Psychologie in Erziehung und Unterricht

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Psychologie in Erziehung und Unterricht
Psychologie in Erziehung und Unterricht
Inhalt / Contents Heft 4/2001
Die Entwicklung räumlicher Orientierungsleistungen
bei Vorschul- und Schulkindern –
Untersuchungen mit traditionellen Ansätzen
und mit dem Kieler Laufraumlabyrinth *
Maria Lehnung
Bernd Leplow
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Martin-Luther-Universtiät zu Halle-Wittenberg
The Development of Spatial Orientation in Preschoolers and School Children –
Investigations with Traditional Paradigms and with the Kiel Locomotor Maze
Summary: We investigated the development of spatial orientation in children aged 5, 7, 10, and
12 years, N = 486 in 6 experiments. Spatial orientation was assessed with pointing tasks and with
the Kiel Locomotor Maze. Older children were shown to use more complex orientation strategies
than younger children in a pointing task under controlled conditions as well as in the Kiel Locomotor
Maze. In another experiment we investigated the role of active locomotion. Active locomotion
was shown to facilitate performance in an orientation task in 7-year-olds, but not in older children.
Finally we studied the possibility of training the acquisition of spatial layouts by means of virtual
reality technology (VR technology). It was shown that transfer of spatial information occured
from the simulated Kiel Maze to the real version. This has implications for its use in training.
Keywords: Children, development, spatial behavior, spatial orientation, Kiel Locomotor Maze
Zusammenfassung: Orientierungsleistungen im Raum wurden bei 486 Kindern im Alter von 5, 7,
10 und 12 Jahren in sechs Experimenten mit Aufgaben zum Richtungsschätzen und mit dem Kieler Laufraumlabyrinth untersucht. Ein Entwicklungstrend hin zu komplexeren Orientierungsleistungen konnte in den unter kontrollierten Bedingungen durchgeführten Aufgaben zum Richtungsschätzen wie auch im Kieler Laufraumlabyrinth nachgewiesen werden. Des Weiteren wurde
die Bedeutung der Motorik und der aktiven Lokomotion für den Erwerb räumlicher Anordnungen
untersucht. Bei der Bewältigung komplexer Raumorientierungsaufgaben erwies sich die aktive
Bewegung bei 7-Jährigen, aber nicht bei älteren Kindern als förderlich. Schließlich wurde die
Möglichkeit computergestützter Trainingsmethoden mit der Technologie der virtuellen Realität
erfasst. Es konnte gezeigt werden, dass komplexe Orientierungsaufgaben hiermit erfolgreich
trainiert werden können.
Schlüsselbegriffe: Kinder, Entwicklung, räumliches Verhalten, räumliche Orientierung, Kieler
Laufraumlabyrinth
Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2001, 48, 246 – 261
© Ernst Reinhardt Verlag München Basel
Entwicklung von Strategien und Kompetenzen
in der räumlichen Orientierung und in der Raumkognition:
Einflüsse von Geschlecht, Alter, Erfahrung und Motivation
Eva Neidhardt, Sigrid Schmitz
Universität Marburg
Development of Strategies and Competencies in Environmental Orientation
and Cognition: Influences of Gender, Age, Experience and Motivation
Summary: Pointing accuracy, sketch maps and walking speed in a three-dimensional maze were
investigated for 22 primary school children. Hints for the development of two different orientation
patterns were found: a landmark pattern, relating landmark preference, orientation anxiety and
good performance in landmark positioning, and alternatively a survey pattern, characterized by
a larger and more connected daily action radius, higher scores in speed motivation, and better
pointing accuracy. Girls seem to develop more into the landmark pattern, while boys apparently
grow more into the survey pattern.
Keywords: Primary school children, orientation patterns, gender differences, orientation anxiety,
action radius, landmark positioning, pointing accuracy
Zusammenfassung: In einem dreidimensionalen begehbaren Labyrinth wurden Zeigeleistungen,
Raumkarten und Gehgeschwindigkeit bei 22 Grundschulkindern erhoben. Es ergaben sich Hinweise
auf die Ausbildung unterschiedlicher Orientierungs-Muster: einerseits ein Landmarken-Muster,
in dem Landmarkenpräferenz, hohe Orientierungsängstlichkeit und gute Landmarkenpositionierung
zusammen auftreten, und andererseits ein Übersichts-Muster, in dem ein größerer und stärker
vernetzter Aktionsraum im Alltag mit höherer Geschwindigkeitsmotivation und besseren Zeigeleistungen im Labyrinth zusammenfallen. Eine Zuordnung der Mädchen zum Landmarken-Muster
und der Jungen zum Übersichts-Muster scheint sich anzudeuten.
Schlüsselbegriffe: Grundschulkinder, Orientierungs-Muster, geschlechtsbezogene Unterschiede,
Orientierungsängstlichkeit, Aktionsraum, Landmarkenpositionierung, Zeigeleistungen
Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2001, 48, 262 – 279
© Ernst Reinhardt Verlag München Basel
Zum Einfluss des Wohnviertels auf die Raumvorstellung
und die kognitiven Landkarten von 7- bis 12-Jährigen
Claudia Quaiser-Pohl
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
The Effect of the Neighborhood on the Spatial Abilities and
the Cognitive Maps of 7 to 12-Year-Old Children
Summary: Using a quasi-experimental design, the study compares the spatial cognition of 438 children enrolled in the 2nd, the 4th and the 6th grades living in four different neighborhoods in Magdeburg, East-Germany. Different factors of spatial ability were measured by standardized tests
(water-level task, rod-and-frame test and mental rotation test). Children’s cognitive maps of
the neighborhood were investigated by sketch maps. Data on the spatial behavior of the children
were gathered by semi-structured interviews. Results showed significant age and gender differences with regard to spatial-test performance and concerning the sketch maps of the neighborhood, but also differences between the neighborhoods. Children living in a neighborhood with
large and geometrically organized cube-shaped apartment buildings showed the best results in
both fields of spatial cognition, children from the old-town neighborhoods the worst. On the one
hand, results support the positive influence of intensive spatial behavior on the spatial representations of children. On the other hand, there are hints showing that features of the neighborhood
like route angularity and the shape of the buildings have an impact on spatial abilities, too.
Keywords: Spatial ability, cognitive maps, spatial behavior, neighborhood, childhood
Zusammenfassung: Die Studie vergleicht in einem quasi-experimentellen Design das räumliche
Denken von 438 Schülerinnen und Schülern der 2., 4. und 6. Klasse aus vier von der Bebauungsstruktur sehr unterschiedlichen Stadtteilen Magdeburgs (Plattenbausiedlung, Einfamilienhausbebauung, städtische Altbauviertel). Standardisierte Verfahren (Wasserspiegelaufgabe, Rod-andFrame-Test und Mental-Rotation-Test) erfassten dabei unterschiedliche Dimensionen der Raumvorstellungsfähigkeit. Außerdem wurden die kognitiven Landkarten der Kinder von ihrem
Wohnviertel über „sketch maps“ operationalisiert und Daten zum räumlichen Verhalten der Kinder
mit Hilfe von halb-strukturierten Interviews gewonnen. Es zeigten sich signifikante Alters- und
Geschlechtsunterschiede in Bezug auf die Leistungen in den Raumvorstellungstests und bei den
räumlichen Repräsentationen des Wohnviertels, aber auch Unterschiede zwischen den Stadtteilen.
Die Kinder aus der Plattenbausiedlung schnitten in beiden Bereichen besonders gut ab, während
die Kinder aus den Altbauvierteln die schlechtesten Leistungen zeigten. Die Ergebnisse weisen
zum einen die positiven Auswirkungen intensiven räumlichen Verhaltens auf die räumlichen
Repräsentationen von Kindern nach. Zum anderen zeigen sie, dass die Raumvorstellungsfähigkeit
durch baulich-architektonische Merkmale des Wohnviertels wie die Geradlinigkeit und Rechtwinkligkeit der Gebäude beeinflusst wird.
Schlüsselbegriffe: Raumvorstellung, kognitive Landkarten, räumliches Verhalten, Wohnviertel,
Kindesalter
Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2001, 48, 280 – 297
© Ernst Reinhardt Verlag München Basel
Die Entwicklung des Landkartenverständnisses bei Kindern:
Forschungsstand, methodische Überlegungen
und ein neuer Untersuchungsansatz 1
Judith Glück
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin
The Development of Children’s Understanding of Maps: Literature Review,
Methodological Considerations, and a New Measurement Approach
Summary: Map use is a complex skill that comprises several components; accordingly, the development of children’s map understanding and map use is a complex and temporally extended process.
The present article first reviews methods of studying children’s understanding of maps and discusses
the implications of different approaches. Then, using Piaget’s theory as a starting point, the current
evidence about development and acquisition of aspects of map understanding in preschool and
early school age is reviewed. Finally, a new item material for the systematic assessment of various
components of map understanding is introduced.
Keywords: Spatial ability, map use, spatial orientation, preschool age
Zusammenfassung: Der Umgang mit Landkarten ist eine komplexe Fertigkeit, die sich aus verschiedenen Teilkomponenten zusammensetzt; dementsprechend ist die Entwicklung des kindlichen
Landkartenverständnisses ein komplexer, zeitlich ausgedehnter Prozess. Im vorliegenden Beitrag
werden zunächst verschiedene Methoden der Untersuchung des kindlichen Landkartenverständnisses und ihre Implikationen diskutiert. Danach wird – ausgehend von Piagets Theorie – ein
Überblick über den Forschungsstand zu Entwicklung bzw. Erwerb spezifischer Aspekte des Landkartenverständnisses im Vorschulalter gegeben. Abschließend wird ein neues Aufgabenmaterial
zur systematischen Erfassung der verschiedenen Komponenten des Landkartenverständnisses
vorgestellt.
Schlüsselbegriffe: Raumvorstellung, Landkartengebrauch, räumliche Orientierung, Vorschulalter
Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2001, 48, 298 – 313
© Ernst Reinhardt Verlag München Basel