“Der Bomber trifft!”
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“Der Bomber trifft!”
Faculteit Letteren en Wijsbegeerte Vakgroep Duitse Taalkunde Academiejaar 2006 – 2007 “Der Bomber trifft!” Eine Analyse der Fuβballberichterstattung anhand einer Untersuchung der Periphrasen in der WM-Berichterstattung der „Welt“ Steven Schatteman Promotor: Prof. Dr. L. De Grauwe Scriptie voorgedragen tot het behalen van de graad van licentiaat in de Germaanse Talen I Vorwort Gerne würde ich mich bei Prof. Dr. Luc De Grauwe, meinem Betreuer, für seine Geduld, seine Ratschläge und seine Korrekturen bei der Herstellung dieser Arbeit bedanken. Weiter will ich jedem danken, der an dem langen Produktionsprozess dieser Arbeit beteiligt gewesen ist und zum Endergebnis beigetragen hat. II Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 0. Einführung ...........................................................Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd. 0.1. Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes ................... Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd. 0.2. Eingrenzung des Untersuchungsgebietes......Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd. 1. Die Stellung des Fußballs in der Welt .......................................................................... 3 1.1. Die “Versportlichung” der Gesellschaft ................................................................ 3 1.1.1. Vorbemerkungen ............................................................................................ 3 1.1.2. Dimensionen des Sporttreibens ...................................................................... 6 1.1.2.1. Breiten- oder Freizeitsport ....................................................................... 7 1.1.2.2. Leistungssport .......................................................................................... 8 1.1.2.3. Hochleistungs- oder Berufssport ............................................................. 9 1.2. Die dominierende Stellung des Fußballs im Sportspektrum ............................... 11 1.2.1. Ursprung des Fußballs ...........................Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd. 1.2.2. Die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs .... Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.4 1.2.2.1. Einführung ....................................Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.4 1.2.2.2. Professionalisierung des Fußballs .Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.4 1.2.2.3. Einfluss der Medien auf Kommerzialisierung ....... Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.6 1.2.2.4. Einfluss der Werbung ............................................................................ 18 1.2.2.5. Dreiecksbeziehung Fußball-Medien-Wirtschaft .................................... 20 2. Fußballsprache als Sondersprache .............................................................................. 20 2.1. Medienrealität der Fußballsprache ....................................................................... 20 2.2. Der sondersprachliche Status der Fußballsprache ............................................... 24 2.2.1. Sportsprache.........................................Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.4 2.2.1.1. Sportsprache als Sondersprache....Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd.4 2.2.1.2. Dreiteilung der Komponente der Sportsprache ..................................... 26 2.2.1.2.1 Regel- oder Fachsprache .................................................................. 30 2.2.1.2.2. Sport- oder Fachjargon ................................................................... 31 2.2.1.2.3. Sprache der Sportberichterstattung ................................................. 35 III 2.2.2. Die Fußballsprache ...................................................................................... 38 3. Die Fußballberichterstattung in den Medien .............................................................. 48 3.1. Medienfähigkeit des Fußballs .............................................................................. 48 3.2. Die Medienvariabilität der Sportberichterstattung .............................................. 50 3.2.1. Die gesellschaftliche Wichtigkeit der Massenmedien .................................. 51 3.2.2. Rundfunk ...................................................................................................... 54 3.2.3. Fernsehen ...................................................................................................... 57 3.2.4. Printmedien ................................................................................................... 61 3.2.5. Internet .......................................................................................................... 64 3.3. Funktion der Fußballberichterstattung ................................................................. 65 3.4. Kritik an der Fußballberichterstattung ................................................................. 68 3.4.1. Superlativstil und Sensationsmache.............................................................. 70 3.4.1.1. Kriegsmetaphorik................................................................................... 74 3.4.1.2. Starkult ................................................................................................... 77 3.4.2. 1:0-Berichterstattung .................................................................................... 80 3.4.3. Hofberichterstattung ..................................................................................... 81 4. Die Periphrase ............................................................................................................. 83 4.1. Definition einer Periphrase .................................................................................. 83 4.2. Die Funktion der Periphrase in der Fußballberichterstattung .............................. 87 4.3. Die Realisation der Periphrasen in der Fußballberichterstattung ........................ 89 4.3.1. Die individuellen Periphrasen ....................................................................... 90 4.3.1.1. Individuelle Personenperiphrasen .......................................................... 90 4.3.1.2. Individuelle Mannschaftsperiphrasen .................................................... 91 4.3.2. Die gemeinsprachlichen Periphrasen ............................................................ 92 4.3.2.1. Gemeinsprachliche Personenperiphrasen .............................................. 92 4.3.2.2. Gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen ........................................ 94 4.3.2.2.1. Gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen, die auf Tieren basieren ............................................................................................................... 94 4.3.2.2.2. Die Farbe für die Mannschaft ......................................................... 95 4.3.2.2.3. Hervorhebung eines Elements der Mannschaft .............................. 96 4.3.2.2.4. Semi-gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen ......................... 97 5. Untersuchung der Periphrasen in der WM-Berichterstattung der „Welt“ .................. 97 IV 5.1. Allgemeine Vorbemerkungen der Untersuchung ................................................ 97 5.1.1. Rahmenbedingungen der Untersuchung ....................................................... 97 5.1.2. Vorüberlegungen zur Untersuchung ........................................................... 100 5.2. Untersuchung der individuellen Periphrasen ..................................................... 102 5.2.1. Die individuellen Personenperiphrasen ...................................................... 102 5.2.2. Die individuellen Mannschaftsperiphrasen ................................................ 106 5.2.3. Zwischenbilanz ........................................................................................... 110 5.3. Untersuchung der gemeinsprachlichen Periphrasen .......................................... 111 5.3.1. Die gemeinsprachlichen Personenperiphrasen ........................................... 111 5.3.2. Die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen...................................... 112 5.3.3. Endbilanz .................................................................................................... 117 6. Fazit .......................................................................................................................... 118 Bibliographie ................................................................................................................ 120 Anhang .....................................................................Fout! Bladwijzer niet gedefinieerd. V Abkürzungsverzeichnis bzw. beziehungsweise DFB Deutscher Fuβball Bund FIFA Fédération Internationale de Football Association usw. und so weiter z.B. zum Beispiel VI 0. Einführung 0.1. Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes In den letzten Jahrzehnten hat sich der Fußball zu einem Ereignis von weitreichender, sogar weltweiter Bedeutung entwickelt. Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs haben dazu geführt, dass eine Dreiecksbeziehung zwischen Fußball, Wirtschaft und Medien entstanden ist, die sich für alle Beteiligte als ein sehr lukratives Geschäft erwiesen hat. Infolge dieser Kommerzialisierung und Professionalisierung wird der Fußball mehr und mehr zu einem Medienereignis, indem Printmedien, Rundfunk aber vor allem Fernsehen dem Ballsport immer mehr Aufmerksamkeit widmen. Die Fußballberichterstattung hat sich für alle Teilbereiche der Medien von einem unbedeutenden zu einem beträchtlichen und sehr einträglichen Teil der Berichterstattung entwickelt. Innerhalb dieser Medienlandschaft erfüllt das Fernsehen wegen seinem optischen Charakter eine dominierende Rolle. Die Printmedien können mit dem hohen Aktualitätsgrad des Fernsehens nicht konkurrieren, und werden dazu gezwungen, ihre Fußballberichterstattung anzupassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass den Umfang der Fußballberichterstattung in der gedruckten Presse zurückgedrängt wird, sondern nur, dass die Betrachtungsweise des Fußballs in den Printmedien geändert werden muss. Obwohl die Fußballberichterstattung der Printmedien vom Fernsehen unter Druck geraten ist, hat sie sich immer noch als ein wichtiger und beträchtlicher Teil dieses Medienzweiges erwiesen, besonders weil es vor allem hier ist, dass die Fußballsprache sich am ausgeprägtesten manifestiert. Im Fernsehen wird der visuelle Charakter dem sprachlichen bevorzugt, indem der Kommentar eines ausgestrahlten Fußballspiels als nebensächlich betrachtet wird, während die geschriebene (Fußball-)Sprache in den Printmedien das wichtigste und sogar fast das einzige (wenn man die wenigen Photos in den Zeitungen nicht betrachtet) Mittel der Fußballberichterstattung ist. Deswegen erscheint uns eine Untersuchung der Fußballberichterstattung der Printmedien einerseits als die einfachste Weise, aber andererseits auch immer noch als die wichtigste und nützlichste Weise, diese Fußballsprache zu untersuchen. 0.2. Eingrenzung des Untersuchungsgebietes In der vorliegenden Arbeit haben wir also die Fußballberichterstattung in den Printmedien untersucht. Wir haben diese Untersuchung auf dreifacher Weise genauer spezifiziert. Zuerst haben wir uns dafür entschieden, die Fußballberichterstattung einer Weltmeisterschaft zu untersuchen, weil eine Weltmeisterschaft die wichtigste Fußballveranstaltung der Welt ist (und die zweitgrößte Sportveranstaltung überhaupt, nach den Olympischen Spielen). Die Untersuchung, die wir ausgeführt haben, berücksichtigt die Fußballberichterstattung der Weltmeisterschaft von 2006, und wir haben die Berichte aus der Periode zwischen dem 10. Juni und dem 11. Juli 2006 analysiert. Zweitens haben wir uns für diese Untersuchung für die Berichterstattung der “Welt” entschieden. Diese Entscheidung haben wir einerseits aus praktischen Gründen, wegen der einfachen Erreichbarkeit des Archivs der “Welt” (mittels eines Internet-Archivs) genommen. Andererseits haben wir die Berichterstattung der “Welt” gewählt, weil es sich hier um eine überregionale Zeitung handelt, die also der Standardsprache sehr nahe liegt. Wir wollten nämlich die Erscheinung der Fußballsprache in der Standardsprache untersuchen, um so Regionalismen und andere Abweichungen zu vermeiden. Auch wollten wir eine Zeitung, die weniger für die oft geäußerte Kritik an der Fußballberichterstattung anfällig ist und wegen der hohen Qualitätsanspruch der “Welt” schien diese Zeitung angewiesen für unsere Untersuchung. Drittens haben wir unsere Untersuchung einer bestimmten sprachlichen Erscheinung der Fußballberichterstattung gewidmet, nämlich die Periphrasen. Aus den 646 von uns untersuchten Fußballberichte der “Welt” zwischen 10 Juni und 11 Juli 2006 haben wir 3486 Periphrasen gefunden und analysiert, und anhand dieser Analyse haben wir versucht, das sprachliche Phänomen der Periphrase genauer zu bestimmen und seine Bedeutung innerhalb der Fußballberichterstattung zu zeigen, und so haben wir auch versucht, die Fußballberichterstattung selbst und ihre Stellung innerhalb der Medienlandschaft zu skizzieren. 8 1. Die Stellung des Fußballs in der Welt 1.1. Die “Versportlichung” der Gesellschaft 1.1.1. Vorbemerkungen Es ist nicht zu bestreiten, dass im gegenwärtigen Alltagsleben der Mehrzahl der Bevölkerung Sport, sei es aktiv oder passiv, eine unentbehrliche Rolle erfüllt. Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts kann man eine deutliche Steigerung der Zahl der sporttreibenden deutschen Bürger erkennen. Während 1950 nur 23 % der Bürger sich regelmäßig an Sport beteiligten, war diese Zahl bis 1982 schon mehr als verdoppelt, auf 52 %. Mitte der 90er Jahre waren es selbst bereits 67 %, und am Ende dieses Jahrzehntes sogar 87 % 1. Der Sport wird also ein sehr wichtiger Bestandteil des Gesellschaftslebens; Digel spricht sogar von einer “Versportlichung”2 der Gesellschaft, weil der Sport in verschiedensten Domänen der Gesellschaft hineinreicht. Hinsichtlich der zunehmenden Wichtigkeit des Sports wäre es nützlich, den Begriff Sport näher zu bestimmen. Ein Versuch zur Definition kann im Brockhaus gefunden werden: Sport [engl], Sammelbezeichnung für die an spielerischer Selbstentfaltung ( Spiel) und am Leistungsstreben orientierten Formen menschl. Betätigung, die der körperl. und geistigen Beweglichkeit dienen, bes. auf dem Gebiete der Leibesübungen. Diese Tätigkeiten, die in den meisten Fällen um ihrer selbst willen und aus Freude an der Überwindung von Schwierigkeiten ausgeübt werden, sind gewöhnlich regelgebunden und werden im freiwilligen Wettkampf und in eigens dafür bestimmten Organisationsformen gepflegt. Die spielerische Bewegung zur Selbststeigerung ohne Wettkampfstreben entfaltet sich zumeist individuell und unorganisiert.3 Aus dieser Definition können also schon einige wichtige Merkmale des Sports abgeleitet werden. Der wichtigste Punkt dieser Definition scheint zu sein, dass das Ziel des Sports eine Förderung der “körperlichen und geistigen Beweglichkeit” sei. Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts wird nämlich immer mehr Wert und Aufmerksamkeit auf Gesundheit und Lebensqualität gelegt. Während im 19. und am Anfang des 20. 1 Wipper, Herdin: Sportpresse unter Druck. Die Entwicklung der Fußballberichterstattung in den bundesdeutschen Printmedien. Eine komparative Studie am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaften 1990 und 1998. 17/08/2003 (17 <http://www.diss.fu-berlin.de/2003/220/index.html> 17/02/2007, S.1 2 Digel, Wilhelm. Zitiert in: Gleich, Uli: “Merkmale und Funktionen der Sportberichterstattung”. In: Media Perspektiven 11 (2000) <http://www.ard-werbung.de/showfile.phtml/2000_11_04.pdf?foid=122> 06/12/2006, S.511 3 “Sport- Merkmale, Leitlinien, gesellschaftliche Aspekte”. In: Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden. 17. völlig neubearbeitete Auflage des Großen Brockhaus. 17. Band, Wiesbaden: Brockhaus 1973. In: Sprache des Sports. Ein Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II. Hg. von Wolfgang Brandt. Frankfurt am Main, 1988, S.9 9 Jahrhunderts, mit der aufkommenden Industrialisierung der Gesellschaft, die Lebensverhältnisse der Menschen, vor allem die der Arbeiter, von physischer Arbeit dominiert wurden und Freizeit eigentlich kaum existierte, kann man einen deutlichen Wandel in den letzten Jahrzehnten sehen. Einerseits hat es viele soziale Maßnahmen (38-Stunden-Woche, Urlaubstage,…) gegeben, die die Quantität der Freizeit und damit auch die Lebensqualität der Leute wesentlich gesteigert haben, so laut Weischenberg: Die Freizeit, hier zunächst einmal definiert als Freiheit von Arbeit, ist in den letzten hundert Jahren immer größer geworden. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Arbeitswoche noch 85 Stunden, zur Jahrhundertwende noch über 60 Stunden, heute ist sie durchschnittlich nur mehr 42 Arbeitsstunden lang.4 Andererseits hat man auch das Entstehen und die Entwicklung des tertiären Sektors, des Dienstleistungsbereiches, wo die physische Arbeit weniger betont wird. In der alltäglichen Arbeitswelt ist man immer weniger von körperlicher Arbeit abhängig, so behauptet auch Wipper: Durch die zunehmende Technisierung am Arbeitsplatz bedient der Mensch immer häufiger nur noch Maschinen, die für ihn die Fertigung übernehmen. […] Der Sport kann hier einen Ausgleich schaffen und das während der Arbeit verdrängte Gestaltungsbedürfnis befriedigen.5 Mit diesen sozialen Änderungen und die Verschiebung des Schwerpunkts der Arbeit von physischer auf intellektuelle Arbeit ändern sich auch die Attitüden der Menschen. Dadurch, dass man über mehr Freizeit verfügt und die physische Arbeit weniger anstrengend wird, wird man immer mehr Wert auf die Qualität des Lebens legen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lebenserwartung stark erhöht. Der Mensch lebt länger und will auch länger und qualitativer leben. Der Gesundheit wird deshalb mehr und mehr Aufmerksamkeit gewidmet, die Bürger sind, laut Wipper, “körperbewußter geworden”6. Er spricht von einer “Fitnesswelle”7, bei der die Menschen sowohl ihre Ernährung als ihre Einstellung zum eigenen Körper ändern. Man fängt an, Sport zu treiben, weil man einerseits die Zeit dazu hat, und andererseits die Gesundheit und Fitness steigern will. “Mens sana in corpore sano” ist eine der wichtigsten Devisen der modernen Zeit. 4 Weischenberg, Siegfried: Die Aussenseiter der Redaktion. Struktur, Funktion und Bedingungen des Sportjournalismus. Bochum, 1976, S.113 5 Wipper: Sportpresse unter Druck., S.47 6 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.2 7 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.2 10 Neben der aktiven Teilnahme an Sport, in der man versucht, sei es individuell oder in einem Verein, seine körperliche Beweglichkeit zu üben, nimmt in letzter Zeit auch die passive Teilnahme an Sport zu. Dieser Aspekt des Sports findet man nicht in der Definition im Brockhaus, ist aber doch auch eine wichtige Tendenz im heutigen gesellschaftlichen Leben, die mit der zunehmenden Mediatisierung der Gesellschaft verknüpft werden kann: Die ständig wachsende Bedeutung von Körperkultur und Sport im Leben unserer Republik spiegelt sich auch in den Massenkommunikationsmitteln wider.8 In den Medien wird man also mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sportliche Ereignisse legen. Es ist logisch, dass die Medien, die letztendlich wirtschaftliche Unternehmen sind, versuchen, die Wünsche des Publikums zu antizipieren und auf sie einzugehen. Und es ist unbedingt eine Tatsache, dass das Interesse der Menschen am Sport sich in den letzten Jahrzehnten deutlich nicht mehr beschränkt auf die eigenen sportlichen Aktivitäten, sondern auch das Anschauen, Kommentieren und womöglich sogar Bewundern sportlicher Ereignisse von anderen enthält. Das wird unmittelbar klar, wenn man sich die enormen Zuschauerzahlen und Einschaltquoten bei großen sportlichen Veranstaltungen anschaut: Darüber hinaus garantiert die Präsentation von Sportveranstaltungen große Zuschauermassen und Top-Reichweiten. So saßen etwa beim Super-Bowl 1999, dem Endspiel der amerikanischen Fußballmeisterschaft, in den USA circa 30 Millionen Zuschauer (weltweit etwa 1000 Millionen) vor dem Apparat. Die 16 Formel-1-Rennen sahen im vergangenen Jahr zusammen gerechnet insgesamt 57,8 Milliarden Menschen weltweit, die Fußball-WM 1998 lockte 33,4 Milliarden Zuschauer. Die Olympischen Spiele in Sydney hatten ein TV-Publikum von etwa 25 Milliarden Menschen, nachdem Atlanta 1996 19,6 Milliarden interessiert hat.9 Für die Medien ist es eine wirtschaftliche Notwendigkeit, über Sport zu berichten, weil die Zielgruppe für Sport fast unendlich ist. Ludwig behauptet in dieser Hinsicht, dass das Publikum für medienvermittelte Sportereignisse sich nicht beschränkt auf Sportexperten: Dem Sport wird heute im allgemeinen großes Interesse entgegengebracht. Nicht nur Sportler und Sportanhänger diskutieren über den Ausgang eines Fußball- oder 8 Ludwig, Klaus-Dieter: “Sportsprache und Sprachkultur. Zum Gebrauch von Fremdwörtern und Sprachbildern in Sportberichten”. In: Sprachkultur - warum, wozu? Aufgaben der Sprachkultur in der DDR. Hg. von Erika Ising. Leipzig, 1977, S.50 9 Gleich: “Merkmale und Funktionen der Sportberichterstattung”. S.511 11 Eishockeyspiels oder einer Weltmeisterschaft, sondern auch ein großer Kreis von Laien.10 Es gehört zu dem Reiz des Sports, dass man nicht unbedingt Expert sein muss, um über Sport sprechen und diskutieren zu können. Wegen dieses großen Interesses der Medien an Sport werden sportliche Veranstaltungen und Vereine allmählich zu kommerziellen Unternehmen: Der Sportbetrieb ist aus dem heutigen wirtschaftl. Leben nicht mehr wegzudenken. Seine Umsätze in Sportgeräte- und -bekleidungsindustrie, Handel, Sportstättenbau, Presse, Werbeindustrie und bei großen Vergleichskämpfen gelten als wesentliche Teilbereiche der Volkswirtschaft.11 So entstand und entwickelte sich, wie Gleich sagt, eine “Dreiecksbeziehung zwischen Sport, Medien und Wirtschaft”12. Angesichts der ständig wachsenden Zahl der Sporttreibenden einerseits und der zunehmenden Anzahl passiver Zuschauer sportlicher Ereignisse andererseits, könnten wir, mit Digel, sprechen von einer “Versportlichung” der Gesellschaft. 1.1.2. Dimensionen des Sporttreibens Innerhalb des aktiven Sporttreibens kann man, aufgrund der Intensität der gelieferten sportlichen Anstrengung, unterschiedliche Dimensionen des Sports erkennen. Dieser Aspekt wird im Brockhaus nicht ausführlich behandelt, ist aber eine wichtige Unterscheidung in Bezug auf die zunehmende Mediatisierung und Kommerzialisierung des Sports. Es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen, diese Aufteilung zu gestalten. Weischenberg zum Beispiel unterscheidet zwischen Leistungssport und Freizeitsport, wobei er eine Unterscheidung zwischen Amateur- und Berufssport zu vermeiden versucht13. Wipper dagegen fügt diese Unterscheidung seiner Theorie hinzu, und macht den Unterschied zwischen Breiten- oder Freizeitsport, Leistungssport und Hochleistungs- oder Berufssport 14. 10 Ludwig: “Sportsprache und Sprachkultur.” S.50 Brockhaus: “Sport- Merkmale, Leitlinien, gesellschaftliche Aspekte”. S.11 12 Gleich: “Merkmale und Funktionen der Sportberichterstattung”. S.511 13 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 73 14 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.45ff 11 12 1.1.2.1. Breiten- oder Freizeitsport Für Weischenberg wird Freizeitsport dadurch gekennzeichnet, dass die “Kriterien der Leistung”15 nicht gelten. Es geht hier um Sport als Selbstzweck, ohne dass man an Wettkämpfen teilnehmen muss. Der Spielcharakter des Sports ist hier dem Leistungsstreben übergeordnet; die körperliche Betätigung ist wichtiger als das Erreichen bestimmter sportlicher Ziele. Der Unterschied zwischen Leistungs- und Freizeitsport wird von Weischenberg illustriert anhand der unterschiedlichen Schwerpunkte auf dem Gebiete der Unterhaltung: Hier [beim Freizeitsport] tritt der Unterhaltungsaspekt wesentlich für den Ausübenden selbst in den Vordergrund, während der Leistungssport vor allem für den Nicht-aktiven, Zuschauenden einen Unterhaltungswert besitzt.16 Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass für Leistungssportler der Sport keinen Unterhaltungswert besitzt, sondern nur, dass die primäre Funktion für solche Sporttreibenden beim Sport nicht Unterhaltung, sondern das Erreichen einer besonderen Leistung oder eines Sieges in einem Wettbewerb ist. Auch Wipper bestätigt, dass im Freizeitsport “die Motive Gesundheit, Freunde und Spaß am Sport sowie Ausgleich zum Arbeitsalltag”17 dominieren. Wipper betont vor allem die Tatsache, dass in der heutigen Gesellschaft den Menschen immer mehr Freizeit zur Verfügung steht, und dass sie diese Freizeit am liebsten anwenden, um ihre Fitness zu erhöhen. Für ihn ist Freizeitsport also auch der Sport, der außerhalb von Wettkampfbedingungen getrieben wird, und er konstatiert dabei auch, dass das Sporterlebnis der Menschen immer individueller wird: Beim Surfen, Joggen, Radfahren usw. findet die Fitness-Arbeit am eigenen Körper oft isoliert statt. Der Wettkampf im klassischen Sinne ist für den Großteil der Sporttreibenden nur noch sekundär. Die traditionellen Vereinsstrukturen mit ihren Einengungen und Vorschriften sind für diese Art der Sportausübung eher hinderlich.18 Die Mehrzahl der Sporttreibenden in der Bundesrepublik ist also an Breiten- oder Freizeitsport beteiligt, das heißt, dass sie nicht Sport treiben, um bestimmte wettkampfbedingte Leistungen zu erzielen, sondern um ihre körperliche Beweglichkeit zu steigern. Es ist auch nicht unbedingt so, dass man, obwohl man dies aus der 15 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 73 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 74 17 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.46 18 Wipper: Sportpresse unter Druck. S. 49 16 13 Argumentation von Wipper schließen könnte, nur isoliert und außerhalb eines Sportvereins Freizeitsport treiben kann. Der determinierende Punkt beim Breiten- oder Freizeitsport ist die Abwesenheit des wettbewerblichen Elements, es handelt sich also um Sport um des Sportes willen. 1.1.2.2. Leistungssport Wie sich schon aus dem vorigen Kapitel herausstellte, handelt es sich beim Leistungssport, im Gegensatz zum Freizeitsport, um eine bestimmte Zweckmäßigkeit. Weischenberg formuliert es so: Für den Leistungssport gelten die Kriterien der Leistung, des Wettkampfs, der Ausrichtung auf Vervollkommnung bis hin zum Rekord. Dieser Bereich ist keineswegs auf körperliche Betätigung beschränkt.19 Laut Weischenberg wird Leistungssport also nicht definiert durch die physische Dimension, sondern ist der Wettkampfelement der bestimmende Faktor. Auch Wipper macht den Unterschied zwischen Freizeitsport und Leistungssport, indem er das Leistungsniveau der beiden differenziert. Das Leistungsniveau beim Leistungssport liegt beträchtlich höher als das des Freizeitsportes. Auch hier ist Wettkampf der zentrale Begriff, wobei hohen Wert gelegt wird auf Regeln, die das Vergleichen von Leistungen im Wettkampf ermöglichen: Leistungssportler organisieren sich meist in Vereinen. Werte wie Wettkampf und Konkurrenz stehen im Vordergrund. Daher spielt auch das Einhalten von normierten sportspezifischen Regeln im Leistungssport eine große Rolle, da nur so eine sinnvolle Leistungskontrolle bzw. ein Leistungsvergleich gewährleistet werden kann.20 Im Grunde stimmen die Definitionen von Wipper und Weischenberg in diesem Sinne überein. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist die Tatsache, dass Wipper noch eine zusätzliche Dimension hinzufügt, die sogar von Weischenberg verneint wird, nämlich die des Hochleistungs- oder Berufssportes. 19 20 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.73 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.50 14 1.1.2.3. Hochleistungs- oder Berufssport Hochleistungssport ist, laut Wipper, eine Erweiterung des Begriffes Leistungssport. Die Zielbestimmung des Hochleistungssportes befindet sich aber auf einem anderen Leistungsniveau: Während das Ziel beim Leistungssport darin besteht, unter nicht professionellen Bedingungen eine persönliche Höchstleistung zu erreichen, ist die Leistung im Hochleistungssport ein absoluter Wert, der von der Umwelt festgelegt wird.21 Im Spitzensport ist jede sportliche Leistung “erfolgsorientiert”22; das Abschließen einer Leistung als Sieger oder als Rekordhalter ist wichtiger als die sportliche Leistung an sich. Diese Erfolgsorientierung verknüpft Wipper an die Entwicklung des Berufssportes, hier definiert von Hortleder: Um Berufssport handelt es sich dann, wenn der Aktive ausschließlich von seiner Sportausübung und deren materiellen Rahmenbedingungen wie der Werbung leben kann. Berufssport ist immer Hochleistungssport, hingegen Hochleistungssport keinesfalls immer Berufssport.23 Die zunehmende Kommerzialisierung des Sports, aufgrund seiner großen Popularität, trägt dazu bei, dass der Berufssport sich zu entwickeln anfing. Deshalb scheint es für Wipper notwendig, Hochleistungssport und Leistungssport voneinander zu trennen. Weischenberg dagegen spricht von einer “kaum noch haltbare[n] Unterscheidung von Amateur- und Berufssport”24. Er behauptet, einen Unterschied zu machen zwischen Amateur- und Berufssport sei unnötig, weil die beiden wirtschaftlich wirksam sind: Der gesamte Leistungssport kann wegen seiner Marktchancen als Unterhaltungsware auf dem Freizeitsektor als bedeutender Wirtschaftsfaktor bezeichnet werden.25 Weischenberg vergisst aber, dass Amateursport (sowohl Breiten- als Leistungssport) und Berufssport (Hochleistungssport) in ganz anderen Bereichen ökonomisch aktiv sein kann. Beim Amateursport ist die wirtschaftliche Dimension vor allem dem individuellen Sportler und seinen Bedürfnissen gewidmet (Sportgeräte,…), während beim Berufssport ein wirtschaftliches Komplex wirksam ist, wobei die Medien eine 21 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.50 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.51 23 Hortleder, Gerd: Sport in der nachindustriellen Gesellschaft. Eine Einführung in die Sportsoziologie. Frankfurt am Main, 1978, S.24 24 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.73 25 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.73-74 22 15 unverzichtbare Rolle spielen. Die vorher schon genannte Dreiecksbeziehung SportWirtschaft-Medien ist fast nur beim Spitzensport effizient. Die Sportberichterstattung in den Medien wird gekennzeichnet von einer “überwiegende[n] Orientierung am Spitzenbzw. Leistungssport”26, was selbstverständlich resultiert in einer vorherrschende Lage des Spitzensportes: Der Spitzensport nimmt im Bereich des Sports eine Vorreiterrolle ein. […] Doch der Hochleistungssport spielt auch in der Gesellschaft eine dominierende Rolle, weil er dort einen sehr hohen Aufmerksamkeitsgrad erreicht. Dies kommt nicht zuletzt daher, daß die Massenmedien fast ausschließlich über den Spitzensport berichten.27 Die wirtschaftliche Wirkung des Amateursportes beschränkt sich also vor allem auf die Bedürfnisse des individuellen Sportlers, während der Spitzensport, dank der Medien, eine gesamtgesellschaftliche wirtschaftliche Wirkung hat, die sich über Presse, Werbung, Merchandising und so weiter zum Ausdruck bringt. Innerhalb der Domäne des Hochleistungssportes kann man auch noch Show- oder Zuschauersport erkennen. Hortleder definiert diesen Begriff so: Showsport ist technisch-wissenschaftlich fundierte, arbeitsmäßig vorbereitete, in der Regel als Beruf ausgeübte und als Show präsentierte Unterhaltung. Showsport wird vor einem Massenpublikum im Stadion oder auf der Rennstrecke regelmäßig ausgeübt und gleichzeitig oder zeitversetzt im Massenmedium Fernsehen ausgestrahlt.28 Die Massenmedien richten sich also vor allem auf einige bestimmte Sportarten, wie Fußball, Motorsport oder Leichtathletik, die möglichst attraktiv wiedergegeben werden. Die Medien versuchen nämlich, den Wünschen des Publikums entgegenzukommen, und so wird die Berichterstattung der sportlichen Ereignisse zu einem wirklichen Spektakel. Im Laufe der Zeit hat ein Teil des Leistungssportes sich also allmählich entwickelt zu einem Hochleistungs- und Berufssport, indem man sich realisiert hat, dass mit außerordentlichen sportlichen Leistungen Geld zu verdienen war. Nachdem die Medien eingesehen hatten, dass die Sportberichterstattung ein lukratives Geschäft sein könnte, hat der Spitzensport sich mehr und mehr zum Showsport entwickelt. Man muss jedoch einräumen, dass sich die Medien nur auf einen ganz kleinen Teil der Sportvielfalt beschränken, und dass sich nur einige Spitzensporte zum Showsport eignen. 26 Gleich: “Merkmale und Funktionen der Sportberichterstattung”. S.511 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.52 28 Hortleder: Sport in der nachindustriellen Gesellschaft. S.23 27 16 1.2. Die dominierende Stellung des Fußballs im Sportspektrum Innerhalb der deutschen Sportlandschaft kann man um die dominierende Position des Fußballs nicht umhin. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) vereinigt in etwa 90.000 Turn- und Sportvereinen rund 27 Millionen Mitglieder, von denen ungefähr 6,3 Millionen Mitglied des Deutschen Fußballbundes (DFB) sind, in 26.000 Vereinen. Der Deutsche Fußballbund ist damit der größte Fachverband im Deutschen Olympischen Sportbund. Sowohl als Freizeit- als auch als Leistungs- oder Hochleistungssport ist Fußball der beliebteste Sport in der Bundesrepublik, sogar in der Welt, wo er - außerhalb in den Vereinigten Staaten, wo Sporte wie American Football, Baseball und Basketball weitaus populärer sind - der am meisten getriebene Sport ist. Es darf nicht wundern, dass die Weltmeisterschaft Fußball, nach den Olympischen Spielen, die größte Sportveranstaltung der Welt ist, wobei berücksichtigt werden muss, dass die Olympischen Spiele eine Sammlung verschiedenster Sportarten bilden. Der Fußball hat sich in den 150 Jahren, dass es Fußballvereine gibt, zu einem, vielleicht sogar zu dem weltrangigen Sport „par excellence“ entwickelt. 1.2.1. Ursprung des Fußballs Schon mehr als 2000 Jahre vor der Zeitenwende hat es bestimmte Ballspiele mit dem Fuß gegeben, die als Vorläufer des heutigen Fußballs gesehen werden können. Manfred Blödorn beschreibt in Fußballprofis. Die Helden der Nation. diese Anfänge des Fußballspiels nicht als sportliche Aktivitäten, sondern als Tätigkeiten mit einem religiösen, sakralen Charakter: Am Anfang war der Ball, der als symbolisches Abbild von Sonne und Mond betrachtet und dem große Verehrung entgegengebracht wurde. Das Spiel mit dem Ball galt als rituelle Handlung und sollte den Spielern zu körperlicher Kraft und Heldenmut verhelfen.29 Diese erste schriftliche Überlieferung stammt aus der Zeit der chinesischen HuangDynastie und beschreibt auch zwei Varianten des Fußballspiels: eine Variante, die dem Rugby ähnelte (selbstverständlich nicht Rugby, wie der Sport heute gespielt wird, sondern wie es etwa vor 150 Jahren in England üblich war), und eine zweite Variante, “Tsun Chu” genannt, was “den ausgestopften und mit Leder überzogenen Ball mit dem 29 Blödorn, Manfred: Fußballprofis. Die Helden der Nation. Hamburg, 1974, S.22 17 Fuß schießen”30 bedeutet, und verfeinerter war als die Rugby-Variante. Diese chinesischen Ballspiele hatten sogar schon bestimmte Regeln und Spielzüge, und wurden von den Chinesen bis in das 17. Jahrhundert betrieben. Auch in den Überlieferungen der Südseevölker findet Blödorn Ansätze zu Ballspielen mit dem Fuß: Auf Hawaii spielten die Ureinwohner “Pe-ku-ki-ni-po-po”, […] Die Melanesier vergnügten sich mit Pampelmusen, die sie mit dem Fuß in die Höhe schossen. […] Die Ureinwohner Australiens benutzten den ausgestopften Hodensack eines alten Kängurumännchens als Ball, […]31 Auch bei den Eskimos in Alaska, den Indianern Nordamerikas und den Mayas und Azteken in Südamerika gab es primitive Ballspiele, die als irgendein Vorstadium des Fußballs aufgefasst werden können. In Europa erscheinen laut Blödorn erst im 13. Jahrhundert die ersten fußballähnlichen Spiele. Vor dieser Zeit hatte man anscheinend keine Ballspiele mit dem Fuß; in Italien beruft man sich auf das “Harpastrum”, “ein Schlagballspiel mit der Hand”32, in Frankreich ist die Rede von “houle” oder “soule”, “einem heidnischen Brauch zur Osterzeit”33, und die Engländer berichten von einem Art Fußballspiel, das im 3.Jahrhundert in der Grafschaft Derby stattgefunden haben soll. In der ganzen Welt sieht man also unabhängig voneinander das Entstehen von Ballspielen mit dem Fuß, die als Vorläufer des Fußballspiels betrachtet werden können. Der Ursprung “des europäischen Fußballs moderner Prägung”34, wie Wipper es nennt, findet man in England. Während das Fußballspiel am Anfang vor allem von den unteren Bevölkerungsschichten getrieben wurde, gibt es in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts eine Umgestaltung, in der die oberen Schichten die Wichtigkeit einer körperlichen Erziehung einzusehen anfangen. In den “public schools” und Universitäten (in Rugby, Eton, Harrow, Cambridge und Oxford) wird das Fußballspiel als pädagogisches Mittel eingesetzt und entwickelt sich eine sportliche Rivalität zwischen diesen Einstellungen. So entsteht übrigens 1823 Rugby; ein Schüler “nahm trotz des Verbotes durch den Direktor den Ball während des Spiels in die Hände und rannte damit los”35. 30 Blödorn: Fußballprofis. S.22 Blödorn: Fußballprofis. S.23 32 Blödorn: Fußballprofis. S.24 33 Blödorn: Fußballprofis. S.24 34 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.97 35 Blödorn: Fußballprofis. S.26 31 18 Nachdem der Fußball in der Erziehung der elitären Einstellungen eingebettet war, entwickelte der Sport sich immer schneller: 1857 wurde der erste Fußballverein in Sheffield gegründet (FC Sheffield); 1862 wurden die ersten Fußballregeln entworfen, 1863 wurde der Football Association (FA) gestiftet, 1872 gab es das erste Länderspiel der Geschichte, zwischen England und Schottland (0:0), und 1885 gab es die ersten Berufsfußballspieler in England. Das Fußballspiel blieb nicht lange isoliert auf der Insel, es wurde schnell auf dem europäischen Kontinent und in weiten Teilen der Welt verbreitet. Die Stelle von England als eine imperialistische Großmacht spielt hier, laut Blödorn, eine große Rolle: Es darf sicher als richtig angenommen werden, daß die Weltmachtstellung des britischen Reiches und ihre weltweiten Handelsbeziehungen für den epidemieartigen Aufschwung des Fußballspiels verantwortlich sind.36 Auch in Deutschland drang der Fußball ein: 1874 wurde von Professor Konrad Koch in Braunschweig der erste deutsche Fußballsportverein gestiftet. Der erste Verein außerhalb von Schulen war der “Deutsche Fußballverein 1878 Hannover”, der 1878 entstand. Weil es immer mehr Fußballvereine gab, konnte eine übergreifende Organisation nicht lange ausbleiben: 1900 wurde der Deutsche Fußballbund, zusammengestellt aus 86 Vereinen mit 3000 Mitgliedern, gegründet. Die Fußballorganisationen verschiedener europäischer Länder (Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, Schweden und der Schweiz) einigten sich 1904 auf bestimmte Regeln, die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) wurde gegründet, der der DFB (Deutscher Fußballbund) im selben Jahr beitrat. Die erste unoffizielle Weltmeisterschaft Fußball fand 1908 noch innerhalb der Olympischen Spiele statt, die erste offizielle Weltmeisterschaft wurde 1930 in Uruguay organisiert.37 Der Fußball hat sich innerhalb von etwa anderthalb Jahrhunderten von einem Sport, der nur in Schulen getrieben wurde, entwickelt zu einem Sport, der von unzählbaren Fans und Sportlern getrieben und verfolgt wird, mit der Weltmeisterschaft als Kulminationspunkt. 1.2.2. Die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs 36 37 Blödorn: Fußballprofis. S.27 vgl. Blödorn: Fußballprofis. S.25ff. und Wipper: Sportpresse unter Druck. S.97ff. 19 1.2.2.1. Einführung Seit den 80er Jahren ist die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs stark angestiegen. Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs und das wachsende Interesse der Medien für den Fußball haben dazu beigetragen, dass der Fußball mehr und mehr zu einem “Wirtschaftsfaktor”38 geworden ist. Mit dem Fußball sind heute astronomische Gehälter, Werbesummen und Lizenzrechtensummen verbunden. Für die Fußballspieler und –klubs, die Massenmedien, die über Sportveranstaltungen berichten, und für die Industrie, die mittels Werbung an Fußball beteiligt ist, ist der Fußball ein lukratives Geschäft. Das Profitstreben verbindet diese drei Sektoren unlöslich miteinander in einer einzigartigen Dreiecksbeziehung. Der Fußball braucht die Medien, um sein Produkt weltweit bekannt zu machen und zu verbreiten. Die Medien benötigen ihrerseits den Fußball, weil das Publikum am Fußball interessiert ist und sie deswegen ihren Umsatz steigern können. Die Industrie schließlich braucht einerseits Sport und Medien, um ihre Marken und Betriebe bekannt zu machen, und andererseits ist sie ein unentbehrlicher Faktor für Medien und Fußball dadurch, dass die Wirtschaft die notwendigen Gelder in Medien und Fußball mittels Sponsoring und Werbung investiert. So entwickelt der Fußball sich zu einem “industriellen und hypermedialisierten”39 Sport. 1.2.2.2. Professionalisierung des Fußballs Am Anfang des 20. Jahrhunderts war aller Sport, nach dem Vorbild der Olympischen Spiele, wo professionelle Athleten verboten waren, Amateursport. Selbstverständlich konnte diese Haltung, in der professionelle Sportler vom olympischen Wettkampf ausgeschlossen wurden, nicht eingehalten werden, denn sie entspricht nicht dem olympischen Gedanken, dass die weltbesten Athleten sich miteinander messen müssten. So gibt es im Fußball, nachdem er sich aus dem Schulbereich herausentwickelt hat, auch eine Tendenz zur Professionalisierung. In der Fußballmeisterschaft, die vom DFB schon 1903 zum ersten Mal organisiert wurde, spielten die teilnehmenden 38 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.1 Pornschlegel, Clemens: “Wie kommt die Nation am Ball? Bemerkungen zur identifikatorischen Funktion des Fußballs.” In: Warum Fußball? Kulturwissenschaftliche Beschreibungen eines Sports. Hg. von Matías Martínez. Bielefeld, 2002, S.104 39 20 Mannschaften mit Amateurteams. Professionalismus war nämlich immer noch verboten. Die Spieler der Mannschaften waren darauf angewiesen, neben ihren Fußballaktivitäten noch einen anderen Beruf auszuüben, während die Fußballvereine, durch die Einführung von Eintrittsgeldern, ein sehr lukratives Geschäft trieben. Die Spieler waren damit selbstverständlich nicht einverstanden: Das sollte sich Ende der zwanziger Jahre ändern, als die Spieler verschiedener westdeutscher Vereine aufgrund der immer größer werdenden Zuschauerresonanz an den Gewinnen der Vereine teilhaben wollten.40 Nach dem zweiten Weltkrieg bekamen die Fußballer einen Vertragsspielerstatus, was beinhaltete, dass die Oberliga-Vereine ihre Spieler 420 Mark im Monat bezahlen durften. Gemessen an den großen Gewinnen, die die Vereine, der DFB und der Staat kassierten, war dieser Betrag sehr niedrig. Diese Situation hielt sich auch nicht lange; 1963 wurde die Fußball-Bundesliga errichtet, in der die Spieler einen Berufssportlerstatus bekamen. Am Anfang hatte der DFB noch Obergrenzen für Gehälter, Prämien, und so weiter festgelegt, aber diese Lage war auch unhaltbar, u.a. weil man in anderen Ländern wie England, Spanien und Italien solche Beschränkungen nicht kannte. Der DFB schaffte 1968 “schließlich alle Geldbeschränkungen ab”41. Seitdem konnte die Professionalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs wirklich anfangen. Die Vereine wurden dazu gezwungen, Spitzenspieler zu verpflichten und auch dementsprechend zu bezahlen, um Erfolge zu leisten. Diese Erfolge sind notwendig um das Interesse der Zuschauer, die für die Eintrittsgelder sorgen, die verwendet werden für das Verpflichten und Bezahlen von Spitzenspielern, zu behalten. Die Vereine kommen so in einen Teufelskreis, und sie können die ständig ansteigenden Gehälter nicht mehr durch Eintrittsgelder kompensieren, wodurch sie gezwungen werden, andere Einnahmequellen zu suchen. Für die Fußballspieler ist die Professionalisierung des Fußballs eine gute Sache. Sie sahen ihre Gehälter stark ansteigen, eine Tendenz, die man in der heutigen Fußballwelt immer noch antrifft, und sie wurden zu wichtigen Figuren der Vereine. Die Spieler werden, u.a. von den Medien, als Stars präsentiert, und die Vereine versuchen deshalb durch den Verkauf von Fanartikeln ihrer Stars ihre Einnahmen zu steigern. Die Fußballprofis werden zu wichtigen Elementen in den wirtschaftlich orientierten 40 41 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.99 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.100 21 Fußballvereinen. Dies wird ganz klar illustriert durch die astronomischen Ablösesummen, oft Dutzende Millionen Euro, die für bestimmte Starspieler bezahlt werden. Die Fußballvereine entwickeln sich also immer mehr zu wirtschaftlichen Unternehmen, weil sie ihren Gewinn, wegen der ständig wachsenden Spielergehälter, nicht mehr ausschließlich aus Eintrittsgeldern bekommen können. Sie werden versuchen, die Popularität ihres Vereins und ihrer Spitzenspieler einzulösen, indem sich der Fanartikelverkauf zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickeln wird: In der Saison 1998/99 nahmen die Bundesliga-Vereine 180 Millionen Mark durch den Verkauf von Merchandisingprodukten ein.42 Das Merchandising ist eine wichtige neue Einnahmequelle, es konnte sich aber nur dadurch entwickeln, dass die Medien und die Industrie sich am Sport, und besonders am Fußball, zu interessieren anfingen. Dank der Medien entsteht bei den Fans Begeisterung und Interesse für die Produkte eines Vereins, und dank der Sponsoring und Werbung der Industrie können diese Fanartikel hergestellt werden. Die Profivereine haben sich also zu wirtschaftlichen Unternehmen entwickelt, deren Umsatz mehrere Hunderte Millionen Euro beträgt ( z.B. der Umsatz vom FC Bayern München betrug 2000 144,7 Millionen Euro43). Manche Vereine sind sogar schon börsennotiert. Die Fußballwelt, mit Spielern und Vereinen, hat sich völlig zu einem wirtschaftlichen Komplex entwickelt. 1.2.2.3. Einfluss der Medien auf Kommerzialisierung Bei der Kommerzialisierung des Fußballs spielen die Medien eine nicht unbeträchtliche Rolle. Dadurch, dass die Massenmedien, sowohl Rundfunk, Fernsehen als Printpresse, dem Sport viel Aufmerksamkeit in ihrer Berichterstattung widmen, wächst, wie schon erwähnt, auch das Interesse der Menschen für den Fußball, und deshalb erhöht sich die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs: Der Sport ist mit seinen turnusmäßigen Wettkämpfen und seinen Ritualen um Sieg und Niederlage in der Gesellschaft breit verwurzelt, seit es eine zeitnahe, authentische Berichterstattung der elektronischen Medien gibt. Mit der immer 42 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.101 Schwier, Jürgen: Kulturelle und ökonomische Aspekte des Fußballs < http://www.sport.unigiessen.de/dl/down/open/Schwier/4f4e81a65322d0a3464a66c234b104ad7aa921a18f1c198bc8492e2a0c2 7c88e2a91b458d6920325f407dec16131dec3/VorlesungFu_ball.doc> 15/12/2006, S.7 43 22 dichteren Folge an Übertragungen haben diese Medien maßgeblich dazu beigetragen, den Sport zu einem gesellschaftlichen Ereignis und dem weithin dominierenden Phänomen der Alltagskultur zu machen.44 Brinkmann betont hier vor allem den Einfluss der elektronischen Medien, obwohl die Printpresse hier auch noch eine bedeutende Rolle spielt. Es ist jedoch unbedingt eine Tatsache, dass die Printmedien heute bei der Erstinformation nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, und vor allem eine “Komplementärfunktion”45 erfüllen. Dessen ungeachtet sind die Medien von primordialer Bedeutung beim Kontakt der Menschen mit sportlichen und deswegen auch fußballerischen Ereignissen: Today many people engage with professional sport principally via media coverage of sporting events. The depth and range of audience reached by sports journalism is immense.46 Das Fernsehen ist hier das weitaus wichtigste Medium der Verbreitung und Popularisierung des Fußballs, weil es ein sehr großes Publikum erreicht. Deshalb spielt das Fernsehen auch eine bedeutende Rolle bei der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs, weil die Wirtschaft einsieht, dass dieser Sport beim Publikum immer populärer, und so auch immer werbefähiger wird: Dennoch fließen heute allein in Deutschland mehr als 1,5 Mrd. Mark pro Jahr aus der Wirtschaft in den Sport und dieses liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Medien den Sport in vielfältigster Weise zum Gegenstand ihrer Berichterstattung machen.47 Für die Medien selbst, und vor allem, dank seiner dominierenden Stelle, das Fernsehen, ist, wie schon erwähnt, eine ausführliche Sportberichterstattung eine lukrative Sache, weil sie einerseits beim Publikum viel Anklang findet. Erhöhtes Interesse der möglichen Kunden resultiert also in einer größeren Kundschaft, sei es Leser, Zuhörer oder Zuschauer. Je größer die Verkaufszahlen bzw. Einschaltquoten, je größer die Einnahmen. Andererseits zieht eine erhebliche Kundschaft auch die Wirtschaft an, die ihre Produkte beim Publikum bekannt machen, und deshalb in den 44 Brinkmann, Thomas: “Sport und Medien – Die Auflösung einer ursprünglichen Interessengemeinschaft?” In: Media Perspektiven 11 (2000) <http://www.ardwerbung.de/showfile.phtml/2000_11_02.pdf?foid=118> 06/12/2006, S.491 45 Niebuhr, Thomas und Pankok, Torsten: “Verweigern, Anpassen oder Mitmachen? Tageszeitungen und Sportzeitschriften in der Analyse.” In: Sportsponsoring: Bilanz eines Booms. Studie zur Präsentation und Wirkung von Werbung im Sport. Hg. von Josef Hackforth. Berlin, 1994 (Beiträge des Instituts für Sportpublizistik, Bd.3), S.355 46 Blain, Neil, Boyle, Raymond und O‟Donnell, Hugh: Sport and National Identity in the European Media. Leicester usw., 1993, S.12 47 Niebuhr und Pankok: “Tageszeitungen und Sportzeitschriften in der Analyse.” S.355 23 Medien werben will. Angesichts der immensen Einschaltquoten beim Ausstrahlen von Fußballspielen ist der Fußball für die Industrie eine sehr interessante Investierung. Diese Lage wird von Hackforth sehr lapidar, sondern nicht weiniger prägnant skizziert: Der Sport wäre ohne die Medien nicht das, was er heute ist, nämlich auch ein expansives Betätigungsfeld für das kommerzielle und nichtkommerzielle Marketing.48 Eine ausführliche Fußballberichterstattung, mit Direktübertragungen von Fußballspielen, ist also eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Massenmedien, die schließlich auch profitorientierte Unternehmen sind. Das Fernsehen hat in dieser Hinsicht einen erheblichen Vorteil, weil es im Stande ist, Direktübertragungen zu liefern, während in der Printpresse eine solche Aktualität nicht zu erreichen ist. Rundfunk werden wir hier nicht berücksichtigen, weil dieses Medium auf dem Gebiete von Sportübertragungen und –berichterstattung nur noch eine eher unbedeutende Rolle spielt. Dass die Fußballberichterstattung ein immer wesentlicherer Teil des Fernsehprogramms bildet, kann man sehr deutlich erkennen anhand der Preise, die für die Übertragungsrechte der Fußballbundesliga gezahlt wurden. 1988 wurden für die Lizenzrechte 45 Millionen Mark gezahlt. Diese Zahl war 1992 schon auf 140 Millionen Mark angestiegen, und 1997 wurden schon 180 Millionen Mark gezahlt.49 1.2.2.4. Einfluss der Werbung Die im letzten Jahrhundert immer zunehmende Popularität des Fußballs, sowohl bei den Zuschauern im Stadion als bei den Verfolgern der Sportberichterstattung in den Medien, konnte auch der Wirtschaft, die immer darauf gerichtet ist, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen und auf das eigene Produkt zu lenken, nicht entgehen. Vor allem das Fernsehen bietet der Wirtschaft große Möglichkeiten, ihre Produkte sehr weit bekannt zu machen: In part through its relationship with the medium [tv], sport has become intertwined with advertising, marketing and corporate business.50 48 Hackforth, Josef: “Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien. Das Beispiel der Sportberichterstattung.” In: : Sportmedien und Mediensport. Wirkungen - Nutzungen - Inhalte der Sportberichterstattung. Hg. von Josef Hackforth. Berlin, 1987, S.15 49 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.5 50 Blain,, Boyle, und O‟Donnell: Sport and National Identity in the European Media. S.12 24 Also vor allem weil der Sport sich immer mehr zu einem Medienereignis entwickelt und so ein großes Publikum erreicht, wird die Wirtschaft versuchen, Einfluss auf den Sport auszuüben. Zu diesem Ziel wird die Industrie Werbung benutzen. Wipper unterscheidet fünf “Verflechtungsbereiche”51 zwischen Werbung und Sport: Zuerst nennt er die Werbung der Sportindustrie, die Sportgeräte und –ausrüstungen anbietet und zu verkaufen versucht; daneben gibt es den Sport als Leitbild in der Werbung, wobei positiv bewertete Merkmale des Sports “zum bestimmenden Faktor der Werbebotschaft”52 werden; drittens hat man den Sport als Mittel der Werbung: die Werbung wird auf die Kleidung der Sportler und in den Arenen angebracht; viertens sieht er Werbung mit Sportstars, die verwendet werden, um ein bestimmtes Produkt zu promoten; und letztens gibt es Sponsorwerbung, die basiert auf “längerfristigen Verträgen, die zwischen Unternehmen und einem Sportler, einem Verein oder einem Veranstalter”53 vereinbart werden. Die Wirtschaft wird, mittels Werbung, ein unentbehrlicher Faktor im Fußball und im Sport im Allgemeinen. Die Fußballvereine sind von den Sponsoren abhängig, wollen sie einträgliche Unternehmen sein, und sie sind dazu bereit, große Zugeständnisse zu leisten, um die Bewerber an sich zu verbinden: Ohne Sponsoring und Merchandising ist Spitzen- und Profisport inzwischen ebenso undenkbar wie sportliche Großveranstaltungen von nationalem und internationalem Rang. Immer häufiger tragen die entsprechenden Veranstaltungen – und zusehends auch die Sportstätten – den Namen ihrer Sponsoren, und wo ohne Fernsehgelder im Spitzensport nichts mehr geht, versuchen einige Sportarten bis hin zu weitreichenden Regeländerungen fernsehgerecht umzugestalten.54 Wie Settekorn sagt, hat sich die Werbung so weit durchgesetzt, dass die Namen von Veranstaltungen und Sportstätten nach den Wünschen der Sponsoren angepasst werden (z.B. Barclay‟s Premier League (englische Oberliga) , Jupiler League (belgische Oberliga), AOL-Arena (Stadion des Hamburger SV), Allianz-Arena (Stadion des FC Bayern München), Fly Emirates Stadium (Stadion von FC Arsenal London)). Die Verflechtung zwischen Wirtschaft und Fußball hat sich so stark entwickelt, dass Fußball zu einem neuen Wirtschaftszweig geworden ist. 51 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.68 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.69 53 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.69 54 Settekorn, Wolfgang: “Tor des Monats – Tor zur Welt. Zum Metapherngebrauch in Massenmedien”. In: Mediensprache und Medienlinguistik. Festschrift für Jörg Hennig. Hg. von Dieter Möhn, Dieter Roß und Marita Tjarks-Sobhani. Frankfurt am Main usw., 2001, S.103 52 25 1.2.2.5. Dreiecksbeziehung Fußball-Medien-Wirtschaft Es hat sich aus den obigen Kapiteln herausgestellt, dass in der heutigen gesellschaftlichen Lage der Fußball, die Medien und die Wirtschaft sich zu einem stark miteinander verknüpften Komplex entwickelt haben, deren Komponenten heute nicht mehr voneinander los gesehen werden können. Die Grundlage dieser Beziehung ist jedoch immer noch der Fußball, der für Zuschauer interessant und attraktiv bleibt. Aus diesem interessanten Sport ist, durch die allgemeine Kommerzialisierung und Mediatisierung der Gesellschaft, eine ganze Wirtschaft entstanden, die zu der heutigen dominierenden wirtschaftlichen und mediatisierten Stellung des Fußballs geführt hat. 2. Fußballsprache als Sondersprache 2.1. Medienrealität der Fußballsprache Bei einem Versuch, Aspekte der heutigen Fußballsprache zu untersuchen, muss immer die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Fußballsprache nur in ihrer Erscheinung in den Medien untersucht werden kann, denn nur in diesem Bereich kann die Sprachproduktion des Fußballs in der Praxis, sei es mündlich oder schriftlich, beobachtet werden. Selbstverständlich ist die Fußballsprache vielfältiger als nur die medienbedingte Variante, neben der Fußballsprache der Sportjournalisten hat man auch die der Sportler, Experten, Fans, und so weiter. Dennoch ist es klar, dass der Fußball in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem Medienereignis geworden ist. Aus dem vorigen Kapitel hat sich herausgestellt, dass es für die Massenmedien eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist, dem Fußball viel Aufmerksamkeit zu widmen. Die Popularität und Zuschauerzahlen des Fußballs sind immens, und der Fußball ist in den Medien denn auch omnipräsent, wie Martínez anhand des Fernsehens zu zeigen versucht: Im Fernsehen erzielen Fußballspiele unter allen Sendungen die höchsten Einschaltquoten. Von den 50 meistgesehenen deutschen Fernsehsendungen des 26 Jahres 199655 waren 34 Fußballübertragungen, darunter diejenigen auf den ersten acht Plätzen.56 Die ausführliche Fußballberichterstattung hat dazu geführt, dass die Fußballsprache zu einem wichtigen Element des sprachlichen Alltags geworden ist. Angesichts der Tatsache, dass der Fußball mehr und mehr zu einem Mediensport wird, müssen wir bemerken, dass es nicht zu vermeiden ist, dass die fußballerischen Ereignisse in den Medien verzerrt repräsentiert werden: In covering sport, television does not simply represent the event (although of course in a sense it does do this) but it also anchors and attempts to make sense of these events for the viewer.57 Obwohl Blain, Boyle und O‟Donnell hier nur die Deformation der Repräsentation von sportlichen Veranstaltungen durch das Fernsehen erwähnen, ist es ziemlich logisch, dass auch Tagespresse und Rundfunk diese Strategie verwenden und verwenden müssen, damit ihre Berichterstattung erfolgreich sein würde. Die Tatsache, dass die Massenmedien eine Verzerrung der sportlichen Realität bieten und so eine Medienrealität schaffen, wird auch Folgen haben für die Fußballsprache, wie sie in der Sportberichterstattung der geschriebenen und elektronischen Presse erscheint. Eine erste Dimension dieser Medienrealität der Fußballberichterstattung durch die Massenmedien liegt in der Tatsache, dass die Medien sich in der Fußballberichterstattung fast ausschließlich auf Hochleistungs-, Spitzen- oder Berufssport konzentrieren (siehe Kapitel 1.1.2.3.). Gleich behauptet, dass diese Selektion schon die zweite sei, nachdem zuerst in den Medien vor allem über einige wenige so genannte Showsportzweige (Fußball, Motorsport,…) berichtet wird: Neben der eingeschränkten Vielfalt, bei der viele Randsportarten vernachlässigt werden, ist ein weiteres Kennzeichen der Berichterstattung über Sport die überwiegende Orientierung am Spitzen- bzw. Leistungssport, vor allem auf der internationalen und nationalen Ebene (z.B. Berichte über internationale und nationale Ligen oder Wettkämpfe, wie etwa Fußball-Bundesliga, ChampionsLeague, Weltmeisterschaften, Grand Slams).58 Auch vom Stein bemerkt diese Selektivität der Sportberichterstattung: 55 Es wäre nützlich, hier zu bemerken, dass es 1996 eine Europameisterschaft Fußball gegeben hat, in der Deutschland es bis ins Finale brachte (und das Finale auch gewann). Dies könnte einigermaßen die enorme Einschaltquoten der Fußballspiele in diesem Jahr nuancieren. 56 Martínez, Matías: “Warum Fußball? Zur Einführung.” In: Warum Fußball? Kulturwissenschaftliche Beschreibungen eines Sports. Hg. von Matías Martínez. Bielefeld, 2002, S.26 57 Blain, Boyle und O‟Donnell: Sport and National Identity in the European Media. S.37 58 Gleich: Merkmale und Funktionen der Sportberichterstattung. S.511 27 Aus der Vielzahl der an einem Wochenende stattfindenden Sportveranstaltungen – etwa 10.000- filtern die Medien wenige Populärsportarten sowei Spitzenvereine heraus und richten ihr Interesse in monotoner Wiederkehr auf diesen “großen Sport”.59 Die Domination des Spitzensports und vor allem des Spitzenfußballs in der Sportberichterstattung ist oft von Forschern kritisiert worden. Sie plädieren dafür, auch Breitensport eine beträchtliche Stelle in der Sportberichterstattung der Medien einzuräumen. Diese Kritik ist zumindest utopisch und sogar eher kurzsichtig, weil eine gründliche Betrachtung des Breitensports für die Medien wirtschaftlich und in der Praxis kaum auszuführen ist. Es ist einfach unmöglich, allen Sportarten dieselbe Aufmerksamkeit zu widmen, dazu benötigt man mehr Raum, Zeit und Personal als realistisch möglich ist. Der Sportteil einer Zeitung oder einer Rundfunk- oder Fernsehstation bleibt schließlich doch, was er ist – nur ein Teil. Außerdem wäre das Publikum für eine ausführliche Breitensportberichterstattung eher beschränkt, und ist es also wirtschaftlich kaum interessant für die Medien, diesen Teil des Sports zu betrachten. Neben dieser ersten Selektion gibt es, vor allem in der Tagespresse und bei Zusammenfassungen im Fernsehen, eine Auswahl verschiedener spielbestimmender Ausschnitte aus den besprochenen Spielen. Aus Platz- und Zeitmangel ist man in den Medien - selbstverständlich ist dies nicht der Fall bei Direktübertragungen, die live und vollständig gesendet werden - dazu verpflichtet, die Fußballspiele auf einige wichtige Szenen zu reduzieren, damit die Leser bzw. Zuschauer einen relativ allgemeinen Eindruck vom Hergang der Fußballspiele bekommen. Meistens geht es in diesen ausgewählten Situationen um Tore, torgefährliche Szenen, Eck- oder Freistöße, harte oder schwere Fouls, die mit gelben, roten, oder gegebenenfalls gelb-roten Karten bestraft werden, Verletzungen, und so weiter. Spielsituationen wie Mittelfeldspiel oder Abstöße werden oft nicht berücksichtigt, weil sie keinen endgültigen Einfluss auf das Endergebnis ausüben. Obwohl eine solche Fußballberichterstattung nur ein fragmentiertes Bild eines Spiels liefern kann, ist es eine raumbedingte Notwendigkeit für die Medien, sich bei ihrer Berichterstattung auf solche Einzelsituationen zu 59 Stein, Artur vom: “Die “Sport-Medien-Spirale” – oder: Spitzensportler im Wirkungszentrum der Massenmedien.” In: Sportmedien und Mediensport. Wirkungen - Nutzungen - Inhalte der Sportberichterstattung. Hg. von Josef Hackforth. Berlin, 1987, S.38 28 beschränken. Die Folgen dieser Betrachtungsweise der Fußballspiele ist jedoch, dass schon eine bestimmte Interpretation den Sätzen bzw. Bildern gewidmet wird. Direktübertragungen von Fußballspielen im Fernsehen werden, im Gegensatz zu den Berichten in der Zeitung und den Zusammenfassungen im Fernsehen und Rundfunk (Direktübertragungen von Fußballspielen im Rundfunk sind heutzutage eher seltener vorzufinden), nicht von einer Beschränkung auf bestimmte Szenen gekennzeichnet. Nichtsdestotrotz wird der Zuschauer auch hier konfrontiert mit einem verzerrten Bild der Realität, indem die Repräsentation der Fußballspiele auf besondere Art gestaltet wird: Der Sport im TV vermittelt das Idealbild, weil die Kamera der ideale Beobachter ist, der sich an verschiedenen Orten desselben Geschehens gleichzeitig postieren kann. Luhmann60 nennt diese Art der Vermittlung bzw. Aufnahme des Sportgeschehens die Realität der Beobachtung der zweiten Ordnung. Hauptmotor dieser Entwicklung ist die fortschreitende Kommerzialisierung und die […] Verflechtung zwischen Sport, Wirtschaft und Massenmedien.61 Darüber hinaus verfügt das Fernsehen seit den letzten Jahrzehnten über immer mehr technische Hilfsmittel, mit denen das Fußballspiel für die Zuschauer noch anschaulicher wird. So hat man zum Beispiel immer mehr Wiederholungen, Einblendungen und Zeitlupen bestimmter Spielsituationen, bei denen die Fernsehzuschauer eine unendlich bessere Sicht auf bestimmte umstrittene Spielszenen bekommen als die Zuschauer im Stadion oder sogar der Schiedsrichter (zum Beispiel bei Abseitsfällen, Fouls, Tor oder kein Tor; Situationen, die oft im Stadion, wegen ihrer Unklarheit, erhitzte Diskussionen verursachen). Diese technischen Mittel und die fast unendlichen Möglichkeiten, über die man bei einer Fußballdirektübertragung verfügt, erlauben dem Regisseur, eine bestimmte Medienrealität zu schaffen: Televised sport revolves around stars, stories and action. A narrative structure, both visual and verbal, is imposed on the sporting event in such a way as to allow television to make sense of it for the viewer.62 Die Tatsache, dass bei einer solchen Direktübertragung eines Fußballspiels ein Regisseur verwendet wird, weist schon daraufhin, dass die Bilder auf eine bestimmte Art und Weise interpretiert und adaptiert werden, damit, laut Blain, Boyle und O‟Donnell, die Unterhaltungsfunktion des Fußballs im Fernsehen garantiert wird: 60 Vgl. Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995, S.60 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.87 62 Blain, Boyle und O‟Donnell: Sport and National Identity in the European Media. S.38 61 29 […] sport on TV must offer entertainment, excitement and above all provide television producers with what they perceive as being “good television.63 Die Realität des fußballerischen Ereignisses wird also von den Medien durchgreifend interpretiert und adaptiert, in einem solchen Maße, dass sie am Ende zu einer ganz anderen Realität wird, einer Medienrealität. Hackforth geht noch weiter und behauptet, dass diese Medienrealität auf eine bestimmte Art und Weise von den Konsumenten der Massenmedien aufgenommen wird und dass sich die Sportrealität letztendlich zu einer “Rezipientenrealität”64 entwickelt: Dieser Prozeß beginnt bei der bewußten und geplanten Inszenierung von Ereignissen lediglich zum Zwecke der massenmedialen Übermittlung, es geht weiter mit der Konstruktion dieses Ereignisses durch Journalisten und Medien und endet – vielfach gebrochen und verändert – mit der subjektiven Verarbeitung durch den Rezipienten. Es entsteht am Ende des Kommunikationsprozesses eine Rezipientenrealität, die häufig mit dem realen Ereignis nur noch peripher in Einklang gebracht werden kann.65 2.2. Der sondersprachliche Status der Fußballsprache 2.2.1. Sportsprache 2.2.1.1. Sportsprache als Sondersprache Die Sprachforscher, die sich mit der Sportsprache beschäftigen, betonen alle die wichtige Stelle der Sportsprache im alltäglichen Sprachgebrauch. Für Dankert scheint es sogar so zu sein, “daß die Sportsprache die wichtigste und einflußreichste unter den heutigen Sondersprachen ist”66. Die Sportsprache wird also von den meisten Forschern als eine Sondersprache gesehen, das heißt, dass die Sportsprache, wie auch alle anderen Sondersprachen an sich, Teil des allgemeinen Sprachsystems ausmachen. Hackforth verteilt das Sprachsystem in drei Teilbereiche: Gemeinsprache, Umgangssprache und Mundart.67 Die Gemeinsprache ist für Hackforth die Hochsprache, die Mundart definiert er als eine “[g]eographisch fixierte Sprache”68, und die Umgangssprache wird 63 Blain, Boyle und O‟Donnell: Sport and National Identity in the European Media. S.38 Hackforth, Josef: “Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien.” S.28 65 Hackforth, Josef: “Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien.” S.28 66 Dankert, Harald: Sportsprache und Kommunikation. Untersuchungen zur Struktur der Fußballsprache und zum Stil der Sportberichterstattung. Tübingen, 1969, S.1 67 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. Ein Beitrag zur Sportpublizistik unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen Fernsehens (ARD) und des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) in der Zeit von 1952-1972. Münster, 1975, S.284 68 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.284 64 30 umschrieben als eine “[v]ielfältige und differenzierte Sprache”, die “[i]n ihren extremen Erscheinungen sowohl der [sic] Gemeinsprache als auch zur Mundart”69 tendieren kann. Die unterschiedlichen Sondersprachen gehören, laut Hackforth, zu der Umgangssprache, und werden definiert als “schichten- und standesunabhängige Sprachen”70. Die Sportsprache kann also eindeutig als eine Sondersprache betrachtet werden, wenn wir die Definition von Hackforth unterschreiben. Die Sportsprache kann nämlich nicht als die Sprache einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung definiert werden, weil sie sowohl von Experten, Begeisterten als von Laien gesprochen werden kann, und sogar einigermaßen den gesellschaftlichen Sprachgebrauch infiltriert hat, indem bestimmte sportsprachliche Ausdrücke allgemeinsprachliche Geltung bekommen haben. Darüber hinaus ist es unmöglich, die Sportsprache als eine eindimensionale Erscheinung zu beobachten (siehe Kapitel 2.1.), weil die Sportsprache, wie Schweickard behauptet, aus unterschiedlichen “Kommunikationsbereiche[n]”71 besteht. So unterscheidet Schweickard die Sprache im Sport, das heißt den Sprachgebrauch der Sportler (vor, während und nach Wettkämpfen) und im Sportunterricht, die Sprache der Zuschauer, die Sprache der offiziellen Regeln und Vereinbarungen, die Sprache der sportwissenschaftlichen Fachliteratur, die Sprache der popularisierenden Sportliteratur und die Sprache der journalistischen Sportberichterstattung.72 Hinsichtlich dieser vielen unterschiedlichen und vom allgemeinsprachlichen Sprachgebrauch abweichenden Dimensionen der Sportsprache können wir schließen, dass die Sportsprache eine Sondersprache ist. Das Definieren des Wesens der Sportsprache resultiert jedoch bei den Erforschern der Sportsprache oft zu unterschiedlichen Betrachtungsweisen, die wir in den nächsten Teilen auszuloten versuchen, indem wir eine brauchbare Definition für den Begriff Sportsprache zu formulieren versuchen. 69 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.284 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.284 71 Schweickard, Wolfgang: Die “cronaca calcistica”. Zur Sprache der Fußballberichterstattung in italienischen Sporttageszeitungen. Tübingen, 1987, S.3 72 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.3-4 70 31 2.2.1.2. Dreiteilung der Komponenten der Sportsprache Während sich die Sportsprachenforscher im Allgemeinen darüber einig sind, dass die Sportsprache eine Sondersprache ist, gibt es einige unterschiedliche Meinungen über was diese Sportsprache eigentlich enthält. Aus diesen unterschiedlichen Betrachtungen ist es doch einigermaßen möglich, eine etwa zusammen- und umfassende Definition des Begriffes Sportsprache zu destillieren. Im großen Ganzen könnten wir aus den Versuchen der Sprachforscher, die Sportsprache zu definieren, schließen, dass diese Sportsprache im Grunde einer Unterteilung in drei wichtige Komponenten unterworfen ist. Dabei soll bemerkt werden, dass die Sportsprache nicht nur auf ihre lexikologischen Besonderheiten reduziert werden kann, wie manche Forscher behaupten. Die Sportsprache wird bei diesen Forschern nur als eine besondere Verwendung des Wortschatzes, bloß “die Gesamtheit des zur Verbalisierung des Sports benötigten speziellen Wortschatzes”73, betrachtet. Schneider bestätigt, dass die Sportsprache in seiner Sicht sich nur dadurch von der Alltagssprache unterscheidet, dass sie von einem besonderen Wortschatz gekennzeichnet wird: Ihre [Die Sportsprache] Erscheinungsformen sind die Wortarten Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb sowie Redewendungen und Syntagmen, die als Fachvokabular und dessen Substitution, Umdeutung, Metaphorik und Fremdkombination Verwendung finden. Die Zugehörigkeit eines Ausdrucks zur Sportsprache bestimmt sich aus seinem etymologisch erschließbaren sondersprachlichen Expressivitätswert oder seiner spezifischen Substitutionsleistung im Kontext.74 Eine solche Betrachtung der Sportsprache ist selbstverständlich zu eindimensional, weil sie die Sportsprache auf ihr wohl auffälligstes Merkmal reduziert, und so andere Dimensionen der Sportsprache vernachlässigt. An diese lexikologisch orientierte Definition der Sportsprache können wir noch eine weitere unvollständige Betrachtung anknüpfen, nämlich die einer Zweiteilung der Sportsprache, bei der ebenfalls vor allem die spezifisch wortschatzmäßige Aspekt der Sportsprache betont wird. Hackforth verteilt die Sportsprache in zwei Kategorien: 73 Schneider, Peter: Die Sprache des Sports. Terminologie und Präsentation in Massenmedien. Düsseldorf, 1974, S.18 74 Schneider, Peter: Die Sprache des Sports. S.18 32 Die Einordnung der Sportsprache in ein allgemeines Sprachsystem verdeutlicht ihre Herkunft als Sondersprache, als schichten- und standesunabhängig und charakterisiert sie durch zwei Kategorien: Die Fachsprache und den Jargon.75 Hackforth unterscheidet also zwei Kategorien der Sportsprache, die von ihm anhand eines Schemas mit Beispielen, die den Unterschied zwischen Fachsprache und Jargon zeigen müssen, erläutert werden76: Fußball Einwurf 11-m-Punkt Kopfball Mittelstürmer Abseits Riesenfelge Grätsche Oberarmstand Fachsprache Turnen Salto ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................................ ............................................................................................................................. Schraube Eishockey Penalty Crosscheck Scheibe Befreiungsschlag Bully Sportsprache Jargon (Sportberichterstattung) 75 76 Emmas linke Klebe Sturmtank Bomber der Nation Abstauber Hammer knallte Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.281 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.285 33 dröhnende Rechte Bombe in die Hose Schiri putzen fegte Hackforth betont ausschließlich den Sonderwortschatz der Sportsprache, und verteilt die Sportsprache in Fachsprache und Jargon, wobei er Jargon und Sportberichterstattung gleichschaltet. Diese Betrachtung ist, wie die von Schneider, zu beschränkt, weil sie einerseits nur den besonderen Wortschatz betrachtet, und andererseits Jargon und Sportberichterstattung schlechthin als Synonyme betrachtet. Dadurch, dass Hackforth nicht zwischen Sportberichterstattung und Jargon unterscheidet, vernachlässigt er den Einfluss der Sportberichterstattung auf die Sprache und auch die Vielfältigkeit des Sportjargons. Seine Betrachtung bietet schon einen Ansatz zur Definition, ist aber noch zu wenig differenziert und braucht deshalb weitere Nuancierung, die gewissermaßen bei der Unterteilung der Sportsprache in drei Komponenten vorzufinden ist. Die besonderen festen Formulierungen und syntaktischen Strukturen und deren Zusammenhang mit ihrer spezifischen sprachlichen Form und Erscheinung in der Sportberichterstattung sind ebenfalls wichtige Komponenten der Sportsprache, die bei einer zu strengen Betonung des wortschatzlichen Sonderstatus der Sportsprache unbetrachtet bleiben, aber ebenso berücksichtigt werden müssen, wenn man eine einigermaß allgemeingültige (wenn Solches überhaupt möglich ist) Definition erreichen will. Deswegen ziehen wir die Definition der meisten Sportsprachenforscher, nämlich die einer Aufteilung der Sportsprache in drei Komponenten, der ausschließlich wortschatzorientierten Definition vor. Obwohl diese Dreiteilung in der Definition auch noch vor allem den sondersprachlichen Stellenwert des Sportwortschatzes berücksichtigt, findet man bei dieser Betrachtung schon ein nuancierteres Bild der Sportsprache, bei dem auch andere Aspekte in Betracht gezogen werden. Die Tatsache, dass man viel Wert auf den Wortschatz der Sportsprache legt, kann natürlich dadurch erklärt werden, dass dieser Aspekt sehr auffällig ist, und dass es vor allem der lexikologische Teil der Sportsprache ist, der den alltäglichen Sprachgebrauch infiltriert hat, und so zum Teil Element des allgemeinen Sprachsystems geworden ist. Die zunehmende Häufigkeit, mit der Elemente aus der Sportsprache in die alltägliche 34 Sprache übernommen werden, weist, wie schon im ersten Kapitel gezeigt wurde, auf die immer wachsende Bedeutung und Dominanz des Sports in der gegenwärtigen Gesellschaft hin. Die überwiegende Tendenz in der Sportsprachenforschung ist also diejenige, in der die Elemente der Sportsprache in drei Kategorien aufgeteilt werden. Der erste Aspekt dieser Dreiteilung ist die Regel- oder Fachsprache, der zweite Teil wird meistens Sportoder Fachjargon genannt und als dritten Teil unterscheiden die Forscher die Sportberichterstattung der Medien.77 Selbstverständlich verwenden die unterschiedlichen Forscher weder dieselben Termini noch dieselben Erklärungen der Termini, aber im Grunde sind es diese drei Teilbereiche , die von den Sportsprachenwissenschaftlern benannt und untersucht werden. Im nächsten Teil werden wir versuchen, diese drei Kategorien etwas näher zu bestimmen, wobei wir ausgehen von der ziemlich vollständigen schematischen Vorstellung der Sportsprache von Fingerhut:78 Sportsprache Fachbegriffe (Regeln, Bezeichnungen …etc. der einzelnen Sportarten mit unterschiedlichen Bekanntheitsgraden Reportsprache (medienbedingte Abstufung) Presse Hörfunk FAZ Bild Fernsehen Kickers 77 Vgl. Bausinger, Hermann: “Dreiteilung der Sportsprache”. In: Sprache des Sports. Ein Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II. 1988, S.27; Brandt, Wolfgang: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. In: Muttersprache 89 (1979), S.172-173; Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.2; Fingerhut, Monika: Fußballberichterstattung in Ost und West. Eine diachronische Sprachanalyse. Frankfurt am Main, 1991, S.58 ff.; Ludwig: “Sportsprache und Sprachkultur.”. S.57; Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.59 ff. 78 Fingerhut: Fußballberichterstattung in Ost und West. S.61 35 Fachjargon Umgangssprache metaphorische Wendungen (z.B. Maschen, Leder,…) Fachsprachen Regionalismen Technik Theater Musik andere Sportarten 2.2.1.2.1 Regel- oder Fachsprache Es unterliegt keinem Zweifel, dass die meisten Sportarten Leistungssporte (siehe Kapitel 1.1.2.2.) sind und deswegen auch bestimmten Regeln und Verabredungen unterworfen sind. Die Gesamtheit dieser Regeln, Verabredungen und Termini für bestimmte sportspezifische Gegenstände wird meistens Regel- oder Fachsprache genannt und bildet die Grundlage der Sportsprache: Die Regelsprache stellt den Kern der Sportsprache dar. In ihr finden sich die für eine Sportart notwendigen terminologischen Grundbestimmungen (Bezeichnungen für Gegenstände, Funktionen, Übungen, Regeln).79 Brandt erweitert diese Definition der Regelsprache noch, indem er den Bereich der Regelsprache genauer spezifiziert, und drei Kategorien der Regelsprache unterscheidet: Die Sportfachsprache beeinhaltet den Fachwortschatz der Regeln der einzelnen Sportarten, den Wortschatz der Organisation des Sportbetriebes und die sportartspezifischen Termini.80 Die Regelsprache ist also eine Voraussetzung, um zu einer Sportsprache zu kommen, denn ohne diese spezifischen Fachtermini ist es nahezu unmöglich, zusammenhängende und sprachökonomische Äußerungen über eine bestimmte Sportart oder Sportsituation zu produzieren. Die Regelsprache bildet das benötigte Gerüst, mit dem man über jeden beliebten Sport reden und diskutieren kann. Zum Teil können wir 79 80 Fingerhut: Fußballberichterstattung in Ost und West. S.58 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.172 36 die Regelsprache auch der Definition der Fachausdrücke unterordnen, wie diese von Riesel formuliert wird: Unter Fachausdrücke verstehen wir 1) Termini verschiedener Wissensgebiete […], 2) Professionalismen verschiedener Berufssphären […] und 3) stark ausgeprägte funktional-stilistische Lexik nichtterminologischen Charakters (z.B. im Amtsstil: behufs, zwecks, gemäß u.ä., Substantive auf –nahme und –zwecken u.ä. […]). Fachausdrücke können in sämtlichen Sphären des gesellschaftlichen Sprachverkehrs vorkommen; sie sind es gerade, die den einzelnen Stilen der Nationalsprache ihr funktionales Gepräge geben.81 Es ist jedoch nicht unbedingt klar, ob man Sport als Fach betrachten kann. Einerseits hat sich der Sport gerade als Gegensatz zu der beruflichen und deshalb fachlichen Tätigkeit herauskristallisiert, andererseits hat sich der Sport für viele Sportler, die jetzt als Berufssportler tätig sind, wegen der zunehmenden Kommerzialisierung und Professionalisierung (siehe Kapitel 1.2.2.) zu einem Fach entwickelt. Dennoch stellen Berufssportler nur eine Minderheit der Sporttreibenden und –begeisterten dar und deswegen wäre es übertrieben, bei der Sportsprache von einer wirklichen Fachsprache zu reden. Obwohl die Sportsprache nicht gerade eine Fachsprache ist, weist die Sportsprache doch bestimmte Ähnlichkeiten mit den von Riesel definierten Fachausdrücken auf. Die Sportsprache besteht im Grunde größtenteils aus bestimmten Termini (z.B. Tor, Mittelfeldspieler, Platzverweis, Abseits usw.) und Professionalismen (kontern, Tackling usw.). Auffällig bei dieser Vielfalt von fachsprachlichen Elementen ist die Tatsache, dass bestimmte Fachausdrücke, vielleicht sogar die Mehrzahl, auf mehrere Sportarten angewandt werden können, wie im Schema von Fingerhut gezeigt wird (siehe Kapitel 2.2.1.2.). Daneben gibt es selbstverständlich auch Ausdrücke, die sportartspezifisch sind, also nur innerhalb bestimmter Sportarten verwendet werden können (z.B. KnockOut, Puk usw.). Die Regelsprache bildet also meistens die offizielle Sprache einer bestimmten Sportart. Es betrifft Ausdrücke, die seit dem Entstehen der bezüglichen Sportart entstanden sind und sich entwickelt haben, und die unlöslich mit den Regeln der Sportart verknüpft sind. Diese Regelsprache muss dafür sorgen, dass eine Sportart organisiert und kontrolliert werden kann. Deshalb können wir schließen, dass die 81 Riesel, Elise: Stilistik der Deutschen Sprache. Moskau, 1963, S.104 37 “Realisierungsbasis dieses Fachwortschatzes […] primär die geschriebene Sprache”82 ist, seinem offiziellen Charakter gemäß. 2.2.1.2.2. Sport- oder Fachjargon Der Sportjargon bietet eine umgangssprachliche Alternative für die Regelsprache, die wegen ihres offiziellen Charakters manchmal zu formell wirken kann. Ludwig definiert den Sportjargon als eine Art Variante der Regelsprache: Der Sportjargon […] umfaßt die Bezeichnungen, die nicht als Fachwörter angesehen werden können und die von Sportlern, Sportanhängern und Sportberichterstattern für Gegenstände und Sachverhalte gebraucht werden, für die es bereits Fachausdrücke gibt. Sie bringen oft eine Wertung zum Ausdruck, dienen dazu, Gefühle auszudrücken und auszulösen, und werden vielfach als bildliche Umschreibungen verwendet.83 Auch Fingerhut betont die Verwandtschaft des Fachjargons mit der Regelsprache des Sports, bei dem es sich handelt um eine gefühlsbetontere Variation: Der Fachjargon setzt sich aus der Regelsprache und aus umgangssprachlichen Elementen zusammen. Es handelt sich um bildliche Umschreibungen bereits vorhandener Begriffe (z.B. Tor – Kasten). In der Regel wird das Grundvokabular präzisiert und emotionalisiert.[…] Dem Fachjargon sind zudem Begriffe und Wendungen aus anderen Fachsprachen eigen, die häufig metaphorisch verwendet werden (z.B. Regie führen, Dampf machen).84 Der Sportjargon ist also die Sprachproduktion der Sportbeteiligten (Sportler, Fans usw.), die Variationen für die manchmal zu monoton wirkende Regelsprache zu entwickeln versuchen. Deswegen braucht es nicht zu wundern, dass dieser Sportjargon vor allem bei Sportbegeisterten bekannt ist, und weniger beim großen Publikum, das vielleicht die Regelsprache des Sports noch beherrschen kann, was bei der ausführlicheren Sportjargon dagegen nicht mehr sachverständlich ist; so auch laut Schweickard: Die Allgemeinverständlichkeit fachsprachlicher Termini, die über den Rahmen der cronaca85 hinaus vielfältige Verwendungen finden, ist dementsprechend höher als 82 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.172 Ludwig: “Sportsprache und Sprachkultur.” S.57 84 Fingerhut: Fußballberichterstattung in Ost und West. S.58-59 85 Die “cronaca”, wie sie hier von Schweickard erwähnt wird, verweist auf die “cronaca calcistica”, das heißt die Berichterstattung des italienischen Fußballs (der “calcio” ist die Bezeichnung für den italienischen Fußball) 83 38 diejenige von Jargonausdrücken, die weitgehend auf die Berichterstattung und die mündliche Kommunikation der Fans beschränkt sind.86 Der Ursprung dieses Sportjargons liegt deswegen sehr klar in der mündlichen Kommunikation der Sportbegeisterten, die in ihrer Begeisterung neue Bezeichnungen kreierten, und dieser Sportjargon ist immer noch “die bevorzugte Kommunikationsform mündlicher Gespräche der Zuschauer, der Fans, der Stammtischdiskutanten, z.T. auch der Sportler”87. Neben dem Sportjargon unterscheiden manche Sportsprachenforscher noch eine weitere Kategorie, die sowohl mit dem Sportjargon als mit der Regelsprache eng verknüpft ist. Es handelt sich um eine besondere Form der Sportsprache, die zwischen Regelsprache und Sportjargon situiert werden kann und deshalb von manchen Forschern als unabhängige Kategorie und von anderen als Teil des Sportjargons gesehen wird. Der Fachjargon besteht aus Termini und Redewendungen, die nicht völlig zur Redesprache gehören, aber auch nicht oder nicht mehr zum absoluten Sportjargon gerechnet werden können: Die Berichterstattung weist schließlich eine Vielzahl von Termini auf, die sich vom Jargon durch das Fehlen einer expressiven oder umgangssprachlichen Markierung unterscheiden, die aber auch nicht der Fachsprache angehören, weil sie wie der Jargon das spezifische Gruppenbewußtsein evozieren. Solche Ausdrücke sind dem Fachjargon zuzurechnen, wobei verschiedene Entstehungsformen zu differenzieren sind: Termini, die in der fußballsprachlichen Sphäre geprägt und durch den konstanten Gebrauch in der Berichterstattung in ihrer Bedeutung gefestigt und verbreitet werden […]; ursprüngliche Jargonwörter, deren konnotative Komponente durch Abnutzung geschwunden ist […]; Termini, die dazu dienen, die Schwerfälligkeit der fachsprachlichen Terminologie zu umgehen (vor allem elliptische Verkürzungen […] ); einzelne Neubildungen, wie Ableitungen […], Abkürzungen […], Metonymien […], Synekdochen […], oder Periphrasen […]. 88 Schweickard bietet hier eine ziemlich vollständige Definition des Fachjargons, bei der er zeigt, dass der Fachjargon eine Vermittlung zwischen Regelsprache und Sportjargon darstellt. Seine Definition wird ebenfalls wichtig sein für die Sportberichterstattung, in die viele dieser Fachjargonelemente Eingang finden werden. Die Sonderstellung des Fachjargons als Kategorie zwischen der offiziellen, aber zu monotonen Regelsprache und dem expressiveren, aber zu umgangssprachlichen Fachjargon sorgt dafür, dass der Fachjargon sich besonders gut eignet für die Sportberichterstattung, in dem Maße, dass 86 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.60 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.172 88 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.61 87 39 Brandt sogar Fachjargon und Reportsprache gleichschaltet.89 In der Berichterstattung versucht man nämlich auf standardsprachlicher Ebene kreativ mit dem sprachlichen Material umzugehen, was den beträchtlichen Anteil der von Schweickard erwähnten Elemente aus dem Fachjargon erklären könnte: so finden wir tatsächlich viele “Termini, die in der fußballsprachlichen Sphäre geprägt und durch den konstanten Gebrauch in der Berichterstattung in ihrer Bedeutung gefestigt und verbreitet werden“90 (z.B. der Konter, der Doppelpass usw. ); “ursprüngliche Jargonwörter, deren konnotative Komponente durch Abnutzung geschwunden ist”91 (z.B. die Offensive, der Bomber, eine Bombe, der Stürmer, usw.); Bezeichnungen, mit denen man “die Schwerfälligkeit der fachsprachlichen Terminologie”92 zu vermeiden versucht (z.B. die Flanke [für eine Vorlage von der Flanke], die Ecke [für einen Eckstoß], usw.); und auch manche Neologismen, wie Ableitungen (z.B. flanken [für eine Flanke schießen], kontern usw.), Abkürzungen (z.B. der Schiri [für den Schiedsrichter] usw.), Metonymien (z.B. Pfosten, Latte [für einen Pfosten- oder Lattenschuss], usw.), Synekdochen (z.B. die Bank [für die möglichen Ersatzspieler, die auf der Bank sitzen], usw.) oder Periphrasen (z.B. die Viererkette [für die Verteidigung, die aus vier Spielern besteht], usw.).93 Es sind die Periphrasen, die wir später ausführlicher behandeln werden, wegen ihrer wichtigen Stellung innerhalb dieses Fachjargons. Dennoch ist es schon jetzt klar, dass der Fachjargon ein wichtiger Bestandteil der Sportberichterstattung ist. Der Fachjargon wird also eine besondere Stellung innerhalb der Sportsprache einnehmen, weil er, neben der vielleicht zu formellen Umgangssprache und dem etwas zu informellen und umgangssprachlichen Fachjargon eine dritte sprachliche Ebene bildet, in der über Sport diskutiert werden kann. Brandt hat diese Vermittlerrolle des Fachjargons so formuliert: Der Fachjargon hat im Verhältnis zu den sportartgebundenen Fachsprachen und den regional und sozial beeinflußten Gruppensprachen des Jargons eine ähnliche Funktion wie die Standardsprache gegenüber anderen sprachlichen Subsystemen der deutschen Gegenwartssprache. Innerhalb der Sportsprache ist der Fachjargon die Standardsprache des Sports. Zwischen dem Fachjargon, also der Reportsprache, und der Sportfachsprache auf der einen Seite und dem Fachjargon und dem Sportjargon 89 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.173 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.61 91 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.61 92 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S.61 93 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.173 90 40 auf der anderen Seite müssen daher relativ große Überschneidungszonen angesetzt werden.94 Brandt zeigt hier, dass der Fachjargon innerhalb der Sportsprache eine sehr wichtige Rolle spielt. Selbstverständlich ist es übertrieben, den Fachjargon die “Standardsprache des Sports”95 zu nennen; dieser Fachjargon ist einerseits noch zu beschränkt, um von einer Standardsprache reden zu können, sie muss daher zumindest um die Regelsprache des Sports ergänzt werden, und andererseits muss Brandts Aussage auch relativiert werden, weil er den Fachjargon mit der “Reportsprache” gleichschaltet, was angesichts der Vielfältigkeit dieser Sportberichterstattungssprache zu einschränkend ist. Dennoch deutet Brandt zu Recht an, dass es “große Überschneidungszonen”96 zwischen Regelsprache, Sportjargon und Fachjargon gibt, wodurch sie nicht voneinander los gesehen werden können. 2.2.1.2.3. Sprache der Sportberichterstattung Für die Entwicklung und Erscheinung der Sportsprache in der gegenwärtigen Standardsprache erfüllt die Sportberichterstattung zweifelsohne eine unentbehrliche und sehr große Rolle, wenn es nur deshalb wäre, dass die Sportsprache sich hier in ihrer größten, vielfältigsten und am weitesten verbreiteten Erscheinungsform präsentiert: Bereits die Tatsache, daß der Sportkommunikator diese Umschreibungen und Variierungen Woche für Woche in schriftlich fixierter Form verwenden kann, macht deutlich, welch großen Einfluß die öffentliche Sportkommunikation auf die Entwicklung der Fußballsprache nehmen konnte.97 Die Sportberichterstattung ist also sehr wichtig für die Sportsprache, indem sie dafür sorgt, dass die Sportsprache ständig produziert, reproduziert und auch rezipiert wird. Dazu bemerkt Dankert zu Recht, dass die aktive Rolle der Sportberichterstattung in der Entwicklung und Änderung der Sportsprache eher beschränkt war und ist: Man würde dennoch die Bedeutung der öffentlichen Sportkommunikation in dieser frühen Phase überschätzen, wenn man sie zur überhaupt entscheidenden Instanz erklären würde. Gerade in den Anfängen des Sportjournalismus – vor allem in dem Zeitraum von 1900 bis 1930 – muß der unter den aktiven wie passiven Sportfans geläufige Wortschatz berücksichtigt werden. Zudem wird der Sportkommunikator auch nicht ständig mit neuen Neologismen, die als Sachbegriffe gelten sollen, arbeiten können. Er kann es sich schließlich nicht leisten, den Kontakt mit den Sportinteressierten zu verlieren und ist daher genötigt, die Resonanz einzelner 94 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.173 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.173 96 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.173 97 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.18 95 41 Neologismen in der privaten Kommunikation abzuwarten und auf solche Sachbegriffe zu verzichten, die in der privaten Kommunikation nicht geläufig werden.98 Die Sportberichterstattung bietet also vor allem der Sportsprache die Möglichkeit, sich in den Medien, und also für ein großes Publikum, zu manifestieren. Aktive Teilnahme in der Bildung der Sportsprache ist innerhalb der Sportberichterstattung eher selten, wegen des von Dankert genannten wirtschaftlichen Risikos. Dennoch können wir davon ausgehen, dass die Sportberichterstattung eine Vorreiterrolle erfüllt in der Entwicklung der Sportsprache, weil sie einigermaßen selbst entscheiden kann, welche Elemente aus dieser Sondersprache in der Berichterstattung übernommen werden, und so in die allgemeine Sportsprache und sogar in die Standardsprache Eingang finden. Auch Dankert behauptet, dass die Sportberichterstattung einigermaßen dafür verantwortlich ist, dass bestimmte Formen sich in die Sprache der Sportler durchsetzen: Im Blick auf die weitere Entwicklung ist allgemein festzustellen, daß ein großer Teil der in der Sportkommunikation gebrauchten Metaphern sich durch eine erstaunliche Konstanz auszeichnet, daß er geradezu behutsam konserviert wird und darüber hinaus in vielen Fällen auch in den Wortschatz des Sportlers eingeht, der diese Metaphern als fußballsprachliche Wendungen versteht.99 So verbindet die Sportberichterstattung gewissermaßen Regelsprache, Sportjargon und Fachjargon, indem diese drei Komponenten in der Berichterstattung nebeneinander erscheinen können und so die gesamte Sportsprache bilden. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass der Anteil von regelsprachlichen Elementen und Elementen des Fachjargons die Sportberichterstattung beherrschen, während der eher umgangssprachliche und überwiegend mündliche Sportjargon weniger in den Medien repräsentiert wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es nicht möglich ist, dass Elemente aus dem Sportjargon in der Berichterstattung erscheinen. Darüber hinaus hat es sich aus der Definition des Fachjargons von Schweickard (siehe Kapitel 2.2.1.2.2. ) herausgestellt, dass Sportjargonelemente sich in Fachjargon umwandeln können. Zusammenfassend können wir festhalten, dass in der Sportberichterstattung die ganze Sportsprache zum Ausdruck gebracht wird; sowohl Regelsprache, Sportjargon als Fachjargon werden in den Medien verwendet. Diese Sportberichterstattung soll jedoch nicht betrachtet werden als eine Standardsprache des Sports, dazu eignet sie sich wegen 98 99 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.18-19 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.15 42 der fehlenden Uniformität und Normierung nicht. Wir können sie eher betrachten als eine Art Lupe, durch die wir die Sportsprache in ihren vielfältigen Erscheinungsformen beobachten können. Die Sportsprache, und daher auch die Fußballsprache, weil sie zur Sportsprache gehört, entwickelt sich laut Dankert also “in einer Korrespondenz zwischen öffentlicher und privater Kommunikation”100. Wir dürfen jedoch nicht aus dem Auge verlieren, dass die Sportberichterstattung in den Medien – fast die einzige Stelle, wo die Produktion der Sportsprache untersucht werden kann – sich grundsätzlich von den anderen Bereichen der Sportsprache unterscheidet, obwohl sie zum Teil dieselben sprachlichen Elemente verwendet: Die Sportberichterstattung bedient sich dabei einer eigentümlichen Sprachform, die sicher nicht als Fachsprache der jeweiligen Sportarten angesehen werden kann, denn es handelt sich nicht um die Sprache der Sportler, […] oder um die Sprache der Trainer, auch nicht um die Sprache der Sportwissenschaft und ihrer Teildisziplinen, […], sondern […] um eine Sonderform der Pressesprache, die zwar Teile von Fachsprache und Fachjargon des Sports adaptiert, ansonsten aber offensichtlich eigenständige semantische und syntaktische Strukturen aufweist.101 Eine Untersuchung der Sportsprache erweist sich also als ein Paradox, weil man die Sportsprache in geschriebener Form fast ausschließlich in der medienvermittelten Sportberichterstattung finden kann und weil diese Sprache der Sportberichterstattung, laut Schaefer, eine ganz andere Struktur als die Sportsprache der Sportler, Trainer usw. aufweist. Schaefer repräsentiert die Sportsprache u.E. aber zu polarisierend; es ist ja logisch, dass die Sportberichterstattung andere “semantische und syntaktische Strukturen”102 beinhaltet als die mündliche informelle Sportsprache – ihr Auftrag zur Informierung und Meinungsbildung ihres Publikums unterscheidet sich wesentlich vom Unterhaltungs- und Erholungscharakter der mündlichen und informellen Sportsprache – , dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Pressesprache sich grundsätzlich von den anderen Teilen der Sportsprache unterscheidet, weil sie größtenteils dieselben Mittel verwendet. Die medienvermittelte, also die öffentliche Sportsprache, und die private Sportsprache beeinflussen einander gegenseitig und können daher nicht voneinander getrennt werden. Obwohl sich die Sprache der Sportberichterstattung einigermaßen von der privaten Sportsprache unterscheidet, bedeutet dies selbstverständlich nicht, dass die 100 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.19 Schaefer, Jürgen: Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. Kaarst, 1989, S.3 102 Schaefer: Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. S.3 101 43 Pressesprache selbst eine homogene Einheit bildet. Innerhalb der Pressesprache gibt es unterschiedliche Teilbereiche, von denen die Sportberichterstattung nur ein kleiner Teil ausmacht: Die Darstellung journalistischer Textsorten zeigt, daß es eine einheitliche Pressesprache nicht gibt. Zwar existiert eine Reihe von übergreifenden Merkmalen, die gleichsam für den journalistischen Sprachgebrauch allgemein gelten, doch erscheint es insgesamt angemessener, erst auf der Ebene von Textsorten relativ konsistente Stilformen anzunehmen.103 Angesichts dieser Aussage von Lüger können wir annehmen, dass die Pressesprache sich anhand unterschiedlicher Textsorten realisiert, dass der Sportteil der Medien also von anderen Merkmalen gekennzeichnet wird als z.B. das Feuilleton oder der Wirtschaftsteil: Der Sport als institutionalisiertes Teilthema der Berichterstattung der Medien hat […] seine eigenständige pressesprachliche Manifestation.104 Darüber hinaus wird sich die Sportberichterstattung angesichts ihrer Erscheinungsform in den Medien verschiedenartig manifestieren. In dieser Hinsicht spricht Fingerhut von einer “Reihe medienbedingter Abstufungen”105, indem sich die Sprache der Berichterstattung ändert, entsprechend ihrer Erscheinung in Printmedien, Rundfunk oder Fernsehen. Diese unterschiedlichen Medien setzen selbstverständlich andere Bedingungen voraus, die auch ihren Einfluss auf die Verwendung der Sportsprache des jeweiligen Medium haben wird. Die Sportberichterstattung erfüllt also eine sehr bedeutende Rolle in der immer fortschreitenden Entwicklung der Sportsprache. Sie bietet einerseits einen einsichtsvollen Einblick, wie die Sportsprache funktioniert und welche sportsprachlichen Elemente in der gegenwärtigen privaten Sportkommunikation üblich sind; andererseits sorgt sie dafür, dass bestimmte sportsprachliche Elemente hervorgehoben werden und so weiter, sogar bis in den alltäglichen Sprachgebrauch, verbreitet werden. In dieser Hinsicht erfüllt sie sogar eine Vorreiterrolle. Dennoch ist es wichtig, einzusehen, dass diese Sportberichterstattung eine medienvermittelte und deswegen keine direkte Sicht auf die Sportsprache bietet. 103 Lüger, Heinz-Helmut: Pressesprache. Tübingen, 1995, S.103 Schaefer: Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. S.4 105 Fingerhut: Fußballberichterstattung in Ost und West. S.59 104 44 2.2.2. Die Fußballsprache Innerhalb der Sportsprache gibt es logischerweise unterschiedliche Tendenzen und Akzente, entsprechend der unterschiedlichen Sportarten. Jede beliebige Sportart hat zum Teil ihre sportspezifische Fachsprache und ihren Fachjargon, neben den allgemeinsportlichen Elementen, die bei den meisten Leistungssportarten vorzufinden sind (z.B. Tor, Mittelfeldspieler usw. bei Ballsporten wie Fußball, Hockey usw.). Deshalb könnten wir sagen, dass jede Sportart eine Sonderform der Sportsprache darstellt und dass all diese unterschiedlichen Sonderformen der Sportsprache zusammen die Sportsprache bilden. Die Fußballsprache ist, angesichts ihrer dominierenden Stellung innerhalb der Sportberichterstattung in den Medien (siehe Kapitel 1.2.2.3.) und ihrer starken Kommerzialisierung (siehe Kapitel 1.2.2.2. und 1.2.2.4.) die “wichtigste”, das heißt die am meisten verwendete Form der Sportsprache in der gegenwärtigen Sportberichterstattung: […] das Fußballspiel ist die in Deutschland beliebteste Sportart; die Fußballsprache ist die verbreiteste und bekannteste Sondersprache des Sports.106 Die Fußballsprache ist also eine sehr wichtige Komponente innerhalb der Sportsprache, und deshalb wäre es nützlich, ihre Entstehung etwas näher zu berücksichtigen. Dankert bemerkt, dass im Gegensatz zur Entstehung der Turnsprache in Deutschland, die von “Turnvater” Jahn normativ formuliert und produziert wurde, die Entwicklung der Fußballsprache viel mehr als Prozess betrachtet werden muss: Während also die Fachsprache des Turnens auf eine einmalige, philologische Setzung zurückzuführen ist, muß bei der Fachsprache des Fußballs ein Entwicklungsprozeß berücksichtigt werden, der bis heute nicht völlig abgeschlossen ist. Bereits bei einem groben Überblick über die Entwicklungsgeschichte der fußballsprachlichen Termini fällt auf, daß selbst elementare Grundbestimmungen abgeändert, umfunktionalisiert oder sogar ausgeschieden werden.107 Der Ursprung des Fußballs liegt in England, und daher ist man am Anfang der Entwicklung des Fußballs in Deutschland dazu verpflichtet, “auf die in den einzelnen örtlichen Vereinen bereits geläufigen englischen Fachtermini zurückzugreifen”108. In diesem ersten Teil der Entwicklung der deutschen Fußballsprache werden also 106 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.5 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.10 108 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.11 107 45 englische Fachbegriffe übernommen, und später ins Deutsche übersetzt (z.B. keeper wird Torwart, goal wird Tor): In der ersten Entwicklungsphase gewinnen also einige Grundbegriffe in einer wechselseitigen Verständigung zwischen dem Sportler, Sportleser und Sportkommunikator allmählich feste Konturen.109 In einer zweiten Phase werden die ursprünglichen Fachtermini erweitert und ergänzt und erlebt die deutsche Fußballsprache, so Dankert, mit der Entwicklung des Sport- und Fachjargons eine “Modifizierung und Variierung der fußballsprachlichen Grundbegriffe”110. Die Fußballsprache breitet sich also ständig aus, indem die Popularität des Fußballs selbst immer wächst und es daher auch immer mehr Zuschauer, Fußballspieler und irgendwie an Fußball Beteiligte gibt. Dementsprechend entwickelt sich die Fußballsprache auch weiter, indem es für die Fußballinteressierten notwendig ist, eine variiertere Sprache als nur die Regelsprache verwenden zu können. Auch die Sportberichterstattung spielt hier eine wesentliche Rolle: Von der öffentlichen Sportkommunikation wird in dem Maße, wie die Popularität des Fußballspiels zunimmt und sich ein immer größer werdender Teil von Lesern für den Sportbericht interessiert, eine immer fachgerechtere Ausdrucksweise erwartet. Indem der Sportkommunikator die Sportinteressierten möglichst exakt zu informieren versucht, beteiligt er sich bereits notwendigerweise an der Prägung und Ausformung der Sportsprache.111 Dankert unterscheidet noch eine dritte Phase, die zusammenhängt mit der zunehmenden Komplexität und Professionalisierung des Fußballs. Das Fußballspiel wird immer mehr zu einem wirtschaftlichen Geschäft, mit dem viel Geld zu verdienen ist, und dies führt zu einer immer taktischeren Betrachtung des Spiels, indem die Vereine ihre Erfolgschancen steigern wollen. Laut Dankert sorgt das für eine dritte Entwicklung, nämlich die “Prägung von funktional orientierten, auf eine bestimmte Spieltaktik bezogenen Benennungen”112. Innerhalb dieser Entwicklung in drei Phasen, wie sie von Dankert vorgestellt wird, sehen wir, dass laut ihm, dass die ursprünglichen englischen Fachbezeichnungen immer mehr von deutschen Alternativen ersetzt werden, was zu einer zunehmenden “Modifizierung und Variierung der fußballsprachlichen 109 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.16 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.17 111 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.18 112 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.20 110 46 Grundbegriffe”113 führt. Dankert erwähnt aber nicht, dass der Fußball sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem internationalen Sport entwickelt hat, und dass so wieder Fremdwörter die Fußballsprache infiltriert haben: Heute macht es sich auch in lexikalischer Hinsicht bemerkbar, daß der Leistungssport in hohem Maße auf internationaler Ebene getrieben wird; gerade beim Fußball wird der lexikalische Austausch durch die regelmäßige Ausrichtung von Welt- und Europameisterschaften, durch die jährlich stattfindenden Europapokalwettbewerbe sowie das grundsätzliche Interesse der Fußballfans am Geschehen in den ausländischen Ligen gefördert […] 114 Die Entwicklung der Fußballsprache läuft selbstverständlich parallel zu der immer wachsenden Popularität und Bedeutung des Fußballs in der gegenwärtigen Gesellschaft. Deshalb können wir die Bedeutung der Fußballsprache, sowohl innerhalb der Sportsprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch, nicht unterschätzen. Die Fußballsprache hat sich, durch die ausführliche Verwendung in der Sportberichterstattung, zum Teil im alltäglichen Sprachsystem manifestiert, sei es vor allem in der Übernahme von bestimmten fußballsprachlichen Termini oder Redewendungen, also auf dem Gebiete des Wortschatzes. 113 114 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.17 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.67 47 3. Die Fußballberichterstattung in den Medien 3.1. Medienfähigkeit des Fußballs Aus den vorigen Kapiteln hat sich herausgestellt, dass der Sport zu einem beträchtlichen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens des Menschen wird. Neben dem aktiven Sporttreiben gewinnt der passive Zuschauersport auch ständig an Bedeutung. Die zunehmende Popularität des Sports als sehenswertes Ereignis lässt sich laut Dankert dadurch erklären, dass im “Sportwettkampf […] ein plötzlicher Umschwung, eine jähe Änderung der Situation immer im Bereich des Möglichen”115 ist. Diese Möglichkeit zur plötzlichen Änderung eines sportlichen Ereignisses ist einigermaßen in allen Sportarten anwesend, die Unvorhersagbarkeit des Ergebnisses finden wir jedoch vor allem beim Fußball. Bei den meisten Sportarten, sowohl bei den individuellen als bei den nicht-individuellen, werden Wettkämpfe viel weniger entschieden durch einige spielbestimmende Momente. So können wir zum Beispiel sehen, dass im Fußball ein Spiel mit einem einzelnen Tor gewonnen oder verloren werden kann, während man bei den meisten Mannschaftssportarten (z.B. Basketball, Rugby, Football, Baseball, Volleyball usw.) viel mehr Möglichkeiten hat, “Tore” zu erzielen. Im Gegensatz zu diesen anderen Mannschaftssportarten genügt im Fußball eine entscheidende Situation zum Erfolg. Nur im Hockey sehen wir eine einigermaßen entsprechende Unvorhersagbarkeit, aber Hockey ist in vielen Aspekten dem Fußball sehr ähnlich. Bei den individuellen Leistungssporten scheint es uns noch schwieriger, in einem bestimmenden Moment über Sieg oder Niederlage zu entscheiden. So ist es zum Beispiel in der Leichtathletik unmöglich, die Leistung der Konkurrenten zu beeinflussen, da kann man sich also nur auf die eigene Leistung richten. Ein entscheidender Moment gibt es also im Grunde nicht, weil oft einfach der beste Athlet gewinnt. Plötzliche, wettkampfbestimmende Wendungen sind hier eher selten, nur Pech eines Athleten kann das Ergebnis beeinflussen. Neben der Leichtathletik gibt es selbstverständlich auch noch andere individuelle Sportarten, aber bei diesen gilt größtenteils Ähnliches wie bei den vorher genannten Mannschaftsspielen; auch hier gibt 115 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.18 48 es viele Möglichkeiten und Situationen, in denen man “Tore” oder Punkte erzielen kann (z.B. Tennis, Golf usw.). Dazu kommen auch noch andere individuelle Sportarten, wie zum Beispiel Radfahren oder Motorsport, bei denen es die Absicht ist, als erster durch das Ziel zu gehen. Wenn wir auch bei diesen Sportarten Pech nicht berücksichtigen, sind plötzliche, wettkampfbestimmende Situationen eher selten. Obwohl es möglich ist, dass es im Verlauf eines derartigen Wettbewerbs eine überraschende Wendung gibt, hängt dies meistens doch zusammen mit den realen Kräfteverhältnissen innerhalb des Wettkampfs. Mit anderen Worten, außer bei Pech oder taktischen Einflussnahmen gewinnt der Stärkere. Im Fußball ist es jedoch sehr gut möglich, dass eine schwächere Mannschaft gewinnt, aufgrund einer bestimmenden Spielszene. Im Grunde finden wir also vor allem beim Fußball diesen unvorhersagbaren Charakter, und dieser erklärt auch zum größten Teil die Anziehungskraft des Fußballs: Fußballspiele werden nicht nur gleichzeitig, sondern auch im Voraus und im Nachhinein erfahren. Sie sind spannend, weil man sie vor einem offenen Zukunfthorizont erlebt, der Sieg oder Niederlage des eigenen Teams bergen kann. Selbst komplizierte Konditionalkonstruktionen können da angesichts des ungewissen Endes nicht wirklich Sicherheit geben […]116 Die Tatsache, dass man den Ablauf des fußballerischen Geschehens nicht voraussagen kann, führt dazu, dass man sehr ausführlich über ein Fußballspiel reden und diskutieren kann. Sowohl vor, während als nach einem Spiel kann man darüber reden, was zum entscheidenden Moment geführt hat, was dieser entscheidende Moment war und wie dieser Moment vermieden oder ausgenutzt hätte gekonnt werden: Gewiß, ein Spiel dauert 90 Minuten. Aber über ein Fußballspiel zu reden, dauert viel länger. Das Reden beginnt mit Vorberichten und Prognosen, es begleitet das Spiel mit Beschreibungen und Kommentaren, es setzt sich nach Spielende in Zusammenfassungen und Erklärungen fort. […] Allem Anschein nach haben Millionen von Fußballfreunden nicht nur das Bedürfnis, Fußballspiele zu sehen, sondern auch, das Geschehen auf dem Rasen zu erzählen und erzählt zu bekommen.117 Angesichts der ausführlichen Möglichkeiten, über Fußball zu reden und zu diskutieren und der Tatsache, dass Fußball und Sport im Allgemeinen hohes Interesse beim Publikum erwecken, darf es nicht wundern, dass auch die Medien diese Tendenz 116 Martínez, Matías: “Warum Fußball?”, S.18 Martínez, Matías: “Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Erzähltheoretische Bemerkungen zur Fußballberichterstattung.” In: Warum Fußball? Kulturwissenschaftliche Beschreibungen eines Sports. Hg. von Matías Martínez. Bielefeld, 2002, S.71 117 49 beobachten und ausnutzen. Der Sportteil in den Medien spielt eine ständig wichtiger werdende Rolle, und innerhalb dieser Sportberichterstattung sehen wir eine klare Vorliebe, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen (wegen steigender Einschalt- und Leserquoten bei derartiger Berichterstattung), für den Spitzensport. Wie wir eher schon gezeigt haben (siehe Kapitel 1.1.2.3.) ist die Berichterstattung des Fußballs – selbstverständlich vor allem des Spitzenfußballs – der Berichterstattung anderer Sportarten weitaus übergeordnet. Vor allem bei großen Fußballveranstaltungen, wie etwa eine Weltmeisterschaft, Europameisterschaft oder bei Champions League-Spielen, bleibt für andere Sportarten in den Medien relativ wenig Raum übrig. Es wäre aber übertrieben, zu behaupten, dass die Sportberichterstattung in den Medien auf die Fußballberichterstattung zurückzuführen ist; es gibt nämlich auch noch, sei es im niedrigeren Maße, Berichterstattung anderer Sportarten, wie Radsport oder Motorsporte, die auch berücksichtigt und in der Sportberichterstattung auf eine ganz andere Art und Weise als beim Fußball gestaltet werden. Dennoch nimmt Schaefer zu Recht an, dass es einigermaßen so ist, dass die Fußballberichterstattung die wichtigsten Elemente der Sportberichterstattung vertritt und so als Muster der Sportberichterstattung betrachtet werden kann: […], dass eine Untersuchung der Fußballberichterstattung den größten Teil der Sportberichterstattung erfaßt. Der paradigmatische Charakter des Fußballspiels für Sportarten mit einer vergleichbaren räumlich-zeitlichen Struktur läßt bei vorsichtiger Verallgemeinerung sicherlich auch eine über die Fußballberichterstattung hinausgehende Gültigkeit der zu beschreibenden Ergebnisse erwarten und läßt eine Konzentration auf Texte der Fußballberichterstattung sinnvoll erscheinen.118 Obwohl die Fußballberichterstattung nur eine Sonderkategorie der Sportberichterstattung darstellt, ist sie wegen ihrer umfangreichen Erscheinung und ihres “paradigmatische[n] Charakter[s]”119 ein sehr wichtiger Teil dieser Sportberichterstattung, und eine Untersuchung der Fußballberichterstattung kann zu Ergebnissen führen, die einigermaßen für die gesamte Sportberichterstattung gültig sind. 3.2. Die Medienvariabilität der Sportberichterstattung 118 119 Schaefer: Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. S.6-7 Schaefer: Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. S.6 50 3.2.1. Die gesellschaftliche Wichtigkeit der Massenmedien In der gegenwärtigen Gesellschaft, die von einer weitgehenden Industrialisierung und Technologisierung geprägt wird, spielen die Massenmedien eine immer wichtiger werdende Rolle. Es ist heutzutage unmöglich geworden, den Kontakt mit den Medien, in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen, zu vermeiden. In der Arbeit wie in der Freizeit sind die Medien zu einem unentbehrlichen Faktor geworden, ohne die man im heutigen Alltagsleben nicht funktionieren kann. Während man in der prämediatisierten Phase für Information vor allem auf menschlichen Kontakt angewiesen war, hat sich diese Lage völlig geändert: Man schätzt, dass heute der weitaus größte Teil unseres Wissens von der Welt medienvermittelt ist.120 Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die Massenmedien dafür verantwortlich sind, dass der Blick des Menschen auf die Welt sich immer mehr verbreitert hat; die Welt wird, dank der weltweiten Verbreitung von Information durch die Medien, immer kleiner. Die Massenmedien werden also von immer mehr Leuten genutzt als Quelle für Informationen, was auch die sehr große Verbreitung und Vervielfältigung der Massenmedien (wir müssen uns nur die unzählbaren Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Rundfunkstationen, usw. anschauen) erklärt: Die Bedeutung der Massenkommunikation ergibt sich aus dem Faktum, daß immer mehr Personen immer mehr Zeit damit verbringen, Medienaussagen einzunehmen.121 Die Entwicklung der Gesellschaft zu einer durch und durch mediatisierten Gesellschaft ist, ungeachtet eines positiven oder negativen Werturteils, eine der wichtigsten Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Obwohl die Massenmedien also eine wichtige Informationsquelle bilden, bedeutet das nicht, dass diese Informationen ohne weiteres angenommen werden können. Früh behauptet zu Recht, dass die Medien eine bestimmte Repräsentation der Auskünfte bieten: 120 Früh, Werner: Realitätsvermittlung durch Massenmedien. Die permanente Transformation der Wirklichkeit. Opladen, 1994, S.15 121 Hennig, Eike en Zoll, Ralf: Massenmedien und Meinungsbildung. Angebot, Reichweite, Nutzung und Inhalt der Medien in der BRD. München, 1970, S.12 51 Medienberichterstattung ist kein simples Abbild der Realität, sondern sie besitzt bestimmte, typische Strukturmerkmale: Sie ist gegenüber der Realität selektiv, strukturierend, konstruktiv und evaluativ: Sie wählt nur einen Teil des Geschehens nach systeminternen Kriterien (z.B. Nachrichtenwerte) aus, ordnet sie bestimmten Sachbereichen zu, interpretiert Zusammenhänge und kommentiert diese nach diversen Wertmaßstäben. Darüber hinaus ist Medienberichterstattung perspektivisch-selektiv, eklektisch und episodisch. Perspektivisch-selektiv, weil sie selbst den aus dem gesamten Weltgeschehen bereits ausgewählten Ereigniszusammenhang nicht in seiner Totalität beschreibt, sondern nur die unter einer bestimmten Perspektive […] relevanten Aspekte abstrahiert und isoliert darstellt. Eklektisch, weil sie aus dem gesamten Weltgeschehen nach teils externen, gegenüber dem Objekt sachfremden und in sich nicht konsistenten Kriterien Ereignisse auswählt […]. Episodisch ist die Medienberichterstattung schließlich, weil sie den kontinuierlichen Fluß des Geschehens unterbricht, von einem Ereignis zum anderen springt und sie unvermittelt nebeneinanderstellt.122 Die Massenmedien bilden also, wie Früh hier sehr deutlich zeigt, keine vollständige oder wirklichkeitsgerechte Präsentation der Realität. Es ist selbstverständlich nicht so, dass die Unvollständigkeit oder die Verzerrung der Realität zielbewusst von den Medien angewandt wird; es ist für die Massenmedien nämlich unmöglich Vollständigkeit und Wahrheitsgetreuheit zu erreichen. Sie sind, aus wirtschaftlichen und raumbedingten Gründen, dazu verpflichtet, “selektiv, strukturierend, konstruktiv und evaluativ”123 zu sein; auch das Publikum der Massenmedien erwartet eine Selektion und Interpretation des Weltgeschehens, weil es für dieses Publikum auch unmöglich ist, das ganze Weltgeschehen zu verarbeiten. Die Selektion und Interpretation durch die Massenmedien sind also unvermeidlich, aber dennoch müssen wir immer berücksichtigen, dass die Medien nur eine beschränkt gültige Medienrealität bilden und bieten, und dass die Einnahme dieser Medienrealität durch das Publikum bei den Menschen zu einer “Rezipientenrealität”124 führt (siehe auch Kapitel 2.1.). Wir müssen hier jedoch auch hinzufügen, dass das Publikum selbst auch verantwortlich ist dafür, dass die Massenmedien nur eine Selektion der Realität anbieten. Die Medien sind nämlich wirtschaftlich von ihrem Publikum abhängig, und werden also vor allem von den Sachen berichten, für die das Publikum das meiste Interesse zeigt. Die Leserzahlen und Einschaltquoten bestimmen zum Teil die Informationenauswahl der Massenmedien: 122 Früh: Realitätsvermittlung durch Massenmedien. S.57 Früh: Realitätsvermittlung durch Massenmedien. S.57 124 Hackforth, Josef: “Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien.” S.28 123 52 Richtig verstandene Pressefreiheit ist auch von der Entscheidung jedes einzelnen Bürgers abhängig. Durch die Wahl ihres Blattes am Kiosk, ihres Hörfunk- oder Fernsehprogramms veranstalten die ,Konsumenten‟ täglich ein neues Plebiszit: eine Entscheidung für das, was sie für interessant, gut und richtig halten.[…] Ein demokratisches Kommunikationssystem ist […] nicht zentral gelenkt, sondern bedürfnisgesteuert.[…] Zumindest dort, wo der Bürger durch immer neue individuelle freie (Kauf-)Entscheidungen eine unmittelbare ,Mitbestimmung‟ ausübt, zum Beispiel bei der Presse, bestimmt er selbst auch die Qualität des Massenmediums. Der Bürger kann auf dem Markt der Medien nach Belieben auswählen. Wenn er nur (oder auch) Unterhaltung, Sex, Verbrechen, Klatsch und Sensationen sucht, dann findet er auch das in den Massenmedien.125 Die Massenmedien bestimmen also einerseits, was sie in ihrer Berichterstattung aufnehmen und beeinflussen so ihr Publikum; aber andererseits ist die Berichterstattung auf die Wünsche und Bedürfnisse des Publikums gerichtet, was in einer Wechselbeziehung zwischen Medien und Publikum resultiert. Die Sportberichterstattung, die selbstverständlich ein Teil der Massenmedien ist, ist also ebenfalls dieser Selektion und Interpretation der Realität unterworfen und wird auch die Wünsche des Publikums berücksichtigen müssen. Diese Elemente finden wir, wie schon gesagt, in der Tatsache, dass man vor allem über Spitzensport und innerhalb des Spitzensportes meistens über Fußball berichtet. Obwohl die Sportberichterstattung im Grunde der allgemeinen Berichterstattung in den Medien gehört, ist sie laut Brandt doch ganz klar von den anderen Teilbereichen in den Medien (wie etwa Feuilleton, Politik, Wirtschaft usw.) zu unterscheiden: Die Sportteile der Massenmedien sind in sich klar gegliedert. Im Prinzip ist diese deutliche Abgrenzung von Einzelberichten im Hörfunk und Fernsehen gleich der in Zeitungen, lediglich die Mittel sind unterschiedlich, da vom Medium abhängig. So übernimmt der Moderator oder Studiosprecher die Übersichtlichkeit schaffende Gliederungsfunktion, die in der Presse durch optische Mittel wie Spalten, Leerräume, Überschriften, Bildgrenzen usw. räumlich realisiert wird.126 Die Sportberichterstattung ist also klar von den anderen Bereichen der Medien abgetrennt, sowohl räumlich als sprachlich (siehe Kapitel 2). Dazu kommt noch, dass Brandt hier auf eine wichtige Variable in der Sportberichterstattung hinweist, nämlich die Abhängigkeit der Sportberichterstattung vom beliebigen Medium. So wird sich die 125 Kaupp, Peter: Presse – Hörfunk – Fernsehen. Funktion – Wirkung. Ein medienkundliches Handbuch. Frankfurt am Main, 1979, S.87 126 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien”. S.167 53 Sportberichterstattung127, je nach ihrer Erscheinung in der Presse, im Rundfunk, im Fernsehen oder sogar schon im Internet anders gestalten. Die Sport- bzw. Fußballberichterstattung wird sich in den unterschiedlichen Medien in einer anderen Erscheinung präsentieren, aber das bedeutet nicht, dass das Publikum beim Erfüllen seines Informationsbedürfnisses nur eine dieser Erscheinungsformen der Fußballberichterstattung benutzt: Massenkommunikationsmittel können heute als tägliche Konsumgüter bezeichnet werden. Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist es längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden, mehrere Massenmedien zu nutzen,: der Hörfunkteilnehmer ist auch Zeitungsleser, Fernsehzuschauer und Kinogänger. Wir haben es gelernt, alle diese Massenmedien nebeneinander zu nutzen. Vielleicht auch deshalb, weil die verschiedenen Medien beziehungsweise Medieninhalte unterschiedliche individuelle Bedürfnisse ansprechen und zufriedenstellen.128 Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Massenmedien haben selbstverständlich ihre eigenen Merkmale, die wir in den nächsten Kapiteln zu formulieren versuchen werden. 3.2.2. Rundfunk Innerhalb der Fußballberichterstattung spielt der Rundfunk heutzutage eine eher untergeordnete Rolle, neben Fernsehen und Printmedien. Am Anfang der Entwicklung des Rundfunks aber, als vom Fernsehen noch nicht die Rede war, waren Fußballübertragungen im Rundfunk sehr schnell üblich und populär: Der Sport begleitete die Entwicklung des deutschen Rundfunks von Anfang an. Daß er, anders als bei der Presse, nicht erst nach einer langen Entwicklung Aufnahme in dieses Medium fand, hat zwei Gründe. Einmal war der Sport, als am 29.10.1923 die erste Sendung des deutschen Unterhaltungsrundfunks ausgestrahlt wurde, ein gefragter journalistischer Gegenstand; zum anderen hatte man gleich erkannt, daß er ein besonders geeigneter Inhalt für das neue Medium Rundfunk werden konnte.129 Die Fußballberichterstattung erfüllt in dieser Anfangsphase also eine wichtige Rolle im Rundfunk, und wird auch von ganz anderen Merkmalen als die Fußballberichterstattung in den Printmedien geprägt. Zuerst erlaubt der akustische und unmittelbare Charakter 127 In dieser Arbeit wird natürlich vor allem die Fußballberichterstattung untersucht, aber wegen ihrer dominierenden Stellung innerhalb der Sportberichterstattung wäre es nicht zu übertrieben, zu behaupten, dass allgemeine Tendenzen innerhalb der Fußballberichterstattung auch für die gesamte Sportberichterstattung Gültigkeit beanspruchen. 128 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.83 129 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 139 54 dem Rundfunk eine schnelle und ausführliche Verbreitung. Die Tatsache, dass man im Rundfunk dazu imstande ist, Direktübertragungen auszustrahlen, führt dazu, dass für die Zuhörer ein Gefühl des Dabei-Seins geschaffen wird: Der Vorzug des Rundfunks liegt darin, daß er das Geschehen schneller über große Entfernungen tragen und ungleich mehr Menschen gleichzeitig das Gefühl vermitteln kann, dennoch dabei zu sein.[…] Hörfunkteilnehmer werden durch Raum und Zeit überwindende ,Live‟-Sendungen direkte Zeugen des Zeitgeschehens. […] Die Möglichkeit einer unmittelbaren akustischen Teilnahme am Geschehen macht den Hörfunk zum schnelleren Informationsmedium.130 Es ist also für den Moderator einer Fußballübertragung im Rundfunk möglich, das Fußballspiel für die Zuhörer zu schildern, damit sie den Eindruck bekommen, wirklich Zuschauer des Spiels im Stadion zu sein. Der Rundfunkkomentator muss also die fußballerische Wirklichkeit für die Zuhörer schaffen, und zwar innerhalb der beschränkten Zeit des Geschehens. Auch ist es für diesen Kommentator schwierig, die Spielszenen möglichst aktuell für die Zuhörer zu skizzieren, weil diese Aktionen meistens schneller ablaufen als der Kommentator sie zusammenfassen kann: Der für den Zuhörer zuschauende Reporter steht vor der grundsätzlichen und schweren Aufgabe, ein schnell ablaufendes Geschehen unmittelbar und spontan wiederzugeben. Der Zuhörer verlangt die augenblickliche und auf jegliche Bedenkzeit verzichtende Umsetzung des Gesehenen in eine der Spannung und Dynamik des Sportereignisses adäquate Sprache. Aber auch der gewandteste Reporter sieht sich immer wieder mit der Schwierigkeit konfrontiert, daß das visuelle Erfassen der sprachlichen Umsetzung vorausgeht, so daß er stets zu einer nachträglichen Formulierung gezwungen ist.131 Der Rundfunkreporter wird also dazu gezwungen, sprachlich so ökonomisch möglich zu arbeiten, damit er die Geschwindigkeit, das Tempo des Spiels und die wichtigen Spielszenen so gut wie möglich darstellen kann. Laut Dankert ist es für den Reporter in dem Sinne einfacher, dass der fußballerische Ablauf eines Spiels “einer fest normierten, sowohl dem Rundfunksprecher als auch dem Großteil der Hörer bekannten Regelung”132 unterliegt. Außerdem behauptet Dankert, dass die möglichen Spielszenen schon einigermaßen in der Sportsprache erfasst liegen, und dass der Rundfunkreporter also auf feste Formulierungen zurückgreifen kann. Auch Fluck bestätigt, dass der Rundfunkreporter bestimmte stilistische Mittel verwendet: 130 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.122-123 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.94 132 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.95 131 55 Dabei ist der einzelne Reporter aufgefordert, den Geschehensablauf spontan und anschaulich in Sprache umzusetzen und die Dynamik und Aktualität des Sportereignisses wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen. Dazu dienen ihm bestimmte stilistische Mittel wie z.B. Ellipsen, Ausklammerung und Nominalisierung, Bilder, Vergleiche, Steigerungsformen, wobei deren Einsatz abhängig von der zu beschreibenden Sportart ist.133 Dankert behauptet, dass der Rundfunkreporter möglichst wenig Variierungen dieser festen Formulierungen verwenden wird, damit er das Geschehen anschaulich vorstellen kann. Seit dem Aufkommen des Fernsehens als wichtige Fußballberichterstattungsquelle gibt es im Rundfunk immer weniger Direktübertragungen; diese Funktion wurde also vor allem vom Fernsehen, das neben dem akustischen Element des Rundfunks auch noch eine visuelle Dimension hinzufügt, übernommen: Rein numerisch spielt der Sport im Rundfunk, zu dessen Entwicklung er entscheidend beitrug, heute kaum noch eine Rolle.134 Die Tatsache, dass Direktübertragungen im Rundfunk fast nicht mehr vorkommen, bedeutet jedoch nicht, dass die Fußballberichterstattung im Rundfunk verschwunden ist. Kaupp bemerkt zu Recht, dass die zunehmende Wichtigkeit des Fernsehens bei Fußballübertragungen nicht dazu geführt hat, dass andere Medien nicht mehr an der Fußballberichterstattung beteiligt sind: Erstaunlicherweise haben die neuen Massenkommunikationsmittel (z.B. das Fernsehen) die alten (z.B. Zeitung und Hörfunk) keineswegs verdrängt. Diese Tatsache bestätigt eine alte Erfahrung aus der Geschichte der gesellschaftlichen Kommunikation, daß nämlich das Aufkommen neuer Kommunikationsmittel die schon vorhandenen Medien selten entbehrlich gemacht hat.[…] Ungeachtet aller technischen Fortschritte haben sich im Grunde genommen alle diese Massenmedien bis heute nebeneinander gehalten.135 Kaupp zielt mit dieser Aussage auf die Massenmedien im Allgemeinen, aber dennoch können wir annehmen, dass seine These auch genauer auf die Fußballberichterstattung angewendet werden kann. Obwohl das Fernsehen bei Direktübertragungen von Fußballspielen über weitaus bessere technische Mittel verfügt, beschäftigt der Rundfunk sich immer noch mit der Fußballberichterstattung. Höchstens hat sich die Beteiligung 133 Fluck, Hans-R.: “Zur Entwicklung von Rundfunk und Rundfunksprache in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945”. In: Sprache in den Medien nach 1945. Hg. von Bernd Ulrich Biere und Helmut Henne. Tübingen, 1993, S.100 134 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 172 135 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.81 56 des Rundfunks an den Fußball von Direktübertragungen auf kurze Ausschnitte, Zusammenfassungen , Vor- und Nachberichte, Interviews usw. verlagert: Neben den bisher beschriebenen qualitativen Veränderungen lassen sich auch quantitative Veränderungen bei den Vermittlungsformen feststellen. Zu ihnen zählt z.B. das Vordringen der Interview-Formen und der Rückgang der Hörfunkreportage, einer traditionellen und medienspezifischen Form der Hörfunkberichterstattung.136 Es darf also deutlich sein, dass innerhalb der Fußballberichterstattung die Massenmedien sich aneinander anpassen: “Die Massenmedien konkurrieren nicht nur miteinander, sie ergänzen sich auch”137. 3.2.3. Fernsehen Das Fernsehen hat sich für die Entwicklung der Fußballberichterstattung und sogar für die Entwicklung des Fußballs selbst als ein sehr wichtiger Faktor erwiesen. Seit der ersten Direktübertragung eines Fußballspiels, Deutschland-Italien am 26. November 1939 im Olympia-Stadion, ist der Fußball nicht mehr aus dem Programm des Fernsehens wegzudenken: Damit hatte auch die beliebteste Sportart fernsehpublizistischen Einzug gehalten und sollte fortan eine dominierende Rolle im Programmangebot spielen.138 Das Fernsehen ist damit, neben Hörfunk und Presse, auch verantwortlich für die weitere Verbreitung und Popularisierung des Fußballs, aber der Fußball selbst erfüllt in der Anfangsphase des Fernsehens eine beträchtliche Rolle. Das Programmangebot des Fernsehens ist in dieser Anfangsphase eher niedrig, und deshalb wird der Fußball laut Hackforth “zum wertvollsten Wegbereiter des regelmäßigen öffentlichen Programmdienstes”139, indem es die Möglichkeit bietet, auf relativ einfache und billige Weise ein vollständiges Fernsehprogramm anzubieten. Die Wechselbeziehung zwischen Fernsehen und Fußball zeigt sich am Anfang als eine programmauffüllende Notwendigkeit, sie wird sich aber später als ein lukratives Geschäft für sowohl Fernsehen und Fußball erweisen. 136 Fluck: “Zur Entwicklung von Rundfunk und Rundfunksprache in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945”. S.100 137 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.83 138 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.38-39 139 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.41 57 Innerhalb der Anfangsphase der Fußballberichterstattung unterscheidet Hackfort vier “publizistische Grundtypen der Sportberichterstattung”140, die auch die Grundlage für die gegenwärtige Fußballberichterstattung im Fernsehen bilden: a) die Sportnachricht, integriert in die abendlichen allgemeinen Nachrichtensendungen b) die aktuelle (live) Sportübertragung, zu jener Zeit auch als Außenübertragung bezeichnet und angekündigt c) das (Sport)-Interview, ein wichtiges – wenn auch häufig vernachlässigtes – Mittel der Sportberichterstattung d) die Vermittlung sportlicher Techniken […], die das Interesse wecken und vorhandene Fähigkeiten vervollständigen und perfektionieren sollten141 Außer dem letzten Grundtyp, der wegen der allgemeinen Verbreitung und Bekanntheit des Sports und der sportlichen Techniken überflüssig geworden ist, sind diese Kategorien immer noch in der Fußballberichterstattung im Fernsehen anwesend. So ist die Unterscheidung zwischen Direktübertragung und Kurzbericht eines Fußballspiels bestimmt eine nützliche, denn diese zwei Kategorien können sowohl als unterschiedliche Fernsehprogramme als auch als unterschiedliche Formen der Berichterstattung, weil ihre Grundposition grundsätzlich unterschiedlich ist, betrachtet werden. Das Interview ist innerhalb beider Kategorien der fernsehpublizistischen Fußballberichterstattung vorzufinden; sowohl bei Kurzberichten als bei Direktübertragungen besteht die Möglichkeit, dass auch Interviews in die Fernsehsendung aufgenommen werden. Neben diesen drei Kategorien haben sich auch noch, angesichts der zunehmenden Popularität des Fußballs, weitere Typen der Fußballberichterstattung entwickelt (wie z.B. Fußballtalkshows, ein ChampionsLeague-Magazin, Dokumentarfilme usw.), aber die drei von Hackforth genannten Grundtypen sind immer noch die wichtigsten der Fußballberichterstattung im Fernsehen. Nach dieser vorsichtigen Anfangsphase der Aufnahme des Fußballs in das Fernsehprogramm, mit Direktübertragungen einiger Spiele, wird Fußball im Fernsehen eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Popularität des Fußballs wird immer größer einerseits wegen des Fußballs selbst, andererseits wegen der großen Verbreitung des Fußballs in den Medien – und das führt dazu, dass auch die Wirtschaft ein Interesse für den Fußball im Fernsehen entwickelt: 140 141 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.43 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.43-44 58 What makes the sports contest on television so appealing to advertisers may be the intensity with which sports fans view the game. The sporting event is unscripted and live. Dramatic events may happen at any moment.142 Die enormen Zuschauerzahlen für Fußballübertragungen im Fernsehen erwecken also das Interesse der wirtschaftlichen Unternehmen, die mittels Werbung Geld in den Fußball und in die Fußballberichterstattung investieren und so ihrerseits die Fußballberichterstattung im Fernsehen beeinflussen: Durch die bloße Anwesenheit der Medien und hier wiederum besonders des Fernsehens werden Sportveranstaltungen qualitativ verändert: Anfangszeiten müssen mediengerecht, Trikots und Sportbekleidung publikumswirksam und Interessen der Sportartikel- und Freizeitindustrie neben den Ansprüchen von Industrie und Verwaltung massiv berücksichtigt werden.143 Die wirtschaftlichen Bedürfnisse der werbenden Unternehmen, nämlich die möglichst große Bemerkung der Werbung ihrer Produkte, müssen befriedigt werden. Deshalb ist es für die Berichterstatter wichtig, dass die Werbung der Sponsoren viel Sendezeit bekommt, und dass das Publikum der Fußballberichterstattung im Fernsehen möglichst groß ist. Die Tatsache, dass man ein möglichst großes Publikum anstrebt, hat einerseits seine Folgen für den Sport selbst (man will die Sportarten möglichst reizvoll darstellen, und dazu werden manchmal Regeln angepasst, z.B. ein Tiebreak im Tennis, das Einführen des Elfmeterschießens bei einem Gleichspiel144 usw.) und andererseits auch für die Sportberichterstattung (z.B. Superlativstil, usw. ;siehe Kapitel 3.4.1.). Vor allem in den Vereinigten Staaten finden wir eine sehr übertriebene Anpassung ihrer typischen Sportarten an die Wirtschaft: diese Sportarten werden in mehrere Spielteile (z.B. Basketball in vier “Quarters”, Eishockey in drei Perioden, Baseball in 9 “Innings” usw.) aufgeteilt, damit es mehr Raum für Werbung geben wird. Die Sportberichterstattung versucht also ein möglichst großes Publikum zu erreichen, und wird so ihre Berichterstattung und auch die Sprache der Berichterstattung anpassen. Die Fußballberichterstattung im Fernsehen zeigt Ähnlichkeiten zu der im Rundfunk auf. Der Fernsehreporter versucht auch hier dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, dass er das Fußballspiel im Stadion verfolgt. Der größte Unterschied zwischen 142 Wenner, Lawrence A.: “Media, Sports and Society: The research agenda”. In: Media, Sports and Society. Hg. von Lawrence A. Wenner. Newbury Park, London, New Delhi, 1989, S.14-15 143 Hackforth, Josef: “Publizistische Wirkungsforschung: Ansätze, Analysen und Analogien.” S.16-17 144 Dieses Elfmeterschießen wird nur in der Knock-Out-Phase bestimmter Turniere verwendet (Europameisterschaft, Weltmeisterschaft, usw.); vor der Einführung des Elfmeterschießens wurden Gleichspiele mittels einer Auslosung oder eines Replays entschieden. 59 Fernsehen und Rundfunk liegt darin, dass man im Rundfunk nur auf akustische Hilfsmittel angewiesen ist; der Rundfunkreporter muss den Spielverlauf anhand lauter sprachlicher Mittel schildern, während die Zuschauer des Fernsehens neben der akustischen Dimension auch noch über eine visuelle Dimension verfügen. Der Fernsehreporter ist, im Gegensatz zum Rundfunkreporter, nicht dazu verpflichtet “die Dynamik und Aktualität des Sportereignisses wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen”145, er braucht nur die Bilder des Fußballspiels, die die Zuschauer zu sehen bekommen, zu kommentieren. Dazu kommt noch, dass man im Fernsehen über viele technische Hilfsmittel (z.B. Zeitlupe, Wiederholung, usw.) verfügt, auf die man im Rundfunk und in den Printmedien verzichten muss. Diese Vorteile haben das Fernsehen, laut Hackforth, zu “seiner jetzigen Spitzenposition in der Medienhierarchie verholfen”146. Die Fußballberichterstattung im Fernsehen wird also vor allem von der visuellen Dimension geprägt, und die Sprache ist viel weniger wichtig; man versucht vor allem, das Spiel im Fernsehen möglichst reizvoll darzustellen: Die technischen Mittel des Fernsehens bieten zusätzlich mannigfaltige Inszenierungsmöglichkeiten – Beleuchtung, Farbe, Geschwindigkeit, Einstellungen, Kamerabewegung, Plazierung und vor allem die genannte Bildregie helfen formale Elemente eines Spiels wie Dynamik und Bewegung zu betonen.147 Bei Direktübertragungen von Fußballspielen wird also vor allem eine bestimmte Atmosphäre geschaffen, in der die Sprache der Berichterstattung weniger wichtig ist. Auch bleibt bei weniger interessanten Spielszenen für den Reporter die Möglichkeit, sich über bestimmte Einzelheiten zu verbreiten. In Kurzberichten von Fußballspielen ist diese sprachliche Freiheit abwesend, denn in solchen Berichten müssen die wichtigsten Spielszenen möglichst schnell zusammengefasst werden: Selektionen lassen sich plastisch bei den sogenannten TV-Kurzfilmen beobachten, hier werden z.B. 90minütige Fußballspiele auf medienwirksame Höhepunkte – das spektakuläre Fallrückziehertor, das große Foul etc. – reduziert.148 Weil man bei solchen Kurzberichten immer dieselbe Spielsituation beschreiben muss, ist die Gefahr groß, dass man, wie im Rundfunk, auf bestimmte feste Formulierungen 145 Fluck.: “Zur Entwicklung von Rundfunk und Rundfunksprache in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945.” S.100 146 Hackforth, Josef: Sport im Fernsehen. S.228 147 Stein: “Die “Sport-Medien-Spirale” – oder: Spitzensportler im Wirkungszentrum der Massenmedien.” S.38 148 Stein: “Die “Sport-Medien-Spirale” – oder: Spitzensportler im Wirkungszentrum der Massenmedien.” S.39 60 zurückgreift. Ein Vorteil ist jedoch, dass diese Kurzberichte schon vom Reporter selbst zusammengestellt und vorbereitet werden und er deshalb weiß, welche Situationen folgen und wie er sie kommentieren wird. Dennoch erfüllt die Sprache der Fußballberichterstattung im Fernsehen, im Gegensatz zur Sprache der Fußballberichterstattung im Rundfunk und in den Printmedien, nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle. 3.2.4. Printmedien Für die vorliegende Arbeit sind die Printmedien das wichtigste Medium der Fußballberichterstattung, weil hier die Sprachproduktion der Fußballberichterstattung am einfachsten untersucht werden kann. Während die Fußballsprache sich im Rundfunk und im Fernsehen vor allem mündlich manifestiert, wird diese Fußballsprache in den Printmedien selbstverständlich schriftlich zum Ausdruck gebracht und diese schriftliche Realisierung erlaubt eine deutlich abgegrenzte Untersuchung. Darüber hinaus ist für die Reporter der Printmedien die geschriebene Sprache das einzige Mittel (außer vielleicht den wenigen Photos, die in den Printmedien vorkommen), mit dem sie das fußballerische Geschehen darstellen können. Die Rundfunk- und Fernsehreporter dagegen verfügen über akustische bzw. optische und akustische Mittel, um den Fußball in all seiner Dynamik darzustellen. Die Printmedien sind dem Rundfunk und dem Fernsehen bei der Fußballberichterstattung vor allem in dem Sinne unterlegen, weil sie einen viel beschränkteren Aktualitätswert haben. Während die Rundfunk- und Fernsehübertragungen unmittelbar von den Zuhörern bzw. Zuschauern erfahren werden, ist diese unmittelbare Einnahme des medienvermittelten Produktes in der geschriebenen Presse unmöglich, weil die Texte der Fußballberichterstattung im Nachhinein geschrieben und gelesen werden: Pressetexte weisen […] die raum-zeitliche Diskontinuität zwischen Produktionsund Rezeptionssituation auf, die für geschriebene Texte charakteristisch ist.149 Die Tatsache, dass diese “raum-zeitliche Diskontinuität” nicht bei Direktübertragungen des Rundfunks und Fernsehens auftritt, sorgt dafür, dass die Printmedien mit einer unüberbrückbaren Kluft konfrontiert werden: 149 Burger, Harald: Mediensprache. Eine Einführung in Sprache und Kommunikationsformen der Massenmedien. Berlin, New York, 2005, S.28 61 Der Sportjournalist kann, was die Aktualität der Berichterstattung angeht, mit seinen Kollegen von Rundfunk und Fernsehen nicht konkurrieren. Er hat in diesem Wettlauf um die Aktualität bemerkenswerte Ergebnisse erzielt […]. Dennoch ist dieser Wettlauf nicht zu gewinnen, dennoch muß der Sportjournalist damit rechnen, daß ein großer Teil der Leser bereits mit vielen Fakten vertraut ist.150 Weil die gedruckte Presse frühestens am nächsten Tag - zumindest wenn es sich um Tageszeitungen handelt; Wochenzeitungen, Sportzeitschriften und Sportbücher erscheinen noch später - des Fußballspiels über dieses sportliche Ereignis berichten kann, müssen die Sportjournalisten der Printmedien die Tatsache berücksichtigen, dass ihre Leser schon wenigstens das Ergebnis, wenn nicht den ganzen Verlauf des Spiels schon in anderen Medien erfahren haben. Deshalb wird die geschriebene Presse dazu gezwungen, ihre Fußballberichterstattung an die bereits vorhandenen Kenntnisse der Leser anzupassen: […] in den Zeitungen ist der zeitliche Abstand zum betreffenden Sportereignis spürbar, d.h., ist das Publikum bereits durch andere Medien über das Ereignis informiert, tritt der reine Geschehensablauf hinter zusammenfassenden Charakterisierungen oder das Herausstellen besonderer Höhepunkte bzw. Einzelleistungen zurück; kann dagegen die Sportredaktion davon ausgehen, daß ein Großteil der Leser bestenfalls das Ergebnis kennt, treten die wichtigsten Spielszenen in ihrer zeitlichen Abfolge stärker hervor.151 Trotz der klaren Unterlegenheit der gedruckten Presse auf dem Gebiete der Aktualität behauptet Kaupp, dass die Printmedien immer noch ihre Bedeutung behalten, weil sie aus zweifachen Gründen immer noch den elektronischen Medien vorgezogen werden: erstens sieht man in der geschriebenen Presse eine “größere Vielfalt, dadurch mehr Vergleichsmöglichkeiten und bessere Information”152 und zweitens erwähnt er die “leichte Mitführbarkeit und (auch wiederholte) Nutzung ohne besondere technische Hilfsmittel”153 der Printmedien. Vor allem diesem letzten Punkt widmet Kaupp viel Aufmerksamkeit: Der Leser [der Printmedien] ist zeitlich ungebunden, er kann den Ablauf der Kommunikation selbst bestimmen. […] Die Möglichkeit des erheblich einfacheren ,Zurückholens‟ und die Eigenschaft der ständigen Präsenz bieten dem Leser die Chance auswählender und wiederholter Nutzung im Gegensatz zur einmaligen, 150 Dankert, Harald: Sportsprache und Kommunikation. S. 117 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien.” S.160 152 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.121 153 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.121 151 62 vorübergehenden Rezeption der Fernseh- und Hörfunkdarbietungen. Er kann dieses Massenmedium nutzen, wann und wo es ihm paßt.154 Kaupp bemerkt zu Recht, dass die geschriebene Presse dank ihres wiederholbaren Charakters dem Rundfunk und dem Fernsehen überlegen ist. Darüber hinaus können wir sagen, dass die Printmedien gerade wegen ihrer durchaus sprachlichen Form nicht nur auf das aktuelle Fußballereignis beschränkt ist; in den Printmedien besteht die Möglichkeit, an bestimmte vergangene oder zukünftige Sachen zu referieren, während man im Fernsehen an die aktuellen Bilder gebunden bleibt: Die Inflation und die Allgegenwart des medial Sichtbaren reduziert zugleich den Raum für das Sagbare - und erst recht auf das Denkbare, die beide auf die sprachliche Artikulation angewiesen sind. Wo Sprache das Erinnern an Vorhergegangenes oder den Vorgriff auf Folgendes ermöglichen würde, fixieren die Bilder die Aufmerksamkeit auf das punktuell Aktuelle.155 Während Rundfunk und Fernsehen also vor allem aktuelle “Faktenvermittlung”156 anbieten, konzentriert man sich in den Printmedien notwendigerweise mehr auf “Wertung und historische Einordnung”157. Obwohl die Printmedien also auch auf genannte Art und Weise dem Rundfunk und dem Fernsehen vorgezogen werden können, bleibt es unvermeidlich, dass sie in der Fußballberichterstattung, wo aktuelle und unmittelbare Informationen über Ergebnisse und Spielverlauf sehr wichtig sind, nur noch eine untergeordnete Rolle spielen können. Während die gedruckte Presse vor dem Aufkommen des Rundfunks, aber vor allem vor dem Aufkommen des Fernsehens noch imstande war, sehr ausführliche Spielberichte zu produzieren und zu publizieren, ist das heutzutage wegen der allgemeinen Verbreitung des Fernsehsports unmöglich geworden. Die geschriebene Presse wird also dazu gezwungen, ihre Fußballberichterstattung umzugestalten, indem sie weniger über Spiele berichten kann, dagegen immer mehr Hintergrundberichterstattung, Analyse und Interviews bringen muss. Den Printmedien kann man heute auf dem Gebiete der Fußballberichterstattung, wie Wipper es ausdrückt, nur noch eine 154 Kaupp: Presse – Hörfunk – Fernsehen. S.121 Roß, Dieter: “Der Sprachverlust der Massenmedien und seine publizistischen Folgen. Medienkritische Anmerkungen zum Siegeszug des Sichtbaren”. In: Mediensprache und Medienlinguistik. Festschrift für Jörg Hennig. Hg. von Dieter Möhn, Dieter Roß und Marita Tjarks-Sobhani. Frankfurt am Main usw., S. 379 156 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien.” S.169 157 Brandt: “Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien.” S.169 155 63 “Komplementärfunktion”158 zuschreiben. Dennoch bleibt die geschriebene Presse das wichtigste Medium, indem sich die Fußballsprache in ihrer Vielfältigkeit und Expressivität manifestiert. In diesem Medium verfügen die Sportjournalisten nämlich über die Möglichkeit, die Fußballsprache völlig zur Entfaltung zu bringen. 3.2.5. Internet Während die traditionellen Medien (gedruckte Presse, Rundfunk und Fernsehen) immer noch die Fußballberichterstattung dominieren, entwickelt sich heutzutage auch eine beträchtliche Fußballberichterstattung im Internet. Die Fußballberichterstattung im Internet kombiniert zum Teil Elemente der Berichterstattung der geschriebenen und zum Teil solche der elektronischen Medien. Einerseits ist sie den Printmedien ähnlich, weil sie ganz klar in geschriebener Form erscheint und also wiederholbar benutzt werden kann, andererseits gehören der hohe Aktualitätsgrad und die Tatsache, dass man elektronische Hilfsmittel braucht, um sich diese Fußballberichterstattung anzuschauen, eher zum Gebiet der elektronischen Medien. Der wichtigste Vorteil des Internets bleibt jedoch der sehr hohe “Aktualitätsanspruch”159: Hochaktuell, ohne Redaktionsschluss, vierundzwanzig Stunden am Tag, das sind Vorzüge, die Netzbesucher zunehmend schätzen, um auf den laufenden zu sein.160 Ergebnisse von Fußballspielen oder Nebenberichte (z.B. Transferberichte, Interviews usw.) erscheinen sehr schnell im Internet, schneller als im Rundfunk und im Fernsehen, und bestimmt schneller als in den Printmedien. Die Sportseiten im Internet bieten, neben den hochaktuellen Informationen, auch ein ständig wachsendes Sportarchiv. Allerlei Statistiken können im Internet gefunden werden, von Statistiken einer bestimmten Bundesligamannschaft oder einer bestimmten Weltmeisterschaft zu Statistiken und Informationen über einen bestimmten Spieler oder sogar Schiedsrichter. Während Sportarchive in den Printmedien eine ausführliche Suche in Sportbüchern fordern, und Archive der Fußballberichterstattung der elektronischen Medien sogar unmöglich sind (außer bestimmten Dokumentarfilmen oder –reportagen, 158 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.146 Blittkowsky, Ralf: Das Netz wird rund. Sport im Internet. <http://www.heise.de/ct/98/19/200/default.shtml> 20/11/2006, S.1 160 Blittkowsky, Ralf: Das Netz wird rund. Sport im Internet. <http://www.heise.de/ct/98/19/200/default.shtml> 20/11/2006, S.1 159 64 die auch nur eine Momentaufnahme zeigen), ist jede beliebige Auskunft im Sportarchiv im Internet nur einen Click entfernt. Das Internet bietet also auf dem Gebiete von aktuellen und historischen Informationen erhebliche Vorteile, es ist jedoch noch nicht imstande, visuelle Direktübertragungen von Fußballspielen zu zeigen. Einerseits gibt es noch zu viele technische Beschränkungen, und andererseits liegen die Übertragungsrechte von Fußballspielen meistens bei Fernsehstationen, die Direktübertragungen im Internet verbieten. Deswegen ist die Fußballberichterstattung im Internet immer noch vor allem damit beschäftigt, aktuelle Auskünfte zu liefern: Das Internet ist zur Zeit immer noch weit mehr ein Informations- als ein Livemedium, das für qualifizierte Sportinformationen vielseitig genutzt wird.161 Dennoch kann man heutzutage im Internet schon Fragmente, die fast immer einfach vom Fernsehen übernommen werden, von Fußballspielen finden. Ein Publikum für visuelle Übertragungen von Fußballspielen im Internet gibt es bestimmt, und es ist also unbedingt möglich, dass in der Zukunft Direktübertragungen von Fußballspielen im Internet ausgestrahlt werden. 3.3. Funktion der Fußballberichterstattung Wenn man eine einigermaβen umfassende Sicht der Funktion der Fuβballberichterstattung bekommen will, muss man zuerst erwähnen, dass die Fuβballberichterstattung bei ihrer Zielbestimmung selbstverständlich von der Funktion der Massenmedien abhängig ist, weil sie diesen Massenmedien angehört. Daher wäre es vielleicht angewiesen, zu formulieren, was die Massenmedien eigentlich beinhalten; Koszyk erörtert in dieser Hinsicht: Unter Massenkommunikation wird heute durchweg die Vermittlung von Symbolen oder Aussagen mit Hilfe technischer Einrichtungen an ein groβes, potentiell unbegrenztes Publikum verstanden.162 Aus diesem Zitat können wir schon eine Dimension der Massenmedien erschlieβen, nämlich die Tatsache, dass die Massenmedien vor allem damit beschäftigt sind, dem Publikum Informationen zu liefern. Darüber hinaus können wir auch noch annehmen, 161 Blittkowsky, Ralf: Das Netz wird rund. Sport im Internet. <http://www.heise.de/ct/98/19/200/default.shtml> 20/11/2006, S.4 162 Koszyk, Kurt: Zur Funktion und Struktur der Publizistik: zwei Beiträge. Berlin, 1968, S.8 65 dass die Massenmedien, neben der bloβen Vermittlung von Informationen, diese Informationen heutzutage für ihr Publikum schon einigermaβen selektieren und interpretieren, indem sie ihrem Publikum auch Meinungsbildung bieten. Wir könnten also sagen, dass die primäre Funktion der Massenmedien darin besteht, dass die Medien Informationen sammeln und verarbeiten und diese Informationen nachher publizieren, damit ihre Leser, Zuhörer oder Zuschauer von denen erfahren können. Die Lieferung von Informationen und die Meinungsbildung anhand dieser Informationen sind selbstverständlich nicht die einzigen Funktionen der Massenmedien, weil diese Massenmedien die Informationen nicht aus philanthropischen Gründen publizieren; die Medien werden, laut Meyn, von einem „Doppelcharakter“163 gekennzeichnet: Die private Presse hat einen Doppelcharakter: Sie soll einerseits der Allgemeinheit dienen - ihr wird deshalb auch in den Pressegesetzen ausdrücklich eine öffentliche Aufgabe zuerkannt, und sie ist andererseits darauf aus, Gewinne zu machen.164 Die Massenmedien sind schlieβlich auch nur Produkte, die verkauft werden müssen, damit das Medium wirtschaftlich am Leben bleibt. Die Massenmedien sind also immer mehr zur Ware geworden; während sie am Anfang vor allem „eine öffentliche Aufgabe“165 erfüllten, sind sie heute Teil der Industrie geworden, und werden sie ständig von „einer immer stärkeren Orientierung an der Publikumsresonanz“166 geprägt. Die Medien müssen die Tatsache berücksichtigen, dass sie ihr Produkt, die Information, so darstellen müssen, dass das Publikum das bestimmte Medium kauft. Deshalb sehen wir, laut Weischenberg, eine „Dreiteilung der Medieninhalte“167; die Medien beschäftigen sich mit Information und Meinungsbildung, aber in zunehmendem Maβe auch mit Unterhaltung. Burger behauptet nämlich, dass es sich hier viel mehr um „zwei funktionale Dichotomien“168 handelt; auf der einen Seite erwähnt er „das Verhältnis von Information und Meinungsbildung“169 und auf der anderen Seite „das Verhältnis von 163 Meyn, Hermann: Massenmedien in Deutschland. Konstanz, 1999, S.87 Meyn: Massenmedien in Deutschland. S.87 165 Meyn: Massenmedien in Deutschland. S.87 166 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.44 167 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.48 168 Burger: Mediensprache. S.23 169 Burger: Mediensprache. S.23 164 66 Information und Unterhaltung“170, indem die Massenmedien versuchen müssen, zwischen diesen unterschiedlichen Betrachtungsweisen ein Gleichgewicht zu finden. Diese zunehmende Tendenz der Massenmedien, ihre Berichterstattung auf unterhaltende Art zu gestalten, muss nicht notwendigerweise als eine negative betrachtet werden; Clausse geht davon aus, dass, wenn die primäre Funktion der Informationenvermittlung von den Medien erfüllt ist, eine attraktive Gestaltung nicht problematisch ist: Die aktuelle Information, von Tag zu Tag soweit wie möglich verbreitet, ist die wahre, objektive und genaue Berichterstattung über alle Tatsachen von sozialer Bedeutung. Genügt sie diesen Anforderungen, dann ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sie danach trachtet, eine anspruchsvolle und wankelmütige Kundschaft auch durch Universalität, Schnelligkeit, Kürze, Originalität und Abwechslung zufriedenzustellen.171 Es scheint also unvermeidlich zu sein, dass die Massenmedien sich auch bei ihrer Berichterstattung immer mehr mit Unterhaltung beschäftigen. In der Fuβballberichterstattung der Printmedien macht sich diese Tendenz zur Unterhaltung ebenfalls fühlbar. Auch hier spielt der niedrige Aktualitätsgrad der Fuβballberichterstattung der Presse eine bestimmende Rolle; wegen der Tatsache, dass die gedruckte Presse weniger über den Spielverlauf berichten kann, werden sie ihrer Sprache gröβeren Unterhaltungscharakter und Expressivität beilegen. Weischenberg behauptet sogar, dass der Fuβball in der gegenwärtigen gedruckten Presse keine Bedeutung mehr hat als Informationenvermittler: Heute ist der Sport aber allein als Unterhaltungsmittel wichtiger Bestandteil der Massenkommunikationsmittel.172 Obwohl diese Beobachtung von Weischenberg bestimmt zu negativ und übertrieben ist und die Fuβballberichterstattung in den Printmedien immer noch einen beträchtlichen Anteil an Information und Meinungsbildung aufweist, müssen wir gestehen, dass die Fuβballberichterstattung immer mehr und überwiegend zur Unterhaltung tendiert. Diese Tendenz ist jedoch in allen Sparten der Medien vorzufinden, sie ist also nicht ausschlieβlich der Fuβballberichterstattung zuzuschreiben und ist aus wirtschaftlicher Notwendigkeit entstanden. Dieses wirtschaftliche Bedürfnis entwickelt sich aus 170 Burger: Mediensprache. S.23 Clausse, Roger: Publikum und Information. Entwurf einer ereignisbezogenen Soziologie des Nachrichtenwesens. Köln, Opladen, 1962, S.19 172 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.327 171 67 unterschiedlichen Elementen: einerseits bestimmt das Publikum zum Teil den Inhalt und die Gestaltung der Massenmedien, indem die Leute nur die Medien kaufen, die ihnen gefallen, und was demzufolge die Art der Berichterstattung steuern kann; andererseits wird die Medienlandschaft immer gröβer, vielfältiger und ausführlicher, und diese „Medienkonkurrenz [...] verstärkt die Unterhaltungstendenz“173. 3.4. Kritik an der Fußballberichterstattung Seit dem Einzug der Sportsprache und des Sports in der Berichterstattung der Massenmedien ist diese Sportberichterstattung viel und hart kritisiert worden. Die Sprache der Fußballberichterstattung wird oft als eine minderwertige Sprache gesehen: Viele Sportberichte sind von einer frappierenden und ermüdenden Gleichförmigkeit, die vor allem durch den ständigen Gebrauch eines begrenzten Kanons von Metaphern und Redensarten erzeugt wird.174 Die Tatsache, dass die Fußballberichterstattung in den Printmedien, denn die Kritik beschäftigt sich vor allem mit der geschriebenen Fußballberichterstattung, so oft kritisiert wird, kann selbstverständlich damit verknüpft werden, dass man, wie schon erwähnt, in der Berichterstattung Fußballspiele von 90 Minuten auf einige wichtige Spielszenen reduzieren muss: In der Kurzberichterstattung bedeutet die Reduktion des Spielverlaufs fast automatisch eine Reduktion des Wortschatzes auf Klischees, […]175 Die Tatsache, dass die Fußballberichterstattung immer dieselben beschränkten Spielsituationen beschreiben muss, könnte einigermaßen erklären, dass die ständige Verwendung fester Formulierungen zur Kritik an die Fußballberichterstattung geführt hat. Dennoch muss die Kritik an der Fußballberichterstattung nuanciert werden. Nicht nur diese Form der Berichterstattung wird “von einer frappierenden und ermüdenden Gleichförmigkeit”176 geprägt, Dovifat erläutert, wie diese Problematik zum Teil sogar für die gesamte Zeitungssprache gilt: […] In Teilen ihres sprachlichen Ausdrucks, vom Leitartikel bis zum Feuilleton, gibt die deutsche Zeitung klares Sprachgut und eine aus der engen Fühlung mit dem 173 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.327 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.58 175 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.61 176 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.58 174 68 praktischen Leben oft volkstümlich-schöpferische Sprachleistung. Die Fehler der Zeitungssprache stammen aus vier Quellen: (1.) Aus der Sprache der Anlehnung. Sie paßt sich bestimmten Lebensgebieten, über die berichtet wird, an, übernimmt deren beschädigtes und korruptes Sprachgut, um das ,,Milieu”, die ,,Atmosphäre” des Ereignisses zu treffen. […] (2.) Aus der Sprache der Übersteigerung. Sie entsteht durch übereindringliche Formulierung in begeisterter ebenso wie in kritischer Darstellung. […] (3.) Aus der Sprache der Ermattung. Sie nutzt resigniert abgebrauchte Sprachklischees. […] (4.) Aus der Sprache der Abkürzung. Sie entsteht dadurch, daß […] ein Text gekürzt oder beim Umbruch zum Einpassen in die Form zurechtgestrichen wird. […]177 Auch Groth bestätigt die Tatsache, dass diese negativen sprachlichen Elemente nicht nur in der Sportberichterstattung erscheinen, sondern im ganzen Gefüge der Zeitungssprache: Die Zeitungssprache lebt vom Steigern, ja Übertreiben. Die Aufmerksamkeit des von so vielen anderen Anliegen stürmisch beanspruchten Lesers muß immer stärker aufgepeitscht werden. […] Es gehört zum Wesen der Zeitung, alles, was sie schreibt, dem Leser wichtig erscheinen zu lassen.178 Obwohl die Kritik an der Fußballberichterstattung also nur zum Teil der ganzen Zeitungssprache zugeschrieben werden kann, bedeutet dies nicht, dass diese Kritik nicht zu Recht geäußert wird. Wie wir zu zeigen versuchen werden, wird die Fußballberichterstattung immer noch von einem starken Superlativstil und einer erheblichen Sensationsmache (z.B. die übertriebene Kriegsmetaphorik und der Starkult), und von einer Hof- und 1:0-Berichterstattung (siehe Kapitel 3.4.2. und 3.4.3.; S.71 ff.) geprägt. Die Tatsache, dass die Fußballberichterstattung diesen sprachlichen “Fehlern” immer noch nicht entwachsen ist, liegt laut Weischenberg darin, dass dem Sportjournalismus eine “schlechte Bildungs- und Ausbildungssituation und [ein] relativ niedriger sozialer Status”179 zuzuschreiben ist. Er behauptet, der Sportjournalismus befinde sich noch zu viel im Bereich des Amateurismus und muss sich eher dem Professionalismus nähern: Das Stichwort heißt “Professionalisierung”. Professionalisierung aber nicht zur Steigerung des Fachwissens journalistischer Spezialisten, sondern zur grundsätzlichen Verbesserung der journalistischen Qualifikation. Sportkommunikatoren, die in der Lage sein wollen, eine soziale Funktion zu erfüllen, müssen insgesamt erheblich besser vor- und ausgebildet sein als bisher. 177 Dovifat, Emil: Zeitungslehre I. Theoretische und rechtliche Grundlagen, Nachricht und Meinung, Sprache und Form. 6., neubearbeitete Auflage von Jürgen Wilke. Berlin, New York, 1976, S. 178 Groth, Otto: Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft. Berlin, 1961, S.222 179 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 328 69 Fachwissen kann da nur eine der Voraussetzungen sein; es muß die Fähigkeit erworben werden, den Sport mit seinem Unterhaltungswert gesellschaftlich einzuordnen, sportliche Sensationen zu relativieren, Fragestellungen, die über den Wettkampf hinausgehen, darstellen zu können.180 Trotz dieser Alternative, die von Weischenberg zur Besserung der Fußballberichterstattung vorgeschlagen wird, bleibt die Fußballberichterstattung im Grunde - wie es sich noch aus der vorliegenden Arbeit herausstellen wird - immer noch den in den nächsten Kapiteln behandelten “Fehlern” unterworfen. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die Kritik an die Fuβballberichterstattung zum Teil zu Recht geäußert wird, aber dennoch müssen wir bemerken, dass diese Kritik unbedingt übertrieben wird. Die Komponenten der Fuβballsprache, die am meisten kritisiert werden, bilden im Grunde die Merkmale der Fuβballberichterstattung und können deshalb, wenn sie selbstverständlich nicht übermäβig verwendet werden, als natürlicher Teil der Fuβballberichterstattung erklärt werden. Die Kritiker der Fuβballberichterstattung vergessen oft die besonderen Bedingungen, unter denen sie gestaltet werden muss. Die Sportjournalisten werden dazu gezwungen, ihre Berichterstattung anhand des festgelegten und überkommenen Musters des Fuβballspiels zu produzieren, und deshalb hat sich diese zu einer Sondersprache entwickelt. Die Kritik an den Übertreibungen der Fuβballberichterstattung, obwohl sie bei bestimmten Medien zu Recht geäußert wird, kann also oft verstanden werden als die Abneigung des Kritikers von der gesamten Fuβballsprache, vielleicht sogar vom Fuβball selbst. 3.4.1. Superlativstil und Sensationsmache Die Fuβballberichterstattung in den Printmedien ist also mit der schriftsprachlichen Repräsentation sportlicher Geschehen beschäftigt. Die Fuβballspiele werden von den Sportjournalisten notwendigerweise in einigen spielbestimmenden Szenen zusammengefasst. Weil es sich bei diesen zusammenfassenden Berichten immer um dieselbe Art von Spielsituationen handelt, wird der Journalist fast dazu gezwungen, auf dieselben in der Regelsprache eines Sports verfestigten Formulierungen zurückzugreifen. Deswegen besteht für den Fuβballjournalisten die Gefahr, dass seine Fuβballberichte immer mehr zu Monotonie und Langeweile tendieren: 180 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S. 328-239 70 Nicht immer gelingt es den Journalisten, Eintönigkeit zu vermeiden und ihre Berichte abwechslungsreich zu gestalten. Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit, und auch die Absicht zu imponieren, lassen sie zu Schablonen greifen, deren volle Ausdruckskraft nur in ganz wenigen Fällen erhalten ist.181 Diese Eintönigkeit kann jedoch nur zum Teil als eindeutig negativ gesehen werden; sie bietet auch einige Vorteile. Die Tatsache nämlich, dass der Sportreporter über eine Anzahl fester Formulierungen verfügt, bietet ihm selbstverständlich auch den Vorteil der allgemeinen Verwendbarkeit und Verständlichkeit: Die starre und gewissermaβen zementierte Metaphorik dieses Vokabulars bietet dem Sportkommunikator den Vorteil, nicht um den jeweils adäquaten Ausdruck und die jeweils treffende Formulierung ringen zu müssen. Mit der Verwendung dieses Vokabulars kann er sein Fachwissen ausweisen und sich zudem darauf verlassen, daβ der Leser auf dieses Vokabular eingespielt ist und es vielleicht mit derselben Sicherheit beherrscht.182 Dankert behauptet, dass die festen fuβballsprachlichen Formulierungen zur Beschreibung der Schlüsselszenen eines Spiels für die Sportjournalisten zu einem zweifachen Vorteil führen: einerseits ist es für die Journalisten selbst einfacher und schneller, diese Formulierungen zu verwenden, damit sie nicht immer neue Formulierungen suchen müssen. Andererseits sind die Leser der Fuβballberichterstattung mit diesen Formulierungen schon längst vertraut, und verstehen sie die Berichte auch sofort. Obwohl der Gebrauch von festen Formulierungen für die Sportjournalisten also bestimmt nützlich ist, führt dies doch zu der genannten Monotonie, die oft sowohl von den Journalisten als vom Publikum als negativ empfunden wird. Deswegen werden die Sportjournalisten versuchen, ihre Sprache abwechslungsreicher zu gestalten, indem sie alternative, bildhafte Formulierungen suchen. Dankert weist darauf hin, dass die Sportjournalisten zu diesem Zweck immer mehr zum Superlativstil evoluieren: Vor allem das Vokabular der bewertenden und beschreibenden Stellungnahme erhält seine sondersprachliche Ausformung häufig erst im Steigern und Übertrumpfen der gemeinsprachlichen Redensarten.183 Zudem müssen wir bemerken, dass die Sportjournalisten der Printmedien nicht nur immer dieselben festen Formulierungen verwenden müssen, sie stehen auch immer 181 Kroppach, Hans Dieter: “Stilmerkmale der Sportberichterstattung in der Presse”. In: Sprache des Sports. Ein Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II. Hg. von Wolfgang Brandt. Frankfurt am Main, 1988, S.91 182 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S. 58 183 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S. 65 71 unter einem groβen Zeitdruck, weil die Fuβballberichte fast unmittelbar nach dem Schlusspfiff des Spiels an die Redaktion geschickt werden müssen. Laut Fingerhut führen diese Elemente dazu, dass die Sportjournalisten ihre Sprache immer bildhafter gestalten: Der Zeitdruck, unter dem die Berichterstatter fortwährend stehen, sowie die Beschreibung stets gleicher oder ähnlicher Vorgänge, bei der doch immer wieder Spannung erzeugt werden soll, mögen eine Erklärung geben für den superlativischen und schablonenhaften Stil vieler Berichte.184 Die Fuβballberichterstattung wird also immer mehr geprägt von der Tendenz, ihre Sprache möglichst attraktiv und spannend zu gestalten. Der Sportjournalist versucht nämlich, wie schon erwähnt, die monotonen fuβballsprachlichen Konstruktionen zu vermeiden; und er wird zu diesem Superlativstil veranlasst, damit er das Publikum seiner Fuβballberichterstattung reizen und behalten kann: In allen Medien der Sportberichterstattung steht die Schilderung eines aktuellen Ereignisses im Mittelpunkt des Interesses; in dieser aktuellen Berichterstattung versucht der Sportreporter, sich die volle Aufmerksamkeit des Sportinteressierten durch eine besondere Rhetorik, durch dramatische Akzentsetzungen zu sichern.185 Mit dieser Aussage kommt Dankert an die Grundlage der Fuβballberichterstattung in den Printmedien heran. Es ist nämlich die Absicht der Presse, ein möglichst groβes Publikum zu erreichen, und deswegen kann man leicht verstehen, dass die Sportjournalisten der gedruckten Presse vor allem versuchen müssen, ihre Fuβballberichte so reizvoll aufzustellen, dass sie vom Publikum gerne gelesen und die entsprechenden Zeitungen von den Lesern gekauft werden. Daher ist es für die Printmedien eine Notwendigkeit, die Wichtigkeit des Fuβballs, die im Grunde sehr unbeträchtlich ist, sehr stark zu übertreiben. Die Bedeutung des Fuβballs, aber auch die einzelnen sportlichen Leistungen werden von den Sportjournalisten so dargestellt, als handelte es sich um übermenschliche Qualitäten. Wenn die Sportjournalisten in der gedruckten Presse den Fuβball als auβerordentlich darstellen, wird auch die Aufmerksamkeit des Publikums immer mehr auf den Fuβball gelenkt. In den Printmedien – wie auch in den anderen Medien, die sich mit der Fuβballberichterstattung beschäftigen - wird also immer die Bedeutung eines Spiels 184 185 Fingerhut: : Fußballberichterstattung in Ost und West. S.56 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S. 82 72 oder einer Spielsituation so betont und übertrieben, damit es für das Publikum als unentbehrlich erscheint, mehr über diese Spiele und Situationen zu erfahren. Der Superlativstil in den Printmedien kann nicht von der Beziehung der Printmedien zu den anderen Medien, vor allem zum Fernsehen, los gesehen werden. Die zunehmende Popularität des Fernsehens als wichtigstes Medium der Fuβballberichterstattung hat dafür gesorgt, dass die Printmedien ihre Berichterstattung anpassen mussten. Einerseits haben sie ihre Fuβballberichterstattung mehr auf Hintergrundberichte und Analyse verlagern müssen, weil das Ergebnis und der Spielverlauf schon von den Lesern in anderen Medien erfahren worden war: […] deren Form [der Printmedien] stärker von dem Bemühen um eine illustrierende Darstellung geprägt wird als durch den eigentlich sachlichen Inhalt der mitgeteilten Information.186 Andererseits hat sich der Stil der Printmedien immer mehr zu einem Superlativstil entwickelt; Wipper betont, dass die Printmedien durch den Aufschwung des Fernsehens zu dieser Änderung ihres Stils gezwungen werden: Die Sportpresse ist durch die starke Präsenz der elektronischen Medien in den 90er Jahren enorm unter Druck geraten, und sie ist diesem Druck bislang nur bedingt gewachsen. Zwar versuchen Zeitungen und Zeitschriften immer weiter auf andere Themenbereiche auszuweichen, doch ihr Spielraum ist sehr eng.[…] Die schreibenden Berichterstatter fühlen sich durch die Übermacht des Fernsehens ins zweite oder gar dritte Glied zurückgesetzt. […] Die Printjournalisten sehen kaum noch Möglichkeiten, ihren Lesern wirkliche Neuigkeiten zu vermitteln. […] So konzentriert sich die Sportpresse auch auf die Verpackung ihrer Produkte.187 Fingerhut verknüpft, angesichts des zunehmenden Superlativstils in der Fuβballberichterstattung, diese Berichterstattung mit der Werbesprache, indem die Werbesprache auch immer die Übertreibung und das Steigern anstrebt: „Riesenchance“ [...], „Traumkombination“ [...], „Spitzenteam“ [...] und „Supertor“ [...], die Nähe zur Werbesprache läβt sich bei diesen und ähnlichen Bezeichnungen nicht leugnen, denn auch in der Werbung werden Steigerungsmorpheme wie ‚Riesen‟, ‚Spitzen‟ oder ‚Super‟ gerne und häufig verwandt. Die Koketterie mit Superlativen ist sodann der Werbesprache und der Sportberichterstattung gemeinsam. In den zugrundeliegenden Texten läβt sich der Gebrauch an Superlativa sowie die damit verbundene Tendenz, Leistungen zu bewerten, deutlich nachweisen.188 186 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.118 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.348 188 Fingerhut: Fuβballberichterstattung in Ost und West. S.89 187 73 Aus diesem Zitat erweist sich sehr deutlich, dass die Fuβballberichterstattung also immer mehr von einem Superlativstil geprägt wird. In dieser Hinsicht spricht Wipper sogar von einer “Boulevardisierung der Sportpresse”189, indem sich die Sportpresse190 durch einen schlechten Stil und eine Konzentration auf unbedeutende Einzelheiten kennzeichnet. Obwohl diese Sicht etwas zu negativ ist, können wir in der Fuβballberichterstattung doch einige Merkmale der Übertreibung und des Steigerns finden. Vor allem die vielfältige Verwendung der Kriegsmetaphorik und das Kultivieren eines Starkults sind sehr wichtige und frequent vorkommende Elemente dieses Superlativstils. 3.4.1.1. Kriegsmetaphorik Wenn man sich die Sprache der Fuβballberichterstattung in den Printmedien anschaut, kann man nicht um die Tatsache umhin, dass diese Fuβballsprache von vielen kriegerischen Elementen geprägt wird. Jeder Fuβballbericht zählt in allen seinen Gliederungen unzählige martialische Elemente (z.B. die Abwehr, der Angriff, angreifen, stürmen, bomben, schieβen, usw.). Diese vielfältige Verbreitung der Kriegsmetaphorik wird oft von den Kritikern der Fuβballberichterstattung an den Pranger gestellt, indem sie betonen, dass man in der Fuβballberichterstattung mit einer solchen martialischen Sprache zu sehr übertreibt, und dass so „[d]as spielerische Element des Sports […] zugunsten des agonalen Prinzips des Sports zurückgedrängt“191 wird. Dennoch können wir behaupten, dass die Erscheinung der Kriegsmetaphorik in der Fuβballberichterstattung eigentlich nicht so unverständlich ist und dass die Kritik daher auch weniger gerecht ist. Gerneth, Schaefer und Wolf behaupten, dass die Frequenz von kriegerischen Elementen in der Sprache des Fuβballs und der Fuβballberichterstattung auf die Entstehungsgeschichte des Fuβballs zurückzuführen ist: Was das Militärische in der Fuβballsprache betrifft, so liegen die Anfänge der Fuβballbewegung in einer Zeit, in der das Militär einen beherrschenden Einfluβ auf das tägliche Leben ausübte. Die Zeit zwischen der Mitte des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Ära, in der militaristische Töne eine Politik des Säbelrasselns untermalten und das nationale wie individuelle Selbstverständnis und 189 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.349 Auch bei Wipper wird die Sportpresse meistens fast als Synonym der Fuβballberichterstattung verwendet, in dem er die dominierende Stellung der Fuβballberichterstattung betont und eine Untersuchung dieser Berichterstattung in den Printmedien anstellt. 191 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S. 122 190 74 die Handlungsweisen, damit auch die Sprache, prägen muβten.So entwickelte sich der Sport und gerade ein solches betont auf Kampf eingestelltes Spiel wie der Fuβball in seiner Terminologie eine Aufnahmebereitschaft […]192 Obwohl die Analyse von Gerneth, Schaefer und Wolf in dem Maβe stimmt, dass die Fuβballsprache viele sprachliche Elemente aus dem Militärwesen übernommen hat, scheint es uns jedoch übertrieben, anzunehmen, dass diese „Aufnahmebereitschaft“ für kriegerische Elemente nicht durch die geschichtliche Lage zur Zeit der Entstehung des Fuβballs erklärt werden kann. Viel mehr als diese geschichtliche Erklärung scheint eine andere Betrachtungsweise hier angewiesen, nämlich diejenige, die davon ausgeht, dass „viele Mannschaftsspiele […] das Aufeinandertreffen zweier Militärformationen spiegeln“193. Der agonale Charakter des Fuβballspiels zeigt nämlich sehr viele Ähnlichkeiten zum Krieg, was die übertrieben martialische Fuβballsprache einigermaβen relativieren und erklären kann: In solchen Polemiken wird in der Regel übersehen, dass einige Grundzüge der Ballspiele und insbesondere des Fuβballspiels eine Metaphorik aus dem Bereich des Militärwesens durchaus naheliegend und sinnvoll erscheinen lassen. Der Ablauf eines Fuβballspiels hat augenfällige Parallelen zu einer ,klassischen Feldschlacht‟: Zwei Parteien stellen sich auf einem Feld zum Kampfe auf und treten, angeführt von einem Spielführer, mit dem erklärten – und im Sport legitimierten – Ziel an, den Gegner zu besiegen, zu schlagen; man spielt nicht mit einer anderen Mannschaft, sondern spielt, kämpft gegen den Gegner. Die Aufstellung der Mannschaft erfolgt nach einem ausgeklügelten Plan, man formiert sich in Reihen, wobei jeder Reihe bestimmte, vorher verabredete und festgelegte Funktionen zukommen: Verteidigung des eigenen Bereichs: die Defensive, Angriff auf den gegnerischen Bereich: die Offensive.194 Ein Fuβballspiel muss also notwendigerweise anhand von dem Militärwesen ähnlichen Termini erklärt und kommentiert werden, daher ist es nur logisch, dass die Fuβballsprache viele Elemente aus diesem Kriegswesen übernommen hat. Darüber hinaus erwähnt Brandt zu Recht, dass diese Termini wohl ihren Ursprung im militärischen Bereich finden, dass sie aber heutzutage schon völlig zur Fuβballsprache gehören. Die meisten militärischen Termini, die wir in der Fuβballsprache und -berichterstattung vorfinden können, sind längst nicht mehr exklusiv dem Militärwesen 192 Gerneth, Georg Stefan, Schaefer, Dieter und Wolf, Jörg: “Zur Fußballsprache”. In: Linguistik und Didaktik 2 (1971), S.209-210 193 Brandt, Wolfgang: “Sprachwissenschaftliche Anmerkungen zur Wortschatz-Kritik”. In: Sprache des Sports. Ein Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II. Hg. von Wolfgang Brandt. Frankfurt am Main, 1988, S.105 194 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S. 122-123 75 zuzuschreiben, sie sind ja vollständig in der Fuβballsprache integriert. Brandt plädiert also für eine klare Unterscheidung zwischen „Etymologie“195 und „aktuelle[m] Sprachgebrauch“196. Auβerdem entsteht durch die Betonung des Antagonismus zwischen zwei Mannschaften eine „dialektische Komponente“197, die den Sportjournalisten erlaubt, Eintönigkeit in ihren Fuβballberichten zu vermeiden: [...] dadurch [durch den Antagonismus] bietet sich dem Berichterstatter gleichzeitig eine Gelegenheit, der zeitlich linearen Darstellung auszuweichen und so der Gefahr übermäβiger struktureller Monotonie entgegenzuwirken.198 Die Tatsache, dass der Sportjournalist in seiner Fuβballberichterstattung diese dialektische Struktur verwenden kann, bedeutet, dass er mehr Variation in seine Berichterstattung einfließen lassen kann. Er kann die Spielberichte viel abwechslungsreicher gestalten, weil er manchmal die Perspektive der einen Mannschaft, manchmal die der anderen Mannschaft einnehmen kann. Der Antagonismus in der Fuβballberichterstattung bietet den Fuβballberichterstattern also unbedingt bestimmte beträchtliche Vorteile. Obwohl die Kritik an dem übertriebenen Gebrauch der Kriegsmetaphorik, die an der Fuβballberichterstattung geübt wird, also zum Teil, wegen des agonalen Charakters des Fuβballspiels, zu Unrecht geäußert wird, müssen wir doch gestehen, dass die martialische Sprache in der Fuβballberichterstattung zu frequent verwendet wird. Es ist ja unmöglich, Fuβballberichte ohne bestimmte kriegerische Elemente, die schon völlig in der Fuβballsprache eingebürgert sind, zu gestalten, aber dennoch wird in der Fuβballberichterstattung der agonale Charakter des Spiels übertrieben. Wie eher schon erwähnt, sind die Fuβballjournalisten dazu verpflichtet, ihre Fuβballberichterstattung so attraktiv und spannend wie möglich zu gestalten. Deshalb werden sie versuchen, den kriegerischen Charakter des Spiels möglichst stark zu betonen, damit die Wichtigkeit, die Bedeutung des Spiels erhöht und betont wird. Das Steigern dieser Kriegsmetaphorik in der Fuβballberichterstattung geschieht also aus wirtschaftlichen Gründen: 195 Brandt: “Sprachwissenschaftliche Anmerkungen zur Wortschatz-Kritik.”, S.106 Brandt: “Sprachwissenschaftliche Anmerkungen zur Wortschatz-Kritik.”, S.106 197 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.34 198 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.34 196 76 Kriegerische Entgleisungen wie schablonenhaftes Benutzen von Vokabeln der Sensation und Übertreibung reflektieren die Verkaufsstrategie der entsprechenden Zeitung.199 Indem die Berichterstatter ihren Fuβballberichten eine übertrieben kriegerische Dimension beimessen, versuchen sie ihre Berichterstattung für das Publikum attraktiver darzustellen. 3.4.1.2. Starkult Innerhalb des Superlativstils in der Fuβballberichterstattung können wir den heutzutage immer wichtiger werdenden und stark mit der Kriegsmetaphorik verknüpften Starkult situieren. Laut Martínez liegt die Ursache des Gebrauchs eines Starsystems in der Tatsache, dass es sich im Fuβball um das Treffen von zwei einander entgegengestellten Mannschaften handelt: Ein Antagonismus braucht Protagonisten, die ihn austragen. Fuβball bietet als Mannschaftsspiel im Unterschied zu Individualsportarten relativ wenig Raum für isolierbare individuelle Handlungen […]. Dennoch ist in den Reportagen eine starke Tendenz zur Isolierung von Einzelaspekten des Gesamtgeschehens in Form der Hervorhebung von Handlungen einzelner Spieler zu beobachten.200 Obwohl Fuβball eine Mannschaftssportart ist, braucht das Publikum doch, wie auch in allen anderen Sportarten, besondere Spieler oder Athleten, die ihren Kollegen überlegen sind. Solche „Helden“ fungieren dann meistens als Vorbild für das Publikum, indem sie die Möglichkeit der sozialen Mobilität repräsentieren: Nahezu jede bekannte Sportart hat ihre Identifikationsfiguren, die aus unteren Sozialverhältnissen den Weg nach oben zu Ansehen, Geld und einen geachteten Beruf offensichtlich dadurch geschafft haben, daβ sie hervorragende sportliche Leistungen in ihrer Sportdisziplin vollbrachten.201 Die Zuschauer im Stadion und Konsumenten der Fuβballberichterstattung in den Medien wollen sich mit einer bestimmten Fuβballmannschaft identifizieren, damit sie mehr am Spiel beteiligt sind, und deswegen benötigen sie bestimmte Individuen, die sich von der übrigen Mannschaft wegen auβergewöhnlicher (sportlicher) Qualitäten unterscheiden. Blödorn macht den Unterschied zwischen drei Spielertypen: er nennt die 199 Fingerhut: Fußballberichterstattung in Ost und West. S.55 Martínez: “Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“, S.78 201 Becker, Peter: “Soziale Mobilitätserwartung im Fußballsport. Eine pfadanalytische Untersuchung zum Aufstiegsmotiv bei jugendlichen Spielern der nationalen Spitzenklasse”. In: Fußballsport. Ergebnisse sportwissenschaftlicher Forschung. Theorie und Praxis der Sportspiele. Hg. von Dirk Albrecht. Berlin, München, Frankfurt am Main, 1979, S.86 200 77 „aufgabenkonzentrierten“202, die „interaktiv-orientierten“203 und die „Ichorientierten“204 Spieler, wobei die ersten zwei Typen eine eher dienende und untergeordnete Rolle spielen, während die „Ich-orientierten“205 Spieler innerhalb einer Mannschaft vor allem ins Rampenlicht treten. Diese Spieler profilieren sich als die Stars einer bestimmten Fuβballmannschaft, die keine anderen Spieler neben sich ertragen können. Sie und sie allein sind die Führer der Mannschaft. Die Fuβballberichterstattung wird die Tatsache, dass es bestimmte Spieler gibt, die ihren Mitspielern in sportlichen Leistungen und Persönlichkeit überlegen sind, ausnutzen, indem sie um diese Spieler einen ganzen Starkult kreieren wird. Dieser Starkult wird, wie immer, durch den möglichen erhöhten Gewinn inspiriert: Ähnlich wie die Sensationsmache soll der Starkult dazu dienen, das Interesse beim Leser zu wecken und dessen unterstellten Erwartungen gerecht zu werden, um ihn zum Kauf des Produkts zu bewegen.206 Für die Fuβballberichterstattung bieten die Spitzenspieler die Möglichkeit, ihre Verkaufszahlen beträchtlich zu erhöhen und deshalb wird sie nicht nur versuchen, die Leistungen der schon bestehenden Starspieler zu betonen, sie wird darüber hinaus selbst versuchen, Spieler zur Ebene des Stars zu erheben, und verwendet dazu bestimmte Strategien: Die Kreierung von Stars folgt gewissen Regeln und Kategorisierungen. Voraussetzung für die Erhebung eines Sportlers zum Idol in den Massenmedien ist zunächst sein herausragender Erfolg. Besonders gut „verkaufen“ läβt sich sodann der gesellschaftliche Aufsteiger [...]. Die Identifikation ergibt sich hier aus der geringen sozialen Distanz zwischen Sportler und Zuschauer und der Suggestion, daβ jeder dieselbe Chance hatte. [...] Nach dem Geschmack des Publikums sind aber auch die Exzentriker, denen fast alles vergeben wird, so lange sie gut sind. Hierbei wird an die geheimen Wünsche des Publikums appelliert, eigentlich ganz anders sein zu wollen, [...] wenn es nur die Verhältnisse zulieβen.207 In dem Sinne muss erwähnt werden, wie Wipper sehr zu Recht tut, dass dieser Starkult sowohl „natürliche als auch künstliche Wurzeln hat“208. Einerseits werden bestimmte Spieler aufgrund von ihren auβergewöhnlichen sportlichen Leistungen vom Publikum beobachtet, bemerkt und bejubelt, so dass sie fast automatisch zum Star werden. 202 Blödorn: Fußballprofis. Die Helden der Nation. S.70 Blödorn: Fußballprofis. Die Helden der Nation. S.70 204 Blödorn: Fußballprofis. Die Helden der Nation. S.70 205 Blödorn: Fußballprofis. Die Helden der Nation., S.70 206 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.314 -315 207 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.190-191 208 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.329 203 78 Andererseits werden diese vom Publikum neu auserwählten Stars auch von den Medien bemerkt, die dann versuchen werden, „das Interesse der Rezipienten an dem Auβergewöhnlichen zu nutzen“209 und so diesen Starkult verstärken und kultivieren. Dank diesem Starkult können die Medien, die an Fuβballberichterstattung beteiligt sein, ihren Umsatz steigern und so auch das Interesse der Wirtschaft, die einerseits in die Medien und andererseits auch in die Spitzenspieler investieren wird, erwecken. Whannel behauptet also, dass die Spitzensportler für die Medien, und insbesondere für das Fernsehen, sehr wichtig sind: So sport performers have a threefold function for television: as stars they are bearers of the entertainment value of performance; as personalities they provide the individualisation and personalisation through which audiences are won and held; and as characters they are the bearers of the sporting narratives.210 Die Spitzensportler bieten der Fuβballberichterstattung in den Medien also die Möglichkeit, den Fuβball für Zuschauer, Zuhörer und Leser attraktiv und identifizierend zu machen, und daher ist der Starkult für die Medien wirtschaftlich sehr interessant. So können wir hier sogar von einer Vierecksbeziehung zwischen Starsportler, Fuβball, Medien und Wirtschaft sprechen, indem sie sich alle durch diesen Starkult wirtschaftlich bessern. Darüber hinaus sagt Wipper, dass das Kultivieren eines Starkultes den Printmedien die Möglichkeit bietet, sich von der Fuβballberichterstattung im Fernsehen zu unterscheiden. Wegen der Überlegenheit des Fernsehens auf dem Gebiete der Aktualität der Fuβballberichterstattung (siehe Kapitel 3.2.), ist man in den Printmedien dazu gezwungen, anders über den Fuβball zu berichten. Laut Wipper liegt eine mögliche Alternative für die gedruckte Presse in dem Starkult: Hinzu kommt, daβ die Printjournalisten mit einer stark personalisierten Berichterstattung nicht nur den Nerv der Leser treffen wollen, sondern darin auch eine gute Möglichkeit sehen, sich vom Fernsehprogramm abzuheben. Denn der Starkult gibt den Printmedien die Chance, andere Personen als das Fernsehen oder andere Geschichten um die vom TV belagerten Personen in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung zu stellen.211 Der Starkult ist für die Printmedien also ein unentbehrlicher Teil ihrer Fuβballberichterstattung und obwohl man diesen Kult sehr oft zu weit führt und 209 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.329 Whannel, Garry: Fields in Vision.Television sport and cultural transformation. London, New York, 1992, S. 122 211 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.329 210 79 übertreibt, wäre es nicht übertrieben zu behaupten, dass die „“Heldenverehrung“ in den Massenmedien [...] strukturell bedingt und schwer aufhebbar“212 scheint. Wie bei der Kriegsmetaphorik (siehe Kapitel 3.4.1.1.) kann dieser Starkult in der Berichterstattung zum Teil gerechtfertigt werden, wegen der Tatsache, dass die Stars teils natürlich entstehen; die übermäβige Verwendung dieses Starkults dagegen gehört tatsächlich zur gerechten Kritik an der Fuβballberichterstattung. 3.4.2. 1:0-Berichterstattung Obwohl sich die Fuβballberichterstattung in den Printmedien, wegen des Aufschwungs des Fernsehens und dessen Überlegenheit auf dem Gebiete der Aktualität bei der Lieferung von Informationen, in ihren Fuβballberichten nicht mehr ausschlieβlich mit Zusammenfassungen von Fuβballspielen beschäftigen kann, gibt es in der gegenwärtigen Fuβballberichterstattung in den Printmedien dennoch sehr viele Berichte, die nur den Verlauf eines Fuβballspiels beschreiben. Diese Form der Berichterstattung wird von den Kritikern der Fuβballberichterstattung „1:0Berichterstattung“ genannt, weil sie nur das aktuelle Geschehen eines Fuβballspiels behandelt. Die Tatsache, dass die Sportjournalisten noch vor allem damit betätigt sind, über den Spielverlauf der Fuβballspiele zu berichten, kann zum Teil dadurch erklärt werden, dass die Sportjournalisten über sehr wenig Zeit verfügen, ihre Berichte aufzustellen: Um zu vermeiden, daβ das Interesse des Lesers durch zu groβen zeitlichen Abstand oder die Interferenz neuerer Entwicklungen erlischt, müssen die Spielberichte der Sporttageszeitungen spätestens am Tag nach der Austragung der Spiele erscheinen. Dem Berichterstatter bleibt zwischen dem Spielende am Sonntagnachmittag und dem redaktionellen Annahmeschluβ am Sonntagabend daher nur wenig Zeit für die Ausarbeitung des Berichts. Der Zeitmangel schlägt sich um so deutlicher nieder, als der Berichterstatter schon während des Spiels wegen der raschen Aufeinanderfolge der einzelnen Aktionen in der Regel nur eilige Notizen von den wesentlichen Geschehnissen machen kann [...]213 Darüber hinaus behauptet Schweickard zu Recht, dass der Fuβball, mit seinem besonderen Verlauf, der von aufeinander folgenden spielbestimmenden Szenen charakterisiert wird, sich sehr gut zu einer nur am Spielverlauf orientierten Berichterstattung eignet: 212 213 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.191 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.5-6 80 Die inhaltliche Determinierung resultiert aus dem Charakter des Fuβballspiels als Mannschaftswettbewerb mit einer ausgeprägten kämpferischen Komponente und einem abwechslungsreichen und spannenden Geschehen; [...] Die genannten Faktoren bilden die Grundlage für das Interesse einer verlaufsbezogenen Beschreibung, während sich andere Sportarten (Turnen, Schieβen etc.) [...] mehr für eine ergebnisbezogene Berichterstattung eignen [...]. Durch die Dominanz der Verlaufsbeschreibung gefördert, schlägt sich der zeitliche Rahmen des Spiels in der Struktur der cronaca nieder, indem sich der Chronist der Zeitangaben zur Gliederung seines Berichts bedient; entsprechend dominiert insgesamt die chronologische, die Ereignisse additiv aneinanderreihende Gliederung deutlich gegenüber logisch komplexeren Aufbaustrukturen.214 Die überwiegende Verwendung der „1:0-Berichterstattung“ ist also zum Teil nicht zu vermeiden und sogar notwendig, um die Leser über den Verlauf und die wichtigsten Schlüsselszenen zu informieren. Dennoch haben Rundfunk und vor allem Fernsehen diese Funktion von den Printmedien übernommen, indem sie imstande sind, die Fuβballspiele in Direktübertragungen anzubieten. Deswegen meinen die Kritiker, zum Teil zu Recht, dass die Printmedien sich auf dem Gebiete der Fuβballberichterstattung nicht mehr mit der Erstinformation beschäftigen, sich aber vielmehr auf Hintergrundberichterstattung und Analyse konzentrieren müssen. 3.4.3. Hofberichterstattung Die gedruckte Presse muss also, laut einigen Sportsprachenwissenschaftlern, innerhalb der Fuβballberichterstattung seine Spielberichte nicht mehr ausschlieβlich von der „1:0-Berichterstattung“ dominieren lassen; sie muss ihre Berichterstattung dagegen vielmehr auf Randinformationen, Interviews und Analyse verlagern. Bei einer solchen Umgestaltung ihrer Fuβballberichterstattung werden die Printmedien aber mit einer hinzukommenden Schwierigkeit konfrontiert, die in eine neue Form der Kritik der Fuβballberichterstattung resultiert. Indem der Sportjournalist der gedruckten Presse mehr Hintergrund und Interviews sammeln, und so näher an die Spitzenfuβballer kommen muss, entwickelt sich die Beziehung zwischen Sportler und Journalist zu „einem eigentümlichen Innenverhältnis“215: Denn mehr noch als ihre Kollegen aus den anderen Sparten stehen die Sportjournalisten im Rampenlicht, aber auch im Kreuzfeuer der Kritik. Die hängt in erster Linie damit zusammen, daβ der Sportjournalist meist eine groβe Nähe zum Gegenstand seiner Berichterstattung aufweist.[...] Dabei entsteht zwischen dem 214 215 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. , S. 7-8 Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. S.192 81 Journalisten und dem Sportler ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Auf der einen Seite ist es für den Journalisten wesentlich einfacher und attraktiver, über gute Leistungen und Erfolge als über Gegenteiliges zu berichten. [...] Auf der anderen Seite ist der Sportler auf eine positive Berichterstattung des Journalisten angewiesen, will er eine gewisse Popularität erreichen. [...] Das Ergebnis dieser besonderen Beziehung wird oft mit dem Schlagwort „Hofberichterstattung“ umrissen [...]216 Diese „Hofberichterstattung“ führt dazu, dass die Sportjournalisten bestimmte (negative) Informationen über Spitzensportler ihrem Publikum nicht mitteilen, weil sie ihre bevorzugte Stellung bei dem Sportler nicht verlieren wollen. So üben die Sportler gewissermaβen Einfluss auf die Fuβballberichterstattung aus. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Kritik an dieser „Hofberichterstattung“ bestimmt zu Recht geäußert wird, obwohl der Umfang dieser „Hofberichterstattung“ nicht übertrieben werden kann. Aus den obigen Kapiteln hat sich herausgestellt, dass die Sportjournalisten es innerhalb der Berichterstattung der gedruckten Presse bestimmt nicht leicht haben. Es ist nicht zufällig, dass sie von Weischenberg die „Aussenseiter der Redaktion“217 genannt werden. Die Kritik, die an der Fuβballberichterstattung ausgeübt wird, ist vielfältig und ausführlich und umfasst nahezu alle Teile und Elemente dieser Fuβballberichterstattung. Selbstverständlich muss bei der Betrachtung dieser Kritik berücksichtigt werden, dass sie nicht für alle Komponenten der Printmedien gleichermaβen gilt. So werden Boulevardzeitungen mehr als die überregionalen Zeitungen für diese Punkte der Kritiker anfällig sein. Darüber hinaus muss bemerkt werden, dass die Fuβballberichterstattung zum Teil keine anderen als die von den Kritikern als fehlerhaft gesehenen Möglichkeiten hat, ihre Fuβballberichte zu gestalten. Die kritisierten Elemente der Fuβballberichterstattung gehören, zumindest wenn sie von den jeweiligen Sportjournalisten nicht übertrieben benutzt werden, sowieso zu den Merkmalen der Fuβballberichterstattung und können also nicht als unbedingt negativ gesehen werden. Deswegen könnten wir behaupten, dass es um diese Fuβballballberichterstattung, obwohl die Kritik teils gerecht ist, noch nicht so schlecht bestellt ist. 216 217 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.142 Vgl. Weischenberg: Die Aussenseiter der Redaktion. 82 4. Die Periphrase 4.1. Definition einer Periphrase In der vorliegenden Arbeit werden wir versuchen, die Periphrasen in der Fuβballberichterstattung der Weltmeisterschaft 2006 aus der „Welt“ zu untersuchen. Zu diesem Zweck ist es aber zuerst notwendig, eine brauchbare Definition für diesen Begriff zu formulieren. Wir werden uns für eine nähere Betrachtung der Periphrasen vor allem auf die Definition dieses „Mittel[s] der Umschreibung und Merkmalshervorhebung“218, die von Elise Riesel dargeboten wird, stützen: Die Periphrase ist wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinung und Abarten ein überaus komplizierter stilistischer Begriff: 1. Periphrase ist die Umschreibung eines Gegenstandes oder einer Erscheinung entweder auf Grund übertragener Wortbedeutung (metaphorische und metonymische Periphrase) oder auf Grund direkter Wortbedeutung (sog. “logische” Periphrasen). 2. Die überwiegende Mehrzahl aller Periphrapen ist bildhaft, ein Teil von ihnen bildlich. 3. Das häufigste Kriterium der Umschreibung ist die Hervorhebung eines sinnfälligen Merkmals oder irgendeiner anschaulich-vorstellbaren Eigenschaft. 4. Periphrasen können, ebenso wie Vergleiche und Tropen, individuell oder gemeinsprachlich sein.219 Obwohl diese Definition schon lapidar die wichtigsten Merkmale der Periphrase enthält, wäre es dennoch opportun, diese Merkmale noch etwas näher zu bestimmen. Vor dieser Erweiterung müssen wir auch noch etwas zur Struktur der Periphrase bemerken. Eine Periphrase ist nämlich, wie Riesel behauptet, von der Länge her sehr variabel; sie kann sowohl einen oder mehrere Sätze als nur ein Wort enthalten: Was die Struktur betrifft, so bestehen die Periphrasen meistens aus einer Wortgruppe, einem Satz oder einigen Sätzen (im letzten Fall spricht man von der erweiterten Periphrase). In der deutschen Sprache mit ihrem Hang zu zusammengesetzten Substantiven kann aber die Periphrase auch durch ein einzelnes Kompositum ausgedrückt werden.[…] Seltener allerdings erscheint die Periphrase in Form eines einfachen Wortes […]220 Die Struktur einer Periphrase erweist sich also als sehr unterschiedlich. In der Fußballberichterstattung dagegen, wie sich später herausstellen wird (siehe Kapitel 218 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.190 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 220 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191-192 219 83 5.1.2.), wird es vor allem kürzere Periphrasen geben, bei denen solche, die aus einem Wort bestehen, im Gegensatz zu Riesels Ansicht, keine Ausnahme sind. Zur weiteren Bestimmung der viergliedrigen Definition der Periphrase, die von Riesel formuliert wird, gibt es zuerst einen Unterschied zwischen logischen und übertragenen Periphrasen. Bevor wir diesen Unterschied behandeln, müssen wir bemerken, dass eine Periphrase “die Umschreibung eines Gegenstandes oder einer Erscheinung“221 ist. Mittels einer Periphrase versucht man also, bestimmte Elemente auf eine andere Art und Weise auszudrücken. Bei diesem Versuch zum „Anderssagen“222 bestimmter Gegenstände, Personen oder Erscheinungen kann man entweder, wie Riesel zeigt, von „direkter“223 oder von „übertragener Wortbedeutung“224 ausgehen. Die erste Möglichkeit, deren Realisation wir laut Riesel auch als „logische“225 Periphrasen betrachten können, stellt eine Umschreibung eines bestimmten Gegenstands oder einer bestimmten Person oder Erscheinung dar, die nicht auf figürlichen, sondern auf objektiven Merkmalen des Umschriebenen basiert. Es handelt sich hier also um eine Umschreibung, bei der man das Umschriebene oft sinnlich wahrnehmen oder überprüfen kann. Derjenige, der die Periphrase bildet, bietet bei logischen Periphrasen also meistens objektive Tatsachen und bewertet das- oder denjenigen, das oder den er umschreibt, nicht. Bei übertragenen Periphrasen dagegen scheint die Bewertung des Objekts viel wichtiger zu sein, und zwar dadurch, dass man dazu fast immer Stilfiguren, die immer automatisch eine Art von Hyperbel darstellen, verwendet. Bei Metonymien und Metaphern wird nämlich ein Vergleich angestellt bzw. ein besonderes Merkmal hervorgehoben oder idealisiert, und dies geschieht immer mittels einer Art von gefärbtem Sprachgebrauch, der oft auf Übertreibung gründet. Es unterliegt fast keinem Zweifel, dass die logischen Periphrasen, wegen ihrer einfacheren Produktionsbedingungen – man kann hier nämlich von der objektiven Wahrnehmung ausgehen und braucht also keine figürlichen oder subjektiven Elemente hinzuzufügen – den übertragenen Periphrasen in Anzahl überlegen sein werden. 221 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 223 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 224 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 225 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.191 222 84 Das zweite Glied der Definition von Riesel beinhaltet, dass man zwischen bildlichen und bildhaften Periphrasen unterscheiden muss; und sie erklärt diese zwei Möglichkeiten selbst: bild(haft) = jede anschaulich-sinnfällige Darstellung eines Gegenstands oder einer Erscheinung auf beliebigem sprachlichem Wege. bild(lich)= das Ergebnis eines Zusammentreffens zweier Begriffe aus verschiedenen Begriffssphären, das Werden einer neuen begrifflichen Qualität durch Nebeneinanderstellung oder Austausch eben dieser zwei in Verbindung geratenen Begriffe.226 Diese weitere Erklärung macht den Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen einigermaßen verständlicher. Bildhafte Periphrasen beruhen also auf einer deutlich erkennbaren Darstellung des Objekts, während bildliche Periphrasen zwei unterschiedliche Begriffe enthalten, aus denen eine neue Entität geschlossen werden kann. In dieser Hinsicht könnten wir behaupten, dass bildhafte Periphrasen den logischen Periphrasen entsprechen, während bildliche Periphrasen viel mehr mit den übertragenen Periphrasen verglichen werden können, was auch auf die Wichtigkeit dieses Unterschieds zwischen den Periphrasen, die auf logische und objektive Wahrnehmung gründen und den Periphrasen, die basieren auf figürlichen und übertragenen Merkmalen, hinweist. Die ersten zwei Glieder in Riesels Definition sind also sehr stark miteinander verknüpft. Aus diesen Tatsachen können wir schließen, dass bildhafte Periphrasen viel öfter vorkommen als bildliche, denn für diese letzte Gruppe braucht der Hersteller der Periphrase viel mehr sprachliche Kreativität und der Leser viel mehr sprachliche Sachkenntnisse. Drittens erwähnt Riesel, dass die Periphrasen meistens zur Hervorhebung eines bestimmten Merkmals dienen; es ist selbstverständlich so, dass eine Umschreibung einer bestimmten Sache, Person oder Erscheinung sich notwendigerweise, weil sie das Geschilderte möglichst zusammenfassend und prägnant darstellen muss, auf bestimmte Merkmale der Sache, Person oder Eigenschaft beschränken muss. Darüber hinaus befinden wir uns hier schon zum Teil auf dem Gebiete der Funktion der Periphrase, die wir später berücksichtigen werden (siehe Kapitel 4.2.). Deswegen werden wir diesen Aspekt der Definition hier nicht weiter betrachten. 226 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.19 85 Die letzte Dimension des Versuchs von Riesel, den Begriff Periphrase zu definieren, finden wir in der Tatsache, dass sie die Periphrasen einteilt aufgrund ihres gegenwärtigen Stellenwerts in der (deutschen) Standardsprache, indem sie einen Unterschied macht zwischen individuellen und gemeinsprachlichen Periphrasen. Dieser letzte Aspekt der Definition ist sehr wichtig und interessant, vor allem innerhalb der Fußballberichterstattung, weil dieser Unterschied zum Teil die Grundlage des außergewöhnlichen Wortschatzes der Fußballsprache bildet. Das Wesen des Unterschieds liegt in der Verfestigung der jeweiligen Periphrase in der Gegenwartssprache; Individuelle Periphrasen können auf jede beliebige Sache, Person oder Erscheinung hinweisen, während gemeinsprachliche Periphrasen nur auf ein einziges, fest bestimmtes Antezedens hinweisen können. Individuelle Periphrasen sind nämlich die Periphrasen, die eigentlich in jeder Situation auf jede beliebige Sache, Person oder Erscheinung angewendet werden können. Diese Periphrasen sind durchaus sehr allgemein, und heben nur die Merkmale hervor, die auch bei jedem anderen Antezedens, sei es selbstverständlich nicht immer im selben Maße, vorzufinden sind. Wenn ein Leser eine individuelle Periphrase ohne das Element, auf das man hinweist, lesen würde, ist es für ihn fast unmöglich, daraus endgültig zu schließen, um welche Sache, Person oder Erscheinung es sich handelt. Und gerade hier befindet sich der Unterschied zu den gemeinsprachlichen Periphrasen, deren Merkmal es nämlich ist, dass sie nur auf ein einziges, spezifisches Objekt hinweisen können. Entweder heben sie ein ganz besonderes Merkmal hervor, das nur das Objekt, worauf man hinweist, besitzt, oder die Periphrase ist, im Laufe der Zeit und ohne dass sie ein unikales Element enthält, ein Synonym für das Objekt geworden. Eine gemeinsprachliche Periphrase kann also fast ohne Antezedens verwendet werden, weil sie schon so stark mit diesem Antezedens verknüpft worden ist, dass die Bedeutung der Periphrase verfestigt worden ist und die Sprachteilhaber automatisch wissen, worauf sie hinweist. Bei der Bildung dieser gemeinsprachlichen Periphrasen, vor allem bei denjenigen, die sich in der Fußballsprache manifestiert haben, muss die beträchtliche Rolle der Medien bestimmt berücksichtigt und betont werden. Diese Periphrasen sind nämlich alle aus normalen, individuellen (und eventuell übertragenen) Periphrasen zu gemeinsprachlichen Periphrasen gewachsen. Sie haben, dadurch, dass sie von anderen Medien, Elementen der Medien oder Muttersprachlern übernommen worden sind – und 86 so fast allgemeine Gültigkeit bekommen haben – ihren individuellen Charakter verloren und sind zu gemeinsprachlichen Periphrasen geworden. 4.2. Die Funktion der Periphrase in der Fußballberichterstattung Wenn man die Funktion der Periphrasen in der Fußballberichterstattung berücksichtigen will, muss man zuerst davon ausgehen, dass die Periphrasen zum besonderen funktionalen Stil der Fußballberichterstattung, wie dieser funktionale Stil von Riesel beschrieben wird, gehören: Unter dem funktionalen Stil verstehen wir die historisch veränderliche, funktional und expressiv bedingte Verwendungsweise der Sprache auf einem bestimmten Gebiet menschlicher Tätigkeit, objektiv verwirklicht durch eine zweckentsprechend ausgewählte und gesetzmäßig geordnete Gesamtheit lexischer, grammatischer und phonetischer Mittel.227 Innerhalb der Fußballsprache und –berichterstattung bilden die Periphrasen also eine lexikalische Ebene der Realisation des bestimmten fußballsprachlichen Stils. Demzufolge könnten wir schließen, dass die Funktion der Periphrasen der der Fußballberichterstattung, die im vorigen Kapitel schon ausführlich behandelt wurde (siehe Kapitel 3.3.), im Grunde entspricht. Die Periphrasen dienen also an erster Stelle zur Information und Meinungsbildung, immer mehr aber auch zur Unterhaltung, weil die gesamte Fußballberichterstattung diese allgemeinen Tendenzen aufweist. Neben dieser allgemeinen Funktion, die allen Komponenten der Fußballsprache zugeschrieben werden kann, erfüllen die Periphrasen in der Fußballberichterstattung noch einige spezifischere Rollen. Dazu müssen wir erläutern, dass die Periphrasen innerhalb einer sich ständig weiter verbreitenden, sowohl in der Fußballsprache als in der allgemeinen Standardsprache, Tendenz zum Nominalstil beobachtet werden muss. Mittels einer Periphrase kann man ausführliche Sätze zur Erklärung und Informationsvermittlung einer bestimmten Sache, Person oder Erscheinung auf eine einfachere Nominalgruppe reduzieren, was zu diesem Nominalstil führt. Schweickard verknüpft den zunehmenden Gebrauch des Nominalstils auch mit einer knapperen und expressiveren Ausdrucksweise: 227 Riesel: Stilistik der Deutschen Sprache. S.10 87 Mit dem Gebrauch nominaler Konstruktionen wird einerseits dem Erfordernis räumlicher Ökonomie entsprochen, andererseits kann dadurch eine Steigerung der Expressivität erreicht werden.228 Die Periphrasen, die als nominale Konstruktionen betrachtet werden können, tragen unbestreitbar dazu bei, dass der zur Verfügung stehende Raum in der Fußballberichterstattung der Printmedien optimal benutzt wird. So kann man, anstatt bestimmte Merkmale eines Spielers innerhalb eines Spielberichts dem Bericht hinzufügen zu müssen, den Namen des entsprechenden Spielers unmittelbar durch die entsprechenden Merkmale ersetzen; z.B.: „Wir sind kein Kanonenfutter mehr, sondern ein ernstzunehmender Gegner “, sagte der 32jährige von den Bolton Wanderers. (DW – 61/133/29/4)229 statt: „Wir sind kein Kanonenfutter mehr, sondern ein ernstzunehmender Gegner “, sagte Jared Borgetti, der 32 Jahre alt ist und bei den Bolton Wanderers spielt. Angesichts der beschränkten Raum- und Zeitbedingungen der Fußballberichterstattung der Printmedien bieten die Periphrasen dem Sportjournalisten die Möglichkeit, viele Informationen mittels eines möglichst knappen Ausdrucks zu vermitteln. Die Periphrasen erfüllen einerseits also bestimmt eine sprachökonomische Funktion. Andererseits kann der ausführliche Gebrauch von Periphrasen in der Fußballberichterstattung dadurch erklärt werden, dass die Fußballsprache, laut Dankert, immer mehr von „einer frappierenden und ermüdenden Gleichförmigkeit”230 gekennzeichnet wird. Wegen der immer zurückkehrenden und identischen Spielsituationen hat der Berichterstatter nur ein beschränktes Arsenal an Formulierungen zur Verfügung, was zu einer gewissen Monotonie und Eintönigkeit führen kann. In dieser Hinsicht funktionieren die Periphrasen als Mittel zur Variation, indem sie dem Berichterstatter erlauben, innerhalb eines Fußballberichtes nicht immer den Namen einer Sache, Person oder Erscheinung zu verwenden, sondern die Möglichkeit bieten, diesen Namen durch Umschreibungen, die auf die bestimmte Sache, 228 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.49 Die Kode, die hinter diesem Beispiel steht, weist daraufhin, dass das Beispiel aus unserem undersuchten Korpus kommt. Die Kode kann so verstanden werden: “Die Welt” - Jahrgang der Zeitung / Nummer der Zeitung / Seite der Zeitung / Nummer, die wir dem Bericht erteilt haben. Auch der Kursivdruck wurde von uns verwendet, weil wir die Periphrase innerhalb des Satzes zu betonen versuchen. Ab hier werden also alle Beispiele, die in der vorliegenden Arbeit aufgenommen werden, auf diese Art kodiert dargestellt werden. 230 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.58 229 88 Person oder Erscheinung hinweisen, zu ersetzen. Diese Umschreibungen bieten dem Berichterstatter die Möglichkeit, die Monotonie seiner Berichte zu vermeiden, indem sie Synonyme des Umschriebenen darstellen: In der reichhaltigen Synonymik, die der Wortschatz der Spielberichte aufweist, spiegelt sich das Bemühen der Chronisten, der Gefahr einer monotonen und stereotypen Beschreibung entgegenzuwirken, die angesichts der Zeitnot und der geringen strukturellen Variation des Spielablaufs droht.231 Ein Bericht mit unterschiedlichen Arten, etwas zu repräsentieren, wirkt beträchtlich weniger monoton als die ständige Wiederholung des Namens des Antezedens; z.B: Mit seinem schamlosen Elfmeterschinden hat sich der Star vom FC Chelsea in England einen schlechten Ruf eingehandelt. […] Die Fußball-Experten hingegen werden die Zeitlupenstudien mit größter Aufmerksamkeit verfolgen, wenn der Stürmer des FC Chelsea London fällt. […] So dürfte es für den Mann von der Elfenbeinküste die reinste Erholung sein, wenn er heute im Spiel gegen Argentinien einmal nicht im Mittelpunkt der britischen Boulevardpresse steht. Diese hat dem 28jährigen mittlerweile ohnehin seinen Aufenthalt auf der Insel ordentlich verhagelt. […] (DW – 61/133/29/1) statt: Mit seinem schamlosen Elfmeterschinden hat sich Didier Drogba in England einen schlechten Ruf eingehandelt. […] Die Fußball-Experten hingegen werden die Zeitlupenstudien mit größter Aufmerksamkeit verfolgen, wenn Didier Drogba fällt. […] So dürfte es für Didier Drogba die reinste Erholung sein, wenn er heute im Spiel gegen Argentinien einmal nicht im Mittelpunkt der britischen Boulevardpresse steht. Diese hat Didier Drogba mittlerweile ohnehin seinen Aufenthalt auf der Insel ordentlich verhagelt. […] Darüber hinaus kann der Sportjournalist, indem er für übertragene Periphrasen wählen kann, auch die Expressivität seines Berichtes steigern. Diese Periphrasen gründen also auf die Hervorhebung metaphorischer oder metonymischer Merkmale des Antezedens, die nicht selten übertrieben werden. Die Periphrasen tragen in der Fußballberichterstattung also, paradoxerweise, gleichzeitig zur Knappheit und zur Expressivität eines Fußballberichtes bei. 4.3. Die Realisation der Periphrasen in der Fußballberichterstattung Aus der Beschreibung der Funktion der Periphrasen in der Fußballberichterstattung hat sich erwiesen, dass diese Stilfigur ein bedeutender Bestandteil dieser Berichterstattung und Sondersprache bildet. Innerhalb der Fußballberichterstattung 231 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.118 89 können die Periphrasen in drei Teilkategorien aufgeteilt werden; es gibt Personen-, Mannschafts- und Sachenperiphrasen. Diese letzte Kategorie ist eher beschränkt und kann auch kaum auf inhaltliche und strukturelle Weise erklärt werden, weil es hier vor allem um vereinzelte Fälle handelt, die nicht zusammenfassend betrachtet werden können. Bei den Personen- und Mannschaftsperiphrasen dagegen wäre es angewiesen, diese zwei Kategorien weiter zu differenzieren, wegen ihrer Vielfalt und Verschiedenartigkeit innerhalb der Fußballberichterstattung. Darüber hinaus gehen wir aus von einer klaren Unterscheidung zwischen individuellen und gemeinsprachlichen Periphrasen, weil dieser Unterscheid in der Fußballberichterstattung doch eine beträchtliche Rolle spielt. Wir können dieser Tatsache noch hinzufügen, dass die individuellen Periphrasen meistens „logisch“ und „bildhaft“ sind, während die gemeinsprachlichen oft eher „übertragen“ und „bildlich“ sind. Überlappungen sind jedoch immer noch möglich. 4.3.1. Die individuellen Periphrasen Wie eher schon erwähnt (siehe Kapitel 4.1.), handelt es sich bei den individuellen Periphrasen um Umschreibungen einer bestimmten Sache, Person oder Erscheinung, die sehr allgemein sind. Diese Periphrasen können also auf jede beliebige Sache, Person oder Erscheinung hinweisen, und man braucht also das Antezedens, um diese Umschreibung zu verstehen. So kann z.B. Der 22-jährige Mittelfeldspieler sowohl auf einen bestimmten Spieler A als auf einen bestimmten Spieler B hinweisen und ohne den Kontext kann man unmöglich schließen, um welchen Spieler es sich handelt. Wir können diese individuellen Periphrasen also fast als eine Art „Passe-Partout“-Formel betrachten, indem immer dieselben Formulierungen auf veränderliche Sachen, Personen oder Erscheinungen angewandt werden können. 4.3.1.1. Individuelle Personenperiphrasen Bei den individuellen Personenperiphrasen gründet die Umschreibung eines bestimmten Spielers oder Trainers – denn in den meisten Fällen berücksichtigen die Periphrasen in der Fußballberichterstattung diese Personen – oft auf einem bestimmten objektiv wahrnehmbaren Merkmal. Die Periphrase hebt ein bestimmtes Merkmal der Person hervor, die jede andere Person auch besitzt, sei es nicht im selben Maße. Oft 90 handelt es sich hier um das Alter eines Spielers oder Trainers (z.B. der 22-jährige usw.), die Position oder Profession der Person (z.B. der Mittelfeldspieler, der Verteidiger, der Bundestrainer usw.), die Herkunft (z.B. der Brasilianer, der gebürtige Münchner usw.), bestimmte Eigenschaften des Spielers (z.B. der Dauerbrenner, der Torschütze usw.) usw. Hinzu kommen auch noch die von Gasser genannten “Personenbezeichnungen, die von geographischen Eigennamen abgeleitet”232 sind; darunter verstehen wir die Personenperiphrasen, die eine Umschreibung eines Spielers darbieten, indem sie den Verein des Spielers mit der Stadt des Vereins gleichschalten (z.B. der Münchner [für einen Spieler des FC Bayern München oder 1860 München], der Dortmunder [für einen Spieler des Borussia Dortmund]). Bei einer solchen Periphrase könnte man den Eindruck bekommen, dass der umschriebene Spieler Einwohner der genannten Stadt ist. Das ist aber keine Notwendigkeit, die Stadt wird nur als Synonym für den Verein gesehen, und so wird der Spieler fast als “Einwohner” der Stadt repräsentiert (wie also z.B. der Münchner). Die individuellen Personenperiphrasen sind also sehr verschiedenartig und können darüber hinaus ohne jede zeitliche oder räumliche Beschränkung auf jede beliebte Person angewandt werden. 4.3.1.2. Individuelle Mannschaftsperiphrasen Weil der Fußball eine Mannschaftssportart ist, darf es keinem Zweifel unterliegen, dass es innerhalb der Fußballsprache und –berichterstattung sehr viele Mannschaftsperiphrasen gibt. Bei den individuellen Mannschaftsperiphrasen wird oft ein bestimmtes geographie- oder leistungsbezogenes Merkmal hervorgehoben, das die Mannschaften voneinander unterscheidet. So werden Mannschaften oft mittels individuellen Periphrasen, die basieren auf geografischen Elementen (z.B. die Bochumer, die Gastgeber [diese Periphrase kann als geographisch betrachtet werden, indem man die Tatsache, dass die Mannschaft zu Hause spielt, betont], der Revierclub [hier für Borussia Dortmund] usw.), auf ortspezifischen Elementen (z.B. die Domstädter [hier für den 1.FC Köln] usw.), auf den Farben der Mannschaft (z.B. Die Blauen [für z.B. Schalke 04] usw.), auf heutigen oder ehemaligen Leistungen (z.B. der Tabellenführer, der Absteiger, der Meister usw.), auf einem Teil des Vereinsnamens 232 Gasser, Herbert: “Elf, Team, Mannschaft. Zu den Mannschaftsbezeichnungen in Fußballberichten der Tageszeitungen “Neues Deutschland, “Die Presse” und “Süddeutsche Zeitung””. In: Linguistische Studien 3. Festgabe für Paul Grebe zum 65. Geburtstag. Hg. von Hugo Moser. Düsseldorf, 1973, S.60 91 (z.B. die Eintracht [für die Eintracht Frankfurt], 96 [für Hannover 96], die 05’er [für Mainz 05], usw.) usw. Die Möglichkeiten zur Gestaltung der individuellen Mannschaftsperiphrasen sind also wenn möglich noch zahlreicher und vielfältiger als die der individuellen Personenperiphrasen, was sich selbstverständlich dadurch erklären lässt, dass in Berichten eines Fußballspiels die kollektive Mannschaft oft als Gegenstand des Berichts verwendet wird. 4.3.2. Die gemeinsprachlichen Periphrasen Im Gegensatz zu den individuellen weisen die gemeinsprachlichen Periphrasen immer nur auf eine bestimmte Sache, Person oder Erscheinung hin. Innerhalb der Fußballberichterstattung handelt es sich hier um Bezeichnungen für Spieler oder Mannschaften, die ursprünglich zum Sportjargon gehörten, aber im Laufe der Zeit von den Print- und anderen Medien bemerkt und verwendet wurden, und so allmählich den Fachjargon und die Reportsprache der Fußballsprache infiltriert haben. Wegen ihres einzigartigen Charakters kommen sie in der Fußballberichterstattung viel weniger vor als die individuellen Periphrasen. Dennoch sind sie ein sehr wichtiger Bestandteil für die Fußballsprache, weil es vor allem diese gemeinsprachlichen und oft übertragenen Periphrasen sind, die zur Expressivität der Fußballberichterstattung beitragen. 4.3.2.1. Gemeinsprachliche Personenperiphrasen Innerhalb der Fußballberichterstattung bilden die gemeinsprachliche Personenperiphrasen eine in Umfang eher kleine, aber nicht unwichtige Gruppe. Dankert spricht hinsichtlich dieser gemeinsprachlichen Personenperiphrasen von „hyperbolischen Beinamen“233, die oft einem Fußballspieler beigelegt werden: [...] bei der Prägung von neuen hyperbolischen Beinamen, die einem Sportler – wie auch sonstige Übernamen – als Kennmarken umgehängt werden, die ihn sowohl kennzeichnen als auszeichnen sollen, und von denen sich einige in der gesamten Sportkommunikation durchzusetzen pflegen, [...]234 Die gemeinsprachlichen Personenperiphrasen können wir also als „Beinamen“ umschreiben, und diese Beinamen werden vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie bestimmte Merkmale der Spieler vergrößern und verherrlichen und so zum immer 233 234 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.73 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.73 92 zunehmenden Starkult beitragen. Deswegen darf man den Einfluss der Verwendung dieser gemeinsprachlichen Personenperiphrasen laut Dankert nicht unterschätzen: Die Funktion dieser Beinamen wird sicher unterschätzt, wenn man sie nur als schmückende Beiwörter interpretiert; sie werden häufig in den Schlagzeilen verwendet und dienen nicht selten als Stützpfeiler oder markante Orientierungspunkte in Spielberichten.235 Für das Wesen der Fußballsprache haben diese übertriebenen Beinamen also bestimmt eine beträchtliche Rolle, indem sie zum Teil dafür verantwortlich sind, dass die Fußballberichterstattung – und mit ihr auch die gesamte Fußballsprache – immer mehr zum Starkult und zum Superlativstil evoluiert. Dennoch wäre es übertrieben, zu behaupten, dass diese Beinamen die Fußballberichterstattung dominieren, weil sie nur in beschränktem Maße in den Spielberichten vorzufinden sind. Dafür können wir zwei Gründe formulieren: einerseits ist der Fußball kein individueller Sport, es ist eine Mannschaftssportart, und daher ist es für einzelne Spieler schwieriger, sich einen außerordentlichen Status und entsprechenden Beinamen zu erarbeiten; und andererseits werden solche prägenden Beinamen einem Spieler fast nur im Nachhinein zugewiesen. Der Spieler muss zuerst sehr besondere sportliche Leistungen liefern, und erst dann – und dies geschieht oft erst nach der Fußballkarriere des Spielers – bekommt ein Spieler einen solchen Beinamen. Seltener ist es so, dass Spielern schon während ihrer aktiven Karriere ein Beiname verliehen wird. Obwohl gemeinsprachliche Personenperiphrasen in der gesamten Fußballsprache also eher wenig vertreten sind, sind sie doch ein wesentlicher Teil dieser Sondersprache. Vor allem auf sprachlicher Ebene sind sie sehr interessant, weil es sich hier um bestimmte Bezeichnungen handelt, oft im übertragenen Sinne, die nur auf einen bestimmten Spieler hinweisen können. So gründen diese Periphrasen oft auf einer Metapher (z.B. der Oktopode [für Zinedine Zidane, weil er auf dem Platz allgegenwärtig ist], der Kaiser [für Franz Beckenbauer, wegen seines eleganten Spielstils und der Tatsache, dass er einst im Hintergrund mit einer Büste des österreichischen Kaisers photographiert wurde] usw.), auf einer Metapher mit geographischem Bezug (z.B. die Katze von Anzing [für Sepp Maier, gebürtigen Anzinger und Torwart mit katzenhaften Reflexen], der Maradona der Karpaten [für Gheorghe Hagi, der kleine rumänische Spielmacher, der physisch und in seinem 235 Dankert: Sportsprache und Kommunikation. S.73 93 Spielstil Maradona ähnelte] usw.), Metonymien (z.B. der schwarze Panther [für Lev Yashin, der Torwart, der immer schwarz gekleidet war und auch für seine katzenhafte Reflexen bekannt war], die Nummer 14 [für Johan Cruyff, der mit dieser Nummer gleichgesetzt wird] usw.) usw. Die größten Spieler aus der Fußballgeschichte bekommen alle ihren eigenen hyperbolischen Beinamen, der ihre legendäre Reputation nur erhöht. Sprachlich gesehen erweisen sich diese Beinamen auch als eine Besonderheit, indem sie einen deutlichen onymischen Charakter haben und als feste Formulierungen Synonyme für die Eigennamen darstellen. 4.3.2.2. Gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen Im Gegensatz zu den gemeinsprachlichen Periphrasen, deren Anzahl angesichts der gesamten Fußballberichterstattung eher beschränkt ist, bilden die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen eine weitaus beträchtlichere Gruppe. Die größere Vielfalt dieser Periphrasen kann dadurch erklärt werden, dass die meisten Fußballmannschaften (aus den höchsten Divisionen) eine sehr reiche und gefüllte Tradition haben und dass die Fans dieser Mannschaften schon lange bestimmte Beinamen für ihren favoriten Verein formuliert haben, die allmählich ihren Weg in der gesamten Fußballsprache gefunden haben. Die Produktion und Verwendung dieser hyperbolischen Beinamen kann also zum Teil durch die Tatsache gedeutet werden, dass die Fans einer bestimmten Mannschaft solche Periphrasen zur Identifikation mit dieser Mannschaft formulieren. Hinzu kommt noch, wie schon eher erwähnt wurde, dass der Fußball eine Mannschaftssportart ist und dass in Spielberichten den Namen einer Mannschaft sehr oft verwendet wird, was hinsichtlich der drohenden Monotonie zu der Verwendung einer hyperbolischen Alternative führt. In den nächsten Kapiteln werden wir versuchen, eine – aber keine exhaustive – Liste von einigen der wichtigsten Möglichkeiten zur hyperbolischen Prägung bei der Bezeichnung von Mannschaften zu formulieren. 4.3.2.2.1. Gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen, die auf Tieren basieren Bei der Bildung von gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen ist es sehr üblich, die Mannschaft mit einem bestimmten Tier zu vergleichen. Tieren wird oft eine ganz spezifische sportliche Qualität zugewiesen, mit der eine Mannschaft und deren Fans sich gerne identifizieren wollen. Dass kann also zum Teil die Anzahl der 94 gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen, die sich auf einen Vergleich mit bestimmten Tieren gründen, erklären. So finden wir z.B. Periphrasen, die nach dem Wappen des Fußballvereins (z.B. die Zebras [für die MSV Duisburg, deren Wappen ein Zebra ist], die Geißböcke [für den 1. FC Köln, mit einem Geißbock im Vereinswappen]) gebildet werden; Periphrasen, die eine Ähnlichkeit mit einem Tier aufgrund des Vereinsnamens aufweisen (z.B. die Wölfe [für VfL Wolfsburg]); Beinamen aufgrund einer Qualität des Tieres (z.B. die Fohlen [für Borussia Mönchengladbach, weil sie in den 70er Jahren mit einer sehr jugendlichen und begeisterten Mannschaft spielten]); Periphrasen gebildet nach besonderen Tieren in eigener Gegend – diese Art von Mannschaftsperiphrasen finden wir vor allem bei afrikanischen Nationalmannschaften (z.B. die unzähmbaren Löwen [für Kamerun], die Elefanten [für die Elfenbeinküste]); usw. 4.3.2.2.2. Die Farbe für die Mannschaft “\l 5 Die Farbsymbolik spielt innerhalb des Fußballs und der Fußballberichterstattung eine sehr wichtige Rolle. Die Tatsache, dass zwei Mannschaften auf dem Fußballspiel gegenüber einander stehen und miteinander in den Wettkampf treten, wird dadurch symbolisiert, dass sie in unterschiedlichen Farben gekleidet sind. Diese besondere Situation – die an die Schlachten des 18. und 19. Jahrhundert, mit den vielfarbigen Uniformen der Soldaten, erinnert – erklärt schon größtenteils den erheblichen Anteil der Kriegsmetaphorik in der Fußballberichterstattung und zu gleicher Zeit auch die Wichtigkeit der Farben im Fußball; die Farben einer Mannschaft sind zum Symbol der Mannschaft geworden: […] denn neben Vereinswappen und Emblemen, neben zu Symbol und Synonym gewordenen Tieren […] sind es nicht zuletzt die Vereinsfarben, die – im „Fahnenmeer‟ des Stadions – Zugehörigkeit signalisieren und Identifikation stiften und als solche ja ebenfalls zu festen Begriffen geworden sind […]236 In dieser Hinsicht müssen wir den klaren Unterschied zwischen gemeinsprachlichen und individuellen Periphrasen erwähnen; beide beschäftigen sich mit den Farben einer Mannschaft. Während die individuellen Periphrasen die Farben zur Bezeichnung einer Mannschaft verwenden, die auf jede Mannschaft mit denselben Farben verweisen kann 236 John, Johannes: “Kleiderordnungen. Feldstudien.” In: Warum Fußball? Kulturwissenschaftliche Beschreibungen eines Sports. Hg. von Matías Martínez. Bielefeld, 2002, S.60 95 (z.B. die Roten kann auf jede Mannschaft, die in Rot spielt, hinweisen), verweisen die gemeinsprachlichen Periphrasen mit ihrer verfestigten Farbsymbolik nur auf eine einzige Mannschaft (z.B. die Königsblauen kann nur auf die Schalke 04 hinweisen). Auch innerhalb dieser Farbsymbolik können wir unterschiedliche Verwendungsweisen sehen; so gibt es z.B die Benennungen, bei denen die Farbe für die Mannschaft genannt wird (z.B. die Königsblauen [für die Schalke 04]); Beinamen, bei denen nur die Farbe eines Teils des Anzugs genannt wird (z.B. die Rothosen [für Hamburger SV]); Periphrasen, bei denen die Farbe Teil einer Metapher ist (z.B. das Gelbe U-Boot [für FC Villareal, dessen ganze Anzug gelb ist], die Kanarienvögelchen [für die Nationalmannschaft von Brasilien, die in Kanarienvogelgelb gekleidet ist]); Periphrasen für ausländische Mannschaften, die fremdsprachige Elemente enthalten (z.B. die Reds [für FC Liverpool], die Rossoneri [für AC Mailand], die Azulgrana [für FC Barcelona]), usw. Die fremdsprachigen Elemente, die so ihren Eingang in die Fußballberichterstattung finden, werden von Schweickard als Teil des Superlativstils betrachtet: […] darüber hinaus gilt heute auch noch, daß sich der Berichterstatter mit der Verwendung fremdsprachiger Termini bisweilen den Anstrich besonderer Kompetenz geben will, wobei die Grenzen zum “Imponiergehabe” […] sicher fließend sind; über den fachbezogenen Beriech hinaus dient die Verwendung fremdsprachiger Lexeme oft auch zur Vermittlung eines gewissen Lokalkolorits.237 Aus diesem Zitat stellt sich schon wieder heraus, dass die Verwendung der gemeinsprachlichen Periphrasen vor allem zur zunehmenden Expressivität der Fußballberichterstattung führen kann. Ungeachtet dieser Tatsache kann die wichtige Bedeutung der Farbsymbolik bei den Periphrasen in der Fußballberichterstattung nicht verneint werden. 4.3.2.2.3. Hervorhebung eines Elements der Mannschaft Auch bei dieser Subkategorie der gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen wird ein bestimmtes Merkmal der Mannschaft bei der Periphrase metonymisch hervorgehoben. Es kann sich hier um die unterschiedlichsten Merkmale handeln, wie z.B. die Hervorhebung eines Elements des Vereinsnamens (z.B. die Arminen [für die Arminia Bielefeld], die Königliche [für Real Madrid], die Pharaonen [für die 237 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.68 96 ägyptische Nationalmannschaft]) oder die Hervorhebung des Elements des Auserwähltseins (z.B. die Mannschaft [für die deutsche Nationalmannschaft], die Seleção [für die brasilianische Nationalmannschaft]). 4.3.2.2.4. “Semi-gemeinsprachliche” Mannschaftsperiphrasen Eine letzte Subkategorie, die wir hier nennen werden, ist eine eher außergewöhnliche. Es handelt sich hier um Mannschaftsperiphrasen, die weder individuell noch völlig gemeinsprachlich sind. Diese Mannschaftsperiphrasen weisen nämlich nicht auf eine einzige, aber auch nicht auf jede beliebige Mannschaft hin. Es sind Bezeichnungen, die an zwei oder drei Mannschaften referieren, und deswegen von uns als “semi-gemeinsprachlich” betrachtet werden. Oft wird die Tatsache, dass diese Periphrasen auf mehrere Mannschaften hinweisen, dadurch verursacht, dass die Periphrase auf Mannschaften aus verschiedenen Ländern zutrifft, was die Entstehung der Periphrase in unterschiedlichen geographischen Bedingungen und unabhängig voneinander erklären könnte. So finden wir z.B. die Alte Dame, die sowohl als Periphrase von Juventus Turin als auch von der Hertha Berlin betrachtet werden kann; oder die Roten Teufel, eine Periphrase die sowohl auf Manchester United, den 1.FC Kaiserslautern als auf die belgische Nationalmannschaft zutrifft. Zusammenfassend könnten wir festhalten, dass die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen eine sehr wichtige Teilkategorie der Fußballsprache bilden, indem sie dem Berichterstatter erlauben, seine Sprache viel expressiver und abwechslungsreicher zu gestalten und ihm auch erlauben, seine Sachkenntnisse ausführlich zu zeigen. Darüber hinaus tragen die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen sehr stark zum außerordentlichen Wortschatz der Fußballsprache bei. 5. Untersuchung der Periphrasen in der WM-Berichterstattung der “Welt” 5.1. Allgemeine Vorbemerkungen der Untersuchung 5.1.1. Rahmenbedingungen der Untersuchung 97 Die vorliegende Arbeit enthält eine Untersuchung des Gebrauchs der Periphrasen in der Fuβballberichterstattung innerhalb der Weltmeisterschaft Fuβball von 2006. Als Gegenstand unserer Untersuchung sind wir von der WM-Berichterstattung der „Welt“ ausgegangen und aus dieser Zeitung haben wir alle Fuβballberichte, die zwischen dem 10. Juni und dem 11. Juli 2006 erschienen sind, untersucht. Der Grund der Entscheidung, die Periphrasen in der Fuβballberichterstattung der „Welt“ zu untersuchen, liegt in der Tatsache, dass es sich hier um eine überregionale Zeitung handelt, die also auf das ganze deutschsprachige Gebiet Bezug nimmt. „Die Welt“, weil sie eine überregionale Qualitätszeitung zu sein versucht, verwendet – angesichts ihrer Absicht, ein möglichst groβes nationales Publikum zu erreichen – ausschlieβlich die Standardsprache. Deswegen ist die Fuβballsprache in der WM-Berichterstattung der „Welt“ auch repräsentativ für die gesamte Fuβballsprache (der Medien) im deutschsprachigen Gebiet, weil sie einerseits in ihrer Berichterstattung immer die Standardsprache handhabt und so umgangssprachliche Elemente der Fuβballsprache vermeidet, und sich andererseits vor allem mit den wichtigeren Fuβballveranstaltungen beschäftigt; sie ist nicht an irgendeine Region gebunden und braucht also nicht übermäβig über bestimmte regionale Mannschaften zu berichten und kann also eine neutrale Berichterstattung anbieten. Darüber hinaus ist die „Welt“, wegen der Tatsache, dass sie eine überregionale Zeitung mit Anspruch auf hohe Qualität ist, weniger anfällig für die Kritik, die oft an der Fuβballberichterstattung geäuβert wird. Als Qualitätszeitung richtet sie sich viel weniger auf Übertreibung und Steigerung als z.B. die Boulevardpresse. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Fuβballberichterstattung der „Welt“ über die Kritik – in dem Maβe, dass diese an sich überhaupt nicht immer zu Recht geäuβert wird – vollständig erhaben ist, aber nur, dass sie wegen ihrer mehr ausbalancierten Sprachpflege und Berichterstattung dieser Kritik weniger unterliegt. Daher haben wir unsere Untersuchung der WM-Berichterstattung der „Welt“ gewidmet. Wir haben uns dabei auch dafür entschieden, die Berichterstattung einer FuβballWeltmeisterschaft zu berücksichtigen. Eine solche Fuβball-WM ist nämlich nach den Olympischen Spielen die zweitgröβte Sportveranstaltung in der gegenwärtigen Gesellschaft; die Bedeutung einer Fuβball-WM auf Weltebene kann also nicht unterschätzt werden: 98 Eine Fuβball-WM ist praktisch die Sportveranstaltung schlechthin und damit auch ein globales Ereignis ersten Ranges nicht nur für die Sportwelt.238 Wipper betont neben der sportlichen Bedeutung der WM auch die wirtschaftliche, die selbstverständlich eine Rolle spielt. Weltweit erzielen die Fernsehsendungen der WM Milliarden Zuschauer in mehr als 200 Ländern, und das führt zu enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten; die sehr groβe wirtschaftliche Opportunität einer WM beweist a fortiori die Dreiecksbeziehung zwischen Fuβball, Medien und Wirtschaft: Denn bei einer WM als Höhepunkt des Sportgeschehens tritt das Beziehungsgeflecht zwischen Sport, Publikum, Massenmedien und der Wirtschaft mehr als nachdrücklich zutage.239 Wegen der groβen Wichtigkeit der Fuβball-Weltmeisterschaft widmen die Massenmedien dieser WM auch sehr viel Aufmerksamkeit. Während der Sport innerhalb der gesamten Berichterstattung der „Welt“ normalerweise nur zwei oder drei Seiten beträgt, bestand alleine die Fuβballberichterstattung während der WM schon täglich aus 7 Seiten. Vier Wochen lang – und vor allem weil die WM 2006 in Deutschland stattgefunden hat – war die Fuβballberichterstattung der dominierende Teil der „Welt“, und angesichts dieser enormen Quantität und Vielfalt der Berichterstattung erschien eine Untersuchung der Fuβballberichterstattung einer WM uns am sinnvollsten. Selbstverständlich bekommt man wegen des unterschiedlichen Ausgangspunkts bei der Untersuchung der WM-Berichterstattung einigermaβen andere Ergebnisse als bei einer Untersuchung der Bundesliga-Berichterstattung. Zuerst handelt es sich bei einer WM um ein Turnier, also nicht um eine wirkliche Meisterschaft, in der die regelmäβigste Mannschaft belohnt wird. Eine WM ist auf eine ganz andere Art und Weise gestaltet, indem man nur 7 Spiele gewinnen muss, um den Pokal zu gewinnen. Diese andere Grundposition, die auch durch unmittelbare Ausscheidung geprägt wird, bietet einen viel prägnanteren und spannenderen Verlauf, der auch seine Folgen für die Berichterstattung haben wird. Zweitens sind die Teilnehmer einer WM Nationalmannschaften, während die gewöhnlichen Meisterschaften aus Mannschaften bestehen, die einer bestimmten Stadt oder einer bestimmten Gegend gehören. Während die alltäglichen Mannschaften die 238 239 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.124 Wipper: Sportpresse unter Druck. S.127 99 Arbeitsgeber der Spieler sind und die Spieler deshalb zu jeder beliebigen Mannschaft transferiert werden können, kann man innerhalb einer solchen Mannschaft unter den Spielern die verschiedensten Nationalitäten finden. Bei einer Nationalmannschaft ist so etwas natürlich unmöglich, weil die Spieler alle demselben Land angehören müssen. Dieser Unterschied schafft eine andere Betrachtungsweise innerhalb der WMBerichterstattung, weil man hier nicht mittels der Nationalität des Spielers zwischen den Spielern unterscheiden kann. Obwohl sich die Meisterschaften von der WM in bestimmten organisatorischen Punkten unterscheiden, führt dies allerdings nicht zu wesentlichen – und bestimmt nicht zu relevanten – Unterschieden in der Fuβballberichterstattung. 5.1.2. Vorüberlegungen zur Untersuchung Trotz der unterschiedlichen – aber nur oberflächlichen – Bedingungen sieht die alltägliche Fuβballberichterstattung der WM-Berichterstattung sehr ähnlich, und deshalb ist eine Untersuchung dieser Berichterstattung sicher angebracht, um die Fuβballsprache und –berichterstattung zu untersuchen. Wir haben uns denn auch, wie schon eher erwähnt, mit der WM-Berichterstattung der „Welt“ zwischen dem 10. Juni und dem 11. Juli 2006, also mit der Berichterstattung der WM 2006 beschäftigt, und zu diesem Zweck haben wir aus dieser Periode 646 Berichte gelesen. Die Berichte wurden auch in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt: Spielberichte (Berichte, die den Verlauf eines bestimmten Spiels beschrieben), Vorberichte (Vorbesprechungen des Spiels), Nachberichte (Nachbesprechungen des Spiels), Nebenberichte (Berichte über Randerscheinungen, Fuβballgeschichte usw.), Personenberichte (Berichte über einen bestimmten Spieler, Trainer oder irgendwie an der WM Beteiligten), Interviews und Kommentarberichte (Berichte, die eine Meinung über die WM oder ein Spiel enthalten). Sehr auffällig bei der Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Kategorien ist die Tatsache, dass es nur 25 wirkliche Spielberichte gab, obwohl während der WM 64 Spiele stattgefunden haben. Obwohl das zum Teil dadurch relativiert werden kann, dass wir die „Welt am Sonntag“ nicht untersucht haben, bleibt es seltsam, dass bei weniger als der Hälfte der Spiele wirklich über den Spielverlauf berichtet wurde. Die Fuβballberichterstattung in der „Welt“ berücksichtigt also die Tendenz, dass die meisten Menschen schon einiges über den Spielverlauf erfahren haben, und richtet sich also 100 vielmehr auf Hintergrund und Analyse, was auch von den Fuβballsprachenforschern als Notwendigkeit genannt wurde. Aus den untersuchten Berichten wurden die Periphrasen entnommen, die wir näher betrachten werden. Die Periphrasen wurden ebenfalls in Kategorien aufgeteilt: wir unterscheiden zwischen Personenperiphrasen, Mannschaftsperiphrasen, Sachenperiphrasen und bestimmten Abkürzungen. Die letzte Kategorie kann eher als Sonderkategorie betrachtet werden, da wir diese Abkürzungen als Periphrase gesehen haben, weil sie eine Umschreibung eines Antezedens darstellen (z.B. WM für Weltmeisterschaft, DFB für Deutscher Fuβball Bund), aber wir haben sie nicht weiter berücksichtigt, weil sie im Grunde keine spezifische sprachliche Besonderheit bilden und deshalb auch innerhalb der Fuβballberichterstattung eine eher unbeträchtliche Rolle erfüllen. In den 646 von uns untersuchten Fuβballberichten aus der „Welt“ haben wir 3486 Periphrasen vorgefunden, was durchschnittlich auf ungefähr fünf Periphrasen per Fuβballbericht weist. Zuerst haben wir die Länge der Periphrasen aus diesen Fußballberichten untersucht, weil Riesel behauptete, dass die Periphrase meistens eine Wortgruppe, einen Satz oder mehrere Sätze lang ist. Im untersuchten Korpus waren 90,5 % der Periphrasen eingliedrig, 7,7 % zweigliedrig und 1,8 % drei- oder mehr als dreigliedrig. Wir haben als ein Glied jede von den anderen Teilen der Periphrase ebgetrennte Informationspartikel betrachtet, also jeden Teil, der, innerhalb einer Periphrase, zusätzliche Auskünfte bot. Selbstverständlich sind die Abkürzungen immer eingliedrig, und sie können denn auch ignoriert werden, aber selbst dann erweisen die eingliedrigen Periphrasen sich immer noch weitaus als die Mehrzahl (85,7 % gegenüber 11,6 % und 2,7 % für bzw. die zwei- und die mehrgliedrigen). Innerhalb der Fußballberichterstattung sind sehr kurze Periphrasen, weil sie zur Knappheit des Ausdrucks beitragen, also eher Regel als Ausnahme. Neben einer Untersuchung der Länge der Periphrasen haben wir die 3486 Periphrasen also in die vier genannten Kategorien aufgeteilt: sie bestanden zu 29 % aus Mannschaftsperiphrasen, zu 34,7 % aus Personenperiphrasen, zu 33,7 % aus Abkürzungen und zu 3 % aus Sachenperiphrasen. Weil die Abkürzungen sprachlich so gut wie uninteressant und unbedeutend sind und die Sachenperiphrasen wegen ihrer beschränkten Zahl in dieser Untersuchung der Fuβballberichterstattung nicht relevant 101 sind, werden wir sie in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigen. Die wichtigsten Periphrasen innerhalb der Fuβballberichterstattung sind also die Personenperiphrasen, die auf einen bestimmten Spieler oder Trainer hinweisen, und die Mannschaftsperiphrasen, die auf eine bestimmte (National-)Mannschaft hinweisen, und wir werden diese Periphrasen auch am ausführlichsten berücksichtigen. Neben diesem Unterschied zwischen Mannschafts- und Personenperiphrasen wird noch ein zweiter Unterscheid für diese Untersuchung sehr wichtig sein, nämlich der Unterschied zwischen individuellen und gemeinsprachlichen Periphrasen (siehe Kapitel 4.1.). Obwohl die individuellen Periphrasen den gemeinsprachlichen in Anzahl weitaus überlegen sind (die gemeinsprachlichen Periphrasen machen nur 3,3 % der gesamten Periphrasen aus; wenn wir die Abkürzungen, die niemals gemeinsprachlich sein können, nicht berücksichtigen 5 %), werden wir zu zeigen versuchen, dass diese gemeinsprachlichen Periphrasen dennoch eine sehr wichtige und sogar unentbehrliche Rolle innerhalb der Fuβballberichterstattung erfüllen. 5.2. Untersuchung der individuellen Periphrasen Bevor wir mit der Besprechung der Ergebnisse der Untersuchung anfangen, müssen wir zuerst bemerken, dass wir es bei der Aufteilung der Periphrasen nach ihrem unterschiedlichen Informationscharakter vorgezogen haben, bei mehrgliedrigen Periphrasen jeden Teil, jedes Glied der Periphrase als eine unterschiedliche Informationseinheit zu betrachten und so all diese Informationen getrennt in die Aufteilung der Periphrasen einzustufen. Anhand eines Beispiels wäre diese Methode einfacher zu erklären: Der Mittelfeldspieler von Ajax Amsterdam absolvierte nach überstandener Knöchelprellung die komplette Übungseinheit. (DW – 61/133/27/3) Obwohl es sich hier um eine Personenperiphrase und also ein Antezedens handelt (nämlich Wesley Sneijder), haben wir aus dieser Periphrase zwei unterschiedliche Informationsträger (hier die Position des Spielers und die Mannschaft, für die er spielt) destilliert. Weil es sonst fast unmöglich ist, die mehrgliedrigen Periphrasen einer Kategorie zuzuordnen, haben wir uns für diese Betrachtungsweise entschieden. 5.2.1. Die individuellen Personenperiphrasen 102 Die Personenperiphrasen bildeten in der Untersuchung der Periphrasen der WMBerichterstattung mit 34,7 % der gesamten Periphrasenzahl ganz klar die größte Gruppe, was auch zum Teil dadurch erklärt werden kann, dass die Fußballberichterstattung der „Welt“ aus sehr vielen Personenberichten bestand. In dieser Hinsicht können wir auch die Tendenz der Fußballberichterstattung situieren, sich immer mehr mit dem Treiben eines Starkults zu beschäftigen. Die einzelnen Fußballer werden innerhalb der Fußballberichterstattung als immer wichtiger dargestellt, obwohl der Fußball im Grunde eine Mannschaftssportart ist und die Individuen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Personenperiphrasen können auch aufgeteilt werden in individuelle und gemeinsprachliche, und aus einer solchen Aufteilung wird klar, dass die gemeinsprachlichen Personenperiphrasen zahlenmäßig zu vernachlässigen sind, sie betragen nur 3,5 % der Personenperiphrasen. Die übrigen 96,5 % bestehen also aus individuellen Periphrasen, die innerhalb der Fußballberichterstattung sehr verschiedenartig gestaltet werden: Stelle / Position auf dem Platz 39,5 % Mannschaft / Arbeitsgeber 14,8 % Alter 14,5 % Nationalität 10,2 % Starspieler / Starqualitäten 5,2 % Kapitän 3,6 % Bestimmte Qualitäten 2,4 % Genauere geographische Bestimmung 2,2 % Sportliche Ereignisse 2,2 % Nummer 1,1 % Äußerliche Merkmale 0,7 % Bezug auf Mitspieler (Kollege, Konkurrent, usw.) 0,6 % Übrige 5% Tabelle I: Erscheinungsweisen der Personenperiphrasen 103 Wie sich aus dieser Tabelle herausstellt, bestehen die am meisten erscheinenden Informationsträger der Periphrasen aus objektiv wahrnehmbaren Tatsachen. So wird die größte Gruppe der individuellen Personenperiphrasen von den Periphrasen, die auf die bestimmte Position oder – im Falle des Trainers – auf die Stelle der Person hinweisen, z.B.: In Japan und Südkorea hatte der Stürmer fünfmal getroffen, davon zweimal im Eröffnungsspiel. (DW- 61/133/25/1) Der Offensivspieler vom FC Liverpool war zwar nicht von Merk verwarnt worden, doch der Unparteiische hatte die verbalen Attacken Kewells in seinem Bericht festgehalten. (DW – 61/141/27/1) Als der heutige Bundestrainer der Deutschen 1994 vom AS Monaco zu Tottenham Hotspur wechselte, eilte ihm der Ruf eines „divers “ voraus – eines Spielers, der sich im gegnerischen Strafraum fallen läßt, „abtaucht” eben. (DW – 61/133/29/1) Die Position eines Spielers auf dem Platz wird also in der Berichterstattung der “Welt” sehr oft als eine Umschreibung für den Spieler verwendet. Die Tatsache, dass eine Person Trainer ist, kann auf dieselbe Art eingestuft werden, indem es sich hier auch um eine bestimmte Beschreibung des Aufgabenbereichs handelt. Hinzu kommt, dass diese Auskünfte bei der Interpretation einer bestimmten Spielszene sehr wichtig sind und also auch für die Berichterstattung wichtig sind. So wird man z.B. eher einen Stürmer als einen Verteidiger bei einer Torchance erwarten; diese Bestimmung dient also der Interpretation eines bestimmten Spielberichts. Außerdem könnten wir behaupten, dass diese Form der Periphrase auch als Aspekt des Starkultes gesehen werden kann, indem es oft offensive Spieler sind, die als Stars gesehen werden können. Indem die Berichterstatter diesen Aspekt eines Spielers betonen, könnten sie unbewusst dazu beitragen, dass der Leser den bestimmten Spieler schon als Star betrachtet. Selbstverständlich kann das nur zum Teil als Erklärung dienen, denn die Position eines Spielers ist nun einmal eine objektive Tatsache, die für den Leser eine wichtige Information darstellt. Die Kreierung der Stars aus offensiven Spielern können wir vielmehr dann sehen, wenn vom Berichterstatter ein Kompositum gebildet wird: Der Stürmerstar laboriert weiterhin an einer Schienbeinverletzung und steht für das heutige Spiel gegen Saudi-Arabien nicht zur Verfügung. (DW – 61/136/30/2) Dennoch ist ein solches Kompositum eher selten, und werden die Positionen der Spieler vor allem nur wegen ihres notwendigen Informationscharakters mitgeteilt. Zweitens fokussiert sich “Die Welt” auch sehr ausführlich mit der Mannschaft, bei der ein 104 bestimmter Spieler spielt. Diese Information finden wir also fast ausschließlich bei der Berichterstattung einer WM, weil man hier in Nationalmannschaften spielt, und man also den Arbeitgeber im alltäglichen Leben erwähnen kann, z.B.: Der 28 Jahre alte Stürmer von Real Madrid, der seiner Form hinterherläuft, wurde von Aragones bei den letzten Trainingseinheiten in die B-Mannschaft verbannt. (DW – 61/136/29/1) Aus dieser Art von Periphrase kann man nicht nur den Arbeitgeber des Spielers ableiten, sondern auch etwas zur Qualität des bestimmten Spielers. Aus der Tatsache, ob er bei einem Spitzenverein oder nicht spielt, kann man schon einigermaßen ableiten, ob es sich um einen guten Spieler handelt (obwohl die meisten Spieler einer Nationalmannschaft zu den besten ihres Landes gehören). Das Alter, das wir auch im obigen Beispiel als Periphrase finden können, ist auch eines der am meisten verwendeten Periphrasenelemente in der Fußballberichterstattung. Obwohl dieses Element als Gegenstand einer Periphrase eher unbedeutend wirkt, bietet es für den Leser und Fußballverständigen die Möglichkeit, zu sehen, in welcher Phase die Karriere eines Spielers sich befindet und so kann es wichtig sein für die Interpretation eines Berichtes. Bisher erfüllen die meisten individuellen Personenperiphrasen vor allem eine Informationsfunktion, indem sie weitere Auskünfte über einen Spieler bieten. Diese Funktion treffen wir auch bei den meisten anderen, weniger frequent vorkommenden Personenperiphrasen an. Auch die Tatsache, dass ein Spieler Kapitän seiner Mannschaft ist, können wir zu dieser Kategorie rechnen: Spaniens Nationaltrainer Luis Aragones hat die Ausbootung von Stürmerstar Raul aus der Stammelf verteidigt und seinem Kapitän zugleich Hoffnung auf Einsätze im weiteren WM-Verlauf gemacht. (DW – 61/137/25/6) Weiter gehören auch genauere geographische Bestimmungen, sportliche Ereignisse, die Nummer des Spielers oder bestimmte sportliche Ereignisse zu dieser Kategorie: […] sagt der gebürtige Kanadier, der die Gelegenheit nutzen will, um endlich von der englischen Öffentlichkeit die nötige Anerkennung zu bekommen. (DW – 61/141/28/3) Der dreimalige Weltfußballer des Jahres riskiert aber ebenso wie Kapitän Cafu ein Spiel Sperre, […] (DW – 61/143/29/2) Hinter der Nummer eins stehen Leo Franco (Atletico Madrid) und Oscar Ustari (Independiente Avellaneda) als Ersatztorhüter bereit.( DW – 61/148/27/1) 105 Der Weltmeister von 1978 über Riquelmes Schwächen und die Schwierigkeiten der Südamerikaner. (DW – 61/133/28/1) Die meisten individuellen Personenperiphrasen heben vor allem objektive und wahrnehmbare Elemente einer Person hervor, die also keinerlei Bewertung enthalten. Diese Personenperiphrasen sind sehr sachlich und greifen immer auf dieselbe Formulierungen zurück (dieselben Positionen, Formulierungen des Alters [z.B. x Jahre alt], usw.). Die einzige Ausnahme in dieser Kategorie sind die Periphrasen, die die Starqualität eines bestimmten Spielers betonen. In dieser Hinsicht können wir sehr deutlich sehen, dass es innerhalb der Fußballberichterstattung zu einer Tendenz wird, Spieler zu Stars hochzujubeln. In unserem Korpus sind dafür mehrere Belege vorzufinden: In seinem 31.Länderspiel soll der Münchner Mittelfeldstar Frank Lampard entlasten, […] (DW – 61/141/28/3) Das Spiel sollte 4:0 (2:0) enden, aber für den ukrainischen Superstar war es ein besonderes. (DW – 61/141/31/2) Obwohl bei diesen Beispielen der Starkult sehr deutlich zu erkennen ist, kann dessen Einfluss doch nicht überschätzt werden; die Periphrasen, die auf den Starstatus eines bestimmten Spielers hinweisen, betragen nur 5,5 % der gesamten Personenperiphrasen. Dennoch kommen diese Art von Periphrasen schon auf den fünften Rang der Personenperiphrasen, und sie erfüllen also eine nicht unbeträchtliche Rolle innerhalb der Fußballberichterstattung. 5.2.2. Die individuellen Mannschaftsperiphrasen Bei den individuellen Mannschaftsperiphrasen sehen wir eine ähnliche Entwicklung; es sind vor allem objektive Merkmale, die innerhalb der Fußballberichterstattung als Periphrase hervorgehoben werden. Dennoch können wir sehen, dass die gemeinsprachlichen Periphrasen hier einen beträchtlicheren Anteil der gesamten Mannschaftsperiphrasen ausmachen als bei den Personenperiphrasen (8,8 % im Gegensatz zu 3,5 % bei den Personenperiphrasen). Die individuellen Mannschaftsperiphrasen weisen vor allem auf die folgenden Elemente hin: Die Einwohner des Landes 40,3 % Genauere geographische Bestimmung 13,2 % 106 Nationalelf 7,7 % Ereignisse der Mannschaft 4,4 % Mannschaft des Trainers 4,3 % Element des Auserwähltseins 3,8 % Kulturelle oder geschichtliche Referenzen 2,7 % Gastgeber 2,6 % Nationalmannschaft 2,6 % Mannschaft eines (Star-)Spielers 2% Gegnerschaft 2% Abkürzung 1% Trikot für die Mannschaft 0,3 % Übrige 4,1 % Tabelle II: Erscheinungsweisen der Mannschaftsperiphrasen Die in der obigen Tabelle genannten Erscheinungsweisen der Mannschaftsperiphrasen brauchen noch eine weitere Erklärung. Zuerst wird eine Mannschaft oft mit der Nationalität ihrer Spieler gleichgesetzt; so werden die meisten Mannschaftsperiphrasen gestaltet: Respekt haben die Brasilianer vor allem vor der Physis des Gegners und seiner bisweilen sehr robusten Gangart. (DW – 61/135/30/3) Die Deutschen haben das Spiel nach dem Platzverweis sehr klug in die Breite gezogen und nicht den Fehler gemacht […] (DW – 61/138/27/1) Die Italiener sind bei WM-Endrunden gemeinsam mit den Engländern die großen Versager vom Punkt. (DW – 61/152/25/3) Die Angehörigen eines Landes werden hier verwendet in einer Periphrase für die Nationalmannschaft des Landes. Mit dieser Art von Periphrasen sehr stark verknüpft sind die genaueren geographischen Bestimmungen für Mannschaften. Auch hier werden bestimmte Einwohner der Gegend als Synekdoche für die Mannschaft verwendet: Die Abwehr zeigte gegen harmlose Mittelamerikaner jedoch erneut große Schwächen. (DW- 61/133/25/1) 32 Jahre nach ihrem letzten WM-Auftritt wollen die „Aussis “ gegen die Asiaten den Grundstein für das Erreichen des Achtelfinals legen. (DW – 61/134/31/1) 107 Die als Geheimfavorit gehandelten Osteuropäer zeigten sich geschockt. (DW – 61/137/25/5) Darüber hinaus können diese weiteren geographischen Spezifizierungen auch für Verwirrung sorgen, weil sie für mehrere Mannschaften stehen können: […], erinnerte Scolari beispielsweise an die WM 2002, als die als Geheimfavorit gehandelten Iberer schon in der Vorrunde ausschieden. (DW – 61/140/28/1) […] daß nach dem Debakel gegen die Iberer einige der Versager eine Strafe verdient hatten. (DW – 61/141/31/2) Während es sich im ersten Beispiel um die Nationalmannschaft von Portugal handelt, weist die Periphrase im zweiten Beispiel auf die spanische Nationalmannschaft hin. Beide Länder gehören zur iberischen Halbinsel und deshalb braucht man den Kontext, um die Periphrase zu verstehen. Die genauere geographische Bestimmung wirkt also nicht notwendigerweise erläuternd. Auch wichtig sind die Periphrasen, die betonen, dass es sich um die Nationalelf oder Nationalmannschaft eines bestimmten Landes handelt: Punkt 3: Man darf nie die schwedische Nationalelf einladen. (DW – 61/143/27/1) Der Bremer Mittelfeldspieler nimmt eine Führungsrolle in der deutschen Nationalmannschaft ein. (DW – 61/144/26/7) Diese Elemente weisen daraufhin, dass es sich bei einer WM um die beste Mannschaft des Landes handelt, in der also die besten Spieler des Landes und sogar der Welt spielen. Die Periphrasen, die das Element des Auserwähltseins betonen sind mit diesen Periphrasen auch stark verknüpft: […] obwohl er mit Frankreichs Eliteauswahl in 23 Spielen erst einmal als Verlierer den Platz verließ. (DW – 64/144/30/2) Was die DFB-Auswahl im bisherigen Turnierverlauf so stark macht, trägt seine Handschrift: […] (DW – 61/146/28/1) All diese Periphrasen betonen eigentlich die außerordentlichen Qualitäten der Spieler, die für diese “Elite”-Mannschaft berufen worden sind. In dieser Hinsicht könnten wir behaupten, dass diese Periphrasen auch zum Starkult beitragen, indem sie die Spieler der Nationalmannschaften als außergewöhnlich begabt darstellen. Zudem können wir auch noch sagen, dass die Tatsache, dass man die Ereignisse von Mannschaften zu betonen versucht, auch gewissermaßen zum Starkult führt, indem den Spielern eine bestimmte außerordentliche Leistung zugeschrieben wird. Die Tatsache, dass eine Mannschaft eine Leistung geliefert hat, verdankt sie nämlich ihren Spielern: 108 Sollte der deutsche Rekordmeister das ernst meinen, kann sich Uli Hoeneß auf eine deprimierende Spielzeit vorbereiten. (DW – 61/139/26/7) Damit steht er dem Asienmeister in seinem zweiten WM-Spiel am Sonntag gegen Kroatien zur Verfügung. (DW – 61/139/29/4) Superstar Ronaldinho kämpft beim fünfmaligen Weltmeister gegen Unruhe und Zweifel. (DW – 61/139/30/3) Obwohl diese Periphrasen einigermaßen zum Starkult führen können, sind sie jedoch vor allem als weitere Information gemeint. Drittens und auch wichtig bei der Betrachtung des Starkult ist die Tendenz innerhalb der Fußballberichterstattung, eine Mannschaft mittels einer Periphrase, die die Mannschaft fast als Besitz eines Spielers oder Trainers darstellt, zu gestalten. So wird dieser bestimmte Spieler oder Trainer aus der ganzen Mannschaft hervorgehoben, als wäre er wichtiger als seine Mitspieler (für den Trainer kann man das noch einigermaßen verstehen, weil er doch noch die Leitung der Mannschaft hat): Trotz der Konkurrenz aus Argentinien und den Niederlanden sieht sich die Mannschaft von Trainer Ilija Petkovic keineswegs als Außenseiter. (DW – 61/133/29/5) Eine deutsche Mannschaft hatte gegen Ronaldinho &Co.nicht verloren und deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung gewonnen. (DW – 61/141/25/1) Irgendwann reichte den Spielern der ewige Vergleich mit Suker &Co. (DW – 61/143/30/2) Am Tag nach dem USA-Spiel hatten die Tottis und Cannavaros allerdings frei. (DW – 61/143/30/3) Indem die Mannschaft mit einem Spieler gleichgesetzt wird, bekommt der Leser automatisch den Eindruck, dass dieser Spieler der beste Spieler und Star der Mannschaft ist. Bei den von uns untersuchten Periphrasen waren fast keine Merkmale der Kriegsmetaphorik vorzufinden. Dies kann dadurch erklärt werden, dass eine Periphrase immer auf ein bestimmtes Antezendens hinweist, und innerhalb des beschränkten sprachlichen Mittels der Periphrase kann also kein Antagonismus geschaffen werden. Das einzige Element, das auf eine Art Kriegsmetaphorik deuten kann, sind die Belege der Gegner- und Gastgeberschaft, aber sogar die können innerhalb des agonalen Charakters des Fußballs als normal für die Fußballsprache betrachtet werden: 109 Zu klar war die spielerische Überlegenheit des letzten deutschen Gruppengegners, der nach einem 3:0 (1:0) ebenso wie die Elf des Gastgebers schon vor dem letzten Spiel der Gruppe A im Achtelfinale steht. (DW – 61/138/28/10) Letztens gibt es noch einige kleinere und weniger wichtige Kategorien, wie zum Beispiel bestimmte Abkürzungen oder das Trikot, das als Synekdoche für die Nationalmannschaft verwendet wird: Arsenal spiele den schönsten Fußball in Europa, das sei eine „riesige Herausforderung und eine große Steigerung zum BVB “. (DW – 61/136/30/3) 77 mal hat er im Trikot mit den drei Löwen auf der Brust gekämpft, gegrätscht und geblutet. (DW – 61/133/30/1) Zu einer Einheit im Nationaltrikot konnte Trainer Eriksson seine Spieler allerdings noch nicht formen […] (DW – 61/139/28/3) Neben den zu erwartenden fußballerischen Informationen, die dem Leser anhand einer Periphrase mitgeteilt werden, versucht man in der Fußballberichterstattung der “Welt” den Periphrasen sogar kulturelle und geschichtliche Referenzen hinzuzufügen. Obwohl diese Referenzen eher selten sind (nur 2,7 % der Mannschaftsperiphrasen), zeigen sie doch die Bereitschaft der Journalisten, ihre Berichterstattung nicht ausschließlich dem Fußballgebiet zu widmen: Und dennoch belastete den Schweizer Nationaltorwart in internationalen Vergleichen oft eine Art Minderwertigkeitskomplex, den die Eidgenossen erst bei dieser WM richtig abgelegt haben. (DW – 61/146/31/3) Das zweite Gruppenspiel gegen den militärischen Bündnispartner entpuppt sich als „Battle of Kaiserslautern “. (DW – 61/157/29/1) Bei solchen Periphrasen wird vom Leser eine zuträgliche Anstrengung gefordert, indem er über bestimmte allgemeine kulturelle und geschichtliche Kenntnisse verfügen muss, um die Periphrasen zu verstehen. So muss er, um die obigen Periphrasen deuten zu können, wissen, dass die Schweiz eine Eidgenossenschaft ist und dass die USA und Italien militärische Bündnispartner sind. Es sind also Periphrasen, die nicht nur auf Fußball Bezug haben. 5.2.3. Zwischenbilanz Aus den Ergebnissen der Untersuchung können wir schließen, dass die individuellen Personen- und Mannschaftsperiphrasen sich vor allem mit den objektiven, wahrnehmbaren und sogar statistischen Tatsachen beschäftigen. Diese Periphrasen enthalten vor allem Informationen von fußballerischer Art und es handelt sich meistens 110 auch noch um immer dieselben Informationen. Die Tatsache, dass man innerhalb der Fußballberichterstattung immer dieselben Auskünfte vermittelt und vermitteln muss, führt dazu, dass bestimmte Formulierungen immer wieder auftauchen (dieselben Positionen, Einwohner eines Landes für die Mannschaft, Alter des Spielers, usw.). Die individuellen Periphrasen bieten also wenig Möglichkeiten zur Variation und – außerhalb der Tatsache, dass sie stark zum Starkult beitragen – können ein Grund sein dafür, dass die Fußballberichterstattung oft von Monotonie und Eintönigkeit geprägt wird: Nicht immer gelingt es den Journalisten, Eintönigkeit zu vermeiden und ihre Berichte abwechslungsreich zu gestalten. Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit, und auch die Absicht zu imponieren, lassen sie zu Schablonen greifen, deren volle Ausdruckskraft nur in ganz wenigen Fällen erhalten ist.240 5.3. Untersuchung der gemeinsprachlichen Periphrasen 5.3.1. Die gemeinsprachlichen Personenperiphrasen Innerhalb des untersuchten Materials konnten nur sehr wenige gemeinsprachliche Personenperiphrasen vorgefunden werden, sie betrugen nur 3,5 % der gesamten Personenperiphrasen. Dies kann vor allem, wie wir eher schon bemerkt haben, dadurch erklärt werden, dass der Fußball eine Mannschaftssportart ist und deswegen weniger Raum für solche individuellen Bestimmungen lässt. Nur wenige, als außergewöhnliche Stars betrachteten Spieler können eine solche prägende gemeinsprachliche Personenperiphrase bekommen. Die meisten gemeinsprachlichen Personenperiphrasen beruhen dann meistens noch auf Abkürzungen des Namens des Spielers: […] und denken wir an „Zizou“ als an den Fußballspieler der vergangenen Jahre. (DW – 61/159/30/1) Nach dem Abpfiff sprach jeder Spieler zuerst von seiner großen Freude für den Poldi. (DW – 61/143/26/3) […] „Der Miro ist hier dabei, seinen Wert selbst zu bestimmen “,so der Bundestrainer gestern auf die Frage, ob der Bremer denn nun in der nationalen Bestentruppe um Gerd Müller, Helmut Rahn, Uwe Seeler, Rudi Völler und Jürgen Klinsmann angekommen sei. (DW – 61/142/27/6) 240 Kroppach: “Stilmerkmale der Sportberichterstattung in der Presse”. S.91 111 Die letzten zwei Beispiele werden darüber hinaus außer in Deutschland fast nicht verwendet, nur Zizou ist weltweit bekannt und wird auch weltweit verwendet. Neben einer Abkürzung als klares Muster eines gemeinsprachlichen Beinamens können wir den Gebrauch einer bestimmten Nummer auch als Beiname betrachten. Bestimmte Spieler haben in einer legendär gewordenen Nummer solche außergewöhnlichen Leistungen geliefert, dass sie mit dieser Nummer gleichgesetzt wurden: In Argentinien will jeder spielen wie die ideale Nummer 10. (DW – 61/148/28/1) Was die ehemalige Nummer 14 sagt, ist rund um Amsterdam immer noch Gesetz. (DW – 61/135/31/2) Die berühmteste Nummer 9 ist intern nicht mehr unantastbar. (DW – 61/137/26/7) Die obigen Nummern werden immer bzw. mit Maradona, Cruijff und Ronaldo assoziiert, und können also als gemeinsprachliche Periphrasen betrachtet werden. Diese zwei Kategorien bieten noch ein Muster, um prägende Beinamen zu bilden, aber die übrigen gemeinsprachlichen Periphrasen entsprechen keinem solchen Muster. Diese Beinamen gründen meistens auf irgendeinem Vergleich: Dabei wäre sein Team bei einem erneuten Sieg schon für das Achtelfinale qualifiziert und der Trainer, den sie in seiner Heimat ob seiner Disziplinvernarrtheit nur „Der Preuße “ nennen, vermutlich ein glücklicher Mensch. (DW – 61/135/31/3) Sparsam mit Worten, aber herrisch in seinen Gesten dirigiert der knapp 68 Jahre alte „Weise von Hortaleza “, wie er nach seinem Heimat-Stadtteil von Madrid genannt wird, die Profis und schürt auf seine Art das Feuer […] (DW – 61/136/29/1) Der als „El Flaco “ (der Dürre) berühmt gewordene Menotti war […] (DW – 61/138/30/1) Ein ausgewachsener Lausbub, auch mit 29 Jahren, auch als „fenomeno “, das Phänomen. (DW – 61/135/28/1) Diese Periphrasen werden oft nur sehr wenigen Fußballspielern zugewiesen, weil zuerst sehr besondere Leistungen oder sehr ausgeprägte Merkmale anwesend sein müssen. Für Trainer findet man mehrere Beinamen, weil sie von ihren Spielern oft einen solchen Beinamen bekommen. Dennoch werden nicht viele gemeinsprachliche Personenperiphrasen in der Fußballberichterstattung aufgenommen, vor allem wegen ihres unverkennbaren umgangssprachlichen Charakters. 5.3.2. Die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen 112 Während die gemeinsprachlichen Periphrasen bei den Personenperiphrasen nur 3,5 % der gesamten Personenperiphrasen betrug, sind die gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen innerhalb dieser Kategorie mit 8,8 % viel beträchtlicher vertreten. Im von uns untersuchten Korpus der Periphrasen wird fast jede Nationalmannschaft wenigstens ein Mal mittels ihrer eigenenen gemeinsprachlichen Periphrase umschrieben, was doch auf die größere Vielfalt der gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen deutet, weil längst nicht alle Fußballspieler im Laufe ihrer Karriere einen solchen Beinamen bekommen haben. Selbstverständlich müssen wir hier erläutern, dass die umschriebenen Mannschaften oft eine reichhaltige und erfolgreiche Tradition haben, die die Entstehung einer gemeinsprachlichen Periphrase fördern und beschleunigen. Diese prägenden Beinamen werden auch viel schneller von den Anhängern einer bestimmten Mannschaft produziert werden, und also ihren Eingang im Sportjargon finden, weil diese Anhänger ihren favoriten Verein idealisieren wollen, um sich noch mehr mit diesem Verein identifizieren zu können. Diese Beinamen werden so allmählich auch in die Reportsprache und in den Fachjargon aufgenommen, und in dieser Erscheinung treffen wir sie in der Fußballberichterstattung sehr oft an. Darüber hinaus handelt es sich bei einer WM um Nationalmannschaften, was dem Geschehen unmittelbar eine Dimension des Chauvinismus und sogar Nationalismus hinzufügt, indem die Anhänger sehr deutlich für ihren beliebigen Land wählen und so auch die eigenen Mannschaftsbestimmungen verwenden, die so in der Berichterstattung eindringen können. Sehr viele dieser gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen in der Berichterstattung der „Welt“ sind fremdsprachige Beinamen, die in der ursprünglichen Sprache in der Berichterstattung aufgenommen werden. Wie eher schon erwähnt, führt Schweickard diese Tendenz zur Verwendung fremdsprachlicher Elemente vor allem zurück auf die Absicht des Journalisten, sein Publikum mit seinen überragenden Sachkenntnissen zu verdutzen: […] darüber hinaus gilt heute auch noch, daß sich der Berichterstatter mit der Verwendung fremdsprachiger Termini bisweilen den Anstrich besonderer Kompetenz geben will, wobei die Grenzen zum “Imponiergehabe” […] sicher fließend sind; über den fachbezogenen Beriech hinaus dient die Verwendung fremdsprachiger Lexeme oft auch zur Vermittlung eines gewissen Lokalkolorits.241 241 Schweickard: Die “cronaca calcistica”. S.68 113 In dieser Hinsicht vergisst Schweickard jedoch, dass viele gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen ohne diese fremdsprachige Verwendung ihren gemeinsprachlichen Charakter verlieren; das sehen wir z.B. anhand eines Vergleichs der Mannschaftsperiphrasen für einerseits die französische und die serbische, und andererseits die französische und mexikanische Nationalmannschaft: Die „Plavi “ (Blauen) setzen auf deutsche Stärken. (DW – 61/133/29/5) Wie die „Bleus “ ihrer in Pflichtspielen anhaltenden Sturmmisere beikommen wollen, ist ungewiß. (DW – 61/137/28/3) Sollte die „Tri “ das Achtelfinale nicht überstehen,werde La Volpe Probleme bekommen, drohte er. (DW – 61/133/29/4) Altstars wie Frank Leboef, Bixente Lizarazu oder Christophe Dugarry hatten in der „L‟Equipe“ die Leistung der „Equipe Tricolore“ im torlosen Auftaktspiel gegen die Schweiz zum Teil heftig kritisiert. (DW – 61/139/29/1) Wenn man hier zweimal nur die Übersetzung, also einerseits die Blauen und andererseits die dreifarbige Mannschaft verwenden würde, könnte man zwischen diesen Periphrasen unmöglich unterscheiden und kann es sich sogar um jede beliebige Mannschaft, die im Blau spielt oder eine dreifarbige Flagge hat, handeln. Dank der Beibehaltung des fremdsprachigen Charakters kann man, zumindest wenn man schon über ziemlich ausführliche Fußballkenntnisse verfügt, unmittelbar erkennen, um welche Mannschaft es sich handelt. Obwohl der Verwendung fremdsprachiger Elemente zum Teil bestimmt nur eine schmückende und imponierende Absicht zugrunde liegt, beweisen diese Elemente doch ihre Bedeutung innerhalb der Fußballberichterstattung. Wie wir eher schon erwähnt haben, spielt die Farbsymbolik bei den Mannschaftsperiphrasen eine sehr wichtige Rolle. Diese Rolle ist selbstverständlich noch beträchtlicher bei einer WM, weil es sich da um Nationalmannschaften handelt, deren Anzug sehr oft nach den Farben der Nationalflagge gestaltet worden ist. Die Anzüge der Spieler enthalten also die Farben einer Nation, und so werden die Spieler zum Vertreter des ganzen Landes. Deswegen sind die gemeinsprachlichen Periphrasen, die die Farbe einer Nationalmannschaft betonen, weitaus in der Mehrzahl: Nach der verpaßten Qualifikation vor vier Jahren, ereilte Oranje diesmal im Achtelfinale das Aus. (DW – 61/147/31/2) Der Torwart von Juventus Turin ist seit 1999 Stammkeeper der „Azzurri “. (DW – 61/153/29/1) 114 Doch im Finale in Rom wartete gegen den Außenseiter ein hartes Stück Arbeit auf die Squadra Azzurra. (DW – 61/155/30/3) Nicht gut “,so beurteilen die zwei größten Zeitungen des Landes die Leistung der Albiceleste im Achtelfinale. (DW – 61/146/28/3) Aus diesen Beispielen stellt sich heraus, dass alle solchen Mannschaftsperiphrasen in die Sprache des jeweiligen Landes übernommen werden, und dass man sogar fast Experte in Sachen Fußball sein muss, um die bestimmte Mannschaft aus der Periphrase zu erkennen ( hier: Oranje für die niederländische, Azzurri für die italienische und Albiceleste für die argentinische Nationalmannschaft). Dennoch unterliegt es keinem Zweifel, dass die Farbsymbolik, weil die deutlich erkennbaren Farben des Anzugs der Spieler den Anhängern eine erhebliche Identifikation mit der Mannschaft erlauben, bei der Bildung dieser gemeinsprachlichen Periphrasen sehr wichtig ist, und auch am meisten vorkommen wird. In der WM-Berichterstattung der “Welt” finden wir auch einige Belege dafür, dass gemeinsprachliche Mannschaftsperiphrasen auch auf andere Weisen als nur durch die Farbe der Nationalflagge inspiriert werden. Einige Mannschaftsperiphrasen aus der “Welt” weisen eine solche Herkunft auf: 52 Spiele haben die „Three Lions “bisher bei Weltmeisterschaften bestritten, 24 konnten sie für sich entscheiden. (DW – 61/139/28/3) Die letzten großen Erfolge der „Tre Kronors “ in Deutschland hatten zugegebenermaßen verheerende Folgen. (DW – 61/143/27/2) Wer die sogenannten „weißen Adler “ nach dem 0::1 (0:0)gegen Deutschland reden hörte, mußte den Eindruck gewinnen, in Dortmund hätten die Polen mehr als ein Fußballspiel verloren. (DW – 61/138/29/1) Bei diesen Periphrasen wird ein Element der Nationalflagge oder des nationalen Wappens synekdotisch als prägenden Beinamen verwendet. So werden auf dem Wappen der Engländer drei Löwen (vgl. Three Lions), auf dem der Schweden drei Kronen (vgl. Tre Kronors) und auf dem der Polen ein weißer Adler abgebildet. Aus diesen Periphrasen kann man schon ohne Fußballkenntnisse die gemeinte Mannschaft ableiten, aber dennoch bleibt dies eher schwierig, vor allem wegen der fremdsprachigen Elemente, die oft nicht weiter erläutert werden. Mit den Three Lions und dem weißen Adler kommen wir auch zu den gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen aus der “Welt”, die eine Beziehung mit Tieren darstellen. Auffällig bei diesen Periphrasen ist, dass es sich hier ausschließlich 115 um afrikanische Mannschaften handelt. Die Tatsache, dass die afrikanischen Länder weniger industrialisiert und urbanisiert sind und die Tiere also eine wichtigere und freiere Rolle spielen, könnte hier vielleicht eine Erklärung sein. Bei diesen Periphrasen ist es allerdings fast unmöglich, ohne bestimmte Fußballkenntnisse die Mannschaft, auf die mittels der Periphrase hingewiesen wird, zu erkennen: Die „Elefanten “, so der Spitzname des Teams, sind erstmals bei einer WMEndrunde dabei. (DW – 61/133/29/2) Yasser Al-Kahtani (57.) glich die tunesische Führung durch Zied Jaziri (23.) aus und vermasselte den „Adlern von Karthago “ so den ersten Triumph seit 1978. (DW – 61/137/29/2) „Du mußt den Spielern nur Kuverts geben und sagen, das ist euer Geld “, so Winfried Schäfer zur Motivation der „Sperber “, „dann reißen sie dir das Stadion ab.“ (DW – 61/136/26/5) Bei der Periphrase für die Elfenbeinküste (die Elephanten) und der für Tunesien (die Adler von Karthago) könnte man noch einigermaßen eine Herkunft ableiten, aber der Beiname der togoischen Nationalmannschaft (die Sperber) scheint völlig unerklärlich zu sein. Neben diesen Periphrasen, die explizit auf Tiere hinweisen, fanden wir in der “Welt” auch eine Periphrase, die mittels einem Wortspiel auf ein bestimmtes Tier hinweist; es betrifft hier die Periphrase der australischen Nationalmannschaft: Vor der heute stattfindenden Auftaktpartie gegen Japan in Kaiserslautern erteilte Hiddink den „Socceroos “ auf dem Sportgelände des TSG Öhringen noch einmal einen Unterricht in Raumdeckung und richtigem Verhalten auf dem Fußballplatz. (DW – 61/134/31/1) In dieser Periphrase wird sowohl auf die australische Bezeichnung für Fußball als auf das bekannteste australische Tier, das Känguru, angespielt. Aus diesem Beispiel stellt sich noch mal heraus, dass diese gemeinsprachlichen Mannschaftsperiphrasen auf jeden Fall sprachlich sehr expressiv sind. Einen größeren Anteil der prägenden Mannschaftsbeinamen in der WMBerichterstattung der “ Welt” können wir noch finden für die Periphrasen, die das Element des Auserwähltseins und das der Außergewöhnlichkeit betonen. Auch hier handelt es sich vorwiegend um fremdsprachige Periphrasen: Der 19jährige Spanier personifiziert die neue Klasse der „Seleccion “,die seit 25 Spielen unbesiegt ist: […] (DW – 61/147/28/1) Das mußte selbst Pele erfahren, der während der WM 2002 die Spielweise der Selecao kritisiert hatte. (DW – 61/151/29/1) 116 Im Gegenteil: Erstmals seit 1996 stand die “Nati” wieder in der WM- Endrunde. (DW- 61/134/28/1)242 Unruhen könnten derzeit höchstens entstehen, wenn die „Black Stars “ genannte Nationalelf in der schweren Vorrundengruppe E scheitern sollte. (DW – 61/134/30/4) Diese Periphrasen betonen also die außergewöhnliche Lage der Nationalmannschaft und behaupten so eigentlich, dass die Spieler außergewöhnlich talentiert sind, indem sie zu dieser Mannschaft gehören. Die genannten gemeinsprachlichen Periphrasen weisen sehr oft eine gewisse sprachliche Komplexität auf, weil sie wegen ihres fremdsprachlichen und ausgeprägten fußballerischen Charakters nur für Sachverständige verständlich sind. Diese Sonderstellung wird am besten durch das nächste Beispiel illustriert: Als einziger Profi hat sich bislang Alessandro del Piero zu Juventus bekannt: „Ein Gentleman verläßt seine Dame nicht “, hat er gesagt. (DW – 61/145/30/1) Auf dem ersten Blick scheint dieser Satz für einen Fußballlaien durchaus normal zu sein, aber diejenigen, die mit der Fußballsprache vertraut sind, bemerken unmittelbar die subtile Referenz. Die Dame, auf die hier angespielt wird, weist nämlich auf eine bestimmte Fußballmannschaft, nämlich FC Juventus Turin, hin. Dieser Verein wird nämlich die Alte Dame genannt und so wird dem Leser hier ein elaboriertes Wortspiel geboten, indem sowohl auf die Beziehung zwischen Gentleman und Dame als auf die Beziehung zwischen Del Piero und (seinem Arbeitgeber) Juventus Turin angespielt wird. Für ein gutes Verständnis der Fußballberichterstattung, und vor allem der gemeinsprachlichen Periphrasen, benötigt man zuerst erhebliche Kenntnisse des Fußballspiels, der Fußballwelt und bestimmt der Fußballsprache. 5.3.3. Endbilanz Innerhalb der von uns untersuchten WM-Berichterstattung der „Welt“ können wir einigermaßen behaupten, dass es hier ein fragiles Gleichgewicht zwischen individuellen und gemeinsprachlichen Periphrasen gibt. Die individuellen Periphrasen bieten dem Leser anspruchslos und ohne weiteres Auskünfte über Spieler, Trainer und Mannschaften. Diese Periphrasen weisen oft auf dieselben Informationselemente hin, und sind sprachlich auch nicht wirklich innovativ, weil sie, aus sprachökonomischen 242 Die Nati ist eine Periphrase für die Schweiz, und ist eine Abkürzung von Nationalmannschaft, was also einigermaßen die Ausnahmestellung der Spieler dieser Nati betont. 117 Gründen, dazu verpflichtet sind, immer dieselben festen Formulierungen zu verwenden. Dazu sind sie meistens auf die Regelsprache des Fußballs angewiesen, weil sie objektive und von den Fußballregeln festgelegte Informationen erteilen. Obwohl diese Periphrasen für die Fußballberichterstattung und für die Mitteilung bestimmter Auskünfte unentbehrlich sind, können sie sehr monoton und einfallslos wirken. Deswegen versuchen die Fußballberichterstatter der “Welt”, ihre Sprache etwas attraktiver und expressiver zu gestalten, indem sie die eher langweiligen Fakten, die mittels individueller Periphrasen mitgeteilt werden, mit den expressiveren gemeinsprachlichen Periphrasen abwechseln. Diese Periphrasen sind also viel attraktiver und abwechslungsreicher – unter anderem wegen der Anwesenheit vieler fremdsprachiger Elemente – aber sie sind auch nicht völlig unproblematisch. Die gemeinsprachlichen Periphrasen setzen beim Publikum nämlich schon erhebliche Fußballkenntnisse voraus, ohne die es für den Leser unmöglich ist, die Periphrasen zu verstehen. Diese Periphrasen tragen also einerseits zur größeren Expressivität aber andererseits auch zur größeren Komplexität der Fußballberichterstattung bei. Neben dieser größeren Komplexität der gemeinsprachlichen Periphrasen kann eine zu weitläufige Verwendung dieser Periphrasen zum Übermaß und zur Übertreibung führen, was der Fußballberichterstattung schaden würde. Daher versucht man in der WM-Berichterstattung der “Welt” die Anzahl von gemeinsprachlichen Periphrasen zu beschränken (sie umfassen nur 5 % der gesamten Periphrasen), um so zu einem Gleichgewicht zwischen sprachlicher Expressivität und objektiver Informativität zu kommen. 6. Fazit Aus der vorliegenden Arbeit hat sich herausgestellt, dass die Periphrasen innerhalb der Fußballberichterstattung eine wichtige Rolle erfüllen. So sind sie einerseits sehr wichtig für die Informationenvermittlung dieser Berichterstattung und andererseits tragen sie auch zur größeren Expressivität und sprachlichen Originalität bei. Als sprachliches Phänomen sind sie auch sehr auffällig in dieser Fußballberichterstattung, vor allem wegen des klaren Unterschieds zwischen den individuellen und den gemeinsprachlichen Periphrasen, die auch einigermaßen die Entwicklung der Fußballberichterstattung in den Printmedien unter Druck des Fernsehens symbolisieren. 118 Indem das Fernsehen sich immer mehr als wichtigste Quelle der Erstinformation der Fußballberichte entwickelt, werden die Printmedien dazu gezwungen, ihre Berichterstattung anzupassen. Einerseits verlagern sie ihre Berichterstattung mehr auf Hintergrundberichterstattung und Analyse, aber andererseits versuchen sie auch, ihre Berichterstattung attraktiver und spannender zu gestalten. In dieser Hinsicht können wir das Verhältnis zwischen individuellen und gemeinsprachlichen Periphrasen erwähnen. Während die individuellen Periphrasen vor allem die Grundfunktion der Fußballberichterstattung, nämlich die Informationsvermittlung, verkörpern, stellen die gemeinsprachlichen Periphrasen viel mehr den Hang zur sprachlichen Expressivität dar, indem sie sehr oft auf übertragene und für Fußballlaien unverständliche Hervorhebungen zurückgehen. In der Zukunft liegt die Herausforderung für die Fußballberichterstattung in den Printmedien vor allem darin, ein gutes Gleichgewicht zwischen den individuellen und den gemeinsprachlichen Periphrasen, also mutatis mutandis zwischen dem Informations- und dem Unterhaltungscharakter der Berichterstattung zu finden. 119 7. Bibliographie Albrecht, Dirk und Musahl, Hans Peter: “Das Schiedsrichterphänomen – ein Syndrom?”. In: Fußballsport. Ergebnisse sportwissenschaftlicher Forschung. Theorie und Praxis der Sportspiele. Hg. von Dirk Albrecht. Berlin, München, Frankfurt am Main: Verlag Bartels und Wernitz, 1979, S.33-64 Albrecht, Dirk (Hg.): Fußballsport. 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