Konjunkturprognose 2008/2009
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Konjunkturprognose 2008/2009
Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr.: 101, 09.04.2008 Autoren: Claudia Broyer, Gregor Eder, Werner Heß, Wolfgang Leim, Hans-Peter Muntzke, Christoph Partisch, Rolf Sandvoß, Dr. Rolf Schneider _________________________________________________________________ Konjunkturprognose 2008/2009 1. Weltwirtschaftliche Lage und Perspektiven 2 2. Konjunktur und wirtschaftspolitisches Umfeld im Euro-Raum 5 3. Wirtschaftslage und –ausblick in Deutschland 9 3.1 Aktuelle Wirtschaftslage 9 3.2 Positives Konjunkturbild baut auf robuste Binnennachfrage 11 3.3 Das Warten auf den privaten Konsum hat ein Ende 13 3.4 Investitionen verlieren an Fahrt 16 3.5 Außenhandel verliert Rolle als Konjunkturlokomotive 18 3.6 Inflation gibt im Jahresverlauf 2008 spürbar nach 21 3.7 Staatshaushalt rutscht wieder leicht ins Defizit 22 3.8 Deutsche Industrie für Konjunkturabschwächung gut gerüstet 23 1 1. Weltwirtschaftliche Lage und Perspektiven Die Weltwirtschaft und die internationalen Finanzmärkte stehen im Frühjahr 2008 unter dem Eindruck der Immobilienkrise in den USA und ihren Folgen. Immer offensichtlicher wird, dass die USWirtschaft am Rande einer Rezession steht. Dennoch sind die Auswirkungen des amerikanischen Konjunkturabschwungs auf die weltwirtschaftliche Entwicklung bisher noch begrenzt. Nach wie vor wachsen die Emerging Markets sehr dynamisch. In Europa ist das konjunkturelle Bild zwar gemischt, insgesamt überwiegen aber noch die Antriebskräfte. Die alles entscheidende Frage lautet: Welche Kräfte behalten angesichts der Finanzmarktkrise weltweit die Oberhand, die des Aufschwungs oder die des Abschwungs? Weiter steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise sind dabei ein belastender Faktor. Was 2007 als Immobilienkrise im Subprime-Segment begann, ist heute eine globale Finanzkrise. Die negativen Rückwirkungen der Kreditmärkte auf Banken und Konjunktur bergen die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale. Dies gilt umso mehr, als zu Beginn dieses Jahres auch die Aktienmärkte in den Abwärtssog geraten sind. In immer stärkerem Maß versucht die Wirtschaftspolitik und hierbei insbesondere die US-Geldpolitik der drohenden Abwärtsspirale entgegenzuwirken. Aus unserer Sicht sind die Mittel, die sie einsetzt – Liquiditätsspritzen, Zinssenkungen, Steuernachlässe für private Haushalte, steuerliche Investitionsanreize und spezielle Maßnahmen zur Stabilisierung des US-Immobilienmarktes –, angesichts der aktuellen Lage angemessen und auch konjunkturstabilisierend. Sicherlich ist das wirtschaftspolitische Handlungspotenzial noch nicht voll ausgeschöpft. Dies ist aber auch gut so. Die Finanzmarktkrise ist, wie ihr bisheriger Verlauf zeigt, unberechenbar. Dies erschwert die Abschätzung ihrer konjunkturellen Auswirkung. Umso transparenter sollten deshalb die wirtschaftspolitischen und monetären Annahmen dargestellt werden, auf denen eine Konjunkturprognose beruht. Als weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen für unsere Konjunkturprognose haben wir unterstellt: - Die Turbulenzen an den Finanzmärkten halten noch einige Monate an, eine drastische Verschärfung etwa in Form einer systemischen Bankenkrise tritt jedoch nicht ein. In der zweiten Jahreshälfte 2008 beruhigen sich die Märkte allmählich. - Die Geldpolitik steuert einen expansiven Kurs. Die US-Notenbank führt ihre Leitzinsen von 5,25 % auf 1,75 % zurück, die EZB von 4 % auf 3,5 %. - Der jüngste Preisschub bei Rohstoffen setzt sich im weiteren Jahresverlauf nicht fort. Mit der allmählichen Beruhigung an den Finanzmärkten verlieren Engagement in Rohstoffen ihre „save haven“-Funktion, der Rohölpreis bewegt sich wieder stärker im Einklang mit den Fundamentaldaten. Er sinkt im Verlauf des Jahres klar unter die Marke von 100 USD je Barrel. - Der US-Dollar setzt seine Talfahrt zunächst noch fort. Ein Kursniveau von 1,60 USD/EUR kann vorübergehend überschritten werden. Im weiteren Verlauf des Jahres stabilisiert sich die USWährung und schließt das Jahr klar unter ihren historischen Höchstständen. 2 Im einzelnen sehen wir für die wichtigsten Volkswirtschaften und Regionen außerhalb Europas folgende Entwicklung: Wachstum wichtiger weltwirtschaftlicher Regionen - Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorjahr in % 2004 Industrieländer Europäische Union Euro-Raum Deutschland USA Japan Emerging Markets Asien Lateinamerika Osteuropa Welt 1) Prognose. - 2005 2006 2007 20081) 20091) 2,9 2,3 2,8 2,4 1,7 2,2 2,4 1,9 1,1 3,6 2,7 7,0 1,7 1,4 0,8 3,1 1,9 6,4 3,1 2,8 2,9 2,9 2,4 7,1 2,9 2,6 2,5 2,2 2,0 7,1 2,0 1,8 1,8 1,5 1,5 6,5 2,2 2,0 2,2 2,4 2,0 6,4 7,8 5,9 6,5 3,8 7,8 4,1 5,3 3,2 8,5 5,2 6,4 3,8 8,7 5,0 6,7 3,6 7,9 4,1 6,2 2,9 7,8 4,4 5,3 3,3 In den USA kommt das Wachstum im ersten Halbjahr 2008 zum Erliegen. Auch ein leichtes Schrumpfen ist nicht ausgeschlossen. Von der Verbrauchsnachfrage geht im ersten Halbjahr erstmals seit langem kein Wachstumsbeitrag aus. Das Konjunkturprogramm wird mit der beginnenden Auszahlung von Steuerschecks an die Haushalte allerdings ab Mai Wirkung entfalten. Der Großteil der 100 Mrd. USD Steuerentlastungen erfolgt aber erst im dritten Quartal. Wir gehen auf der Basis früherer Erfahrungen davon aus, dass die Haushalte einen nennenswerten Teil der Steuernachlässe verausgaben. Infolge dessen wird sich die Verbrauchsnachfrage im zweiten Halbjahr 2008 voraussichtlich wieder beleben. Konjunkturell stützend wirkt das gesamte Jahr über der Export. Dank der finanzpolitischen Impulse und der sukzessive wirkenden Zinssenkungen dürfte im zweiten Halbjahr eine Konjunkturerholung einsetzen, die sich auch 2009 fortsetzt. Dabei ist in Rechnung gestellt, dass es am Immobilienmarkt nun allmählich zu einer Bodenbildung kommt. Nach 1 ½ % in diesem Jahr wird die US-Wirtschaft 2009 mit 2 ½ % voraussichtlich wieder stärker in Einklang mit ihrem mittelfristigen Wachstumstrend wachsen. - Die japanische Wirtschaft befindet sich nach wie vor auf einem mäßigen Wachstumspfad. Weder ist ein Abgleiten in eine wirtschaftliche Stagnation zu erwarten noch eine nachhaltige Konjunkturbeschleunigung. Wir erwarten 1 ½ % Wachstum in diesem Jahr und 2 % im nächsten Jahr. - Die Wachstumsdynamik in den Emerging Markets ist ungebrochen. Der Konjunkturabschwung in den USA dämpft zwar ihre Exportchancen. Kapitalströme, die sich von den USA abwenden, dürften aber vermehrt den Emerging Markets zugute kommen. Mit rund 6 ½ % Wachstum in diesem und im nächsten Jahr können die Emerging Markets fast nahtlos an die ähnlich hohen Zuwachsraten der Jahre 2004 bis 2007 anknüpfen. - Alles in allem dürfte die Weltwirtschaft 2008 mit knapp 3 % zwar schwächer wachsen als in den vergangenen vier Jahren, angesichts der schwierigen Lage der US-Wirtschaft wäre dies aber ein durchaus beachtliches Ergebnis. Im Jahr 2009 rechnen wir wieder mit über 3 % Wachstum 3 weltweit. Im Zuge dessen dürfte der Welthandel 2008 um 5 bis 6 % und 2009 um 6 bis 7 % expandieren. Realzinsen im Tief 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen 2000 2001 Nominal 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Real (Rendite abzüglich Verbraucherpreisinflation) Die massive Lockerung der Geldpolitik wird positive Auswirkungen auf die Konjunktur haben, sie ist aber ein Risiko hinsichtlich der längerfristigen Inflationsperspektiven. Die 2007 weltweit zu beobachtende Tendenz zu steigenden Inflationsraten dürfte sich im weiteren Verlauf von 2008 angesichts der Konjunkturabkühlung nicht fortsetzen, 2009 könnte sich der Preisauftrieb aber erneut wieder verstärken. Die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen, die überbordende Nachfrage in vielen Emerging Markets und die verbesserte Lage an den Arbeitsmärkten vieler Industrieländer dürften den Kosten- und Preisauftrieb begünstigen. Die Finanzmärkte werden den sich verstärkenden Inflationsdruck in ihr Kalkül einbeziehen. Die Renditen am Markt für Staatsanleihen, die derzeit durch die Flucht in „safe haven“-Anlagen erheblich gedrückt und in realer Rechnung sogar negativ sind, werden im Zuge einer Konjunkturkräftigung deutlich anziehen. Dies dürfte bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres der Fall sein. Weder in den USA noch in Europa sollten die langfristigen Renditen 2008 und 2009 aber über ein Niveau von 4 ½ bis 5 % hinausgehen. Neben unserem Basisszenario eines anhaltenden moderaten weltwirtschaftlichen Wachstums sind angesichts der Finanzmarktkrise weitaus negativere Entwicklungen als Risiken in Betracht zu ziehen. Es erscheint uns zwar wenig wahrscheinlich, es ist aber nicht auszuschließen, dass die USWirtschaft in eine scharfe Rezession gerät und sich im Zuge dessen die Finanzmarktkrise zuspitzt. Mit erheblichen Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten wäre zu rechnen. Eine generelle Kreditklemme für Unternehmen wäre zu befürchten. Die wirtschaftlichen Einbußen in Europa wären erheblich, das wirtschaftliche Wachstum käme im EWU-Raum wahrscheinlich zum Erliegen. Die 4 Geldpolitik würde einen noch erheblich expansiveren Kurs als in unserem Basisszenario fahren; die US-Administration würde in erheblichem Umfang staatliche Auffanglösungen initiieren; des weiteren wäre mit international koordinierten wirtschaftspolitischen Aktionen zu rechnen. Die Wirtschaftspolitik bliebe also selbst im Risikofall handlungsfähig. Eine konjunkturelle Erholung würde in diesem Fall erst im Verlauf von 2009 einsetzen. 2. Konjunktur und wirtschaftspolitisches Umfeld im Euro-Raum Der Ölpreis ist über 100 USD pro Barrel geklettert, der Euro hat sich in Richtung 1,60 USD/EUR bewegt, die Finanzmarktkrise erweist sich als ernster und langwieriger als zunächst angenommen und trotzdem deuten die aktuellen Daten auf keine drastische Abkühlung der EWU-Konjunktur hin. Kann das aber wirklich weiter gut gehen? Im vierten Quartal letzten Jahres hat das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum bereits spürbar an Dynamik eingebüßt. Wir gehen zwar davon aus, dass dieses abgeschwächte Expansionstempo im ersten Halbjahr 2008 anhalten wird, eine weitere Konjunkturverlangsamung sehen wir jedoch nicht. Denn auf kurze Sicht ist u.a. ermutigend, dass die jüngsten Stimmungsumfragen bei Unternehmen bemerkenswert robuste Ergebnisse brachten. Im weiteren Jahresverlauf kann die europäische Wirtschaft unseres Erachtens glimpflich davon kommen und sogar wieder etwas Schwung zulegen, wenn die Belastungsfaktoren entsprechend unserer Annahmen (S. 2) allmählich an Intensität verlieren. Wir rechnen 2008 mit einem Anstieg des EWU-Bruttoinlandsprodukts von 1,8 % nach 2,6 % im vergangenen Jahr. 2009 dürfte sich das Wirtschaftswachstum leicht auf 2 % beschleunigen, womit es in etwa im Einklang mit der Potenzialrate stünde. Euro-Raum: Kennzahlen und Prognosen* BIP real Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Exporte Importe Arbeitslosenquote Verbraucherpreise Q1 2007 Q2 Q3 Q4 Q1 2008 Q2 Q3 Q4 Q1 2009 Q2 Q3 0,8 0,0 1,1 1,7 0,9 1,4 Q4 0,3 0,6 0,2 0,0 0,8 0,3 0,7 0,4 0,5 -0,1 0,7 -0,1 1,2 0,8 2,1 0,5 2,5 -0,4 0,4 0,5 0,7 0,5 1,2 1,8 0,4 0,4 0,4 0,9 1,1 1,5 0,5 0,5 0,4 0,9 1,3 1,3 0,5 0,4 0,3 1,0 1,1 1,2 0,5 0,5 0,6 0,7 0,5 0,7 0,6 0,6 0,4 0,8 0,7 0,8 0,5 0,5 0,4 0,8 0,5 0,6 0,5 0,4 0,3 0,9 0,6 0,7 2,6 1,4 2,1 4,8 6,0 5,2 1,8 1,6 1,6 3,1 4,8 5,0 2,0 1,9 1,7 3,4 3,2 3,8 % 7,6 J/J, n.sb. 1,9 7,5 1,9 7,4 1,9 7,1 3,3 7,0 3,2 7,0 3,1 6,9 2,4 6,9 2,0 6,8 1,9 6,8 2,1 6,8 2,3 7,4 2,1 7,0 3,0 6,8 2,1 7,2 2,9 *) Quartalswerte: Veränderung gegen Vorperiode in %, saisonbereinigt - sofern nicht anders angegeben. BIP-Jahreswert unbereinigt. Außenhandel inkl. Intrahandel. 2007 2008p 2009p p = Prognose. Dabei sollten die unterschiedlichen Entwicklungen in den großen Mitgliedsländern nicht übersehen werden: Während Deutschlands BIP-Zuwachs bis einschließlich 2005 jahrelang signifikant hinter dem EWU-Durchschnitt zurückblieb, liegen beide seither ungefähr gleichauf. Dies dürfte auch 2008 der Fall sein, 2009 könnte Deutschland leicht überdurchschnittlich expandieren. Nachdem Frankreich in den letzten beiden Jahren zu den Schlusslichtern im Euro-Raum zählte, wird es dieses und 5 nächstes Jahr mit anhaltend soliden Wachstumsraten von 1,7 % bzw. 1,9 % den EWUDurchschnitt wahrscheinlich fast erreichen. Italien hingegen dürfte weiter zu den Schlusslichtern gehören, wobei der Wachstumsabstand zum gesamten Euro-Raum nach unserer Einschätzung ungefähr einen ¾ Prozentpunkt betragen wird. In Spanien erwarten wir eine ausgeprägte Konjunkturverlangsamung aufgrund der besonderen Belastungen ausgehend vom dortigen Immobilienmarkt. Nach einem Anstieg des spanischen Bruttoinlandsprodukts von knapp 4 % im vergangenen Jahr halten wir sowohl 2008 als auch 2009 nur noch etwa 2 % für wahrscheinlich. Die Zeiten weit überdurchschnittlichen Abschneidens wären also vorbei und Spaniens Wirtschaftswachstum würde sich dem EWU-Durchschnitt annähern. Im Euro-Raum als Ganzes dürfte die Investitionstätigkeit nicht mehr ganz so lebhaft ausfallen wie in den letzten beiden Jahren – einerseits bedingt durch eine gewisse Zurückhaltung angesichts der mit außerordentlich hoher Unsicherheit behafteten globalen Konjunkturperspektiven und damit unsicheren Absatzaussichten, andererseits auch wegen der Finanzierungsseite: Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften ist seit 2006 stark mit zweistelligen Raten (zuletzt 14,8 %) gestiegen. Zugleich hat die Verschuldung von 65 % Anfang 2000 auf inzwischen 78 % des BIP zugenommen und mit ihr die Nettozinsbelastung der Unternehmen. Hinzu kommt, dass wir im Euro-Raum im Zuge der Finanzkrise zwar nicht mit einer Kreditklemme rechnen, Kreditnehmer sich aber durchaus strikteren Anforderungen und höheren Kosten gegenübersehen können. Während die Binnennachfrage von den Investitionen also weniger Unterstützung erfahren dürfte als bisher, sind in der Tendenz stärkere Impulse vonseiten des Privaten Verbrauchs zu erwarten. Dazu wird unseres Erachtens die positive Arbeitsmarktentwicklung beitragen, auch wenn hier die Besserung in verringertem Tempo vorangeht. Nachdem der Beschäftigungsanstieg im letzten Jahr 1,7 % betrug, dürfte er 2008 etwa einen halben Prozentpunkt niedriger ausfallen. Die Arbeitslosenquote wird ihren aktuellen Tiefstand von 7,1 % voraussichtlich noch unterschreiten. Mitbedingt durch den enger gewordenen Arbeitsmarkt ist von etwas stärker steigenden Löhnen und Gehältern auszugehen, einen Lohnauftrieb von viel mehr als 3 % halten wir allerdings nicht für wahrscheinlich (2007: 2,7 %). Außerdem könnte ein weiterer leichter Rückgang der Sparquote, die nach ihrer Spitze von 14,1 % im ersten Quartal 2007 auf 13,8 % abgenommen hat, konsumunterstützend wirken. Kritische Größe für eine Belebung des realen Privaten Verbrauchs ist zurzeit allerdings die Kaufkraftentwicklung, d.h. es bedarf einer Beruhigung an der Preisfront. 6 EWU-Verbraucherpreise Veränderung gegenüber Vorjahr 6 5 4 3 2 1 0 -1 00 01 Gesamtindex 02 03 04 Nahrungsmittel 05 06 07 08 Die EWU-Inflationsrate ist im März weiter auf 3,5 % geklettert. Damit sollte der Spitzenwert erreicht sein und ein langsames Absinken der Vorjahresabstände einsetzen. Neben der Energiekomponente fällt gegenwärtig die Verteuerung von Nahrungsmitteln erheblich ins Gewicht. Die Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel lag im Februar bei 1,8 %. Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln machte rund einen Prozentpunkt der Inflation gegenüber Vorjahr aus, davon wiederum entfiel etwa die Hälfte auf die Produktgruppen Milch, Käse und Eier sowie Brot und Getreideerzeugnisse. Wenngleich strukturelle Gründe wie die steigende Nachfrage aus Schwellenländern oder die zunehmende Verbreitung von Biokraftstoffen für einen in der Tendenz erhöhten Nahrungsmittelpreisanstieg sprechen, sehen wir die seit September 2007 verzeichnete hohe Dynamik zum Teil als Ausnahmeerscheinung. Trotz voraussichtlich nachlassender Dynamik dürfte die Preissteigerungsrate bei Nahrungsmitteln im Durchschnitt 2008 dennoch jene aus 2001 übertreffen, als sie im Zuge der Euro-Bargeldeinführung außergewöhnlich stark auf 5 % zulegte. Die gesamte Teuerungsrate des Euro-Raums wird nach unserer Einschätzung im laufenden Jahr 3 % betragen. Erst 2009 dürfte die EZB-Stabilitätsmarke von 2 % wieder in greifbarere Nähe rücken. In diesem Preisumfeld sträubt sich die Europäische Zentralbank gegen Zinssenkungen. Sie wird nach unserer Ansicht letztlich wegen der Konjunkturrisiken – zu denen auch die Euro-Aufwertung mitverursacht durch den Leitzinsabstand zwischen den USA und der EWU beiträgt – aber nicht umhin kommen, ihre Geldpolitik zu lockern. In ihrer Kommunikation dürfte die EZB einer Zinssenkung allerdings erst den Boden bereiten, wenn die aktuellen Konjunkturdaten eine nachhaltige Abschwächung gegenüber 2007 bestätigen und damit verminderten künftigen Preisdruck anzeigen. Daher erwarten wir, dass sie mit einem Lockerungsschritt bis ins dritte Quartal wartet. Ende 2008 prognostizieren wir einen Leitzins von 3,5 %. Sobald jedoch die EWU-Wirtschaft wieder etwas besser in Fahrt ist, dürfte die EZB versuchen, im kommenden Jahr möglichst schnell auf das gegenwärtige Zinsniveau von 4 % zurückzukehren. 7 Die EZB hat mehrfach verdeutlicht, dass sie einen Trennstrich zwischen ihrer Zins- und Liquiditätspolitik zieht. Bei der Liquiditätsbereitstellung ergriff sie jüngst eine neue Maßnahme, um den wieder verstärkten Verspannungen am Geldmarkt entgegenzuwirken: Den Banken wurde mittels eines Tendergeschäfts mit sechsmonatiger Laufzeit Liquidität zur Verfügung gestellt, während die Laufzeit der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte bisher nur drei Monate betrug. Da der Zinssatz für Dreimonatsgeld mit 4,7 % erneut etwa 50 Basispunkte über dem beim gegenwärtigen Leitzins üblichen Niveau liegt, ist die Zinsstruktur im Euro-Raum gemessen am Abstand zwischen Dreimonats-EURIBOR und zehnjähriger Benchmark-Rendite zurzeit klar invers. Gemessen an der Renditedifferenz zwischen zwei- und zehnjährigen deutschen Staatsanleihen verläuft die Zinsstrukturkurve hingegen flach bzw. leicht steigend. Da wir davon ausgehen, dass sich die Verspannungen am Geldmarkt allmählich lösen werden und wegen der erwarteten geldpolitischen Kursänderung, dürfte der Dreimonatsgeldsatz bis Jahresende unter 4 % sinken. Zugleich sollte die Flucht in den sicheren Hafen der Staatspapiere nachlassen und die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen in Richtung 4,5 % ansteigen. Renditedifferenzen gegenüber Deutschland 10-jährige Staatsanleihen (Prozentpunkte) 0,7 0,5 0,3 0,1 -0,1 05 Frankreich Italien 06 Spanien Griechenland 07 Portugal 08 Die anhand obiger Grafik ersichtliche jüngste Ausweitung der Renditespreads zwischen deutschen Staatspapieren und Anleihen anderer EWU-Länder steht im Zusammenhang mit den Finanzmarkturbulenzen, genauer gesagt mit der Flucht in möglichst liquide Bonds. Im Zuge des Abebbens der Krisenerscheinungen ist also wieder mit einer Spreadeinengung zu rechnen. Dann wird u.a. die Entwicklung der öffentlichen Haushalte als Bestimmungsgrund für die Renditeabstände wieder mehr ins Gewicht fallen. Mit dem Maastrichter Defizitkriterium von 3 % dürfte 2007 kein EWU-Land in Konflikt gekommen sein. Doch Frankreich, Griechenland, Italien sowie Portugal haben keinen großen Sicherheitspuffer aufgebaut. Ihnen droht, wenn jetzt konjunkturell schlechtere Zeiten anbrechen als in den letzten beiden Jahren, relativ rasch ein übermäßiger Haushaltsfehlbetrag. Im Euro-Raum insgesamt tritt die Konsolidierung der Staatsfinanzen auf der Stelle: Nachdem die EWU-Defizitquote im vergangenen Jahr von zuvor 1,6 % auf schätzungsweise 0,9 % sank, dürfte 8 sie dort 2008 und 2009 in etwa verharren. Gegenwärtig ist die europäische Finanzpolitik geprägt von der Tendenz, direkte Steuern und Sozialabgaben zu senken. Zur Finanzierung werden Mehreinnahmen verwendet oder teilweise indirekte Steuern erhöht. Der echte Sparwille auf der Ausgabenseite scheint mit der günstigen Wirtschaftsentwicklung nachgelassen zu haben. 3. Wirtschaftslage und –ausblick in Deutschland 3.1 Aktuelle Wirtschaftslage Der Aufschwung hat sich in Deutschland im vergangenen Jahr weiter fortgesetzt. Allerdings war das gesamtwirtschaftliche Wachstum deutlich stärkeren Schwankungen unterworfen als im Jahr 2006: Das erste und das dritte Quartal verzeichneten jeweils kräftige Zuwachsraten, wohingegen sie im zweiten und vierten Quartal spürbar schwächer ausfielen. Im Jahresdurchschnitt legte das reale BIP um 2,5 % zu. In arbeitstäglich bereinigter Rechnung ergab sich ein Plus von 2,6 %. Getragen wurde das Wachstum vor allem von den Investitionen und vom Außenhandel. Der Investitionsboom setzte sich nahezu ungebrochen fort: Die Unternehmen weiteten ihre Investitionen in Ausrüstungen und Maschinen erneut deutlich aus. Enttäuschend entwickelte sich hingegen der Private Verbrauch. Die Mehrwertsteuererhöhung zu Jahresbeginn 2007 führte dazu, dass der Konsum im ersten Jahresviertel förmlich einbrach. Hiervon konnte er sich bis zum Jahresende nicht erholen. Hingegen verlief die Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt erneut sehr positiv: Im Jahresdurchschnitt sank die Zahl der Arbeitslosen um über 700.000 auf rund 3,8 Millionen. Gleichzeitig setzte sich der Beschäftigungsaufbau im Jahr 2007 mit einem Plus von 1,7 % – nach 0,6 % im Jahr 2006 – sehr dynamisch fort. Im Sommer 2007 zogen auch am deutschen Konjunkturhimmel einige dunkle Wolken auf und die Belastungsfaktoren für die Wirtschaft haben in der Zwischenzeit spürbar zugenommen. Neben den Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten, die in der US-Immobilienkrise ihren Ursprung hatten, waren es insbesondere der kräftig gestiegene Ölpreis sowie die Euro-Stärke, welche die konjunkturellen Perspektiven für die deutsche Volkswirtschaft eingetrübt haben. Im vierten Quartal 2007 kam es zu einer spürbaren Verlangsamung der wirtschaftlichen Expansion. 9 Ifo-Geschäftsklima hellt sich auf Index 2000 = 100, saisonbereinigt 120 110 100 90 80 2000 2001 2002 Geschäftserwartungen 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Beurteilung der Geschäftslage Und wie ist der deutschen Wirtschaft der Start in das Jahr 2008 gelungen? Ein Blick auf die bislang verfügbaren Konjunkturindikatoren zeigt, dass trotz der erheblichen Belastungen für die wirtschaftliche Entwicklung, das Auftaktquartal wohl deutlich besser gelaufen sein dürfte als zunächst angenommen. Dies gilt insbesondere für die deutsche Industrie: Im Zeitraum Januar bis Februar legte deren Produktion saisonbereinigt gegenüber Ende 2007 um 1,8 % zu. Die insgesamt gute Auftragslage spricht stark dafür, dass die Industriekonjunktur zumindest bis weit in das zweite Quartal hinein recht dynamisch verlaufen wird. Auch verschiedene Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe und der Ifo-Geschäftsklimaindex zeichnen ein positives Bild. Letzterer legte im März bereits zum dritten Mal in Folge zu. Die befragten Unternehmen schätzten ihre aktuelle Lage deutlich positiver ein als noch bei den Umfragen im Januar und Februar. Gleichzeitig haben sich ihre Erwartungen über die künftige Geschäftsentwicklung auf einem Niveau stabilisiert, das eine moderate Fortsetzung des Aufschwungs signalisiert. Und nicht zuletzt setzte sich die Entspannung auf dem deutschen Arbeitsmarkt auch im ersten Quartal 2008 weiter dynamisch fort. Die Zahl der Arbeitslosen ging saisonbereinigt um 219.000 auf nunmehr 3,285 Millionen zurück. Sicherlich: Die jüngsten Daten zu den Einzelhandelsumsätzen haben mal wieder klar enttäuscht. Wir sind dennoch zuversichtlich, dass der Private Verbrauch angesichts des anhaltenden Beschäftigungsaufbaus und der stärker als bisher steigenden Löhne, einen substanziellen Beitrag zum diesjährigen Wirtschaftswachstum leisten wird. 10 Robuste Industriekonjunktur Volumen, 2000 = 100, saisonbereinigt 140 130 120 110 100 90 80 2000 2001 2002 Industrieproduktion 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Auftragseingänge 3.2 Positives Konjunkturbild baut auf robuste Binnennachfrage Zu Beginn des vergangenen Jahres war es im Wesentlichen die Unsicherheit über die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung, welche die Konjunkturprognose erschwert hat. In diesem Jahr ist es gleich ein ganzes Bündel an Belastungsfaktoren, das die Einschätzung über die weitere wirtschaftliche Entwicklung in diesem und auch im nächsten Jahr nicht gerade einfacher macht: Im Wesentlichen sind es die Krise an den Finanzmärkten und die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den USA, die anhaltend hohen Energiepreise sowie die sehr ausgeprägte EuroStärke. Die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten werden uns wohl noch einige Zeit begleiten. Auch dürfte sich die wirtschaftliche Lage in den USA erst in der zweiten Jahreshälfte 2008 nachhaltig stabilisieren. Des Weiteren müssen wir uns darauf einstellen, dass die Stärke des Euro gegenüber dem US-Dollar auf absehbare Zeit nicht substanziell nachlassen wird. Im Hinblick auf die weitere Ölpreis-Entwicklung gehen wir hingegen davon aus, dass hier infolge des eingetrübten weltwirtschaftlichen Umfelds und der verbesserten Angebotslage auf den Rohölmärkten eine gewisse Entspannung spätestens in der zweiten Jahreshälfte eintreten sollte. Was heißt das alles für den Konjunkturverlauf in diesem Jahr? Nach dem voraussichtlich recht kräftigen Auftaktquartal dürfte die deutsche Wirtschaft bereits im laufenden Jahresviertel deutlich an Dynamik verlieren. Die Wachstumsimpulse vom Außenhandel werden angesichts der EuroStärke und der weniger dynamischen weltwirtschaftlichen Entwicklung deutlich nachlassen. Ab dem dritten Quartal ist damit zu rechnen, dass vom Außenhandel per saldo sogar negative Wachstumsimpulse ausgehen werden. Eine spürbare und nachhaltige Belebung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität erwarten wir erst im vierten Quartal. Diese dürfte dann ausschließlich von der Binnennachfrage ausgehen. 11 Überhaupt kommt der Binnennachfrage bei unserer Konjunkturprognose eine Schlüsselrolle zu. Dies gilt im Wesentlichen für den Privaten Verbrauch. Er dürfte sich nach Jahren der Lethargie 2008 zur neuen Konjunkturlokomotive entwickeln. Diese Erwartungshaltung ist kein Zweckoptimismus, sondern basiert auf realistischen Annahmen zur weiteren Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2008 auf unter 3,3 Millionen sinken wird. Das wären 500.000 weniger als im vergangenen Jahr und sogar 1,2 Millionen weniger als noch 2006. Des Weiteren unterstellen wir in unserer Prognose ein leichtes Anziehen bei der Lohnentwicklung: Bei den Effektivverdiensten je Arbeitnehmer rechnen wir 2008 mit einem Plus von 2,8 %, nach etwa 1,5 % im Vorjahr. Damit dürften die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich stärker zulegen als im Jahr 2007. Auch von den Ausrüstungsinvestitionen dürften 2008 angesichts der nach wie vor hohen Kapazitätsauslastung positive Wachstumsimpulse ausgehen. Diese werden aber sicherlich nicht mehr das Ausmaß des vergangenen Jahres erreichen. Insgesamt erwarten wir für das Jahr 2008 ein reales Wirtschaftswachstum von 1,8 %. Arbeitstäglich bereinigt entspräche das einem Plus von 1,6 %. Für 2009 gehen wir dann von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,2 % aus. Maßgebliche Stütze der konjunkturellen Entwicklung dürfte erneut der Private Verbrauch sein, auf den rund die Hälfte des BIP-Wachstums entfallen sollte. Keine positiven Impulse werden hingegen vom Außenbeitrag zu erwarten sein. Die Exporte dürften im Jahresdurchschnitt wohl nur noch um gut 3 % zulegen, wohingegen die Importe, getrieben durch eine starke Inlandsnachfrage, um 4,6 % ansteigen sollten. Belebung auf dem Arbeitsmarkt hält an saisonbereinigt 5,5 41 5,0 40 4,5 39 4,0 38 3,5 37 3,0 36 2000 2001 2002 2003 Erwerbstätige in Mio. (rechte Skala) 2004 2005 2006 2007 2008 Arbeitslose in Mio. (linke Skala) Die Inflation dürfte 2008 mit einem Plus von 2,4 % geringfügig höher ausfallen als im vergangenen Jahr. Zwar sind in der Inflationsrate inzwischen keine Effekte der Mehrwertsteuererhöhung mehr enthalten, doch die deutlich gestiegenen Energiepreise sowie die weiter moderat zulegenden Nah- 12 rungsmittelpreise dürften dies jedoch sogar überkompensieren. 2009 sollte die Inflationsrate dann aber wieder knapp unter die Marke von 2 % sinken. Deutschland: Kennzahlen und Prognosen* 2007 Q3 0,7 0,3 0,5 0,4 0,5 0,8 2,5 3,2 Q4 0,3 -0,8 -0,5 3,4 -1,1 -0,5 1,3 -0,2 Q1 0,5 0,5 1,0 -1,5 0,7 0,4 1,8 2,0 Q2 0,2 0,3 0,0 0,7 0,5 0,2 1,0 1,2 Q3 0,3 0,5 0,8 1,0 1,0 0,5 0,5 1,2 Q4 0,6 0,7 0,3 2,0 0,5 0,8 0,7 1,5 Q1 0,5 0,5 1,0 1,5 -1,5 0,5 1,0 1,0 Q2 0,7 0,7 0,5 2,0 1,5 0,9 0,5 1,0 Q3 0,6 0,2 1,0 1,0 1,0 0,6 1,0 1,0 Q4 0,5 0,5 0,0 0,5 0,5 0,6 0,8 1,0 % % 1,8 8,7 9,4 0,9 8,5 9,2 2,1 8,3 8,9 0,9 8,0 8,5 1,0 7,4 8,0 0,8 7,2 7,7 0,5 7,2 7,7 0,5 7,0 7,5 1,3 6,9 7,4 1,5 6,8 7,3 1,0 6,7 7,2 0,8 6,6 7,1 5,9 8,4 9,0 1,7 4,1 7,2 7,7 1,1 4,0 6,7 7,2 0,6 J/J J/J J/J 1,8 1,9 2,8 2,0 2,0 1,7 2,3 2,2 1,2 3,1 3,1 2,2 2,9 3,0 3,7 2,7 2,8 3,2 2,4 2,5 3,3 1,6 1,7 2,5 1,5 1,6 1,8 1,6 1,7 2,3 2,0 2,1 2,5 2,4 2,5 3,0 2,3 2,3 2,0 2,4 2,5 3,2 1,9 2,0 2,4 Mrd. EUR 32,0 % BIP Mrd. EUR % BIP 43,2 42,7 45,9 39,0 40,0 37,0 35,0 40,0 37,0 39,0 38,0 3,9 4,1 4,2 4,6 4,8 4,3 4,7 4,3 4,7 3,8 4,4 4,0 4,0 4,3 3,7 4,4 3,7 4,5 4,0 4,6 4,2 4,6 4,2 4,6 4,3 4,2 4,3 4,1 4,0 4,5 USD pro EUR 1,33 1,35 1,42 1,47 1,58 1,53 1,50 1,45 1,45 1,43 1,42 1,40 1,37 1,50 1,43 Industrieproduktion (ohne Bau) Arbeitslosenquote (EU) Arbeitslosenquote (BA) Erwerbstätige (Stat. Bund.) Leistungsbilanzsaldo Finanzierungssaldo (Maastricht-Definition) Dreimonatsgeldsatz**) Rendite 10-j. Staatsanl.**) Wechselkurs**) 2009 Q2 0,2 0,8 0,1 0,9 -3,9 -1,1 0,8 -2,0 BIP real Privater Verbrauch Staatsverbrauch Ausrüstungen Bauinvestitionen Binnennachfrage Exporte Importe Verbraucherpreise Verbraucherpreise (HVPI) Produzentenpreise 2008 Q1 0,6 -1,8 1,7 3,7 1,3 1,7 -0,3 2,0 % % 2007 2008p 2009p 2,5 1,8 2,2 -0,4 1,2 2,1 2,1 1,4 2,5 8,2 3,8 5,9 2,3 0,8 1,2 0,9 1,1 2,5 7,8 6,3 3,1 4,8 5,6 4,6 163,8 151,0 154,0 6,8 6,0 5,9 0,2 -2,0 1,0 0,0 -0,1 0,0 *) Quartalswerte: Veränderung gegen Vorperiode in %, saison- und arbeitstäglich bereinigt - sofern nicht anders angegeben. Jahreswerte: Veränderung in %, nicht arbeitstäglich bereinigt. - **) Quartalsendstand, Jahresdurchschnitt. p = Prognose 3.3 Das Warten auf den privaten Konsum hat ein Ende Vor allem die Mehrwertsteuererhöhung und die in der zweiten Jahreshälfte spürbar angezogenen Verbraucherpreise haben im vergangenen Jahr dazu geführt, dass die Konsumenten in Deutschland unter dem Strich weniger ausgegeben haben als im Vorjahr: Der Verbrauch ging im Jahresdurchschnitt real um 0,4 % zurück. Ohne den fiskalpolitisch bedingten Kaufkraftentzug des vergangenen Jahres stehen in diesem Jahr die Chancen für die langerwartete Belebung des privaten Konsums gut. Der Beschäftigungsaufbau dürfte sich, wenn auch nicht mehr so dynamisch wie im vergangenen Jahr, weiter fortsetzen. Wir rechnen mit einem Plus von 1,1 %, nach einem Anstieg von 1,7 % im Jahr 2007. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies im Jahresdurchschnitt 476.000 mehr Erwerbstätige als im Vorjahr. Des Weiteren erwarten wir eine Beschleunigung bei der Lohnentwicklung. Die Tarifgehälter dürften in diesem Jahr deutlich stärker ansteigen als in den vorangegangenen Jahren. Dies zeichnet sich bei den laufenden Tarifverhandlungen ab. Gesamtwirtschaftlich gehen wir bei den Tarifverdiensten je Beschäftigten von einem Anstieg von 2,5 % aus (2007: 1,2 %). Bei den Effektivverdiensten je Beschäftigten dürfte sich das Plus sogar auf 2,8 % belaufen. Damit würden im laufenden Jahr zum zweiten Mal in Folge die Effektivverdienste stärker ansteigen als die Tarifverdienste, was vor allem ein Ausdruck der guten konjunkturellen Lage und der zunehmenden Knappheiten am Arbeitsmarkt ist. Insgesamt dürfte damit sowohl die Brutto- als auch die Nettolohnsumme kräftig um gut 4 % zulegen. Unter der Annahme leicht rückläufiger Transfereinkommen und etwas schwächer steigender Selbständigen- und Vermögenseinkommen wird das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte damit insgesamt um knapp 3 % wachsen. In realer Rechnung entspräche dies einem Plus von immerhin fast 1 %. Zum Vergleich: 2007 stagnierten die Realeinkommen. Bei der Spar13 quote rechnen wir mit einem Rückgang von 10,9 auf 10,7 %, der im Wesentlichen als Gegenbewegung zu dem sehr deutlichen Anstieg im vergangenen Jahr (Mehrwertsteuererhöhung!) zu sehen ist. Insgesamt ergibt sich somit ein Anstieg des Privaten Verbrauchs von 1,2 %. Er würde damit fast ein Drittel zum diesjährigen Wirtschaftswachstum von 1,8 % beitragen. Einkommen der privaten Haushalte legt deutlich zu Veränderung gegenüber Vorjahr in % 5 Prognose 4 3 2 1 0 -1 2002 2003 2004 Nettolöhne- und gehälter 2005 2006 2007 2008 2009 real verfügbares Einkommen Noch zuversichtlicher sind wir, was die Entwicklung des Konsums im kommenden Jahr angeht. Der Beschäftigungsaufbau sollte sich mit einem Plus von 0,6 % weiter moderat fortsetzen. Gleichzeitig dürften die Effektivverdienste je Beschäftigten mit einem Anstieg von 3 % noch etwas stärker zulegen als in diesem Jahr. Damit sollten die nominal verfügbaren Einkommen mit über 3 % sogar deutlicher ansteigen als 2008. Unter der Annahme einer leicht reduzierten Sparquote dürften die privaten Konsumausgaben real um 2,1 % wachsen. Damit wären sie für mehr als die Hälfte des prognostizierten BIP-Wachstums von 2,2 % verantwortlich, womit sich der Private Verbrauch dann auch endgültig zur neuen Konjunkturlokomotive in Deutschland entwickelt hätte. 14 Kasten 1: Tariflohnentwicklung 2007 Trotz teilweise hoher Tarifabschlüsse im vergangenen Jahr (Beispiele: Metallindustrie und Chemische Industrie), hat sich dies bis zuletzt nicht nennenswert in den Zahlen zur gesamtwirtschaftlichen Lohnentwicklung niedergeschlagen. Im vierten Quartal 2007 belief sich das Plus bei den Tariflöhnen je Stunde auf gerade einmal 1,1 % gegenüber Vorjahr. Bei den Effektivverdiensten je Beschäftigten war es mit 1,3 % nicht wesentlich mehr. Welche statistischen Aspekte sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen? Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erhöhten sich die tariflichen Monatsgehälter der Angestellten im Jahresdurchschnitt 2007 um 2,0 %. Das ist der höchste Anstieg seit 2004. Die tariflichen Stundenlöhne der Arbeiter verzeichneten mit einem Plus von 2,5 % sogar den höchsten Zuwachs seit 2003. Ganz anders sieht das Bild aber in der Tariflohnstatistik der Bundesbank aus. Dort sind die Tariflöhne auf Stundenbasis und auf Monatsbasis um jeweils lediglich 1,4 % angestiegen. Überraschend ist dabei das starke Auseinanderklaffen der Raten, das sich im zweiten Halbjahr 2007 ausgeweitet hat und stärker als in der Vorjahren ausfiel. Diese Differenz kann zum Teil durch Abweichungen in der Grundgesamtheit erklärt werden. So werden zum einen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und zum anderen Einmalzahlungen bei Tarifabschlüssen sowie Pauschalzahlungen für sogenannte Nullmonate zwischen Ende des alten und Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages zu den tariflichen Grundvergütungen in der Bundesbanktarifrechnung gezählt. Diese werden aber in der Rechnung des Statistischen Bundesamtes nicht berücksichtigt. Zudem bezieht das Statistische Bundesamt nur die Tarifverträge mit den höchsten Beschäftigtenzahlen ein, wobei in jedem nachzuweisenden Wirtschaftszweig mindestens 75 % der Beschäftigten zu erfassen sind. Ein maßgeblicher Grund dürfte auch in den zugrundeliegenden unterschiedlichen Wägungsschemata liegen, denn die Lohn- und Gehaltsveränderungen der einzelnen Tarifverträge werden gemäß dem Anteil der Beschäftigten in einem Wirtschaftszweig, den diese an der Gesamtzahl der Beschäftigten in allen erfassten Wirtschaftszweigen haben, im jeweiligen Tarifindex gewichtet berücksichtigt. Der Index der Tariflöhne und -gehälter oder Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes wird als sogenannter Laspeyres-Preisindex mit festem Basisjahr berechnet. Die Indexwerte beziehen sich auf die Beschäftigtenstrukturen des jeweils aktuell gültigen Basisjahres. Änderungen der Beschäftigtenstruktur der Betriebe nach Wirtschaftszweigen werden erst bei der Indexneuberechnung für ein neues Basisjahr berücksichtigt. Das aktuelle Basisjahr ist 1995. Demgegenüber wird der Tariflohnindex der Bundesbank mit folgender Wägungsformel berechnet: n ∑ Bit x Mit Mt = i=1 n ∑ Bit i=1 Dabei gibt Mit das Monatsgehalt und Bit die Beschäftigung im Tarifbereich i für den Monat t an; n bezeichnet die Anzahl der in der Tarifverdienststatistik erfassten Bereiche. Im Gegensatz zum Ta- 15 riflohnindex des Statistischen Bundesamtes, der mit konstanten Gewichten errechnet wird, kommen daher in dem Tariflohnindex der Bundesbank auch Verschiebungen in der Beschäftigtenstruktur zum Ausdruck. So ist beispielsweise der Anteil der Erwerbstätigen im Bereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister an den Erwerbstätigen insgesamt von 11,8 % im Jahr 1995 auf 17,3 % 2007 angestiegen, während derjenige des Produzierenden Gewerbes von 23,9 % auf 19,9 % gesunken ist. Gerade das vergangene Jahr war gekennzeichnet durch einen sehr kräftigen Beschäftigtenzuwachs im Dienstleistungssektor. Somit könnte einerseits der Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes verzerrt sein. Andererseits erscheint der Anstieg des Tariflohnindexes der Deutschen Bundesbank vor dem Hintergrund der kräftigen neuen Tariflohnabschlüsse im vergangenen Jahr dennoch überraschend moderat. Quelle: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank. 3.4 Investitionen verlieren an Fahrt Im vergangenen Jahr hat sich der Boom bei den Ausrüstungsinvestitionen klar fortgesetzt. Mit einem Plus von 8,2 % konnte die im Vorjahr erreichte Dynamik gehalten werden. Dass die Ausweitung der Investitionstätigkeit insbesondere im vierten Quartal so kräftig verlief, hatte mit Vorzieheffekten im Zusammenhang mit der zum Jahresende 2007 in Kraft getretenen Veränderung steuerlicher Rahmenbedingungen zu tun: Zum einen wurden die Sofortabschreibungsmöglichkeiten von so genannten geringwertigen Wirtschaftsgütern eingeschränkt. Zum anderen lief Ende 2007 die steuerlich attraktive Möglichkeit der degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsgüter aus. Die in das Schlussquartal 2007 vorgezogenen Investitionen werden im ersten Quartal 2008 fehlen, weshalb wir mit einem schwächeren Jahresauftakt rechnen. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Investitionsdynamik bei Ausrüstungsgütern im weiteren Jahresverlauf wieder sukzessive beschleunigen wird. Der erwartete Einbruch im ersten Quartal 2008 stellt nur eine vorübergehende Delle und keine Trendwende dar. Die Rahmenbedingungen für Investitionen sind insgesamt nach wie vor recht günstig, auch wenn die Finanzierungskosten in den vergangenen Monaten gestiegen sind. So lag die Kapazitätsauslastung (laut Bundesbank) im Verarbeitenden Gewerbe im ersten Quartal mit 87,2 % nach wie vor deutlich über dem langfristigen Durchschnitt (1997-2007: 84,3 %). Auch sind die Absatzperspektiven nach wie vor günstig. Und nicht zuletzt sollte nicht vergessen werden, dass Deutschland infolge der in diesem Jahr in Kraft getretenen Unternehmensteuerreform im internationalen Wettbewerb als Investitionsstandort an Attraktivität gewonnen hat. Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr ein Anstieg bei den Ausrüstungsinvestitionen von real 3,8 %. Für das kommende Jahr haben wir einen Anstieg von 5,9 % eingestellt, wobei sich das deutlich höhere jahresdurchschnittliche Wachstum im Wesentlichen durch den vergleichsweise besseren Start in das Jahr 2009 ergibt. 16 Kapazitätsauslastung in der Industrie weiter hoch saisonbereinigt, in % 90 Durchschnitt (1997 - 2007) 86 82 78 74 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 19 92 93 19 19 19 19 90 91 70 Die Bauinvestitionen haben im vergangenen Jahr spürbar an Schwung verloren. Real legten sie nur noch um 2,3 % zu, nachdem sich das Plus 2006 noch auf 4,3 % belaufen hatte. Verantwortlich dafür war praktisch ausschließlich die Entwicklung im Wohnungsbau, auf den rund die Hälfte der gesamten Bauinvestitionen entfällt. Er legte im Jahresdurchschnitt um lediglich 0,6 % zu, im Jahresverlauf ging die Investitionstätigkeit im Wohnungsbau sogar zurück. Dieser Trend stellt im Wesentlichen die Gegenbewegung zu den Vorzieheffekten im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Eigenheimförderung (Ende 2005) und der Mehrwertsteuererhöhung (Anfang 2007) dar. Aktuelle Daten zu den Baugenehmigungen und Auftragseingängen deuten auf absehbare Zeit nicht auf eine Belebung hin, weshalb wir sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr von einer rückläufigen Investitionstätigkeit im Wohnungsbau ausgehen. Deutlich besser als im Wohnungsneubau stellen sich die Perspektiven bei den Bestandsarbeiten dar. Hier sorgen kontinuierlich verschärfte Klimaschutzmaßnahmen, steigende Erbfälle, der Trend zu kleineren Haushaltsgrößen, die verbesserte Einkommenssituation bei den abhängig Beschäftigten und das anhaltend niedrige Zinsniveau für Nachfrageimpulse. 17 Weiterhin sehr positiv entwickeln sich der öffentliche Bau sowie der Wirtschaftsbau. Im vergangenen Jahr legten sie um 6,7 % beziehungsweise 3,7 % zu. Wir gehen davon aus, dass beide Bereiche über den gesamten Prognosezeitraum hinweg weiter wachsen werden. So dürfte der Staat dank der deutlich verbesserten Haushaltslage weiterhin in der Lage sein, den Investitionsstau, der sich in den Jahren klammer Kassen aufgebaut hat, weiter abzubauen. Allerdings ist mit einer etwas nachlassenden Investitionsdynamik zu rechnen: 2008 werden die Gehälter der Bediensteten von Bund und Gemeinden erstmals seit Jahren wieder steigen. Die steigenden Personalkosten dürften sich negativ auf den Investitionsspielraum auswirken. Der Wirtschaftsbau profitiert von der immer noch günstigen Gewinnlage und damit zusammenhängend von der hohen Investitionsbereitschaft des Unternehmenssektors. Hinzu kommt, dass Deutschland nach der EU-Osterweiterung zu einer zentralen Verkehrsdrehscheibe mit zahlreichen Handels-, Lager- und Vertriebseinrichtungen im Herzen Europas avanciert ist. In der Summe gehen wir davon aus, dass die gesamten Bauinvestitionen in diesem Jahr um 0,8 % wachsen dürften. Für das kommende Jahr erwarten wir dann ein Plus von 1,2 %. Entwicklung im Wohnungsbau saisonbereinigt 100 6 80 4 60 2 40 0 2001 2002 2003 2004 2005 Baugenehmigungen, Mrd. EUR, rechte Achse Auftragseingänge, Index (2000 = 100), linke Achse 2006 2007 2008 3.5 Außenhandel verliert Rolle als Konjunkturlokomotive Im vergangenen Jahr sind die deutschen Ausfuhren kräftig um 7,8 % gewachsen. Sie konnten jedoch die hohe Dynamik des Jahres 2006 nicht halten, als sich das Plus auf beachtliche 12,5 % belaufen hatte. 2008 dürfte sich das Wachstum weiter leicht abschwächen. Wir rechnen mit einem Anstieg um 6,3 %. In der ersten Jahrshälfte werden die Exporte zunächst weiter deutlich zulegen. Dafür sprechen die bereits verfügbaren Außenhandelsdaten zum Jahresauftakt sowie die bis zuletzt recht günstige Lage bei den Auslandsaufträgen des Verarbeitenden Gewerbes. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Exportdynamik in der zweiten Jahreshälfte spürbar an Fahrt verlieren 18 wird. Gründe hierfür sind neben dem schwächeren weltwirtschaftlichen Wachstum vor allem die ungebrochene Euro-Stärke, die eine zunehmende Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporte in den Ländern außerhalb des Euro-Raums darstellt. Der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Indikator der preislichen Wettbewerbsfähigkeit zeigt, dass die deutsche Wirtschaft 2007 fast 5 % an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten aus NichtEWU-Ländern verloren hat. Angesichts der deutlichen Aufwertung des Euro im ersten Quartal 2008 (insbesondere gegenüber dem US-Dollar) dürfte sich dieser Trend in den ersten Monaten des Jahres weiter fortgesetzt haben. Bei den Importen rechnen wir 2008 mit einer dynamischeren Entwicklung als im vergangenen Jahr: Das Wachstum sollte sich von 4,8 % auf 5,6 % beschleunigen. Zwar wirkt die schwächere Investitionsdynamik dämpfend auf die Importnachfrage. Die durch die deutliche Belebung des Privaten Verbrauchs induzierte höhere Importnachfrage dürfte aber den investitionsseitigen Dämpfer mehr als kompensieren. Nachdem der Außenhandel noch im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte zum Wirtschaftswachstum von real 2,5 % beigetragen hat, dürfte es in diesem Jahr wahrscheinlich gerade mal noch etwa ein Drittel sein. Im Jahr 2009 dürfte der rein rechnerische Wachstumsbeitrag vom Außenhandel dann sogar nahezu vernachlässigbar sein, wenn die Importe angesichts der lebhaften Binnennachfrage erstmals seit sechs Jahren wieder stärker wachsen als die Exporte. Wachstumsimpulse vom Außenhandel lassen stark nach verkettete Volumenangaben, Mrd. Euro 1400 200 1200 150 1000 100 800 50 600 400 0 200 -50 199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009 Exporte Importe Außenbeitrag (rechte Skala) Berechnung des Außenbeitrags wegen der verketteten Volumenangaben nur näherungsweise möglich. Seit Jahren kann man bei der regionalen Exportstruktur Deutschlands nachvollziehen, was auch auf globaler Ebene zu beobachten ist: Die zunehmende Bedeutung der Emerging Markets. Nehmen wir als Beispiel die so genannten BRIC-Länder, also Brasilien, Russland, Indien und China. Im Jahr 2000 belief sich deren Anteil an den gesamten deutschen Ausfuhren auf lediglich 3,8 %. 2007 19 waren es bereits 7,5 % – nahezu eine Verdopplung innerhalb von nur sieben Jahren. Russland konnte seinen Anteil in diesem Zeitraum sogar nahezu verdreifachen. Interessant ist auch, wie sich gleichzeitig die Anteile einzelner außereuropäischer Industrieländer entwickelt haben. Wichtigstes Beispiel sind die USA: Im Jahr 2000 gingen noch mehr als 10 % aller deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr waren es mit 7,6 % nur noch unwesentlich mehr als der Anteil, den die BRIC-Länder auf sich vereinen. Auch Japan hat in den vergangenen Jahren spürbar an Bedeutung für die deutsche Exportwirtschaft verloren. Zwischen 2000 und 2007 hat sich der Anteil Japans nahezu halbiert. Im Vergleich dazu kann man im Hinblick auf den Anteil des EuroRaums fast schon von Stabilität sprechen: Hier war „nur“ ein Rückgang von knapp 45 % auf rund 43 % zu verzeichnen. Regionale Diversifizierung der deutschen Exporte nimmt zu Anteile an den gesamten deutschen Exporten, in % 2000 2006 2007 Frankreich Großbritannien Italien Niederlande Polen Tschechien Ungarn EWU-Länder EU27-Länder 11,3 8,3 7,5 6,5 2,4 2,1 1,7 44,7 64,7 9,6 7,3 6,7 6,3 3,2 2,5 1,8 42,5 63,6 9,7 7,3 6,7 6,4 3,7 2,7 1,8 42,8 64,8 USA Japan 10,3 2,2 8,7 1,6 7,6 1,3 0,8 1,1 0,3 1,6 0,7 2,6 0,7 3,1 0,7 2,9 0,8 3,1 Brasilien Russland Indien China Zusammenfassend kann man sagen: Während sich die Bedeutung der anderen EWUMitgliedsstaaten für die deutsche Exportwirtschaft insgesamt nur recht wenig vermindert hat, vollziehen sich bei den Nicht-EWU-Staaten seit einigen Jahren deutliche Verschiebungen der Ländergewichte. Die zunehmende Bedeutung der Emerging Markets geht dabei eindeutig zu Lasten der großen Industrieländer. Damit steigt die regionale Diversifizierung der deutschen Exportwirtschaft und macht sie somit weniger abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in einem einzelnen Land. So wurde das an sich deutliche Minus bei den Exporten in die USA im vergangenen Jahr (-5,9 %) durch kräftige Zuwachsraten im Falle anderen Länder und Regionen mehr als kompensiert. Die deutschen Exporte konnten somit trotz der Konjunkturschwäche in der größten Volkswirtschaft der Welt um nominal satte 8,5 % zulegen. 20 3.6 Inflation gibt im Jahresverlauf 2008 spürbar nach Im vergangenen Jahr stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland deutlich um 2,3 % an. Gleich drei Faktoren waren hierfür verantwortlich: Die Mehrwertsteuererhöhung zu Jahresbeginn, die kräftig gestiegenen Energiepreise sowie die deutlichen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln. Im Jahresdurchschnitt belief sich das Plus bei Nahrungsmitteln auf 3,9 %, wobei die Steigerungsraten je nach Produktart teils massiv variierten. So legten die Preise für Molkereiprodukte im Jahrsdurchschnitt um fast 6 % zu. Im Dezember 2007 waren Milchprodukte sogar um 20 % teurer als ein Jahr zuvor. Für das laufende Jahr gehen wir davon aus, dass die durchschnittliche Inflationsrate mit 2,4 % geringfügig höher als im Jahr 2007 ausfällt. Zwar wirkt die Tatsache, dass der durch die Mehrwertsteuererhöhung bedingte Anstieg des vergangenen Jahres entfallen wird, deutlich entlastend. Dieser Effekt dürfte aber durch zwei andere Entwicklungen mehr als kompensiert werden. Zum einen rechnen wir damit, dass sich der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln, wenn auch nicht mehr so dynamisch wie im vergangenen Jahr, weiter fortsetzt. Zum anderen wirken die anhaltend hohen Energiepreise klar belastend. Im Jahresdurchschnitt 2008 erwarten wir einen Ölpreis von 90 USD pro Fass der Marke Brent. Gegenüber 2007 entspräche dies einem Anstieg von über 23 %. Auslaufende Basiseffekte im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung 2007 sowie Ölpreise, die sich zunehmend wieder mehr an den Fundamentaldaten, sprich schwächeres Nachfragewachstum bei gleichzeitiger Erhöhung des realen Angebots, orientieren, sollten im Verlauf des Jahres dafür sorgen, dass die jährliche Inflationsrate wieder spürbar unter die Marke von 2 % sinkt. Im Durchschnitt des vierten Quartals dürfte sie nach unserer Einschätzung bei nur noch 1,6 % liegen. Energie und Nahrungsmittel als Preistreiber Veränderung gegenüber Vorjahr in % 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 2002 2003 Gesamtindex 2004 2005 2006 2007 2008 ohne Energie und saisonale Lebensmittel 21 Für das Jahr 2009 haben wir in unsere Prognose eine Inflationsrate von 1,9 % eingestellt. Grundlage hierfür ist unter anderem die Erwartung von im Jahresdurchschnitt stabilen Energiepreisen im Vergleich zum Jahr 2008, sowie die Annahme, dass sich bei Nahrungsmitteln der Trend zu steigenden Preisen zumindest nicht spürbar beschleunigt. 3.7 Staatshaushalt rutscht wieder leicht ins Defizit Die gute konjunkturelle Lage und nicht zuletzt die deutliche Mehrwertsteuererhöhung haben im vergangenen Jahr die Steuereinnahmen kräftig sprudeln lassen und dem deutschen Staat den ersten Haushaltsüberschuss seit 1989 beschert (ohne Berücksichtigung des Jahres 2000, als dem Staat durch die Versteigerung der so genannten UMTS-Lizenzen einmalig Milliardenbeträge zugeflossen waren). Das leichte Plus belief sich auf rund EUR 0,2 Mrd. oder 0,01 % des BIP. Nur ein Jahr zuvor hatte sich der Fehlbetrag noch auf 1,6 % belaufen, 2005 waren es sogar 3,4 %. Der Staatshaushalt dürfte in diesem Jahr wieder leicht ins Minus rutschen. Zum einen ist damit zu rechnen, dass sich die Wachstumsdynamik bei den Einnahmen angesichts der schwächeren wirtschaftlichen Dynamik verlangsamt. Zum anderen zeichnet sich ein spürbarer Ausgabenanstieg ab, der zumindest teilweise auch mit einer nachlassenden Ausgabendisziplin des Staates zusammenhängt. Hier einige ausgewählte Beispiele: • Rentenerhöhung: Laut Rentenanpassungsformel dürfte die im Juli 2008 anstehende Anpassung der Altersrenten lediglich etwa 0,5 % betragen. Bundesarbeitsminister Scholz plant nun, die rentendämpfende Wirkung der so genannten Riester-Treppe innerhalb der Formel auszusetzen, was zu einer um 0,6 Prozentpunkte höheren Rentenanpassung – also insgesamt 1,1 % führen würde. Dieser stärkere Rentenanstieg um 0,6 Prozentpunkte verursacht bei einem Rentenvolumen von rund 200 Mrd. EUR zusätzliche Ausgaben der Rentenkasse von rund 1,2 Mrd. EUR im Jahr 2008. • Arbeitslosengeld I: Ältere Arbeitslose haben rückwirkend zum 1. Januar 2008 länger Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld I. • Öffentlicher Dienst: Die Löhne und Gehälter der rund 1,3 Millionen Beschäftigten des Bundes und der Kommunen werden in diesem Jahr erstmals seit Jahren wieder spürbar angehoben. Rückwirkend zum 1. Januar 2008 werden die Entgelte zunächst über alle Tarifgruppen hinweg um EUR 50 erhöht. Darauf aufbauend erfolgt eine Gehaltserhöhung um 3,1 %. Im Gesamtvolumen bedeutet dies insgesamt eine Tariferhöhung um 5,1 %. Eine Anpassung um weitere 2,8 % und eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von EUR 225 sind für den 1. Januar 2009 vereinbart. • Finanzkrise: Bund und Länder wenden zur Unterstützung von einzelnen öffentlichrechtlichen Banken, die im Zuge der US-Immobilienkrise teils selbst erhebliche Verluste realisieren beziehungsweise für Verluste anderer Banken einstehen mussten, größere Mittel auf. 22 Insgesamt erwarten wir für dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von 2 Mrd. EUR oder 0,1 % des BIP. Für das Jahr 2009 gehen wir angesichts der dann insgesamt wieder dynamischeren konjunkturellen Entwicklung von einem leichten Überschuss im Staatshaushalt aus – trotz der im Herbst anstehenden Bundestagswahlen. 3.8 Deutsche Industrie für Konjunkturabschwächung gut gerüstet Die deutschen Industrieunternehmen blicken mittlerweile auf vier Wachstumsjahre in Folge zurück und damit auf den längsten industriellen Aufschwung in Gesamtdeutschland. In den Jahren 2004 bis 2007 trug das Verarbeitende Gewerbe fast ein Drittel zum nominalen gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei, obwohl sein volkswirtschaftliches Gewicht nicht einmal ein Viertel beträgt. 2007 ist der Output des Verarbeitenden Gewerbes mit preisbereinigt fast 7 % sogar so stark gestiegen wie noch nie seit der deutschen Vereinigung. Die reale Wertschöpfung der gesamten Industrie konnte dadurch einen Wachstumsbeitrag zur Gesamtwirtschaft in Höhe von 1,2 Prozentpunkten leisten. Die Konjunkturindikatoren zu Jahresbeginn 2008 signalisieren auch im ersten Quartal einen kräftigen Produktionsanstieg im Produzierenden Gewerbe. Selbst wenn ein Teil des Zuwachses auf Sondereffekte wie die Abarbeitung vorgezogener Investitionsgüterbestellungen und den milden Winter zurückzuführen ist, findet die industrielle Expansion zunächst Anschluss an die kräftige Dynamik im Vorjahr und ist damit erneut wichtiger Antrieb des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Im weiteren Verlauf des Jahres werden dann jedoch die zahlreichen belastenden Faktoren aus dem internationalen Umfeld an Einfluss auf die Industriekonjunktur gewinnen. Die Exporteure von Investitions- und Vorleistungsgütern, auf die fast drei Viertel der deutschen Warenexporte entfallen, werden ihr hohes Wachstumstempo der vergangenen Jahre nicht halten können und nur durchschnittliche Zuwachsraten verbuchen. Auch die Inlandsbestellungen von Investitions- und Vorleistungsgütern werden an Dynamik verlieren. Für die deutsche Exportindustrie werden die Belastungen durch die internationale Finanzmarktkrise und den Konjunktureinbruch in den USA vermutlich erst in den Wintermonaten 2008/09 ihr Maximum erreichen. Für die gedämpfte Konjunkturentwicklung in diesem Jahr sind die deutschen Industrieunternehmen seitens ihrer Ertragslage und ihrer finanziellen Bestandsfestigkeit allerdings gut aufgestellt. Dies gilt nicht nur für die Großbetriebe, sondern auch für die Exporteuren zuliefernden oder auch direkt exportierenden industriellen Mittelständler. Im nächsten Jahr wird sich die konjunkturelle Dynamik in der deutschen Industrie wieder verstärken. Die Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Drittstaaten durch die Euro-Aufwertung wird dann allmählich an Einfluss verlieren. Die Inlandsbestellungen sollten neben der anziehenden Investitionstätigkeit auch durch den privaten Konsum merklich gestützt werden. Da der Beitrag der Konsumgüterproduzenten zur deutschen Industrieproduktion mit knapp einem Fünftel aber relativ gering ist und von der erwarteten Konsumbelebung primär ausländische Hersteller profitieren, schlägt die langsamere Gangart der Investitions- und Vorleistungsgüterkonjunktur auf die Industrieproduktion 2008 und 2009 durch. Trotzdem verbleibt die deutsche Industriekon23 junktur in einer soliden Verfassung. Begünstigt vom hohen Startniveau wird die reale Fertigung im laufenden Jahr um durchschnittlich rund 3 ¾ % zulegen können. Es schließt sich ein Zuwachs von etwa 4 % im Mittel des kommenden Jahres an, dem ein wieder stärkeres Verlaufswachstum zugrunde liegt. Trotz einer Halbierung ihres Wachstums im Vergleich zum Boomjahr 2007 werden die Vorleistungs- und Investitionsgüterhersteller ihre Fertigung im Prognosezeitraum mit jährlich rund 4 % genauso stark ausweiten können, wie ihnen das im langfristigen Trend seit Mitte der neunziger Jahre gelungen ist. Das Produktionsplus bei den Konsumgütern dürfte 2008 und 2009 mit jeweils etwa 2 % deutlich über dem Langfristtrend von knapp 1 % liegen. Deutsche Industrieproduktion 2007 bis 20091) Veränderung gegenüber Vorjahr in % Stand: April 2008 Branche Produzierendes Gewerbe (ohne Bau) Verarbeitendes Gewerbe Ernährungsgewerbe Holzgewerbe Papiergewerbe Verlagsgewerbe, Druckgewerbe Chemische Industrie Gummiwaren Kunststoffwaren Erzeugung von Roheisen und Stahl Metallerzeugnisse Maschinenbau Elektrotechnik Geräte der Elektrizitätserzeugung und -verteilung Rundfunk-, Fernseh-, Nachrichtentechnik Medizin- und Orthopädietechnik Mess-, Kontroll- u. Navigationstechnik Kraftwagen und Kraftwagenteile Möbelindustrie Energieversorgung Bauhauptgewerbe 2007 2008 6,1 6,9 3,4 -0,7 8,5 -1,2 4,7 5,8 6,8 2,8 8,3 9,7 11,5 7,2 17,0 4,0 6,2 7,5 3,2 -3,5 2,7 3,7 3,8 3,0 0,0 3,0 2,0 3,0 2,0 4,0 0,0 3,0 5,0 5,0 4,0 10,0 4,0 5,0 4,0 2,0 4,0 1,0 2) 2009 2 ) 4,0 4,2 3,0 3,0 3,0 3,0 4,0 2,0 6,0 2,0 4,0 3,0 6,0 5,0 8,0 5,0 6,0 4,0 4,0 2,0 0,5 Quelle der Istwerte: Statistisches Bundesamt 1) Alle Angaben sind arbeitstäglich bereinigt. 2) Prognose; für die einzelnen Branchen wurde auf halbe bzw. ganze Stellen gerundet Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die wichtigsten Branchen im Verarbeitenden Gewerbe hierzulande geworfen werden: Straßenfahrzeugbau Nach dem relativ kräftigen Produktionswachstum von über 7 % im Vorjahr verliert die deutsche Automobilindustrie in diesem und im nächsten Jahr mit Zuwachsraten von jeweils 4 % etwas an konjunkturellem Tempo. Hauptantriebskraft bleibt 2008 der Export, auf den mittlerweile 75 % der in Deutschland gefertigten Fahrzeuge entfallen. Zwar wird die Nachfrage in wichtigen Absatzmärkten wie den USA und Westeuropa eher schwach verlaufen, die heimischen Hersteller können dies aber durch Marktanteilsgewinne – gerade im Premiumsegment ist die deutsche Automobilindustrie sehr wettbewerbsstark – und vor allem durch gesteigerte Exporte nach Osteuropa und Asien kom- 24 pensieren. Sollte der Euro allerdings weiter kräftig an Wert gewinnen, sind deutlich negative Auswirkungen auf den Export nicht mehr auszuschließen. Der deutsche Automarkt bleibt hinter der Exportentwicklung zurück, auch wenn die Zulassungszahlen nach dem Einbruch im letzten Jahr wieder moderat zulegen dürften. Der heimische Autofahrer ist angesichts der Klimadiskussion und hoher Spritpreise verunsichert. Immerhin könnte die erwartete Besserung des privaten Konsums für Absatzimpulse sorgen, zumal sich zuletzt ein hoher Ersatzbedarf aufgestaut hat. Im Jahr 2009 erwarten wir dann mit der weiteren Erholung des Privaten Verbrauchs in Deutschland einen etwas dynamischeren Inlandsmarkt. Dabei sollte dann auch die Verunsicherung bei den Autofahrern bezüglich der klimapolitischen Vorgaben gewichen sein. Die Exportkonjunktur dürfte demgegenüber an Kraft verlieren. Maschinenbau Der Maschinenbau befindet sich derzeit weltweit in einer ungewöhnlich stabilen und langjährigen Wachstumsphase. Im Jahr 2007 belief sich das Plus der globalen Maschinenbauumsätze in realer Rechnung auf gerundet 5 %. Von den wichtigen Maschinen-Produktionsländer leisteten dabei China mit einem Umsatzplus von 26 % sowie Deutschland mit 11 % den größten Beitrag. Dagegen nahm sich der Anstieg in Japan mit real 3 % eher moderat aus, in den USA stagnierte der Umsatz sogar. Nachdem in den letzten Jahren die Bestelleingänge hauptsächlich aus den Schwellen- und Rohstoffförderländern anzogen, kamen zuletzt auch aus Westeuropa entscheidende Impulse. 2008 dürfte sich die weltweite Expansion des Maschinenbaus fortsetzen, allerdings mit einer etwas geringeren Dynamik; denn in den USA schwächt sich die wirtschaftliche Entwicklung weiter ab. Auch der japanische Maschinenbau wird keine Impulse setzen können. In China sollte die Nachfrage nach ausländischen Maschinen weniger stark wachsen als in der Vergangenheit, da der unverändert hohe Bedarf mehr und mehr aus eigener Produktion gedeckt wird. Die realen Maschinenumsätze dürften deshalb in diesem Jahr insgesamt einen weltweiten Zuwachs von schätzungsweise 3 % aufweisen. Der deutsche Maschinenbau als weltgrößter Exporteur und global drittwichtigster Produzent profitiert spürbar von der in den letzten Jahren stark anziehenden internationalen Investitionsgüternachfrage. Zuletzt konnten aber auch die inländischen Bestellungen nennenswert zum Wachstum beitragen. Im Jahr 2007 hat die Produktion hierzulande um beinahe 10 % zugelegt. Der deutsche Maschinenbau weist damit die längste Wachstumsphase seit Jahrzehnten auf. Zuletzt waren die Sachkapazitäten im Maschinenbau zu 92 % ausgelastet, dieser Nutzungsgrad liegt deutlich über dem Mittel der letzten fünf Jahre und auch über dem betriebswirtschaftlichen Optimum in Höhe von ca. 87 %. Einzelne Maschinenbauer klagen daher inzwischen über Kapazitätsengpässe. Ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit sollte den deutschen Maschinenbauern auch in einem schwächeren weltwirtschaftlichen Umfeld ein solides Ausfuhrwachstum sichern. Bislang sind bei der Entwicklung der Auslandsorders kaum Schwächetendenzen erkennbar, am aktuellen Rand ist sogar wieder eine Tempobeschleunigung zu beobachten. Die nachlassende Nachfrage aus den USA wird 25 durch die weiter positive Nachfrage der Schwellen- und Entwicklungsländer weitgehend kompensiert. Die Risiken sind aber durch die US-Immobilienkrise, die Unsicherheiten auf den globalen Finanzmärkten, den ungebremsten Höhenflug der Rohstoffpreise und den kontinuierlichen Kursverfall des US-Dollar größer geworden. Auch die Auftragseingänge aus dem Inland büßten in den Wintermonaten 2007/08 im Vorjahresvergleich zwar etwas an Dynamik ein. Dennoch ist den Daten nicht zu entnehmen, dass bei den inländischen Abnehmern inzwischen der Nachholbedarf an Maschinen vollständig gestillt ist und dass sich die zum Jahreswechsel verschlechterten steuerlichen Abschreibungsbedingungen bereits auf die Bestellungen auswirken. Die Auftragsbestände bei den Maschinenbauern reichen noch weit in das Jahr 2008 hinein, so dass sich eine allgemein geringere Auftragsdynamik erst ab dem Herbst auf die Produktion niederschlagen dürfte. In den vergangenen Wintermonaten verzeichneten mehr als vierzig Prozent der vom Branchenverband erfassten Fachzweige des Maschinenbaus noch zweistellige Zuwachsraten bei den Auftragseingängen. Insgesamt gehen wir für den deutschen Maschinenbau von einem Anstieg der Fertigung um mindestens 5 % in diesem Jahr und um 3 % im Jahr 2009 aus. Dies wäre dann trotz nachlassender Dynamik das fünfte und sechste Jahr in Folge mit Produktionszuwächsen – ein für diese lange Zeit sehr zyklische Branche eher untypischer Fall. Elektrotechnik Die Elektrotechnik in Deutschland wuchs 2007 nach Angaben des Statistischen Bundesamts zum fünften Mal in Folge. Mit 11 ½ % fiel das Produktionsplus nicht nur zweistellig aus, sondern übertraf erneut das mittlere Wachstum der vier Vorjahre in Höhe von 8 % erneut spürbar. Allerdings wird der Branchenzuwachs dadurch überzeichnet, dass technischer Fortschritt und Qualitätssteigerungen (z.B. mehr Prozessorkapazität und schnellere Verarbeitungsgeschwindigkeiten) bei den erzeugten Produkten automatisch zu Produktionssteigerungen führen. So verwundert es nicht, dass die kräftigsten Wachstumsimpulse auch zuletzt wieder von den Sparten IT-Technik (gut + 40 %) sowie Elektronische Bauelemente (über + 30 %) ausgingen. Andererseits führte die Insolvenz von BenQ als Sondereffekt im Segment der TK-Technik zu einem massiven Produktionseinbruch in Höhe von 17 %. Deutlich gedämpfter als der Output entwickelten sich die Umsätze, die 2007 lediglich um 2 % zulegen konnten. Rechnet man die BenQ-Pleite heraus, summiert sich das Umsatzplus laut ZVEI auf rund 6 %. Dieser Wert dürfte die tatsächliche Branchenkonjunktur im Gegensatz zur Produktionsentwicklung eher ein wenig unterschätzen, da wesentliche Bereiche der Elektrotechnik durch den rasanten technischen Fortschritt einem kontinuierlichen Preisverfall unterliegen. 2007 gingen bei den Umsätzen die Hauptimpulse diesmal vom Inlandsgeschäft aus, während die Auslandserlöse – im Gegensatz zu den Vorjahren – nur geringfügig zunahmen. Trotz der erkennbaren Abschwächung der Wachstumsdynamik in den letzten Monaten sind die Aussichten für die deutsche Elektrotechnik nach wie vor günstig, was auch durch den positiven ifo26 Geschäftsklima-Index unterstrichen wird. Insgesamt zeichnet sich für 2008 ein Produktionsplus von rund 5 % ab, 2009 lässt sich ein weiterer Anstieg um ca. 6 % erwarten. Bis auf die (bedingt durch die hedonische Preismessung) wieder überdurchschnittlich wachsenden Sparten IT- und TKTechnik werden alle Branchensegmente nahezu gleichmäßig zum Branchenwachstum beitragen. Der Aufschwung steht damit weiterhin auf breiter Basis. Das trifft vor allem auch auf die Energietechnik zu, die mit einem Anteil von gut 45 % den Schwerpunkt der Elektrotechnik hierzulande stellt und sich nun schon seit Jahren als zuverlässiger Impulsgeber erweist. Dieser Bereich der Elektrotechnik profitiert besonders vom günstigen Investitionsklima: Nach der jüngsten Investitionserhebung des ifo-Instituts wird die westdeutsche Industrie ihre Investitionsaktivitäten trotz des Wegfalls steuerlicher Abschreibungserleichterungen auch 2008 ausweiten, darunter insbesondere der Maschinenbau, die Automobilindustrie und die Chemie als wichtige Kunden. Für 2009 rechnen wir mit einer Fortsetzung dieser Expansion. Auf Seiten der Exporte muss man dagegen mit einer gedämpften Entwicklung rechnen, da die Branchen unter dem rasanten Kursverfall des US-Dollar leidet. Die nach wie vor kräftigen Investitionen in Energie- und Verkehrsinfrastrukturprojekte in aufstrebenden Ländern wie China, Indien sowie in den OPEC-Staaten des Nahen Osten verhindern jedoch einen Rückgang der Exporte. Chemische Industrie Die Unternehmen der chemischen Industrie in Deutschland müssen sich nach einer vierjährigen dynamischen Aufschwungphase, in der die Produktion um insgesamt rund 20 % gestiegen ist, im Jahr 2008 auf ein langsameres Wachstumstempo einstellen. Zum einen wird sich hierzulande die gesamtwirtschaftliche Konjunktur spürbar abschwächen und zum anderen mehren sich auch die Anzeichen für eine Abkühlung der Weltkonjunktur. Alles in allem rechnen wir deshalb für den Jahresdurchschnitt 2008 mit einem Wachstum der Chemieproduktion um etwa 3 % – nach gut 4 ½ % im vergangenen Jahr. Diese relativ optimistische Prognose gründen wir darauf, dass die Branche die vergangenen Jahre genutzt hat, um ihre Restrukturierung voranzutreiben. Vor allem wurden Überkapazitäten abgebaut und Kosten gesenkt. Darüber hinaus konnten die meisten Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis erhöhen. All diese Maßnahmen tragen nun Früchte und sorgen dafür, dass die deutschen Unternehmen der Chemieindustrie zuversichtlich in die Zukunft blicken können – trotz des von den hohen Energie- und Rohstoffkosten ausgehenden Kostendrucks und der nachlassenden binnen- und außenwirtschaftlichen Impulse. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass die Risiken für die Chemiekonjunktur zugenommen haben: Der Euro ist stark, die Ölpreise haben neue Rekorde erreicht, und die durch die USImmobilienkrise ausgelösten Finanzmarktturbulenzen sind noch nicht überwunden. Ein starker Euro federt zwar die höhere Ölrechnung für die Chemieindustrie etwas ab, allerdings beeinträchtigt er die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Produzenten zunehmend. Steigender Importdruck und gleichzeitige Dämpfung des Exportwachstums wären die Folge. Im Einklang mit den für 2009 voraussichtlich wieder günstigeren Konjunkturaussichten rechnen wir aber auch für die Chemieindustrie mit einer leicht verbesserten Wachstumsdynamik, so dass sich 2009 ein Produktionsplus von 4 % ergeben dürfte. 27 Kasten 2: Produktivitätsentwicklung 2007 Während die Bruttowertschöpfung 2007 in jeweiligen Preisen mit knapp 4 % den kräftigsten Anstieg seit langem verbuchen konnte und auch in realer Rechnung mit rund 3 % nochmals kräftig expandierte, konnte demgegenüber die Produktivitätsentwicklung mit dieser guten Dynamik nicht Schritt halten. So erreichte der Zuwachs der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen und je Erwerbstätigenstunden jeweils lediglich 2,7 % und blieb damit hinter dem Vorjahreswert zurück. In realer Rechnung trat die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen mit einem geringen Plus von 0,8 % nahezu auf der Stelle. Diese insgesamt niedrige Zuwachsrate erklärt sich aus deutlichen Unterschieden in den Branchenverläufen: der durchaus recht positiven Entwicklung im produzierenden Gewerbe stand ein schwaches Ergebnis des Dienstleistungssektors gegenüber. Während die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen (in jeweiligen Preisen) im produzierenden Gewerbe ohne Bau im Jahresmittel 2007 um 5,0 % zunahm (real +4,0 %), blieb die Produktivitätsentwicklung der Branche Handel, Gastgewerbe und Verkehr mit einer Zuwachsrate von 1,4 % (real 0,8 %) dahinter zurück. Im Sektor Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister, der mit knapp 30 Prozent den höchsten Anteil an der Bruttowertschöpfung hat (verglichen mit 26 % des produzierenden Gewerbes ohne Bau), ging die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen um 0,7 % zurück (real -0,8 %), pro Erwerbstätigenstunde gar um 1,2 % (real -1,3 %). Die Ursachen hierfür dürften in den strukturellen Unterschieden in der Beschäftigung zu suchen sein. Zum einen könnte ein Grund im höheren Anteil an Teilzeitbeschäftigten im Dienstleistungssektor liegen. Zum anderen sind gerade im Dienstleistungssektor viele Stellen für Geringqualifizierte mit dementsprechend geringer Produktivität zu finden, sei es im Gastgewerbe (Servicepersonal) oder bei Unternehmensdienstleistern (Wachdienste, Reinigungskräfte). Dazu dürften auch die hohen Outsourcing-Aktivitäten in der Industrie in den letzten Jahren beigetragen haben. Arbeitsproduktivität 2007 Veränderung gegenüber Vorjahr in % Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister Handel, Gastgewerbe, Verkehr Bau Industrie (ohne Bau) insgesamt -2 -1 0 je Erwerbstätigen 1 2 3 4 5 je Erwerbstätigenstunde 28