Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit

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Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit
Irene Messinger
Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht einer Aufenthaltsehe
Irene Messinger
Abstract
Which couple constellations are being suspected of entering into marriages of convenience by Austrian alien police and in a court of law?
This article analyses the multiple layers of discrimination which marriages between Austrians and Third-Country nationals are subjected to. It
out-lines the legal framework and legal practice in Austrian Alien Law
and the criminalisation of fictitious marriages. Drawing on intersectional
theory the categories of gender, class, nationality are being investigated
and a new category 'residence status' is being introduced. Based on expert
interviews with NGOs, the article also seeks to answer the question why
the groups affected rarely pursue legal action against multi-layered discrimination.
Dieser Beitrag beleuchtet Mehrfachdiskriminierungen bei Ehen zwischen
ÖsterreicherInnen und Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht einer
Schein- oder Aufenthaltsehe in der Gesetzgebung und in der Rechtspraxis.
Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit Begriffsdefinitionen und der
Schwierigkeit, Kategorien als solche zu fassen. Der rechtliche Rahmen
wird im zweiten Abschnitt dargestellt, dazu wird auf ausgewählte Bestimmungen des Fremdenrechtspakets 2005 und FrÄG 2009 eingegangen:
Zum einen werden die Voraussetzungen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels als FamilienangehörigeR dargestellt (§ 47 NAG), zum anderen die
Kriminalisierung des Eingehens einer Aufenthaltsehe bzw. seit 2010 auch
AufenthaltspartnerInnenschaft (§ 117 FPG) und die damit einhergehenden
Möglichkeiten fremdenpolizeilicher Kontrolle bzw. gerichtlicher Verfahren.
Der Fokus dieses Beitrags liegt auf dem dritten Abschnitt, der konkrete
Mehrfachdiskriminierungen bestimmter Personengruppen darstellt und
analysiert. Es werden die quantitativen Ergebnisse der Untersuchung der
Wiener Gerichtsverfahren vorgestellt. Die Diskriminierung entlang unterschiedlicher Kategorisierungen auf struktureller Ebene wird ebenso dargestellt, wie die Auswirkungen anhand von zwei Personengruppen. Zum Abschluss wird darauf eingegangen, warum die betroffenen Personengruppen
1
Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht
einer Aufenthaltsehe
die erlittene Mehrfachdiskriminierung nicht einklagen. Dazu werden Erfahrungen von in diesem Rechtsbereich tätigen NGOs herangezogen.
1. Einleitung und Grundlagen
Die empirische Grundlage bildet meine politikwissenschaftliche Dissertation zu Schein- und Aufenthaltsehen.1 Untersucht wurde, wie ‚Scheinehen’ in Österreich konstruiert und mit welchen Instrumentarien aus dem
Fremden- und Staatsbürgerschaftsrecht sie bis heute zu verhindern versucht wurden und welche intersektionellen Diskriminierungen dadurch
wirksam werden konnten. Das bedeutete einerseits der Geschichte der
Konstruktion nachzugehen, und zwar primär in juristischen Diskursen
staatlicher Akteure vor allem seit den 1990er Jahren, und andererseits die
konkreten Auswirkungen auf Partnerschaften zwischen ÖsterreicherInnen
und drittstaatsangehörigen EhepartnerInnen des österreichischen Fremdenrechts 2005 zu untersuchen. Diesen Zeitpunkt habe ich gewählt, weil das
Eingehen einer Aufenthaltsehe erstmals zum strafrechtlichen Delikt wurde. Daher wurde ein Zeitraum untersucht, in dem eingetragene PartnerInnenschaften in Österreich noch nicht möglich waren, sie sind erst seit
2010 auch fremdenrechtlich der Ehe gleichgestellt und wurden umgehend
als ‚Aufenthaltspartnerschaften‘ kriminalisiert.
Seit Jahren heiraten ÖsterreicherInnen mehrheitlich österreichische
bzw. PartnerInnen aus EU-Staaten. Bei PartnerInnen aus Drittstaaten, die
durch die Ehe einen Aufenthaltsvorteil erlangen können, dominiert die
Gruppe der asiatischen Frauen und der afrikanischen Männer.2 Es war daher u.a. zu erforschen, ob diese beiden Gruppen auch in gleichem Ausmaß
bei der Verdächtigung, Kontrolle und vor Gericht vertreten sind.
1
2
2
MESSINGER, Irene (2011): Verdacht auf Scheinehe. Intersektionelle Analyse
staatlicher Konstruktionen von ‚Schein- und Aufenthaltsehe‘ und ihrer Auswirkungen im Fremdenpolizeigesetz 2005. Vgl. auch MESSINGER, Irene (2012):
Schein oder nicht Schein. Konstruktion und Kriminalisierung von »Scheinehen«
in Geschichte und Gegenwart, Mandelbaum, Wien.
VEREIN FIBEL (2007): Jahresbericht 2007, Wien, 91.
Irene Messinger
1.1. Begriffe und Kategorien/Kategorisierungen
Bevor nun auf die Ergebnisse der Forschungsarbeit eingegangen wird,
möchte ich anmerken, dass jede Kategorisierung an sich bereits »problematisch« ist, da essentialisierend und festschreibend, dennoch ist es für
sozialwissenschaftliches Arbeiten unmöglich, ohne Kategorisierungen und
Klassifizierungen zu einem Forschungsergebnis zu kommen.
Es ist jedoch wichtig, dass auch Kategorien konstruiert werden, was
bedeutet, dass beispielsweise Sprache wiederum kategoriale Realitäten
schafft – und nicht umgekehrt. Der Begriff MigrantIn ist ein gutes Beispiel dafür. Daher muss immer mitbedacht und reflektiert werden, ob und
wie Wissenschaft auf Basis von Kategorien Ungleichheiten hervorbringt
bzw. reproduziert.
In aktuellen Intersektionalitätsdebatten wird diskutiert, wie viele und
welche Kategorien Berücksichtigung finden sollen, um noch praktikabel
zu sein. Häufig genannte Vorschläge betreffen beispielsweise Sexualität/Heteronormativität, Dis/Ability oder Religion. Judith Butler hat dies
als das »Etc.-Problem« bezeichnet, dass an eine möglichst vollständige
Aufzählung möglicher Differenzen immer ein etc. angehängt wird und
damit das Problem der Unendlichkeit der Kategorisierungen auf der strukturellen, aber erst recht auf der individuellen Ebene aufzeigt.3 Daher plädiere ich – mit vielen anderen4 – für eine sinnvolle Auswahl, also die Berücksichtigung der jeweils für den Untersuchungsgegenstand relevanten
Kategorien. Bei der Umtersuchung waren zentrale Kategorien für die intersektionelle Analyse die Folgenden: Geschlecht (und Altersdifferenzen
der Ehepaare), Klasse (über Faktoren wie (Aus-)Bildung, Beruf und Einkommen), Nationalität und in diesem Zusammenhang rechtliche Differenzen hinsichtlich der Drittstaatsangehörigkeit. Zudem ging die von mir als
notwendig erachtete Kategorie Aufenthaltsstatus in die Analyse mit ein.
3
4
BUTLER, Judith (1990): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity, Routledge, New York, 143.
WALGENBACH, Katharina (2007): Gender als interdependente Kategorie, in:
DIETZE, Gabriele / HORNSCHEIDT, Antje / PALM, Kerstin / WALGENBACH, Katharina (Hg.): Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Budrich, Opladen, 23–
64; DEGELE, Nina / WINKER, Gabriele (2009): Intersektionalität: Zur Analyse
sozialer Ungleichheiten, Transcript Verlag, Bielefeld; HESS, Sabine /
LANGREITER Nikola / TIMM, Elisabeth (2011): Intersektionalität revisited.
Empirische, theoretische und methodische Erkundungen, Transcript Verlag,
Bielefeld.
3
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einer Aufenthaltsehe
1.2. Kategorie Aufenthaltsstatus
Bei dieser Einteilung handelt es sich um eine staatliche Kategorisierung,
die über rechtliche Möglichkeiten und individuelle Lebenschancen bestimmt und allein deshalb berücksichtigt werden muss. In- und Exklusionen wurden lange Zeit entlang der Achse der Staatsbürgerschaft vollzogen, eine konkretere Differenzierung fand in den 1990er Jahren mit dem
Aufenthaltsgesetz 1992 statt, das unterschiedliche Aufenthaltszwecke definierte, also der Einführung eines »Klassifikations- und Selektionsprinzips«.5 Diese wurden in Folgegesetzen ab 1997 bis heute noch verfeinert
und differenzieren MigrantInnen in vielfältige Gruppen.
In meiner Arbeit habe ich aufgrund der Fülle von möglichen Aufenthaltstiteln den Aufenthaltsstatus zuerst unterteilt in (relativ) sichere (wie
z.B. unbefristeter Aufenthalt, Niederlassung) und prekäre Aufenthaltstitel
(wie z.B. befristeter Aufenthalt, vorläufiger Aufenthaltsstatus im Zulassungs- oder Asylverfahren) bzw. ohne Aufenthaltstitel, also illegalisiert.
Für meine Untersuchung war es sinnvoll, die Kategorie »Asylwerber«
herauszuarbeiten, denn die Analyse der gesetzlichen Bestimmungen zeigte, dass Ehen mit Asylsuchenden durch das Fremdenrechtspaket 2005 erschwert wurden.
Bei all diesen Kategorisierungen ist folgendes wichtig: Die staatlich getätigte Zuordnung zu einem bestimmten Aufenthaltsstatus muss nicht unbedingt dem individuellen Lebensentwurf der Person entsprechen oder gar
identitätsstiftend sein. Möglicherweise ist sie aber die beste oder einzig
denkbare Legalisierungs- bzw. Einwanderungsmöglichkeit, wie beispielsweise der Status als Ehe- oder eingetrageneR PartnerIn.
2. Rechtliche Rahmenbedingungen
2.1. Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
Seit 2006 muss nach der Eheschließung für die Erlangung eines Aufenthaltstitels ein Mindesteinkommen von aktuell 1.255 € monatlich vorgewiesen werden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist jedoch vom legalen
Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen abhängig, daher muss das Einkom5
4
ATAÇ, Ilker / KRALER, Albert (2006): Gewünschte, Geduldete und Unerwünschte, in: Malmoe, H. 33, 25.
Irene Messinger
men in der Regel allein von den österreichischen PartnerInnen erbracht
werden. Viele österreichische Frauen, z.B. eine durchschnittlich entlohnte
Arbeiterin, können dieses Einkommen trotz Vollzeitbeschäftigung nicht
erwirtschaften. Ähnlich ist die Situation in prekären Arbeitsverhältnissen
oder bei Bezug von Karenz- oder Kinderbetreuungsgeld bzw. bei Sozialleistungen allgemein. Indirekt werden damit die Ehemänner dieser Frauen
getroffen, die deshalb keinen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erhalten.
Bestimmte Drittstaatsangehörige – jene, die nicht legal eingereist sind –
müssen den Antrag auf Aufenthalt im Ausland stellen. Diese Regelung
stellt vor allem AsylwerberInnen vor teils unüberwindbare Hürden. Sie
müssen das Risiko eingehen, ihr Asylverfahren selbst zu beenden, um einen Antrag auf Aufenthalt als FamilienangehörigeR stellen zu können. Im
Herkunftsland, wo eventuell lebensbedrohliche Gefahr oder Verfolgung
drohen kann, muss die Entscheidung über den Antrag abgewartet werden.
Diese Verfahren ziehen sich teils bis zu einem Jahr hin. Zusätzliche Erschwernisse stellen ein vergebührter Mietvertrag, zusätzliche Kosten,
Deutschkenntnisse, usw. dar.
2.2. Verdacht, Kontrolle und Gerichtsverfahren
Das »Eingehen einer Aufenthaltsehe« wurde in § 117 Abs. 1 und 2 FPG
2005 erstmals als Straftatbestand beschrieben, wenn jemand seit 2005 geheiratet bzw. sich seit 2010 verpartnert hat,
»[…] ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art 8 EMRK führen zu
wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder
Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung
eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen
Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf
diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will.«6
Obwohl durch die Eheschließung unterschiedlichste Vorteile erlangt werden könnten, wurde nur der Zweck der Legalisierung bzw. Sicherung des
Aufenthaltsrechts für Drittstaatsangehörige als Aufenthaltsehe kriminalisiert. Die Strafandrohung beträgt für den österreichischen oder aufenthaltsberechtigten Ehepartner oder -partnerin eine Geldstrafe oder Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr, seit 2009 betrifft das auch den/die auslän6
§ 117 Abs. 1 und 2 FrÄG 2009.
5
Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht
einer Aufenthaltsehe
discheN PartnerIn. Diese Personen werden jedenfalls mittels Aufenthaltsverbots bestraft. Das Geständnis des Österreichers oder der Österreicherin
vor Beginn eines Verfahrens, eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein,
bedeutet deren Straffreiheit.
Allerdings gibt es kaum Verurteilungen, in meiner Untersuchung der
Wiener Gerichtsakten 2006 und 2007 führten ein Drittel zu einer Verurteilung, und diese basierten fast ausschließlich auf einem Geständnis im Gerichtsverfahren, da Aufenthaltsehen nur schwer nachweisbar sind. Dieser
Trend, mangels Nachweisbarkeit keine gerichtliche Verurteilung auszusprechen, verstärkt sich in den letzten Jahren: 2010 und 2011 wurden nur
noch jeweils 16 Personen wegen Aufenthaltsehen verurteilt.7 Dennoch
werden zahlreiche Verfahren geführt: 2009 kam es beispielsweise zu 344
Verfahren, aus denen etwa 50 Verurteilungen resultierten.
Es wird also ein großer Aufwand betrieben, um gegen Aufenthaltsehen
vorzugehen. Dazu bedarf es zunächst der Ermittlungen durch die Fremdenpolizei. Diese wählt nach der Datenübermittlung seitens der Standesämter jene Fälle aus, die primär aufgrund eines fehlenden bzw. prekären
Aufenthaltsstatus oder den Meldedaten verdächtig erscheinen. Sodann erfolgen Kontrollen durch Hausbesuche, Wohnungskontrollen und getrennte
Befragungen. Kommt die Fremdenpolizei zur Ansicht, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handelt, erstattet sie Anzeige an die Staatsanwaltschaft,
die Verfahren werden an den Bezirksgerichten geführt.
3. Mehrfachdiskriminierung
Ausgegangen wird davon, dass das Zusammentreffen unterschiedlicher
benachteiligender Faktoren sowohl die Wahrscheinlichkeit verstärkt, als
verdächtig eingestuft und kontrolliert zu werden, als auch ein Verfahren
zu haben und verurteilt zu werden. Um diese These zu prüfen, habe ich
analysiert, ob bestimmte Paarkonstellationen häufiger angezeigt bzw. verurteilt werden als der Eheschließungsstatistik zufolge vermutet werden
könnte.
7
6
Auf die Zahl der Verfahren wurde in den parlamentarischen Anfragen leider
nicht eingegangen.
Irene Messinger
3.1. Ergebnisse der Untersuchung
Im Folgenden werden die quantitativen Ergebnisse vorgestellt. Das dazu
verwendete Datenmaterial waren 98 fremdenpolizeiliche Erhebungsbögen,
welche die Wiener Fremdenpolizei zwei Monate lang 2006 zu jedem Eingreifen wegen des Verdachts auf Aufenthaltsehe ausfüllte und mir übermittelte.8 Weiters wurden in einer Vollerhebung alle Verfahren an den
Wiener Bezirksgerichten analysiert, die 2006 und 2007 wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe geführt wurden und 57 Gerichtsakten ergaben.
Unter den fremdenpolizeilichen Verdächtigungen und Anzeigen waren
etwas über 60 % Ehen zwischen Österreicherinnen und Drittstaatsangehörigen. Der Anteil stieg auf rund 70 % bei den Verfahren an den Wiener
Bezirksgerichten, auf über 80 % stieg ihr Anteil bei den Verurteilungen.
Das Geschlecht war damit der signifikante Faktor der Differenz, dies wurde zusätzlich deutlich, wenn mit der Eheschließungsstatistik 2006 verglichen wurde. Diese zeigte auf, dass der Anteil der österreichischen Männer,
die drittstaatsangehörige Frauen heirateten, bei 55 % liegt, hingegen in nur
45 % Österreicherinnen ausländische Männer aus Drittstaaten geheiratet
haben.
Besonders häufig kontrolliert wurden zudem Menschen mit geringer
bzw. formal nicht anerkannter Bildung, die unter bzw. an der Armutsgrenze leben.
Die Mehrheit der von der Fremdenpolizei kontrollierten Drittstaatsangehörigen war aus Serbien, darunter etwa gleich viele Männer wie Frauen.
An zweiter Stelle kamen Personen aus Nigeria, ganz klar männerdominiert, ebenso wie die drittstärkste Gruppe: Männer aus Bangladesh, die
zuvor einen Aufenthaltsstatus als Asylwerber innehatten.
Nicht nur die Nationalität der AusländerInnen, sondern auch der ÖsterreicherInnen war bedeutsam, und da vor allem der sogenannte Migrationshintergrund.9 Sowohl bei der fremdenpolizeilichen Kontrolle, als auch
in den Gerichtsverfahren lag der Anteil jener EhepartnerInnen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die nicht in Österreich geboren wurden, bei
rund 40 %, was ein recht hoher Anteil war, bei den Verurteilten lag er je8
9
In diesem Zeitraum wurde eine behördeninterne Schwerpunktsetzung auf »Roma« durchgeführt, was zur Verzerrung des Datenmaterials führte. Unter »Roma«
wurden serbische Staatsangehörige verstanden, denen von der Fremdenpolizei
die ethnische Zugehörigkeit zur Gruppe der »Roma« zugeschrieben wurde.
Mir ist bewusst, dass die Zuordnung mittels Geburtsland nicht ganz legitim ist,
aber es war statistisch leider nicht anders zu erfassen.
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einer Aufenthaltsehe
doch nur bei 27 %. Heranzuziehen war dazu der statistische Vergleichswert von 6 %, den diese Gruppe in der österreichischen Bevölkerung ausmacht. Diese im Ausland geborenen ÖsterreicherInnen wurden zwar von
der Fremdenpolizei kontrolliert und angezeigt, aber im Verfahren wegen
des Eingehens einer Aufenthaltsehe selbst nicht verurteilt.
3.2. Widersprüchliche Differenzen
In der Konstruktion jener Gruppe, die eine ‚Scheinehe’ eingehen würde,
könnte auf den ersten Blick jede der zuvor angeführten Kategorien als
grundlegender ‚Hauptwiderspruch’ dargestellt werden: Sowohl Klasse
würde sich dafür eignen, weil nur Angehörige unterer sozialer Klassen
verdächtigt wurden, Nationalität, weil der Verdacht nur Drittstaatsangehörige treffen kann, als auch Aufenthaltsstatus, da nur Illegalisierte einen
Aufenthaltsvorteil erheiraten wollen und nicht zuletzt Geschlecht, weil es
mehrheitlich bestimmte Geschlechterkonstellationen betraf. Hier bietet der
intersektionelle Forschungsansatz ein darüber hinausgehendes Analyseinstrument, bei dem – wie gezeigt wird – die Verwobenheit der Kategorisierungen das entscheidende Moment ist.
Geschlecht stellte die primäre Differenzkategorie bei der Selektion der
Verdächtigungen wie den Gerichtsfällen dar. Sie konnte aber nur kontextualisiert in ihrer Komplexität sichtbar gemacht werden, da sie über andere
Merkmale sozialer Positionierung wie Nationalität, Klasse und Aufenthaltsstatus abgeschwächt oder verstärkt wurde. Ich möchte das an einigen
Beispielen demonstrieren:
Hinsichtlich der Verknüpfung von Geschlecht und Klasse war festzustellen, dass dem Verdacht auf Aufenthaltsehe bei vermuteten Unterschichtsangehörigen generell eher nachgegangen wurde. Mit dem Mindesteinkommen wurde ein Ausschlusskriterium für binationale Ehen definiert, unter dem Vorwand, damit ‚Scheinehen’ verhindern zu wollen. Tatsächlich wurde durch diese Regelung das Recht auf den Aufenthalt ihrer
EhepartnerInnen für Menschen mit geringem Einkommen verhindert. Die
geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede, also niedrige Einkommen von Frauen wirkten sich indirekt auf drittstaatsangehörige Ehemänner
aus, die somit keinen Aufenthaltsstatus bekamen. Diese mehrfach diskriminierte Personengruppe stand im Verdacht, eine Ehe für den Aufenthaltsvorteil eingegangen zu sein, obwohl dieser aufgrund der erforderlichen Einkommensgrenzen gar nicht erlangt werden könnte. Die Ehe und
eingetragene PartnerInnenschaft mit Drittstaatsangehörigen wird zum
8
Irene Messinger
»Privileg« für Angehörige der Mittel- und Oberschicht. Österreicherinnen
werden zwar medial häufig als Opfer inszeniert, sind aber gegenüber den
prekär aufhältigen drittstaatsangehörigen Männern in der Machtposition,
denn nur ein Hinweis oder eine Aussage, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handelt, reicht aus, um die Person abschieben zu lassen. Besonders drastisch gestaltet sich diese Abhängigkeit auch für drittstaatsangehörige Frauen in Gewaltbeziehungen.
Im Zuge der Dissertation wurden 23 ExpertInneninterviews mit BehördenvertreterInnen geführt, konkret mit leitenden BeamtInnen in den
Fremdenpolizeibehörden Wien und Standesämtern in Wien und Niederösterreich sowie in den zuständigen Abteilungen der Bundesministerien.
Diese wurden auch nach jenen Personen gefragt, die ihrer Erfahrung nach
Aufenthaltsehen eingehen würden. Die Antworten wiederholten sich: Von
den in Österreich geborenen Österreicherinnen wurde seitens der InterviewpartnerInnen das Bild einer Prostituierten oder Drogenabhängigen
gezeichnet, das in den empirischen Daten jedoch keine Evidenz findet.
Die klassenspezifischen Ausnahmen würden laut InterviewpartnerInnen
‚überzeugte Aufenthaltsehen‘ aus politischen Gründen, Nächstenliebe
usw. aus der Mittelschicht bilden, die jedoch nicht nachzuweisen wären
bzw. wie die quantitativen Daten zeigten, auch nicht kontrolliert werden.
Hinsichtlich der Herkunft der Drittstaatsangehörigen wurde in den Interviews angegeben, dass die Ehemänner Asylwerber und Afrikaner seien,
die sowohl des ‚Missbrauchs’ der Institution Asyl als auch der Institution
Ehe verdächtigt wurden. Eine weitere Gruppe stellten jene Personen dar,
deren familiäre Netzwerke aus den Herkunftsländern der GastarbeiterInnen der 1960er Jahre stammen und nur innerhalb derer heiraten würden.
Auf diese beiden Gruppen wird im Anschluss eingegangen. Die Kategorie
Nationalität ist mit Geschlecht dahingehend verknüpft, als hier unterschiedliche Exotismen mitschwingen, welche zusätzlich mit der Kategorie
des Aufenthaltsstatus einhergehen. Auf der einen Seite werden männliche
Asylwerber als Bedrohung dargestellt und einer Aufenthaltsehe verdächtigt, andererseits entsprechen ungleiche Ehen zwischen Österreichern und
Asiatinnen nicht dem Bild einer Aufenthaltsehe. So konnte das Fehlen von
letztgenannter Gruppe in den quantitativen Daten erklärt werden. Die statistisch weitaus häufigere Konstellation der Ehen zwischen österreichischen Männern und drittstaatsangehörigen, konkret asiatischen Frauen,
trat weder in fremdenpolizeilichen noch gerichtlichen Praktiken auf. Es
wurden also von vorneherein nur jene Ehen mit einem wie oben beschrieben männlichen Asylwerber als Scheinehen verdächtigt.
9
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einer Aufenthaltsehe
Der Ausschluss durch die Kategorie Aufenthaltsstatus zeigte sich auf
struktureller Ebene, da die 2006 eingeführten Voraussetzungen Personen
ohne legalen Aufenthaltsstatus betreffen. Jedoch wirkte er sich nicht auf
alle gleich aus, denn insbesondere die erforderliche Antragstellung vom
Ausland aus zielte auf AsylwerberInnen ab. Als mögliche »Scheinehepartner« wurden zudem mehrheitlich männliche Asylwerber angeführt.
3.3. Auswirkungen von Mehrfachdiskriminierung
Es sei abschließend beispielhaft auf Ehepaare verwiesen, bei denen eine
Person die Staatsangehörigkeit Nigerias oder Serbiens hatte, denn beide
befanden sich immer wieder außerhalb der statistischen Normbereiche.
Statistisch auffällig wurden Ehen zwischen Österreicherinnen mit Männern aus Nigeria, die fast ausschließlich Asylwerber sind. Hier treffen
mehrere gesellschaftliche Diskriminierungsmomente zusammen: Nigerianer, Schwarzer und Asylwerber. Nigerianer werden in Österreich als Drogendealer stigmatisiert, es wird also nicht nur aufgrund der Herkunft diskriminiert, diese wird durch rassifizierende Zuschreibungen verstärkt. Zusätzlich erfolgt wegen des prekären Aufenthaltsstatus ein gesellschaftlicher Ausschluss auf mehreren Ebenen, etwa beim Zugang zum Arbeitsund Wohnungsmarkt. Das staatliche Interesse, diese Personengruppe auszuschließen, spiegelt sich beispielsweise darin wider, dass diese Paarkonstellation häufiger als andere vor der Eheschließung kontrolliert wird, also
im Zeitraum zwischen der Meldung vom Standesamt an die Fremdenpolizei und der geplanten Hochzeit. Der Hintergrund könnte darin vermutet
werden, dass diese Ehen eventuell noch zu verhindern seien, sei es durch
Schubhaft, Abschiebung oder Abschreckung und Einschüchterung.
Hinsichtlich der Ehen zwischen ÖsterreicherInnen (häufig serbischer
Herkunft) und SerbInnen erinnern wir uns: Sie wurden am häufigsten kontrolliert, aber verhältnismäßig selten verurteilt. Die große Zahl der Kontrollen war u.a. durch den behördeninternen »Roma«-Schwerpunkt begründet, der sich auf beide EhepartnerInnen bezog.
Öffentliche Diskurse – aber auch die Migrationsforschung – sind dominiert von der Vorstellung, dass MigrantInnen in traditionellen heterosexuellen Beziehungs- und Familienformen leben würden.10 Die verdächtigten
10
10
EREL, Umut (2007): Transnationale Migration, intime Beziehungen und BürgerInnenrechte, in: HARTMANN, Jutta / FRITZSCHE, Bettina / HACKMANN,
Irene Messinger
Ehen profitierten von diesen Bildern und der darin vermittelten Glaubwürdigkeit über ‚innerethnische‘ Ehen. Das konzentrierte behördliche
Vorgehen gegen die ethnische Gruppierung der ‚Roma’ kann als Antiziganismus interpretiert werden. Der Verdacht auf Scheinehe konnte genützt werden, um auf Personen, die aufgrund ihrer österreichischen Staatsangehörigkeit fremdenrechtlicher Kontrolle entzogen sind, erneut staatliche Macht und Kontrolle ausüben zu können.
Beide Konstellationen, also Ehen mit Nigerianern oder serbischen Roma, sind in besonderen Formen mit rassistischen Zuschreibungen verknüpft, die sich nicht nur an der Staatsbürgerschaft und dem Migrationshintergrund festmachen lassen. Angehörige ethnischer Minderheiten werden durchschnittlich fünfmal häufiger Opfer von Mehrfachdiskriminierungen.11 Wie im Bericht der europäischen Grundrechteagentur angeführt
wird, machen insbesondere die Personengruppe der Roma oder Menschen
afrikanischer Herkunft Erfahrungen von Mehrfachdiskriminierung, was
auf die Tatsache, einer ‚sichtbaren Minderheit‘ anzugehören, zurückzuführen ist.12
Die dargestellten Konstruktionen der einer Aufenthaltsehe verdächtigten Personen, welche von den VertreterInnen staatlicher Institutionen in
den ExpertInneninterviews gezeichnet wurden, konnten von den quantitativen Daten bestätigt werden. Das bedeutet, dass der staatlichkontrollierende Blick auf ebenjene Personengruppe fokussierte und damit
der Blick von anderen Gruppen abgewandt wurde, und nur jene Personen
verdächtigt wurden, die diesem staatlich konstruierten Bild entsprachen.
Diese behördlich-bürokratische Sichtweise erfuhr damit jene Bestätigung,
die sie brauchte, um weiter stereotype Bilder von ‚Scheinehe’ produzieren
zu können.
Während die binationalen Eheschließungen zwischen österreichischen
Männern und ausländischen Frauen im Jahr 2006 insgesamt um etwa 20 %
zurückgingen, sank die Zahl der von Österreicherinnen geheirateten ausländischen Männer um ganze 34 %. Ein Vergleich mit der Eheschlie-
11
12
Kristina / KLESSE, Christian / WAGENKNECHT, Peter (Hg.): Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht. VS Verlag für
Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 255.
AGENTUR DER EUROPÄISCHEN UNION FÜR GRUNDRECHTE (2010):
Mehrfachdiskriminierung. EU-MIDIS Erhebung der Europäischen Union zu
Minderheiten und Diskriminierung 05, verfügbar unter:
http://fra.europa.eu/sites/default/files/eu_midis_dif5-multiplediscrimination_de.pdf, 4.
Ibid.
11
Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht
einer Aufenthaltsehe
ßungsstatistik 2009 zeigt, dass sich diese Entwicklung fortsetzt: Die Zahl
der österreichischen Frauen, die ausländische Partner geheiratet haben, ist
weiterhin stärker gesunken als die Zahl der Österreicher, die ausländische
Frauen ehelichten. Am stärksten (um 84,8 %) ist die Zahl der Eheschließungen zwischen Österreicherinnen und Partnern aus afrikanischen Ländern gesunken.13
Die Differenz könnte als Erfolg hinsichtlich verhinderter ‚Scheinehen’
interpretiert werden. Die stark reduzierte Zahl binationaler Eheschließungen kann jedoch auch auf die restriktive Fremdengesetzgebung zurückzuführen sein: Zum einen wichen zahlreiche Ehepaare zum Heiraten ins
Ausland aus, zum anderen seien viele Ehen nicht geschlossen worden, da
die Voraussetzungen für die Ehe und den Aufenthalt des ‚Fremden’ von
den Ehewilligen nicht zu erfüllen gewesen wären.
3.4. Umgang mit erlebter Mehrfachdiskriminierung
In Österreich ist das Verbot von Diskriminierung in zahlreichen Gesetzen
festgehalten, das Gleichbehandlungsgesetz widmet sich konkret der
Gleichbehandlung in der Arbeitswelt, und weitere Bestimmungen legen
Richtlinien für Antidiskriminierung in anderen Lebensbereichen fest. Es
gibt jedoch unterschiedliche Anwendungsbereiche für verschiedene Diskriminierungsgründe, was für manche Situationen bedeutet, dass gegen erlebte Diskriminierung keine rechtliche Handhabe besteht. Wie im Folgenden gezeigt wird, können von Mehrfachdiskriminierung Betroffene ihre
Diskriminierung nicht einklagen. Auf Basis von Gesprächen mit ExpertInnen in NGOs 14 werden Vermutungen angestellt, warum dieser Rechtschutz nicht greift.
Um als Teil eines binationalen Paares Einblick in die sehr komplexe
rechtliche Situation zu bekommen, ist es hilfreich, RechtsberaterInnen oder spezialisierte NGOs zu konsultieren. Aktive Vereine in Wien (in den
Bundesländern gibt es sie kaum) sind der »Verein Fibel«, »Ehe ohne
Grenzen«, und »Helping Hands«. Nach deren übereinstimmenden Infor13
14
12
VEREIN FIBEL (2010): Binationale Eheschließungen in Österreich 2009, Wien,
verfügbar unter:
http://www.vereinfibel.at/images/stories/Binationale_Eheschlieungen_in_sterreich_2009.pdf, 5.
Die GesprächspartnerInnen waren VertreterInnen von »Ehe ohne Grenzen«, dem
Verein »Fibel« und dem Verein »Helping Hands«.
Irene Messinger
mationen wurden bisher keine Klagen eingebracht, die sich auf Mehrfachdiskriminierung beziehen würden.
Sowohl bei den Verdächtigungen seitens der Fremdenpolizei, als auch
bei den Kontrollen, handelt es sich um Formen der institutionellen Diskriminierung mehrfach benachteiligter Personen. Die Betroffenen sind jedoch meist nicht in der Lage, sich selbst rechtlich zu wehren. Wie in vielen anderen Lebensbereichen werden politische Kämpfe um Machtverteilung nicht von einzelnen Individuen ausgefochten, sondern von Gruppen,
die für ihre Anerkennung eintreten. Die Gruppe der mehrheitlich Verdächtigten, hat – von den oben angeführten sehr kleinen NGOs abgesehen –
keine Lobbygruppen oder Interessenvertretungen hinter sich, die sich für
ihre Rechte einsetzen würden. Schwierig ist es nun für Gruppen, die sich
aus mehrfach Diskriminierten zusammensetzen, da die Vielfalt möglicher
Diskriminierungsmomente kombiniert mit der Problematik, dass sich nicht
jede soziale Kategorie in einen rechtlichen Rahmen übersetzen lässt, dazu
führt, dass ein gemeinsames Vorgehen schwierig zu akkordieren ist.
Mehrfachdiskriminierungen sind wegen ihrer Vielschichtigkeit auch
von Seiten der NGOs schwer zu bekämpfen. Nicht zuletzt ist es der Staat
bzw. sind es seine Organe, die diskriminieren, und somit einen als übermächtig imaginierten Gegner darstellen. Es dominiert daher die Annahme,
dass Klagen wegen der Ungleichbehandlung im Vorgehen staatlicher Organe ohnehin ohne Erfolg bleiben würden.
Um mehrfach diskriminierten Menschen den Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, ist die Vermeidung von komplizierten
Beschwerdemechanismen von besonderer Bedeutung. Davon betroffen
sind sozial Benachteiligte, die in der Regel nicht wissen, wie sie rechtlich
gegen Diskriminierung vorgehen können oder Minderheitengruppen, die
sich erst seit Kurzem im betreffenden Land aufhalten und daher mit dem
Rechtssystem noch nicht vertraut sind. Es ist anzunehmen, dass sie sich
ihrer Mehrfachdiskriminierung nicht bewusst sind oder nicht wissen, wie
sie dagegen vorgehen können. Eine Vereinfachung der Beschwerden und
Verfahren für Mehrfachdiskriminierte kann den Rechtsschutz für Betroffene erhöhen. Gegenwärtig ist jedoch festzuhalten, dass durch die
Komplexität der verschiedenen Anwendungsbereiche und durch den geringen Informationsstand der Betroffenen zusätzliche Barrieren entstehen.
13
Mehrfachdiskriminierung von Ehen mit Drittstaatsangehörigen unter dem Verdacht
einer Aufenthaltsehe
4. Zusammenfassung
Der Beitrag hat die Auswirkung eines kurzen Paragraphen im Fremdenpolizeigesetz 2005 auf individueller wie struktureller Ebene verdeutlicht und
konnte für die Diskussion um Mehrfachdiskriminierung fruchtbar gemacht
werden. Als der Aufenthaltsehe Verdächtigte wird das Bild einer Frau aus
der ‚unteren’ sozialen Klasse gezeichnet, die einen Drittstaatsangehörigen
(z.B. Asylwerber) ehelicht. In der Praxis wird diese Konstellation häufiger
kontrolliert und gerichtlich verurteilt. Am Beispiel der beiden statistisch
auffälligen Gruppen der Ehen zwischen Österreicherinnen und Nigerianern sowie zwischen SerbInnen und eingebürgerten ÖsterreicherInnen
serbischer Herkunft konnten die unterschiedlichen Zuschreibungen und
verschieden wirkenden, diskriminierenden Faktoren aufgezeigt werden.
Der Ansatz der Intersektionalität als analytisches Werkzeug konnte
sichtbar machen, wie mittels struktureller Mehrfachdiskriminierung bestimmte Ehepaare besonders dem Verdacht einer Aufenthaltsehe durch
das Fremdenrecht ausgeliefert sind, ohne sich rechtlich wehren zu können,
denn es fehlt hier am (politischen) Willen zu einer Veränderung. Auf
rechtlicher Ebene sind effektive Beschwerdemechanismen gegen Diskriminierung aus den angeführten Gründen wünschenswert.
14