Verzicht auf nachehelichen Unterhalt

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Verzicht auf nachehelichen Unterhalt
Deubner Verlag GmbH & Co. KG
Wissenschaftlich begründetes
KURZGUTACHTEN
zur familienrechtlichen Problematik
(noch nicht endgültiger)
Verzicht auf nachehelichen Unterhalt
erstellt im Auftrag von
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Oststr. 11 ⋅ 50996 Köln ⋅ Telefon (0221) 93 70 18 - 0 ⋅ Telefax (0221) 93 70 18 99
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Das Gutachten wurde nach bestem Wissen und wissenschaftlichen Maßstäben ausgear
ausgearbeitet.
Eine Haftung ist
ist ausgeschlossen. Vorstehendes gilt nicht, soweit die Schadensursache auf Vorsatz oder
grober Fahrlässigkeit beruht.
I. Sachverhalt und Fragestellung
Das Ehepaar ist seit kurzem rechtskräftig geschieden. Sie waren 14 Jahre verheiratet. Sie ist 34 Jahre alt und er 40 Jahre, beide arbeiten in ihrem erlernten Beruf. Das
Ehepaar hat zwei Kinder im Alter von neun und vier Jahren. Der Kindesvater hat ein
monatliches Nettoeinkommen, bei Lohnsteuerklasse eins von ca. 2.500 €, die Kindesmutter zurzeit ein monatliches Nettoeinkommen von 1.170 €. Die Kindesmutter
hat zwei Teilzeitbeschäftigungen. Gemäß der Unterhaltsberechnung muss der Kindesvater an die Töchter jeweils 309 € und 257 € zahlen. Des Weiteren möchte er einen Betreuungsunterhalt von 314 € bezahlen.
Die Kindesmutter möchte auf nachehelichen Unterhalt verzichten.
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch soll jedoch wieder aufleben, wenn:
1.
sie einen oder beide Arbeitsplätze verlieren, ohne dass ein Verschulden angelastet werden kann.
2.
die Mutter der Kindesmutter nicht mehr die beiden Kinder betreuen kann.
3.
Sie krankheitsbedingt nicht mehr ihre Arbeit ausführen kann.
Frage:
1.
Ist eine solche Vereinbarung wirksam und welche Formulierung empfiehlt sich
dabei?
Gibt es noch einen Fall, der nicht genannt ist und in dessen Fall sich ein Wiederaufleben empfiehlt?
2.
Kann in einer solchen Vereinbarung gleich ein Titel für den Kindesunterhalt
geschaffen werden?
3.
Ist für die Wirksamkeit eine notarielle Vereinbarung notwendig?
II. Gutachterliche Stellungnahme
Frage 1:
Ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt in vertraglicher Weise ist grundsätzlich
möglich, sofern keine Sittenwidrigkeit vorliegt.
Eine Vereinbarung verstößt gegen die guten Sitten, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Dabei kann der Sittenverstoß, der sich
in aller Regel gegen den Berechtigten richtet, zu Lasten bei den Beteiligten des Vertrages, also auch des Verpflichteten gehen. Für einen zu beachtenden Sittenverstoß
muss die Vereinbarung bereits bei ihrem Zustandekommen, also im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses, zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Fall der
Scheidung führen, dass ihr losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten
und ihrer Lebensverhältnisse die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise zu versagen ist und an ihre Stelle die gesetzliche Regelung tritt. Maßgeblich ist
der Gesamtcharakter der Vereinbarung, der sich nach ihrem Inhalt, Beweggrund und
Zweck, aber auch ihrer zeitlichen Nähe zu einer zwar nicht beabsichtigten, aber für
möglich erachteten Scheidung bestimmt (Maurer, Münchener Komm. zum BGB, 6.
Aufl. 2012, § 1585c BGB, Rn. 32).
„Dabei hat der Tatrichter zunächst - im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu
einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und
zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die
gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt,
insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten
oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die
Ehegatten und auf eventuelle Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der
Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die
den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestal-
tung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen“ (BGH, FamRZ 2008, 582).
Die durch den Ehevertrag entstehenden Belastungen wiegen umso schwerer, je direkter der vertragliche Ausschluss von gesetzlichen Regelungen in den Kernbereich
der Scheidungsfolgen eingreift (grundlegend BGH, FamRZ 2004, 601).
Diese Grundsätze gelten letztlich auch für eine Scheidungsfolgenvereinbarung
(OLG München, OLGR München 2004, 355; Borth, Praxis des Unterhaltsrechts, 2.
Aufl. 2011, Rz. 845; zweifelnd allerdings Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., §
1585c, Rn. 17).
Allerdings sind dem betroffenen Ehegatten regelmäßig diejenigen Umstände bekannt, die während der ehelichen Lebensgemeinschaft zu einer wirtschaftlichen
Schlechterstellung geführt haben, so dass an sich eine ehebedingte Bedürftigkeit bereits im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung grundsätzlich geltend gemacht
werden kann (Borth, Praxis des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2011, Rz. 845). Denn im
Falle einer Scheidungsfolgenvereinbarung steht - anders als bei vorsorgenden Eheverträgen - die Entwicklung der ehelichen Lebensgemeinschaft fest, so dass der Fall
der Notwendigkeit zur Korrektur bei planwidrigen Abweichungen nicht gegeben ist
(OLG Celle, FamRZ 2004, 1202).
Auch darf ein etwaiger Verzicht nicht zu Lasten der Sozialhilfeträger gehen (BGH,
FamRZ 2007, 197), was ggf. zusätzlich zu beachten ist.
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kann deshalb grundsätzlich ein Unterhaltsverzicht vereinbart werden. Anhaltspunkte für eine etwaige Sittenwidrigkeit sind derzeit nicht ersichtlich.
Allerdings will die geschiedene Ehefrau offenbar zurzeit keinen endgültigen
Unterhaltsverzicht vereinbaren. Vielmehr will sie sicher gehen, dass zukünftige,
derzeit schwer vorhersehbare Ereignisse bereits jetzt durch eine Wiederauflebensklausel gesichert werden. Gesetzlich normiert ist eine Wiederauflebensklausel in §
1586a Abs.1 BGB im Hinblick auf den Anspruch aus § 1570 BGB.
Eine vertraglich vorgesehene Wiederauflebensklausel erscheint allerdings nicht ganz
unproblematisch zu sein, da mit einem Unterhaltsverzicht mit Wiederauflebensklausel die jeweilige Unterhaltskette, für einen evtl. später geltend zu machenden Unterhaltsanspruch in Wegfall geraten könnte. Zwar ist vorliegend damit nicht zu rechnen,
da die Beteiligten nur bestimmte Sachverhaltsalternativen „vor Augen haben“. Allerdings ist eine solche letztlich nicht zwingend zu empfehlen. Überdies ist auch zu berücksichtigen, dass ein Wiederaufleben nicht „bis zum Sankt Nimmerleinstag“ vorgesehen werden kann. Eine zeitliche Befristung sollte deshalb auch im Interesse des
geschiedenen Ehemanns vorgesehen werden. Deshalb wird statt einer Wiederauflebensklausel eine andere, m.E. umfassendere Formulierung vorgeschlagen, wobei
nicht jede denkbare Sachverhaltskonstellation aufgenommen werden kann.
Eine Formulierung könnte daher wie folgt lauten:
„Die geschiedene Ehefrau behält sich alle Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt
vor. Sie macht jedoch so lange keinen Unterhalt geltend, solange sie ihren derzeitigen Beschäftigungsverhältnissen bei den Firmen A und B nachgehen oder aber ein
bzw. beide Beschäftigungsverhältnisse durch eigenes Verschulden verlieren sollte,
nicht durch eine bestehende Krankheit längerfristig gehindert sein sollte, ein Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen und die Großmutter der beiden Kinder X, geb.
am... und Y, geb. am... auch weiterhin deren Betreuung verlässlich übernehmen
kann. Für die Zeit ab dem (beispielsweise 01.09.2016/2017; hier sollte ggf. abgewogen werden, wie lange unter normalen Umständen unter Berücksichtigung der Ehezeit ein Unterhaltsanspruch fiktiv unter Berücksichtigung der Vorgaben zu § 1578b
BGB bestehen könnte, maximal wohl nur 4 - 5 Jahre) verzichtet die geschiedene
Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt in jeder Form und in allen Lebenslagen einschließlich dem Fall der Not, mit Ausnahme eines Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB für ein minderjähriges oder volljähriges Kind, das auf Grund
einer körperlichen oder seelischen Erkrankung bzw. eines Unfalls nicht in der Lage
ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. zum Betreuungsunterhalt eines volljährigen behinderten Kindes, BGH, FamRZ 2010, 802; dass eine derartige zusätzliche Formulierung aufzunehmen ist, erscheint nicht zwingend, da bei derartig außergewöhnlichen
Umstände ohnehin die Geschäftsgrundlage für einen solchen Verzicht nachträglich
entfallen könnte). Der geschiedene Ehemann nimmt diesen Verzicht an. Der ge-
schiedene Ehemann verzichtet bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf nachehelichen Unterhalt, wobei die geschiedene Ehefrau diesen Verzicht annimmt.“
Eine allgemeinere Formulierung, die weitgehend sämtliche denkbaren Varianten
abdeckt, dagegen jedoch dem geschiedenen Ehemann das Risiko einer späteren
Geltendmachung von Unterhalt ohne bestimmten Anlass überbürdet, könnte wie
folgt lauten:
„Die geschiedene Ehefrau behält sich die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vor. Unterhaltsansprüche gem. §§ 1571, 1572, 1573 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
werden befristet bis zum 31.08.2016/2017. Danach entfällt der Unterhaltsanspruch
der geschiedenen Ehefrau. Höchst fürsorglich verzichtet die geschiedene Ehefrau ab
diesem Zeitpunkt auf nachehelichen Unterhalt, wobei der geschiedene Ehemann
diesen Verzicht annimmt. Für einen etwaigen Anspruch aus § 1570 BGB verbleibt es
bei den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen. Der geschiedene Ehemann verzichtet bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf nachehelichen Unterhalt, wobei die geschiedene Ehefrau diesen Verzicht annimmt.“
Frage 2:
Hinsichtlich des Kindesunterhalts empfiehlt sich in jedem Fall die sparsame Variante
einer Errichtung einer dynamischen Jugendamtsurkunde mit Aufnahme der momentanen Zahlbeträge (die Errichtung einer nichtdynamischen Urkunde mit nur den derzeitigen Zahlbeträgen empfiehlt sich dagegen nicht unbedingt!), aus der dann auch
vollstreckt werden kann. In einer privatschriftlichen Vereinbarung kann zwar auch der
Kindesunterhalt geregelt werden. Eine Vollstreckung ist dann aber nicht möglich. Nur
aus einem Titel, der unter § 794 Abs. 1 ZPO fällt, kann auch vollstreckt werden.
Frage 3:
Zwar bedarf nach Rechtskraft der Scheidung eine Vereinbarung der geschiedenen
Eheleute nicht mehr der notariellen Beurkundung (vgl. § 1585c Satz 2 BGB). Gleichwohl scheint die Errichtung einer notariellen Urkunde sinnvoll, schon im Hinblick auf
die jeweilige Beratung und auch aus Beweiszwecken. Dort könnten dann auch Kindesunterhaltsansprüche geregelt werden, wobei sich der Vater dann der sofortigen
Zwangsvollstreckung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zwingend unterwerfen sollte.