Höhere Rentenanpassung 2008 und 2009 geht nicht zu
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Höhere Rentenanpassung 2008 und 2009 geht nicht zu
Allianz Dresdner Economic Research Working Paper No.: 100, 03.04.2008 Autor: Dr. Martin Gasche _________________________________________________________________ Höhere Rentenanpassung 2008 und 2009 geht nicht zu Lasten zukünftiger Generationen Die geplante stärkere Anhebung der Renten in den Jahren 2008 und 2009 ist zwar grundsätzlich problematisch, weil sie die Verlässlichkeit der Rentenpolitik weiter beschädigt. Doch führt sie nicht zu einer Zunahme der Umverteilung von den Jungen zu den Alten. Eine Belastung zukünftiger Generationen findet nicht statt. Dies gilt allerdings nur solange, wie der rentendämpfende Effekt des Riester-Faktors nur aufgeschoben und nicht aufgehoben wird. Die Bundesregierung plant, in den Jahren 2008 und 2009 die Renten um jeweils rund 0,6 Prozentpunkte stärker steigen zu lassen, als es sich aus der Rentenanpassungsformel ergeben würde. Zum 1. Juli 2008 sollen die Renten so um 1,1 % und im Wahljahr 2009 um 2,0 % angehoben werden. Dazu wird innerhalb der Formel der sogenannte Riester-Faktor für diese 2 Jahre ausgesetzt. Sah es zu Beginn noch so aus, als wäre diese Aussetzung dauerhaft, so dass diese zusätzliche Rentenerhöhung auch dauerhaft für die Rentenversicherung ausgabensteigernd gewirkt hätte, wurde später klar, dass der rentendämpfende Effekt des Riester-Faktors nach 2011 nachgeholt werden soll. Höhere Renten in 2008 und 2009 werden also mit niedrigeren Rentenanpassungen nach 2011 erkauft. Aufgrund der geänderten Rentenanpassung und dem damit einhergehenden geänderten Ausgabenentwicklung kommt es zu einem geänderten Beitragssatzpfad. Beitragssatzsenkungen wirken sich aber über die Rentenanpassungsformel rentenerhöhend und Beitragssatzsteigerungen rentensenkend aus, so dass ein veränderter Beitragssatzpfad wiederum Rückkopplungseffekte auf die Rentenanpassung und damit auf die Rentenausgaben hat. Zudem hängt die Höhe des Bundeszuschusses u.a. vom Beitragssatz ab. Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung stellen 1 somit ein kompliziertes interdependenten System dar, in dem scheinbar geringe Änderungen weitreichende Folgen haben können. Die mit den Maßnahmen einhergehenden zusätzlichen Ausgaben von rund 11 Mrd. EUR bis 2012 und die verschobene Beitragssatzsenkung standen in der öffentlichen Diskussion im Mittelpunkt. Schnell wurde von der Rentenerhöhung auf Kosten der Jungen gesprochen. Doch ist das wirklich so? Bei einer kurzfristigen Betrachtung bis 2012 ist das Ergebnis eindeutig: Die Rentenerhöhung geschieht auf Kosten der Beitragszahler, die Jungen zahlen für die Alten, da die Rentner eine höhere Rente bekommen und der Beitragssatz nicht wie geplant in 2011 gesenkt werden kann. Bei einem längeren Betrachtungshorizont ist dies nicht mehr so eindeutig. Denn der Beitragssatz kann zwar erst ab 2012 sinken. Doch steigt er später nicht ganz so stark an (Abbildung). Bei der Rentenanpassung bzw. bei dem für die Rentenhöhe maßgeblichen aktuellen Rentenwert zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Rentenanpassungen fallen erst höher aus als im Status quo, was einen höheren aktuellen Rentenwert zur Folge hat. Später sind die Rentenanpassungen meist geringer, weil die rentendämpfenden Effekte des Riester-Faktors nachgeholt werden und die weniger starken Beitragssatzsenkungen über den Mechanismus der Rentenanpassungsformel zusätzlich zu einem geringeren Rentenanstieg beitragen. Der aktuelle Rentenwert ist in späteren Jahren deshalb sogar geringfügig niedriger, als er im Status quo gewesen wäre. Beitragssatz und aktueller Rentenwert der Gesetzlichen Rentenversicherung im Status quo und mit den geplanten Maßnahmen 22,0 41,0 Status quo 21,5 39,0 geplante Maßnahmen EUR 20,5 20,0 geplante Maßnahmen 35,0 33,0 31,0 29,0 19,5 27,0 Aktueller Rentenwert: monatlicher Rentenanspruch, den man erwirbt, wenn man ein Jahr Beiträge nach Maßgabe des Durchschnittseinkommens entrichtet hat. Quelle: BMAS, eigene Berechnungen. 2 2030 2028 2026 2024 2022 2020 2018 2016 2014 2012 2010 25,0 2008 2030 2028 2026 2024 2022 2020 2018 2016 2014 2012 2010 19,0 2008 % Status quo 37,0 21,0 Rentenanpassungsrate im Status quo und mit den geplanten Maßnahmen 3,50 3,00 % 2,50 2,00 1,50 1,00 geplante Maßnahmen 0,50 Status quo 2030 2028 2026 2024 2022 2020 2018 2016 2014 2012 2010 2008 0,00 Quelle für Grundzahlen BMAS, eigene Berechnungen. Für eine Aussage, ob es tatsächlich zu einer intergenerativen Umverteilung von Jung zu Alt kommt, muss man die Belastungen und Entlastungen eines Beitragszahlers und eines Rentners über den gesamten Zeitraum betrachten, in dem sich die Maßnahme auswirkt. Zum Beispiel hat eine Standardrentnerin1, die 1940 geboren wurde, im Jahr 2008 noch eine Lebenserwartung bis zum Jahr 2025. In dieser Zeitspanne wird diese Frau einfach aufsummiert eine Rentenzahlbetrag in Höhe von knapp 300.000 EUR erhalten. Mit den jetzt geplanten Maßnahmen ist diese Rentensumme nur um 42 EUR also um rund 0,014 % höher.2 Ein Bezieher des Durchschnittseinkommens wird in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 327 EUR mehr Beiträge zahlen. Bezogen auf seine gesamten Beitragszahlungen in der Zeit von 2008 bis 2030 von rund 190.000 Euro sind dies 0,17%.3 Als umfassendes Maß für die intergenerativen Verteilungseffekte von Politikmaßnahmen hat sich die Änderung der impliziten Rendite der Rentenversicherung etabliert. Die implizite Rendite ist vereinfacht gesprochen der rechnerische Zinssatz, mit dem die Beiträge eines durchschnittlichen Rentenversicherten verzinst werden müssten, um eine Rente in Höhe der gesetzlichen Rente zu generieren. Technisch ist die implizite Rendite der interne Zinsfuß, der den Barwert aller Rentenzahlungen und den Barwert aller Beitragszahlungen eines Rentenversicherten gerade zum Ausgleich bringt. Damit ist die implizite Rendite ein sehr umfassenden Maß, weil sich Einkommensänderungen und Beitragssatzänderungen über den Barwert der Beiträge sowie Rentenerhöhungen und eine veränderte Rentenbezugsdauer über den Barwert der Renten unmittelbar auf die Rendite auswirken. Belastungen schlagen sich in einer geringeren Rendite eines repräsentativen Mitglieds eines Geburtsjahrgangs nieder. Entlastungen erhöhen die Rendite. 1 Eine Standardrente erwirbt man, wenn man 45 Jahre Beiträge nach Maßgabe des Durchschnittseinkommens entrichtet hat. Sie beträgt das 45fache des aktuellen Rentenwerts, derzeit rund 1.182 EUR. 2 Bei der eigentlich korrekten Barwertbetrachtung kommt man zu sehr ähnlichen Ergebnissen: Der Barwert der Rentenzahlungen ist mit den geplanten Maßnahmen um 0,08 % höher. 3 Auch die jetzt geplanten Maßnahmen beeinflussen die Rendite. Allerdings nur die Rendite derjenigen Personen, die in der Zeit, in der die Maßnahmen Veränderungen hervorrufen, also die Jahre 2008 bis 2030 Beitragszahler oder Rentenempfänger sind. Damit kann man als ein wichtiges Ergebnis bereits jetzt festhalten, dass zukünftige Generationen, also Menschen die jetzt noch nicht geboren sind, nicht von diesen Maßnahmen belastet bzw. überhaupt betroffen sind. Es gibt also keine Rentenerhöhung zu Lasten zukünftiger Generationen! Somit müssen die Verteilungswirkungen nur für die heutigen Rentenempfänger und die Beitragszahler betrachtet werden. Da oben schon gezeigt wurde, dass sich sowohl bezüglich der Beitragszahlungen also auch bezüglich der empfangenen Rentenzahlungen im Vergleich zum Status quo in der relevanten Zeitspanne von 2008 bis 2030 temporäre Entlastungen und temporäre Belastungen ergeben können, ist von vornherein nicht eindeutig, ob es insgesamt zu einer Be- oder Entlastung kommt, ob die Rendite also steigt oder fällt. Zudem ist wegen der gegenläufigen Effekte zu vermuten, dass Be- und Entlastungen nicht besonders groß ausfallen werden. Tatsächlich zeigt ein von Allianz Dresdner Economic Research vorgenommener Renditevergleich vor und nach diesen Maßnahmen Veränderungen der Rendite für die Geburtsjahrgänge 1940 bis 2010 in der Größenordnung von maximal 0,02 Prozentpunkten, so dass sich die Renditekurve im Status quo und bei Durchführung der Maßnahmen fast nicht unterscheiden (Abbildung). Zwar kann man die grundsätzliche Aussage treffen, dass die alten Geburtsjahrgänge (Rentenjahrgänge und rentennahen Jahrgänge) entlastet und die mittleren Jahrgänge belastet werden. Doch sind diese Be- und Entlastungen so gering, dass man nicht wirklich von einer ausgeprägten Umverteilung von den jungen Generationen zu den Alten sprechen kann. Dies ist allerdings anders, wenn der rentendämpfende Effekt des Riester-Faktors nicht nachgeholt wird. Denn dann käme es im Vergleich zum Status quo dauerhaft zu höheren Rentenausgaben und höheren Beitragssätzen. Auch wenn es nicht zu signifikanten intergenerativen Verteilungseffekten kommt, ist der geplante Eingriff in die Rentenformel problematisch. Denn wenn man eine Regel wie die Rentenanpassungsformel immer aussetzt, wenn das Ergebnis politisch nicht gewünscht ist, dann wird die Regel insgesamt obsolet. Rentenerhöhungen werden dann immer mehr von Umfrageergebnissen und Wahlterminen bestimmt. Während das für die Rentner heute noch gut sein mag, kann sich das Blatt schnell wenden, wenn das Geld in der derzeit gut gefüllten Rentenkasse wieder knapper wird und dann Rentenerhöhungen nach Kassenlage anstehen. Rentner und Beitragszahler brauchen in der Altersvorsorge Verlässlichkeit. Diese Maßnahe signalisiert das Gegenteil. Die hier gemachten Aussagen zu den Verteilungseffekten gelten nur, wenn in Zukunft nicht mehr in die Rentenanpassungsformel eingegriffen wird.4 Gerade das ist vor dem Hintergrund der Pläne der 3 Der Barwert der Beiträge ist im Zeitraum 2008 bis 2030 mit den geplanten Maßnahmen um 0,28 % höher als im Status quo. 4 Es wurden auch nicht die Verteilungseffekte berücksichtigt, die von einem geänderten Bundeszuschuss ausgehen. 4 Bundesregierung nicht zu erwarten. Die daraus erwachsende Unsicherheit ist die eigentliche Last der zukünftigen Generationen, die mit diesem Eingriff verbunden ist. Implizite Rendite der Gesetzlichen Rentenversicherung im Status quo und mit den geplanten Maßnahmen 3,40 3,20 geplante Maßnahmen Status quo % 3,00 2,80 2,60 2,40 2006 2000 1994 1988 1982 1976 1970 1964 1958 1952 1946 1940 2,20 Geburtsjahrgang Quelle: eigene Berechnungen. 5