One Among the Others

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One Among the Others
One Among the Others
Sculptures and Groups by Rochus Lussi
A line c a n be cha r ted through the histor y of modern sc ulpt ure,
pa r tic ula rly in f ig urative wood sc ulpt ure . It ’s c a lled primitivism. 1 It wa s initiated by Paul Gaug uin, who not only wa s inspired
by the inhabit a nt s of Ta hiti a nd the Ma rque sa s I sla nds a nd their
my ths, but a lso oriented his for ma l tool in f ig urative a r t to their
for m. The line c a n be f ur ther traced – a lbeit in simplif ied ter ms
– to Pablo Pic a sso a nd Ernst Ludwig K irchner, both of whom were
st rongly in f luenced by A fric a n sc ulpt ure . In the 1980s the thread
wa s t a ken up aga in by a r tist s who rever ted to the primeva l cha rac ter of indigenous a r t : for exa mple, by Georg Ba selitz with his
roughly hewn a nd pa inted f ig ure s or by Josef Feli x Müller, whose
f ig ure s c a r ved out of tree tr un k s sugge st a prehistoric huma n
condition shaped by sexua lit y a nd violence (Fig. 1) .
When Rochus Lussi discovered his own sc ulpt ura l la ng uage in the
A b b . 1 – J o s e p h Fe l i x Mü l l e r, Fe l i x , 19 8 3 , P r i v a t s a m m lu n g
f irst ha lf of the 199 0s, he continued in this line of tradition. This
c a n be seen in one of his ea rlier, la rger work s completed in 1994 ,
which illustrate s a primeva l death rit ua l (Fig. 2) . Three huma ns,
t wo men a nd one woma n, a re st a nding na ked before a corpse . Unnat ura lly elongated, the f ig ure s appea r a s upright columns with
la rge paddle -shaped ha nds a nd ha irle ss heads ; from a fa r they a re
reminisc ent of the monument a l sc ulpt ure s on Ea ster I sla nd. The
corpse – a lso na ked – is rec umbent on the ground, a lready slightly su n ken. H is ha nds a re cla sped a round his erec t penis. Image s
of vit a lit y a nd death a re conjoined in a f ina l st ate of torpidit y.
“It wouldn’t surprise me if the old ma n’s ha nd had made one la st
feeble at tempt at gra sping his orga n before he died,” 2 wrote Germa n a r tist A nton R äderscheidt, reference to whom will be made
aga in later. Lussi’s f ig ure s prac tising this prehistoric rit ua l (or
is it more a rit ua l out side this rea lm of time ) a re a ll a like . Two
ye a rs later this likene ss will evolve into multiplic ation. The a r tist will have cha nged his medium, work ing now with woodc utting , which – a lthough t wo - dimensiona l – is agnate to sc ulpt ure
(Fig. 3) . Aga in we see a ma n a nd a woma n, with slender limbs re sembling the f ig ure s in the pla stic inst a llation. In ter ms of st yle,
there is a lso a simila rit y in his use of for ms. Fac simile s of the
couple – with the woma n’s sex clea rly depic ted a nd the ma n’s pe nis erec t – a re repeated a s a pat tern on the wa lls of the exhibition
ha ll. They for m a n orna ment, which appea rs to propagate it self
endle ssly in a ll direc tions.
Contemporary works
From the multit udinous to one . Or rather to t wo. The sc ulpt ure
entitled “Junge Frau” (Fig. 4) , completed in 1997, wa s c a r ved direc tly f rom the tree -tr un k : initia lly with a power saw, then with
a n a xe, a chisel a nd a ra sp, until she st a nds before us somewhat
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Die Eine und die Anderen
Skulpturen und Gruppen von Rochus Lussi
Es gibt eine Linie in der Ge schichte der modernen Skulpt ur, insbe sondere der f ig urativen Hol z sk ulpt ur. Sie heisst Primitivismu s. 1 A n ihren A n fa ng k a nn ma n Paul Gaug uin stellen, der au f
Ta hiti u nd au f den Ma rque sa s-I nseln nicht nur die Bewohner und
ihre My then zum Thema seiner Ku nst machte, sondern auch seine pla stischen For m f indu ngen a n ihrem Ge st a lten orientier te .
Der St ra ng lä sst sich – verein facht betrachtet – zu Pablo Pi­c a s­so
u nd Er nst Ludwig K irchner weiter ver folgen, die beide von der
A b b . 2 – R o c hu s L u s s i , O h n e T it e l , 19 9 4
a f rik a nischen Sk ulpt ur st a rk beein f lusst wa ren. In den 80er Ja hren de s letzten Ja hrhu nder t s wird der Faden von Künstlern wie der au fgenommen, die au f da s Ur t ümliche der St a mme skunst zur ückg reifen : et wa von Georg Ba selitz mit seinen grob behauenen
u nd g rob bema lten Fig uren oder von Josef Feli x Müller, de ssen
au s Baumst ä mmen ge schlagene Ge st a lten au f einen vorzivilisatorischen, von Sexua lit ät u nd Gewa lt gepräg ten Zust a nd de s
Menschen ver weisen (Abb. 1) .
A ls Rochu s Lu ssi in der ersten H ä lf te der 9 0er Ja hre zu einem
eigenst ä ndigen bildhauerischen Scha f fen fa nd, pa r ti zipier te
er a n die ser Traditionslinie . Eine f r ühe grosse A rbeit, die 1994
A b b . 3 – R o c hu s L u s s i , O h n e T it e l , 19 9 6 ,
j e P a a r 23 0 x 6 0 c m
­e nt st a nden ist, zeig t zum Beispiel ein urzeitliche s Totenrit ua l (Abb. 2 ) . Drei nackte Menschen, zwei Mä nner und eine Frau,
stehen stelengleich vor einem L eichna m. Die Fig uren sind unnat ürlich gelä ng t, haben g rosse paddelför mige Hä nde und k a hle
Köpfe, die von Fer ne a n die monument a len Skulpt uren au f den
Osterinseln erinner n. Der eben fa lls nackte Tote ist au f die Erde
gebet tet, in die er schon ein wenig einge sun ken ist . Seine H ä nde umschlie ssen da s erigier te Glied. Die Bilder von Vit a lit ät und
Tod verbinden sich in einer letzten Erst a rr ung. «Es w ürde mich
nicht w under n, wenn der sterbende Greis a ls letzte schwache
H a ndbeweg u ng einen Versuch machte, sein Ge schlecht steil zu
erg reifen» 2 , schrieb der deut sche Künstler A nton R äderscheidt,
von dem noch die Rede sein wird. Lu ssis Fig uren, die die se s vorzeitige R it ua l bet reiben (oder ist e s nicht viel eher ein R it ua l
au sserha lb der Zeit) , gleichen sich a lle . Zwei Ja hre später wird
au s der Ä hnlich keit eine Ver viel­fachung. Da s Medium hat der
Kü nstler gewechselt . Er a rbeitet nu n mit dem Hol z schnit t, der
– wenngleich zweidimensiona l – der Skulpt ur we sensver wa ndt
ist (Abb. 3) . Wieder sehen wir einen Ma nn und eine Frau, die mit
ihren schla n ken Glieder n ä hnlich au fge schossen sind wie die Fig uren der pla stischen I nst a llation. Ä hnlich stilisier t ist auch die
For mensprache . Da s Pa a r, die Frau mit deutlich ma rk ier tem Ge schlecht u nd der Ma nn mit steifem Penis, ver vielfä ltigen sich a ls
R appor t au f den Wä nden de s Au sstellungssa a ls. Sie bilden ein
Or na ment, da s sich r u ndher um endlos for tzupf la n zen scheint .
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stif f, slightly sma ller tha n life -si ze, with a r ms at her side s a nd
legs pa ra llel. The lower por tion of the tr un k from which she wa s
t a ken ser ve s a s the ba se of the f ig ure . She is wea ring a red V-neck
top, white trousers a nd black shoe s. The wood is rougher where
clothe s a re depic ted, the use of tools clea rly evident . The sk in
appe a rs somewhat smoother, a nd the a r tist ’s use of colour more
det a iled : the red of her lips, her eyebrows a nd her eye s, look ing
serenely into the dist a nce – or at us.
A lthough the title indic ate s one woma n, the work is ac t ua lly comprised of t wo women : one woma n is clothed, one is nude . The exposed f ig ure st a nds on the sa me ba se adjacent to the clad f ig ure .
She is the exac t counterpa r t, except for the fac t that her head is
t ur ned to the right : the sa me woma n, por trayed in t wo dif ferent
ways. Bet ween 1997 a nd 20 0 0 a n entire serie s of double f ig ure s
wa s c re ated.
A b b . 4 – R o c hu s L u s s i , Ju n g e Fr a u , 19 9 7, 1 4 0 c m
The work “Mädchen” (Fig. 5) , which wa s created one yea r a f ter
“Ju nge Frau”, follows the sa me principle, but is now sma ller. The
t wo f ig ure s mea sure only 70 centimeters, including the ba se on
which they st a nd. Their mere physic a l pre sence ha s thus been re duc ed in si ze . However, they a re a ll the more strik ing due to the
ju xt aposition : clad a nd na ked. In addition, the dif ferent treatment of their polished sk in a nd the somewhat coa rser medium
a re a llowed to emerge more clea rly.
A distinctive feature of Lussi’s portrayals is their contemporane ous content. The young girl is wearing blue trousers and a dark top.
She could be seen out on the street, at the cinema or kiosk. Even
when nude, the effect is neither archaic nor erotic. Her nudit y is a s
commonplace a s her attire, revealing nothing more about her than
when she is clothed. It is a s if the girl had just stepped out of the
bath. The young woman is not a different person in the portrayals
– but rather the duplication of her self. More surprising is perhaps
the fact that she appears t wice on the same ba se, like a t win sister,
rather than the fact that she is once nude and once clad.
“My work dea ls with the nat ura l por traya l of the huma n f ig ure,”
write s Rochus Lussi, “the huma n being in ever yday life . The huma n being dea ling with ever yday life .” 3 Oddly enough, it is pre cisely the medium of wood sc ulpt ure – seemingly so prede stined
for the por traya l of the nat ura l during the la st cent ur y – with
which the a r tist lends his f ig ure s their unmist a k able contempo ra rine ss. The simplicit y of the a r tist ’s treat ment of his f ig ure s,
not ably incongr uous with sc ulpt ure per se, corre sponds with the
ordina rine ss of the huma n f ig ure s por trayed by him. Other a r tist s might c apt ure this a spec t with modern mea ns, such a s with
the c a mera or video c a mera .
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Von heute
Von den Vielen zu der Einen. Oder eigentlich zu zweien. Die Skulp t ur «Ju nge Frau» (Abb. 4) von 1997 ist direkt aus dem Baumst a mm
geholt : a m A n fa ng mit der Motorsäge, da nn mit dem Beil, dem
Meissel, der R a spel. Bis sie et wa s steif vor uns steht, ein wenig unterlebensg ross, die A r me a ngeleg t, die Beine pa ra llel. Der untere
Teil de s St a mms, au s dem sie gelöst w urde, bildet den Sockel der
Fig ur. Sie t räg t ein rote s Ober teil mit V-Ausschnit t, weisse Hosen
u nd schwa rze Schu he . Wo K leider sind, ist da s Hol z ein bisschen
g röber bela ssen ; e s zeig t den Einsatz der Werk zeuge deutlich. Wo
wir H aut sehen, ist die Be a rbeit u ng ausgefeilter, und die Bemalu ng geht mehr ins Det a il : da s Rot der Lippen, die Augenbrauen
u nd die Augen, die r u hig in die Fer ne (oder au f uns) blicken.
Einma l ist die Frau a ngezogen, einma l ist sie nackt . Da s entblösste Penda nt steht au f einem gleichen Sockel neben der Bek leide ten. Sie nimmt eine ä hnliche H a lt u ng ein, nur der Kopf ist nach
recht s gewa ndt . Es ist die selbe Frau, die in zwei Zust ä nden ge -
A b b . 5 – R o c hu s L u s s i , M ä d c h e n , 19 9 8 , 7 0 c m
zeig t wird. Zwischen 1997 u nd 20 0 0 ent steht eine ga n ze Reihe
solcher Doppelf ig uren.
Die beiden «Mädchen» (Abb. 5) , die ein Ja hr nach der jungen Frau
ge scha f fen w urden, folgen dem gleichen Prin zip, sind aber k leiner geworden. Mit sa mt dem Sockel, au f dem sie nun gemeinsa m
stehen, me ssen sie gerade noch 70 Zentimeter. Ihre schiere physische Prä sen z wird dadurch zur ückgenommen. Die Gegenüberstellu ng der beiden – a ngezogen u nd nackt – gewinnt im engen
Nebeneina nder da f ür a n Präg na n z. Deutlicher trit t nun auch die
u nterschiedliche Be a rbeit u ng von gleichsa m polier ter H aut und
dem et wa s raueren Stof f zut age .
Wa s a n Lu ssis Da rstellu ngen au f fä llt, ist ihr Gegenwa r t sgeha lt .
Da s Mädchen t räg t eine blaue Hose und ein dun k le s Ober teil.
Ma n könnte ihm au f der St ra sse begegnen, vor dem K ino, a m K iosk. Auch wenn e s nackt ist, hat e s nicht s A rcha ische s a n sich und
k aum et wa s Erotische s. Seine Nacktheit ist so a llt äglich wie sein
A ngezogensein ; a ls wä re da s Mädchen eben der Badewa nne entstiegen. Es gibt entblösst nicht mehr von sich preis a ls bek leidet .
Die ju nge Frau zeig t in den beiden Zust ä nden nicht ein A ndere s
– eher schon die Verdopplu ng ihrer selbst . Und ma n w under t sich
vielleicht eher da r über, da ss sie zweima l, zwillingsschwe sterngleich, au f demselben Sockel steht, a ls da ss sie einma l nackt und
einma l a ngezogen ist .
«Es geht », schreibt Rochu s Lu ssi, «um die schlichte Beha ndlung
der Ge st a lt Mensch. Mensch im A llt ag. Mensch mit A llt ag.» 3 Ge rade im Medium der Hol z sk ulpt ur, die im letzten Ja hrhunder t
f ür die Da rstellu ng von Urspr ü nglichem so präde stinier t schien,
gela ng t der Kü nstler zu einer dezidier ten Gegenwä r tigkeit . Die
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I n 1999, a f ter Rochus Lussi had been work ing on his double f igure s for t wo yea rs, he encountered a n extensive group of work s
by Stepha n Ba lkenhol for the f irst time . It must have been ext remely a stonishing to discover that a nother sc ulptor had been
pursuing such a simila r path since the mid-1980s. I f Lussi’s above ­m entioned “Junge Frau” were placed next to Ba lkenhol’s “Pa a r ”
(Fig. 6) , completed in 1998, the propinquit y of the for ma l solutions could not be overlooked. The Ger ma n a r tist a lso c a r ve s his
f ig ure s direc tly from a tree tr un k, which in t urn for ms the ba se .
He a lso implement s colour. Essentia lly, his men a nd women a re
ju st a s u nspec t ac ula r, clad in a shir t a nd trousers, a blouse a nd
t rou sers or a simple dre ss. A nd sometime s they a re nude . Nat ura lly, there a re a lso dif ference s : Ba lkenhol’s treat ment of the surfac e is coa rser, more a ng ula r, a nd the facia l expre ssions of his f igure s appea r more unifor m. There is one point, however, in which
Lu ssi’s work pa r tic ula rly a sser t s it self, a distinc tion a lready ap pa rent in his ea rly work s a nd ultimately pre sented a s a coherent
A b b . 6 – S t e p h a n B a l k e n h o l , P a a r, 19 9 8 , Fi r m a W i e l a n d ,
Pforzheim
solution with his double f ig ure s : his autonomy. The huma n being
is por t rayed through his duplic ation a nd reproduc tion.
The masses
Thir t y-seven women converge in a n inst a llation ; it is the sa me
woma n thir t y-seven time s (Fig. 7) . She is wea ring a red top a nd
black t rousers – thir t y-si x time s. A nd one woma n, st a nding in
the middle, is nude . The women a re about to t a ke a step, a s if ap proaching one a nother. One ha nd is out stretched. Severa l women
a re g reeting one a nother, severa l a re touching their neighbour
– a lmost intimately – on the a r m or shoulder. For severa l this ge st ure is extended into emptine ss. A ll appea r to be seek ing – a nd
somewhat lost – in this group of counterpa r t s. But who is meeting whom in this work, which is entitled “Begegnungsst ät te I I” ?
What sor t of encounter is t a k ing place here ? A nd what is the nude
woma n doing a midst the clad f ig ure s ?
Above a ll, the women a re encountering themselve s. The scene is
reminisc ent of a ha ll of mirrors, in which one’s own image is re f lec ted dozens of time s. I f viewed in psychologic a l ter ms, it could
a lso be sa id that the work addre sse s a huma n’s inevit able conf ront ation with the self – day a f ter day.
There is a hint of public display with the double f ig ure s, the co existenc e of the sa me f ig ure, the sa me girl a nd the sa me woma n,
though it could a lso be men. They coexist on the sa me ba se (or
the sa me space on the f loor) , por traying the sa me person in t wo
for ms. I n contra st, the la rge group por trays a scene, depending
on the pa r tic ula r ac tion or movement, sugge sting perhaps a cho reog raphic requisitioning of doll-like f ig ure s for da nce or a perfor ma nc e . In ter ms of the development of Lussi’s work, the nude
a midst the clothed women could be interpreted a s a ve stige of his
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schlichte Be a rbeit u ng der Fig uren, der jede bildhauerische Ge ste f remd ist, kor re spondier t dabei mit der A llt äglich keit der von
ihm gezeig ten Menschen. A ndere Kü nstler w ürden so et wa s vielleicht mit den moder nen Mit teln de s Fotoappa rat s oder der Video ­
k a mera fe stha lten.
1999, a ls Rochu s Lu ssi schon seit zwei Ja hren a n seinen Doppelf ig uren a rbeitete, begeg nete er erst ma ls einer grösseren Werkg r uppe von Stepha n Ba lkenhol. Da s Erst aunen muss gross ge we sen sein, da ss ein a nderer Bildhauer seit den mit tleren 80er
A b b . 7 – R o c hu s L u s s i , B e g e g nu n g s s t ä t t e I I , 2 0 0 2 ,
N i dw a l d n e r Mu s e u m , S t a n s
Ja hren einen so ä hnlichen Weg be schrit ten hat wie er selber.
Stellt ma n et wa da s vorher bet rachtete Werk «Junge Frau» neben
Ba lkenhols «Pa a r » (Abb. 6) von 1998, so spring t die Ver wa ndtscha f t der ge st a lterischen L ösu ngen ins Auge . Auch der deut sche
Kü nstler a rbeitet seine Fig uren au s dem St a mm heraus, der wie der um den Sockel bildet . Auch er fa sst sie fa rbig. In erster Linie
sind seine Mä nner u nd Frauen aber ebenso unspekt a kulä re A llt agsmenschen, die Hose u nd Hemd, Hose und Bluse oder ein einfache s K leid t ragen. Und ma nchma l sind sie nackt . Es gibt nat ürlich auch Unterschiede : Ba lkenhols Beha ndlung der Ober f lächen
ist k a ntiger, fa sriger, u nd seine Fig uren scheinen in der Physiog nomie einheitlicher. Vor a llem aber behauptet Lussis Werk in
einem Pu n kt, der im Fr ü hwerk bereit s a ngeleg t ist und in den
Doppelf ig uren zu einer ersten stimmigen L ösung gebracht w urde, seine Eigenst ä ndigkeit . Der Mensch wird in seiner Verdopp lu ng u nd Ver vielfachu ng gezeig t .
Die Masse
37 Frauen begeg nen sich, e s ist 37-ma l die selbe Frau (Abb. 7) .
Sie t räg t ein rote s Ober teil u nd schwa rze Hosen – 36 -ma l. Und
eine, die mit ten in der Gr uppe steht, ist nackt . Die Frauen sind
in einem Schrit t beg rif fen, gehen au feina nder zu. Die H a nd ist
au sge st reckt . Einige g r ü ssen sich, einige ber ühren ihre Nachbarin – ver t raulich fa st – a m A r m oder a n der Schulter. Bei einigen
geht die Ge ste ins L eere . Suchend wirken sie und et wa s verloren
in der Gr uppe der Gleichen. Doch wer trif f t in die sem Werk, da s
mit «Begeg nu ngsst ät te I I» betitelt ist, au f wen ? Wa s f ür Begegnu ngen f inden st at t ? Und wa s macht die Nackte unter a ll den Be k leideten ?
Vor a llem t ref fen die Frauen au f sich selber. Die Szene erinner t a n
ein Spiegelk abinet t, in dem da s eigene Bild sozusagen dutzendfach au f einen zur ückgewor fen wird. Wollte ma n psychologisch
a rg umentieren, könnte ma n auch sagen, da ss da s Werk die unau sweichliche Kon f ront ation de s Menschen mit sich selbst – Tag
f ür Tag – zum Thema hat .
Bei den Doppelf ig uren hat te da s Nebeneina nder der gleichen
Fig ur, de sselben Mädchens u nd derselben Frau, e s können auch
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double f ig ure s. More impor t a ntly, however, is the fac t that she is
ma rked by a minor, intrig uing dif ference . A lthough the inst a llation involve s the sa me woma n per for ming the sa me ac tion, she is
the va ria nt a midst the ma sse s of her duplic ate s.
German sociologist Siegfried Kracauer formulated a description
of the employee for the f irst time in 1929. He wa s not referring to
the proletariat, which had been the previous focus of analytical
and ideological discourse, but rather a new middle-cla ss employee
who una ssumingly shapes the semblance of modern cities in off ices, department stores, cinema s and amusement centers. The
characteristic feature may possibly be uniformit y. According to
Kracauer, “Employees live today in ma sses, whose existence [�����
...��]
ha s a ssumed an increa singly standardised character. Uniform
A b b . 8 – A n t o n R ä d e r s c h e i d t , S t r a s s e n s z e n e , u m 19 3 1 ,
P r iv a t b e s it z
working conditions and collective contracts determine the calibre
of existence [���������������������������������������������������������
...������������������������������������������������������
] . All of these inevitabilities have led undisputedly
to the evolvement of a specif ic norm regarding salespeople, executives, stenographers, etc. [������������������������������������������
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] .” And : “ There is a conformit y in language, clothing, gestures and physiognomies [ ...���
������
] .”4
A r tist A nton R äderscheidt from Cologne, who wa s mentioned
brief ly e a rlier, depic ted this st a nda rdised cha rac ter of the
­W eima r Republic . He developed the “ma n with the bowler hat ”,
a s he c a lled him, in his pa intings at the beginning of the 1920s.
Towa rds the end of that dec ade a nd in the ea rly 1930s – the sa me
time that K rac auer put for th his a na lysis of the employee – the
f ig ure repre senting the nor m of the urba n populace appea red in
R äderscheidt ’s work s with increa sing frequenc y (Fig. 8 ) . Apa r t
f rom minor dif ference s, such a s in the pat tern of the coat, it is
a lways the sa me ma n (incident a lly, a st yli zed image of the a r tist himself ) who populate s urba n space s, seen at time s from the
f ront, at time s from behind. A nd at his side is a lways the sa me
woma n (a n image of his wife Ma r t a Hegema nn) . 5
The reproduc tion of the sa me protot ype in both the sociologist ’s
a na lysis a nd the a r tist ’s pa intings signif y modern- day life . In
1988, this wa s a lso c apt ured in a contempora r y pla stic work by
K atha rina Frit sch, who placed 32 identic a l life -si ze polye ster
f ig ure s of a young ma n lined up in for mation at a t able (Fig. 9 ) .
A s if “requisitioned by a n ut terly relentle ss, st a nda rdised rea lit y, a s the ‘ma ss orna ment ’ inc a rnate,” st ated Bice Curiger, in
bor rowing the title of Sieg fried K rac auer ’s fa mous e ssay of 1927. 6
Rochu s Lussi’s “Begegnungsst ät te I I” a lso sugge st s this fa lling
in line . I n ret urning to the que stion posed at the st a r t, what or
with whom the women in the multiple -f ig ured inst a llation were
ac t ua lly encountering : they a re encountering not only their own
selve s, but a lso the per va sive cha rac ter of the ma sse s a s rega rds
huma n existence in today ’s societ y.
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Mä nner sein, et wa s Exposéha f te s. I hr Zusa mmensein au f demselben Sockel (oder au f dem Boden) stellte zwei For men derselben
Person da r. Die g rosse Gr uppe hingegen zeig t, vor a llem durch
die H a ndlu ngs- u nd Beweg u ngsmotive beding t, eine Szene . Ma n
könnte auch von einer puppenha f t ge stellten Ta n z- oder Bewe g u ngs- Choreog raphie sprechen. Die nackte Frau inmit ten der be k leideten lä sst sich au s der Ent wick lung von Lussis Werk a ls ein
Überbleibsel der Doppelf ig uren le sen. Wichtiger ist aber, da ss sie
eine k leine spa nnu ngsvolle Dif feren z ma rk ier t . Sie ist, obwohl e s
sich um die gleiche Frau bei der gleichen Tätigkeit ha ndelt, die
A ndere in der Ma sse der Gleichen.
Der deut sche Soziologe Sieg f ried K rac auer be schrieb 1929 erstma ls den Menschent yp de s A nge stellten. Es ha ndelt sich dabei
eben nicht um den Prolet a rier, der bereit s fr üher im Zentr um de s
a na ly tischen u nd ideologischen Diskurse s st a nd, sondern um einen neuen Mit telst a ndst yp, der u nau f fä llig da s Ge sicht der mo der nen St ädte in Büros, in K au f häu sern, in K inos und Vergnü-
A b b . 9 – K a t h a r i n a Fr it s c h , T i s c h g e s e l l s c h a f t , 19 8 8 ,
Mu s e u m f ü r M o d e r n e K u n s t , Fr a n k f u r t a . M . ( D a u e r l e i ­
gabe der Dre sdner Ba n k)
g u ngspa lä sten präg t . Sein vielleicht be stimmende s Merk ma l ist
seine Unifor mier theit : «Die A nge stellten», so K rac auer, «leben
heute in Ma ssen, deren Da sein [ ... ] mehr und mehr ein einheitliche s Gepräge a nnimmt . Gleich för mige Ber u fsverhä ltnisse und
Kollektiv ver t räge bedingen den Zu schnit t der Existen z [ ... ] . A lle
die se Zwa ngsläu f igkeiten haben u nstreitig zur Herau f kun f t ge wisser Nor ma lt ypen von Verk äu ferinnen, Kon fektionä ren, Ste not ypistinnen u sw. gef ü hr t [ ... ] .» Und : «Sprache, K leider, Ge bä rden u nd Physiog nomien gleichen sich a n [ ... ] .» 4
Der Kölner Kü nstler A nton R äderscheidt, der schon einma l kurz
er wä hnt w urde, hat die sen Nor ma lt yp der Weima rer Republik zur
Da rstellu ng gebracht . Da s Bild de s «Ma nne s mit steifem Hut »,
wie er ihn na nnte, ent wickelte er zu Beginn der 20er Ja hre . Gegen
Ende de s Ja hrzehnt s u nd in den f r ü hen 30er Ja hren, a lso just a ls
K rac auer seine A na lyse der A nge stellten vorleg te, ver mehr te sich
der g rossst ädtische Nor mbewohner in R äderscheidt s Werken
dutzend fach (Abb. 8 ) . Abge sehen von k leinen Dif feren zen, et wa
im Mu ster de s Jacket t s, ist e s der immergleiche Ma nn (übrigens
ein stilisier te s Bild de s Kü nstlers selbst) , der die St adtla ndscha f t
zwischen H äu serschluchten u nd Fa hr wegen bevölker t . Ma l von
hinten, ma l von vor ne ge sehen. Und a ls Penda nt ist ihm die immergleiche Frau zur Seite ge stellt (ein Bild seiner Gat tin Ma r t a
Hegema nn) . 5
Die Ver vielfachu ng de sselben Protot yps ist in der A na lyse de s So ziologen ebenso wie in der Bildwelt de s Künstlers ein Signum de s
moder nen L ebens. Eine zeitgenössische pla stische For mulier ung
fa nd hier f ür K atha rina Frit sch, die 1988 32 identische lebensg rosse Polye ster-Fig uren eine s ju nge s Ma nne s in Reih und Glied
a n einen Tisch setzte (Abb. 9 ) . Von einer «gnadenlosen, gleich17
It is intere sting to note that technic a lly, the proce ss of creating
the 37 f ig ure s a lso ref lec t s their contempora neous content : most
of it is automated. Lussi for med the f irst f ig ure from wood with
the c ra f t sma nship of a woodc a r ver. This protot ype wa s then digit a lly sc a nned into a CNC machine a nd shaped by machine . A s is
the c a se with ever y item in industria l produc tion, the number
of replic a s is e ssentia lly optiona l. The woma n with the red top
wa s reproduced 36 time s. At this point, however, the ma nua l
proc e ssing begins. Through minor a r tistic interpositions, the
A b b . 1 0 – R o c hu s L u s s i , B e g e g nu n g s s t ä t t e I I I , 2 0 0 3
wood f ig ure s a re slightly a ltered. For inst a nce, with the women
in the “Begegnungsst ät te” it is the position of the heads or the
out st retched ha nds, which va r y in height . A nd one rema ins unclothed. The addition of colour to the sc ulpt ure s is exec uted by
the a r tist ma nua lly, a ll the while at tempting to keep the pa inted
sur fac e s a s unifor m a s possible, however. Viewed in it s entiret y,
the produc tion procedure is cha rac terised by a sequence of ma nua l a nd automated st age s. While the ma nua l proce ss lends the
f ig ure s the cha rac ter of a wood sc ulpt ure produced in a cla ssic a l
ma nner, the mecha nic a l provide s for the economic a lly ef f icient
reproduc tion of the f ig ure s.
A b b . 1 1 – R o c hu s L u s s i , H e r z e n , 2 0 0 3
Rochu s Lussi ha s created va rious work s comprised of multiple
f ig ure s with this procedure in recent yea rs. In the “Begegnungs­
st ät te I I I” (Fig. 10 ) , completed in 20 03 , there a re 57 young boys
– either sobbing or wa iling. They vacillate bet ween individua l
pa in a nd collec tive grief. The group entitled “Herzen” (Fig. 11)
f rom the sa me yea r shows 180 huma n orga ns which, depending on
the ma nner of pre sent ation, a re reminiscent of a medic a l display
c a se or – even more gr ue some – a stock of body pa r t s, more likely
collec ted for disposa l tha n for tra nspla nt ation. 7
The work entitled “Liegende” (Fig. 1 2) wa s completed in 20 04 . It
is not dif f ic ult to ma ke out the model from which the 50 f ig ure s
were inspired : the pa inting of “ The Body of Christ in the Tomb”
(1521) by H a ns Holbein the Younger. But while Holbein por trays
a n emaciated, broken body of Christ – without doubt, we a re
st a nding before a corpse – Lussi’s f ig ure s indic ate a tra nsitiona l
st age, one which c a nnot be completely re solved. Moreover, a de g ree of a mbig uit y exist s a s to whether the reclining f ig ure s a re
sleeping or dead. With this group, which wa s aga in reproduced by
machine, Lussi depic ted the individua l feat ure s of the single f igure s in g reater det a il tha n with the work s mentioned previously.
A lthough a ll a re lying in a shrine -like display, the diversit y of the
individua ls por trayed is much more extensive . A mong the f ig ure s
a re you ng white men, with a nd without a bea rd, black s, women
of dif ferent age s a nd with dif ferent ha ir colour. It is a s if huma ns
f rom a ll nations, c ult ure s a nd generations had converged in this
u ncommon place of re st . Or doe s it sugge st something more ega lit a ria n in nat ure, in that death is the mut ua l lin k ?
18
för migen Re a lit ät », die sich in die sem «Orna ment der Ma sse »
verkörpere, sprach Bic e Curiger in A nlehnung a n einen a nderen
Text von Sieg f ried K rac auer. 6 Auch Rochus Lussis Werk «Begegnu ngsst ät te I I» lä sst sich in die se Reihe stellen. Und um au f die
einga ngs ge stellte Frage zur ück zu kommen, au f wen oder wa s die
Frauen in der vielf ig urigen I nst a llation eigentlich trä fen : Sie be geg nen sich selbst ; sie begeg nen aber auch dem Ma ssencha ra kter
der menschlichen Existen z in der modernen Ge sellscha f t .
I ntere ssa nter weise spiegelt der technische Ent stehungsproze ss
A b b . 1 2 – R o c hu s L u s s i , L i e g e n d e , 2 0 0 4
der 37 Fig uren ihren Gegenwa r t sgeha lt wieder : Er ist in grossen
Teilen automatisier t . Die erste Fig ur hat Lussi mit a ller Kunst fertigkeit de s Schnitzers au s dem Hol z geholt . Die ser Protot yp wird
in einer CNC-Ma schine digit a l abget a stet und ma schinell nachgef rä st . Wie bei jedem St ück der indu striellen Produ ktion ist die
A n za hl der Kopien im Gr u nde beliebig. Die Frau mit dem roten
Ober teil w urde 36 -ma l reprodu zier t . A n die sem Pun kt setzt wie der die ha ndwerk liche Be a rbeit u ng ein. Durch k leine Eingrif fe
werden die Hol zf ig uren leicht verä nder t . Bei den Frauen der «Be geg nu ngsst ät te » ist e s et wa die Kopf ha lt ung oder die zum Gr uss
au sge st reckte H a nd, die u nterschiedlich hoch geha lten ist . Und
eine wird ent k leidet . Die fa rbige Fa ssung der Skulpt uren wird
vom Kü nstler ma nuell au sgef ü hr t ; er achtet a llerdings da rau f,
da ss die Bema lu ng möglichst einheitlich ist . Betrachtet ma n den
ge sa mten Produ ktionsproze ss, so zeichnet er sich durch eine Ab folge von ha ndwerk lichen u nd industriellen A rbeit sschrit ten
au s. Der ha ndwerk liche A nteil gibt den Fig uren da s Gepräge einer
k la ssisch herge stellten Hol z sk ulpt ur; der ma schinelle sorg t f ür
die a rbeit sökonomisch optimier te Ver vielfachung der St ücke .
Mit die sem Ver fa hren hat Rochu s Lussi in den letzten Ja hre verschiedene mehr teilige A rbeiten ge scha f fen. In der «Begegnungsst ät te I I I» (Abb. 10 ) von 20 03 sind e s 57 weinende oder ja mmernde
Ju ngen. Sie schwa n ken zwischen individuellem Schmerz und
kollektiver Trauer. Die Gr uppe der «Herzen» (Abb. 11) aus demselben Ja hr zeig t 180 menschliche Orga ne, die je nach A r t der Präsent ation a n eine medi zinische Schausa mmlung oder – schauerlicher noch – a n ein Lager von L eichenteilen erinnern ; eher zur
Ent sorg ung a ls zur Wieder ver wer t ung durch Tra nspla nt ation
be stimmt . 7
Die Arbeit «Liegende» (Abb. 1 2) st a mmt von 20 04 . Unschwer ist
da s Vorbild zu den 50 Fig uren auszumachen. Es ist da s Gemälde «Der L eichna m Christi im Grabe» von Ha ns Holbein d.J., 1521
ent st a nden. Doch wä hrend der Körper von Holbeins Christ us ge schunden und ausgemergelt ist – wir also zweifelsohne vor einer
L eiche stehen –, ha lten Lussis Fig uren eine nicht ga n z auf lösbare
Zwischensit uation. Es lä sst sich eigentlich nicht ent scheiden, ob
die Liegenden schla fen oder ob sie tot sind. Bei die ser Gr uppe hat
19
Set free
Fif t y women a re f lying (Fig. 13) , a scending the wa lls or f loating at
the c eiling – with f lut tering brown trousers a nd billowing white
blou se s. Their ha ir is playing in the wind. They do not have wings ;
they appe a r to be holding themselve s a lof t with their a r ms, which
a re st retched either upwa rd or sidewa rd, or held close to the body.
The multiple, adjacent placement of the f ig ure s conjure s up a se quenc e of movement s a s they f loat a lmost ef for tle ssly, a s if def ying the force of gravit y. Though they re semble a f lock of a ngels,
they a re indeed of this world.
There is a shor t f ilm, about one minute in leng th, which illust rate s Lu ssi’s work. 8 It is summer. Somewhat sha k ily, the c a mera
pa ns the scene at the ra ilway st ation of a sma ll town. We see the
na me of the town on the st ation sign, the st ation building a nd
pa ssers-by. A nd she is st a nding there inconspic uously at the k iosk, by accident : a young woma n wea ring a black sk ir t a nd white
blou se . I n her ordina rine ss, her physic a l pre sence not withst a nding , she could have originated from one of the a r tist ’s work s (or
more likely have modelled for one of his sc ulpt ure s) . We follow
the c a mera through the underground pa ssageway to the st ation.
Here below a re the f ig ure s f loating at the ceiling , f if t y f ig ure s
aga inst a blue background. The woma n out on the street . The
woma n at the k iosk. Rochus Lussi ha s set them free .
Ulrich Gerster
1A
la n G. Wilk inson : Gauguin to Moore. Primitivism in Modern Sculpture, exh. c at., A r t Ga ller y of
O n t a r i o , To r o n t o 19 8 1 ; A l a n G . W i l k i n s o n : D e r P r i m i t i v i s m u s i n d e r m o d e r n e n S k u l p t u r, i n : S k u l p t u r i m
2 0 . J a h r h u n d e r t , e x h . c a t . , M e r i a n - P a r k , B a s e l 19 8 4 , p . 3 3 – 4 4 .
2A
n t o n R ä d e r s c h e i d t : A u s d e m Ta g e b u c h ( f r o m 19 6 6 ) , t y p o s c r ip t , H i s t o r i c a l A r c h i ve o f t h e c it y o f
Colog ne, p. 1 1.
3 R o c hu s L u s s i : S k i z z e n b u c h , M a nu s c r ip t , 2 1 Ju n e 19 9 9 .
4S
i e g f r i e d K r a c a u e r : D i e A n g e s t e l l t e n . A u s d e m n e u e s t e n D e u t s c h l a n d , Fr a n k f u r t a . M . 19 7 1 ( f i r s t
p u b l i s h e d i n 19 2 9 ) , p . 2 5 a n d 6 5 .
5U
lr ich Gerster : “ Der Mann mit steifem Hut und die hunder tprozentige Frau . Anton Räderscheidts Männeru n d Pa a r b i l d e r d e r z w a n z i g e r J a h r e ”, t y p o s c r ip t , t h e s i s , Un i ve r s it y o f Z u r i c h 19 9 0 ; G ü n t e r H e r z o g :
A n t o n R ä d e r s c h e i d t , C o l o g n e 19 9 1 ; U l r i c h G e r s t e r : “. . . u n d d i e h u n d e r t p r o z e n t i g e F r a u ”. A n t o n
R ä d e r s c h e i d t 1 9 2 5 – 1 9 3 0 , i n : K r i t i s c h e B e r i c h t e , 2 0 t h i s s u e , N o . 4 , 19 9 2 , p . 4 2 – 6 3 ; A n t o n R ä d e r s c h e i d t ,
e x h . c a t . , e d . b y We r n e r S c h ä f k e a n d M i c h a e l Eu l e r- S c h m i d t , J o s e f- H a u b r i c h - K u n s t h a l l e , C o l o g n e
19 9 3 .
6B
ic e C u r i g e r : Ir re c o n c i l a bl e i n S p a c e . Ho w S o m e o f K a t h a r i n a Fr i t s c h ’s Wo rk G e t s Un d e r Yo u r S k i n , i n :
K a t h a r i n a Fr i t s c h , e x h . c a t . , e d . b y Iwon a Bl a z w ic k , Ta t e Mo de r n , L ondon / St ä nde h a u s , D ü s s e ldor f ,
L ondon 2 0 0 2 , p. 79 . The a ut hor m a k e s re fe re n c e t o Sie g f r ie d K r a c a ue r ’s D a s O r n a m e n t d e r M a s s e ( 19 27) ,
i n : D a s O r n a m e n t d e r M a s s e . E s s ays , Fr a n k f u r t a . M . 19 7 7, p. 5 0 – 6 3 .
7A
g a i n a r e f e r e n c e i s m a d e t o o n e o f K a t h a r i n a Fr it s c h’s p l a s t i c w o r k s : “ Wa r e n g e s t e l l m it G e h i r n e n”
( 19 8 9 ) , s h o w i n g a d i s p l a y o f c o mp a r a b l e hu m a n o r g a n s .
8R
o c hu s L u s s i : “ Fl i e g e n d e i n S c hü p f e n”, 2 0 0 5 , V i d e o ( 1’1 1’ ’ ) . T h e s h o r t f i l m c a n b e v i e we d a t
w w w. r o c hu s lu s s i . c h .
20
Lussi die individuelle Bea rbeit ung der Ein zelf ig uren, die immer
auf die ma schinelle Produktion der Kopien folg t, weiter getrie ben a ls in den bisher betrachteten Werken. Zwar liegen im schrein­
a r tigen Ge stell a lle gleich da, e s wird aber eine Vielfalt von Individuen gezeig t, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Junge
weisse Mä nner sind da r unter, mit und ohne Bar t, Schwarze, Frauen mit verschiedenen Ha a r fa rben und von verschiedenem Alter.
Es ist, a ls w ürden a n die sem selt sa men Schla fplatz Menschen aller Lä nder, Kult uren und Generationen zusammenkommen. Oder
ist e s doch der grosse Gleichmacher Tod, der sie verbindet ?
A b b . 13 – R o c hu s L u s s i , Fl i e g e n d e , 2 0 0 5
Losgelöst
50 Frauen f liegen (Abb. 13) . Sie f liegen a n den Wä nden empor oder
sie schweben a n der Decke – mit f lat ternden braunen Hosen und
bau schigen weissen Blu sen. I hr H a a r spielt im Wind. Flügel haben sie nicht ; sie scheinen sich eher mit ihren A r men in der Lu f t zu
ha lten. Bei einigen sind sie nach oben oder seitlich ausge streckt,
bei a nderen eng a n den Körper geleg t . Da s vielfache Nebeneina nder der Stellu ngen imaginier t den Ablau f der leichten Beweg ung.
Fa st mü helos scheint ihr Tu n, wie wenn die Schwerk ra f t au fge hoben wä re . Sie gleichen einer engelha f ten Scha r und sind doch
ga n z von die ser Welt .
Es gibt einen k leinen Film, et wa eine Minute la ng , der Lussis A rbeit zeig t . 8 Es ist Sommer. Die K a mera schwen kt et wa s ver wackelt
über den Ba hnhofsplatz einer Or t scha f t . Wir sehen da s St ationsschild, da s Ba hnhofsgebäude, Pa ssa nten. H ier steht sie a m K iosk
– zu fä llig. Eine ju nge Frau in schwa rzem Rock und weisser Bluse .
Sie könnte in ihrer u nau f fä lligen A llt äglich keit, die dennoch von
körperlicher Prä sen z gepräg t ist, einem Werk de s Künstlers entspr u ngen sein (oder eher : f ür eine seiner Skulpt uren Modell ge st a nden haben) . Wir folgen der K a mera in die Ba hnunter f ühr ung.
H ier u nten a n der Decke schweben die Fig uren, 50 -fach au f blauem Gr u nd. Die Frau von der St ra sse . Die Frau a m K iosk. ­Rochus
Lu ssi lä sst sie f liegen.
Ulrich Gerster
1V
gl. A la n G. Wilk inson : Gauguin to Moore. Primitivism in Modern Sculpture, Ausst.-Kat., A r t Ga ller y of
O n t a r i o, To r o n t o 19 8 1 ; A l a n G . W i l k i n s o n : D e r P r i m i t i v i s m u s i n d e r m o d e r n e n S k u l p t u r, i n : S k u l p t u r i m
2 0 . J a h r h u n d e r t , A u s s t . - K a t . , M e r i a n - P a r k , B a s e l 19 8 4 , S . 3 3 – 4 4 .
2 A nt on R ä de r s c he idt : Au s d e m Ta g e b u c h ( a b 19 6 6 ) , Ty p o sk r ip t , H i s t or i s c he s A rc h iv de r St a dt Köl n , S . 1 1 .
3 R o c hu s L u s s i : S k i z z e n b u c h , M a nu s k r ip t , 2 1 . Ju n i 19 9 9 .
4S
i e g f r i e d K r a c a u e r : D i e A n g e s t e l l t e n . A u s d e m n e u e s t e n D e u t s c h l a n d , Fr a n k f u r t a . M . 19 7 1 ( E r s t ve r ö ff e n t l i c hu n g 19 2 9 ) , S . 2 5 u . 6 5 .
5V
g l . Ul r ic h G e r s t e r : « D e r M a n n m i t s t e if e m Hu t u n d d i e h u n d e r t p ro z e n t ig e Fra u . An t o n R ä d e rs c h e i d t s
M ä n n e r - u n d Pa a rb il d e r d e r z wa n z ig e r Ja h re , Ty p o sk r ipt , L i z e nt i a t s a r b e it , Un ive r sit ä t Zü r ic h 19 9 0 ;
Gü nt e r He r z o g : An t o n R ä d e rs c h e i d t , Köl n 19 9 1 ; Ul r ic h G e r s t e r : « . . . u n d d i e h u n d e r t p ro z e n t ig e Fra u ». An t o n
R ä d e r­s c h e i d t 19 2 5 – 19 3 0 , i n : K r i t i s c h e B e r i c h t e , 2 0 . Jg. , H . 4 , 19 9 2 , S . 4 2 – 63 ; An t o n R ä d e rs c h e i d t , Au s s t .K at . , h g. von We r ne r S c h ä f k e u nd M ic h a e l Eu le r- S c h m idt , Jo s e f- H a ubr ic h - Ku n s t h a l le , Köl n 19 9 3 .
6B
i c e C u r i g e r : I r r e c o n c i l a b l e i n S p a c e . H o w S o m e o f K a t h a r i n a F r i t s c h ’s Wo r k G e t s Un d e r Yo u r S k i n , i n :
K a t h a r i n a F r i t s c h , A u s s t . - K a t . , h g . v o n Iw o n a B l a z w i c k , Ta t e M o d e r n , L o n d o n / S t ä n d e h a u s ,
Dü sseldor f, L ondon 20 02 , S. 79. Die Autor in bezieht sich dabei au f Sieg f r ied K rac auer : Das
O r n a m e n t d e r M a s s e ( 19 2 7 ) , i n : d e r s . : D a s O r n a m e n t d e r M a s s e . E s s a y s , Fr a n k f u r t a . M . 19 7 7, S . 5 0 – 6 3 .
7E
s s e i h i e r n o c h e i n m a l a u f e i n e A r b e it v o n K a t h a r i n a Fr it s c h ve r w i e s e n ; d i e Pl a s t i k «Wa r e n g e s t e l l
m it G e h i r n e n » v o n 19 8 9 z e i g t ve r g l e i c h b a r e x p o n i e r t e m e n s c h l i c h e O r g a n e .
8R
o c hu s L u s s i : « Fl i e g e n d e i n S c hü p f e n », 2 0 0 5 , V i d e o ( 1’1 1’ ’ ) . D e r k l e i n e Fi l m k a n n e i n g e s e h e n
we r d e n u n t e r w w w. r o c hu s lu s s i . c h .
21