Das siebte Kreuz -6

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Das siebte Kreuz -6
Der Roman als historische Quelle
Anna Seghers
Das siebte Kreuz
Illusionäre Hoffnungen einer antifaschistischen Autorin ?
Facharbeit am Gymnasium Haren
Fachlehrer: Herr Otte
vorgelegt von:
Verena Hocke
Klasse 12/1
Haren (Ems), den 12.04.08
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ........................................................................................................................ 3
2. Die Biographie der Autorin.............................................................................................. 4
3. Inhaltsangabe des Romans ............................................................................................... 5
4. Die Intention der Autorin................................................................................................. 6
5. Darstellung des NS-Staates – kritische Überprüfung ........................................................ 7
5.1. Das Volk im Nationalsozialismus............................................................................. 7
5.1.1. Der Alltag des Volkes im Nationalsozialismus.................................................. 7
5.1.2. Die Struktur des Widerstandes in Deutschland .................................................10
5.2. Das Regime - Die Repräsentanten des Nationalsozialismus ...................................12
5.3. Die Opfer des Nationalsozialismus - Die sieben Flüchtlinge....................................15
6. Quellen und historische Bezüge ......................................................................................16
7. Zusammenfassung ..........................................................................................................18
8. Literaturverzeichnis ........................................................................................................20
9.Anhang............................................................................................................................21
Schriftliche Versicherung der selbstständigen Anfertigung .................................................23
2
1.Einleitung
Häufig, wenn man historische Romane liest und sich in die Lektüre
vertieft, scheinen die Beschreibungen, die der Autor eines Romans liefert,
zunächst so real, dass man nicht daran zweifeln mag, dass es zur
dargestellten Zeit tatsächlich so war.
Doch man sollte sich als Leser nicht dazu verleiten lassen, alles, was in
historischen Romanen geschrieben steht, als „das Wahre“ anzunehmen,
vielmehr sollte man sich die Frage stellen, inwieweit der Roman eine
Fiktion des Autors ist und inwieweit er tatsächlich die historische
Wirklichkeit darstellt.
Um dies zu überprüfen, haben wir uns das Thema „Der Roman als
historische Quelle“ als Rahmenthema für unsere Facharbeiten genommen.
Ich habe mir hierzu den Roman „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers
ausgewählt, der zur Zeit des Nationalsozialismus spielt. Anhand der
Fluchtgeschichte von sieben Häftlingen aus einem KZ stellt die Autorin
Deutschland um 1937 dar. Da Anna Seghers, wie ich erfahren habe,
Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers verlassen musste und diesen
Roman im Exil geschrieben hat, stellt sich für mich die Frage, inwieweit
das Bild, das sie in ihrem Roman von Deutschland zeichnet, realistisch ist.
Das Ziel meiner Facharbeit ist es hier, gemäß der Fragestellung zu
überprüfen, ob es nicht vielmehr „illusionäre Hoffnungen“ der Autorin
waren, die sie aus der Ferne des Exils das Bild eines „besseren“
Deutschlands zeichnen ließen. Hierzu werde ich zunächst auf die Autorin
und den Inhalt ihres Romans eingehen, um eine Basis für die
Auseinandersetzung mit der Thematik zu legen. Im Folgenden werde ich
die Intention der Autorin darlegen und schließlich ihre Darstellung des NSStaates kritisch überprüfen. Besonders wichtig halte ich es hierbei auf ihre
Darstellung
des
Volkes,
des
Regimes
und
der
Opfer
des
Nationalsozialismus einzugehen.
Die Darstellungen der Autorin werde ich mit der historischen Wirklichkeit
abgleichen und schließlich auch unter Einbezug ihrer Quellen und
verwendeter historischer Bezüge ein Fazit ziehen, inwieweit Anna Seghers
ein reales Bild von Deutschland um 1937 zeichnet und der Roman als
historische Quelle geeignet ist.
3
2. Die Biographie der Autorin1
Anna Seghers, die mit bürgerlichen Namen Netty Reiling hieß, wurde am
19.11.1900 in Mainz als einzige Tochter einer angesehenen und
wohlhabenden jüdischen Familie geboren.
Nach ihrem Studium der Kunst- und Kulturgeschichte (1920-1924) an den
Universitäten in Heidelberg und Köln heiratete sie 1925 den ungarischen
Schriftsteller und Soziologen Laszlo Radvanyi.
Sie schloss sich der Arbeiterbewegung an und trat 1928 der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Im selben Jahr
veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Aufstand der Fischer von St. Barbara“,
welches mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet wurde.
Ab 1929 engagierte Anna Seghers sich auch im Bund proletarisch revolutionärer Schriftsteller (BPRS).
Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 floh sie mit ihrer Familie über die
Schweiz nach Frankreich.
In Paris arbeitete sie dann als Redaktionsmitglied der antifaschistischen
Zeitschrift „Neue Deutsche Blätter“, die sie zusammen mit anderen im Exil
lebenden Schriftstellern in Prag herausgab. Des Weiteren nahm sie aktiv an
Versammlungen und Kongressen teil, bei denen sie immer wieder zum
Widerstand gegen Hitler aufrief.
Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich (1940) gelang es
der Familie über Marseille nach Mexiko City zu fliehen.
Während der Zeit im Exil schrieb Anna Seghers eine Vielzahl an
Erzählungen und Romanen. Zu den zentralen Themen gehörten der Kampf
der Unterdrückten und Ausgebeuteten, Faschismus, Leben im Exil und
später auch die Entwicklung in der Nachkriegszeit. Eines ihrer
berühmtesten Werke ist der Roman „Das siebte Kreuz“, an dem sie von
1937-1939 im Pariser Exil arbeitete.
1947 kehrte die Familie Seghers schließlich
aus dem Exil nach
Deutschland zurück, wo sie sich in Ostberlin niederließ.
1
Vgl. Gisela Brinker-Gabler, Karola Ludwig und Angela Wöffen (Hg.), Lexikon deutschsprachiger
Schriftstellerinnen 1800-1945. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986, S.280f. sowie
Michael Zimmer, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Erläuterungen -Interpretationen- Materialien- Hinweise zum
Unterricht. Hollfeld: Beyer-Verlag, 3 2001 (1995), S.84-92
4
Bereits im selben Jahr erhielt Anna Seghers den Georg-Büchner-Preis für
ihren Roman „Das siebte Kreuz“, 1952 wurde ihr dann der Nationalpreis
der DDR verliehen. Von 1952-1978 war sie als Vorsitzende des
Schriftstellerverbandes der DDR aktiv. Anna Seghers starb 1983 in Berlin.
3. Inhaltsangabe des Romans
Der Roman „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers spielt in Deutschland
zur Zeit des Nationalsozialismus.
Im Herbst 1937 fliehen sieben Häftlinge aus dem Konzentrationslager in
Westhofen in der Nähe von Worms.
Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Beutler, Pelzer, Belloni, Wallau,
Füllgrabe und Aldinger sowie um Georg Heisler, den Protagonisten des
Romans.
Der erste der sieben Flüchtlinge, Beutler, wird direkt nach dem Ausbruch
in unmittelbarer Nähe des KZs gefasst und auch Pelzer wird noch am
selben Tag festgenommen. Am darauf folgenden Tag stürzt sich Belloni,
von der SS in die Enge getrieben, vom Dach eines Hotels und auch Wallau
gelingt es nicht, seinen Verfolgern zu entkommen.
Die Lage im KZ in Westhofen wird unterdessen immer unruhiger und in
seiner Wut lässt der Lagerkommandant Fahrenberg anordnen, sieben
Platanen zu kappen und diese mit Querbalken zu versehen. An den so
entstandenen Kreuzen will er die Flüchtlinge innerhalb von sieben Tagen
hängen sehen.
Der Kommunist Georg Heisler, dessen Flucht im Mittelpunkt des Romans
steht, hat einen Vorort Frankfurts als Ziel, wo er Leni, eine alte
Schulfreundin, aufsuchen und um Hilfe bitten will. Er entgeht mehrere
Male knapp der Festnahme durch die Gestapo, die bereits eifrig nach den
Entflohenen fahndet. Unter anderem durch Menschen wie den Pfarrer
Seitz, die mal mehr, mal weniger bewusst seine Spuren verwischen und
insbesondere durch die Hilfe des jüdischen Arztes Dr. Löwenstein, der
Georgs Hand, die er sich bei der Flucht verletzt hat, behandelt, gelingt es
ihm schließlich, sich nach zwei harten Tagen der Flucht bis zu Leni
durchzuschlagen. Leni jedoch weist ihn aus Angst zurück und so
5
entschließt Georg zu Frau Marelli, einer Kostümschneiderin und
Bekannten Bellonis, zu gehen, die ihm Kleidung und Geld gibt.
Unterdessen werden alle, die Georg bei der Flucht helfen könnten, von
der Gestapo beschattet.
Zufällig trifft Georg auf Füllgrabe, der sich der Gestapo stellen will.
Georg hingegen lässt sich nicht überreden, sich auch zu melden, sondern
er fasst nach reiflicher Überlegung den Entschluss, sich an seinen
Jugendfreund Paul Röder zu wenden. Dieser hilft ihm, obwohl er genau
weiß, dass er dadurch auch sich und seine Familie in Gefahr bringt.
Paul Röder weiß zunächst nicht, an wen er sich wenden soll. Schließlich
bittet er jedoch seinen Arbeitskollegen Fiedler um Hilfe, der Georg
gefälschte Papiere besorgt.
Unterdessen stirbt Aldinger, auf dem Weg in sein Heimatdorf, an
Erschöpfung. Georg ist nun der einzige der ehemals sieben Entflohen, der
sich noch auf der Flucht befindet.
Letztendlich gelingt es ihm, sich nach sieben Tagen der Flucht auf einen
holländischen Frachtkahn zu retten und Deutschland so zu verlassen.
Das siebte Kreuz bleibt leer.
4. Die Intention der Autorin
Anna Seghers hatte die Absicht in ihrem Roman „Das siebte Kreuz“
Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus darzustellen. Sie wollte „in
das Innere dieser faschistischen Gesellschaft eindringen, es bloßlegen
(…)“2.
In ihrem Roman konfrontiert sie die Leser mit den Grausamkeiten des
Regimes, um ihnen klar zu machen, dass sich so etwas wie zur Zeit des
Nationalsozialismus nicht wiederholen darf.
Zugleich zeigt sie, dass nicht alle Deutschen Nationalsozialisten waren,
sondern, dass es auch „moralisch lautere Menschen gegeben hat“3.
2
Alexander Stephan, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Welt und Wirkung eines Romans. Berlin:
Taschenbuchverlag, 1997. Zit. n.: Rüdiger Bernhardt, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Königs Erläuterungen.
Hollfeld: Bange Verlag, 4 2006 (2001), S.17
3
Rüdiger Bernhardt, a.a.O., S.5
6
5. Darstellung des NS- Staates – kritische Überprüfung
Im Folgenden werde ich überprüfen, inwieweit Anna Seghers mit ihrem
Roman ihrer Absicht, ein realistisches Bild von Deutschland um 1937 zu
zeichnen, nachkommt. Da der Roman hier jedoch eine solche Vielzahl an
Details liefert, ist es notwendig sich auf die wesentlichen Aspekte des
Romans zu beschränken.
5.1. Das Volk im Nationalsozialismus
5.1.1. Der Alltag des Volkes im Nationalsozialismus
Anna Seghers verschafft dem Leser durch „ein vielfältiges Mosaik von
Szenen aus dem Alltag“4 ein Bild davon, wie sich der Nationalsozialismus
auf das Leben des einfachen Volkes auswirkte und es prägte.
Als das KZ in Westhofen errichtet wurde, waren die Bewohner des Dorfes
zunächst „beklommen“5 und hatten Mitleid mit den „armen Teufeln“6, doch
mit der Zeit gewöhnten sie sich an das KZ. Für die Jugendlichen, die das
Lager von klein auf kennen, gehört es zum Alltag und auch die älteren
Dorfbewohner finden sich mit den Gegebenheiten ab. 7
Obwohl hinter dem Mauern des KZs den Menschen Schreckliches
widerfährt, scheint auf den ersten Blick außerhalb des KZs der normale
Alltag der Bevölkerung weiterzugehen.
Dies wird im Roman besonders an dem Geschehen rund um den Hof der
Familie Marnet aufgezeigt. Franz Marnet geht wie immer seiner Arbeit in
den Höchster Farbwerken nach, man beginnt mit der Apfelernte und auch
der Schäfer Ernst lässt seine Schafe auf den Feldern weiden und scheint
ganz unbetroffen von den Veränderungen, die der Nationalsozialismus mit
sich gebracht hat.8
4
Bernhard Spies, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Grundlagen und Gedanken. Frankfurt am Main:
Diesterweg,21997, S.38
5
Anna Seghers, Das siebte Kreuz. Berlin: Aufbau Verlag, 272007 (1946), S.84
6
Ebenda
7
Vgl. Ursula Elsner, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Oldenbourg Interpretationen. München: Oldenbourg
Verlag, 1999, S.36
8
Vgl. Anna Seghers, a.a.O., S.11ff.
7
Doch dieser Schein trügt, denn „das siebte Kreuz konfrontiert den Leser
mit einer eindringlichen Schilderung, wie die totalitäre Herrschaft jenseits
der KZ Mauern funktioniert.“9
Auf den Straßen begrüßt man sich längst nicht mehr mit einem einfachen
„Hallo“, sondern die Menschen werden regelrecht zum Hitlergruß genötigt
und das überall ertönende „Heil Hitler!“ wird zur Normalität.
Das Volk soll für den Führer und seinen Staat begeistert werden, so wird
am Beispiel der Familie Röder aufgezeigt, welche Vergünstigungen die
Familien vom Staat erhalten. Paul und seine Frau Liesel „ genießen die
Unterstützung für kinderreiche Familien, die staatlichen Glückwünsche für
Liesel zur Geburt der Kinder, freie Windeln, NS -Volkswohlfahrt und Kraft
durch Freude10.“11
Obwohl Alexander Stephan der Auffassung ist, dass Anna Seghers in
ihrem Roman allzu diskret mit dem Thema Antisemitismus umgehe12,
lassen sich im Buch zahlreiche Situationen finden, die den alltäglichen
Antisemitismus aufzeigen.13
Ein Beispiel hierfür ist eine Szene, in der der Tapeziermeister Alfons
Mettenheimer ein Haus renoviert, was zuvor von Juden bewohnt war.
Der neue Mieter „ hatte alles ausräuchern lassen, was ihn an Juden
erinnerte, ein Wunsch, dem die Firma Heilbach gern entgegenkam.“14
An der Person Mettenheimers wird hier auch gezeigt, dass viele Menschen,
wie er, zwar den Antisemitismus verachten, aber genötigt sind ihn
hinzunehmen. Ihm ist der politische Anlass für die Renovierung der
Wohnung bewusst, er nimmt es aber so hin, da ihm ein Einwand seinen
Arbeitsplatz und somit seine Lebensgrundlage kosten kann. Indem er
jedoch seiner Arbeit nachgeht und das antisemitische Verhalten der
9
Bernhard Spies, a.a.O., S.38
„Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront, war die
massenwirksamste und wohl auch populärste Organisation des NS-Regimes. Im Rahmen ihrer Aktivitäten bot sie
ein umfangreiches kulturelles und touristisches Freizeitprogramm (…).Neben dem Ziel des Abbaus
„bürgerlicher“ Privilegien und der Schaffung einer Volksgemeinschaft sollten die KdF-Veranstaltungen aber
ebenso der Entspannung, der Regeneration und der Erhöhung der Arbeits- und Produktionsleistungen dienen.“
( Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hgg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus.
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 31998 (1997) , S.550)
11
Ursula Elsner, a.a.O., S.74
12
Vgl. Alexander Stephan, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Welt und Wirkung eines Romans. Berlin:
Taschenbuchverlag, 1997. Zit. n.: Ursula Elsner, a.a.O., S.34f.
13
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.35
14
Anna Seghers, a.a.O.,S.87
10
8
Anhänger
des Nationalsozialismus duldet,
dient
er
indirekt
der
nationalsozialistischen Herrschaft und wird so zum Mitläufer.15
So wie das Leben von Alfons Mettenheimer ist der Alltag vieler Menschen
im Roman von der Furcht vor dem Regime geprägt, viele schließen sich
nicht aus Überzeugung der Partei Hitlers an, sondern vielmehr um „ in
Ruhe arbeiten, heiraten und erben (zu können), was (…) sonst ohne Zweifel
unmöglich (wäre)“16.
Auch hier wird nochmals deutlich, wie auch schon Ursula Elsner
hervorgehoben hat, dass man sich mit den Gegebenheiten abfindet, weil
man scheinbar nichts dagegen tun kann, ohne sich oder seine Angehörigen
in Gefahr zu bringen. 17
Schon im ersten Kapitel wird an der Person Holzklötzchen gezeigt, wie
schnell man sich durch ein falsches Wort, das von einem Spitzel
aufgeschnappt wird, in Lebensgefahr bringen kann. Holzklötzchen wird
verhaftet und aufs Übelste zugerichtet. Laut Ursula Elsner waren solche
Denunziationen an der Tagesordnung.18
In jedem Ort, jeder Arbeitsbrigade, jedem Mietshaus und fast jeder Familie
habe es Leute gegeben, vor denen man sich in Acht nehmen musste.19
Bernhard Spies macht des Weiteren darauf aufmerksam, dass dieses
Spitzelwesen für die Machthaber sehr erfreulich gewesen sei, da solche
privaten Denunzianten nicht nur an öffentlichen Orten, sondern besonders
auch im Arbeitsleben und der Privatsphäre präsent waren, wo die offizielle
Überwachung durch die Gestapo unangebracht oder nicht möglich war.20
Neben der vorherrschenden Furcht wird jedoch auch die Euphorie für den
Nationalsozialismus, die Teile der Bevölkerung erfasst, beschrieben.
Besonders
die
Begeisterung
der
jungen
Generation,
die
im
Nationalsozialismus aufwächst, wird von Anna Seghers dargestellt.
In
dem
Roman
werde
deutlich,
so
Ursula
Elsner,
dass
die
nationalsozialistische Erziehung flächendeckend zu funktionieren scheint,
sie habe dazu geführt, „dass die jungen Leute, die immer alles besser
15
Vgl. Bernhard Spies, a.a.O. S.38
Anna Seghers, a.a.O., S.283
17
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.36
18
Vgl. a.a.O., S. 83f.
19
Vgl. a.a.O., S.94
20
Vgl. Bernhard Spies, a.a.O., S.39
16
9
wissen wollen“, jetzt nicht mehr „das Gute besser wissen wollten“, sondern
„das Böse“ besser wussten.21
Dies beschreibt die Situation im Dritten Reich sehr gut, denn schon die
Kinder und Jugendlichen wurden regelrecht mit der Weltanschauung der
Nationalsozialisten „indoktriniert“22. Nicht nur in den Schulen und
nationalsozialistischen
Erziehungsanstalten,
sondern
in
allen
Bildungseinrichtungen, die von der Gleichschaltung betroffen waren,
wurden Fahnenappelle und Rassenkunde durchgeführt.23
Alexander Stephan ist hier zwar der Auffassung, dass der Roman die
Brutalität und Radikalität der Gleichschaltung in den Dörfern zwischen
Mainz und Worms nicht in ihrer vollen Schärfe wiedergebe24, doch
trotzdem, so Ursula Elsner, komme Anna Seghers in ihrem Roman der
politischen Situation und dem Alltag des Jahres 1937 sehr nahe. 25
Auch Bernhard Spies kommt zu dem Schluss, dass nach allem was man aus
der historischen Forschung der letzten Jahrzehnte wisse, das Bild, was
Anna Seghers in ihrem Roman „Das siebte Kreuz“ vom Elend des Dritten
zeichne, nicht nur treffend, sondern erstaunlich komplett sei.26
5.1.2. Die Struktur des Widerstands in Deutschland
Eine einheitliche Widerstandsbewegung gegen die NS-Diktatur hat es in
Deutschland
nicht
gegeben.
Es
gab
zwar
sowohl
organisierte
Widerstandsgruppierungen als auch Einzelpersonen, die gegen das Regime
vorgegangen sind, diese bildeten aber eine geringe Minderheit. Kurze Zeit
nach der Machtergreifung Hitlers waren es besonders sozialdemokratische,
kommunistische und andere links orientierte Gruppen, die aktiv wurden.
Durch das Eingreifen der Gestapo und der SS wurden diese, insbesondere
die kommunistischen Widerstandsgruppen, größtenteils innerhalb der
ersten zwei Jahre nach der Machtergreifung vernichtet.27
21
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.95 sowie bei Anna Seghers, a.a.O., S. 85
Ursula Elsner, a.a.O., S.31
23
Vgl. ebenda
24
Vgl. Alexander Stephan, a.a.O. Zit. n.: Ursula Elsner, a.a.O., S.33
25
Ursula Elsner, a.a.O., S.37
26
Vgl. Bernhard Spies, a.a.O., S.40
27
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Widerstand_gegen_den_ Nationalsozialismus; 24.02.2008
22
10
Viele Widerstandsromane von kommunistischen Exilautoren, die etwa zur
gleichen Zeit entstanden wie „Das siebte Kreuz“ (1937), bieten hier
vielmehr
eine
illusorische
Beschreibung
der
kommunistischen
Widerstandsbewegung, insbesondere ihrer Organisation, so Hans Albert
Walter.28
„In den (…) geschriebenen Widerstandsromanen (…) gibt es durchweg
weit verzweigte, illegale Organisationen, geheime Zellensitzungen,
Verbindungen von Stadt zu Stadt, man liest von Flugblättern und
Betriebszeitungen, von roten Fahnen, die über Nacht auf Kirchtürmen oder
Fabrikschornsteinen angebracht wurden und es wird von Zeichen des
Widerstandes in Arbeitslagern und Fabriken, bei der SA und der
Wehrmacht berichtet.“29
Solche Ausprägungen des Widerstands hat es um 1937 jedoch kaum noch
gegeben, denn schon „ während sich das NS - Regime festigte, lichteten
sich die Reihen der Kommunisten immer schneller“30.
Dies macht auch Anna Seghers in ihren Roman deutlich, als ein
kommunistischer Häftling berichtet: „Gleich im ersten Monat der
Hitlerherrschaft hatte man Hunderte unserer Führer ermordet, in allen
Teilen des Landes, jeden Monat wurden welche ermordet.“31
Hans Albert Walter ist der Auffassung, dass sich auch an der Situation im
Roman, die Paul Röder erlebt, als er versucht, Georg Heisler zu helfen,
sehr gut erkennen lasse, dass Anna Seghers sich von illusorischen
Beschreibungen des kommunistischen Widerstands entferne. Es gestalte
sich für ihn als sehr schwer, Kontakte zu einem im illegal organisierten
Widerstand arbeitenden Kommunisten aufzunehmen. Hieraus folgert
Walter, dass nicht etwa gezeigt werden solle, wie gut getarnt diejenigen
vorgingen, die im illegalen Widerstand aktiv waren, sondern vielmehr, dass
kaum noch Verbindungen bestanden. Die Kontakte seien aufs Nötigste
beschränkt gewesen, um jeglicher Gefahr aus dem Weg zu gehen.32
Anna Seghers ist sich dieser Tatsache bewusst und macht im Roman, wie
schon Albert Walter betont hat, sehr deutlich, dass es sich für Paul Röder
als schwierig erweist, Kontakte aufzunehmen.
28
Vgl. Hans Albert Walter, Eine deutsche Chronik: Das Romanwerk von Anna Seghers aus den Jahren des
Exils. In: Anna Seghers aus Mainz. Mainz:Krach-Verlag, 1973. Zit. n.: Bernhard Spies, a.a.O., S.89
29
Ebenda
30
Wolfgang Benz, Geschichte des Dritten Reiches. München: C. H. Beck, 2000, S.118
31
Anna Seghers, a.a.O., S.164
32
Vgl. Hans Albert Walter, a.a.O., S.89
11
Paul ist verzweifelt und spricht zu sich selbst: „Wie aber kann ich denn
überhaupt einen finden? Die Schlechten verraten mich, die Guten
verstecken sich. Sie verstecken sich viel zu gut.“33
Letztendlich
gelingt
es
Röder
jedoch,
durch
die
Hilfe
seines
Arbeitskollegen Fiedler, zu den wenigen kommunistischen Parteigenossen,
die noch im Untergrund aktiv sind, Kontakt aufzunehmen, die schließlich
Papiere für Georg besorgen.
In dieser Szene wird die Hoffnung der kommunistischen Autorin
widergespiegelt: „Man war also nicht mehr in der Schwebe. Die alten
Fäden waren wieder geknüpft oder nie gerissen.“34
Hier ist es zugleich bewundernswert, dass sie in ihrem Roman trotz dieser
Hoffnung, die sie hatte, im Gegensatz zu vielen anderen kommunistischen
Autoren,
keine
unrealen
Beschreibungen
des
kommunistischen
Widerstands liefert.
Vielmehr macht sie deutlich, dass es nicht nur dem Einsatz der
Kommunisten zu verdanken ist, dass Georg Heisler gerettet wird, sondern
dem Einsatz von einfachen Leuten, wie Dr. Löwenstein und Frau Marelli,
die nicht aus politischer Überzeugung heraus, sondern vielmehr aus
Menschlichkeit handeln. 35
Auch sie, die nur eine kleine Minderheit darstellen, leisten auf diese Art
und Weise Widerstand gegen das Regime.
5.2. Das Regime - Die Repräsentanten des Nationalsozialismus
Anna
Seghers
räumt
laut
Ursula
Elsner
den
Anhängern
des
Nationalsozialismus einen Platz ein, der einer realitätsnahen Darstellung
entspreche.36
Die Brutalität und Skrupellosigkeit Hitlers Regimes wird beispielhaft
anhand des Verhaltens des Lagerkommandanten Fahrenberg dargestellt.
Nach der Flucht der sieben Häftlinge setzt dieser alles daran, die
Entflohenen zu ergreifen. Die Suche entwickelt sich zu einer regelrechten
33
Anna Seghers, a.a.O., S.323
a.a.O., S.355
35
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.74
36
Vgl. a.a.O., S.89
34
12
„Jagd“37. Die Flüchtlinge werden von den Nationalsozialisten nicht als
Menschen, sondern als Beute betrachtet. Dies wird besonders daran
deutlich, wie der Flüchtling Belloni von ihnen
in die Enge getrieben
wird.38
An den einzelnen Verhören, die Fahrenberg ansetzt, insbesondere an dem
Verhör von Wallau39, der am dritten Tag nach der Flucht aus dem KZ
gefasst
wird,
zeigt
Anna
Seghers
dem
Leser
auf,
dass
die
Nationalsozialisten nicht nur physische Gewalt anwenden. Schon an ihrer
Befragungstechnik wird deutlich, dass sie regelrechten
Psychoterror
betreiben und so versuchen, denjenigen den sie verhören zu manipulieren40
und ihm mit „berechnender List und intelligenter Skrupellosigkeit“41
Informationen zu entlocken.
Schließlich lässt Fahrenberg in seinem Zorn über die gelungene Flucht
sieben Platanen kappen und zu Kreuzen errichten.42 An diese will er die
wieder eingefangen Flüchtlinge binden, um sie zu erniedrigen und die
anderen KZ Insassen abzuschrecken.
Fahrenberg
stellt
laut
Michael
Zimmer
einen
gesellschaftlichen
Menschentypus dar, der durch Kriegserfahrung und –gewöhnung nicht den
Weg ins bürgerliche Leben gefunden hat. Er orientiere sich an autoritären
Idealen und suche in der NS-Bewegung Halt und Sinn für sein
gescheitertes Leben.43
Auf dieses Motiv weist auch Ursula Elsner hin:
„Unzufriedenheit, Lebensangst und innere Leere trieben viele (wie auch
Fahrenberg, Anm. d. Verf.) schon vor 1933 in nationalsozialistische
Kampforganisationen wie den „Stahlhelm“, wo sie das Sozialprestige
erlangen konnten, was ihnen als Angehörigen der Mittelschicht oft versagt
blieb.“44
Fahrenbergs Allmachtphantasie, seine Lust, Macht und Herrschaft über
andere auszuüben werde angesichts der Flucht fragwürdig. 45
37
Anna Seghers, a.a.O., S.86
Vgl. a.a.O., S.104 ff.
39
Vgl. a.a.O., S.181 ff.
40
Vgl. Bernhard Spies, a.a.O., S.37
41
Michael Zimmer, a.a.O., S.42
42
Vgl. Anna Seghers, a.a.O., S.146
43
Vgl. Michael Zimmer, a.a.O., S.38f.
44
Ursula Elsner, a.a.O., S.91
45
Vgl. Michael Zimmer, a.a.O., S.38
38
13
Schließlich gelingt es Fahrenberg nicht, Georg Heisler wieder einzufangen
und seine gelungene Flucht wird so zu Fahrenbergs Niederlage.
Häufig wird daher die gelungene Flucht als Zeichen der Schwäche des
Faschismus gedeutet46, sie scheint somit auch die Schwäche des Regimes
darzustellen. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, wird im Roman daran
deutlich, dass Fahrenberg, der Schwäche gezeigt hat, mitsamt der
kompletten Lagerleitung abgesetzt wird47, da das Regime keine Schwäche
duldet.
Die Autorin macht durch die gelungene Flucht und
Niederlage des
Lagerkommandanten Fahrenbergs zwar deutlich, dass sie die Hoffnung
hatte das der Nationalsozialismus überwindbar ist48, dass sie jedoch zu dem
Zeitpunkt, als sie den Roman schrieb (1937-39), an ein Ende des
Nationalsozialismus glaubte, ist unwahrscheinlich, da zu dieser Zeit kein
baldiges Ende der Hitlerherrschaft absehbar war.
Dies hat auch schon Inge Diersen betont:
„Die geglückte Flucht des einen zeigt an, dass die Macht der
Herrschenden nicht so total ist wie ihr scheinbar bestätigter Anspruch. Sie
signalisiert nicht sich bereits vollziehende Veränderung, sondern
Veränderbarkeit.“49
Zudem wird im Roman ein neuer Lagerkommandant eingesetzt,
Sommerfeld. Dieser ist im Gegensatz zu Fahrenberg kein unberechenbarer
Schläger, sondern ein Stratege.50
Dieser Vorgang verweist laut Bernhard Spies vielmehr auf eine generelle
Entwicklung des Nationalsozialismus nach der Machtergreifung:
„Die „Kämpfer“51 werden zu „kalten“ Funktionären des zunehmend
institutionalisierten Gewaltapparats oder sie werden abgelöst. Der
nationalsozialistischen
Gleichschaltung
aller
staatlichen
und
gesellschaftlichen Institutionen entspricht eine institutionelle Verfestigung
der faschistischen Bewegung. Damit ist die Stunde der kalkulierenden
Opportunisten gekommen, welche die verschiedenen Funktionen des
faschistischen Staates vom Folterknecht bis zum Schreibtischtäter als
46
Vgl. Rüdiger Bernhardt, a.a.O., S.87
Vgl. Anna Seghers, a.a.O., S.407
48
Vgl. Rüdiger Bernhardt, a.a.O.,S.87
49
Inge Diersen, Anna Seghers: Das siebte Kreuz. In: Weimarer Beiträge 18, 1972,H.12, S.110. Zit. n.: Bernhard
Spies, a.a.O., S.67
50
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.90
51
Alte Kämpfer nannte man die Angehörigen der NSDAP, der SS, SA und anderer Verbände, die bereits vor der
Machtergreifung 1933 für den Nationalsozialismus gekämpft hatten. (vgl. Wolfgang Benz, Hermann Graml und
Hermann Weiß (Hgg.), a.a.O., S.539)
47
14
ebenso viele Karrierechancen betrachten und in dieser Karriere einen
guten Grund für ihre Mittäterschaft sehen.“52
Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, wie unter anderem Ödon von
Horváth, der in seinem Roman „Jugend ohne Gott“ ( 1937) die
Nationalsozialisten aus eigener Ablehnung gegen das NS – Regime heraus
charakterisiert und hierbei als einzigen vorstellbaren Grund für das
„Mitmachen“ und die Anpassung an die NS – Herrschaft die Identifikation
mit dem Faschismus sieht, nennt Anna Seghers, wie besonders an der
Person Fahrenberg deutlich wird, Motive für die Hinwendung zum
Nationalsozialismus. Sie versucht das Verhalten der Nationalsozialisten
nachzuvollziehen, ohne dieses jedoch zu billigen. 53
Hier wird nochmals deutlich, dass Anna Seghers eine differenzierte und
wirklichkeitsgetreue Darstellung der Nationalsozialisten anstrebt.
5.3. Die Opfer des Nationalsozialismus - Die sieben Flüchtlinge
Die sieben Flüchtlinge kommen aus verschiedenen sozialen Schichten. Sie
stehen repräsentativ für die Opfer des Nationalsozialismus.
Georg Heisler wurde verhaftet, weil er im kommunistischen Widerstand
aktiv war, ebenso Wallau, der kommunistischer Funktionär und
Reichstagsabgeordneter der KPD war. Beutler, der Lebensmittelverkäufer,
wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft festgenommen und Belloni, der
Zirkusartist, weil er Kontakte zur französischen Künstler-Loge unterhielt.
Aldinger, der ehemalige Bürgermeister von Unterbuchenbach, gelangte
durch Intrigen des jetzigen Bürgermeister Wurz ins KZ und Füllgrabe
aufgrund eines Devisenvergehens. 54
Die im Roman angedeutete Häftlingsklientel entspreche der zweiten Phase
der Entwicklung der Konzentrationslager, die in drei Etappen verlief, so
Ursula Elsner.55
52
Bernhard Spies, a.a.O., S.36
Vgl. a.a.O., S.59f.
54
Vgl. Ursula Elsner , a.a.O., S.83 sowie Michael Zimmer, a.a.O., S.23 ,S.32ff.
55
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.83
53
15
„Ging es bei der Errichtung der Lager ab 1933 in erster Linie um die
Ausschaltung der politischen Opposition (Kommunisten, Sozialdemokraten,
Gewerkschafter), so kamen ab 1937 weitere missliebige Personengruppen
hinzu ( Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, oppositionelle Geistliche, so
genannte Asoziale)(…).“56
Die sieben Flüchtlinge lassen aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkünfte
und der unterschiedlichen Gründe für ihre Inhaftierung darauf schließen,
dass die nationalsozialistische Diktatur ihre Gleichschaltungspolitik radikal
durchsetzte.57
An den Flüchtlingen soll beispielhaft gezeigt werden, dass potentiell jeder
vom Regime bedroht wurde. Das eigene Leben war in Gefahr, sobald man
aus irgendwelchen Gründen, seien dies politische, rassische, religiöse oder
andere, der NS-Macht als verdächtig erschien. 58
Weiterhin entspreche das Scheitern von sechs Fluchtversuchen der
politischen Situation von 1937. Anna Seghers liefere somit eine
ungeschönte Wirklichkeitsdarstellung.59
6. Quellen und historische Bezüge
Anna Seghers, die ihren Roman „Das siebte Kreuz“ im Pariser Exil
schrieb, ließ sich von Flüchtlingen die Zustände in ihrem Heimatland
schildern und
hielt
Briefkontakt
zu Bekannten, um so
genaue
Informationen über die Situation in „ Nazideutschland“ zu erhalten. Ihre
lokalen und territorialen Kenntnisse, die sich im Buch wieder finden
lassen, erhielt sie aus Gesprächen, insbesondere mit Lore Wolf60, die Anna
Seghers Auskünfte über ihre Heimatstadt Frankfurt gab. Anna Seghers
stützte sich bei ihren Schilderungen auch auf den Bericht „Four weeks in
the hands of Hitler´s hell hounds. The Nazi murder camp of Dachau.“ des
KPD–Zentralkomitee-Mitglieds Hans Beimler
sowie auf den des
Sozialdemokraten und Reichstagsabgeordneten Gerhard Seghers mit dem
56
Hans Berkessel, Begleitheft zur Ausstellung „Ehemaliges KZ Osthofen“. Landeszentrale für politische Bildung
Rheinland-Pfalz, Mainz, 1996 . Zit. n.: Ursula Elsner, a.a.O., S.83
57
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.83
58
Vgl. Michael Zimmer, a.a.O., S.36
59
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.141
60
Lore Wolf war Mitglied der illegalen Bezirksleitung der Roten Hilfe in Hessen (1933/34) und arbeitete später
für die Flüchtlingshilfe in Frankreich sowie in der Schweiz. ( vgl. a.a.O., S. 165)
16
Titel „Oranienburg. Erster authentischer Bericht eines aus dem
Konzentrationslager Geflüchteten“. Weiterhin gab es, als die Autorin mit
dem Schreiben ihres Romans begann, schon zeitgenössische Romane wie
„Die Moorsoldaten“ (1935) von Wolfgang Langhoff und „Die Straße“
(1936) von Jan Petersen, an denen sie sich orientieren konnte.61
Die Idee mit den Kreuzen beruht auf einer wahren Begebenheit. Ein
Flüchtling hatte Anna Seghers davon berichtet, wie ein KZ – Häftling an
ein solches gebunden wurde.62
Des Weiteren bezog Anna Seghers ihre Informationen aus einer
umfangreichen Sammlung von Zeitungsausschnitten, Fotografien, Büchern
und Schriften aus dem Internationalen Antifaschistischen Archiv des
Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris. Die Tatsache, dass es für
viele der im Roman geschilderten Begebenheiten Entsprechungen in
Pressemeldungen gibt, zeigen laut Ursula Elsner Anna Seghers´ Anspruch
auf Authentizität.63
Zudem bestehen viele Parallelen zwischen den Biografien der im Roman
vorkommenden Figuren und realen Personen. Es lassen sich für fast alle
Romanfiguren Entsprechungen in der Wirklichkeit finden. Die Flucht des
Protagonisten ähnle der Flucht des bekannten Mainzer Rechtsanwalts Max
Tschornicki, die wie die Flucht Georg Heislers von solidarischen Aktionen
begleitet wurde. Im Gegensatz zu Georg gelang ihm die Flucht jedoch
nicht, sondern er wurde 1942 in Frankreich von der Gestapo gefasst und
später im Konzentrationslager in Dachau ermordet. Es sei nicht
unwahrscheinlich, dass sein spektakulärer Ausbruch Anna Seghers als
Modell diente, da sie über Zeitungsartikel und Emigrantenberichte davon
Kenntnis gehabt haben müsste. Dem Westhofener Lagerkommandanten
Fahrenberg entspreche der in Osthofen geborene Karl d´Angelo. Nach
seinem Einsatz als Vizefeldwebel im 1.Weltkrieg machte er Karriere in der
NSDAP. Er war zunächst Lagerleiter und wurde später Führer der
Schutzhaftabteilung im KZ Dachau. Auch er wurde später wie Fahrenberg
als Lagerleiter abgesetzt.64
61
Vgl. a.a.O., S.28
Vgl. Christa Wolf (Hg.), Anna Seghers: Glaube an Irdisches. Essays aus vier Jahrzehnten. Leipzig: Reclam
Verlag, 1974, S.367. Zit. n.: Ursula Elsner, a.a.O., S.28
63
Vgl. Ursula Elsner, a.a.O., S.34.
64
Vgl. a.a.O., S.39
62
17
Eine weitere historische Parallele findet sich auch zu der Flucht des
Flüchtlings Wallau. Dieser sollte nach der Flucht Unterschlupf in der
Gartenlaube der Familie Bachmann finden, doch Otto Bachmann, der ein
Gestapo–Spitzel war, verrät Wallau, der schließlich verhaftet wird. Ähnlich
waren die Umstände der Verhaftung des KPD-Vorsitzenden Ernst
Thälmann 1933. 65
Ernst Thälmann sollte sich ins Ausland absetzen um von dort aus die
Arbeit für die KPD fortzusetzen. Bis zu seiner Abreise hatte ihm die Partei
eine illegale Unterkunft in Berlin-Charlottenburg beschafft. Thälmann
hielt, obwohl er wusste, dass es für ihn gefährlich war, den Kontakt zu
seinen Zentralkomitee-Genossen und schließlich führte dies und der Verrat
des Kassiers der Gartenkolonie „Havelblick“, Hermann Hilliges, zu seiner
Verhaftung am 3.März 1933.66
7. Zusammenfassung
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Anna Seghers in ihrem Roman „ Das
siebte Kreuz“ dem Leser ein sehr realitätsnahes Bild von Deutschland um
1937 präsentiert. Sie wollte keinesfalls die Verhältnisse in Deutschland
beschönigen, sie wusste um die Lage und gab sich nicht der Illusion eines
„besseren“ Deutschlands hin. Vielmehr versuchte sie aus dem Exil, soweit
es ihr möglich war, die Situation in Deutschland
realitätsgetreu
aufzuzeichnen.
Anhand der sieben Flüchtlinge, von denen schließlich nur einem einzigen
die Flucht gelingt, zeigt sie ganz deutlich, wie schwer es war, aus
„Nazideutschland“ zu entkommen. Die gelungene Flucht Georg Heislers ist
nur ein winziger Hoffnungsschimmer in Anbetracht der Tatsache, dass die
anderen sechs Flüchtlinge sich nicht ins Ausland retten können. Zudem
macht die Autorin in ihrem Roman ganz deutlich, dass die Flucht des einen
schon das Äußerste war, was zu diesem Zeitpunkt unter den Umständen in
Deutschland möglich war und sie liefert somit eine unbeschönigte
Wirklichkeitsdarstellung. Des Weiteren kommen auch ihre Beschreibungen
des Alltags im Nationalsozialismus und der Struktur des Widerstands,
65
66
Vgl. Michael Zimmer, a.a.O., S.49f.
Vgl. Hannes Heer, Thälmann. Hamburg: rororo Monographien, 1975. Zit. n.: Michael Zimmer, a.a.O., S.50
18
sowie die Darstellung des Regimes und der Opfer der historischen
Wirklichkeit sehr nahe. Hier ist es sehr beeindruckend, dass es der Autorin
anhand der Flucht, die auf einem sehr knappen Handlungszeitraum von
sieben Tagen beschränkt ist, gelingt dem Leser so tiefe Einblicke in die
nationalsozialistischen Verhältnisse zu geben. Auch die Tatsache, dass
Anna Seghers, die selbst aktive Kommunistin war, in ihrem Roman den
kommunistischen Widerstand nicht verherrlicht, sondern trotz ihrer
eigenen Hoffnungen die Schwierigkeiten erkennt, zeigt, dass sie sich
keinen Illusionen hingibt. Besonders bewundernswert finde ich, dass die
Autorin eine wirklichkeitsgetreue und differenzierte Darstellung der
Nationalsozialisten anstrebt, obwohl ihre Biographie zeigt, dass sie als
kommunistische Jüdin selbst eine von vielen war, die vom Regime bedroht
wurde und daher flüchten musste.
Zudem lassen sich auch durch etliche belegbare historische Bezüge und die
Verwendung zuverlässiger Quellen sagen, dass die Autorin in ihrem
Roman der historischen Wirklichkeit sehr nahe kommt und dieser somit
einen hohen historischen Quellenwert hat. Es handelt sich bei ihren
Beschreibungen somit nicht um illusionäre Hoffnungen.
19
8. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Seghers, Anna, Das siebte Kreuz. Berlin: Aufbau Verlag, 29 2007 (1946)
Sekundärliteratur
Benz, Wolfgang/Graml, Hermann/Weiß, Hermann (Hgg.), Enzyklopädie des
Nationalsozialismus. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 31998 (1997)
Benz, Wolfgang, Geschichte des Dritten Reiches. München: Beck Verlag,
2000
Bernhardt, Rüdiger, Anna Seghers: Das Siebte Kreuz: Königs Erläuterungen
und Materialien. Hollfeld: Bange Verlag, 3 2006 (2001)
Brinker-Gabler, Gisela/Ludwig, Karola/Wöffen, Angela (Hgg.), Lexikon
deutschsprachiger
Schriftstellerinnen
1800-1945.
München:
Deutscher
Taschenbuch Verlag, 1986
Elsner,
Ursula,
Anna
Seghers:
Das
siebte
Kreuz:
Oldenbourg
Interpretationen. München: Oldenbourg Verlag, 1999
Spies, Bernhard,
Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Grundlagen und
Gedanken. Frankfurt am Main: Diesterweg, 21997
Zimmer, Michael, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Erläuterungen Interpretationen- Materialien- Hinweise zum Unterricht. Hollfeld: BeyerVerlag, 3 2001 (1995)
Internetadressen
http://de.wikipedia.org/wiki/Widerstand_gegen_den_Nationalsozialismus;
24.02.08
20
9.Anhang
Politische Situation und Alltag im Nationalsozialismus
Quelle: Ursula Elsner, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Oldenbourg Interpretationen.
München: Oldenbourg Verlag, 1999
21
Quelle: Bernhard Spies, Anna Seghers: Das siebte Kreuz: Grundlagen und
Gedanken. Frankfurt am Main: Diesterweg,1997, S.
Der Titelholzschnitt von Leopard Méndez für die erste deutschsprachige
Buchausgabe von „ Das siebte Kreuz“, die in dem mexikanischen Exilverlag
El libro erschien.
22
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