Anstoss 2-05.qxd - Zum alten Eisen?

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Anstoss 2-05.qxd - Zum alten Eisen?
April 2005
Die
Zeitung
Erscheinungsort Wien
des
Vereins
„ZUM
EUR 0,50
A LT E N
EISEN?“
e . V.
EDITORIAL
W
Mitglieder,
Spender gesucht
2
April 2004
April 2004
THEMA
Die besonders geringe
Arbeitslosigkeit in Österreich oder
Die Enttarnung eines Märchens vom Herrn Arbeitsminister
Dr. Bartenstein Teil 3 der leider unendlichen Geschichte
D
ie Zahl der Erwerbsarbeitslosen steigt
von Monat zu Monat; auch Erwerbstätige fürchten immer mehr die Verarmung und den sozialen Abstieg durch den
Verlust ihrer Erwerbsarbeit. Laut einer
Spectra-Studie 1 bangen bereits 600.000
Erwerbstätige um Ihren Broterwerb und
sind damit weniger produktiv tätig.
Zusätzlich sind 312.000 Menschen
erwerbsarbeitslos gemeldet und weitere
45.000 in den berühmt-berüchtigten AMSKursen, über die wir noch berichten werden. Das macht in Summe fast eine Mio.
Österreicher (oder ein Achtel der Bevölkerung), die sich berechtigte Sorgen um
ihr wirschaftliches Überleben machen.
Das AMS hat 2004 550 Millionen Euro (!)
Abgang erwirtschaftet, d.h. die Arbeitslosenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber mussten aus
anderen Steuermitteln ergänzt werden! 2
Die Erwerbsarbeitslosigkeit, die an
sich ein Zeichen eines kranken Wirtschaftssystems ist (Menschen werden völlig unzureichend - dafür bezahlt, dass
sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen!),
kostet der österreichischen Volkswirtschaft
5,6 Milliarden Euro jährlich (!)3 und somit
mehr, als das Budgetdefizit ausmacht.
„Es ist eine immense Vergeudung
von Ressourcen und demotivierend
für alle Betroffenen“, kommentiert
Wolfgang Alteneder von Synthesis die
aktuelle Lage.“ 4
Was tut der politisch für diese krasse Fehlentwicklung Verantwortliche,
Herr Bundesminister Dr. Bartenstein?
• um die Jobsuche effizienter zu
machen, sollen zusätzlich 400 Planstellen
[beim AMS] zu Kundenbetreuung
geschaffen werden5 (ob diese 400 Planstellen tatsächlich Arbeitsplätze für die Erwerbsarbeitslosen schaffen werden, ist offenbar nicht
Gegenstand des Konzeptes, Anm. des Verf.).
• durch interne Umschichtungen und
durch die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit der AMS-Mitarbeiter
von 37,5 auf 38,5 Wochenstunden (ein Vorschlag der Wirtschaftsvertreter im sozialpartnerschaftlich besetzten Verwaltungs-
rat des AMS), soll der Mehrbedarf an Personal auf 80 Planstellen gedrückt werden 6
(was die neoliberale Aussage, dass Arbeitszeitverlängerung Arbeitsplätze
schafft, klar WIDERLEGT!).
• die Notstandshilfe wird nun doch
nicht auf die Sozialhilfe gekürzt! 7 Hier
scheint die krasse Ablehnung der deutschen „Reformen“ (sprich armutserhöhenden Verschlechterungen) namens
Hartz I bis IV doch zu einem Umdenken
geführt zu haben, denn vor einem Jahr
war auf der Netz-Hauptseite des BMWA
noch links oben als wichtigste Maßnahme
des Herrn „Arbeits“-Ministers die Überführung der Notstandshilfe in die Sozialhilfe zu lesen! Nun liest sich das streichelweich als „Notstandshilfe ist ein
schreckliches Wort“! 8 Das neoliberale
Herz des Herrn Bundesministers wird
wohl innerlich verblutet sein, bedeutet
diese Aussage doch eine Mehrausgabe
von 240 Mio. Euro, die den Ärmsten der
Armen zugute kommen! 9
• ganz im Sinne des herrschenden
Neoliberalismus zerstreut Herr Marterbauer vom Wifo allzu große Hoffnungen
auf die Verringerung der Erwerbsarbeitslosigkeit. „Wir brauchen sicher drei, vier
Jahre lang ein [Wirtschafts-] Wachstum
von rund 3 %, um den hohen Stock an
Arbeitslosen abzubauen“ 10. (woher dieses
Wirtschaftswachstum kommen soll, weiß auch
der nicht, der es wissen sollte, nämlich der Herr
Wirtschaftsminister! Anm. d. Verf.).
• 45.000 Erwerbsarbeitslose werden
(aus statistischen Gründen, da sie dann
nicht mehr als arbeitslos zählen) in Kurse
gesteckt, die qualitativ immer schlechter
werden, denn „um 13,- bis 16,- Euro/Std.
bekommen sie keinen guten Trainer“ 11
und „Bfi und Wifi strei-ken gegen das
AMS-Preisdumping“ 12. Das AMS verordnet also Kurse, die immer unbrauchbarer werden, an immer mehr Erwerbsarbeitslose, denen damit nicht geholfen
wird an immer weniger Unternehmen, die
ihre Trainer noch schlechter bezahlen können! Wahrlich ein Todeskreislauf!
Die wahren Ursachen dieser
Entwicklung sind:
Angesichts dieser unglaublichen
Konzeptlosigkeit ist der Bürger und
ganz besonders der Betroffene
völlig sprachlos!
• Sozialdumping durch die Verlagerung von Produktionen und Dienstleistungen in schlecht entwickelte Länder,
die im „globalen Wettbewerb“ eben „billiger“ anbieten müssen und daher ihren
Einwohnern keinen Wohlstand und keine Sozialleistungen bieten.
• Umweltdumping durch die Verlagerung von Produktionen und Dienstleistungen in schlecht entwickelte Länder,
die sich Umweltschutz kostenmäßig
nicht leisten können und daher die
Erzeugnisse herstellen bzw. die Dienstleistungen erbringen, die in der EU
gesetzlich nicht mehr herstell- und
erbringbar sind, jedoch zollfrei eingeführt
werden dürfen.
• Steuerdumping durch die größeren
Unternehmungen und die wohlhabenden
Bürger, denen es leichtfällt, ihr Kapital völlig legal ins Ausland zu bringen und dort
- wenn überhaupt - sehr günstig zu versteuern.
• Sozialbeitragsdumping durch die
Höchstbeitragsgrundlage von € 50.820,jährlich; bis zu dieser Grenze zahlt jeder
Mitbürger Sozialversicherungsbeiträge;
alle Einkommen über dieser Grenze zahlen keine Sozialversicherungsbeiträge
mehr!
Falls Sie mit uns angesichts dieser
unglaublichen wirtschaftlichen Fehlentwicklung über unser Konzept des
GRUNDEINKOMMENS FÜR ALLE
diskutieren wollen, laden wir Sie herzlich
zu unseren Donnerstags-Treffen ein! /bs
01 „Wirtschaftsblatt vom 22.2.05
02 „Wirtschaftsblatt vom 17.2.05
03 „Wirtschaftsblatt vom 10.2.05
04 ebenda
05 „Wirtschaftsblatt vom 17.2.05
06 ebenda
07 „Kurier“ vom 5.2.05
08 ebenda
09 durchschnittliche Notstandshilfe etwa EUR 500/Monat;
EUR 200,-/Monat mal 12 Monate ergibt je Betroffenem
EUR 2.400,-/Jahr an geringerer Armut; mal 100.000
Langzeiterwerbsarbeitslosen ergibt o.a. Betrag
10 „Wirtschaftsblatt“ vom 9.2.05
11 „Wirtschaftsblatt“ vom 26.3.05
12 ebenda
3
ERLEBNISWELT
April 2004
„Wer nicht erlebt hat, was uns widerfährt,
der wird es nicht glauben.“
Dieser Satz, gefallen in einer Diskussion von Langzeitarbeitslosen, war für mich der
Auslöser, diesen Bericht zu schreiben. In ihm sind die Erfahrungen einer ganzen Reihe von
Personen, einschließlich von mir selbst, verarbeitet. Ich räume gerne ein, dass der eine oder
die andere, vor allem wenn der Kontakt mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) nur kurz war,
Erfreulicheres erlebt hat, als hier dokumentiert ist. Trotzdem sind es authentische Berichte,
die nicht wegdiskutiert werden können.
SYMBOLFOTOS:FOTOSTUDIO HASLINGER
I
4
m öffentlichen, politischen Diskurs ist
die soziale Erfahrung der Arbeitslosen
mit dem AMS weitgehend ausgeschlossen. Dass gewisse Kreise Interesse haben,
Zerrbilder über Arbeitslose in Umlauf zu
setzten, verseht sich von selbst. Aber auch
bei linken und kritischen politischen Kräften, die die Arbeitslosigkeit ehrlich als echtes Problem, und nicht als probates Mittel,
Druck auf die noch Arbeitsplatzbesitzenden auszuüben, auffassen, fehlt oft jedes
Wissen um die Vorgänge im AMS.
Immerhin ist das AMS eine Institution, die
das Lebensschicksal von über einer viertel Million Menschen verwaltet.
Es ist eine Sache, sich Gedanken über
die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu
machen, politische Vorschläge zu entwikkeln oder Maßnahmen vorzuschlagen.
Eine andere Sache ist es, die Politik des
AMS unter die Lupe zu nehmen. Hier
herrscht auch bei linken und oppositionellen Funktionären oft blankes Unwissen und völlige Ahnungslosigkeit, was
eigentlich hinter den geschlossenen Türen
der Beratungszimmer geschieht. Irgendwie scheint der Irrglaube verbreitet zu sein,
dass AMS würde halt offene Stellen vermitteln, ansonsten Arbeitslose durch Schulungen weiterbilden. Und, so wird unausgesprochen hinzugefügt, was sei daran
schon so problematisch. Die Kritik bezieht
sich in der Regel
allein auf den
Punkt, dass die
Kursmaßnahmen
die Arbeitslosenstatistik verfälschen würde. Diese Sichtweise ist
nicht nur bis zu
Lächerlichkeit verkürzt, sie zeigt vor
allem den Ausschluss der sozialen
Erfahrung.
Wer so denkt, hat
seit Jahrzehnten kein Arbeitsamt als Betroffener betreten. Ohne Bezug auf die soziale Erfahrung wird ein steriler, von allem
Erleben gereinigter politischer Diskurs
über die Arbeitslosigkeit geführt, in dem
die wirklichen Menschen, ihre Erlebnisse,
Befürchtungen und Ängste nicht mehr
vorkommen. Wer arbeitslos ist, ist stigmatisiert. Man seht im Schatten von
Arbeitsunwilligkeit, Schmarotzertum und
persönlicher Unfähigkeit. Und wer arbeitslos ist, kennt das aus seinem Alltag ganz
genau. Doch der soziale Ort, an dem sich
die Abwertung konkret und mit praktischen Konsequenzen vollzieht, ist die Institution AMS. Wer über Arbeitslosigkeit
spricht ohne das AMS mit einzubeziehen,
verliert an Glaubwürdigkeit.
„. . . den Fuß in der Türe . . .“
Wer Räume des Arbeitsmarktservices
betritt ist von eine Flut von Plakaten und
Broschüren umgeben, in denen „Kundenorientiertheit“ und „Problemlösungskompetenz“ signalisiert werden. In wohlwollender, ja salbungsvoller Sprache ist
von „Hilfestellung“, „Unterstützung“ und
„sinnvollen Maßnahmen“ die Rede.
Sobald sich die Türe des Beratungszimmers geschlossen hat und man dem
Betreuer alleine gegenüber sitzt, sehen die
Dinge bald ganz anders aus. Was nun ver-
handelt wird, sind nicht ein paar hundert
Euro im Monat, ist nicht die Suche nach
einem sinnvollen Arbeitsplatz, sondern
die Durchsetzung eines perfides Kalküls,
das man zuerst gar nicht recht glauben
kann. Tatsache ist: Das AMS kann keine
Arbeitsplätze anbieten, die der Ausbildung, der Berufserfahrung, dem Interesse und der Motivation der Arbeitsuchenden entsprechen - und die Beamten wissen das auch. Je länger man arbeitslos ist,
desto klarer erkennt mensch, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen offenbar einen
anderen Zweck erfüllen, als jenen, den die
Hochglanzprospekte suggerieren. Als
erster Schritt wird unmissverständlich klar
gemacht, dass der Arbeitsplatz nach
Wunsch eine Illusion sei, die man sich
rasch abzuschminken hätte. Nach und
nach zeichnet sich das eigentliche Kalkül
der Gespräche, Vorschläge und Maßnahmen ab, die einem unbefangenen Beobachter als nicht zielführend, ja unsinnig
erscheinen müssen. Die Arbeitsuchenden
sollen dazu gebracht werden, jedes Kriterium für die Arbeitsplatzwahl, jeden
Anspruch, jeden Wunsch nach einem
bestimmten Arbeitsplatz aufzugeben und
dem Credo beizupflichten, jeder Arbeitsplatz, sei er noch so mies, schlecht bezahlt
und weit vom Wohnort entfernt, sei besser als gar keiner. Darum kreist die sogenannte „Betreuung“ durch die Beamten
des AMS in Wirklichkeit. Widerspruch
und Einwände werden nicht geduldet.
Wer keine Einsicht zeigt, dem drohen
Sanktionen. Ein beliebtes Mittel, Arbeitslose zu schikanieren, sind Kurse. Bei diesen Kursen geht es immer weniger um
Vermittlung von beruflichen Qualifikationen, sondern um die Indoktrination
marktkonformener Weltanschauungen,
schlicht um Gehirnwäsche. Vor dem
Hintergrund primitivster neoliberaler Positionen soll dem Arbeitsuchenden eingetrichtert werden, dass sein Schicksal einzig und allein in seinen Händen liegt. Wer
April 2004
zu äußern wagt, dass das Problem der
Arbeitslosigkeit auf gesellschaftlicher Ebene bekämpft werden muss, wird automatisch zum Querulant und dokumentiert damit seine heimliche Arbeitsunwilligkeit. Mit subtilen Methoden wird den
Arbeitslosen eingehämmert, sie müssten
erkennen, dass sie eigentlich von der
Gesellschaft durchgefütterte Problemfälle seinen. Freilich ertönt auch die frohe Botschaft: „Wichtig ist, den Fuß in der Türe
zu haben“. Das heißt im Klartext: Irgend
ein Job, sei er noch so übel und miserabel bezahlt, sei besser als gar keiner . . .
„Notwendige Dequalifikation“
Als besondere Pikanterie am Rande
muss erwähnt werden, wer und zu welchen Bedingungen diese Kurse hält. Oft
sind es selbst Langzeitarbeitslose, die, auf
Basis von Wertverträgen, Arbeitslosen
erklären sollen, wie sie ihrem Schicksal
entrinnen können. Ich kenne einige Personen, bei denen es sich im letzten
Moment entschieden hat, ob sie den selben Kurs leiten oder ihn konsumieren
müssen. Ablehnung von Kursen zieht die
Streichung des Bezugs für einige Wochen
nach sich; damit wird auch ganz offen
gedroht. Qualifizierte Personen, die den
Berufsschutz verloren haben, werden ohne
Debatte an die absurdesten Stellen vermittelt. „Notwendige Dequalifikation, um
die Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen“ lautet die offizielle Sprachregelung
- praktisch bedeutet dies die völlige Ignoranz gegenüber den Fähigkeiten, Interessen, ja der Persönlichkeit des Arbeitsuchenden. Die Rücksichtslosigkeit und Brutalität des Vorgehens kann am besten an
Beispielen demonstriert werden. Einer ausgebildeten und preisgekrönten Musikerin
und Komponistin wurde ungerührt die
Stelle einer Regalbetreuerin in einem
Supermarkt angeboten, einem langjährigen Universitäts-Lektor eine Kellnerstelle in Baden, trotz seines Wohnorts in Wien.
Einem ausgebildeten Tischler eine Stelle
als Abwäscher, inklusive ein täglicher
Arbeitsweg von drei Stunden. Diese Beispiele sind keine Einzelfälle und könnten
beliebig verlängert werden. Geäußerte
Bedenken, die angebotene Arbeitsstelle
würde ja nicht im Geringsten der eigenen
Person entsprechen, werden zynisch mit
dem Hinweis auf zu leistende Flexibilität
und der Drohung mit Bezugsstreichung
quittiert. Argumente, die Annahme einer
besonders unqualifizierten Tätigkeit würde das Resultat jahrelanger Ausbildung in
Frage stellen und in weiterer Zukunft das
ERLEBNISWELT
Erreichen einer entsprechenden Tätigkeit
nachhaltig gefährden, werden als Widerspenstigkeit und Arbeitsunwilligkeit ausgelegt. Unmissverständlich wird das Aufgeben seiner eigenen Geschichte, seiner
Fähigkeiten, seiner sozialen Identität gefordert. Diese gängige Praxis betrifft alle sozialen Gruppen, Männer wie Frauen. Indem
blindwütig Menschen an offene Stellen
vermittelt werden, die auf sie passt wie
die berühmte Faust auf das Auge, muss
bei den potentiellen Arbeitgebern und in
Folge in der Öffentlichkeit der Eindruck
entstehen, Arbeitslose seien an Anstellungen gar nicht interessiert. Das wiederum hat zur Folge, dass Arbeitgeber, die
engagierte und interessierte Personen
suchen, offene Stellen den Arbeitsämtern
nicht melden. Durch die Vermittlungspraxis des AMS finden sich letztlich nur
Jobs im Angebot, die, höflich ausgedrükkt, nicht wirklich arbeitsmarktfähig sind.
Nur wer diesen Mechanismus kennt,
weiß, warum die Zuweisung von Vorstellungsterminen de facto konterproduktiv und als Schikane zu werten ist.
Es wäre naiv zu glauben, das AMS
wüsste das alles nicht. Ebenso ist die praktische Erfolglosigkeit diverser Kursmaß-
nahmen bekannt. Die in der Öffentlichkeit
immer wieder geäußerte Meinung, die
Kurse sein dazu da, die Statistik zu beschönigen, ist eben nur die halbe Wahrheit.
Auch wenn die Maßnahmen keineswegs
dazu führen, Personen an sinnvolle
Arbeitsplätze zu vermitteln, sie haben
durchaus einen Sinn. Nämlich das Individuum so lange weich zu klopfen, bis es
bereit ist, wirklich jede Arbeit zu allen
Bedingungen anzunehmen. Wirtschaft,
was wünscht du dir mehr! Der Sinn dieser an sich sinnlosen Befehle ist es, die
Arbeitslosen ständig auf Trab zu halten
mit dem Kalkül, irgendwann wird sich
der Arbeitslose vom Bezug abmelden und
nicht mehr in der Statistik aufscheinen,
egal wie, egal welchen Job er irgendwo
organisiert. Beliebt ist auch die Ermunterung, sich „selbständig“ zumachen, das
heißt fast immer ohne notwendiges Kapital und Erfahrung, freier Unternehmer zu
spielen. Auch dafür gibt es Kurse.
Ohnmacht und Angst
Sicher treffen die in diesem Bericht
festgehaltene Erfahrungen nicht auf alle
in gleichem Maße zu. Die gründlich
geschulten Beamten gehen sehr differenziert vor. Jüngere Personen, die nur wenige Wochen arbeitslos sind und als leicht
vermittelbar eingeschätzt werden, werden
andere Erfahrungen machen, als jene, die
als Problemfälle gebrandmarkt werden.
Und Problemfall ist man leicht, die „falsche“ Ausbildung, sogenannte Überqualifikation, längere Arbeitslosigkeit, ältere
Menschen, alleinstehende Frauen mit Kindern - schon bekommt man Macht und
Willkür zu spüren. Über Ohnmacht und
Angst spricht mensch nicht gerne. Aber
es soll auch einmal gesagt werden: Aus
zahlreichen Gesprächen und auch aus
eigener Erfahrung weiß ich, welch psychischen Druck es bedeutet, dem sogenannten Betreuer ohnmächtig ausgeliefert zu
sein. Man wird zu Aktionen gezwungen, die man
aus tiefster Überzeugung
für sinnlos, ja konterproduktiv hält. Man wird
gezwungen, sich für Jobs
bewerben, obwohl man
selbst weiß - und zumeist
auch der potentielle
Arbeitgeber, so er über
einen Funken Menschenkenntnis verfügt - , dass
man für diese Tätigkeit
einfach nicht geeignet ist.
Das hinterlässt Spuren, den Stachel des
Befehls. Überhaupt Kriterien für seinen
möglichen Arbeitsplatz zu entwickeln, gilt
als lächerlich, ja Arbeitsunwilligkeit. Das
Bedrückende ist die Ausweglosigkeit, in
der sich die Arbeitslosen befinden. Im
gesellschaftlichen Normalfall befindet sich
das Individuum in einer Situation, die es
aus freier Entscheidung beenden kann.
Hält man seinen Arbeitsplatz nicht aus,
besteht die Option der Kündigung. Wird
die Beziehung zur Hölle, ist Trennung
immer noch möglich. Solange man jedoch
ohne Arbeit und Einkommen ist, kann
man dieser Institution nicht entfliehen. Die
psychische Reaktion der Arbeitslosen ist
5
April 2004
ERLEBNISWELT
unterschiedlich. Manche reagieren mit
Zynismus, andere mit Angst, dritte geraten in Panik und treffen Entscheidungen,
die an sich unsinnig sind, weitere reagieren mit Überanpassung und vorauseilendem Gehorsam. „Eigentlich sind wir Leibeigene des Staates“ formulierte eine Langzeitarbeitslose in einem Gespräch. Dem
kann ich nur zustimmen.
Was tun?
Linke Politik kann nicht länger
ausschließlich „die Arbeitslosigkeit
bekämpfen“ auf ihre Fahnen schreiben,
gleichzeitig das AMS und seine Mechanismen als blinden Fleck ignorieren.
Diese Haltung arbeitet dieser Institution
und ihrer Macht in die Hände. Sie spart
einen, ja den Mechanismus der Disziplinierung und Unterdrückung aus der
Kritik aus. Wir alle wissen nur zu gut,
wie die Drohung mit der Arbeitslosigkeit in den Betrieben wirkt, wie diese
Drohung benutzt wird, um die Situation
für alle Werktätigen zu verschärfen.
!
Besteht die Antwort einzig und allein in
der Forderung nach Arbeitsplätzen, so
sind die Arbeitslosen weiter schutzlos
der Politik der AMS ausgeliefert. Diese
Situation ist unerträglich. Ich halte es hier
nicht für sinnvoll, einen Forderungskatalog im Detail vorzulegen. Ich persönlich würde für Auslösung des AMS und
für Freiwilligkeit bei Beratung und Kursen plädieren. Doch meine Stimme ist
nur eine unter vielen. Notwendig ist,
dass die Arbeitslosen ihren reinen
Objektstatus überwinden. Wie bei jeder
stigmatisierten und heterogenen Gruppe ist Selbstorganisation sehr schwierig
und existiert nur in Ansätzen. Realistisch
gesehen, wird es in Österreich nicht so
rasch eine machtvolle autonome Arbeitslosenbewegung geben. Zu unterschiedlich sind die Interessen, zu verschieden
die Lebensperspektiven. Vor allem:
Arbeiterkammer, Sozialdemokratie und
Gewerkschaften haben wenig Interesse,
Arbeitslose zu organisieren. Offiziell hat
ein Arbeitsloser nur ein Interesse zu
Versteuerung des Arbeitslosenentgeltes
und der Notstandshilfe - TATSACHE?
Ja, es ist tatsächlich wahr!
Das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe wird der
Lohnsteuerbasis zugerechnet, wenn im Kalenderjahr
ZUMINDEST EIN Erwerbseinkommen vorlag.
Wer also am 15. 12. des Kalenderjahres eine Erwerbstätigkeit annimmt, darf sein Arbeitslosengeld bzw. die Not-
!
6
haben, nämlich rasch einen Arbeitsplatz
zu bekommen und sonst nichts. Doch
die hohen Arbeitslosenzahlen in Europa werden nicht sinken. Arbeitslose wird
es auch in Zukunft geben. Ob man
Arbeitslosigkeit ehrlich bekämpft oder
zynisch als Drohung für die Werktätigen akzeptiert, macht für die Situation
der Arbeitslosen keinen großen Unterschied, ob man es wahrhaben will oder
nicht. Gemeinsam mit den Arbeitslosen
gilt es, Rechte zu fordern. Etwa das
Recht, „Nein“ zu einem angebotenen
Arbeitsplatz zu sagen, das Recht Kurse
abzulehnen, das Recht, nach längerer
Arbeitslosigkeit Urlaub konsumieren zu
können. Man mag diesen Vorschlägen
ablehnend oder zustimmend gegenüberstehen, entscheidend ist, dass der
Alltag im AMS endlich aus jenem Dunkel geholt wird, in dem Herrschaft und
Willkür so prächtig gedeihen. Wenn dieser Artikel dazu ein Anstoss ist, hat er
seinen Zweck erfüllt.
Verfasser ist der Redaktion bekannt
standshilfe des ganzen Jahres versteuern! Zuzüglich einer
geringfügigen Beschäftigung kommt so mancher doch dorthin, tatsächlich Lohnsteuerabzüge zusammenzubringen!
Eine Tatsache, die wieder einmal die Ärmsten der Armen
auf Kosten der Wohlhabenden benachteiligt.
Sozialstaat Österreich? Mitnichten!
Geringfügig Beschäftigte, aber höchst
ausgebeutete, AUFGEPASST!
Uns werden Fälle bekannt, dass Handelsketten (wir
sagen nicht wer und welche Fachrichtung!) Mitarbeiter als
Aushilfskräfte zur stundenweisen Beschäftigung auf Abruf
suchen.
Erwerbsarbeitslose müssen diese Angebote annehmen,
da sie sich wenige Euro Mehreinnahmen versprechen, alles
besser, als vom Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe
NICHT überleben zu können! Der geringfügig Beschäftigte wird vom Arbeitgeber bei der Sozialversicherung angemeldet und nach Ablauf des Bedarfes (z.B. Ende der Inventur) sofort wieder abgemeldet, z.B. nach neun Tagen. In diesen neun Tagen hat der geringfügig Beschäftigte aber
vielleicht mehr verdient, als ihm der Gesetzgeber gestattet!
Es gilt nicht nur die Grenze von 323,46 Euro im Monat,
sondern die Grenze von 24,84 Euro im Tag1 zu beachten!
Das AMS überprüft diese Einnahme, und falls diese - wie
in unserem Fall - in neun Tagen, davon sieben Werktage,
7* 24,84 = 173,88 Euro überschreitet, wird für genau
diese neun Tage das Arbeitslosengeld/die Notstandshilfe gestrichen!
Eine Tatsache, die wieder einmal die Ärmsten der Armen
auf Kosten der Wohlhabenden benachteiligt.
Sozialstaat Österreich? Mitnichten!
1
http://www.sozialversicherung.at/esvapps/page/page.jsp?p_pageid=
110&p_id=5&p_menuid=511&pub_id=500
April 2004
THEMA
Gedränge am Arbeitsamt
Die Arbeitsmarktstatistik verheißt nichts Gutes. Noch nie gab es in der Zweiten
Republik so viele Arbeitslose. Und das quer durch alle Bevölkerungsschichten und
Einkommensgruppen. Sowohl Akademiker als auch der große Bereich des Mittelstandes ist immer mehr von Arbeitslosigkeit betroffen. Von Georg Widerin
Armutsgefährdet
„Der sogenannte Mittelstand in
Österreich ist nicht nur zunehmend von
Arbeitslosigkeitsphasen betroffen, sondern auch von Armutsgefährdung.
Gebot der Stunde ist also nicht nur eine
aktive Arbeitsmarktpolitik, sondern
auch Sozial- und Umverteilungspolitik“,
erläutert Monika Vana, stellvertretende
Klubobfrau der Grünen im Wiener Rathaus. „Die Österreicher müssen Reallohnkürzungen hinnehmen, während
gleichzeitig Beiträge erhöht und Selbstbehalte eingehoben werden. Den Menschen bleibt immer weniger Geld in der
Tasche. Armut und Armutsgefährdung
nimmt in Österreich enorm zu“, ergänzt
Monika Vana.
Ein Blick auf ewig lange Wartelisten
der Schuldnerberatungen und die vollen Wartezimmer der Sozialämter gibt
Vana recht. Auch die immer größer werdende Zahl der so genannten „Working
Poor“, die sich mit sogenannten McJobs
mehr schlecht als recht über Wasser halten, bestätigen die These, dass Arbeit
schon lange nicht mehr vor Armut
schützt.
Blick zum Nachbarn
D
ie vor wenigen Tagen veröffentlichte Arbeitslosenstatistik für 2004 zeigt
einen Rekordwert bei Jobsuchenden.
Und es sind nicht mehr nur die klassischen Gruppen, die davon betroffen
sind. In Österreich ist es nun auch zunehmend der große Bereich des Mittelstandes. Dies bestätigt auch Josef Wallner,
der Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt
der Arbeiterkammer Wien: „Arbeitslosigkeit trifft keineswegs nur Randgruppen, sondern zumindest als Risiko
bereits große Teile der Kernschichten der
Erwerbsgeselischaft.“
Gespaltenes Land
Diese dramatische Entwicklung birgt
die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft. Denn wenn immer mehr Angehörige der Mittelschicht in die Gruppe
der derzeit mehr als 364.000 Jobsuchen-
den fallen und damit deutlich weniger
verdienen, geht bald ein Bruch quer
durch das Land. Die Teilung in Arm und
Reich sowie in Job-Besitzende und ]obSuchende könnte die Grundfeste unserer Gesellschaft nachhaltig erschüttern.
Dass die Arbeitslosigkeit quer über
alle Bildungs- und Einkommensschichten vor niemandem halt macht, hängt
auch mit dem Wandel der Arbeit und der
Arbeitswelt zusammen. Immer mehr
Menschen des sogenannten Mittelstandes
haben befristete Jobs. „Es gibt einen Trend
bei den Unternehmen, Arbeitsplätze
immer häufiger nicht unbefristet, sondern
befristet und ’just on demand’ anzubieten. Das führt dazu, dass zunehmend alle
Gruppen auf dem Arbeitsmarkt dem Risiko der Arbeitslosigkeit zumindest temporär und immer wiederkehrend ausgesetzt sind“, berichtet Wallner.
In Deutschland ist die Arbeitsmartksituation noch dramatischer als
hier zu Lande. Auch ’Hartz IV’ und das
gebetsmühlenartige Mantra der „IchAG“ konnten nicht verhindern, dass
Deutschland mit fünf Millionen Arbeitslosen den Nachkriegsrekord knackt.
Unsere Nachbarn befinden sich heute
fast auf dem Arbeitslosenniveau der
Weimarer Republik 1932 nach der Weltwirtschaftskrise.
„Es hat mich extrem gewundert, dass
’Hartz IV’ in Deutschland keine
Massenproteste ausgelöst hat. Doch
anscheinend ist die Schmerzgrenze noch
nicht erreicht. Wie bitte kann man heutzutage von knapp 400 Euro leben?“, fragt
sich Herr S. erstaunt. Herr S. war selbst
lange Zeit arbeitslos und ist Kassier bei
einem Selbsthilfeverein für ältere Arbeitslose. Herr S. möchte auf eigenen Wunsch
anonym bleiben.
7
April 2004
THEMA
Arbeitslos - ein Dauerlos?
Das Ausmaß der Arbeitslosigkeit ist ein humanitärer Skandal
und eine volkswirtschaftliche Idiotie.
N
eunzehn Millionen Arbeitslose in der
gesamten EU (das sind in etwa 8,9%
der unselbständig Beschäftigten gemessen nach unterschiedlichen Methoden)
und davon rund 400.000 Menschen in
Österreich (das sind 7,1% der unselbständig Erwerbstätigen) bedeuten noch mehr
Menschen (infolge der Familienangehörigen), die an finanziellen Schwierigkeiten und seelischen Problemen leiden.
Dieses zivilisatorische Versagen der
modernen kapitalistischen Gesellschaft ist
wahrlich ein unglaublicher humanitärer
Skandal. Darüber hinaus stellt dieser
Zustand durch den Teilausfall der Betroffenen als Konsumenten (Steigerung der
Inlandskonjunktur), als Steuerzahler
(Lohnsteuer, Mehrwertsteuer) und Produzierende (Steigerung des Bruttoinlandsproduktes, also des volkswirtschaftlichen Reichtums) eine ausgesprochene
volkswirtschaftliche Idiotie dar.
Noch vor fünfzehn Jahren wurde ein
solcher Zustand von allen europäischen
Politikern als absolut untragbar bezeichnet. Heutzutage wird er als bedauerlich,
aber offenbar unvermeidlich hingenommen. Das ist in erster Linie eine Folge der
ideologischen und politischen Vorherrschaft des Neoliberalismus in unserer Zeit.
Diese Ideologie begreift den Menschen
hauptsächlich als profitabel verwertbares
Teilelement im Wirtschaftsprozesses. Ist
eine Steigerung des Profits durch Freisetzung (so nobel definiert man heute das
Unglück) von Arbeitskräften möglich, dann
wird sie durchgeführt. Das ist betriebs-
8
wirtschaftlich und kurzfristig gedacht
durchaus vernünftig. Und es ist auch Teil
der Steigerung der Produktivität, also volkswirtschaftlich als ein Teilschritt der Gesamtproduktion sinnvoll. Aber vor der Zeit des
Neoliberalismus wurde als gleichrangige
volkswirtschaftliche Verpflichtung der
nächste Schritt in der Handlungskette
volkswirtschaftlicher Tätigkeit gesehen:
nämlich die Verpflichtung der Gesellschaft
(sowohl der Unternehmen als auch des
Staates) für neue Arbeitsplätze zu sorgen.
Die Idee der sozialen Marktwirtschaft
bedeutete die Verpflichtung, den Profit
auch zur Schaffung und Erhaltung der notwendigen Arbeitsplätze zu verwenden.
Der Neoliberalismus hat ein anderes
Ziel: die Umverteilung von unten nach
oben. Oder deutlich kapitalistisch gesagt:
die ausschließliche Profitsteigerung.
Natürlich ist dieses Ziel in einer Demokratie nicht mehrheitsfähig (weil gegen
die Mehrheit der Bevölkerung gerichtet)
und muss daher in der argumentativen
Verkleidung der objektiven Notwendigkeit dargeboten werden.
Also werden die arbeitslosen Opfer zu
Schuldigen erklärt: Sie seien nicht flexibel
genug und die Löhne an den Verhältnissen des Marktes gemessen zu hoch. Dementsprechend schauen auch die neoliberalen Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit
aus. Eine Senkung der Löhne, eine Kürzung der finanziellen Unterstützung, die
Einrichtung eines Niedriglohnsektors wird
empfohlen und bei der ersten Gelegenheit
durchgesetzt. Diese Wirtschaftspolitik verschlimmert dann die Krankheit als deren
Heilmittel sie sich ausgibt. Die Senkung
der Lohnquote (der Anteil der Löhne und
Gehälter am gesamten Volkseinkommen)
führt in der Folge zu einer Senkung der
Massenkaufkraft und daher zum Abwürgen der Inlandskonjunktur. Die weitere
Steigerung der Arbeitslosigkeit erfolgt bei
verschärfter Ausgangslage.
Den neoliberalen Hauptakteuren (vor
allem den Konzernen) macht das vorerst
wenig aus. Die unmittelbare Profitsteigerung haben sie in der Tasche und den weiteren Umsatzerfolg suchen sie im Export.
Die Europäische Union bietet dafür eine
ideale Geschäftsgrundlage. Erstens schafft
ihre neoliberale Ausgestaltung (Kapitalverkehrs-, Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Personenverkehrsfreiheit) den
Unternehmern ein faktisches Übergewicht
gegenüber den Lohnabhängigen, also günstige Möglichkeiten für Lohndrückerei.
Zweitens bringt die Erweiterung der EU
neue Absatzmärkte (als Ersatz für den
stagnierenden Inlandsmarkt) und die EU
selbst ist ein machtvoller Akteur auf dem
Weltmarkt, was die ökonomische Übervorteilung von Nichtmitgliedsstaaten
erleichtert.
Doch das schlechte Ende ist schon in
Sicht, denn der Export des Einen ist der
Import des Anderen und wenn alle vorwiegend exportieren, dann sind die Märkte bald mit Waren überfüllt. Deshalb ist
zunehmend der Verdrängungswettbewerb (das Aufkaufen von Firmen) und
nicht die Umsatzausweitung die vorherrschende Tendenz. Und das führt wiederum zur Steigerung der Arbeitslosigkeit.
Die wesentlichen volkswirtschaftlichen Daten beweisen
die Richtigkeit der hier
angeführten Beschreibung:
Während die österreichische Wirtschaft 1960 bis 1980 (also vor der neoliberalen Liberalisierung, Deregulierung,
Flexibilisierung und Privatisierung) im
Schnitt um 4,4% wuchs, sind es seit dem
EU-Beitritt nur noch 2,1%.
Während der Anteil der Löhne und
Gehälter am österreichischen Volkseinkommen seit den 70er Jahren von 73 auf
58% gesunken ist, haben die Gewinn-,
Kapital- und Selbstständigeneinkommen
von 27 auf 42% zugenommen.
Während die Neoliberalen über Standortnachteile jammern, steigt die Produktivität in Österreich und Deutschland im
Vergleich mit den wichtigen Handelspartnern und daher jagt auch ein Exportrekord den anderen. Weil seit Anfang der
90er Jahre in der EU die Reallöhne deutlich hinter der Produktivität zurückgeblieben sind, ist es zu einem Sinken der
realen Lohnstückkosten(Summe der
Kosten pro erzeugtem Produkt) und damit
zu einer höheren Gewinnentwicklung der
Unternehmen gekommen.
«
April 2004
ERWIN. H
Die Gespräche und Gedanken
des Erwin H. Na sowås, da Kärntna Laundeshauptmaun!
Då in Wien bein Heurign? Haumma wieda amoi an
Nau jå Jörg, oba wås is denn jetzt aundas wurdn, bei
Gusto auf a Viertl ? Ah so, si miassn a wengl ausspaun-
da BZÖ ? San jå eigentlich diesöbn Leit wia vurher, nua a
nan nåch die letzten Tåg. Woa do a bißl vü auf amoi, wia
poa weniga hoit. Jo, kloa, des san kane destruktiven
ma so sågt. Woascheinlich woa oba des Gründn vun ana
Elemente …
neichn Partei vü afocha, wia waun ma de
Jå sakrateifel, jetzt is er scho wieda
aundaren olle het ausseschmeißn
vaschwundn! Des hoit ma jå in Kopf net
miaßn. Woa jå scho bein Mölzer net
aus, wia ma so sågt. Amoi is er då,
so gaunz afoch. Wås haums gsågt,
daun is er wieda weg, daun is er wieda
Herr Haider ? Ah jå, des woa a
då, ah, do is er jå wieda!
destruktives Element, der
Und jetzt, Jörg, wia is denn des mit
Mölzer. I vasteh scho …
dem Schüssl? Üba den håst jå die
Wo is er denn jetzt ? Auf amoi
gaunze Zeit fuachtboa gschimpft,
is er verschwundn, der Haider. So
und jetzt auf amoi is er wieda dei
schnöll, das i des goa net gsegn
Freind? Nau kloa, hätt i vun söba drauf
håb. Oba sei Glasl steht no då.
kumman kennan, da Schüssl is ka
Vielleicht håt er jå nua aufs Häusl
destruktives Element …
miaßn. Ah! Do is er jå scho wieda.
Meina Seel, jetzt is er scho wieda weg. Oba
Oiso, wia woa des jetzt wirklich
i glaub, jetzt is er wirklich gaungan, wäu sei
Herr Haider - oda derf i Jörg sågn ? I
Glasl is a weg.
derf ? Des is sche, des gfreit mi. Oiso
Jörg, wia woa des, warum host miaßn
Herr Oba ! Zoin! Wås ?? I soi sei Rechnung a
a neiche Partei gründn ? Ah so, des
zoin ? Nau der is beinaund. Vaschwindt afoch und
woan ollas destruktive Elemente. Nau guat …
Jetzt is er scho wieda weg! Des is a bißl a mühsaum
låßt mi sei Zech zoin, wia ma so sågt ! Nau guat, woa eh
nua a anziges Viertl, oba wieso is er eigentlich gaunz
mit dera Untahoitung, waun ana dauand vaschwindn
vaschwunden? Woascheinlich håt er glaubt, daß da Wirt
tuat. Jessas! Jetzt bin i oba daschrockn, so schnö is er
a destruktives Element is und tuat jetzt an neichn Heurign
wieda kumman.
gründen. Wås was ma scho, wås so an einfoit!?
« Während die Arbeitslosen- und
Armutszahlen in Österreich gestiegen
sind, ist die Sozialquote (der Anteil sämtlicher Sozialleistungen an der Wirtschaftsleistung) seit 1996 von knapp 30 auf
28,5% gesunken.
Wenn die neoliberalen Rezepte gegen
die Arbeitslosigkeit wirken würden, hätte diese abnehmen müssen!
Die momentane Arbeitsmarktpolitik
besteht im wesentlichen im Verwalten, das
heißt Ruhighalten der Arbeitslosen. Wenn
es am notwendigen Geld fehlt, kann sie
auch kaum etwas anderes tun, denn auf
eine offene Stelle kommen zehn Arbeitslose. Da muss man sich wirklich im Bewerben und in der Selbstdarstellung üben!
Wenn wir eine soziale Marktwirtschaft
gestaltet durch einen Sozialstaat haben
wollen, dann ist eine andere Wirtschaftspolitik notwendig. Der Staat muss viel
Geld in die Hand nehmen:
Erstens um den momentan Arbeitslosen ein menschenwürdiges Auskommen
zu sichern und damit auch die Inlandskonjunktur zu stimulieren.
Zweitens um die Umschulung und
Ausbildung von hochwertigen Arbeitskräften voranzutreiben.
Drittens um durch Investitionen neue
Arbeitsplätze zu schaffen und deren Schaffung zu begünstigen. Im Bildungswesen,
in der Betreuung von älteren Mitmenschen, im Umweltschutz, in der Verbesserung der Infrastruktur haben wir eine
Reihe von Aufgaben, die nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern auch die wirtschaftliche Zukunft sichern helfen.
Der Staat hat heute das notwendige
Geld nicht, denn die Steuern auf Gewinne, Kapitalerträge und Vermögen sind zu
niedrig. Gerade dort, wo das meiste Geld
ist, wird anteilsmäßig am wenigsten
besteuert!
Auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zeigt sich wieder, die Steuerfrage ist der zentrale Punkt in der Wirksamkeit des Sozialstaates. Wenn sie nicht im
Interesse der Bevölkerung gelöst wird, ist
alles andere zu wenig. Wenn die Politik
nicht in diesem Sinne handelt, muss es die
Zivilgesellschaft mit Hilfe einer Volksabstimmung tun.
Hans und Gerhard Kohlmaier,
Steuerini, Doeltergasse 5/4/7, 1220 Wien,
Februar 2005
9
WIRTSCHAFTSPOLITIK
April 2004
Von den Widersprüchen des Staates
Von den Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Investitionen
E
s ist schon verrückt: Da ruft der Staat
die Bürger zu vermehrten Ausgaben
auf und schränkt seine eigenen ein. Da
verlangt er von den Unternehmen mehr
Arbeitsplätze und reduziert sie im eigenen Bereich. Da erwartet er von der Wirtschaft Investitionen und fährt seine eigenen herunter! In welchem Maß der Staat
in Sachen Ausgaben gegen seine eigenen
Forderungen verstößt, zeigt sich an den
Kürzungen aller Etats.
Dass er diese Kürzungen auch noch
als „Sparen“ bezeichnet, obwohl damit
im normalen Sprachgebrauch das Gegenteil, nämlich Rücklagenbildungen verstanden
werden, ist fast schon eine
Orwell’sche Meisterleistung. Mit den Folgen dieses staatlichen „Sparens“
werden wir tagtäglich auf
allen Ebenen unseres
Lebens konfrontiert, ob
bei den Ausgaben der
Gemeinden, der Länder
oder des Bundes, so dass
dies kaum weiterer Erörterungen bedarf. Doch bei
den Auswirkungen auf
Arbeitsplätze und Investitionen lohnt eine genauere Betrachtung.
Der Staat und die Arbeitsplätze
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Zieht man zu diesem Thema die offiziellen Zahlen heran, dann wurden die
Vollzeitbeschäftigten im öffentlichen
Dienst von 5,1 Millionen 1991 auf 2,9
Millionen 2003 abgebaut, also fast um die
Hälfte! Zwar war der vereinigungsbedingte Anstieg der öffentlich Beschäftigten von 3,6 auf anfangs 5,1 Millionen,
auf Grund der Praxis in der ehemaligen
DDR sicherlich überzogen. Aber selbst
wenn man diese Arbeitsplätze in den
neuen Ländern auf die westdeutschen
Relationen herunter rechnet, ergibt sich
für Ende 1991 immer noch ein realistischer Wert von 4,5 Millionen, der dann
bis Ende 2003 um 1,6 Millionen und
damit um gut ein Drittel abgebaut wurde! Das aber heißt, der Staat, der über die
hohe Arbeitslosigkeit von rund vier Millionen klagt, ist mit seinem eigenen
Arbeitsplatz-Abbau in Höhe von 1,6
Millionen daran zu 40 Prozent beteiligt!
Daran ändert sich auch nichts, wenn man
beschönigend von „Freisetzungen“ redet!
Der Staat und seine Investition
Überprüft man die öffentlichen Investitionsausgaben, dann wurden diese von
1965 bis 2003 von 12 auf 33 Milliarden
Euro auf knapp das Dreifache ausgeweitet.
Vergleicht
man
diese
Entwicklung aber mit den Steuereinnahmen, die in der gleichen Zeit von 54
auf 468 Milliarden und damit das Neunfache zunahmen, wird der relative
Rückfall der Investitionsausgaben
erkennbar. Diese unterschiedlichen Entwicklungen der Staatseinnahmen und
Investitionsausgaben werden noch deutlicher, wenn man die Milliardenbeträge in Prozenten der Steuereinnahmen
umrechnet, wie in der Grafik geschehen.
Hieraus geht hervor, dass die Investitionen, die 1965 immerhin noch bei 22 Prozent der Steuereinnahmen lagen, bis 2003
auf rund sieben Prozent abgesunken
sind. Das heißt, der Staat hat seine laufenden Investitionsausgaben, verglichen
mit 1965, auf ein Drittel herunter gefahren. Mit dieser radikalen Reduzierung
hat er zwangsläufig in der Wirtschaft
große Auftragslöcher gerissen und damit
zusätzlich die Arbeitslosigkeit erhöht!
Die Ursachen des Investitionsabbaus
Sucht man nach Gründen für diesen
Investitionsabbau, dann muss es zwangs-
läufig andere Ausgabenposten geben, die
in einem ähnlichen Umfang angestiegen
sind. Fündig wird man bei den staatlichen Zinsausgaben. Denn dieser Posten,
der langfristig im Gleichschritt mit der
Verschuldung zugenommen hat, stieg in
den 38 Jahren von 2 auf 66 Milliarden
Euro an, also auf das 33-fache und damit
dreieinhalb Mal so rasch wie die Steuereinnahmen des Staates! Gemessen an diesen Steuereinnahmen stiegen die Zinszahlungen von drei auf vierzehn und
damit um elf Prozentpunkte an, während
die Investitionen, von 22 auf zwölf Prozent fallend, um zehn
Prozentpunkte abgebaut wurden. Das aber
heißt, die steigenden
Zinszahlungen wurden
praktisch im vollen
Umfang durch Reduzierung der Investitionen ausgeglichen! Diese gleichgewichtige
Gegenläufigkeit beider
Entwicklungen geht
besonders deutlich aus
den zusätzlich in der
Grafik eingetragenen
Trendlinien hervor, die
sich etwa 1989 kreuzen.
Dabei spiegelt die
Trendlinie der Zinsen
gleichzeitig den langfristigen Anstieg der
Staatsverschuldung wider. Nun sollte
man eigentlich annehmen, dass der Staat,
auf Grund der ständigen Schuldenausweitungen, seine Investitionstätigkeit
zumindest auf gleicher Höhe gehalten
hätte, da der Umfang der jährlichen Kreditaufnahmen offiziell auf die Höhe der
Investitionen begrenzt ist. Doch wie die
Grafik zeigt, war genau das nicht der
Fall: Gemessen an Steuereinnahmen und
Gesamtausgaben wurden die Investitionen laufend verringert! Wofür aber wurden dann die ständigen Geldaufnahmen
verwendet?
Geht man dieser Frage nach, dann
zeigt sich, dass die ganzen Ausweitungen der Schulden, die sich in dem dargestellten Zeitraum auf insgesamt 1,3 Billionen Euro summieren, fast ausschließlich in den Zinsendienst geflossen sind!
Das heißt, die jährlichen Neukreditauf-
April 2004
AM ENDE
nahmen stellten praktisch nur einen
durchlaufenden Posten vom Kapitalmarkt an den Kapitalmarkt dar! Sie
waren also zu gar nichts nutze, außer,
dass sie den Reichtum der Geldgeber im
gleichen Billionenumfang erhöhten wie
die Staatsverschuldungen und damit die
Zinslasten wuchsen! Die Schwankungen
der Kurvenverläufe Neben den langfristigen Entwicklungstrends zeichnen sich
in den Kurvenverläufen deutliche
Schwankungen ab. Diese hängen vor
allem mit den Hochzinsphasen zusammen, in deren Folge sich z.B. die Zinslasten jeweils erhöhen um anschließend
wieder zu sinken. Zum Ausgleich
kommt es bei den Investitionsausgaben
dagegen eher zu umgekehrten Entwikklungen. Diese Gegenläufigkeiten sind
in der Grafik, vor allem von 1980 bis 1983
und von 1992 bis 1995, gut zu erkennen.
In Phasen niedriger Zinsen, wie von 1983
bis 1990, kommt es dagegen eher zu
parallelen Entwicklungen beider Größen. Besonders deutlich wird der relative Rückgang der Zinslasten in der Niedrigzinsphase nach 1995, der durch die
Reduzierungen der Neuverschuldungen
Ende der neunziger Jahre noch verstärkt
wurde. Dass es in diesen Jahren, trotz
deutlicher Zinslast-Absenkung, zu keinem Anstieg der Investitionen kam, zeigt
die inzwischen erreichte prekäre Lage
der öffentlichen Kassen. Dass diese
unterbliebene Belebung der öffentlichen
Nachfrage zusätzliche negative Auswirkungen auf die allgemeine Konjunkturlage hatte, steht außer Zweifel. Dabei
wird die heutige Konjunktur auch noch
von jenen Zinslasten beeinträchtigt, die
aus den fast vier Mal so hohen Schulden
der Unternehmen und Privathaushalte
resultieren. Angesichts der ständigen
Zunahme dieser Gesamtverschuldungen, die in Deutschland bereits das Dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung
erreicht haben, wirkt sich jede erneute
Hochzinsphase immer verheerender aus.
Schon ein Anstieg der Zinssätze um zwei
Prozentpunkte bedeutet gesamtwirtschaftlich einen Belastungsanstieg von
120 Milliarden Euro und alleine bei den
öffentlichen Haushalten von 27 Milliarden! Damit dürfte der Handlungsspielraum des Staates auf eine Weise eingeengt werden, die ihn zu weiteren Ausgabenreduzierungen zwingt und seine
Forderungen an Wirtschaft und Verbraucher noch widersprüchlicher macht.
Quelle: inwo.de
Also denn . . . Wer von euch möchte am billigsten arbeiten?
„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich: Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“
(Bert Brecht)
Straßenfest
Mariahilfer Straße, Ecke
Neubaugasse, 16-20 Uhr
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