Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Falk Gastro
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Falk Gastro-Kolleg Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Oberer GI-Trakt Gastroösophageale Refluxkrankheit Zusammenfassung Reflux-typische Symptome treten in der Bevölkerung sehr häufig auf, und die Grenzen zwischen einer Befindlichkeitsstörung und der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) sind fließend. Nach der neuesten Definition wird die Diagnose „GERD“ bereits auf dem Boden von Symptomen gestellt, wenn Reflux-typische Symptome zweimal und häufiger pro Woche auftreten, und die Beschwerden vom Patienten als belästigend angegeben werden. Die GERD unterteilt sich in 3 Hauptmanifestationen: die nichterosive Refluxkrankheit (NERD), die erosive Refluxkrankheit (ERD) und den BarrettÖsophagus. Neben den typischen und zur Diagnose führenden Symptomen, Sodbrennen und Säurereflux, finden sich auch atypische Symptome, wie chronische Heiserkeit und chronischer Husten häufig bei GERD. Die Diagnose der GERD basiert auf einer detaillierten Erhebung der Symptome. Das Ansprechen von Reflux-typischen Symptomen auf Protonenpumpeninhibitoren (PPI) ist für die Zuordnung der Symptome zur GERD sehr hilfreich. Bei wiederkehrenden Symptomen oder sogenannten Alarmsymptomen (z. B. Dysphagie) ist die endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltrakts erforderlich und erlaubt die exakte Zuordnung zu den 3 Hauptformen NERD, ERD und Barrett-Ösophagus. Der natürliche Verlauf der GERD ist aufgrund optimierter Behandlungsstrategien nur selten progredient und eine endoskopische Verlaufskontrolle aufgrund des erhöhten Krebsrisikos nur bei Patienten mit Barrett-Ösophagus indiziert. Während in der klinischen Forschung Funktionsuntersuchungen der Refluxkrankheit durch pH-Metrie und Impedanzmessung einen großen Stellenwert einnehmen, sind diese Funktionsuntersuchungen in der Praxis in erster Linie bei schwer zuzuordnenden Fällen sowie bei Patienten, die auf die Säuresekretionshemmung refraktär sind, hilfreich. Die Therapie der GERD erfolgt heute primär durch PPI und wird durch Säureneutralisatoren und andere Medikamente flankiert. Wenn Beschwerden nur sporadisch auftreten, behelfen sich Patienten oft durch Selbstmedikation über rezeptfrei erhältliche Arzneimit- Prof. Dr. Dr. h. c. P. Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Titelbild: Erosive GERD: endoluminale Impedanzmessung 16 tel. Sobald sie den Arzt aufsuchen, werden sie in der Regel auf einen PPI eingestellt. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei der GERD um eine chronisch rezidivierende Erkrankung, und dafür stehen eine Reihe von individualisierten therapeutischen Langzeitstrategien zur Verfügung. Die häufigste Form der Langzeittherapie erfolgt mit PPI nach Bedarf, intermittierend oder als Dauertherapie. Für ausgewählte Fälle ist eine chirurgische Antirefluxtherapie indiziert. Schlüsselwörter Reflux-typische Symptome | atypische Symptome (extraösophageale Symptome) | gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) | nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) | erosive Refluxkrankheit (ERD) | Barrett-Ösophagus Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) Einleitung Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD = gastroesophageal reflux disease) ist eine Erkrankung mit einer weltweit sehr hohen und steigenden Prävalenz und Inzidenz [1, 2]. Am häufigsten ist die Bevölkerung der westlichen Industrienationen betroffen. Bei etwa 20% der Erwachsenen treten zumindest sporadisch die typischen Symptome (Sodbrennen, saures Aufstoßen, Säureregurgitation) der GERD auf. Etwa 25 Millionen Erwachsene in den USA leiden sogar täglich an Sodbrennen [3], für Deutschland gibt es keine entsprechende Erhebung. Die Grenze zwischen gastroösophagealer Refluxkrankheit und gelegentlichen Reflux-typischen Beschwerden ohne relevante Beeinträchtigung des Wohlbefindens ist fließend, und es stellt sich die berechtigte Frage, ab welchem Grad der Beeinträchtigung vom Krankheitsbild der GERD auszugehen ist. Viele Patienten mit Reflux-typischen Symptomen berichten zusätzlich über atypische Symptome, die benachbarte Organe der Speiseröhre betreffen. Hier fallen insbesondere chronische Heiserkeit und Husten ins Gewicht. Funktionelle Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, wie die funktionelle Dyspepsie, tragen aufgrund ihrer häufigen Überlappung mit GERD zu einer erheblichen Unschärfe in der diagnostischen Zuordnung der Symptome zur Krankheitsentität GERD bei. Unter den Bemühungen, die GERD als Krankheitsentität mit ihrem umfassenden klinischen Spektrum zu definieren [4], hat sich die Montreal-Definition (Tab. 1) durchgesetzt und weltweit die größte Verbreitung gefunden [5]. P GERD: eine Erkrankung mit zunehmender Prävalenz und Inzidenz P Es gibt typische Symptome (z. B. Sodbrennen, saures Aufstoßen) und atypische Symptome (z. B. Refluxlaryngitis, Refluxasthma) Tab. 1 GERD – Montreal-Definition GERD ist ein Zustand, der sich entwickelt, wenn der Rückfluss von Mageninhalt Beschwerden und/oder Komplikationen verursacht Ösophageale Syndrome Extraösophageale Syndrome Symptomatische KomplikationsSyndrome syndrome Etablierte Vermutete Zusammenhänge Zusammenhänge • Typisches Refluxsyndrom • Refluxösophagitis • Refluxhusten • Pharyngitis • Refluxlaryngitis • Sinusitis • RefluxThoraxschmerzSyndrom • Refluxstriktur • Refluxasthma • BarrettÖsophagus • Refluxdental erosionen • Idiopathische Lungenfibrose • Refluxkarzinom • Rezidivierende Otitis media modifiziert nach: Vakil et al., Am J Gastroenterol 2006 17 Montreal-Definition der GERD GERD ist eine Erkrankung, die entsteht, wenn der Rückfluss von meist saurem Mageninhalt in die Speiseröhre belästigende Symptome und/oder Komplikationen her vorruft. Die Unschärfe liegt in dem Begriff „belästigend” (in der Montreal-Definition: troublesome), der die Interpretation der Symptome ausschließlich aus der subjektiven Sicht des Patienten erfassen lässt. Neben der Chronizität und Intensität der Beschwerden wird dabei vor allem der Häufigkeit von Sodbrennen, ab zweimal bzw. mehrfach pro Woche, Rechnung getragen [5]. P GERD wird nach der MontrealDefinition eingeteilt Pathophysiologie und Risikofaktoren der GERD Die Pathogenese der GERD ist multifaktoriell und tritt als Folge eines pathologischen, zumeist sauren Refluxes von Magensaft auf. Nicht die vermehrte Säuresekretion, sondern die verlängerte Exposition der Speiseröhre auf den sauren Reflux infolge der defekten Antirefluxbarriere stellt die Grundlage der Erkrankung dar. Die einzelnen Komponenten und Mechanismen, die für die Aufrechterhaltung der Antirefluxbarriere verantwortlich sind (Abb. 1), greifen synergistisch und synchron ineinander, um einerseits eine normale Nahrungspassage zu ermöglichen und andererseits den pathologischen Säurereflux zu verhindern. Transiente Relaxationen des unteren Ösophagus sphinkters (tLESR) spielen dabei die wichtigste Rolle. Faktoren in der Pathogenese der GERD Gastroösophagealer Übergang: • transiente Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters (tLESR) • hypotensiver unterer Ösophagussphinkter • Hiatushernie crurales Diaphragma His‘scher Winkel Säurereflux Ösophagus • Peristaltik • Speichelfluss • epitheliale Schutzmechanismen P Mehrere Komponenten und Mechanismen sind zur Aufrechterhaltung der Antirefluxbarriere wichtig Abb. 1 P Eine (vorübergehende) Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters spielt die wichtigste Rolle, auch eine Hiatushernie, der His’sche Winkel und die Magensäure Säuretasche Mageninhalt Duodenum duodenogastroösophagealer Reflux Magen/Duodenum • Säure und Pepsin • duodenogastraler Reflux (Gallensäuren, Trypsin) • Helicobacter pylori • Magenentleerung Während die tLESR auch beim Gesunden in vergleichbarer Häufigkeit auftreten, um das Entweichen der angesammelten Luft aus dem Magen zu ermöglichen, sind sie beim Patienten mit GERD charakteristischerweise sehr viel häufiger mit einem sauren Reflux assoziiert [1, 6]. Als Folge der gehäuften Episoden von Säurereflux und der daraus resultierenden verstärkten Säureexposition der Speiseröhre kommt es zu Refluxsymptomen und/oder Schleimhautschäden im Ösophagus. Das Vorliegen einer axialen Hiatushernie ist zwar allein keine hinreichende Bedingung für die Entstehung der GERD, aber sie stellt einen wesentlich begünstigenden Faktor dar [7]. 18 Bei intakten anatomischen Verhältnissen spielen Gallensäuren und Pankreasenzyme, die über einen verstärkten duodenogastralen Reflux mit dem Magensaft vermischt in die Speiseröhre gelangen, eine untergeordnete Rolle. Auf der Suche nach auslösenden bzw. begünstigenden Faktoren, die zur „GERD-Epidemie“ beitragen können, fallen Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten, aber vor allem die Adipositas [8, 9] und das zunehmende demografische Alter der Bevölkerung ins Gewicht [10]. Auch eine Reihe von Medikamenten, wie Nitrate, Kalziumantagonisten, Theophylline und Anticholinergika, die als Nebeneffekt zur Senkung des unteren Ösophagussphinkterdrucks führen, aber nicht Aspirin und nicht-steroidale Antirheumatika, begünstigen die Entwicklung der GERD [9, 10]. Keine klaren Aussagen gibt es zur Rolle der Genussmittel, wie Alkohol und Nikotin. Hier sind es vor allem die individuellen Berichte der Patienten, die nach Exposition auf bestimmte alkoholische oder koffeinhaltige Getränke von Sodbrennen berichten. Genetische Faktoren sind, wenn überhaupt, von untergeordneter Bedeutung [11], und auch geschlechtsspezifische Unterschiede spielen hinsichtlich der Prävalenz Reflux-typischer Symptome keine wesentliche Rolle [12]. Viele Untersucher haben sich mit der Bedeutung der Helicobacter-pylori-Infektion bei GERD beschäftigt und zum Teil sehr konträre Befunde dazu veröffentlicht. Die aktuelle kritische Einschätzung bescheinigt diesem Keim keine wesentliche Rolle in der Pathogenese der GERD [13]. P Lebensstil, Ernährungsgewohnheiten und Medikamente, die den Druck des unteren Ösophagussphinkters senken, spielen eine Rolle Klinische Präsentation der GERD Das Spektrum der klinischen Manifestationen umfasst ösophageale und atypische bzw. extraösophageale Syndrome, von denen viele im Zusammenhang mit GERD als gesichert zu sehen sind, während andere nur als mögliche, mit GERD assoziierte Erkrankungen angeführt werden (s. Tab. 1). Die Symptome der GERD mit und ohne Komplikationen führen zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität [14, 15]. Die ösophagealen Manifestationen der GERD werden als Reflux-typische Symptome und als Reflux-typische Läsionen an der Speiseröhre beschrieben. Symptome und Läsionen (Erosionen) an der Speiseröhre können sowohl isoliert als auch in Verbindung miteinander auftreten. Die typischen Refluxsymptome sind Sodbrennen, saures Aufstoßen, Säureregurgita tion (Säurerückfluss bis in den Mund) und saurer Geschmack im Mund. Bei der Ab frage des Symptoms Sodbrennen soll der Patient zu diesem Symptom genau befragt werden, da von Patienten der Ausdruck Sodbrennen in sehr unterschiedlicher Form verstanden wird. Als typisches Sodbrennen gilt der brennende Schmerz, der vom Oberbauch hinter das Brustbein oder sogar bis in die Kehlkopfregion aufsteigt. Häufig wird Sodbrennen als Schmerz im Epigastrium angegeben. Dieser epigastrische Schmerz kommt bei der Dyspepsie und bei GERD vor, ist aber eindeutig vom Begriff „Sodbrennen“ abzugrenzen. Ein besonders herausforderndes Symptom in der Differenzialdiagnose ist der Thoraxschmerz nach Ausschluss einer kardialen Ursache. Der nicht-kardiale Thoraxschmerz ist häufig mit GERD assoziiert, aber kann auch auf eine Reihe weiterer Ursachen zurückgeführt werden, die differenzialdiagnostisch abgeklärt werden müssen (Tab. 2). Ursachen des nicht-kardialen Thoraxschmerzes •Gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD) •Ösophageale Motilitätsstörungen •Viszerale Hypersensitivität – periphere Mechanismen – zentrale Mechanismen •Muskuloskelettale Ursachen •Psychosoziale Dysfunktionen P Typisches Sodbrennen: Schmerz, der vom Oberbauch hinter das Brustbein, evtl. bis in die Kehlkopfregion, ausstrahlt P GERD ist eine häufige Ursache des nicht-kardialen Thoraxschmerzes Tab. 2 19 Eine exakte Zuordnung des nicht-kardialen Thoraxschmerzes ist für die richtige Therapiewahl entscheidend. Dysphagie kommt auch bei GERD häufig vor, aber gilt immer als Alarmsymptom, das vor allem auch hinsichtlich eines Karzinoms, einer peptischen Stenose und neuerdings auch hinsichtlich der eosinophilen Refluxösophagitis differenzialdiagnostisch abzuklären ist [16]. Im Rahmen der GERD kommt es häufig zum Auftreten sogenannter atypischer Symptome [17]. Am häufigsten dabei sind laryngeale Symptome, wie chronische Heiserkeit und pulmonale Symptome, insbesondere chronischer Husten, seltener Asthma [18]. Für das Asthma gilt vor allem, dass es durch GERD exazerbiert werden kann. Eine ernst zu nehmende Komplikation der GERD sind Schlafstörungen, die einerseits Folge der Erkrankung selbst sein können, aber andererseits auch zu einer Verschlechterung der GERD führen [19]. Schlafstörungen tragen häufig in erheblichem Maße zu einer Einschränkung der Lebensqualität bei. Daneben kommt es zu einer Einschränkung einer Reihe weiterer täglicher Aktivitäten (Abb. 2). Abb. 2 Einschränkung der täglichen Aktivitäten bei GERD Essen Schlafen Alkoholgenuss Arbeit Soziale Aktivitäten Sport 16,1 Hobbys 15,3 Sex P Atypische Symptome: Schädigung von Kehlkopf, Trachea, Lunge (chronischer Husten, Asthma) 58,1 37,1 29,3 25,9 20,4 8,7 0 10 20 30 40 50 60 70 % Patienten nach Jones et al. 2006 [20] NERD – ERD – Barrett-Ösophagus Reflux-typische Symptome treten häufig ohne strukturelle Veränderungen, die sich in der konventionellen Ösophagogastroduodenoskopie als Erosionen darstellen, auf. Etwa 60–70% der Patienten mit GERD sind von der sogenannten nicht-erosiven Refluxerkrankung (NERD) betroffen, während 30% der Patienten erosive Veränderungen im Sinne der erosiven Refluxösophagitis (ERD) aufweisen. Bei etwa 5–10% der Patienten kommt es zur Ausprägung einer metaplastischen Schleimhaut (Zylin derepithelmetaplasie), die sich über den ösophagogastralen Übergang hinaus mit unterschiedlicher Länge in den Ösophagus ausbreitet. Das Auftreten der Zylinder epithelmetaplasie im Ösophagus bezeichnet man als Barrett-Ösophagus, und dieser stellt eine Präneoplasie dar. Hinsichtlich des Ausmaßes der Beschwerden und der Beeinträchtigung der Lebensqualität unterscheiden sich die 3 Erscheinungsformen der GERD nicht voneinander [15]. P In 70% nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) In 30% erosive Refluxkrankheit (ERD) In 5–10% Zylinderepithelmetaplasie am gastroösophagealen Übergang: Barrett-Ösophagus GERD in Assoziation mit systemischen Erkrankungen Auch eine Reihe von systemischen Erkrankungen sind häufig mit GERD assoziiert. Dazu zählen vor allem die systemischen Kollagenosen, die Sklerodermie, der Morbus Sjögren und der Diabetes mellitus [21, 22]. Die im Rahmen dieser Erkrankungen auftretenden Störungen beeinträchtigen in erster Linie die Kontrollfunktion des unteren Ösophagussphinkters sowie die Motilität der Speiseröhre und des Magens [23]. P Systemerkrankungen mit GERD: Kollagenosen, Sklerodermie, M. Sjögren, Diabetes mellitus 20 GERD und Schwangerschaft GERD tritt häufig im Verlauf der Schwangerschaft auf und nimmt vor allem in der späten Schwangerschaftsphase stark zu. In einer jüngsten Untersuchung bei Frauen mit fortgeschrittener Schwangerschaft beklagten 56% der Frauen Reflux-typische Symptome. Obwohl Säureregurgitation dabei das am häufigsten angegebene Symptom ist, ist es vor allem Sodbrennen, das zur stärksten Beeinträchtigung der Betroffenen führt [24]. Hinsichtlich der möglichen pathogenetischen Mechanismen werden eine Zunahme des intraabdominellen Drucks sowie der Anstieg gestationaler Hormone, die zur Erniedrigung des unteren Ösophagussphinkterdrucks führen, diskutiert [25]. Auf der Basis gegenwärtiger Empfehlungen [26] werden zur Behandlung der GERD in der Schwangerschaft im Sinne einer „Step-up“-Strategie Antazida als Erstlinienmedikamente und H2-Blocker bei persistierenden Symptomen empfohlen. Beide Medikamente können die Refluxbeschwerden oftmals nur unbefriedigend lindern. Aufgrund empirischer Erfahrungen und fehlenden Gründen einer Bedenklichkeit sollte den Patientinnen auch in der Schwangerschaft die effektivste Behandlung in Form von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) nicht vorenthalten werden [24]. P Refluxtypische Symptome in über 50% bei fortgeschrittener Schwangerschaft Diagnostik der Refluxkrankheit Die Methoden für den diagnostischen Nachweis der GERD basieren auf Symptom erfassung, endoskopischer Bildgebung und Funktionsuntersuchungen zum Nachweis des Säure- und anderer Formen eines pathologischen Refluxes (Tab. 3). GERD – Diagnostische Methoden •Erhebung Reflux-typischer Symptome •PPI-Test •Endoskopie •24h-pH-Metrie (Kathetertechnik, BRAVO-Kapsel) •Multiluminale Impedanz pH-Messung •24h-Bilirubinkonzentration (Bilitec)* •Bariumschluck* •Ösophagusmanometrie* * nur für ausgewählte Indikationen Der erste diagnostische Schritt in der Evaluierung von Patienten, die mit typischen Refluxsymptomen oder mit atypischen Symptomen bei Verdacht auf GERD den Arzt aufsuchen, ist die sorgfältige Erhebung der Symptome und ihrer Charakteristika, wobei insbesondere auf Häufigkeit, Intensität und eventuelle Alarmsymptome (Dysphagie) geachtet werden muss. Für die Symptomerfassung sind eine Reihe validierter Fragebögen verfügbar (z. B. Reflux Disease Questionnaire [RDQ], Request), die sich in der Praxis bislang wenig etabliert haben, aber als Standard in klinischen Studien bewährt sind. Mithilfe der strukturierten Fragebögen zur Symptomerhebung kann insbesondere die Wirksamkeit der Behandlungsmaßnahmen überprüft werden. Da Sodbrennen zwar eine hohe Sensitivität für das Vorliegen einer GERD aufweist, aber keineswegs spezifisch ist, kann man sich den Einsatz von PPI zunutze machen. PPI in ihrer jeweiligen Standarddosierung über 7–14 Tage gegeben, weisen bei positivem Ansprechen der Reflux-typischen Symptome eine Spezifität von 80% und einen positiven prädiktiven Wert von 70% auf [27]. Dieser Test erlaubt in erster Linie das Sodbrennen, das häufigste Symptom, als Folge der Refluxkrankheit von anderen selteneren Ursachen (funktionelles Sodbrennen) abzugrenzen. Tab. 3 P Probatorische PPI-Gabe bei refluxtypischen Symptomen sinnvoll 21 Für den Nachweis der erosiven Refluxkrankheit ist die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts der Goldstandard. Eine Endoskopie muss immer dann erfolgen, wenn Patienten häufig rezidivierende oder anhaltende Refluxsymptome erleiden. Der Vorteil einer sogenannten „Einmal-im-Leben-Endoskopie“ („once in a life endoscopy“) liegt darin, dass man eine exakte Zuordnung zu NERD, ERD und Barrett-Ösophagus vornehmen kann. Nur letzterer bedarf einer geplanten endoskopischen Nachsorge in unterschiedlichen Intervallen in Abhängigkeit des Vorliegens einer intraepithelialen Neoplasie und ihres Grads [28]. Eine routinemäßige endoskopische Kontrolle der GERD ist obsolet geworden. Die endoskopische Graduierung der GERD hat sich in der Vergangenheit der Klassifikation nach Savary-Miller oder der MUSE-Klassifikation (MUSE = Metaplasie, Ulzeration, Stenose, Erosionen) bedient. Inzwischen wird die am besten validierte endoskopische Klassifikation der erosiven Refluxösophagitis nach Los Angeles in der klinischen Praxis bevorzugt eingesetzt (Abb. 3). Endoskopische Befunde bei erosiver Refluxösophagitis (ERD) – Los-Angeles-Klassifikation A B Erosionen ≤ 5 mm Erosionen > 5 mm, nicht konfluierend C D Ausgedehnte Erosionen auch zwischen den Falten, < 75% des Umfangs Erosionen > 75% des Umfangs P Gastroskopie ist Goldstandard der Diagnostik bei ERD Abb. 3 P Die erosive Refluxösophagitis wird nach der Los-Angeles-Klassifikation beurteilt Bei 70% der Patienten mit GERD werden in der konventionellen Endoskopie keine Veränderungen festgestellt. Dies mag dadurch bedingt sein, dass die allermeisten Patienten zum Zeitpunkt der endoskopischen Untersuchung bereits eine Therapie mit PPI über einen unterschiedlich langen Zeitraum durchgeführt haben. Durch moderne endoskopische Methoden (z. B. high resolution endoscopy, NBI = narrow band imag ing) kann auch das Vorliegen kleinster Läsionen detektiert und als Hinweis auf eine GERD erkannt werden. Die Entnahme von Biopsien hat sich in der klinischen Routine bislang nicht durch gesetzt. Allerdings erlaubt sie auch ohne sichtbare endoskopische Veränderungen bei NERD, typische Veränderungen der GERD aufzuzeigen. Die histologischen Kriterien der GERD beinhalten die interzelluläre Dilatation des Plattenepithels, die Papillenelongation und eine Verdickung bzw. Hyperplasie des basalen Stratums. Diese Veränderungen des Ösophagus können in bis zu 80% der Patienten nachgewiesen werden [29, 30]. Die Kenntnis dieser Veränderungen trägt auch als Erklärung bei, wie es zur Ausbildung der Refluxsymptome bei makroskopisch normal erscheinender Schleimhaut kommen kann. 22 Die Objektivierung der NERD ist Anliegen intensiver Forschungsbemühungen, die neben den erwähnten histologischen auch elektronenmikroskopische Untersuchungen und die Bestimmung molekularer Marker der Entzündung und Zelladhäsion miteinschließt [31]. Die konventionelle endoskopische Untersuchung der Speiseröhre erlaubt neben dem Nachweis der Erosionen auch das Auffinden von Komplikationen (Tab. 4). Komplikationen der ERD •Ösophagusstriktur •Ösophagusulzera •Blutende Erosionen •Barrett-Ösophagus •Barrett-Adenokarzinom Aufgrund der effizienten Therapie der GERD mit Säurehemmern ist die peptische Stenose heute eine seltene Komplikation geworden. Im Gegensatz dazu wird die Blutung bei ausgeprägter erosiver Refluxösophagitis insbesondere bei älteren multimorbiden und bettlägerigen Patienten häufig gesehen. Ergänzend zur endoskopischen Bildgebung stehen uns Funktionsuntersuchungen zur Verfügung, die den Nachweis eines pathologischen Säurerefluxes ermöglichen. In erster Linie ist die 24h-pH-Metrie mittels traditioneller Kathetermethode und gleichzeitiger Messung des pH-Werts im Magen und im Ösophagus zu nennen. Alternativ dazu ist die drahtlose BRAVO-Kapsel, die 5 cm oberhalb des ösophagogastralen Übergangs oder im Falle einer Hiatushernie 5 cm oberhalb des Plattenzylinderepithelübergangs endoskopisch platziert wird (Abb. 4a). Tab. 4 P Komplikationen der ERD sind durch den Einsatz von Säureblockern deutlich seltener geworden P Funktionsuntersuchungen können den pathologischen Säurereflux objektivieren (konventionelle pH-Metrie, kabellose pH-Metrie, Impedanz messung) Abb. 4a A % $$ % B % & ' C & - D ' ' Konventionelle pH-Metrie und kabellose pH-Metrie (BRAVO) A) Darstellung verschiedener Katheter, die oral oder transnasal in den Ösophagus und Magen eingebracht werden. B) Auswertung einer 2-Punkt-pH-Metrie des Magens (rote Kurve) und des Ösophagus (blaue Kurve). Mahlzeiten sind gelb hinterlegt. Zeiten, in denen der Patient gelegen hat, sind grün hinterlegt. Auffällig ist, dass in liegender Position weniger Refluxepisoden auftreten. Säurerefluxepisoden sind als Abfall des pH unter 4 anzusehen. Der Kurvenverlauf stellt einen pathologischen Reflux dar. 23 C) BRAVO-pH-Metrie-Kapsel und Applikator (oben). Der weiße Pfeil kennzeichnet die pHMetrie-Elektrode, der schwarze Pfeil markiert den Befestigungsmechanismus der Kapsel. Über den Applikator wird durch Sog die Ösophagusmukosa in ein kleines Loch gesaugt und beim Lösen der Kapsel vom Applikator ein Metallstift durch die Mukosa getrieben. D) Auswertung einer BRAVO-pH-Metrie. Mahlzeiten sind gelb hinterlegt. Zeiten, in denen der Patient gelegen hat, sind grün hinterlegt. Zu beachten sind kurze, nicht auswertbare Anteile der Aufzeichnung (rosa Balken). Diese können durch Empfangsstörungen oder Interferenzen zustande kommen. Der Kurvenverlauf stellt einen normalen Befund nach PPI-Einnahme bei GERD-Patienten dar. Neu ist die Möglichkeit der multiluminalen Impedanzmessung mit gleichzeitiger pH-Metrie (Abb. 4b). Abb. 4b D a) D b) Abb. 4b Kombinierte Impedanzmessung und pH-Metrie (MII-pH) A) Foto und schematische Darstellung eines MII-pH-Katheters. Jeweils ein Paar Elektroden werden in der Auswertung zu einem Kanal zusammengefasst. B) Schematische Darstellung eines Schluckakts. Die Impedanz fällt zunächst in den proximalen Ableitungen und setzt sich nach distal fort. C) Schematische Darstellung einer Refluxepisode. Die Impedanz fällt zuerst in der distalen Ableitung und setzt sich nach proximal fort. Der Anstieg der Impedanz erfolgt von proximal nach distal. D) Detailauswertung einer MII-pH-Aufzeichnung mit Beispielen von Refluxepisoden. Die Impedanzkanäle sind von oben nach unten entsprechend von proximal nach distal dargestellt. Die beiden unteren Kanäle (Kanal 7 und 8) entsprechen den pH-Metrie-Kanälen. Das Kreuz zeigt den jeweils tiefsten pH-Wert während einer Refluxepisode. Anhand dessen wird die Refluxepisode als saurer – (pH < 4), wenig saurer – (pH 4–7) und nicht-saurer – (pH > 7) Reflux kategorisiert. Die senkrechten Linien kennzeichnen den Bolusein- und -austritt, definiert als 50% der Ausgangsimpedanz. D a) saurer Reflux, D b) nicht-saurer Reflux Abb. 4a + b: Funktionsuntersuchungen bei GERD (24h-pH-Metrie und Impedanz) Diese Methode kann zusätzlich zum pathologischen Säurereflux, vergleichbar mit der 24h-pH-Metrie, auch den sogenannten „leicht sauren“ pH (> 4) oder sogar alkalischen Reflux (> 7) im Zusammenhang mit den Refluxepisoden aufzeigen. Die pH-Metrie und bevorzugt die multiluminale Impedanzsonde erlaubt die Assoziation zwischen Refluxsymptomen und den Refluxepisoden herzustellen. Dies ist nicht nur zum Nachweis Reflux-typischer Symptome beim Fehlen morphologischer Veränderungen hilfreich, sondern erlaubt auch die Zuordnung atypischer, insbesondere 24 pulmonaler und HNO-Symptome zur GERD. Die multiluminale Impedanzmessung ist besonders bei Patienten indiziert, die nicht auf eine Standardtherapie mit PPI an sprechen. Sie ist ebenso für die Selektion von Patienten mit GERD angezeigt, die bei inadäquatem Ansprechen auf PPI von einem antirefluxchirurgischen Eingriff (Fundoplicatio) profitieren könnten. Selten wird die Messung von Gallensäuren im Ösophagus bei Verdacht auf GERD als Folge eines alkalischen Refluxes (z. B. nach subtotaler Magen- oder distaler Ösophagusresektion) durchgeführt. Die dafür zum Einsatz kommende Sonde (Bilitec) misst die Bilirubinkonzentration als Surrogatmarker für die toxischen Gallensäuren im Refluat. Barrett-Ösophagus Die spezielle Herausforderung bei GERD stellt der Barrett-Ösophagus infolge seines erhöhten Risikos für das Adenokarzinom der Speiseröhre dar [32]. Der Barrett-Ösophagus ist durch die Ausbildung des Zylinderepithels charakterisiert, das das Plattenepithel der Speiseröhre infolge des pathologischen gastroösopha gealen Refluxes ersetzt. Das metaplastische Zylinderepithel kann entweder aus gastralem Epithel (gastrale Metaplasie) oder aus intestinalisiertem Epithel (intestinale Metaplasie) bestehen. Hinsichtlich der exakten Definition gibt es eine nicht enden wollende Kontroverse, und insbesondere nach Einschätzung der amerikanischen Gastroenterologen zählt für die Barrett-Definition nur das Vorliegen spezialisierter intestinaler Metaplasie [33, 34]. Der akademische Konflikt kann umgangen werden, indem man nach der Montreal-Definition den Barrett als eine endoskopisch sichtbare Zylinderepithelmetaplasie (ZEM) entsprechend des histologischen Ergebnisses in Barrett vom intestinalen bzw. vom gastralen Typ unterteilt. Die endoskopische Beschreibung soll nach der Prag-Klassifikation [35] die zirkuläre Ausdehnung der Zylinderepithelmetaplasie nach proximal in den Ösophagus (in cm) und die maximale Ausdehnung der ZEM-Zungen darüber hinaus, umfassen (Abb. 5). Barrett-Ösophagus (BE) – Angaben zur zirkulären (C) und maximalen (M) Ausdehnung Ersatz des Plattenepithels durch Zylinderepithelmetaplasie P Ein lang dauernder pathologischer gastroösophagealer Reflux kann zum Barrett-Ösophagus führen P Zylinderepithelmetaplasie des distalen Ösophagus: Risiko für ein Adenokarzinom Abb. 5 P Short-segment Barrett-Ösophagus Long-segment Barrett-Ösophagus M C kurzstreckiger BE langstreckiger BE Die Längenausdehnung der Zylinderepithelmetaplasie wird endoskopisch vom Beginn der Magenfalte ausgehend (cave Hiatushernie) in ihrer zirkulären, die gesamte Lumenzirkumferenz umfassenden (C) und ihrer maximalen Ausdehnung (M) nach kranial gemessen 25 Die Biopsien aus der ZEM sollen nach einem genau definierten standardisierten Schema entnommen werden [28]. Aufgrund des erhöhten Risikos der Progression der Barrett-Schleimhaut in ein Adenokarzinom der Speiseröhre [36, 37] ist das Auffinden eines Barrett-Ösophagus die größte Herausforderung und stellt auch die wichtigste Indikation zur Durchführung einer Endoskopie bei Patienten mit GERD dar. Es gibt keine klinischen Kriterien mit klarem Vorhersagewert hinsichtlich des Vorliegens einer Barrett-Schleimhaut bei Patienten mit GERD. Dauer, Häufigkeit und Intensität der Refluxbeschwerden stellen das höchste Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms der Speiseröhre dar [38]. Patienten mit einer Anamnese von lange bestehenden, häufigen oder starken Refluxbeschwerden und ab dem 55. Lebensjahr sollten in jedem Fall für eine endoskopische Untersuchung zum Ausschluss einer Barrett-Schleimhaut berücksichtigt werden. Nach heutigem Kenntnisstand wird die Empfehlung gegeben, Patienten mit Barrettschleimhaut ohne Dysplasie (intraepitheliale Neoplasie [IEN]) in 2–4-jährigen Ab ständen endoskopisch-histologisch zu kontrollieren (28). Bei Vorliegen einer niedriggradigen IEN ist eine endoskopische Kontrolle kurzfristig, zweimal in Abständen von 6 Monaten, nach adäquater PPI-Therapie durchzuführen. Bei hochgradiger IEN ist das Einholen einer pathologischen Zweitmeinung, die endoskopische Mukosaresektion des Areals sowie eine regelmäßige Nachsorge in einem spezialisierten Zentrum erforderlich. Beim Barrett-Adenokarzinom im frühen Stadium, wenn auf die Mukosa beschränkt, sollte heute die endoskopische Mukosaresektion die primäre Therapieoption darstellen [39]. Bei Patienten mit hochgradiger IEN bzw. Frühkarzinom muss auch die restliche Barrett-Schleimhaut durch ablative Verfahren (z. B. Barrx, photodynamische Therapie, Argon-Plasmakoagulation) oder durch Mukosaresektion komplett entfernt werden. Daran angeschlossen sollte eventuell eine Hochdosis-PPI-Therapie (eventuell nach pH-Wert adaptiert) zum Schutz vor Rezidiven durchgeführt werden. Bei fortgeschrittenen Tumoren wird eine chirurgische Resektion des distalen Ösophagus angestrebt bzw. stadienabhängig multimodal behandelt. Natürlicher Verlauf der GERD Der Langzeitverlauf der GERD ist nur in wenigen Studien und zumeist in kleinen Fallzahlen untersucht worden. In den letzten Jahren haben sich 2 kontroverse Standpunkte im Verständnis der Krankheitsentität mit entscheidendem Einfluss auf die Frage der möglichen Progression herauskristallisiert. Das eine Konzept vertritt die Meinung, dass GERD häufig progredient sei, und die verschiedenen Formen, NERD, ERD und Barrett einen möglichen fließenden Übergang in den nächst höheren Schweregrad (NERD → ERD → Barrett) darstellen können [40], während das andere Konzept GERD als 3 separate Entitäten, nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD), erosive Refluxkrankheit (ERD) und Barrett, sieht. Diese 3 distinkten Entitäten seien in der Regel ohne progressiven Übergang in die jeweils schwerere Verlaufsform [41]. An einem großen Patientenkollektiv mit GERD in seinen 3 Hauptmanifestationen in Deutschland im Rahmen der ProGERD-Studie fanden wir im zeitlichen Verlauf von inzwischen 5 Jahren, dass eine Progredienz nur in einem kleineren Prozentsatz stattfindet. Durch optimierte Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis und bessere Langzeitbehandlungsstrategien sehen wir, dass es sogar häufiger zu einer Regression der erosiven Veränderungen kommt [42, 43]. Ein ähnlicher Befund bei einem ebenfalls großen Patientenkollektiv wurde aus einem Zentrum in den USA erhoben. Bei nahezu 70% der Patienten wurde über einen mittleren Zeitraum von 7,6 Jahren keine Verschlechterung, bei 21% sogar eine Verbesserung der Schleimhautläsionen in der Speiseröhre festgestellt. Die Kenntnis des natürlichen Verlaufs unter den derzeit möglichen Behandlungspraktiken gibt uns den wichtigen Hinweis, dass wir Patienten, bei denen nach einer einmaligen endoskopischen Untersuchung prämaligne oder maligne Veränderungen ausgeschlossen wurden, im weiteren Verlauf ausschließlich symptombezogen behandeln können. In der Mehrzahl muss keine die Patienten gefährdende Progredienz der GERD befürchtet werden. P Barrett-Schleimhaut ohne Dysplasie: Kontrolle alle 2–4 Jahre P Niedriggradige intraepitheliale Dysplasie: zweimal Kontrolle alle 6 Monate nach PPI-Therapie Hochgradige intraepitheliale Dysplasie: Zweitmeinung beim Referenzpathologen, Mukosaresektion P Eine Progression NERD ➞ ERD ➞ Barrett ist selten P Nach Ausschluss prämaligner oder maligner Veränderungen symptom bezogene Therapie 26 Therapie der GERD bei typischen Refluxsymptomen Die Möglichkeiten der GERD-Behandlung beginnen mit einer Beratung eventuell erforderlicher Modifikationen des Lebensstils [44] einschließlich der Vermeidung bestimmter, für den einzelnen Patienten zu identifizierenden auslösenden Faktoren. In der Praxis behelfen sich die Patienten im ersten Schritt meist mittels Selbstmedikation über die Beschaffung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten. Bei Selbstmedikation aufgrund von nur gelegentlich auftretenden Refluxbeschwerden sind Antazida und Alginate die Therapie der Wahl. Auch H2-Rezeptorantagonisten sind ohne Rezept über die Apotheke beziehbar. Falls Refluxbeschwerden durch Selbst behandlung nicht in ausreichendem Maße kontrolliert werden oder häufig wiederkehren, wird die Vorstellung beim Hausarzt empfohlen. Bereits beim Hausarzt beginnt in aller Regel die Behandlung der GERD mit PPI. Bei Versagen der Primärtherapie, bei Alarmsymptomen und Komplikationen wird die Behandlung vom Gastroenterologen weitergeführt (Abb. 6). Abb. 6 Behandlungsstrategie bei GERD Refluxsymptome Alarmsymptome Mögliche Reflux-assoziierte Symptome (atypische Symptome) • Dysphagie Hausarzt-Konsultation • Asthma • Gewichtsverlust • chronischer Husten Zunehmende Beschwerden • GI-Blutung Typische Symptome • Sodbrennen • Säureregurgitation • chronische Heiserkeit • Erbrechen Atypische Symptome Protonenpumpenhemmer (PPI) • nicht-kardialer Brustschmerz Gastroenterologe - Endoskopie PPI, spezialisierte Diagnostik und Therapie Rezidivierende Symptome Therapieerfolg Linderung PPI nach Bedarf (r Antazida/Alginate) bei intermittierenden Refluxepisoden Rezidivierende Symptome Therapieerfolg Gastroenterologe Endoskopie Adaptierung der PPITherapie Gastroenterologe - Endoskopie Intensivierung der PPITherapie + Zusatztherapie Linderung Langzeit-PPI-Therapie bei chronischen Refluxepisoden mit adaptierter Step-downTherapie Refraktäre Symptome Persistierende Symptome Spezialisierte Diagnostik, evtl. PPI + Baclofen Linderung Refraktär SSRI* (z.B. Citalopram) PPI-Dosiserhöhung (2x Standarddosis) zusätzlich intermittierend H2-Blocker oder Antazida, Alginate oder Prokinetika oder Baclofen, spezialisierte Diagnostik oder Antirefluxchirurgie * = Serotoninwiederaufnahmehemmer Unter den verfügbaren Medikamenten (Tab. 5) zur Behandlung der GERD stellen PPI die effektivste Therapie in der Akut- und Langzeitbehandlung dar und erlauben eine Heilung der erosiven Refluxösophagitis in nahezu 90% der Patienten nach 4 bzw. 8 Wochen [45]. Bei NERD wird vielfach eine reduzierte Dosis (halbe Standarddosierung) empfohlen und erlaubt eine komplette Beschwerdefreiheit bei etwa 60% der Patienten nach 2 bis 4 Wochen zu erzielen [46]. P PPI sind am wirksamsten, bei NERD reicht oft die halbe Standarddosis 27 Derzeit verfügbare Medikamente zur Behandlung der GERD Tab. 5 • Antazida • Alginate • H2-Rezeptorantagonisten • Protonenpumpeninhibitoren (PPI)* • Prokinetika • GABAB-Agonist (Baclofen) * PPI-Standarddosierungen: Esomeprazol 40 mg, Pantoprazol 40 mg, Lansoprazol 30 mg, Rabeprazol 20 mg, Omeprazol 20 mg Falls Patienten ohne endoskopische Abklärung mit PPI behandelt werden, sollte die Standarddosierung bevorzugt werden, da im Einzelfall anhand der Symptome nicht abgeschätzt werden kann, ob eine NERD oder ERD vorliegt [47]. Bei Rezidiven oder länger bestehenden Refluxsymptomen ist die endoskopische Abklärung mit Vorstellung beim Gastroenterologen angezeigt. Falls die PPI-Therapie in Standarddosierung nicht zum gewünschten Therapieerfolg führt, sollte zuerst die Möglichkeit der Erhöhung der PPI-Dosierung (in der Regel die doppelte Standarddosis) ausgeschöpft werden [48]. Ist diese Therapie nicht erfolgreich, stellt sich die Frage, ob die vorliegenden Refluxbeschwerden als Manifestation der GERD anzusehen sind oder ob andere Differenzialdiagnosen Berücksichtigung finden müssen (z. B. eosinophile Ösophagitis, infektiöse Ösophagitis bei Immunsupprimierten). P Bei Symptompersistenz doppelte Standarddosis von PPI Bestätigt sich die GERD als Ursache der insbesondere nachts nicht ausreichend beherrschten Symptome trotz PPI, können H2-Blocker intermittierend als „Nachtdosis“ dazugegeben werden. Der chronische Gebrauch von H2-Blockern ist allerdings nicht effektiv, da sich bereits nach wenigen Wochen eine sogenannte Tachyphylaxie mit Wirkverlust bemerkbar macht [49]. Eine gelegentliche intermittierende zusätzliche Gabe eines H2-Blockers als Nachtdosis kann bei einzelnen Patienten hilfreich sein. Obwohl nicht in Studien gesichert, kann die Kombination einer zweimaligen Gabe eines PPI mit Antazida und/oder Alginaten das Auftreten von nächtlichem Sodbrennen lindern. Bei Linderung und Befreiung von Reflux-typischen Beschwerden, aber gleichzeitig bestehenden dyspeptischen Beschwerden ist die zusätzliche Gabe eines Prokinetikums (z. B. Domperidon, Iberogast) hilfreich. Bei gesichertem pathologischem Reflux trotz maximaler Säuresuppression kann in ausgewählten Fällen auf den GABAB-Agonisten Baclofen zurückgegriffen werden. Ein breiter Einsatz dieses Medikaments ist allerdings aufgrund neurologischer Neben wirkungen nicht vertretbar. Intensive Forschungsaktivitäten in der Entwicklung von neuen Medikamenten, einschließlich GABAB-Agonisten ohne neurologische Nebenwirkungen sind derzeit im Gange, um am pathophysiologischen Kern der GERD, den tLESR, anzugreifen. Bei therapierefraktären Fällen der GERD oder bei Reflux-typischen Symptomen, die nicht auf eine GERD zurückzuführen sind, sondern als „funktionelles Sodbrennen“ eingestuft werden, kann die Gabe eines Psychopharmakons (i. e. selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer, z. B. Citalopram) erforderlich werden. Therapie der GERD bei atypischen Symptomen Die wichtigsten und häufigsten extraösophagealen Manifestationen im Rahmen der GERD sind Asthma, Husten und Heiserkeit [50]. Bei eindeutig nachgewiesener GERD als Ursache dieser Beschwerden ist wie bei typischen Refluxsymptomen die Gabe eines PPI in Standarddosis indiziert. Ist die Zuordnung der atypischen Symptome zur GERD nicht eindeutig, so wird die empirische Verordnung eines PPI am besten in 2-facher Standarddosierung empfohlen [51]. P Bei Asthma, Husten, Heiserkeit als Folge von GERD: Gabe von PPI indiziert 28 In der Therapie des Asthmas scheint die verlängerte Therapiedauer mit PPI in 2-facher Standarddosierung erforderlich, um einen Therapieerfolg sichern zu können. In einer jüngst erschienenen Arbeit wird die Bedeutung der Säurehemmung bei Patienten mit schwer kontrollierbarem Asthma stark relativiert [52] und somit der asymptomatische gastroösophageale Reflux als Grundlage dafür infrage gestellt. Bei chronischem Husten sollte nach Ausschluss einer primär pulmonalen Ursache anhand klinischer, lungenfunktioneller und röntgenologischer Untersuchungen ebenfalls eine Therapiedauer über 2–3 Monate angestrebt werden. Bei Patienten mit Heiserkeit sollte die Therapie mit PPI-Standarddosis zweimal täglich über 3 Monate durchgeführt werden. Die Erfolgsrate liegt allerdings auch bei dieser Indikation bei unter 60% [53]. Bei GERD und obstruktivem Schlafapnoesyndrom wurde kürzlich gezeigt, dass eine Therapie mit PPI (Esomeprazol 40 mg) zu einer signifikanten Reduktion des Apnoe-Hypnoe-Indexes und der Tagesmüdigkeit führen kann [54]. Bei atypischen Symptomen bleibt eine eindeutige Zuordnung zu GERD beim einzelnen Patienten eine große Herausforderung. P Chronischer Husten bei Ausschluss einer pulmonalen Ursache: an Reflux denken, PPI geben Langzeittherapie der GERD Aufgrund des chronischen Charakters der GERD wurden verschiedene medikamentöse Langzeitstrategien entwickelt. Neben der kontinuierlichen Einnahme des PPI mit häufig ausreichender halber Standarddosierung, ist bei Patienten mit intermittierendem Verlauf und langen beschwerdefreien Intervallen die Form der intermittierenden PPI-Einnahme am sinnvollsten. Eine vom Patienten häufig durchgeführte Strategie ist die sogenannte „on-demand-Behandlung“, bei der nur bei Auftreten von Beschwerden PPI, in Verbindung mit einem Antazidum zur initialen Linderung des Sodbrennens, eingenommen werden. Auch die präventive Einnahme von PPI vor geplanten „Festmahlzeiten“ mit „angekündigtem“ Sodbrennen erscheint eine sinnvolle Strategie trotz des Fehlens entsprechender Studien. Der chronische Charakter der GERD hat auch die Chirurgie auf den Plan gerufen, die in Form der heute bevorzugt durchgeführten laparoskopischen Fundoplicatio zu einer Reparatur der Refluxbarriere eine valide Therapieoption darstellt [55]. Patienten sollten sehr sorgfältig für dieses Verfahren ausgewählt werden, wobei insbesondere solche mit einer Hiatushernie und dem Symptom der Regurgitation von Mageninhalt profitieren (Tab. 6). Indikationen zur laparoskopischen Fundoplicatio P Intermittierende Therapie als Langzeittherapie P Fundoplicatio in ausgewählten Fällen Tab. 6 • Regurgitation von Mageninhalt bei großer Hiatushernie • Gutes Ansprechen auf Säuresekretionssuppression von Patienten, die eine medikamentöse Dauerbehandlung ablehnen • PPI-refraktäre Patienten mit deutlichem Nachweis einer Refluxkrankheit (multiluminale Impedanz/pH) Auch Patienten, die auf eine adäquate Säuresekretionssuppression mit PPI beschwerdefrei sind, sind als gute Kandidaten für die laparoskopische Fundoplicatio anzusehen. Trotz hoher Erfolgsaussichten in spezialisierten Zentren sind Nebenwirkungen nach laparoskopischer Fundoplicatio jedoch häufiger als bei Langzeiteinnahme der PPI. PPI dürfen als sichere und nebenwirkungsarme Medikamente angesehen werden. Der Einsatz endoskopischer Methoden hat nach Fehlschlagen vieler experimenteller Ansätze bislang noch mit keiner Methode aufgewartet, die für den klinischen Einsatz empfohlen werden kann. Bei Patienten mit GERD, die einer Langzeittherapie mit PPI bedürfen, wird bei Vorliegen von Helicobacter pylori empfohlen, diese Infektion ebenfalls zu therapieren [13]. Für die Behandlung des einzelnen Patienten gilt es, neben der raschen Beherrschung der Symptome die individuell am besten geeignete Langzeittherapie zu identifizieren. Diese darf auf die „Bedarfsbehandlung“, die intermittierende sowie dauernde PPI-Gabe mit und ohne Zusatz additiver Medikamente (Antazida, Alginate, Prokinetika, GABABAgonisten) ebenso wie in ausgewählten Fällen auf die chirurgische Antirefluxtherapie zurückgreifen. P Helicobacter-Therapie ist sinnvoll, wenn Langzeit-PPI-Therapie bei Refluxpatienten indiziert ist 29 Zu empfehlende Literatur Literatur 1 Dent J, El-Serag HB, Wallander MA, Johansson S. 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Bitte beachten Sie: Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich. Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken! wNur Adipositas wNitrate und Alter wNitrate, Aspirin, Alter und Geschlecht wAlter und Geschlecht wAspirin und Geschlecht Frage 4: Welche Veränderungen finden sich nicht bei nicht-erosiver Refluxkrankheit (NERD)? wPathologische pH-Metrie wPathologische Befunde in der Impedanzmessung wHistologischer Nachweis der interzellulären Dilatation wHistologischer Nachweis der gastralen Metaplasie wMolekulare Entzündungsmarker Frage 5: Wie wird der Barrett-Ösophagus nachgewiesen? wDurch Nachweis von Gallensäuren in der Speiseröhre wDurch Endoskopie allein wDurch Histologie allein wDurch Endoskopie gemeinsam mit Histologie wNur bei histologischem Nachweis von intestinaler Metaplasie Wichtig: Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 35 Frage 6: Wann ist eine endoskopische Nachsorge bei GERD generell erforderlich? w w w w w ur bei erosiver Refluxösophagitis (ERD), Los-Angeles-Klassifikation C–D N Immer, wenn eine erosive Refluxösophagitis vorliegt Beim Barrett-Ösophagus Nur beim Barrett-Ösophagus mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie Alle vorher genannten Antworten sind richtig Falk Gastro-Kolleg Oberer GI-Trakt Frage 7: Wie steht es um den natürlichen Verlauf der GERD? Welche Aussage trifft zu? w G ERD ist immer eine progressive Erkrankung w Nur die schwere ERD schreitet weiter fort w GERD zeigt nur bei einem geringen Teil der Patienten einen Progress unter den heutigen Behandlungsmöglichkeiten w GERD heilt nach 6–8-wöchiger Therapie und hat keine Rezidive w ERD schreitet ohne Dauerbehandlung häufig bis zur Ausbildung von peptischen Stenosen fort Frage 8: Welche Komplikationen können infolge einer GERD auftreten? w w w w w sophagus-Adenokarzinom Ö Blutungen Stenose mit Dysphagie Lungenkarzinom Die ersten 3 können auftreten Frage 9: Welche Behandlungsmaßnahme sollte bei GERD nicht erfolgen? w w w w w lginate/Antazida bei Bedarf A PPI in doppelter Standarddosis Langzeit-PPI-Verabreichung Laparoskopische Fundoplicatio Endoskopische Therapie Frage 10: Welche Maßnahmen können bei therapierefraktärer GERD sinnvoll sein? w w w w w ugabe von Antazida/Alginaten zur PPI-Therapie Z Zugabe von Prokinetika zur PPI-Therapie Zugabe von Baclofen zur PPI-Therapie Chirurgische Antirefluxtherapie in gut selektionierten Fällen Alle vorher genannten Antworten sind richtig 36