Nach den Sternen greifen und bodenständig bleiben

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Nach den Sternen greifen und bodenständig bleiben
40 | Interview Sandy Mölling | Unser Verband
#03·2013
Nach den Sternen greifen
und bodenständig bleiben
mit ganz jungen Jahren hat
Sandy Molling gelernt,
auf eigenen FüSSen zu stehen.
eine
So ist es Fur die Sangerin der
No Angels Selbstverstandlichkeit,
Jugendliche dabei zu unterstutzen, ein selbst bestimmtes Leben zu fuhren.
„quip“ sprach mit ihr uber die
vielen Hohepunkte
und ihr Engagement als
und
die
wenigen Tiefen ihrer Karriere –
Projektbotschafterin von
„JUGEND STaRKEN: Junge Wirtschaft macht mit!“.
quip: Bereits mit 16 Jahren sind Sie von
Zuhause ausgezogen …
Sandy Mölling: Für mich war es vor allem
wichtig, meine Mutter zu entlasten, die
als Krankenschwester uns vier Kinder
allein erzogen hatte. Da war das Geld
natürlich oft sehr knapp. Nach meinem
Realschulabschluss wollte ich mein Abi
machen. Diesen Plan habe ich dann
in der zwölften Klasse allerdings über
Bord geworfen. Ich wollte Hebamme
werden, dafür brauchte man damals
kein Abitur. Während meiner Bewerbung habe ich im Einzelhandel gearbeitet. So habe ich schließlich genug verdient, um mir meine eigene Wohnung
zu finanzieren.
quip: Und mit gerade einmal 19 Jahren
sind Sie ins Haifischbecken „Popmusik“
gesprungen, haben in drei Jahren sechs
Nummer-Eins-Alben und zwölf Hitsingles aufgenommen. Hat Sie dieser Mix
aus Stress und Ruhm überrollt?
Mölling: Ich habe mich dem durchaus
gewachsen gefühlt. Meine Mutter hatte
schon früh das Interesse an Musik
in mir geweckt. Sie war selbst Sängerin und hat auf Veranstaltungen und
Hochzeiten gesungen. Seit ich denken
kann, habe ich im Proberaum gesessen und Harmonien gesungen. Mit 16
Jahren habe ich im Studio Songs aufgenommen und sie einer Plattenfirma
angeboten. Mit Erfolg: Die Firma wollte
mich unter Vertrag nehmen – doch ich
hatte damals noch kalte Füße bekommen, denn mit diesem Schritt wäre ein
Umzug in eine andere Stadt verbunden
gewesen.
quip: Dann ist Ihre Mutter drei Jahre
später auf das Casting von „Popstars“
aufmerksam geworden …
Mölling: Das war zu diesem Zeitpunkt
ein ganz neues Format. Ganz unbedarft
bin ich in das Auswahlverfahren gegangen – und es hat ganz gut geklappt
(lacht). Ich bin ein recht bodenständiger Mensch, der viel Wert auf die Familie und den engen Freundeskreis legt.
Ich weiß, das mag ein wenig langweilig klingen: Aber im Gegensatz zu anderen Künstlern bin ich nach den Auftritten meist früh ins Bett gegangen,
statt nächtelang Partys zu feiern. Das
hat mich diese vier wunderbaren, aber
stressigen Jahre durchhalten lassen.
Auf der Bühne bin ich aufgeblüht, das
hat mir die notwendige Kraft gegeben.
quip: … vor allem auch genügend Kraft,
um nach dem Band-Aus nahtlos eine
erfolgreiche Solo-Karriere zu starten!
Wenn ich mit meiner
­Popularität für positive Aufmerksamkeit sorgen kann,
tue ich das sehr gerne.
S andy Mölling
Mölling: Ich kannte ja genügend Menschen, die weiter mit mir arbeiten wollten. Einen echten Keulenschlag habe
ich erst bekommen, als mein Stiefvater
starb. Daraufhin habe ich eine einjährige Auszeit genommen. Das war für
mich auch wichtig, um überhaupt zu
reflektieren, was in den Jahren zuvor
alles passiert ist. Als Band sind wir
ja buchstäblich von null auf hundert
durchgestartet und waren 350 Tage
im Jahr unterwegs. Ich erinnere mich,
dass ich im Hotel aufwachte und nicht
wusste, in welcher Stadt ich gerade
war. Und auch als Solo-Künstlerin war
ich sehr viel unterwegs. Dennoch habe
ich vor allem die Touren und den Kontakt mit den Fans geliebt.
quip: Was geht Ihnen heute durch den
Kopf, wenn Sie sich eine Castingshow
ansehen?
Mölling: Ganz ehrlich: Ich kann mir das
nicht mehr anschauen. Ich bin froh,
dass wir die ersten waren, die sich in
einer Castingshow durchgesetzt haben.
Ganz einfach, weil es noch echt war:
Niemand wusste, was passieren würde;
dafür bin ich wirklich dankbar. Heute
dagegen ist alles schon tausendfach
durchexerziert worden. Alles ist vorhersehbar, was auch traurig ist für
die Bands. Hinzu kommt: Angesichts
der rückläufigen Verkaufszahlen geht
es weniger um die Musik als vielmehr
um die Einschaltquote. Heute werden
die Kids, die an solchen Shows teilnehmen, für ein halbes Jahr aus ihrem
Sandy Mölling |
#03·2013
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ren und mich für eine Weile vom MusikBusiness zurückzuziehen. Darüber hinaus habe ich mit meiner Mutter ein Kinderbuch geschrieben, ein tolles Projekt!
Es ist allerdings noch nicht ganz fertig. Ich bin glücklich, dass ich all dies
tun kann und nicht unter finanziellem
Druck stehe.
quip: Gibt es denn eine Traumrolle auf
der Bühne oder Leinwand, die Sie gern
irgendwann einmal spielen möchten?
Mölling: Hm, da fällt mir zunächst die
Kinorollen von Hillary Swank ein oder
auch Cameron Díaz, die eher für ihre
Komödien bekannt ist. Im Moment
kann ich jedoch von solchen Rollenangeboten nur träumen, aber das darf
man ja!
quip: Ob für Kinder oder für den Tier-
schutz – Sie haben sich schon immer
sozial engagiert.
Mölling: Es bedarf nicht viel, um ein
bisschen zu helfen, insbesondere wenn
man ein wenig prominent ist. Ich bin
auch Botschafterin für ein Kinder­
hospiz. Wenn ich auf der Kinderkrebsstation bin, habe ich immer ein Lächeln
im Gesicht und versuche, den kleinen
Patienten so viel Freude wie möglich zu
machen. Auch wenn mir dort manchmal eher zum Weinen zu Mute ist. Wenn
ich mit meiner Popularität irgendwie
für positive Aufmerksamkeit sorgen
kann, tue ich das sehr, sehr gerne. Das
tut auch mir selbst gut, weil ich meinen
Horizont erweitern kann.
quip: Wie auch beim Projekt „JUGEND
Engagiert sich als Projektbotschafterin bei den Wirtschaftsjunioren: Sandy Mölling.
Umfeld gerissen, obwohl schon klar
ist, dass ihr großer Traum vom Leben
als Popstar nicht in Erfüllung gehen
wird. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Es gibt ein bis zwei Formate, die ich mir ganz gern anschaue
und bei denen es sich wirklich um die
Musik dreht.
quip: Schauen Sie sich Ihre früheren
TV-Aufnahmen noch an?
Mölling: Ja, natürlich! Auch wenn man
oft die Hände über dem Kopf zusammen schlägt. Aber nein! Ich sehe mir
die alten Auftritte noch gerne an – trotz
der manchmal etwas seltsamen Auf­
machungen (lacht).
quip: Ob als Bandmitglied oder Solo-
künstlerin: Acht Jahre lang konnten
Sie einen Erfolg an den nächsten reihen. Wie haben Sie den eher misslunge­
nen Band-Ausflug zum Grand Prix
2008 verarbeitet?
Mölling: Unsere Teilnahme war eindeutig der größte Fehler unserer Karriere.
Ich stand dem von vornherein skeptisch gegenüber. Ich hätte mir da selber treu bleiben sollen und auf mein
Bauchgefühl hören sollen. Aber man
lernt auch, mit solchen Tiefschlägen
umzugehen.
quip: Zumal es mit Ihrer Karriere ja
gleich in viele Richtungen weiterging.
Mölling: Neben der Musik habe ich
moderiert, in einem Musical mitgespielt
und Schauspielunterricht in Los Angeles genommen. Es macht mir sehr viel
Spaß, mich auf anderes zu konzentrie-
STÄRKEN: Junge Wirtschaft macht
mit!“ …
Mölling: Auch wenn ich aus einer Familie komme, in der wir nicht viel Geld
hatten: Meine Geschwister und ich, wir
haben eine tolle Erziehung genossen
und verdienen mittlerweile alle problemlos unseren Lebensunterhalt. Ich
weiß aber auch, dass es Familien gibt,
in denen dies nicht der Fall ist. Gerade
wenn mehrere Generationen ihre Perspektive verloren haben, ist es schwierig, aus diesem Loch wieder herauszukommen. Insbesondere junge Menschen brauchen unsere Unterstützung, so wie ich sie in meiner Familie erhalten habe. Einfach um gemeinsam herauszufinden, was der einzelne
Jugendliche kann, worauf er Lust hat
im Leben, damit er seine Chance wirklich nutzen kann. Daher helfe ich sehr
gerne mit bei dem Projekt der Wirt­
schafts­junioren.
Karsten Tarut tis