Tiefer Fall des mächtigen Werbekönigs
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Tiefer Fall des mächtigen Werbekönigs
B Seite 16 DIE WELT Wirtschaft B Dienstag, 15. Januar 2008 Tiefer Fall des mächtigen Werbekönigs Alexander Ruzicka war der schillerndste Werbemanager Deutschlands. Er soll 52 Millionen Euro unterschlagen haben. Der Prozess gegen ihn könnte für die ganze Branche unangenehm werden Von Tina Kaiser FOTO: MICHAEL DANNENMANN A Vor seiner Verhaftung war Alexander Ruzicka ebenso bewundert wie gefürchtet für seine Macht. In guten Zeiten bestimmte der Aegis-Chef jährlich über rund drei Milliarden Euro Werbegeld. Der offen schwul lebende Paradiesvogel setzte sich gern in Szene. Welcher Top-Manager lässt sich schon in solcher Pose fotografieren? 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In der Nähe von Kapstadt besaß er eine luxuriöse Villa mit Blick auf den Atlantik. Seinem Hobby, der Großwildjagd, ging er in seinem privaten 200 Hektar großen Wildpark bei Johannisburg nach. Zu der Flucht kam es nicht. Am 24. Oktober 2006 nahm die Sonderkommission „AG Media“ der Kripo Wiesbaden den 46-Jährigen in seiner 6,3 Millionen Euro teuren Villa in Wiesbaden fest. Einem Kommissar fiel auf, wie der Manager einen Koffer mit dem Fuß zukickte. Darin waren 120 000 Euro Bargeld in verschiedenen Währungen, Schmuck, mehrere Handys und Kreditkarten. Der Koffer ist mittlerweile ebenso gepfändet wie die Immobilien, seine Sportwagen-, Uhren-, Kunstund Jagdwaffen-Sammlungen. Bis der 46-Jährige inhaftiert wurde, war er einer der mächtigsten Werbemanager des Landes. Als Chef der zweitgrößten deutschen Media-Agentur bestimmte er jährlich über rund drei Milliarden Euro Werbegeld. Seit 14 Monaten sitzt Ruzicka in Untersuchungshaft. Heute beginnt am Landgericht Wiesbaden der Prozess gegen den einstigen Topmanager. 52 Millionen Euro Firmengeld soll Ruzicka mithilfe eines komplizierten Geflechts von mehr als zehn Tarnfirmen im In- und Ausland veruntreut haben. Eine ehemalige Aegis-Buchhalterin hat außerdem ausgesagt, sie habe von Ruzicka 427 000 Euro „Schweigegeld“ bekommen, als sie ihm auf die Schliche gekommen sei. Bis zu 15 Jahre Haft drohen der einstigen Galionsfigur der MediaBranche. Mit ihm vor Gericht steht der Ex-Aegis-Einkaufschef David Linn. Die verdächtigte Aegis-Managerin Claudia Jackson hat sich dagegen nach Argentinien abgesetzt. Der Fall gilt als Musterprozess. Bislang agierten die Media-Agenturen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In dem mit Spannung erwarteten Verfahren wird erstmals detailliert untersucht, mit welchen Tricks in der Werbeszene gearbeitet wird. Während fast jeder die schillernden deutschen Kreativagenturen wie Jung von Matt oder Scholz & Friends kennt, agierten Media-Agenturen bislang weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In Wahrheit aber fließt bei ihnen das eigentlich große Geld. Aufgabe von Media-Agenturen ist es, die Werbeetats von Konzernen wie VW, Henkel oder Adidas nach ausgeklügelten Plänen bei Sendern, Magazinen und Zeitungen zu platzieren. Sie entscheiden, wo und wie oft der neue Spot von Levi’s gezeigt wird, welche Zeitungen sich für Lufthansa-Anzeigen eignen oder um welche Uhrzeit am besten die Warsteiner-Werbung im Radio laufen sollte. Über 20 Milliarden Euro werden auf diese Weise jährlich von wenigen Agenturen verteilt. Insbesondere werbefinanzierte TV-Kanäle sind in hohem Maße von den Agenturen abhängig und versuchen sie, durch großzügige Rabatte an sich zu binden. Aller- dings bekommen die Agenturen die knapp zehn Mio. Euro geschleust Werbung nicht unbedingt billiger. worden sein sollen. Dieser UmStattdessen erhalten sie zusätzlich stand verleiht dem Prozess zusätzkostenlose Werbeminuten. Laut liche Brisanz, war an dieser AgenBranchenschätzungen sind zwi- tur doch auch der CDU-Politiker schen fünf und zehn Prozent des Volker Hoff beteiligt. Hoff ist seit TV-Werbevolumens keine bezahlte knapp zwei Jahren Europaminister im hessischen Kabinett. Allerdings Werbung mehr, sondern Freispots. Die werbenden Unternehmen wird nicht gegen Hoff ermittelt. Alexander Ruzicka, der sich kritisieren diese Praxis seit langem, da die Rabatte oft nicht an die selbst „Aleksander“ schreibt und Kunden weitergegeben werden, angeblich adliger russischer Abdank deren Werbeetats die Agen- stammung ist, hat sich durch seinen turen überhaupt erst die Rabatte Hang zur Selbstinszenierung verraten: Irgendwann fiel aushandeln konnten. auf, dass er trotz Oft erfahren die Kunseines Jahresgehalts den gar nichts von den ■ „Wir hoffen, von rund einer halben Rabatten. „Der Schadass durch den Mio. Euro nie und den für die Konzerne nimmer seinen pomliegt im Milliarden- Ruzicka-Prozess pösen Lebensstil fibereich“, sagt Joachim nanzieren konnte. Schütz, Geschäfts- endlich Lange Zeit war nicht führer der Organisa- Transparenz in klar, wer ihn angezeigt tion Werbungtreibenhat. Im Juli 2005 ging de im Markenverband das Geschäft bei der Staatsanwalt(OWM). Das Ge- kommt“ schaft Wiesbaden ein schäftsmodell der neunseitiger Brief ein. Media-Agenturen sei Joachim Schütz, Unterzeichnet war er undurchsichtig und Werbe-Lobbyist mit „Anonymus“. Seiwürde Korruption fördern. „Wir hoffen, dass durch nen wahren Namen wollte der Inden Ruzicka-Prozess endlich formant nicht nennen, da sonst er Transparenz in das Geschäft „Repressalien und körperliche Gewalt in erheblichem Ausmaß bekommt“, sagt OWM-Chef Schütz. Auch das Kartellamt hat die Ra- fürchten“ müsse. Mittlerweile ist batte gerügt und Millionenstrafen der Briefeschreiber enttarnt. Es war gegen die Vermarkter von RTL und ein Anwalt von Aegis. Dass ausgeProSiebenSat.1 verhängt. Gegen die rechnet der eigene Arbeitgeber Rubeiden Chefs der Vermarkter wur- zicka angezeigt hat, ist ungewöhnde vor kurzem ein Verfahren wegen lich. Normalerweise werden Führungskräfte diskreter in Misskredit Bestechung eingeleitet. Doch zunächst dürfte der Ruzi- gebracht. „Anonymus“ listet dabei minuticka-Prozess für Aufklärung sorgen. Der als ebenso charismatisch wie ös nicht nur Ruzickas Tarnfirmen arrogant verschriene Ex-Manager auf, sondern informierte auch über hat sich das undurchsichtige Sys- dessen Villen, Kunstobjekte, Uhtem offenbar zunutze gemacht. Ihm rensammlung, Kontoverbindungen, wird vorgeworfen, die Frei-Spots Luxuskarossen inklusive Kennzeiauf eigene Rechnung weiterver- chen und sogar die Anzahl der Trekauft zu haben. Dazu nutzte er, so sore in dessen Haus. In dem Brief die Ansicht der Staatsanwälte, ein heißt es auch, Ruzicka agiere kenne „alle komplexes Netz von Scheinfirmen. „selbstherrlich“, Eine dieser Tarnfirmen soll die schmutzigen Tricks“ und habe VerWiesbadener Kreativagentur Zoffel bindungen zur russischen Mafia. Hoff Partner (ZHP) sein, über die Außerdem pflege er einen „ungewöhnlichen konspirativen Arbeitsstil“, da er alle Unterlagen sofort schreddere und mindestens vier Mediaagenturen in Deutschland Handys abwechselnd benutze. Marktanteile in Prozent Einen ebenfalls recht skurrilen Aegis Omnicom 8,9 Weg der Verteidigung wählte der Media Hauptbeschuldigte. Nicht über sei12,9 Publicis nen Anwalt ließ er ausrichten, dass Group Media er unschuldig sei. Ruzicka lud statt8,6 dessen Journalisten zweier FachGroup M zeitungen ein und gab im Gefängnis (WPP) Interviews. Nach seiner Darstel24,1 lung ist er Opfer einer gewaltigen Sonstige Intrige seines ehemaligen MitarbeiInterpublic 5,7 39,8 ters Andreas Bölte, der mittlerweile Quelle: Recma Report zum Aegis-Chef aufgerückt ist. „Offensichtlich wollte Herr Bölte meinen Job haben“, sagte Ruzicka im September 2007der österreichischen Fachzeitung „Medianet“. Ruzicka leugnet nicht, dass er an den von der Staatsanwaltschaft aufgeführten Firmen beteiligt war. In ■ Media-Agenturen wie die britiseiner Version hat er sich mit dem sche Aegis entwerfen keine Kamabgezweigten Geld allerdings nicht pagnen und drehen keine Fernsehselbst bereichert, sondern für die spots. In der Öffentlichkeit kennt Agentur Informationen beschafft. sie kaum jemand. Dabei verwalten Die entlockte er Kunden und Gesie die millionenschweren Werbeschäftspartnern, indem er sie zu Wobudgets von Konzernen. Von ihnen chenendtrips inklusive Großwildhängt es ab, ob Unternehmen jagd oder Yachtausflug nach SüdafSpots bei RTL und ProSieben rika einlud. Im Gegenzug sollen sie schalten oder vielleicht doch lieber Details über die Angebote der Koneine Anzeige in einer Zeitung. kurrenz ausgeplaudert haben. Ruzicka ist sich keiner Schuld be■ Weil sich gerade private TVwusst. Der Mann, der wegen seines Kanäle fast ausschließlich von ausschweifenden Lebensstils schon Werbung finanzieren, ist die Macht lange den Spitznamen „Sonnenköder Media-Planer über die Sender nig“ trägt, hat für seine Verhaftung so groß. Mehr als 20 Mrd. Euro eine einfache Erklärung: „Für viele Werbegelder werden jährlich von war ich wohl zu jung, zu erfolgden Media-Agenturen verteilt. Die reich, zu gradlinig und zu ehrlich im größten fünf beherrschen über 60 Umgang mit meinem Privatleben.“ Prozent des deutschen Marktes. Werbe-Monopoly