10 529 Sachverhalt

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10 529 Sachverhalt
Gegenstand:
Entstehung
von
Spekulationsgewinnen
im
Rahmen
einer
Scheidungsfolgenvereinbarung
Gutachten-Nr.:
10 529
Sachverhalt:
Die Eheleute B leben seit ihrer Eheschließung am 27. April 1990 im gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann HB (im Folgenden: EM/HB) betreibt in der Rechtsform eines
Einzelunternehmens einen Zimmereibetrieb. Die Ehefrau BB (im Folgenden: EF/BB) geht einer
nichtselbstständigen Tätigkeit nach.
Das eheliche Vermögen besteht – über den Zimmereibetrieb hinaus – vor allem aus Grundbesitz; bis
in das Jahr 2001 hinein stellen sich die Eigentumsverhältnisse an dem Grundbesitz wie folgt dar: Im
Alleineigentum des EM/HB befinden sich die Grundstücke A und B. Darüber hinaus ist EM/HB
noch Miteigentümer eines Grundstücks C. Im Alleineigentum der EF/BB steht das Grundstück D.
Das Grundstück wird teils privat, teils betrieblich benutzt. Auf einem Grundstücksteil befindet sich
ein „privates Wohnhaus“, in dem EM/HB ein „eigenbetrieblich genutztes Büro“ unterhält. Der
andere Grundstücksteil dient dem Zimmereibetrieb des EM/HB als Betriebsgrundstück, auf dem
sich eine Produktionshalle befindet.
Zu Beginn des Jahres 2001 bekunden die Eheleute B die Absicht, sich scheiden zu lassen. Nach der
Trennung im März 2001 schließen sie am 1. Juni 2001 eine notariell beurkundete
Scheidungsfolgenvereinbarung mit dem Ziel, nach Ablauf des Trennungsjahres die Ehe durch
einverständliche Scheidung zu beenden. In der Vereinbarung wird im Rahmen der Regelung über die
Scheidungsfolgen für den „Zugewinnausgleich“ Folgendes festgelegt: EM/HB verpflichtet sich,
„zum Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns“ das in seinem Eigentum stehende
Grundstück A lastenfrei auf EF/BB zu übertragen. EF/BB verpflichtet sich, unter Hinweis auf einen
notariellen Vertrag vom 11. August 1992 das in ihrem Eigentum stehende Grundstück D lastenfrei
auf EM/HB zu übertragen. Bei dieser Zugewinnausgleichsregelung findet ausdrücklich
Berücksichtigung, dass EM/HB Alleineigentümer des Grundstücks B und Miteigentümer des
Grundstücks C bleiben wird.
Obwohl in der Vereinbarung vom 1. Juni 2001 schon im Hinblick auf die Verpflichtung des EM/HB
auf Übertragung des Grundstücks A an EF/BB notariell ausdrücklich festgestellt wird, dass „damit
… der Zugewinn vollständig ausgeglichen“ sei, wird diese Feststellung unmittelbar im Anschluss an
die Verpflichtung der EF/BB gegenüber dem EM/HB auf Übertragung des Grundstücks D mit
folgenden Worten noch einmal wiederholt: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der
Übertragung des Grundsbesitzes D auf den Ehemann und mit der lastenfreien Übertragung des
Grundstücks A auf die Ehefrau der erzielte Zugewinn vollständig ausgeglichen ist“.
In dem dem Zugewinn gewidmeten Abschn. I. 8. der Vereinbarung vom 1. Juni 2001 findet sich kein
Hinweis auf die Höhe der der EF/BB oder dem EM/HB zustehenden Zugewinnausgleichsforderung
im Sinne des § 1378 BGB. Vielmehr erfährt die Regelung über den Zugewinnausgleich in diesem
Abschnitt ihren Abschluss in der Erklärung der Eheleute B, dass sie „den gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft [ausschließen] und … für ihre Ehe den Güterstand der Gütertrennung“
vereinbaren.
In Vollzug der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 1. Juni 2001 erfolgt in Abschn. II. derselben
Urkunde die notarielle Beurkundung der Grundstücksüberlassungsverträge nebst Auflassung über das
Grundstück A sowie das Grundstück D. Zu dem Grundstück A wird in Abschn. II. 1. vermerkt, dass
„in Abt. III… eine Grundschuld über 165.000,00 DM nebst 18 % Jahreszinsen zugunsten der
Stadtsparkasse… eingetragen“ ist. Bei dem Grundstück D sind „in Abt. III… Grundschulden über
insgesamt 300.000,00 DM nebst 18 % Jahreszinsen zugunsten der Stadtsparkasse… eingetragen“. Für
diese Grundschulden und die ihnen zugrunde liegenden Schuldverpflichtungen erklärt EM/HB
gemäß Abschn. II. 6. der Vereinbarung seine Bereitschaft für eine befreiende Schuldübernahme.
Dabei wird allerdings nicht vermerkt, in welcher Höhe die Grundschulden im Zeitpunkt der
Schuldübernahme valutiert sind. Auch enthält die Vereinbarung keine Angaben über den jeweiligen
(Verkehrs-) Wert der beiden Grundstücke. Lediglich „zum Zwecke der Kostenberechnung“ haben
die Eheleute B in Abschn. II. 8 der Vereinbarung vom 1. Juni 2001 den Wert des Grundstücks A mit
300.000,00 DM (und Verbindlichkeiten von ca. 165.000,00 DM) sowie des Grundstücks D mit
600.000,00 DM (und Verbindlichkeiten von ca. 300.000,00 DM) angegeben. In Kennzeichnung der
Funktion der Überlassungsverträge wird für die beiden Grundstücke in Abschn. II. 2. Folgendes
ausdrücklich dokumentiert: „Es handelt sich hierbei um eine ehebedingte Zuwendung im Sinne des
Ausgleichs von Zugewinn/wirtschaftlicher Ausgleich“.
Im Zusammenhang mit den notariell beurkundeten Erklärungen über „Auflassung-VormerkungAntragsrecht“ in Abschn. II. 3. der Vereinbarung vom 1. Juni 2001 wird der Notar angewiesen, „die
Umschreibung des Eigentums zu beantragen, und zwar ohne dass ihm die Rechtskraft der Scheidung
in gehöriger Form nachgewiesen wurde“. Deshalb erfolgt im Jahre 2001 sowohl die Eintragung der
beiden Grundstücksübertragungen in das Grundbuch 1 als auch die Eintragung der Gütertrennung in
das Güterrechtsregister, obwohl die Eheleute B die Absicht einer Scheidung schon alsbald nach dem
Abschluss der Vereinbarung vom 1. Juni 2001 aufgegeben haben. Denn schon im August 2001 wird
die eheliche Gemeinschaft unter Beibehaltung des (neuen) Güterstandes der Gütertrennung wieder
aufgenommen.
Aus Anlass der im Jahr 2007 bei EM/HB durchgeführten Außenprüfung sind u. a. Feststellungen zu
den
steuerlichen
Auswirkungen
der
Scheidungsfolgenvereinbarung
sowie
der
Grundstücksüberlassungsverträge vom 1. Juni 2001 getroffen worden; diese haben in dem Bericht
des Finanzamtes vom 22. November 2007 in Tz. 15 wie folgt ihren Niederschlag gefunden: „Mit
notarieller Urkunde vom 1. Juni 2001 haben die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung sowie
zwei Grundstücksüberlassungsverträge nebst Auflassung beurkunden lassen. Die Eheleute haben sich
hinsichtlich des Zugewinns auseinandergesetzt. Anschließend haben die Eheleute für ihre Ehe den
Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Der BFH stellt in seiner Entscheidung vom 31. Juli
2002 2 … den Grundsatz auf, dass Vermögensübertragungen in Auseinandersetzungsvereinbarungen
(Scheidungsfolgeregelungen) zumeist („im Regelfall“) der Abgeltung von Ausgleichs- und künftigen
Unterhaltsansprüchen dienen und somit Entgeltcharakter haben. Nach der notariellen Vereinbarung
erfolgten die Grundstücksübertragungen als ehebedingte Zuwendungen im Sinne des Ausgleichs von
Zugewinn/wirtschaftlicher
Ausgleich.
Die
Grundstücksübertragungen
haben
damit
Entgeltcharakter“.
1
2
In dem Schreiben des Finanzamtes v. 12.06.2007 wird vermerkt, dass die Eigentumseintragung für das
Grundstück D am 27.12.2001 erfolgt ist.
BFH, Urt. v. 31.07.2002, X R 48/99, BStBl. II 2003, 282.
Auf
der
Grundlage
der
Erkenntnis
von
dem
„Entgeltcharakter“
der
beiden
Grundstücksübertragungen hat die Außenprüfung – ohne Berechnung der Höhe der
Zugewinnausgleichsforderung und der personalen Zuordnung einer solchen Forderung – allein für
die Übertragung des Grundstücks A auf EF/BB in der Person des EM/HB ein „privates
Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG“ abgeleitet und hierzu in Tz. 20 des o. a. Berichts Folgendes
vermerkt: „Wird im Rahmen einer Scheidungs- oder Trennungsvereinbarung ein Grundstück an
Erfüllungs statt für einen Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsanspruch übertragen, liegt ein privates
Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG vor (Hinweis auf OFD München vom 26. Juni 20013 …).
Der Steuerpflichtige hat den Grund und Boden am 1. April 1998 erworben und im Jahre 2000 ein
Gebäude darauf errichtet.“
Den Gewinn nach § 23 EStG ermittelt das Finanzamt wie folgt:
Veräußerungserlös geschätzt
200.000,00 DM
abzüglich Anschaffungskosten Grund und Boden
-23.873,88 DM
abzüglich Herstellungskosten Gebäude
-112.090,00 DM
zzgl. Absetzungen für Abnutzung
+10.941,00 DM
Gewinn nach § 23 EStG
74.977,12 DM
Den Ergebnissen der Außenprüfung folgend hat das Finanzamt – ebenfalls ohne einen Hinweis auf
die Höhe der ausschließlich der EF/BB zugeordneten Ausgleichsforderung – den berichtigten
Einkommen-steuer-Bescheid für 2001 vom 10. Dezember 2007 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit
der
Maßgabe
abgeändert,
dass
dem
EM/HB
„sonstige
Einkünfte
aus
privaten
Veräußerungsgeschäften“ in Höhe von 108.812,00 DM zugeordnet werden.
Frage:
Kann für die Übertragung des Grundstücks A als „ehebedingte Zuwendung im Sinne des Ausgleichs
von Zugewinn/wirtschaftlicher Ausgleich“ der Steuertatbestand des § 23 EStG verwirklicht werden?
3
OFD München, Verf. v. 26.06.2001, S 2256 – 17 St 41, DB 2001, 1533.