- Sei herzlich Willkommen
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Damals ... von Sonna Fanfiction zu „Yu-Gi-Oh!“ Hauptinfo Rating PG-14 Pairing Joey x Seto / Seto x Joey ^^ Länge ca. 3.700 Wörter Disclaimer *zu Geldbeutel schiel* YGO gehört wohl immer noch nicht mit und ich mach auch kein Geld damit ... *schnief* Claimer Nur die Idee und ‚Damals (I)‘ und ‚Damals (II)‘ gehören mir. *wenigstens etwas* ^_^ Warnungen sap (?) Genre Songfic / reale Welt Kommentar Die Idee dazu ist mir im Westernhagen-Konzert gekommen, als ich den Refrain von einem der langsamen Lieder gehört habe. ^^ Und da ich dann ja auf dem Flug nach Mallorca etwas Zeit hatte, ist das hier daraus entstanden. ;P Inhalt Joey und Seto haben sich wegen einem ‚Missverständnis‘ getrennt. Ein Jahr später kommt Joey zurück und versucht, Seto zurückzubekommen. Seite 2 Joey öffnete die Tür der Kaibavilla und trat in die hier herrschende angenehme Kühle, die nach der draußen tobenden Julihitze fast ein Schock war. Leise und vorsichtig schloss er die Tür wieder hinter sich, vermied so, dass das Türknallen im gesamten Gebäude zu hören war – dieses Haus hallte schrecklich. Ebenso leise ging er die große Treppe vom Flur in den ersten Stock hoch, durchquerte dort den Flur, der mit hellblauem weichem Teppich ausgelegt worden war, und steuerte auf die Schlafzimmertür Seto Kaibas zu. >Bestimmt hat Seto wieder einen schrecklichen Kater. Was muss er auch auf diese bescheuerte Party gehen. Selber Schuld< dachte Joey leicht schadenfroh. Wie hieß es doch so schön? ‚Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.’ Noch bevor er nach der Klinke der Tür greifen konnte, hörte er vom anderen Ende des Flures her würgende Geräusche. Erstaunt hielt der Blonde mitten in der Bewegung inne und horchte. Was war das? Angestrengt horchte er wieder. Das Geräusch ertönte ein weiteres Mal. Ganz eindeutig. >Da kotzt jemand<, war der mehr als geistreiche Gedanke Joeys. Er machte auf dem Absatz kehrt und durchquerte einmal den gesamten Flur, um zum Badezimmer zu gelangen, das sich am anderen Ende befand. Seine Hand fuhr zur Klinke und er drücke diese herunter, öffnete so die Tür. Was er sah, ließ ein schadenfrohes Grinsen in seinem Gesicht erscheinen. Der stolze Seto Kaiba kniete auf den weißen Fliesen, über die Toilette gebeugt. Mit den Händen stütze er sich am Rand ab und spuckte, was das Zeug hielt – oder was sein Magen hergab. Er musste wohl schon einige Zeit hier hocken, denn soweit Joey sehen konnte, spuckte Seto nur noch Galle. Trotz seiner Geräusche musste Seto das Öffnen der Tür gehört haben, denn er drehte sich langsam und etwas mühsam um. Seine blauen Augen, die normalerweise anfingen zu strahlen, wenn er Joey sah, blickten jetzt nur gequält in die Welt. Er musste einen Mordskater haben. „Joey ...“ So schadenfroh Joey auch war, Setos Anblick war zum herzerweichen. So gequält und leidend, wie er aussah, wirke er direkt hilflos. Und das sollte wirklich Seto Kaiba sein? Was Alkohol doch so alles mit den Menschen machen konnte ... Joey trat zu Seto und kniete sich neben ihn. „Na, einen schönen Kater, Seto“ konnte er sich aber dennoch nicht verkneifen. Doch bevor Seto seinerseits einen – in seinem Zustand zwar nicht sehr bissigen – Kommentar abgeben konnte, griff Joey nach einem der Handtücher an der Wand und reichte es Seto. „Hier, du siehst schrecklich aus, wenn ich das so sagen darf.“ „Danke, sehr aufmunternd“, grummelte Seto zurück. Er wischte sich den Rest des Ganzen aus dem Gesicht und gab Joey dann das Handtuch zurück. „Danke.“ „Ich glaube, du brauchst auch neue Klamotten“, wies Joey auf Setos Oberteil, das den einen oder anderen Fleck aufwies, mit eindeutigem Ursprung. Seite 3 „Ich geh dir was Neues holen. Zieh du die Sachen inzwischen aus und steig unter die Dusche. Du stinkst ziemlich nach Alkohol.“ Damit verschwand Joey aus dem Bad und ging wieder Richtung Schlafzimmer. Er drückte die Klinke runter, öffnete die Tür und ... blieb mitten im Türrahmen stehen. >Was ...< Weiter dachte er nicht – konnte er nicht denken. Was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Inmitten des Zimmers stand ein riesiges Bett, das mit dunkelblauer Bettwäsche bezogen war. Das war ja nichts neues, diesen Anblick hatte er schon oft gesehen – schließlich war er seit fast einem halben Jahr mit Seto zusammen. Nein, ihn schockt das, was er außerdem sah. Die Bettdecke bewegte sich. Das konnte doch nur heißen, dass sich jemand darunter befand. Aber die einzigen Personen, die Seto Kaibas Schlafzimmer betreten durften, waren außer dem Besitzer selber nur Joey und Mokuba. Seto befand sich im Badezimmer. Mokuba war seit zwei Tagen auf Klassenfahrt. Joey stand hier im Türrahmen. Wer, zum Teufel, war dann bitteschön dieser jemand unter der Bettdecke? Noch bevor sich Joey entscheiden konnte, ob er fragen oder einfach nachgucken sollte, wurde ihm diese Entscheidung abgenommen. Dieser jemand unter der Bettdecke bewegte sich stärker, schien aufzuwachen. Die Decke wurde zurückgeschlagen und zum Vorschein kam ... eine circa zwanzig-jährige Frau mit langen blonden Haaren. Auch wenn sie im Moment etwas verschlafen wirkte, sah sie atemberaubend aus – wenigstens würde es so auf Joey wirken, könnte er etwas mit Frauen anfangen. Da dem aber nicht so war ... Der Blonde stand weiterhin geschockt im Türrahmen. Er hätte ja mit allem gerechnet, aber damit ... Nie im Leben. „Seto?“, fragte die Unbekannte in den Raum hinein, sich dabei die Augen reibend. Das war zu viel für Joey. Nicht nur, das diese Unbekannte halb nackt in Setos Bett lag, sie sprach ihn auch noch mit Vornamen an. Dieses ‚Privileg’ hatten bis jetzt nur Mokuba und Joey. Er gab ein ziemlich lautes „Nein!“ von sich, das sich mehr geschluchzt und geschockt anhörte als gesprochen. Er drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Raum. Tränen bahnten sich ihren Weg über sein Gesicht, liefen über seine Wangen, tropften zu Boden. Aus der Badezimmertür trat gerade Seto, der durch Joeys Schrei aufmerksam geworden war. Die braunen Augen, die immer noch leicht unwohl blicken, hatten sich vor Sorge und Schrecken noch weiter verdunkelt. Was war denn geschehen? Er sah Joey, wie dieser aus seinem Schlafzimmer gerannt kam, mit Tränen in den Augen. >Was ...?< Da huschte eine Erinnerung durch seine Gedanken ... die Party ... Alkohol ... diese Frau ... sein Zimmer ... Seite 4 >Nein ...<, dachte Seto schwach. >Das kann nicht ...< Da hatte Joey die Treppe erreicht und sah, als er nach dem Geländer griff, zufällig in Setos Richtung. Die braunen Augen, in denen sonst immer der Schalk zu wohnen schien, standen voller Trauer und Schmerz. Aber auch etwas Wut war zu erkennen, sah man genau hin. Joey blieb stehen und sah Seto weiterhin an. Es vergingen nur Sekunden, aber für beide schien es eine Ewigkeit zu sein. Braun, das seinen Glanz verloren hatte. Nass vor Tränen; Schmerz und Trauer zeichneten sich deutlich in dem Gesicht ab, würden ihre Spuren hinterlassen. Blau, das seinen Glanz verloren hatte. Erstarrt von der Erkenntnis der letzten Nacht; Schrecken, Erstaunen und Angst waren zu erkennen. „Wie konntest du nur ...“ Das waren die einzigen Worte, die Joey zu Seto sagte, bevor er verschwand. ~ Joey stand vor dem eisernen Tor einer riesig langen Auffahrt. Es war lange her, das er diesen Ort zum letzten Mal gesehen hatte. Ein Jahr ... Ein Jahr war nun schon vergangen, seit er sich von Seto getrennt hatte. Diesen Tag, als er von Seto so verletzt worden war, hatte er nie vergessen können. Ebenso wie die vielen schönen Tage davor ... Deswegen war er hier ... Er hatte das letzte Jahr über die Zeit nachgedacht, die er mit Seto verbracht hatte. Hatte immer wieder vor sich gesehen, wie Seto immer öfter lächelte, wie er offener wurde, wie die harte, verletzende Kälte der blauen Augen zu einer beschützenden wurde. Er hatte damals dafür gesorgt, dass die Schatten aus Setos Leben wichen und dem Sonnenschein Platz machten, dass die Geborgenheit die Einsamkeit vertrieb. Doch seit er wieder aus Setos Leben verschwunden war, hatte sich das alles wieder rapide ins Gegenteil gewandelt. Seto hatte sich wieder abgekapselt – wenn man den Berichten und Gerüchten Glauben schenken durfte, hatte er sich sogar vor Mokuba abgeschottet. Das letzte Jahr über war er sich bewusst geworden, wie sehr er Seto vermisste, wie sehr er von ihm abhängig war. Trotz das Seto ihm wehgetan hatte, liebte er ihn immer noch – wie am ersten Tag. Er hatte über diesen Tag immer wieder und wieder nachgedacht. Je länger und intensiver er das Geschehen auseinander genommen hatte, desto mehr war er zu der Überzeugung gekommen, das Seto es nicht mit Absicht getan hatte. Seite 5 Seto war an diesem Tag betrunken gewesen, hatte nicht mehr gewusst, was er tat. Er hatte ja selbst erlebt, was mit Seto passierte, wenn er etwas zu viel trank. Und das die Frauen auf ihn scharf waren, war ja nun auch kein Geheimnis, ebenso wenig wie, das sie so gut wie alles dafür tun würden. Er hätte an diesem Tag nicht so ausrasten dürfen, sondern hätte überlegen sollen. Das Seto betrunken gewesen war, hatte er doch selbst gesehen. Doch als er sich diese Tatsche eingestehen konnte, war es bereits zu spät. Über ein Jahr war er nicht mehr hier in Domino gewesen. In der Woche nach dieser Sache hatte er von einer bekannten Band ein Angebot als Songschreiber bekommen. Er hatte dieses Angebot dankend angenommen – erstens, weil er so aus Domino wegkommen konnte und zweitens, weil das schon immer sein Traum gewesen war. Endlich konnte er sein Hobby, Songtexte zu schreiben, zum Beruf machen und davon leben. Und dann auch noch bei so einer berühmten und tollen Band. Von da an war er mit der Band in der Weltgeschichte rumgegondelt, hatte sich mit den Mitgliedern angefreundet und nebenbei auch noch Schlagzeug gelernt. Er wurde als zweiter Schlagzeuger in der Band aufgenommen und spielte auf den Konzerten mit – allerdings ohne das bekannt wurde, dass die Texte von ihm stammten. Die erste Zeit war er vollauf beschäftigt gewesen, hatte so gut wie keine Zeit dazu gehabt, über alles nachzudenken und in seinen Gefühlen zu ertrinken. Erst als es wieder ruhiger wurde, fand er die Zeit dazu. Und dabei war dann halt herausgekommen, das Seto da im Grunde gar nichts für konnte. Aber sich dazu durchringen, nach Domino zurückzukommen, konnte er erst nicht und irgendwann war die Band dann auf Tournee gegangen – eine willkommene Ausrede. Nur leider – oder Gott sei Dank? – war eine der Städte, in denen sie spielen würden, Domino. Und so stand er nun hier und sammelte all seinen Mut zusammen, um Seto gegenüber treten zu können. Noch einmal tief Luft holend, streckte er die Hand in die Tasche und holte den Schlüssel hervor. Ab ins Schloss damit und das Tor öffnete sich langsam, aber leise. Also immer noch dasselbe Schloss. Jetzt wusste er, warum er damals ‚vergessen’ hatte, die Schlüssel zurückzuschicken. Joey legte den Weg zum Haus zurück, langsam einen Fuß vor den nächsten setzend. Irgendwann hatte er dann das Haus erreicht und klingelte. Es dauerte eine Weil, bis die Tür geöffnet wurde. Vor ihm stand Mokuba – schwarze lange Haare, etwas gewachsen im letzten Jahr und Augen, die etwas von ihrer Jugend verloren hatten. Inzwischen musste Mokuba auch sechzehn Jahre alt sein und dann Setos Abschottung ... „Guten Tag, Mokuba.“ Der gab keine Antwort, sah den Blonden nur an – wie einen Geist. Dann endlich schien er seine Sprache wieder gefunden zu haben. „Joey ...“, war alles, was er raus brachte. Tränen sammelten sich in seinen Augen, liefen die Wangen hinunter. „Joey“, schluchzte er nun deutlicher und fiel dem mittlerweile dreiundzwanzigjährigen um den Hals. „Du bist wieder da ...“, hörte Joey leise an seinem Ohr. „Endlich ...“ „Hey, Mokuba. Ist ja gut. Lässt du mich rein?“ setzte Joey ihn wieder ab. Seite 6 „Komm“, griff Mokuba gleich nach seiner Hand und zog ihn ins Haus. Hier hatte sich gar nicht so viel verändert, wie er mit einem Blick feststellte. Immer noch hellblauer Teppich, dunklere Tapeten, dieselben Lampen ... alles wie immer – nur eine andere Atmosphäre. Sie war düsterer, kälter, ungastlicher. Das fühlte Joey sofort. „Du willst zu Seto, oder?“, riss Mokuba ihn aus seinen Gedanken. Joey nickte nur. „Er hat kein Wort darüber gesagt, warum du damals einfach gegangen bist. Hat sich nur wieder zurückgezogen. Es ist noch schlimmer als vorher. Du musst was dagegen tun. Bitte“, sah er Joey flehentlich an, während sie die Treppe hochstiegen. Oben wies Mokuba nur auf die Tür, hinter der sich Setos Arbeitszimmer befand. „Seto ist am Arbeiten.“ „Danke.“ Damit setzte Joey sich in Bewegung und steuerte auf die Tür zu. Er klopfte kurz an und öffnete die Tür, bevor Seto ein „Herein“ erwidern konnte. Das Zimmer sah auch noch gleich aus. An der einen Seite der Schreibtisch – wie immer ziemlich arbeitsreich beladen – davor zwei Stühle, gegenüber befand sich eine Sitzecke, ein Zweier-Sofa und zwei einzelne Sessel. Alle mit hellblauen, fast weißen Bezügen. Die Vorhänge waren aus einem hellblauen Stoff gefertigt. Seto saß am Schreibtisch und sah erstaunt hoch. Es wagte normalerweise niemand, ohne eine Antwort von ihm hier einzutreten. Noch nicht einmal Mokuba. Den, den er nun zu Gesicht bekam, hätte er hier nicht erwartet. Er sah lange zu dem Eingetretenen hinüber, sprach kein Wort. Joey merkte die Stille, auch er sprach kein Wort, sonder setzte sich Richtung Fenster in Bewegung und blieb dort stehen. Er sah hinaus in den Garten – auch hier hatte sich nichts verändert. „Hallo, Seto.“ Von diesem kam keine Reaktion. „Wie geht es dir?“ „Das fragst du? Was interessiert es dich?“ „Eine ganze Menge.“ „Und das soll ich dir glauben?“ Seto war von seinem Stuhl aufgestanden und hatte die Arme auf die Tischplatte gestützt, sich leicht über den Tisch gebeugt. Es war fast ein schreien zu nennen, so laut redete Seto nun. „Nach fast einem Jahr tauchst du hier wieder auf, seelenruhig, und willst wissen, wie es mir geht? Das hat dich das ganze letzte Jahr nicht interessiert. Und als du damals einfach so gegangen bist, ohne nach dem ‚Warum’ zu fragen, hat es dich auch nicht interessiert. Also: Was willst du hier?“ Seto war inzwischen um den Tisch herumgekommen und ging auf Joey zu. Das Blau seiner Augen hatte wieder diese Kälte an sich, eine Kälte, die hart, verletzend und demütigend war. Seite 7 „Ich will mit dir reden.“ Von Seto war nur ein hartes Lachen zu hören. „Reden? Ist es dafür nicht etwas spät?“ Joey wollte antworten, aber Seto ließ ihn nicht. „Verschwinde, hörst du?! Verschwinde wieder aus meinen Leben! Ich will dich nie mehr sehen!“ Dabei sah er Joey mit einer Kälte an, die diesen erschauern ließ. „Nun gut, dann werde ich wohl besser gehen“, setzte er sich wieder Richtung Tür in Bewegung. Dabei musste er am Schreibtisch vorbei. „Ich habe hier trotzdem etwas für dich.“ Joey warf eine CD auf den Tisch. Dann verließ er das Zimmer und das Haus gleich mit, während Seto immer noch am Fenster stand. Beide Augenpaare waren nun, da sie wieder alleine waren, voller Emotionen. Tränen, Schmerz, Trauer, Wut auf sich selber ... ~ Wie lange er dort gestanden hatte, konnte Seto hinterher nicht sagen. Irgendwann hatte er die CD ergriffen und sie in die Anlage gelegt. Es erklang eine Melodie, die aus Keyboard, Schlagzeug und Gitarre bestand. Erst langsam, dann schneller, bis der Gesang einsetzte. „Gewinnen, egal um welchen Preis. Gewinnen, dabei über Leichen gehen. Verlieren, daran denkst du nicht im Traum. Verlieren, ist überhaupt nicht drin. Gefühle schaltest du aus, analysierst völlig distanziert. Strebst nur nach deinem Vorteil, andere beachtest du dabei nicht. So sieht dein Leben nun aus, völlig trist und leer. Kein Sonnenschein, nur Schatten, doch es war nicht immer so. Versuch dich zu erinnern, wie es damals war, Seite 8 als deine Augen noch strahlten. Versuch dich zu erinnern, wie es damals war, als ein Lächeln deine Lippen zierte. Damals – als Sonnenschein herrschte. Damals – als wir glücklich waren. Erinnere dich an damals, als dein Leben noch ein Leben war. Erinnere dich an damals, bevor diese Sache geschah. Erinnere dich an damals, hol dein altes Ich zurück. Ich will dieses ‚Damals’ wieder! Denn – ich liebe dich noch immer.“ Das erste Lied endete und das zweite setzte nach einer kurzen Pause ein. Wieder die gleiche Melodie, genau so traurig, dabei aber so hoffnungsvoll. „Verletzt, habe ich dich sehr. Verletzt, dabei wollte ich es nicht. Vertrauen, das tat ich dir doch. Vertrauen, war das wichtigste zwischen uns. Habe unsere Liebe verraten, habe unser Vertrauen zerstört. Habe nicht gesehen, wie es wirklich war, war vollkommen blind. So sieht mein Leben nun aus, völlig trist und leer Kein Sonnenschein, nur Schatten, doch es war nicht immer so. Versuch mich zu erinnern, wie es damals war, als unser Vertrauen noch bestand. Versuch mich zu erinnern, Seite 9 wie es damals war, als unsere Liebe noch lebte. Damals – als Sonnenschein herrschte. Damals – als wir glücklich waren. Erinnere mich an damals, als mein Leben noch ein Leben war. Erinnere mich an damals, bevor diese Sache geschah. Erinnere mich an damals, versuche uns zurückzuholen. Ich will dieses ‚Damals’ wieder! Denn – ich liebe dich noch immer.“ Seto musste sich irgendwann auf das Sofa setzen, den Mund vor Staunen und Verblüffung leicht geöffnet, die blauen Augen schimmerten leicht. Die eisige Kälte hatte Risse bekommen, taute auf, lies die Tränen frei. Er hörte sich die Lieder immer und immer wieder an. Je öfter er Joeys Stimme hörte, je öfter er die Botschaft in diesen Liedern hörte, desto klarer wurde das Blau seiner Augen. Das harte Eis verschwand wieder, ließ das beschützende wieder frei. Wie lange er dort gesessen hatte, konnte er hinterher nicht sagen. Seto stand auf, hatte einen Entschluss gefasst. Er musste zu Joey. Wollte ihm sagen, dass dieses ‚Damals’ gar nicht so unerreichbar war. Doch dazu musste er ihn erstmal finden. Aber wo suchen? Sein Blick fiel nach draußen, wo die Sonne inzwischen am Untergehen war. Der Horizont war in rot und gelb getaucht, veranstaltete ein prächtiges Farbenspiel. Die Bäume warfen Schatten, die Vögel zwitscherten in den Kronen. >Da ist er bestimmt ...<, erinnerte Seto sich an Joeys Lieblingsplatz. Auf dem Absatz machte er kehrt, stürmte fast aus dem Zimmer, die Treppe runter und zur Haustür raus. Mokuba, der unten im Flur stand und glücklich hinter seinem Bruder hersah, bemerkte er gar nicht ... ~ Seto schloss die Tür seines Wagens und setzte sich in Bewegung. Hier im Wald in der Nähe von Domino war der Sonnenuntergang noch besser zu sehen. Die Bäume warfen Schatten, der Horizont war inzwischen fast vollkommen gelb. Der Weg hin zur Lichtung war gesäumt mit Blumen der verschiedensten Farben und Formen. Seite 10 Langsamen Schrittes ließ er den Weg hinter sich, nahm sich die Zeit, sich alles genau anzusehen. Hier war er schon lange nicht mehr gewesen ... als letztes an dem Wochenende, bevor Joey gegangen war. Irgendwann war der Weg dann doch zu Ende, verbreiterte sich und wurde zu einer Lichtung. Diese Lichtung war am Rande des Berges, auf dem der Wald stand, von hier konnte man auf die Stadt gucken, hatte einen wunderschönen Ausblick. Seine Augen über diesen Platz schweifen lassend, ging er auf die Mitte zu. Dort stand eine von vielen Bänken – die Lieblingsbank von Joey. Hier fand er den Blonden. Mit ausgestreckten Beinen saß er dort, die Arme gefaltet auf dem Bauch, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, sah er dem Sonnenuntergang zu. Seto setzte sich still neben Joey, der ebenfalls stumm blieb. Einige Minuten saßen sie so hier, einfach erstmal die Nähe des anderen genießend. „Hallo, Joey“, fing Seto irgendwann an. Anstatt etwas darauf zu erwidern, drehte Joey den Kopf etwas zur Seite. Beide sahen sie sich an, blickten sich tief in die Augen. Braun traf auf Blau. Braun, das seinen Glanz wieder gefunden hatte; das vor Hoffnung und Liebe von Innen her strahlte. Blau, das seinen Glanz wieder gefunden hatte; dessen Eis wieder beschützend war; voller Liebe, die von Innen her strahlte. Joey war der erste, der sich löste. „Es tut mir Leid, Seto. Ich hätte damals nicht einfach so verschwinden dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass das Ganze nur ein ... ‚Missverständnis’ war ...“ Joey fiel für die Sache einfach kein besseres Wort ein. „Schsch ... Schon gut, Joey. Ich hätte damals auch anders reagieren müssen. Anstatt verletzt zu sein, hätte ich das ganze klären müssen ...“ Beide hatten nun Tränen in den Augen – doch ob sie nun aus Freude oder Trauer entstanden waren, konnte keiner sagen. Wohl wegen beiden Gefühlen. Trauer, weil sie das letzte Jahr hätten anders verbringen können. Freude, weil nun wieder alles gut werden würde. Die Sonne versank gerade am Horizont, tauchte den Himmel in leuchtendes Gelb. Joey und Seto beugten sich beide vor, ihre Gesichter näherten sich immer mehr, waren nur noch Millimeter von einander entfernt. „Ich liebe dich“, hörte man gehaucht von Joey. „Ich liebe dich auch“, kam es ebenso leise von Seto zurück. Dann versanken beide in einem tiefen Kuss ... ~ Seite 11 Die Stadthalle von Domino war gerappelt voll. Die Luft zum Schneiden stickig, die Atmosphäre aufgeheizt, laut. Alle Anwesenden sahen mit Spannung auf die Bühne, wo jeden Augenblick die Band erscheinen musste. Etwas am Rand stand ein großer braunhaariger junger Mann, etwa vierundzwanzig Jahre alt, der ebenso gespannt auf die Bühne blickte. Er hatte noch nie eines von Joeys Konzerten gesehen und da sie nun mal hier in Domino spielten, hatte Joey ihn dazu überreden können, mitzukommen. Nun stand er hier und wartete gespannt. In den letzten zwei Wochen, die sie jetzt wieder zusammen waren, hatte Joey ihm viel erzählt. Das er in einer Band Schlagzeug spielte und gleichzeitig auch die Texte schrieb. Das er bis auf diese zwei speziellen Lieder keinen seiner Texte selber sang ... und noch einiges mehr. Das große Licht ging aus und die Bühnenscheinwerfer an. Rotes Licht, blaues Licht, gelbes Licht, alles fuhr über die Bühne, strahlte einen der Bandmitglieder nach dem nächsten an. Der Frontmann trat ans Mikrophon. „Guten Abend, Domino. Seit ihr gut drauf?“ Geschrei. „Ich kann euch nicht hören. Seit ihr gut drauf?“ Wieder Geschrei. „Geht doch. Sollen wir hier mal die Stimmung noch mehr anheizen? Ja? Gut, dann machen wir das doch auch. Los geht´s!“ Damit setzte das erste Lied ein. Die Stimmung der Fans wurde noch mehr angeheizt, die Luft noch wärmer, die Atmosphäre noch begeisterter. Auch beim zweiten und dritten Lied nahm nichts davon ab. Seto stand auf seinem Platz und hörte der Musik zu, beobachtete Joey. Der wirbelte die Sticks durch die Luft, das einem schlecht dabei werden könnte. Aber immer wieder schaffte er es, bei seinem Part auf die Becken und die Trommeln zu schlagen – und in einem Tempo ... Seto konnte nur staunen. Nach dem dritten Lied trat der Frontmann wieder ans Mikro. „So, Leute, und nun stellen wir euch zwei neue Lieder vor. Aber die werde nicht ich singen, sondern einer unserer Schlagzeuger, Joey.“ Die Fans kreischten und jubelten wie wild. Der süße Joey würde singen ... „Also dann, euren Reaktionen nach habt ihr da nichts gegen. Dann viel Spaß bei ‚Damals (I)’ und ‚Damals (II)’.“ Joey fing an, seine zwei Lieder zu singen. Er legte all seine Gefühle in den Text. All seine Hoffnung, seine Liebe, aber auch seine Trauer und seinen Schmerz. All dies gehörte zu der Geschichte dieser Lieder. Seto auf seinem Platz kamen wieder die Tränen. Er wusste, dass diese Lieder aus Joeys Innerstem kamen. Und genauso waren sie von ihm auch verstanden worden ... [Fin] Seite 12