2 0 ergibt sich KS = (1−α)⋅c = α1−α 0 ↪ α2 ⋅ c0 = (1 √ − α) ⋅ KS und somit 0 = c0 ⋅ α2 + KS ⋅ α − KS KS2 + 4⋅KS ⋅c0 √ −1,12⋅10−2 ± 1,122 ⋅10−4 + 4⋅1,12⋅10−2 ⋅2⋅10−1 2⋅2⋅10−1 ↪ α1,2 = = 2⋅c0 ↪ α1 = 0, 21 (und α2 = −0, 27) ↪ [H3 O+ ] = α ⋅ c0 = 0, 042, der pH-Wert ergibt sich zu pH = − log[H3 O+ ] = 1, 38 Die Gleichung für schwache Dissoziation würde in diesem Fall folgenden pH-Wert liefern: pH = 12 ⋅ (pKS − log(c0 )) = 21 ⋅ (1, 95 + 0, 70) = 1, 325 −KS ± 2.2.5 Puffersysteme Definition: Ein Puffer ist eine Mischung aus Säure und ihrer konjugierten Base (bzw. einer Base und ihrer konjugierten Säure). Puffergemische haben große praktische Bedeutung, da sie den pH-Wert bei Säure-bzw. Basenzugabe nur wenig ändern. Der pH-Wert von Puffersystemen wird durch die Henderson-Hasselbalch-Gleichung beschrieben (entspricht dem Massenwirkungsgesetz (MWG) für die Protolyse der Säure HA in Gegenwart ihrer konjugierten Base A− ): 14 HA + H2 O ⇌ H3 O+ + A− mit KS = [A ] ↪ − log KS = − log[H3 O+ ] − log [HA] [A− ] ↪ pH = pKS + log [HA] [H3 O+ ]⋅[A− ] [HA] − im Zähler steht hierbei IMMER c(Base), im Nenner IMMER c(Säure) Analog gilt für Basen: HB + + H2 O ⇌ H3 O+ + B mit KS = [H3 O+ ]⋅[B] [HB + ] [B] ↪ − log KS = − log[H3 O+ ] − log [HB +] [B] ↪ pH = pKS + log [HB +] Regel: Für äquimolare Mengen an [A− ] und [HA] gilt: [A− ] = [HA], daraus ergibt sich mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung pH = pKS . Werden also äquimolare Mengen einer Säure und ihrer konjugierten Base (oder umgekehrt) gemischt, so entspricht der pH-Wert der Lösung dem pKS -Wert der Säure, unabhängig von der Konzentration. Änderung des pH-Werts bei Zugabe von starker Säure/Base zu einem Puffersystem: Zugabe von starker Säure: Zugabe von starker Base: A− + HX ⇌ HA + X − B + HA ⇌ HB + + A− ↪ [A− ] [HA] wird kleiner, ↪ [A− ] [HA] wird größer [A ] ↪ log [HA] wird kleiner, [A ] ↪ log [HA] wird größer ↪ pH-Wert sinkt ↪ pH-Wert steigt − − Die Funktionsweise eines Puffers aus HA und der konjugierten Base A− ist es also externe, stärkere Säuren HX bzw. Basen Y durch die Reaktionen A− + HX ⇌ HA + X − bzw. [A− ] Y + HA ⇌ HY + + A− abzufangen. Für jede 10-fache Veränderung des Verhältnisses [HA] ändert sich der pH-Wert nur um eine Einheit. Es gilt nach Henderson-Hasselbalch: [A− ] Bei Grenzen für [HA] von 10:1 bis 1:10 gilt: 1 pH = pKS + log 10 bzw. pH = pKS + log 10 ⇒ pH = pKS ± 1 [A− ] Bei Grenzen für [HA] von 100:1 bis 1:100 gilt: 1 pH = pKS + log 100 bzw. pH = pKS + log 100 ⇒ pH = pKS ± 2 Definition: Ein Maß für die Fähigkeit eines Puffers externe Säuren und Basen gleichermaßen abzufangen ist die Pufferkapazität. Sie entspricht der Anzahl der Mole eine starken Säure bzw. Base die man zu einem Puffer zugeben kann, ohne dass sich der pH-Wert um mehr als eine Einheit ändert. Die Pufferkapazität ist am höchsten, bei [A− ] [A− ] = [HA]. Dann gilt: pH = pKS + log [HA] und mit [A− ] = [HA] folgt pH = pKS . 15 Aus diesem Grund sollte man sich bei der Wahl eines Puffers für Substanzen entscheiden, deren pKS -Wert möglichst nahe am erforderlichen pH-Wert liegt. Einige der wichtigsten Puffer sind: H3 PO4 / H2 PO–4 H2 PO–4 / HPO2– 4 3– / PO HPO2– 4 4 HCOOH / COO– H3 CCOOH / H3 CCOO– NH3 / NH+ 4 pKS pKS pKS pKS pKS pKS = 2, 15 = 7, 20 = 12, 15 = 3, 74 = 4, 76 = 9, 24 Bedeutung von Puffern im chemischen Praktikum: Sehr häufig kann man sich die Schwerlöslichkeit von Verbindungen zum Abtrennen und späteren Identifizieren zunutze machen. Oft hängt die Konzentration der zur Fällung erforderlichen Gegenionen vom pH-Wert ab. Beispiele: - CrO2– 4 : 2– -S : + – CrO2– 4 + H3 O ⇌ HCrO4 + H2 O S2– + H3 O+ ⇌ HS– + H2 O HS– + H3 O+ ⇌ H2 S + H2 O H2 S in 2 M HClaq (pH = −0, 3!), Hg, PbS etc. fallen aus der Lösung aus. H2 S in NH3 / NH+ 4 (pH = 9, 2), CoS, ZnS etc. fallen aus der Lösung aus. Beispiel zur Berechnung der Pufferkapazität: Wie hoch ist die Pufferkapazität von 1l Pufferlösung mit einer Konzentration der Puffersäure und ihrer korrespondierenden Base von jeweils c = 0, 5 Säure? [A ] pH = pKS + log [HA] = pKS + log 0,5 0,5 − Zugabe von Säure: A− + HX ⇌ HA + X − ↪ [HA] = 0, 5 + [HX] und [A− ] = 0, 5 − [HX] 0,5−[HX] ↪ pH = pKS + log 0,5+[HX] , wobei gelten soll: ↪ 10 ⋅ (0, 5 − [HX]) = 0, 5 + [HX] 0,5−[HX] 0,5+[HX] = 1 10 ↪ 5 − 10 ⋅ [HX] = 0, 5 + [HX] ↪ 11 ⋅ [HX] = 4, 5 und damit: [HX] = 0, 409 mol l Daraus folgt: die Pufferkapazität ist 1l einer 0,409 M Säure. mol l bei Zugabe von 16 mol Bei Anfangskonzentrationen der Pufferlösung von [A− ] = 0, 3 mol l und [HA] = 0, 7 l ↪ 0,3−[HX] 0,7+[HX] = 1 10 ↪ 3 − 10 ⋅ [HX] = 0, 7 + [HX] ↪ 11 ⋅ [HX] = 2, 3 und damit [HX] = 0, 209 mol l Daraus folgt: die Pufferkapazität ist hier 1l einer nur 0,209 M Säure. 2.2.6 Indikatoren Definition: Indikatoren sind meist organische Farbstoffe, die selbst mittelstarke oder schwache Säuren bzw. Basen sind und bei denen sich entweder die protonierte und die deprotonierte Form farblich voneinander unterscheiden (zweifarbige Indikatoren) oder nur eine der beiden Formen farbig ist (einfarbiger Indikator). Der pH-Wert bei dem der Farbumschlag erfolgt hängt dabei vom pKS -Wert der Indikatorsäure bzw. vom pKB -Wert der Indikatorbase ab. Bei zweifarbigen Indikatoren erfolgt [In− ] 1 der Umschlag innerhalb eines Konzentrationsintervalls 10 ≤ [HIn] ≤ 10 1 , bei einfarbigen Indikatoren ist der Farbumschlag durch den Wegfall oder das Auftreten der Farbe meist schärfer. 17 3 Fällungs- und Löslichkeitsgleichgewichte Dieser Anwendungsbereich des Massenwirkungsgesetzes ist besonders wichtig beim qualitativen und quantitativen Nachweis von Ionen, da die Fällung ganzer Gruppen von verschiedenen Ionen vom Löslichkeitsprodukt der gefällten Verbindungen abhängt. Die Schwerlöslichkeit gewisser Verbindungen ist ein Garant dafür, dass diese Verbindungen als Gesteine/Mineralien in der Natur vorkommen. 3.1 Herleitung des Löslichkeitsproduktes aus dem Massenwirkungsgesetz: Allgemein gilt, dass Ionen der Sorte Am+ und B n− nur bis zu einer bestimmten Konzentration zusammen in Lösung gehalten werden können. Steigt die Konzentration einer dieser Komponenten über diesen Punkt hinaus an, dann bildet sich ein Niederschlag An Bm (sog. Fällung). Es wird ein fester Bodenkörper gebildet und damit ist die Lösung mit Am+ - und B n− -Ionen gesättigt. Der Punkt an dem die Fällung eintritt, wird durch das Löslichkeitsprodukt bestimmt. Als Löslichkeit (L) eines Salzes An Bm bezeichnet man die im Lösungsmittel gelöste Menge (nicht scharf als Teilchenzahl oder Masse definiert) des betrachteten Stoffs. An Bm ⇌ n ⋅ Am+ + m ⋅ B n− K= [Am+ ]n ⋅[B n− ]m [An Bm ] Sobald ein fester Bodenkörper vorhanden ist, bleibt damit die Konzentration an An Bm konstant und kann in die Gleichgewichtskonstante K mit einbezogen werden, bzw. [An Bm ] wird zu 1 gesetzt. KL(An Bm ) = cn (Am+ ) ⋅ cm (B n− ) = [Am+ ]n ⋅ [B n− ]m m+n Dimension des Löslichkeitsproduktes: ( mol l ) 3.2 Berechnung der Löslichkeit in Abhängigkeit des Löslichkeitsprodukts 1:1-Elektrolyt Allgemein KL = [A+ ] ⋅ [B − ] L = [A+ ] = [B − ] (in ↪ K L = L2 √ ↪ L = KL mol l ) Beispiel: AgCl ⇌ Ag+ + Cl– KL = [Ag+ ] ⋅ [Cl− ] L = [Ag+ ] = [Cl− ] KL(AgCl) = 1, 7 ⋅ 10−10 √ L = 1, 7 ⋅ 10−10 = 1, 3 ⋅ 10−5 18 2:1-Elektrolyt Allgemein KL = [A2+ ] ⋅ [B − ]2 L = [A2+ ], da [B − ] = 2 ⋅ [A2+ ] (in ↪ [B − ] = 2 L ↪ KL = L ⋅ (2 L)2 = 4 L3 √ ↪ L = 3 K4L mol l ) Beispiel: CaF2 ⇌ Ca2+ + 2 F– KL = [Ca2+ ] ⋅ [F− ]2 L = [Ca2+ ] = 12 [F− ] ↪ [F− ] = 2 L KL(CaF2 ) = 3, 9 ⋅ 10−11 √ −11 L = 3 3,9⋅10 = 2, 14 ⋅ 10−4 4 3:1-Elektrolyt Allgemein KL = [A3+ ] ⋅ [B − ]3 L = [A3+ ], da [B − ] = 3 ⋅ [A3+ ] (in ↪ [B − ] = 3 L ↪ KL = L ⋅ (3 L)3 = 27 L4 √ ↪ L = 4 K27L mol l ) Beispiel: Fe(OH)3 ⇌ Fe3+ + 3 OH– KL = [Fe3+ ] ⋅ [OH− ]3 L = [Fe3+ ] = 13 [OH− ] ↪ [OH− ] = 3 L KL(Fe(OH)3 ) = 5, 0 ⋅ 10−38 √ −38 L = 4 5,0⋅10 = 2, 07 ⋅ 10−10 27 3:2-Elektrolyt Allgemein KL = [A2+ ]3 ⋅ [B 3− ]2 L = 2 ⋅ [B 3− ] = 3 ⋅ [A2+ ] (in mol l ) ↪ KL = (3 L)3 ⋅ (2 L)2 = 108 L5 √ KL ↪ L = 5 108 Beispiel: Ca3 (PO4 )2 ⇌ 3 Ca2+ + 2 PO3– 4 2+ 3 3− 2 KL = [Ca ] ⋅ [PO4 ] 2+ L = 2 ⋅ [PO3− 4 ] = 3 ⋅ [Ca ] KL(Ca3 (PO4 )2 ) = 1, 3 ⋅ 10−32 √ −32 L = 5 1,3⋅10 = 1, 04 ⋅ 10−6 108 3.3 Thermodynamik des Löslichkeitsprodukts Der Wert von KL hängt thermodynamisch gesehen von der relativen Größe der Gitterenergie (diese beschreibt energetisch den ”Zusammenhalt” der Ionen im Festkörper) und der Summe der Solvatationsenergien (in wässriger Lösung: Hydratationsenergie) ab. Wie jede Gleichgewichtskonstante ist auch KL entsprechend der Gibbs-Helmholtz-Gleichung ∆G = ∆H − T ⋅ ∆S von der Temperatur abhängig. Es gilt: • Ist die Solvatationsenergie größer als die Gitterenergie des zu lösenden Stoffes wird Energie beim Lösungsvorgang frei (Reaktionsgefäß erwärmt sich). • Ist die Solvatationsenergie kleiner als die Gitterenergie des zu lösenden Stoffes wird Energie beim Lösungsvorgang benötogt (Reaktionsgefäß kühlt sich ab), somit würde eine Energiezufuhr in Form von Wärme das Reaktionsgleichgewicht auf die Seite des gelösten Produkts ”drücken” und die Löslichkeit der Substanz würde sich erhöhen (in der Praxis von erheblicher Bedeutung) 19 Die Stärke der Temperaturabhängigkeit ist von der relativen Größe von ∆H und ∆S abhängig, dabei gilt, je größer ∆S; desto größer die Temperaturabhängigkeit. Grobe Einteilung von Salzen nach Löslichkeit: leicht löslich: mäßig löslich: schwer löslich: 0, 1 mol l ≤ L L L > 1 mol l ≤ 1 mol l < 0, 1 mol l 3.4 Weitere Faktoren, die die Löslichkeit beeinflussen Gleichioniger Zusatz: Zur einer Lösung des Salzes An Bm werden Ionen der Sorte A (oder B) zugegeben. Ergebnis: Nach Le Châtelier wird das Gleichgewicht in die Richtung verschoben, die zum Verbrauch des Zusatzes A (oder B) führt, daraus folgt: Es fällt weiteres Am Bn aus. Fremdioniger Zusatz: Einschub Aktivität: Wird die Löslichkeit einer Verbindung nicht in reinem Wasser betrachtet, sondern in einer wäßrigen Lösung, die größere Mengen anderer (fremder) Ionen als die der betrachteten Verbindungen enthält, wird ihre Löslichkeit erhöht. Dies liegt daran, das die Ionen der betrachteten Verbindungen nicht mehr ideal hydratisiert und und unabhängig voneinander vorliegen, sondern sich zu Aggregaten zusammenlagern, was eine scheinbar geringere Konzentration zur Folge hat. Diese scheinbaren Konzentrationen werden als Aktivitäten bezeichnet und sind als effektive oder wirksame Konzentrationen zu verstehen. Nach der Debye-Hückel-Theorie über die elektrostatischen Wechselwirkungen von Ionen und Elektrolyten gilt ax = fx ⋅c(x) (a = Aktivität, fx = Aktivitätskoeffizient von x mit 0 ≤ fx ≤ 1). Für ideal verdünnte Lösungen wird der Aktivitätskoeffizient zu 1 und die Aktivität entspricht genau der Konzentration (a(x) = c(x)). Abweichungen von diesem Idealverhalten wird durch einen kleiner werdenden Aktivitätskoeffizienten berücksichtigt. Das Massenwirkungsgesetz gilt streng genommen nur für Aktivitäten: Πn ⋅fEd2 K i fi (Edukte) ⇒ = K = Kc ffEd1 Kc Πm fj (P rodukte) P r1 ⋅fP r2 da fi,j < 1 gilt für n > m ⇒ K Kc < 1 und für n < m ⇒ j K Kc >1 Für das Löslichkeitsprodukt ergibt sich also KL = an (Am+ ) ⋅ am (B n− ). Mit wachsender Ionenkonzentration sinkt fx also zunehmend unter den Wert von 1, also nimmt die Löslichkeit L zu. 20 Beeinflussung durch weitere Gleichgewichte: Komplexbildung: Bisweilen löst sich ein Niederschlag, insbesondere von Übergangsmetallsalzen, bei Zugabe größerer Mengen des Anions (besonders mit Cl– , CN– , SCN– , PO3– 4 als Anionen) unter Komplexbildung wieder auf. Beispiel: Ag+ + Cl– AgCl + Cl– Pb2+ + 2 I– PbI2 + 2 I– ⇌ ⇌ ⇌ ⇌ AgCl ↓ – [AgCl2 ] aq PbI2 ↓ 2– [PbI4 ] aq (analog mit CN– ) (analog mit Hg2+ ) Abhängigkeit vom pH-Wert: Die Abhängigkeit der Löslichkeit eines Salzes vom pHWert der Lösung ist immer dann von Bedeutung, wenn das Salz Ionen enthält, die Anionen oder Kationen schwacher Säuren bzw. Basen sind (z.B.: S2– (hier: Freisetzung von H2 S, OH– , O2– , CN– (hier: Freisetzung von HCN), CrO2– 4 (wichtig 2+ 2+ 2– – für Trennung von Sr / Ba ), CO3 (hier: Freisetzung von CO2 ), F , etc.). Diese können durch starke Säuren oder Basen protoniert bzw. deprotoniert und damit dem Löslichkeitsgleichgewicht entzogen werden. Beispiel: + – CO2– 3 + H ⇌ HCO3 HCO–3 + H+ ⇌ <H2 CO3 > ⇌ CO2 + H2 O 21 4 Komplexgleichgewichte 4.1 Das Säure-Base Konzept nach Lewis Definition: Eine Lewis-Base ist ein Teilchen, welches ein Elektronenpaar zur Bindungsbildung zur Verfügung stellen kann. Die strukturelle Voraussetzung hierfür ist ein freies, nicht bindendes Elektronenpaar (Beispiele: NH3 , NR3 , H2 O, H2 S, R2 O, Hal– , etc.). Kurz: Eine Lewis-Base ist ein e− -Paar-Donor. Eine Lewis-Säure ist ein Teilchen, welches mit einem zur Verfügung gestellten Elektronenpaar eine Bindung eingehen kann. Die strukturelle Voraussetzung hierfür ist eine elektronisch ungesättigtes Atom oder ein Molekül mit elektronisch ungesättigtem Zentralatom (Beispiele: H+ , BF3 , AlCl3 , BH3 , Ag+ , Fe2+/3+ , Hg2+ , Zn2+ , etc.). Elektronisch ungesättigt bedeutet dabei: • Kein Elektronenoktett für die Hauptgruppenelemente (≡ Summe aller bindenden und nicht-bindenden Elektronenpaare < 4); weniger als 8 Valenzelektronen. • Weniger als 18 Valenzelektronen für die Übergangsmetalle. Kurz: Eine Lewis-Säure ist ein e− -Paar-Akzeptor. Lewis-Säuren und -Basen reagieren zu sog. ”Addukten”, bei denen die Lewis-Basen ”freie” Elektronenpaare an die Lewis-Säuren zur Verfügung stellen, bis Sättigung erreicht wird. Lewis-Säure/Base-Verbindungen werden als Koordinationsverbindungen bezeichnet, den Bindungstyp bezeichnet man als koordinative Bindung. 4.2 Komplexverbindungen Definition: Komplexe sind Koordinationsverbindungen in denen ein zentrales Kation (meistens ein Haupt- oder Nebengruppenelement) als Lewis-Säure auftritt. Die an dieses Zentralion koordinierenden Lewis-Basen bezeichnet man als Liganden (von ligne ≡ binden). Die Anzahl der koordinierenden Teilchen (Koordinationszahl, KZ oder CN) entspricht der Anzahl, der vom Zentralatom ausgehenden σ-Bindungen (üblich sind Koordinationszahlen von 2 bis 12, am häufigsten 2, 4, 5, 6). Bei Liganden, die nur über ein Atom an das Zentralkation koordinieren entspricht die Koordinationszahl der Zahl der Liganden. + 2– 3– Beispiele: [Ag(NH3 )2 ] mit CN = 2; [Cu(CN)3 ] mit CN = 3; [FeF6 ] mit CN = 6 Komplexe werden innerhalb einer eckigen Klammer geschrieben, die Ladung wird rechts oben hinter der Formel notiert. 22 Einschub Oxidationszahl: Als Oxidationszahl wird allgemein diejenige Ladung bezeichnet, die die Elemente einer Verbindung nach heterolytischer Spaltung (Unter Berücksichtigung der Oktett-Regel und der Elektronegativität der einzelnen Partner) in die Elemente aufweisen würde. Die Oxidationszahl kann sowohl in römischen, als auch in arabischen Zahlen mit dem jeweiligen Vorzeichen über das entsprechende Element geschrieben werden. Als Oxidationszahl des Zentralatoms eines Komplexes ist diejenige Ladung definiert, die das Zentralatom haben würde, wenn alle Liganden unter Mitnahme der mit dem Zentralatom gemeinsamen Elektronenpaare entfernt würden. Die Oxidationszahl wird in römischen Zahlen angegeben und dem Namen des Komplexes nachgestellt. Die Oxidationszahl errechnet sich am einfachsten aus der Differenz zwischen der äußeren Ladung des Komplexes und der Summe aller einzelnen Ladungen der Liganden (positives Vorzeichen wird normalerweise nicht geschrieben). Beispiele: 3+ [Co(NH3 )6 ] – [CoCl4 ] – [MnO4 ] + [Fe(H2 O)4 Cl2 ] 4– [Co(CN)5 F] Oxidationszahl Oxidationszahl Oxidationszahl Oxidationszahl Oxidationszahl = = = = = 3 − 0 = III −1 − (4 ⋅ (−1)) = III −1 − (4 ⋅ (−2)) = VII 1 − (4 ⋅ 0 + 2 ⋅ (−1)) = III −4 − (5 ⋅ (−1) − 1) = II 4.3 Nomenklatur von Komplexen 1. 2. Die Namen aller anionischen Liganden enden auf ”o”. Enden die Namen der den Liganden zugrundeliegenden Anionen bzw. Molekülen auf ”-id”, ”-it” oder ”-at”, werden sie in Komplexen mit ”-ido”, ”-ito’ oder ”-ato” bezeichnet. Leider gibt es hier einige traditionell bedingte Ausnahmen: Wichtige neutrale Liganden: H2 O – aqua, NH3 – ammin, NO – nitrosyl, CO – carbonyl Wichtige anionische Liganden: F– – fluorido (fluoro), Cl– – chlorido (chloro), Br– – bromido (bromo), I– – iodido (iodo), O2– – oxido (oxo), OH– – hydroxido (hydroxo), NO–2 – nitrito-N (nitro) bei Koordination über N bzw. nitrito-O (nitrito) bei Koordination über O, S2– – sulfido (thio), CN– – cyanido-C (cyano) bei Koordination über C bzw. cyanido-N (isocyano) bei Koordination über N, SCN– – thiocyanato bei Koordination über S bzw. isothiocyanato bei Koordination über N, C2 O2– 4 – oxalato, H3 CCOO– – acetato. Kommt ein Ligand mehrfach in einem Komplex vor, wird seine Häufigkeit mit folgenden (griechischen) Vorsilben vor dem entsprechenden Liganden bezeichnet: 2 (di), 3 (tri), 4 (tetra), 5 (penta), 6 (hexa), 7 (hepta), 8 (octa), 9 (ennea) 23 3. 4. In einem Komplex werden die Liganden alphabetisch geordnet, ohne die Häufigkeitsvorsilbe zu berücksichtigen. Bei neutralen oder kationischen Komplexen endet der Name mit der Nennung des Metalls, bei anionischen Komplexen endet der Name auf die Silbe ”-at”. Diese folgt auf den Namen, den das entsprechende Metall in seiner Oxosäure besitzt (meist Latein): Al (-aluminat), As (-arsenat), Pb (-plumbat), Cd (-cadmat), Fe (-ferrat), Au (-aurat), Cu (-cuprat), Hg(-mercurat), Ag (-argentat), V (-vanadat), Sn (stannat). Beispiele: + [Ag(NH3 )2 ] – [Ag(CN)2 ] 2+ [Cu(NH3 )4 ] 3– [FeF6 ] 3+ [Co(H2 O)6 ] 2– [Fe(H2 O)2 Br2 (CN)2 ] 2+ [Fe(H2 O)5 NO] 2– [HgI4 ] [Cr(H2 O)3 Cl3 ] 3– [Cu(CN)4 ] [Co(SCN)3 ] 3– [VS4 ] – [Ni(SCN)4 ] 2– [SnS3 ] Diamminsilber(I) Dicyanidoargentat(I) Tetramminkupfer(II) Hexafluoridoferrat(III) Hexaquacobalt(III) Diaquadibromidodicyanidoferrat(II) Pentaquanitrosyleisen(II) Tetraiodidomercurat(II) Triaquatrichloridochrom(III) Tetracyanidocuprat(I) Trithiocyanatocobalt(III) Tetrasulfidovanadat(V) Tetrathiocyanatonickelat(III) Trisulfidostannat(IV) Ausnahmen gibt es noch bei Komplexen der Anionen OH– und O2– , die oft einfach mit dem Namen des Metalls auf die Endung ”-at” und der Oxidationsstufe in Klammern benannt werden. – Beispiele: [Al(OH)4 ] – [Pb(OH)3 ] – [MnO4 ] [Sn(OH)6 ] 2– [CrO4 ] 2– 2– Aluminat(III); [Zn(OH)4 ] Zinkat(II); 2– Plumbat(II); [MnO4 ] Manganat(VI); Manganat(VII), auch ”Permanganat” genannt; die Vorsilbe ”per” bezeichnet ein hier ein Element in seiner höchstmöglichen positiven Oxidationsstufe; 2– Stannat(IV); [Sn(OH)4 ] Stannat(II); 3– Chromat(VI); [SbO4 ] Antimonat(V). 24 5 Redox-Gleichgewichte 5.1 Oxidation und Reduktion Im Unterschied zu Säure-Base-Reaktionen (nach Brønstedt), handelt es sich bei RedoxReaktionen um Rektionen, die den vollständigen Übergang eines oder mehrerer Elektronen von einem Reaktionspartner (üblicherweise dem weniger elektronegativen) zum anderen (üblicherweise der elekronegativere Reaktionspartner) als Grundlage hat. Die RedoxReaktion besteht aus zwei Teilen, der Oxidation und der Reduktion, die immer zusammen ablaufen, d. h. es ist nicht möglich, dass bei einer chemischen Redox-Reaktion nur eine Oxidation oder nur eine Reduktion stattfindet. Die Definitionen für Reduktion und Oxidation sind: Oxidation: Die Oxidation beschreibt die Abgabe eines oder mehrerer Elektronen, die Anzahl der Elektronen des betrachteten Atoms wird geringer, die Oxidationszahl erhöht sich. Reduktion: Die Reduktion beschreibt die Aufnahme eines oder mehrerer Elektronen, die Anzahl der Elektronen des betrachteten Atoms wird größer, die Oxidationszahl verringert sich. Bestimmung der Oxidationszahl bei einem Molekül: Die im betrachteten Molekül vorhandenen Bindungen zwischen zwei Atomen werden (in Gedanken) heterolytisch gespalten (d. h. der elektronegativere Partner bekommt alle Elektronen, der weniger elektronegative bekommt nichts). Die nach der Spaltung erhaltenen Elektronen werden für jedes Atom abgezählt und mit der Elektronenzahl des Elements im elementaren Zustand (dieser besitzt die Oxidationszahl oder -stufe ±0) verglichen. Zum bestimmen der Oxidationszahl wird nun die Differenz gebildet: Anzahl e−Element − Anzahl e−nach Spaltung = Oxidationszahl. Bsp.: Im Ammoniak (NH3 ) ist der Stickstoff der elektronegativere Partner, der Wasserstoff ist der weniger elektronegative Partner. Die Bindungen werden (in Gedanken) so gespalten, dass der Stickstoff alle Bindungselektronen bekommt (Anzahl 8) und der Wasserstoff keines (Anzahl 0). Die Anzahl der Elektronen im Element sind bei Stickstoff 5 und bei Wasserstoff 1, so dass nach obiger Formel für die Oxidationzahlen die folgenden Werte resultieren: N: 5 − 8 = −3 H: 1 − 0 = +1 Die Summe der Oxidationsstufen in einem Molekül ist immer gleich der Ladung des Moleküls, die nach außen spürbar ist (im Falle des Ammoniaks also 0). 25 5.2 Redox-Reaktionsgleichungen 5.2.1 Einfache Redox-Gleichungen Für die Lösung einfacher Redoxgleichungen (Gleichungen in denen keine weiteren Reaktion zu betrachten sind) ist es sehr einfach möglich Teilgleichungen für Oxidation und Reduktion aufzustellen. Bsp.: Reaktion von elementarem Natrium mit elementarem Chlor zu Natriumchlorid Oxidation: Reduktion: Bilanz: Na Ð→ Na+ + e− Cl2 + 2 e− Ð→ 2 Cl– 2 Na + Cl2 Ð→ 2 NaCl 5.2.2 Anspruchsvollere Redox-Gleichungen Es werden in wäßriger Lösung vier Fälle unterschieden: Saures Milieu - Oxid-Anionen werden benötigt: Werden bei einer Redox-Reaktion im sauren Milieu für das Produkt gebundene Oxid-Anionen benötigt, so können diese gemäß der folgenden, ”virtuellen” Gleichung erhalten werden: H2 O Ð→ O2– + 2 H+ Bsp.: Oxidation von Cr3+ durch S2 O2– 8 in saurer Lösung: Oxidation: Reduktion: Bilanz: − 2 Cr3+ + 7 O2– Ð→ Cr2 O2– 7 + 6 e − S2 O2– Ð→ 2 SO2– 8 + 2 e 4 3+ 2– 2– + 2 Cr + 3 S2 O8 + 7 H2 O Ð→ Cr2 O2– 7 + 6 SO4 + 14 H Saures Milieu - Oxid-Anionen werden frei: Werden bei einer Redox-Reaktion im sauren Milieu bei der Entstehung des Produkts Oxid-Anionen frei, so werden diese durch die in saurer Lösung vorhandenen, überschüssigen H+ -Kationen abgefangen, Wasser entsteht. – Bsp.: Reduktion von Cr2 O2– 7 durch I in saurer Lösung: Oxidation: Reduktion: Bilanz: 2 I– − Cr2 O2– 7 + 6 e – + Cr2 O2– 7 + 6 I + 14 H Ð→ I2 + 2 e− Ð→ 2 Cr3+ + 7 O2– Ð→ 2 Cr3+ + 3 I2 + 7 H2 O Alkalisches Milieu - Oxid-Anionen werden benötigt: Werden bei einer Redox-Reaktion im alkalischen Milieu für das Produkt gebundene Oxid-Anionen benötigt, so können diese gemäß der folgenden, ”virtuellen” Gleichung erhalten werden: 2 OH– Ð→ O2– + H2 O 26 Bsp.: Oxidation von Cr3+ durch H2 O2 in alkalischer Lösung: Oxidation: Reduktion: Bilanz: − Cr3+ + 4 O2– Ð→ CrO2– 4 + 3 e H2 O2 + 2 e− Ð→ 2 OH2– 2 Cr3+ + 3 H2 O2 + 10 OH– Ð→ 2 CrO2– 4 + 8 H2 O Alkalisches Milieu - Oxid-Anionen werden frei: Werden bei einer Redox-Reaktion im sauren Milieu bei der Entstehung des Produkts Oxid-Anionen frei, so werden diese durch Wassermoleküle gemäß nachfolgender Reaktionsgleichung abgefangen: O2– + H2 O Ð→ 2 OH– Bsp.: Reduktion von MnO–4 durch SO2– 3 in alkalischer Lösung: Oxidation: Reduktion: Bilanz: 2– − SO2– Ð→ SO2– 3 + O 4 + 2 e MnO–4 + 3 e− Ð→ MnO2 + 2 O2– 2– – 2 MnO–4 + 3 SO2– 3 + H2 O Ð→ 2 MnO2 + 3 SO4 + 2 OH 5.2.3 Disproportionierung und Symproportionierung Disproportionierung: Ein Element liegt vor der Redoxreaktion in einer ”mittleren” Oxidationsstufe vor und danach in einer höheren und einer niedrigeren Oxidationsstufe. MnO2 Bsp.: 2 H2 O2 Ð→ 2 H2 O + O2 Synproportionierung bzw. Komproportionierung: Ein Element liegt vor der Reaktion in einer hohen und einer niedrigen Oxidationsstufe vor und nach der Reaktion in einer ”mittleren” Oxidationsstufe. Bsp.: 2 MnO–4 + 3 Mn2+ + 4 OH– Ð→ 5 MnO2 + 2 H2 O